WAS HÄLT MICH (NOCH)? - St. Nikolaus Bensberg
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INHALT GRUßWORT IMPRESSUM Liebe Interessierte an unserem Pfarrbrief, WAS HÄLT MICH (NOCH)? Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Herausgeber ich freue mich, dass Sie diesen Brief unserer Gemeinde in Gehen oder bleiben?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Katholische Pfarreiengemeinschaft die Hand nehmen und lesen. Wir leben in einer Zeit des Zwischen Tradition und Entfremdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 St. Nikolaus & St. Joseph, Wandels: Wie alle Gruppen, Vereine und Verbände unserer Gründe geben zu bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Pfarrgemeinderat Gesellschaft verzeichnen auch wir als Kirche rückläufige Was hält mich (noch)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Nikolausstraße 7 Zahlen. Bis 2060 könnte sich in Deutschland die Zahl der „Ich kann nur von dem sprechen, was ich selbst erfahren habe“ . . . .14 51429 Bergisch Gladbach Mitglieder der Kirchen halbieren: durch demografische Glaubensfragen zwischen Tür und Angel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Tel. (02204) 5 24 24 Faktoren, durch die ausbleibende Weitergabe eines leben- „Wir sollten wieder mutig über Gott sprechen“ . . . . . . . . . . . . . . 17 pfarrbuero@nikolaus-und-joseph.de digen Glaubens an die nächste Generation und durch Aus- „Was hält mich im kirchlichen Hauptamt?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 tritte – so eine Prognose der Freiburger Universität, beauf- Aufbegehren und trotzdem bleiben! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Redaktion tragt durch die evangelische und katholische Kirche und Die kfd St. Nikolaus wünscht sich Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . 22 Violetta Gerlach, Martina Martschin vorgestellt im Mai 2019. Bei uns ist jeder willkommen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Pfr. Andreas Süß, Beatrice Tomasetti der Kirche anfangen, oder treten aus oder fangen erst gar Entgegen diesem Trend möchten wir in unseren Gemein- keinen Weg mit der Kirche an. Manche empfinden die Kir- Familienwochenende: Auf dem Weg zu mehr Leichtigkeit?!. . . . . . 23 den in lebendigen Gottesdiensten und Begegnungen Gott Ein Fest für wahre Engel.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Fotos und Grafiken che, so wie sie sie erleben, eher als ein Hindernis, Jesus zu als den ganz anderen immer wieder erfahrbar machen; finden. Andere lassen sich sogar in unseren Gemeinden als Seniorencafé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Halfpoint/Fotolia: S. 12; tai111/Foto- einen Gott, der mit uns geht, faszinierend zu entdecken ist Priesterkandidat Clemens Neuhoff stellt sich vor . . . . . . . . . . . . 26 lia.de: Titelfoto; Martha Gahbauer/ Erwachsene – zum Beispiel nach einem Alpha-Kurs – tau- und der unsere Sehnsucht nach Unsterblichkeit in Liebe fen. Sie haben Jesus gerade durch die Kirche gefunden. So Verwaltungsleitung wird wiederbesetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 pfarrbriefservice.de: S. 15; Frank stillen kann. Eine aufregende Reise in eine lebendige Be- Was mich (noch) hält... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gerlach: S. 22; Fabian Heyberg: S. 23; ist es mir auch persönlich ergangen, da ich überzeugende ziehung mit Gott bieten wir Ihnen an. Es geht im Glauben Vorbilder hatte. Von meiner Jugend an habe ich die Kirche Institutionen und Ansprechpartner in den Gemeinden . . . . . . . . . 28 Ulrich Kuehn: S. 26; Foto Star Köln: S. um die ganz persönliche Entscheidung, die jeder von uns Termine/Ankündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 26; Pexels: S. 4, 5, 6, 13, 25, 29; Heinz als frohe Heimat und die Sakramente als Stärkung erleben immer wieder neu treffen muss: Glaube ich, dass Jesus dürfen. Hier ist mir auch Jesus als Weg und Vorbild ver- Freud und Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Pfeil: S. 20, 21; Pixabay: S. 11, 14; Ju- Christus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, Gottes Adveniat-Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 lia Spicker: S. 19; Stommel-Prinz: S. traut geworden. Das war letztlich auch der Grund, warum Sohn ist? Dass er für mich ganz persönlich gelebt, gestor- ich mein Studium der Betriebswirtschaftslehre beendet, 8; Beatrice Tomasetti: S. 3, 17, 24, 27 ben und auferstanden ist, damit ich erlöst und das ewige Philosophie und Theologie studiert habe und Priester ge- Leben bei Gott haben werde? Und möchte ich schon hier worden bin. Diese herzliche Erfahrung, sich von Christus KONTAKT Gestaltung und Satz und jetzt in Beziehung mit ihm leben? Wenn ja, zeigen wir berühren zu lassen, gebe ich gerne weiter und freue mich Katholische Pfarreiengemeinschaft St. Nikolaus & St. Joseph Franziska Strecker Ihnen gerne, wie das geht! sehr über die Bereitschaft vieler in unseren Gemeinden www.nikolaus-und-joseph.de Jesus selbst stellt seinen zwölf Jüngern, nachdem viele, mitzugehen. Anzeigenverkauf die ihm zuerst gefolgt waren, nun gegangen sind, die Fra- Pastoralbüro, St. Nikolaus Sie möchten eine Anzeige schalten? ge: „Wollt auch Ihr gehen?“ Das ist auch die Frage dieses Ihnen und Ihren Familien wünsche ich im Namen aller Nikolausstraße 7, 51429 Bergisch Gladbach Dann wenden Sie sich bitte an Pfarrbriefs: Was hält mich (noch), in der Kirche Jesu Chris- Seelsorgerinnen und Seelsorger eine Adventszeit der Vor- Tel. (02204) 5 24 24, E-Mail: pfarrbuero@nikolaus-und-joseph.de pfarrbuero@nikolaus-und-joseph.de ti zu bleiben, der hinter der Kirche steht, die ihrerseits wie- freude und ein gesegnetes Weihnachtsfest! Unser tägli- Öffnungszeiten: KONTUREN erscheint zweimal jähr- derum aus Menschen besteht und damit immer auch feh- ches Leben von Gott tragen zu lassen, fasziniert. Mo – Mi: 9 – 11 Uhr, Mi: 16 – 19 Uhr, Fr: 12 – 14 Uhr lich und wird an alle Haushalte der lerhaft ist und immer wieder in eine Krise gerät? Aber jede Pfarreiengemeinschaft kostenlos Krise ist ja immer auch eine Chance für eine Erneuerung Kontaktbüro Moitzfeld, St. Joseph verteilt. Ihr nach dem Beispiel Jesu. Moitzfeld 65, 51429 Bergisch Gladbach Was bewegt heute Menschen, mit Jesus in der Kirche Tel. (02204) 8 16 28, E-Mail: pfarrbuero@nikolaus-und-joseph.de zu gehen oder nicht mehr mit ihm zu gehen? Viele sagen Öffnungszeiten: heute, sie wollen oder können nichts (mehr) mit dem Weg Di: 16 – 18 Uhr, Fr: 9 – 11 Uhr 2 Grußwort Pfarrbrief 2 | 19 3
GEHEN ODER BLEIBEN? Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gin- zumindest pro forma – noch angehören. Sie wünschen sich gen hinfort nicht mehr mit ihm. Da fragte Jesus die Zwölf: Reformen. Kirche müsse sich erneuern, um den Gläubigen Wollt ihr auch weggehen? (Joh 6,66f) wieder eine Heimat zu sein, fordern sie. Dabei suchen sie nach neuen Wegen. Reformbewegungen wie „Wir sind Kir- Wollt auch ihr gehen? Diese Frage trifft uns heute mitten che“ oder „Maria 2.0“ sorgen für Aufsehen – innerhalb und ins Herz. Denn die Gläubigen laufen der Kirche davon und auch außerhalb der katholischen Kirche. Vielen Gläubigen viele von denen, die bleiben, sind unzufrieden. Die Ergeb- machen solche Ansätze Mut, um zu bleiben. Andere sehen nisse der Studie, die wir Ihnen auf den folgenden Seiten darin einen Verstoß gegen die Tradition und die gottgewoll- vorstellen, sind in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. te Ordnung. Ein Grund für die aktuelle Lage ist: Die Kirche hat Vertrau- Aufbruch oder Abbruch? An dieser Frage scheiden sich die en verspielt, gewissermaßen das Urvertrauen ihrer Kin- Geister. Seit dem Sommer 2019 gibt es den synodalen Weg ZWISCHEN TRADITION UND ENTFREMDUNG in der katholischen Kirche – ein großangelegter Dialogpro- zess zwischen Kirchenvertretern und Laien mit dem Ziel, Kirche in der Krise: Allein im Jahr 2018 sind 200.000 deut- licher Orientierung lassen sich sieben verschiedene Typen die gegenwärtige Krise zu meistern. Doch ist die Kirche sche Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Die negativen von Kirchenmitgliedern unterscheiden. Da sind zunächst überhaupt noch fähig, verlorenes Vertrauen zurückzuge- Schlagzeilen über Missbrauchsskandale und Misswirt- einmal die „Bekennenden“, die mit 13 Prozent den spiri- winnen, sich aus eigener Kraft zu erneuern und zukunfts- schaft in einzelnen Bistümern reißen nicht ab. Und bis in tuellen Kern der Gläubigen ausmachen. Sie sind kirchen- fähig zu werden? Die einen sehen im synodalen Weg reine die Gemeinden hinein ist spürbar, dass die Gläubigen auf loyal und stehen unverrückbar zu ihrem Glauben. Ebenso Symbolpolitik: Es werde keine verbindlichen Beschlüsse Distanz gehen: Viele Gotteshäuser sind nur noch an den groß ist die Gruppe der „Kompromisslos-Beharrenden“. Sie geben und so letzten Endes nicht viel dabei herauskommen. Feiertagen gut besucht. Die Bereitschaft, sich ehrenamt- legen Wert auf Tradition und sehen sich als Bastion gegen Die andere Seite warnt vor einer „Homöopathisierung“ des lich im Namen der Kirche zu engagieren, lässt insgesamt religiöse Beliebigkeit. Etwas größer ist die Gruppe der „Ge- Evangeliums: Sie hält es für unzulässig, Glaubensinhalte nach. Es mehren sich kritische Stimmen an der Basis, die meindeverwurzelten“ (16 Prozent). In der Kirchengemein- zu verwässern, bis sie mehrheitsfähig sind. Dennoch: Dass Reformen fordern. de vor Ort erfahren sie Gemeinschaft und seelischen Halt. überhaupt diskutiert wird, ist schon ein Fortschritt. Genauso stark vertreten sind die „religiösen Freigeister“, Wie es scheint, braucht es heute gute Gründe, um der Kir- die mit religiösen Traditionen und der Amtskirche wenig im Wollt auch ihr gehen? Die Apostel haben sich entschieden che die Treue zu halten. Was hält Katholiken (noch) in der Sinn haben. Eine weitere Gruppe bilden mit 7 Prozent die zu bleiben. Simon Petrus erwidert Jesus: Du hast Worte Kirche? Dieser Frage geht eine Studie im Auftrag des Erz- „Sozial-Fokussierten“. Sie sind Anpacker und fühlen sich des ewigen Lebens. Das, was uns trägt und zum Bleiben bistums München und Freising nach, die im Frühjahr 2019 der Kirche vor allem deswegen verbunden, weil sie sich veranlasst, ist größer als alles Störende. Und jeder hat auf erschienen ist. Um ein Stimmungsbild der Katholiken in für Benachteiligte und Flüchtlinge einsetzt. Wie sie haben die Frage, was ihn noch hält, seine eigene, ganz persönli- ganz Deutschland zu gewinnen, hat die Medienberatungs- auch die „Dienstleistungsorientierten“ (9 Prozent) ein eher che Antwort. Einige davon haben wir gesammelt, um ein gesellschaft MDG in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- profanes Verhältnis zur Kirche: Letztere interessieren sich Stimmungsbild von dem zu vermitteln, was die Menschen institut Sinus über 2300 Interviews in ganz Deutschland vor allem für kirchliche Einrichtungen wie Kitas oder Schu- in unseren Gemeinden bewegt. geführt. len. Wollt auch ihr gehen? Die Entscheidung ist jedem selbst SIEBEN GRUPPEN VON GLÄUBIGEN MEHR ALS EIN VIERTEL IST UNZUFRIEDEN überlassen. Wer geht, wendet sich ab. Wer bleibt, muss sich Die Studie hat eine Vielzahl von Motiven zutage gefördert, Die mit Abstand größte Gruppe stellen mit 26 Prozent die der. Dafür wird sie nun abgestraft. Nicht alle, die zweifeln, tagtäglich abarbeiten an so mancher Zumutung. Zumutung die für die Bindung an die katholische Kirche ausschlagge- „Entfremdeten“. Sie sind Skeptiker – was nicht bedeutet, machen gleich einen radikalen Schnitt. Doch viele sind in- aber auch in einem positiven Sinne: Uns wird etwas zu-ge- bend sind. Denn wie alle Glaubensgemeinschaften ist auch dass bei ihnen der persönliche Glaube überhaupt keine Rol- nerlich auf dem Absprung. Sie haben sich der Kirche ent- mutet. Wir sind frei, das Richtige zu tun. Wir dürfen mutig das katholische Milieu nicht in sich geschlossen, es zerfällt le mehr spielt; er deckt sich nur nicht mit der kirchlichen fremdet, der sie sich einst zugehörig fühlten und der sie – sein, etwas Neues zu wagen. in unterschiedliche „Lager“. Je nach religiöser und kirch- Lehrmeinung. Die Entfremdeten bilden ein sensibles Stör- 4 Gehen oder bleiben? Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 5
feld innerhalb der Kirche. Die Zahl derer, die innerlich auf GRÜNDE GEBEN ZU BLEIBEN dem Absprung sind, ist in dieser Gruppe am höchsten. Auf die Menschen hören, zuhören, was sie bewegt – das Fazit: Die Bindung der Katholiken an ihre Kirche nimmt ab – ist die Zielsetzung einer Studie, die das Erzbistum Köln in ein Trend, der quer durch alle Altersgruppen und Bildungs- Auftrag gegeben hat. Anders als in der SINUS-Studie des schichten zu beobachten ist. Fast die Hälfte der Katholiken Erzbistums München geht es dabei nicht um die Erhebung steht der Kirche in vielen Fragen kritisch gegenüber, fühlt quantitativer Daten, sondern darum, psychologische Zu- sich ihr aber dennoch verbunden. Doch diese Loyalität ist sammenhänge und Motive aufzudecken. In Einzelinter- fragil: 41 Prozent der deutschen Katholiken sind mehr oder views und Gruppendiskussionen haben die über 60 Studien- weniger austrittsgefährdet, so die Autoren der Studie. teilnehmer über ihre Haltungen, Gefühle und Erfahrungen in Bezug auf die katholische Kirche gesprochen. Die psy- Diese Gruppe zählt vor allem zu den Adressaten kirchlicher chologisch geschulten Interviewer achteten in diesen Ge- Bindungsarbeit. Doch wie sollte sie aussehen? Mit welchen sprächen auch auf Ungesagtes, sie werteten Körpersigna- Angeboten kann die Kirche punkten? Welche kommen bei le aus und nahmen atmosphärische Veränderungen wahr. den Gläubigen nicht an? Bestnoten bekommt die Kirche Experten des Kölner Marktforschungsinstituts Rheingold für ihr karitatives Engagement: Rund die Hälfte der Be- haben die Aussagen zu Ergebnissen verdichtet, die für die fragten ist der Ansicht, dass die Kirche soziale Einrichtun- Pastoral in den Gemeinden eine wertvolle Handreichung gen besser betreibt als der Staat. Zwei von drei Gläubigen bieten. sind überzeugt, dass es Aufgabe der Kirche ist, sich für Be- nachteiligte einzusetzen. Das ist einer der wichtigsten Bin- SEHNSUCHT SCHAFFT BINDUNG dungsfaktoren zwischen den Katholiken und ihrer Kirche. Bindung ist der Schlüsselbegriff, wenn es um das Verhält- nis der Getauften zu ihrer Kirche geht. Wodurch entsteht ALS MORALISCHE INSTANZ NICHT GEFRAGT Bindung an die Kirche? Wann und wo wird diese erfahren? Was die Liturgie betrifft, stehen die besonderen Gottes- Was stärkt und was gefährdet sie? Diese Fragen standen im dienste bei drei von vier Katholiken hoch im Kurs, gefolgt Mittelpunkt der Gespräche. Eine wichtige Erkenntnis lau- von den normalen Sonntagsgottesdiensten (55 Prozent). tet: Bindung kann nur dort entstehen und wachsen, wo die Alle anderen abgefragten kirchlichen Angebote werden im Kirche auf menschliche Sehnsüchte eingeht. Ausgehend Schnitt von weniger als der Hälfte in Anspruch genommen. von typischen Sehnsüchten werden in der Studie sechs „Bindemittel“ der Kirche identifiziert; drei von ihnen sind Als moralischer Kompass scheint die katholische Kirche eher weltlich motiviert, drei weitere haben mehr spirituel- heute kaum noch zu dienen: So wendet sich nur eine Min- len Charakter: derheit bei privaten Problemen an einen Seelsorger. Mehr Zu den „weltlichen“ Bindungsfaktoren zählen: als die Hälfte der Befragten gibt dafür Vorbehalte beim ka- • die seelsorgerische Kirche, die Menschen ein offenes Ohr tholischen Frauenbild oder der Sexualmoral als Grund an. bietet für ihre Sorgen und Nöte • die gemeinschaftliche Kirche, die sich in einem starken Die dominanten Motive für die Kirchenmitgliedschaft sind und aktiven Gemeindeleben abbildet der Glaube an Jesus Christus, die Bedeutung kirchlicher • die fürsorgliche Kirche, die sich in der Gesellschaft um Sakramente und das soziale Engagement der Kirche, aber soziale und karitative Aufgaben kümmert auch die Familientradition. Mehr als die Hälfte der Befrag- Eher „himmlische“ Bindungsfaktoren an die Kirche sind: ten gibt an, Kirche sei mit dem Gefühl von Heimat, Gemein- • die spirituelle Kirche, die sinnliche Erfahrungen und Er- schaft und Zusammengehörigkeit verbunden. bauung bietet (pompöse Inszenierungen, Festgottesdiens- te) 6 Zwischen Tradition und Entfremdung Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 7
• die erlösende Kirche, die die Sehnsucht der Menschen heutige Vielfalt der individuellen Lebensentwürfe müsse WAS HÄLT MICH (NOCH)? nach Sinn, Vergebung und einem Leben nach dem Tod an- sich in den pastoralen Angeboten widerspiegeln: So gibt spricht es beispielsweise in vielen Gemeinden Angebote für junge Eine massive Steigerung der Kirchenaustritte und die vielen Negativschlagzei- und ich selbst bei dir weiterhin eine • die beschützende Kirche, die dem Einzelnen durch feste Erwachsene, die heiraten und eine Familie gründen, nicht len – das hat das „Konturen“-Team dazu veranlasst, einmal der Frage nachzu- geistige Heimat finden können, Mut- Regeln und Werte Halt und Orientierung bietet. aber für die immer größer werdende Gruppe Alleinleben- gehen, was Menschen bewegt, die Kirche – allem Trend zum Trotz – nicht zu ter Kirche. Denn Kirche sind wir doch der. Berücksichtigt werden müsse beispielsweise auch, verlassen, sich ihr vielleicht neu anzunähern, einen Wiedereintritt ins Auge zu alle, und als Bodenpersonal ist jede dass viele Menschen heute nur sporadischen Kontakt zur fassen oder gar den Entschluss, sich als Erwachsener taufen zu lassen. Nicht zu Christin und jeder Christ aufgefordert, KEINE NORMIERTEN ANGEBOTE MACHEN Kirche haben. Für diejenigen, die erstmals oder nach län- vergessen natürlich das wichtigste Argument, was Menschen an „ihrer“ Kirche sie mitzugestalten. Ich bleibe. Jetzt Auf eine Kurzformel gebracht, empfiehlt die Studie: mehr gerer Abwesenheit zur Kirche kommen oder die sich nach lieben, warum sie trotz vielfältiger Kritik an Strukturen und Amtsträgern ent- erst recht. Kundenorientierung! Kirche müsse sich kreativ auf die Per- einem Umzug in einer neuen Gemeinde zurechtfinden scheiden, nicht nur in dieser Gemeinschaft zu bleiben, sondern sich auch aktiv BRIGITTA KINDERVATER, 62 JAHRE spektive der Gläubigen einlassen und fragen: Wer braucht müssen, sei eine Begrüßungskultur wichtig, damit sie sich zu engagieren. Bei den Gesprächen mit Menschen über die Frage des Kirchen- welche Angebote? Denn nur wenn sich Menschen in ihren zugehörig fühlen. Anlässe wie Taufen, Erstkommunionfei- austritts überrascht die intensive Zurückhaltung. „Nein, dazu möchte ich mich VERANTWORTUNG Bedürfnissen wahr- und ernstgenommen fühlen, entstehen ern und Begräbnisse bieten weitere Chancen, um auch Kir- nicht öffentlich äußern, auch nicht anonym.“ Das gibt zu denken. Daher kom- Warum in der Kirche bleiben und ihr Loyalität und Bindung. Vor allem aber kommt es offenbar chenfernen positive Erfahrungen zu vermitteln. men an dieser Stelle Menschen zu Wort, die – bei allen Vorbehalten und auch nicht den Rücken zudrehen bei all den offensichtlicher Kritik – dabei geblieben sind oder ihren Weg neu zum katholi- Verfehlungen und den verkrusteten schen Glauben gefunden haben. Strukturen? Ja, das wäre eine Lösung; BLICK AUF DIE DEFIZITE HEMMT Eine Bindung an die Kirche kommt vielfach auch erst zeit- eine Haltung, die viele inzwischen DEN NÄCHSTEN SEHEN gen um den richtigen Weg in Synoden, versetzt zum Tragen. Wer mit der Kirche angenehme Kind- praktiziert haben und die in meiner Was mich hält, ist vor allem das Gefühl Pastoralkonzepten, Zukunftswegen... heitserfahrungen verbindet, kommt häufig mit seinen Familie zumindest weniger mitleidi- der Gemeinschaft. Ich erlebe in der Vieles, was gerade Thema ist, lässt eigenen Kindern wieder – selbst wenn er zwischenzeitlich ges Kopfschütteln über mein Festhal- Kirche und in der Gemeinschaft von mich nachdenken, zweifeln und auch Distanz zur Kirche hatte. Diese Erkenntnis mag eine Beob- ten an und mein Engagement in Kirche Christen das Gefühl, umgeben zu sein wütend werden. Aber austreten des- achtung von Katechetinnen und Katecheten relativieren, hervorbringen würde. Aber Aufgeben von Menschen, die auch durch ihren wegen? Du warst und bist meine geis- die oft frustriert feststellen, dass die Mehrzahl der Kommu- ist nicht mein Lebensstrickmuster. Ich Glauben bewegt sind, sich für Werte tige Heimat seit Kindertagen, Mutter nionkinder nach dem Fest wegbleibt. Häufig wird auch be- bin von Natur aus kämpferisch, wenn einzusetzen, die mir sehr wichtig sind. Kirche. Solange Gottes Wort und Jesu mängelt, dass der allsonntägliche Besuch des Gottesdiens- ich mit all meinem Fühlen und Denken Eine Gemeinschaft, die dankbar ist Vorbild auch heute noch ein Lebens- tes für viele Katholiken keine Selbstverständlichkeit mehr von der Richtigkeit meines Tuns über- für etwas, das ihr geschenkt wurde, maßstab sein können, trete ich nicht ist. Dennoch ist die Feier der Eucharistie mit ihren vertrau- zeugt bin. Und von Jesus und Gott bin und hieraus stark motiviert ist, über aus. Solange in christlicher Nächs- ten Abläufen für viele ein gewichtiger Grund, in der Kirche ich überzeugt. Mir widerspricht es zu- den eigenen Tellerrand zu schauen tenliebe viel Gutes geschieht – in Fa- zu bleiben – auch wenn sie nicht regelmäßig dabei sind. Die tiefst, als Frau akzeptieren zu sollen, und für den Nächsten da zu sein. Ich milien, in Pfarrgemeinden, Kinderta- Art, wie kirchliche Ressourcen und Angebote von den Ver- dass ich Mensch zweiten Ranges für finde, dass Menschen, denen es über- gesstätten, Schulen, Sozialstationen, antwortlichen selbst wahrgenommen werden, konzentrie- die Kirche bin – wohl wissend, dass ADVENTure in Moitzfeld am 1. November 2019 wiegend gut geht, eine Verpflichtung Beratungsdiensten, Krankenhäusern re sich zu einseitig auf die Defizite, bemängelt die Studie. dies eine rein von Männern getroffe- verspüren sollten, von ihrem „Glück“ und Altenheimen, in der Nachbar- darauf an, mehr mit den Gläubigen zu sprechen: Die Ge- Seelsorger und engagierte Laien erlebten ihre pastoralen ne Entscheidung ist. Ich durfte kein etwas weiterzugeben...Und daran er- schaftshilfe und überall dort, wo Men- sprächsbereitschaft aller Studienteilnehmer war auffallend Anstrengungen oft als vergeblich. Das versperre den Blick Messdiener sein und wäre es so ger- innert uns unser Glaube. schen sich begegnen –, trete ich nicht groß. Dass sie offen über ihren Glauben und ihr Verhältnis aber auf das, was gelingt, wo Menschen gute Erfahrungen ne gewesen. Das habe ich als Kind als ANJA WAGENER-PÖTTERS, 53 JAHRE aus. Ich würde das viele Gute ignorie- zur Kirche sprechen und auch Kritik äußern konnten, emp- mit Kirche machen. So hat etwa die „Aktion Neue Nach- große Lüge von Pastören erlebt, die ren und verraten, wenn ich wegen des fanden viele als wohltuend. Sie fühlten sich in ihrer Person barn“ gezeigt, dass auch Menschen ohne Kirchenbindung mir im Kommunionunterricht erzählt GEISTIGE HEIMAT Ärgerlichen und Schwierigen aus der wertgeschätzt. Hierin liegt sicher eine Chance für die pas- das kirchliche Engagement für die Geflüchteten sehr posi- hatten, dass vor Gott alle Menschen Mutter Kirche – zurzeit ist es aufre- Kirche austräte. Vielmehr möchte ich torale Arbeit. tiv gewürdigt haben. gleich sind. Und wie man heute sehen gend mit dir und in dir: Aufarbeitung mit meinen Geschwistern im Glauben Den Einzelnen in seiner jeweiligen Lebenssituation in den kann, ist das Gottesdienen den Mäd- von Missbrauch, Diskussionen um die vor Ort Kirche mitgestalten und mei- Blick nehmen, lautet der Tenor aller Empfehlungen. Die chen inzwischen nicht mehr verwehrt. MARTINA MARTSCHIN Rolle der Frau in der Kirche, das Rin- nen Teil dazu beitragen, dass andere Meines Erachtens brauchen Entwick- 8 Gründe geben zu bleiben Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 9
lungen der Kirche viel Zeit. Es dauert unbedingt die Themen, die ich mir per- weil ihnen Kirche noch lange nicht Wintersportort, wo sich viele ältere mir und vielen anderen häufig zu lan- sönlich zu eigen mache. Ich gehe mit egal ist. Weil sie mit ihr ringen. Und Besucher für den wunderschönen, er- ge; es ist ein zäher, Kräfte raubender ihnen um – schon allein qua Amt und weil ihr Glaube, eine Leidenschaft und frischenden Gottesdienst bedankten. Prozess mit der Perspektive, dass ich Aufgabe, aber mehr beschäftigt mich vielleicht auch Liebe zu ihrer Kirche Und auch später waren es Kapläne, viele erwünschte Entwicklungen viel- bei all den öffentlich ausgetragenen sie antreiben, an deren Zukunftsfähig- unsere Pastoralreferentin und Pfarrer, leicht nicht mehr erleben werde. Aber Diskussionen das, was davon mein keit mitzuarbeiten. All das hält mich, die mich durch ihr Engagement und aufgeben? Nein! Das Feld den ewig eigenes Leben, meinen eigenen klei- diese mir so bedeutsame Beziehung ihr Wort überzeugten, die Fehlent- Gestrigen überlassen? Entschieden nen Mikrokosmos betrifft: Wie gehe nicht aufzukündigen. Ich bleibe, weil wicklungen in der Amtskirche aufzeig- Nein! Jesus hat es uns doch mit den ich mit Freunden um, die mir sagen, ohne meinen Glauben alles nichts ist. ten und dafür von der Bistumsleitung Pharisäern vorgelebt. Widerstände dass Kirche ihnen nichts (mehr) be- BEATRICE TOMASETTI, 57 JAHRE gerügt wurden. Ich bin trotzdem in sind gut und wichtig. Nur so entstehen deutet? Wie erlebe ich den Umgang dieser Kirche geblieben – nicht zu- Reibung, Diskussion, Aufbruch und mit Menschen an meinem Arbeitsplatz GLEICHGESINNTE FINDEN letzt, weil wir hier in St. Nikolaus zu letztlich auch Veränderung. Schließ- oder in meiner Kirchengemeinde? Manchmal weiß ich es selber nicht, einer Gemeinschaft mit vielen Gleich- lich ist Kirche aber für mich nicht nur Welche Chancen habe ich, mich in der was mich noch hält. Wenn ich rational gesinnten zusammengewachsen sind, die Institution; sie ist für mich die Ge- Kirche gemäß meinen Fähigkeiten zu denke, müsste ich schon längst aus in der man sich aufgenommen und zu meinschaft mit denen, die – wie ich entfalten? Wie viel Freiheit habe ich dieser Institution ausgetreten sein. Hause fühlt und die einem Heimat ist. – diese Basis Gott und Jesus haben. im Dienst eines kirchlichen Mediums, Jedem Verein, der mich so oft ent- CHRISTOPH BABILAS, 77 JAHRE Ich finde meine Nischen innerhalb der offen meine Meinung zu sagen? Wie täuscht hat, hätte ich schon längst Kirchengemeinde St. Nikolaus und St. ehrlich ist der Wunsch der Kirchen- den Rücken gezeigt wegen: Doppel- BLEIBEN BRAUCHT MUT Joseph, in denen ich mich freier, offe- leitung nach einer sich verändernden moral, Hierarchiedenken, Missbrauch, Aus einer Gemeinschaft austreten? bei sein, weil ich geblieben bin. in Aue in meiner Heimatgemeinde. ner und angesprochen fühlen sowie Kirche, die näher an Gott, aber gleich- Selbstgefälligkeit, Unbarmherzigkeit, Das ist leicht und bei der katholischen DR. CHRISTIAN KAUER, 68 JAHRE Aufgrund meiner tiefen familiären auch selbst engagieren kann. Hier gibt zeitig auch nah an den Menschen sein wenn es nicht ins eigene Denksche- Kirche mit einer Unterschrift beim Prägung kommt ein Kirchenaustritt es noch viel Potential, Kirche anders will? Das alles hat dann doch wieder- ma passt. Aber: Ich bin noch immer Amtsgericht zu erledigen. Dabeizu- TROST UND HALT für mich nicht in Frage, da der Glau- zu leben, es vorzumachen, wie Kirche um sehr konkret mit mir zu tun. Kirche Mitglied und sogar ein aktives. Das bleiben ist viel, viel schwieriger. Es Als Tochter einer Gemeindereferen- be für mich zum Leben gehört, und ich sein kann, ohne im Widerspruch zu im Kleinen, authentisch und mit Herz, liegt wohl in erster Linie an der Bot- kostet Kraft und Ausdauer. Ja, es gibt tin bin ich im Pfarrhaus und in der bin sehr froh, dass ich diesen auch mit Gott und Jesus zu sein. Schlussendlich angefangen in meiner Familie – das ist schaft Jesu, die mich angesprochen mehr Argumente auszutreten als zu Diaspora im schönen Erzgebirge groß meinem neuen Partner teilen kann. habe ich, persönlich gesehen, auch das, was mich interessiert und hält. und überzeugt hat. Außerdem hatte bleiben: die katholische Kirche mit geworden. Beides hat mich sehr im EVA-MARIA HAHN, 45 JAHRE die Verantwortung, diejenigen nicht Zumal nämlich Kirche für mich über- ich Glück, denn seit meiner Kindheit ihrem massiven Realitätsproblem im Glauben geprägt und die letzten Jah- im Stich zu lassen, die den Mut noch all da ist, wo ich bin – weil sie mein und der Zeit in der Jugendarbeit ha- Hinblick auf die Lebenswirklichkeiten re mal mehr und mal weniger beglei- AUSZEIT nicht verloren haben und für Verände- Lebensraum ist, seit ich denken kann. ben mich immer wieder Menschen aus der Menschen, die vielen schlimmen tet. Nachdem ich in den letzten zwei Die vielen sozialen Aktivitäten, so- rung weiterhin eintreten. Sie ist der Ort, wo ich einen Großteil dieser Kirche begleitet, die diese Bot- Skandale, die in jeder weltlichen Fir- Jahren zwei liebe Menschen verloren zialen Einrichtungen und Hilfen für CARMEN HAGEMANN, 46 JAHRE meiner Freunde treffe, wo ich viel von schaft überzeugend vermitteln und ma Anlass zur Trennung gäben, und habe, wurde ich von zwei tollen Seel- bedürftige, einsame und kranke Men- dem finde, was ich zum Leben brau- mich begeistern konnten. In den 60er die vielen Würdenträger, die in ihrer sorgern betreut, die meiner Seele schen motivieren mich, die Institution GEBORGEN IN GOTT che. Und wo ich Menschen begegne, Jahren kamen dann die Befreiung und Falschheit weiteren Anlass bieten. wirklich gut getan haben. Durch gro- Kirche zu unterstützen und auch gerne Begriffe wie Glaubenskrise, Kirchen- die – genauso wie ich – auf der Suche der Aufbruch durch das Zweite Vatika- Und dennoch bleibe ich und bin viel- ßes Glück habe ich dabei auch An- meinen finanziellen Beitrag zu leisten, austritte, starre Regeln, verkrustete sind nach einem Ort, wo ich mich in nische Konzil. Wir durften viele Ideen leicht gerade deshalb dabei. Nicht nur, schluss in der Gemeinde St. Nikolaus den ich sonst vielleicht nicht so regel- Strukturen, Machtmissbrauch, Maria Gottes Gegenwart geborgen erlebe, umsetzen, zum Beispiel unsere ersten weil ich glaube und dazu den gemein- gefunden, wo ich eine große Gemein- mäßig leisten würde. Ich selber gehe 2.0 – klar, das sind momentan die wenn nichts mehr geht. Mir macht Jazz-Messen, die wir mit vielen, vielen schaftlichen Raum suche, sondern schaft gefunden habe, die mir sehr ge- sehr gerne in Kirchen, weil sie mich Schlagworte in einer schwer gebeu- Mut zu sehen, wie viele Menschen im Gleichgesinnten begeistert gefeiert weil ich die Hoffnung auf Erneuerung holfen hat, mit der Trauer umzugehen, sowohl aus architektonischer, künst- telten Kirche, für die ich seit Jahr- Oktober der Einladung von Erzbischof haben. Die Kirche erwachte zu neuem habe; Hoffnung, weil ich daran glau- und in der ich mich selbst auch enga- lerischer und geschichtlicher Sicht in- zehnten haupt- und ehrenamtlich Woelki zu den Regionalforen des „Pas- Leben. So erinnere ich mich an eine be, dass unsere Kirche den Weg finden gieren kann. Ich fühle mich hier jetzt teressieren und ich auch immer einen arbeite. Und trotzdem sind das nicht toralen Zukunftsweges“ gefolgt sind, Messe in einem kleinen Schweizer und einschlagen wird. Und ich darf da- wieder so gut aufgehoben wie damals Platz für Ruhe, zum Nachdenken und 10 Was hält mich (noch)? Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 11
begründen und darzulegen, warum ein Evangelium als Normativ meines Han- in meinem Leben in allen Höhen und Austritt für mich nicht in Frage käme. delns zu sehen, sind zwei Seiten einer Tiefen immer viel bedeutet. Dafür bin Etliche Jahre später hat sich mir diese Medaille. Meinen Glauben kann ich ich sehr dankbar! Frage erneut gestellt – wiederum an- nur in der Gemeinschaft mit anderen CHRISTEL HEBBORN, 81 JAHRE geregt durch die Anfrage zu dem vor- stärken und vertiefen. Dazu brauche liegenden Statement – und das Erste, ich die kleinen Gruppierungen und In- BARMHERZIGKEIT was mir spontan dazu einfällt ist, dass stitutionen, die mich in meinem Glau- Ich bin in der Kirche, weil ich nicht ich mit „meiner“ Kirche Erfahrun- ben, aber auch in meinem Kirchenbild genug bekommen kann von Gottes gen machen musste, die ich in der tragen. Dazu brauche ich den Gottes- froher Botschaft. Weil ich an die Auf- Dramatik und in dem Ausmaß nie für dienst mit der Auslegung der Frohen erstehung glaube. Im Sakrament der möglich gehalten hätte. Ich habe aus- Botschaft, die immer wieder deutlich Eucharistie erfahre ich immer wieder halten müssen, dass der Geist des II. Bezug nimmt zu meiner Lebenswirk- die Barmherzigkeit Gottes, der seinen Vatikanischen Konzils mehr und mehr lichkeit. Darüber hinaus werden für eigenen Sohn für unsere Sünden geop- zurückgedrängt wurde. Dass all meine mich Bemühungen und Verlautbarun- fert hat, um uns zu erlösen. Ich möch- Bemühungen als Arbeitskreis-Leiterin gen der Kirche dann nachvollziehbar, te noch sehr viel lernen im Glauben, so im Pastoralgespräch und anschlie- relevant und glaubwürdig, wenn sie dass ich diesen, wenn ich später eine ßend als Mitglied im Diözesan-Pasto- in Barmherzigkeit immer vom Men- Familie habe, auch weitergeben kann. ralrat – gemeinsam mit vielen, vielen schen aus gedacht und entschieden CHARLOTT MARIE LEHMANN, 23 JAHRE Beten dort finde. Die Kirche bietet mir res Glaubens. Deshalb bringen mich dem Leben war und nach dem Gott mir anderen – die Notwendigkeit von Ver- werden, wenn auch danach gehan- immer eine willkommene Auszeit von auch die Themen, die Kirche im Mo- – so empfinde ich das rückblickend – änderungen deutlich zu machen, ent- delt wird. Da möchte ich exemplarisch REISE ZU GOTT meinem Alltag. ment spalten, nicht davon ab, mich zu ein zweites Leben geschenkt hat. Heu- schieden fehlgeschlagen sind. Eher Kardinal Karl Lehmann zu Themen wie Ich fühle mich getragen und bin in NADINE DIETZ, 45 JAHRE dem zu bekennen, was das Zentrum te habe ich keinerlei Einschränkungen noch haben sie die Gegenreaktion des dem Paragrafen 218, wiederverheira- der Kirche, da Glaube Gemeinschaft ist: Christus! Außerdem erlebe ich mehr – bis auf eine künstliche Hüfte. verstärkten Beharrens auf den Tradi- tet Geschiedenen, Interkommunion, braucht. Der Austausch mit anderen DER GLAUBE TRÄGT Kirche ganz konkret als eine starke Nach diesem für mich einschneiden- tionen und Rückentwicklungen be- Homosexualität etc. nennen. Fazit: Ich ist mir sehr wichtig. In Gemeinschaft Warum ich noch in der Kirche bin? Ich Gemeinschaft von Menschen, die eine den Ereignis hat sich bei mir beruf- fördert! Ich habe aushalten müssen, bleibe in der Kirche und suche mir in wird die Liebe Gottes immer wieder bin nicht noch in der Kirche! Ich werde gemeinsame Hoffnung für ihr Leben lich, aber vor allem auch privat alles dass alle Dialog-Prozesse und meine der Gemeinde meine kleinen „Kirch- erfahrbar. Auch gibt die Kirche mir auch in der Kirche bleiben. Das steht haben. Der geteilte Glaube trägt und verändert. Ich habe meine Frau ken- Mitarbeit im Diözesanrat, in dessen orte“. Halt und Geborgenheit. Die Sonntags- für mich außer Frage. Der Glaube an strahlt aus – das erlebe ich an vielen nengelernt, und wir haben noch zwei Vorstand ich vier Jahre war, trotz GABRIELE BEHR, 75 JAHRE messe zum Beispiel ist für mich immer Gott trägt mich. Die lebendige Ge- Stellen trotz aller Herausforderungen, süße Kinder bekommen. Auch andere intensivster Bemühungen keiner- eine Reise zu Gott und gleichzeitig zu meinschaft im Glauben der Kirche mit vor denen wir im Moment stehen. Ich prägende Erlebnisse mit Gott werde lei Umdenken bei den maßgeblichen GESCHENK mir selbst. der ganzen Familie und der Gemeinde bin sicher, dass es mit viel gutem Geist ich nie vergessen. Heute arbeite ich Menschen in unserer Kirche bewirkt Mich hält mein Glaube, der mir Kraft, ELIZA VON GEHLEN, 18 JAHREE ist mir sehr wichtig; eine frohe Ge- neue Wege geben wird. ehrenamtlich beim ambulanten Hos- hat. Ich habe aushalten müssen, dass Trost und Freude gibt. Erste Anleitun- meinschaft, die man mit der ganzen HANNA KINDERVATER, 28 JAHRE pizdienst mit. Für mich gibt es nur mit selbst die Ungeheuerlichkeiten des gen zu einem religiösen Leben bekam Gott ein (ewiges!) Leben. Ohne ihn GOTTES LIEBE Familie und der Gemeinde, mit allen in Umfangs und des Umgangs mit den ich durch ein christliches Elternhaus. geht und will ich es auch nicht mehr. Ich bin in der Kirche, da es in der unserer Gemeinde erleben kann. SCHLÜSSELERLEBNIS Missbrauchsfällen noch immer nicht In meiner Gymnasialzeit bis zum Abi- HERMANNJOSEF KROPPENBERG, STEFAN SCHWOPE, 57 JAHRE Kirche viele Menschen gibt, die Got- Was mich noch in der Kirche hält, sind zu einer qualifizierten Veränderungs- tur erfuhr ich durch Ordensfrauen als 41 JAHRE tes Liebe weitertragen wollen. Ich meine persönlichen Erfahrungen mit bereitschaft beigetragen haben. Alles Lehrerinnen eine intensive religiöse bin nicht in der Kirche um der Men- Gott. Ich bin zwar auch gut katholisch EIGENE KIRCHORTE SUCHEN Wissen um die Ursachen und Hinter- Prägung und Wertschätzung des Glau- schen willen, die Unmut verbreiten. GEMEINSCHAFT erzogen, aber vor allem ist es mein Als ich Anfang der 90er Jahre eine An- gründe nützt offenbar wenig! Und bens. Später selbst Lehrerin versuchte Ich engagiere mich in der Gemeinde, Warum ich in der Kirche bin? Weil es schwerer Motorrad-Unfall vor ein paar frage vom WDR erhielt, ging es um die trotzdem: „Meine“ Kirche – die Amts- ich, meinen Glauben an meine Schüler um die Liebe Gottes weiterzugeben. zu allererst um die Gemeinschaft mit Jahren mit Koma und Knochenbrü- Teilnahme an einer Talkrunde genau kirche – und mein persönlicher Glau- weiterzugeben und einzuüben. Mein TATJANA BOSBACH, 45 JAHRE Christus geht. Das ist der Kern unse- chen, bei dem ich dem Tod näher als zu diesem Thema. Mein Part war zu be an Gott und die Bereitschaft, das Glaube ist ein Geschenk und hat mir 12 Was hält mich (noch)? Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 13
STÄRKUNG BEZIEHUNG Wir freuen uns, dass sich so viele Ge- seitens des Elternhauses, erste Erfahrungen im Raum Kir- spielsweise die Alphakurse in unserer Gemeinde – aber Ich bin in der Kirche, da ich durch die Die persönliche Beziehung zu Jesus meindemitglieder beteiligt haben. che und Gemeinde zu sammeln. sie leisten noch viel mehr. Glaubensgespräche eröffnen Sakramente kraftvoll und sinnvoll im- Christus, die mir durch die Sakramen- „Glaubens-Sprach-Räume“, die für die Zukunft der Kirche mer wieder im Leben gestärkt werde te der Kirche immer wieder vermittelt Weitere Statements finden Sie zum Viele Menschen verlieren dann die Basis zur Sprachfähig- prägend sein werden. Erst ein Glaube, der nach außen ge- und ich mit ganzem Herzen und Leib wird, trägt mich. Jesus Christus hat Nachlesen auf unserer Homepage keit im Glauben. Dann werden die Glaubenserfahrung und lebt und ausgesprochen wird, kann Menschen dazu einla- Christ sein kann; deswegen bin ich rö- seine Kirche begründet, dessen Leib www.nikolaus-und-joseph.de die Versprachlichung gerne an kirchliche Institutionen wie den, der eigenen Sehnsucht zu folgen, Fragen zuzulassen misch katholisch. sie ist. Durch den Leib Christi wird die Kita oder Schule delegiert, die das nicht leisten können. und Antworten auf die fundamentalen Fragen des Lebens THOMAS HEYBERG, 50 JAHRE Kirche immer wieder auferbaut. zu erhalten. BRIGITTA PAFFENHOLZ, 24 JAHRE Dabei muss ich selbst eine gewisse Praxis vollziehen, kon- frontiert werden mit dem, was wir Gott und Glauben nen- Ich wünsche mir, dass immer mehr Menschen anderen Mut nen, Räume erleben, sie als „meine Orte und Räume“ er- machen zu fragen, bereits bestehenden Fragen nachzuge- fahren, um mich der Frage zu stellen, woran ich eigentlich hen und Räume der Gotteserfahrung zu schaffen. Lassen glaube. Sehnsüchte speisen sich auch aus Erfahrung und Sie uns gemeinsam erleben, dass die Tiefe des Glaubens sogar aus dem Mangel an ihr. In dieser Sehnsucht verber- kein Ende hat und wir immer noch mehr ergründen können, gen sich für mich Fragen nach den Glaubensdingen, nach welche Wege Gottes unser Leben prägen. Ich lade Sie herz- Inhalten, nach Grundlagen. Dann beginnt die spannende lich dazu ein, darüber zu sprechen! Reise der Glaubensvertiefung und aus Glaubenssuchern können Glaubenszeugen werden. Das ermöglichen bei- VIOLETTA GERLACH GLAUBENSFRAGEN ZWISCHEN TÜR UND ANGEL Dass in einer Kindertagesstätte beim Bringen und Abholen der Kinder über erzieherische Fragen gesprochen wird, ge- hört zum Alltag. Zwischen Tür und Angel zu einem Glau- bensgespräch eingeladen zu werden, ist dagegen eher un- gewöhnlich. Pastoralreferentin Violetta Gerlach hat den Versuch gewagt und Kita-Eltern gefragt: Was hält Sie in „ICH KANN NUR VON DEM SPRECHEN, WAS ICH SELBST ERFAHREN HABE“ der Kirche, in der Gemeinde, im Glauben? Lesen Sie hier einige Antworten aus diesen „Türgesprächen“, die wir auf Vielerorts wird eine Sprachlosigkeit im Glauben bemän- vielleicht sogar die Gesellschaft eine Abneigung gegenüber Wunsch der Befragten anonym veröffentlichen. gelt, sowohl bei Menschen, die eine lose Beziehung gegen- Glaubensgesprächen aus? über der Kirche pflegen, als auch bei den sogenannten • In der Kirche fühle ich mich sicher und geborgen. Insidern. Und manchmal findet sie sich sogar bei haupt- Ich glaube schon, dass es einerseits unmodern geworden amtlichen Mitarbeitern im kirchlichen Dienst, die sich nicht ist, über den Glauben zu sprechen. Andererseits nehme ich • Die Gemeinde gibt mir eine emotionale Kraft. mehr trauen, einfach den Glauben offensiv ins Gespräch zu wahr, dass viele Menschen überfordert sind, wenn sie nach bringen. ihrem Glauben gefragt werden. Trotzdem ist die Sehnsucht • Kirchliche Feste und Traditionen sind für mich eine Hei- Woran aber liegt es, dass wir nicht mehr wissen, wie wir nach den Glaubensdingen, nach Halt und Orientierung, materinnerung. über den Glauben sprechen sollen? Haben wir den Mut oder stärker denn je. Aber die Erfahrung mit Gott und Glauben gar die Fähigkeit verloren? Haben die Menschen heute zu nimmt stetig ab. Es ist nicht mehr selbstverständlich, sich • Es ist eine Zugehörigkeit außerhalb der Familie, zu Men- wenig Erfahrung damit, zu wenig Glaubenswissen? Strahlt diesen Themen zu widmen. Es gibt keinen Automatismus schen mit ähnlichen Werten. 14 „Ich kann nur von dem sprechen, was ich selbst erfahren habe“ Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 15
• Die Taufvorbereitung in der Gruppe hat mir viel gegeben. Gnade und Vergebung heraus und erlebe diese. So kann ich „WIR SOLLTEN WIEDER MUTIG ÜBER GOTT SPRECHEN“ Durch die Kinder bin ich der Kirche nähergekommen und auch anderen vergeben. Diese Kraft kommt von Gott. erlebe das Gemeinschaftsgefühl. Die Angebote der Kirche Das distanzierte Verhältnis, das heute viele Menschen zu che oder Glaubenskurse. Die Arbeit der Glaubenskommu- sind wichtig, eben auch die Sakramente. • Ich kenne die Menschen hier, ich bin gerne mit ihnen zu- kirchlichen und religiösen Fragen haben, drückt sich auch nikation ist sehr vielfältig. Dabei sollten wir berücksichti- sammen, wir kümmern uns umeinander, wir zeigen Inter- in einer gewissen Sprachlosigkeit aus. Offen über den ei- gen, dass sich nicht nur das kirchliche Leben verändert hat, • Durch die Feier von Weihnachten und Ostern fühle ich esse und schenken uns Aufmerksamkeit. Das ist mein Halt. genen Glauben zu reden, kommt einem Tabu gleich. Das ist sondern auch die Gesellschaft und wir Menschen. Unsere mich gestärkt. Privatsache, argumentieren die meisten Menschen. Kris- Kommunikationsformen sind passiver geworden; wir kon- • Die Kita-Aktionen bringen mich (der Kirche) näher, auch tell Köhler, Referentin für Glaubenskommunikation, Ab- • Der Kindergottesdienst gibt uns als Familie Halt. wenn ich manche kirchlichen Einstellungen als weltfremd teilung Erwachsenenseelsorge im Erzbistum Köln, erklärt, empfinde. Ich finde es wichtig, dass Kirche sich um junge wie wir über den Glauben wieder miteinander ins Gespräch • Werteerziehung ist mir ganz wichtig. Menschen kümmert. kommen können. Frau Köhler, noch vor wenigen Jahrzehnten standen die • Wie Bensberg als Ortsteil nicht ganz anonym ist, so auch • Der Alphakurs hat mit Halt gegeben. Menschen nach dem Sonntagsgottesdienst auf dem Kirch- die Gemeinde: Man kennt sich, es ist eine offene Gemeinde, platz zusammen und sprachen ganz selbstverständlich auch offen für Neue. • Hier erlebe ich in schweren Zeiten Stütze und Begleitung. über ihren Glauben – über das, was ihnen an der Predigt gefallen hatte oder auch nicht. Was ist heute anders? • Mein Glaube hilft mir, den Dingen und Personen Wert zu- • Gemeinde ermöglicht mir die Grundlage, mich wieder zusprechen. dem Glauben zu nähern. Köhler: Glaubensinhalte, Glaubensvollzüge und die Teil- nahme am Gemeindeleben können in unserer Zeit nicht • Ich tanke aus dem Wort Gottes Kraft. Ich lebe aus der • Die Kirche ist Bestandteil meiner Identität. mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden. Infolge- dessen sprechen wir selbst oft nicht mehr davon, was uns der Glaube für das eigene Leben bedeutet. Außerdem er- leben wir, dass Glaubenswissen verloren geht oder fremd wird. Hinzu kommt, dass sich die Formen unseres Zusam- menlebens verändert haben. Wann sitzt eine Familie noch gemeinsam an einem Tisch, um über solche Themen zu sprechen? Es fehlt also auch an Gelegenheiten. Trotzdem DU WIR sollten wir uns mehr trauen, unseren Glauben zu reflektie- ren und ihn zum Thema zu machen: in der Familie, unter Freunden, am Arbeitsplatz. Überall, wo sich unser Leben sumieren mehr und teilen uns über wirklich Wesentliches HAST HABEN abspielt. weniger mit. Die sozialen Medien bilden oft nur eine ver- kürzte Kommunikation ab. Ich kann eine Meinung teilen, muss aber nicht Stellung beziehen. Echter Dialog sieht an- DEN DAS ZEUG Selbst aus der Komfortzone herauszukommen, um im eige- nen sozialen Umfeld mit gutem Beispiel voranzugehen, ist ders aus. Diese Entwicklung fällt uns in der Kirche heute in aber nicht alles...? manchen Bereichen auf die Füße. Denn wir erleben weni- GARTEN. DAZU. ger Menschen, die von ihrem Glauben Zeugnis geben und Köhler: Nein, das eigene aktive Tun ist nur ein Aspekt. Wir offen über ihn sprechen. setzen uns natürlich auch theoretisch mit dem Thema aus- einander: Wo und wann stoßen Menschen denn auf unsere Haben Sie dafür eine Lösung? Glaubensinhalte? Wo kommen sie mit kirchlichen Angebo- ten in Berührung? Das kann über den Schaukasten genauso Köhler: Da kann ich nur von mir selbst sprechen. In Krisen- geschehen wie über den Küster, die katechetischen Berei- zeiten muss man aktiv werden. Glaube macht mir Spaß. Da- 16 Glaubensfragen zwischen Tür und Angel Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 17
her trete ich in Gemeinden mit Menschen in Kontakt und vatsache und gehe niemanden etwas an. Dabei sollten wir WAS HÄLT MICH IM KIRCHLICHEN „HAUPTAMT“? teste dort ganz praktisch, wie sich Glaubensthemen wieder wieder mutig über Gott, der in unserer Welt zu Hause ist, ins Gespräch bringen lassen – beispielsweise über Frage- sprechen. Denn er hat für uns Lebensrelevanz. Wir leben in Nach 15 Jahren Hauptamt in der Kirche lädt mich dieser spürt. Der Psalm 139 begleitet seit Jugendtagen mein Le- stellungen wie „Was glaube ich?“ oder „Warum glaube ich?“ einer Welt, in der die Menschen zwischen vielen Angeboten Pfarrbrief dazu ein, mich der Frage zu stellen, was mich ben: Die Vorstellung, von Gott in seiner Hand geborgen zu Mit einer großen Bandbreite an Gesprächsmöglichkeiten frei wählen können. Und da entscheiden sich leider viele in der katholischen Kirche und somit auch in diesem Beruf sein, ohne erdrückt oder gegen meinen Willen festgehalten will ich den ganzen Reichtum unseres Glaubens erlebbar gegen den Gottesdienst oder andere kirchliche Angebote. hält. Wenn ich nur die gegenwärtige Situation hier vor Ort zu werden, gibt mir immer wieder Halt. Gott stützt mich, machen. Also sollten wir neue Situationen schaffen und fördern, in betrachte, könnte ich einfach nur davon schwärmen, dass auch wenn ich gerade verzweifle, weil meine Lebens- oder denen über Gott gesprochen werden kann und versucht ich in den letzten Wochen viele beeindruckende Menschen Glaubenssituation mich gerade herausfordert. Immer wie- Welche Voraussetzungen sind denn notwendigerweise mit wird, etwas Unsagbares wie Gottes Größe und seine All- am neuen Einsatzort kennengelernt habe und mich freue, der nehme ich seinen Beistand wahr: in den kleinen und Glaubenskommunikation verbunden, will ich von etwas macht in Worte zu fassen, ohne dass es peinlich wird. mich mit diesen engagierten und aufgeschlossenen Men- großen Zeichen des Alltags. sprechen, das mich bewegt? schen auf den Weg zu machen und Gemeinde und Glaube Was fördert oder verhindert denn gelingende Kommunika- zu gestalten. In der Begleitung vieler Menschen komme auch ich an mei- Köhler: In meinem Herzen muss etwas brennen. Das ist wie tion? ne Grenzen, denn die Lebenswege sind nicht immer gerade beim Verliebtsein. Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Daraus ist sicher erkennbar, dass ich gerne mit Menschen und geschmeidig, und dann fällt mir ein Ausspruch Edith Mund über. Wichtig ist, dass jemand begeistert ist, eine po- Köhler: Authentisches Auftreten ist der Schlüssel zu einer im Gespräch bin, sie gerne im Glauben begleite und mich Steins ein: „Gott erlegt uns keine Prüfungen auf, ohne uns sitive Erfahrung macht. Das stärkt die eigene Bereitschaft, guten Kommunikation. Mir geht es darum zu vermitteln: selbst auch begleiten lasse. Die Attraktivität des Berufes zugleich die Kraft zu geben, sie zu ertragen.“ Wir können darüber dann auch zu sprechen. Außerdem ist wichtig, dass Der Glaube ist ein Geschenk. Das heißt, es geht um ein An- ist sicher davon gekennzeichnet, dass es kein einseitiges uns darüber streiten, ob dieser Satz so wirklich tröstend Menschen erleben, Glaube und Glaubensinhalte haben mit gebot, das meinem innersten Bedürfnis entspricht. Dazu Geben oder Nehmen ist. Vielmehr habe ich mich durch die ist. Aber wenn Sie ihn ein wenig umformulieren, dann kön- dem eigenen Leben zu tun. Das muss authentisch und ana- gehört auch, den anderen ernstzunehmen, wenn er dieses vielen Jahre hindurch und die vielen Begegnungen und nen Sie daraus lesen: „In den Herausforderungen meines log erlebt werden können. Und dann kann der Glaube Feuer Angebot ablehnt, und ihn so zu lassen, wie er ist. Ich will Gespräche selbst weiterentwickelt. Bestimmte Momente, Alltags verlasse ich mich darauf, dass Gott mich darin be- fangen. eine Begegnung auf Augenhöhe und keineswegs belehren Erfahrungen, Gottesdienste und Menschen haben mich in stärkt, sie zu meistern.“ Vielleicht ist das mein Halt und oder partout etwas verkaufen. Eine Kommunikation schei- meinem Glauben weitergebracht. noch viel mehr, denn meistens erfahre ich meinen eigenen Können Sie das näher erklären? tert hingegen, wenn ich auf die Fragen und Zweifel des an- Glauben nicht mit Schwere und Prüfung, sondern als Ge- deren nicht eingehe, wenn keine wirkliche Bereitschaft zu Nicht zuletzt ist es Gott, der mich hält – auch dann, wenn schenk und Kraftquelle. Köhler: Glaubenserfahrungen müssen für den Alltag Be- einem ehrlichen Dialog besteht oder ich nur Worthülsen ich selbst zweifle. Auch in schwierigen Situationen und in manchen Grundsatzfragen habe ich seinen Rückhalt ge- VIOLETTA GERLACH deutung haben. Zu Themen wie Freude und Glück, aber nutze. Wichtig ist: Wenn ich meinen Glauben zum Thema auch Misserfolg und Scheitern hat uns die Bibel jede Men- mache, muss ich ganz genau wissen, wovon ich spreche. ge zu sagen. Für die Jünger Jesu beispielsweise schien die Mission ihres Meisters am Karfreitag vordergründig auch DAS INTERVIEW FÜHRTE BEATRICE TOMASETTI erst einmal gescheitert zu sein. Aber die Erfahrung der Auf- erstehung eröffnete ihnen einen neuen Blick auf das Ge- schehene – denken wir nur an die Emmaus-Erzählung. Und Über den Glauben sprechen geht zum Beispiel bei Alpha! dann benötigen theologische Themen auch eine lebensre- levante Präsentation und Sprache. Die zehn Gebote, Sünde, Herzliche EInladung zu den Alpha - Glaubensabenden mit Gnade – das sind große Begriffe aus dem Insidervokabular. einem Abendessen und Austausch. Die Abende finden je- Aber sie sind heutzutage erklärungsbedürftig. weils donnerstags von 19.30 – 21.45 Uhr im Treffpunkt in Bensberg in der Nikolausstraße 11 statt. Warum macht es Sinn, sich über das Reden von Gott über- Weitere Informationen zu den Alpha-Glaubensabenden und haupt Gedanken zu machen? den Inhalten des Kurses finden Sie auf unserer Homepage www.nikolaus-und-joseph.de Köhler: Religion und Politik sind zu Tabu-Themen gewor- den. Viele ziehen sich auf die Position zurück, das sei Pri- 18 „Wir sollten wieder mutig über Gott sprechen“
zählen Frauen und Männer aus der Mitte der Kirche, ihr die demografische Entwicklung wird diesen Trend in den treues Fußvolk. „Was lange gärt, wird endlich Wut“... Die- nächsten Jahren noch verstärken. Ist es da die richtige ser Spruch aus den 1970ern fällt mir ein. Ein Kirchenaus- Strategie, auf den harten Kern der Frommen und Glaubens- tritt ist für die meisten keine Option, dafür ist ihre Bindung festen zu setzen? Oder muss man sich öffnen, Positionen an die Kirche zu stark. Bleiben und aufbegehren und sich überdenken? Was hat die Kirche zu verlieren? Ist etwas für Reformen einsetzen – das ist ihr Weg. Der Vergleich zur Schlimmeres denkbar, als dass die Gotteshäuser leer blei- Politik, so oft er auch schon bemüht wurde, drängt sich auf: ben, weil niemand mehr die Frohe Botschaft hören will? Viele DDR-Bürger waren in den Jahren vor der Wende ge- flüchtet. Doch diejenigen, die geblieben sind, haben letz- ten Endes durch ihren mutigen und beharrlichen Protest den Zusammenbruch eines totalitären Systems mit herbei- geführt. „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“... auch solche, die im Namen Gottes aufgerichtet wurden? Noch ist Maria 2.0 keine Revolution, allenfalls eine Bewe- gung. Und sie ruft zahlreiche Kritiker auf den Plan. Neben denen, die aus einer eher resignativen Haltung heraus die AUFBEGEHREN UND TROTZDEM BLEIBEN! Reformfähigkeit der Kirche in Zweifel ziehen, gibt es auch viele, die die Forderungen der Frauen für überzogen halten Im April höre ich zum ersten Mal von Maria 2.0. Die kfd In den nächsten Wochen werde ich immer wieder auf Maria und sich mit ihren Zielen nicht identifizieren. Und schließ- St. Joseph unterstützt die Aktion, die von einer Gruppe 2.0 angesprochen – einerseits konkret auf die Aktion in lich die überzeugten GegnerInnen, die eine Debatte über Münsteraner Frauen ins Leben gerufen wurde. Mit einem unserer Gemeinde, über die in der Presse berichtet wird. Frauenordination, die Aufhebung des Pflichtzölibats und „Kirchenstreik“ soll auf die Ausgrenzung von Frauen in der „Mama, was ist denn da los bei euch?“, fragt meine Toch- Strukturreformen für einen Angriff auf die katholische Leh- katholischen Kirche aufmerksam gemacht werden: Eine ter per WhatsApp aus Berlin. Andererseits sorgen die vielen re und die kirchliche Ordnung halten. Vertreterinnen die- Woche lang, vom 11. bis zum 18. Mai, wollen sie keine Kir- Protestaktionen überall im Bistum dafür, dass Menschen ser Spezies lerne ich auf einer Diskussionsveranstaltung che betreten und ihre ehrenamtlichen Dienste nicht ver- aufhorchen, auch solche, die normalerweise nicht viel mit im September kennen. Die Theologin Maria Mesrian, eine richten. Die traditionelle Maiandacht in Moitzfeld findet in der katholischen Kirche zu tun haben (wollen). „Was ihr da Sprecherin von Maria 2.0 aus Köln, ist auf Einladung der kfd diesem Jahr im Freien statt: auf der Wiese neben der Kir- macht, ist gut! Weiter so!“, höre ich oft. Beifall von der fal- nach Moitzfeld gekommen, um über die Rolle der Frau in Stattdessen wird immer wieder darauf gepocht, dass die che. Mehr aus Zufall und aus Neugier nehme ich daran teil. schen Seite? Ich soll Rede und Antwort stehen und frage der katholischen Kirche zu sprechen. Gut vorbereitet betre- Kirche sich nicht jedem Zeitgeist anpassen dürfe. Doch Kir- Überrascht sehe ich um mich herum viele vertraute Gesich- mich selbst: Was rührt sich da in der Kirche? Worum geht es ten die konservativen Kritikerinnen die Arena, sie zitieren che – das sind die Menschen, die zu ihr gehören und mit ihr ter: Frauen, die ich seit Jahren kenne, die sich in der Ge- eigentlich? Und warum jetzt? Dass die Maria 2.0.-Aktivis- „ihre“ Theologen und bekennen sich mit flammenden Wor- leben. Insofern ist Kirche immer auch ein Abbild ihrer Zeit. meinde ehrenamtlich engagieren in Gremien, Gruppen und tinnen sich für eine geschlechtergerechte Kirche einsetzen ten zu einer Kirche, der sie mit Freude dienen wollen. Ihren Chören, als Lektorinnen oder Katechetinnen. Frauen aller und den Zugang von Frauen zu Weiheämtern fordern, ist Verkündigungsauftrag könnten sie auch dort ausüben, wo Herbst 2019. „Wir machen weiter“, heißt es von den Maria Altersgruppen, die in der Gemeinde verwurzelt sind und nur ein Aspekt. Es geht um Erneuerung, um das Aufbre- eine vermeintlich „göttliche Ordnung“ sie hingestellt hat: 2.0-Anhängerinnen. Wie alle Graswurzelbewegungen wird das kirchliche Leben mitgestalten. Was hatte ich erwartet – chen von Strukturen, die Frauen seit 2000 Jahren außen vor in der Familie, am Arbeitsplatz – überall, nur eben nicht am sich diese Initiative langsam von der Basis her ausbreiten radikal-feministische Aktivistinnen, die Parolen rufen und halten. Diese Strukturen sind auch mit dafür verantwort- Altar. und wachsen. Dafür braucht es einen langen Atem. Wahr- Transparente schwenken? Später soll ich von zahlreichen lich, dass ungezählte Fälle von klerikalem Missbrauch noch scheinlich wird meine Generation den Aufbruch in der Kir- Frauen, Freundinnen und Bekannten in anderen Städten immer vertuscht und die Strafverfolgung durch weltliche In ihrer Verteidigung konservativer Werte schwingt eine che nicht mehr erleben, vielleicht nicht einmal mehr die hören, dass sie sich auch an den Protesten beteiligt haben. Gerichte systematisch verhindert werden. unterschwellige Aggressivität mit. Doch dahinter ist Angst meiner Kinder. Manchmal fallen Mauern aber auch in einer Auch meine fast 90-jährige Mutter gehört dazu. Offenbar spürbar. Wovor, frage ich mich. Die katholische Kirche Nacht. habe ich unterschätzt, welches Potenzial in dieser Initiative Den Sommer über gewinnt Maria 2.0 in Gesprächen und kämpft, was ihre Mitgliedszahlen betrifft, mit dem Rücken steckt... Begegnungen für mich mehr Kontur. Zu ihren Anhängern zur Wand. Die Schäflein laufen ihr in Scharen davon, und MARTINA MARTSCHIN 20 Aufbegehren und trotzdem bleiben! Schwerpunktthema »Was hält mich (noch)?« Pfarrbrief 2 | 19 21
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