Was tut Zürich für die Mietenden? - Mieterverband
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Editorial Inhaltsverzeichnis Liebe Leserinnen Politik SMV bietet und Leser HEV-Angriffen Paroli 3 Kolumne Sommaruga Stoppt falsche News! 4 Untermiete Neue Regeln in Sicht 5 Politik BWO-Fehlentscheid Der 10 . Juni war ein Super-Tag für die Mie- des Bundesrats 6 terbewegung. Die Baslerinnen und Bas- ler sagten gleich vier mal Ja zu mehr Basel Sensationssieg Mieterschutz. Ein sensationelles Ergeb- nis! Und auch ein Pilotfall für die Deutsch- am Rheinknie 9 schweiz. Denn Basel kann künftig durch Zürich Was tut die Stadt eine Bewillligungspflicht sowie Miet- zinskontrollen nach Renovationen die für Mieter? 10 Vertreibung von Mietenden durch renditegetriebene Umbauten bremsen. Hotline Wer zahlt Dieses Modell stammt aus dem Kanton den Handwerker? 17 Waadt. Es sollte eigentlich in allen Städten mit Wohnungsnot zur Verfügung Miettipp Der Fussball und stehen. Dass die Basler Stimmberechtigten das Mietrecht 18 dem zugestimmt haben, ist ein klares Letzte Die Mietpreisbremse Signal für ein fälliges Umdenken in der Wohnpolitik. Diese muss höhergestuft bremst nicht 24 werden, Priorität erlangen und griffige Instrumente zur Verfügung haben. Leider passiert beim Bund das genaue Gegenteil. Johann Schneider-Ammann amputiert das Bundesamt für Wohnungswesen und staucht damit den gemeinnützigen Wohnbau, den wir so dringend brauchen, noch mehr zusammen (siehe Seite 6). Das ist die Politik von gestern. Wir aber Herausgeber Titelbild brauchen eine Politik für die Zukunft, von Mieterinnen- und Mieterverband Reto Schlatter, Zürich der die Bevölkerung profitiert. Und Deutschschweiz Druck nicht bloss die Immobilienwirtschaft. Die Stämpfli AG, Bern Redaktion Beglaubigte Auflage MV-Volksinitiative «Mehr bezahlbares Ralph Hug, Pressebüro St.Gallen 125 251 Exemplare Wohnen» liegt da genau richtig. Wenn T 071 222 54 11 Erscheinen Administration und Adressverwaltung 6 mal pro Jahr nächstes Jahr die Abstimmung statt- MieterInnenverband Deutschschweiz Abonnementspreis findet, braucht es ein klares Signal für Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich Fr. 40.–/Jahr bezahlbare Mieten. So wie in Basel. T 043 243 40 40 Inserate und Beilagen info@mieterverband.ch Judith Joss, www.mieterverband.ch judith.joss@mieterverband.ch Herzlich Ständige Mitarbeiter/innen T 043 243 40 40 Fabian Gloor, Zürich Natalie Imboden, Bern Balthasar Glättli, Zürich Beat Leuthardt, Basel hug@pressebuero-sg.ch Urs Thrier, Basel Walter Angst, Zürich Niklaus Scherr, Zürich Carlo Sommaruga, Bern www.facebook.com/Mieterverband Gestaltungskonzept Hubertus Design GmbH, Zürich Layout Hannah Traber, St.Gallen Gedruckt in der Schweiz Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 2
Politik Text von Ralph Hug Collage Michael Schoch Paroli bieten! Hauseigentümerkreise wollen Höhere Mieten, mehr Rendite, weniger Schutz für die das Mietrecht zu ihren Gunsten Mietenden: Das ist es, was hinter dem jüngsten Angriff der Vermieterlobby steckt. Diese hat im Par- aushöhlen. Der MV schaut lament in Bern ein ganzes Paket von Initiativen nicht tatenlos zu. eingereicht (M+W berichtete). Diese müssen nächs- tens beraten werden. Die Immobilienlobby will von der hauseigentümerfreundlichen Mehrheit profitie- ren, die derzeit im Nationalrat herrscht. Es bietet sich ihr eine günstige Gelegenheit, das Mietrecht zu ihrem Vorteil umzubauen. Der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterver- band (SMV) schaut diesem Treiben nicht tatenlos zu. Weder gibt es einen Volksauftrag zum Abbau der Mieterrechte noch einen sachlichen Grund für deren Schwächung. Im Gegenteil: Unser Recht hat grosse Lücken beim Kündigungsschutz, beim Schutz vor Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 3
Kommentar überhöhten Mieten sowie bei der Transparenz von Mieten und Nebenkosten. Es braucht mehr Schutz, Stoppt falsche News! nicht weniger. Der SMV hat im April der Bundes- kanzlei rund 20 000 Unterschriften aus einer Online- Petition eingereicht. Im Offenen Brief an die Mit- glieder der Rechtskommission des Nationalrats heisst es: «Sie haben es in der Hand, einen gravieren- den Abbau beim Mieterschutz zu verhindern!» Ohne diesen würden die Mieten noch viel stärker steigen. Und darunter hätten vor allem Familien Immer, wenn eine neue Immobilienstudie pub- zu leiden, die keine zahlbare Wohnung mehr finden. liziert wird, hören wir dieselbe Leier: «Die Der SMV bietet der Vermieterlobby auch mit Mieten sinken!» Doch die Mietenden im Land parlamentarischen Mitteln die Stirn. SP-Ständerat wissen nur zu gut, dass das einfach nicht stimmt. Die grosse Mehrheit hat keineswegs von Didier Berberat aus La Chaux-de-Fonds hat eine einer Mietsenkung profitiert, auch nicht in Initiative deponiert, die es erlaubt, missbräuchliche letzter Zeit, obwohl gesunkene Hypozinsen und Mieten besser zu bekämpfen. Damit kontert er die mässige Teuerung zu einer Senkung der Vorstösse der Gegenseite, die den Kampf gegen Wu- Mieten um 15 Prozent hätten führen müssen. cher und Spekulanten durch eine Entfesselung der Kommt hinzu, dass Umziehen in eine andere Wohnung meist teuer ist, weil die Miete am neuen Ort höher ist. Der Mietindex, den das Der SMV schaut nicht tatenlos zu. Bundesamt für Statistik publiziert, sinkt nicht, sondern steigt kontinuierlich an. Marktkräfte erschweren würden. Berberat will, dass Die Banken und Immobilieninstitute be- Mietende beim Einzug in eine neue Wohnung den ziehen sich immer nur auf das gesunkene Miet- neuen Mietzins innert 30 Tagen anfechten können, niveau bei den Angebotsmieten und eben nicht auf die Mieten, welche die Mietenden effektiv und zwar ohne einschränkende Voraussetzungen. bezahlen. So sind die ausgeschriebenen Ange- Heute kann man den Anfangsmietzins nur bei Woh- botsmieten tatsächlich günstiger als im letzten nungsnot, bei einer persönlichen Notlage oder Jahr. Aber es gab deshalb keine allgemeine Re- bei einer deutlichen Anhebung gegenüber dem Vor- duktion der effektiven Mieten. Und die Ange- mietzins bei der Schlichtungsstelle anfechten. Zu botsmieten haben immer einen höheren Preis als die konkret bezahlten Mieten. Ganz zu schwei- Recht argumentiert Berberat, dass die starken Miet- gen davon, dass die institutionellen Vermieter in steigerungen der letzten Jahre trotz Tiefzinsphase Gebieten mit vielen leerstehenden Wohnungen einen verstärkten Kampf gegen Missbräuche notwen- alles tun, um die Anfangsmieten nicht senken zu dig machen. Die ärgsten Missbräuche finden stets müssen. Sie werfen sogar tausende von Franken beim Anfangsmietzins statt: Ohne jede Gegenleistung für Geschenke auf, um Neumieter anzulocken. Selbst bei soeben erstellten Siedlungen. Zudem versuchen gewisse Vermieter, durch höhere Mieten muss unterstrichen werden, dass der minime mehr Rendite herauszuholen. Berberat betont aber, Rückgang im Mietniveau von 1,5 Prozent gegen- dass die Mehrheit der Investoren nach Treu und über dem Vorjahr nicht nach Wohnungskatego- Glauben und nicht missbräuchlich handle. rien differenziert. Wenn der Durchschnitt leicht Auch SMV-Präsident Carlo Sommaruga schlägt sinkt, so ist dies vor allem auf die Luxuswoh- sich mit einem Vorstoss für den Mieterschutz in nungen zurückzuführen, die im Moment schwe- rer vermietbar sind als früher. Sie drücken die die Bresche. Er will ältere Menschen besser vor ruch- Statistik nach unten. Bezahlbare Wohnungen losen Kündigungen schützen. Es gibt krasse Fälle, sind und bleiben schwer zu finden, wie alle wo sogar 90-Jährige brutal auf die Strasse gestellt wur- Wohnungssuchenden wissen. Schockierend ist den. Das darf nicht sein! Sommaruga will solche aber, dass die Medien Informationen von Kündigungen künftig nur noch aus wichtigen Grün- Banken und Immobilienverbänden ohne jede kritische Analyse übernehmen und so irrefüh- den erlauben. Und zudem müsse der Vermieter rende Berichte verbreiten. Sie tragen damit eine passable Ersatzlösung in der Nähe vorschlagen. nicht dazu bei, Fake News zu verhindern und die Der SP-Nationalrat aus Genf visiert damit ein so- soziale Realität korrekt abzubilden. ziales statt ein boss liberales Mietrecht an. Carlo Sommaruga, Präsident SMV Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 4
Airbnb Text von Natalie Imboden Um- wandlungen verhindern Vermietungsplattformen werden zum Problem. Sie verdrängen Wohnraum. Die Untermiete braucht neue Regeln. Bild zVg So komfortabel sieht es in der Zentrale von Airbnb in San Francisco aus. Airbnb vermittelt heute über 80 000 viele vermittelbare Unterkünfte ein An- Untermiete eine neue Genehmigung Betten in der Schweiz. Tendenz steigend. bieter an seinem Hauptwohnsitz vorsieht. Gemäss Vorschlag sind im Es geht um viel Geld. Vermietungsplatt- anbieten darf. Diese Lösung schlägt die Gesuch an den Vermieter die Höhe des formen setzen in der Schweiz jährlich Stadt Bern für die Altstadt vor. Mög- Mietzinses, die betroffenen Räum- schon über 170 Millionen Franken um. lich wäre auch eine Maximalzahl von An- lichkeiten und die vorgesehene Belegung Die Zahl der Airbnb-Angebote entspricht geboten. Zudem braucht es einen miet- (jeweils mit den maximalen Werten) mittlerweile der Grösse der Stadt Luzern. rechtlichen Schutz für die befristete anzugeben. Werden diese Angaben einge- Die meisten Angebote in den Plattformen Untervermietung von Zimmern. halten, beugen solche Obergrenzen stammen aus Zürich, gefolgt von Basel Der Bundesrat schlägt jetzt in Sachen einem Missbrauch vor. Und sie schützen und Genf. Aber auch Städte wie Lau- Untermiete eine Änderung in der die Untermietenden vor überteuerten sanne, Luzern oder Bern sind betroffen. Mietrechtsverordnung vor. Der Schwei- Mieten. Der Vermieter kann die Zustim- Rasant breitet sich das Phänomen Airbnb zerische Mieterinnen- und Mieter- mung nur mit objektiven Argumenten in den Tourismusregionen von Wallis, verband (SMV) unterstützt sie. Es soll verweigern. Zum Beispiel, wenn für Graubünden und Bern aus. Zuneh- einen neuen Artikel 8a geben, der die andere Mietparteien wesentliche Nach- mend steigen auch kommerzielle Anbie- teile entstehen. Der SMV fordert aber ter ein. Es gibt bereits solche, die über Die Untermiete wird einfacher. Bundesrat und Kantone auf, Massnah- 100 Wohnungen mit mehr als 500 Zim- men gegen den Verlust von erschwingli- mer anbieten. wiederholte kurzzeitige Untermiete ver- chen Wohnungen zu treffen. Es braucht Letztes Jahr hat der MV Zürich auf- einfacht. Die Mietenden würden dadurch raumplanerische Vorgaben wie eine grund einer Studie Massnahmen ausgear- leichter eine generelle Zustimmung Meldepflicht bei der zuständigen beitet. Grundsatz: Es braucht eine klare des Vermieters für eine ganze oder teil- Behörde sowie eine Begrenzung der Be- Trennung zwischen privaten und kom- weise Untervermietung ihrer Woh- herbergungszeit (Beispiel Genf mit merziellen Angeboten. Die Städte sollen nung über eine Buchungsplattform erhal- 60 Tagen). Wenn die wiederholte Unter- Verhandlungen mit den grossen Platt- ten. Sie wären auch besser vor einer vermietung begrenzt wird, würde dies das formen koordiniert angehen und Verein- Kündigung geschützt, die heute noch Problem der Zweckentfremdung von barungen treffen, um Verdrängungs- denjenigen droht, die ihre Wohnung zum einer Wohn- in eine Hotelnutzung deut- effekte zu verhindern. Dabei sind Nut- Beispiel über Airbnb untervermieten. lich verringern. zungseinschränkungen unumgänglich. Im Zeitalter der Digitalisierung ist die heu- Zum Beispiel kann festgelegt werden, wie tige Regelung überholt, die für jede Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 5
Politik Text von Ralph Hug «Das ist ein Schlag ins Gesicht» Abbau statt Ausbau: das Bundesamt für Wohnungswesen, derzeit noch in Grenchen. Bild AZ Solothurner Zeitung/Hanspeter Bärtschi Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 6
Johann Schneider-Ammann gibt dem Druck der Immolobby nach. Er streicht das Bundesamt für Wohnungswesen zusammen. Dabei empfehlen Experten genau das Gegenteil. Wenn jemand von Synergien spricht, ist durchgesetzt. Das BWO ist schon lange auf Vorsicht abgebracht. Meist soll das nur einen der Abschussliste der Rechten. Ihnen ist der ge- Abbau kaschieren. Und bei vollmundigen nossenschaftliche Wohnbau ein Dorn im Auge. Beteuerungen ist erst recht Misstrauen am Weil er mit günstigen Mieten den privaten Platz. So auch beim Bundesrat, wenn er Wohnbau konkurrenziert und dessen Gewinne schreibt: «Der Bundesrat misst dem Woh- drückt. Das BWO hat seit Bestehen viel für nungswesen weiterhin eine hohe Bedeutung die Gemeinnützigen getan (siehe Randtext). Wer zu.» Das ist gleich doppelt falsch. Der Bun- es amputiert, amputiert die Gemeinnützigen, desrat misst dem Wohnungswesen keine hohe verschafft den Immobilienfirmen noch mehr So entstand das BWO Bedeutung zu. Und wenn, dann nur dem Gewinne – und handelt erst noch verfassungs- Das Bundesamt für Wohnungs- privaten. So lautet das Fazit der jüngsten Ope- widrig. Denn unsere Bundesverfassung schreibt wesen ist die Frucht einer Volksini- ration im Berner Bundeshaus. in Art. 108 vor, dass der Bund die Träger tiative aus dem Jahr 1967 («Recht auf Wohnung»). Diese wurde von des gemeinnützigen Wohnbaus fördert. Und Linkskreisen aus der Westschweiz Zügeln und schrumpfen nicht zurückstuft, wie das jetzt tendenziell der lanciert. Das Anliegen führte später Die Landesregierung hat Anfang Juni be- Fall ist. zu einem Bundesgesetz, das es schlossen, das Bundesamt für Wohnungswesen Verantwortlich dafür ist Bundesrat Johann ermöglichte, den genossenschaftli- (BWO) Ende 2021 von Grenchen nach Bern Schneider-Ammann (FDP). Ein Bundesrat chen Wohnbau mit tragbaren Miet- zu zügeln und um ein Drittel zu verkleinern. auf Zeit, der sich wenig um Wohnpolitik ge- zinsen zu fördern. Zuerst nur ein Als Begründung müssen die angeblich un- kümmert hat. Drückende Preisspiralen in den Büro für Wohnungsbau, wurde die neue Stelle 1974 zum BWO. Als verhältnismässig hohen Betriebskosten in Agglomerationen hat er so wenig auf dem die Spekulation ins Kraut schoss, Grenchen herhalten. Wo das BWO in Bern an- Radar wie neue gemeinschaftliche Wohnfor- kamen in den späten 1970er-Jahren gesiedelt werden soll, ist offen. Zu befürchten men oder innovative Siedlungsprojekte. So war die Bekämpfung von missbräuch- ist, dass es unter die Fittiche des General- es für ihn auch kein Problem, das Amt zu lichen Mieten sowie die Betreuung sekretariats des Departements für Wirtschaft, stutzen, das in der Bundesverwaltung für diese des Mietrechts als Aufgabe hinzu. Bildung und Forschung (WBF) gerät. Dort Probleme und Perspektiven zuständig ist. In Das BWO hat 35 Stellen und ist in Grenchen zuhause. Erstmals seit regieren Leute wie Stefan Brupbacher, ein ex- den letzten sechs Jahren wurde das BWO schon Bestehen soll nun das Bundesamt Economiesuisse-Mann und Einflüsterer, systematisch ausgedünnt. Der Stellenetat herabgestuft und um ein Viertel auf der viel Einfluss hat. Er und seine Geistesver- sank von 48 auf unter 40. Es war ein schleichen- 25 Stellen reduziert werden. wandten dürfen jubeln. Sie haben sich der Abbau im Gang, wie ihn bürgerliche Poli- Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 7
tiker schon lange wünschen. Eine Strategie des Kaltschnäuzigkeit zeigt sich die Zürcher SP- Aushungerns. Nationalrätin Jacqueline Badran: «Total falsch» Der Schweizerische Mieterinnen- und Mie- sei dieser Abbau beim BWO. Vielmehr sei terverband (SMV) hatte schon früh gegen eine Aufstockung zu einem Amt nötig, das dem die Abbaupläne beim BWO interveniert. Statt- riesigen Volksvermögen Immobilien/Boden dessen forderte er eine Stärkung des Amts gerecht werde. Badran: «Alle Funktionen, im Sinne eines Ausbaus zu einem Kompetenz- die mit dem Boden zu tun haben, müssen zu- zentrum für Mietrecht und Wohnpolitik. sammengelegt werden – Wohnen, Raum- Nun übt der SMV scharfe Kritik: «Der Bundes- planung, Grundbuchämter, bäuerliches rat setzt ein völlig falsches Zeichen», sagt Bodenrecht etc.» Die Immobilien, so Badran, Generalsekretärin Natalie Imboden. Der Ent- seien das grösste volkswirtschaftliche Gut scheid wirke auf die Mehrheit der Mieten- der Schweiz mit einem Gesamtwert von vier den wie eine politische Ohrfeige. Es sei heute Billionen Franken. «Dagegen ist alles an- notwendiger denn je, die sich häufenden dere Pipifax, selbst Schneider-Ammanns Ma- Probleme auf dem Wohnungsmarkt anzuge- schinenindustrie.» Zu diesem Gut müsse hen. Das schreibe auch die Verfassung man endlich mehr Sorge tragen. Es brauche vor. «Der Bundesrat steht nicht nur im Wider- nicht nur mehr Transparenz, sondern spruch zu den Bedürfnissen der Mietenden, auch schärfere Regeln. Sie weist daraufhin, dass die auf zahlbare Mieten angewiesen sind, immer mehr Aktiengesellschaften Besitzer sondern auch zur Meinung von Experten», so von Wohnungen sind: «Das hat grosse Auswir- Natalie Imboden. kungen auf die Mieten.» Im Kampf gegen die Geldwäscherei seien die Grundbuchämter Gutachten fordert Ausbau überfordert. Sie würden mit Firmen-Schachtel- Imboden spricht damit auf ein Gutachten systemen ausgetrickst, die die Herkunft von der Universität St.Gallen an, welches das Geldern wirksam verschleiern. Auch sei es ein Departement im Vorfeld eingeholt hat. Die 60- Leichtes, die Lex Koller zu umgehen, die seitige Expertise des Instituts für Systemisches den Kauf von Immobilien durch vermögende Management und Public Governance emp- Personen im Ausland einschränkt. Badran: fiehlt, das BWO neu zu positionieren. Anstelle «Über Immobilienkäufe werden Millionen von einer blossen Fortführung wie bisher oder Geldern gewaschen, und niemand kümmert gar einer Herabstufung, wie das jetzt geschieht, sich darum!» fordern die Ökonomen ein Kompetenzzen- trum für Wohnungsfragen mit einem Ausbau Gemeinnützige protestieren der Wohnforschung sowie mehr Wissens- Ärger auch bei Louis Schelbert, dem Präsi- transfer und Vernetzung mit den Kantonen denten von Wohnbaugenossenschaften und Gemeinden sowie weiteren Akteuren Schweiz: «Es geht nicht an, dass das BWO ge- Bundesrat Johann des Wohnungswesens. Dies sei nötig wegen der schwächt wird», kritisiert er Schneider-Am- Schneider-Ammann zunehmenden Bedeutung, die Wohnfragen manns Abbruchübung. Es brauche ein starkes heute und erst recht in der Zukunft haben wür- Kompetenzzentrum des Bundes für Wohn- den. Die Fachleute regen sogar an, im neuen fragen. Dieses müsse den künftigen Herausfor- BWO die Themen Wohnen, Immobilien derungen der Wohnungspolitik begegnen und Stadtentwicklung zu konzentrieren. Es können. Das Amt sei auch für die Kantone und gehe nicht mehr nur um die Wohnversorgung, Gemeinden eine wichtige Referenz. Denn sondern es brauche einen ganzheitlichen es trage mit der Unterstützung von Modellpro- Blick, der auch die Quartier- und Stadtent- jekten und der breitgefächerten Wohnfor- wicklung umfasse und Innovationen im Woh- schung massgeblich zur Entwicklung innovati- Ernst Hauri, Direktor nungswesen ermögliche. ver Lösungen im Wohnungsbau bei. BWO Dies alles schlug der Bundesrat einfach in Das Stimmvolk hat es nun aber in der Hand, den Wind. Daran zeigt sich, dass nicht der falschen Politik in Bern die richtige Lek- sachliche, sondern politische und ideologische tion zu erteilen. Auf dem Tisch des Parlaments Aspekte im Vordergrund standen. Schneider- liegt die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Ammann hat kurz vor Ende seiner Amtszeit Wohnungen» der Mieterverbände und Genos- dem jahrelangen Druck der Rechten nach- senschaften. Die Volksinitiative wird voraus- gegeben. Es ist bezeichnend, dass die Immobi- sichtlich im Jahr 2019 an die Urne kommen. lienlobby zu diesem Entscheid schweigt: Dann haben wir die Möglichkeit, mit einem Ja Sie hat kein Sterbenswort dazu verlauten zu dokumentieren, dass bezahlbare Woh- Generalsekretär lassen. Sie darf sich die Hände reiben: «Bingo – nungen für breite Bevölkerungskreise wichtig Stefan Brupbacher BWO abgeschossen!» Entsetzt über diese und nötig sind. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 8
Basel Text von Ralph Hug Basel muss Es war ein sensationeller Urnengang. Am 10. Juni hiess die Basler Bevölkerung • Der Kanton muss Massnahmen gegen renditegetriebene Sanierungen und umdenken gleich vier Wohn- und Mieterschutzvor- die Vertreibung von Mietenden aus güns- lagen gut. Was ändert sich jetzt? tigen Wohnungen ergreifen. Notwen- • Die Basler Vermieter müssen die Vor- dige Instrumente sind eine Bewilli- miete auf einem Formular angeben. gungspflicht und Mietzinskontrollen So können Mietende überrissene nach Umbauten (61% Ja zur «Wohn- Anfangsmieten besser anfechten (72% schutzinitiative»). Ja zu «Mieterschutz beim Einzug»). Die Basler Stimmberech- Basel folgt damit sechs Kantonen, in Drei der erfolgreichen Initiativen stammen tigten haben in einem denen diese Transparenzpflicht vom MV Basel, eine aus engagierten fulminanten Votum den bereits gilt, darunter Zürich. Sozialkreisen. Es war eine Überraschung, • Vor Gericht fallen die Parteientschädi- dass gleich alle Anliegen gutgeheissen Weg für mehr Mieter- gungen weg, und die Gerichtsge- wurden. Das klare Ja des Souveräns offen- schutz frei gemacht. bühren werden beschränkt. Damit sind bart das grosse Missbehagen über die wichtige finanzielle Hürden für Mie- fahrlässige Politik der Behörden und den tende in Streitigkeiten beseitigt (50,1% fehlenden Mieterschutz. Insbesondere Ja zu «Mieterschutz vor Gericht»). das mieterfeindliche Vorgehen der staatli- • Die Baslerinnen und Basler haben ein chen Pensionskasse hat viele empört. Recht auf bedarfsgerechten Wohn- Eine Demo der Betroffenen im Januar 2017 raum mit tragbarem Mietzins. Der Kan- – darunter viele ältere Menschen – führte ton muss diese neue Verfassungs- einer breiten Öffentlichkeit das Malaise bestimmung mit einer starken Förde- mit dem Wohnen vor Augen. Zum Sieg an rung des genossenschaftlichen der Urne trug aber auch die engagierte Wohnbaus umsetzen (57% Ja zu «Recht und aufwendige Kampagne des MV Basel auf Wohnen»). bei. Sie warb gezielt in den veschiedenen Bevölkerungsgruppen für ihre Anliegen. Basel muss nun seine Wohnpolitik überdenken. Sie beruhte bisher auf forcier- ten Neubauten in brachliegenden Area- len sowie auf verstärkten Sanierungen von Altbauten – ohne Rücksicht auf die Folgen für Betroffene und für das Miet- Die beiden Seniorinnen Margrit Benninger (91) und Eliette Pilonnel (79) haben sich aktiv im Abstimmungskampf für die Wohnschutzinitiativen engagiert. zinsniveau der Stadt. Das Volks-Ja ist das Signal für eine politische Neuausrich- tung. Bei Neubauten müssen künftig vermehrt Gemeinnützige zum Zug kom- men, die Gewähr für bezahlbare Mieten bieten. Und der Staat muss Kontroll- mechanismen gegen Sanierungen einfüh- ren, die mehr der Gewinn- als der Kom- fortsteigerung dienen. Im Kanton Waadt hatten die Stimmberechtigten letztes Jahr einen ähnlichen Wohnschutz gutge- heissen. Basel folgt diesem Pionierent- scheid und setzt sich damit in der Deutsch- schweiz an die Spitze. Der MV fordert jetzt eine rasche Um- setzung des Volksentscheids. «Wir verlangen eine sofortige Abkehr vom bedingungslosen Verdichten in den Quar- tieren sowie eine soziale Ausrichtung der Pensionskasse», sagt Geschäftsleiterin Patrizia Bernasconi. Sie erwartet, dass die Regierung bis Dezember dem Parla- Bild Franziska Stier ment Vorschläge präsentiert und der MV seine Vorstellungen für Gesetzesrefor- men einbringen kann. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 9
Stadtentwicklung Text von Esther Banz Mietende geraten in Not, wenn bei Renovationen und Ersatzneubauten günstige Wohnungen verloren gehen. Dagegen gibt es Ideen. Aber was macht Zürich? Wichtig ist hier weniger der Hund als der günstige Wohnraum der Dr. Stephan à Porta-Stiftung im Hintergrund. Bild Reto Schlatter Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 10
Monique Gagnebin kann aufatmen. und «sensibilisieren», wie Werner Liech- Die Wirklichkeit sieht etwas anders Endlich weiss sie: Nach dem Umbau darf tenhan in einer Arbeitshilfe schreibt. aus. Nehmen wir die Dr. Stephan à Porta- sie zurück in ihre geliebte Einzimmer- Und sie kann Daten zum sozialen Wandel Stiftung. Diese hat einen sozialen Zweck wohnung in Zürich-Schwamendingen. erheben. und besitzt auf dem Stadtgebiet rund M+W berichtete über ihr Schicksal: Eine grosse Mehrheit der Zürcher 1350 günstige Wohnungen. Im fünfköpfi- Sie und rund hundert weitere Mietende Stimmberechtigten wünscht solche gen Stiftungsrat sitzen Stadtrat Daniel an der Überlandstrasse erhielten wegen Massnahmen. Das zeigen die erfolgrei- Leupi, die Vizedirektorin des Amts einer Totalsanierung den blauen Brief. chen Wohn-Abstimmungen in Stadt und für Hochbauten, Ursula Müller, die bei- Die Besitzerin Siska Heuberger Holding Kanton in jüngerer Zeit klar. Die stei- den reformierten Pfarrer Christoph AG renoviert, die günstigen Kleinwoh- genden Mietpreise machen Angst. Des- Sigrist und Andreas Peter sowie Corinna à nungen werden spürbar teurer. Gagnebin halb ist die Förderung bezahlbarer Porta. Die Stiftung überraschte im letzten und zahlreiche Nachbarn wehrten sich Wohnungen in der Bevölkerung so breit Februar alle Mietenden in der Siedlung mit Hilfe des MV Zürich. Mit Erfolg. Jetzt abgestützt. Die Stadt Zürich hat dazu Egli-/Hohlstrasse mit der Kündigung auf geht plötzlich, was Genossenschaften Ende September 2019. Es soll Ersatz- schon länger vormachen: eine Sanierung Das Volk will klar mehr neubauten geben. Rund 200 Wohnungen in Etappen und mit Zwischenlösungen Mieterschutz. sind betroffen. Geschäftsführer Armin für die Betroffenen. Gagnebins Wohnung Isler räumt auf Anfrage ein, dass möglicher- kostet nach der Renovation 261 Franken das «Programm Wohnen» entwickelt. weise nicht alle Mietenden über das Vor- mehr. «Das liegt gerade noch drin», Darin bekennt sie sich zum Ziel einer haben informiert wurden. Aber er ver- sagt sie. Die Vermieterin kommt auch für guten sozialen Durchmischung und defi- weist auf ein Schreiben aus dem Jahr 2013, die Umzugskosten auf. niert Stossrichtungen und konkrete in dem man auf den umfassenden Erneue- Doch nicht überall ist so viel Energie Massnahmen. Zur Sensibilisierung von rungsbedarf bereits hingewiesen habe. und Kampfgeist vorhanden wie in die- Privaten steht in diesem Papier aber nicht Das scheint freilich nicht die Kommunika- sem Fall. Die Dynamik von «Aufwertung» viel drin. Man strebe einen «engen tion zu sein, wie sie die schönen Grund- und Verdichtung in Zürich, aber auch Dialog» und eine «vertiefte Zusammenar- sätze im erwähnten Leitfaden postulieren. in anderen Städten, ist sehr gross. Sie beit» an, ist zu lesen. Das Stadtparlament Isler betont immerhin, dass man alle produziert unzählige Verliererinnen und will jedoch mehr. Es verlangt konkret, frei werdenden Wohnungen der Stiftung Verlierer. Es sind Menschen, die auf dass das Amt für Städtebau Lösungen su- den Betroffenen zur Miete anbieten günstige Mieten angewiesen sind und sol- chen soll bei Bauvorhaben, die den bis- werde. Auf die Frage, wie teuer die neuen che, die sich eine auch nur leicht stei- herigen Bestand an günstigen Wohnun- Wohnungen dereinst sein werden, gibt gende Mietbelastung nicht leisten kön- gen gefährden. Allerdings meinte Stadtrat er sich mit Hinweis auf die laufende De- nen. Schnell einmal müssen Bedürf- André Odermatt, Chef des Hochbaude- tailplanung bedeckt. Doch Walter Angst tige bei der Stadt anklopfen. Daher hat partements, anlässlich der Diskussion im vom MV Zürich weiss mehr: «Anstelle der auch sie ein eminentes Interesse da- Rat, das Geforderte sei bereits erfüllt. 30 Familien- und 170 Kleinwohnungen ran, dass günstiger Wohnraum erhalten Doch das stimmt so nicht: Auch in der bleibt – nicht zuletzt für die Vielfalt überarbeiteten Version des Programms Was nützen schöne Worte in den Quartieren. Zürich hat in der Ab- Wohnen sind keine konkreten Mass- in den Leitfäden? teilung Stadtentwicklung entspre- nahmen enthalten, wie man Private fürs chende Konzepte entwickelt. Sie zeigen Wohnproblem sensibilisieren könnte. mit Mietzinsen im ganz tiefen Preisseg- auf, was es braucht, damit die Planer Was genau tut die Stadt nun also, um ment werden 35 Kleinwohnungen mit an die Menschen denken. beispielsweise grosse Player im Woh- Mieten zwischen 1300 und 1750 Franken So plädierten Werner Liechtenhan nungsmarkt wie Pensionskassen und Ver- und 115 Familienwohnungen mit Mieten (Stadtentwicklung) und Stefan Roschi sicherungen für soziale und sozialräum- zwischen 2000 und 2450 Franken ge- (Soziale Dienste) letztes Jahr an einer Ta- liche Fragen zu gewinnen? Nat Bächtold, baut.» Es kommt also gegenüber heute zu gung dezidiert für eine soziale Stadt- Sprecher von Stadtpräsidentin Corine einer massiven Verteuerung. entwicklung. Man solle langfristig planen Mauch, verweist auf den Leitfaden Was nützen schöne Vorsätze in einem und Erneuerungen von Wohnbauten «Erfolgsfaktoren sozial nachhaltiger Sanie- Leitfaden, wenn diese nicht einmal in zeitlich etappieren. Es brauche auch früh- rungen und Ersatzneubauten». Dieses einer sozialen Stiftung voll zum Zug zeitig soziale Begleitmassnahmen, zum Dokument richtet sich explizit an Private. kommen, in der die Stadt selber gut ver- Beispiel die Einrichtung eines Miete- Das vierseitige Papier ist toll. Es klärt treten ist? Konkretisieren sich die guten rinnen- und Mieterbüros für Betroffene. über Vieles auf: was eine bezahlbare Woh- Ideen und Ansätze halt anderswo? Nat Es versteht sich von selbst, dass die nung ist, was Suffizienz bedeutet, warum Bächtold erwähnt die regelmässig statt- Stadt bei der Planung der eigenen Bauten ein vielfältiger Wohnungsmix gut und findende Veranstaltung «Echoraum». Da mit dem guten Beispiel vorangehen wichtig ist, was die soziale Durchmi- seien sozial nachhaltige Wohnbaupro- sollte. Privaten kann sie solche sozialen schung in den Quartieren bedeutet. Und jekte auch schon Thema gewesen. Der Begleitmassnahmen nicht vorschrei- es lobt auch eine vorausschauende Echoraum, präzisiert Bächtold, sei aber ben. Aber sie kann auf die Liegenschaf- Kommunikation, welche die Betroffenen keine Lobbyveranstaltung der Stadt: «Es tenbesitzer zugehen, sie aufklären frühzeitig informiert. ist ein Dialog und ein Erfahrungsaus- Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 11
Gastkommentar tausch zwischen der Stadt, Privaten und Genossenschaften mit rund vierzig bis die jetzige Mieterschaft bezogene Frage- stellungen sind uns vonseiten der Stadt Tachles reden! fünfzig Teilnehmenden.» Wer genau dabei nicht untergekommen.» ist, gibt die Stadt nicht bekannt. Doch Entgegen den internen Empfehlungen einen Teilnehmer kennen wir: den MV wurden in den Sozialen Diensten auch Zürich. Geschäftsleiterin Pia Schneider keine statistischen Erhebungen ange- war zweimal dabei. Sie fand die Veranstal- stellt, wie viele Menschen von Ersatzneu- tungen spannend, schränkt aber ein: bauprojekten und Sanierungen mit «Der Echoraum dient meiner Meinung Leerkündigungen betroffen sind und was nach eher dem Networking und der das für diese im Einzelfall bedeutet. Spre- Information als der Klärung wichtiger cherin Beatrice Henes räumt ein, dass es wohnpolitischer Themen.» so genannte Working Poor gibt, die in Soziale Fragen bei der Stadtentwicklung Der letzte Versuch, einen Fall zu sehr günstigen Wohnungen leben und die ins Zentrum stellen: Nichts weniger haben finden, wo die Stadt möglicherweise po- sich bereits eine etwas teurere Wohnung sich Stefan Roschi und Werner Liech- sitiven Einfluss genommen hat, ist nicht mehr leisten können. Diese Per- tenhan zum Ziel genommen. Der Chef das Projekt Gartensiedlung Frohburg der sonen müssen dann allenfalls ergänzend des Sozialzentrums Aussersihl und Helvetia Versicherung. 300 günstige Sozialhilfe beantragen. «Wir erheben der Stadtentwickler wollen Themen in der Wohnungen werden ersetzt, es entstehen das aber nicht systematisch», sagt sie. Verwaltung der Stadt Zürich verankern, 660 neue Wohnungen. Die Versicherung Menschen, die sich eine nur etwas teu- die für Mieterinnen und Mieter existen- plant in Etappen, auch das eine gute rere Miete gerade nicht mehr leisten ziell sind. Wenn Portfolio-Entwickler gros- Nachricht im Sinne der nachhaltigen so- können, gibt es jedoch zunehmend – und ser Immobilienfirmen die Zukunft einer zialen Stadtentwicklung. Geht das auf Möglichkeiten, in eine andere günstige in die Jahre gekommenen Siedlung planen, einen Vorschlag der Stadt zurück und hat Wohnung auszuweichen, immer weniger. sollen sie als Erstes schauen, wer in die- sich diese zwecks Sensibilisierung an Es ist Zeit, dass die Stadt die Ideen sen Siedlungen lebt. Wenn Projekte erar- die Besitzerin gewandt? «Diesbezüglich ihrer eigenen Mitarbeiter ernst nimmt. beitet werden, soll auf Wohnungsgrössen gab es keine Vorgaben», sagt Helvetia- Walter Angst, Kommunikationschef und Preise geachtet werden. Und wenn Mediensprecher Hansjörg Ryser. Das- beim MV Zürich, fordert eine offensive die Planung konkretisiert wird, sollen die selbe sagt auch die mit der Planung be- Politik gegenüber privaten Bauherren, Bauprojekte etappiert und Mieterbüros auftragte Britta Bökenkamp von Planzeit: zum Schutz der Interessen von betroffe- eingerichtet werden, damit möglichst vie- «Es gab viele Abklärungen mit dem Amt nen Mieterinnen und Mietern. Angst: le Mieterinnen und Mieter in ihrer Sied- für Städtebau. Auch die Auswirkungen «Die Stadt muss intervenieren und nicht lung oder in ihrem Quartier bleiben aufs Quartier waren ein Thema. Aber auf nur moderieren.» (Siehe Gastkommentar) können. Doch was hilft dieses Engagement, wenn die wichtigen Player in der Stadtver- Die Helvetia-Versicherung will die Gartensiedlung Frohburg in Etappen neu erstellen. waltung von all dem keine Notiz neh- men? Wenn die Heerscharen von Planerin- nen und Planern im Amt für Städtebau es tunlichst vermeiden, im Gespräch mit den Investoren die sozialen Fragen der Stadtentwicklung anzusprechen? Wenn die Chefin der Stadtentwicklung nicht von Menschen mit tiefem Einkommen reden will, die aus der Stadt Zürich wegzie- hen müssen? Und wenn die Gemeinwesen- arbeiter der Sozialen Dienste nicht vor Ort sind, wenn an der Überlandstrasse in Schwamendingen Siedlungen leerge- kündigt werden? Zürich will eine prosperierende Stadt und eine Stadt für alle sein. Wer diesem Anspruch gerecht werden will, muss Tachles reden mit den Investoren. Die Stadt hat die Mittel dafür. Sie muss es nur tun wollen. Walter Angst, Leiter Kommunikation Bild Reto Schlatter MV Zürich Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 12
Mail Sozialverträgliche einzahlen, keine anständig bezahlten Stellen mehr. Sieber damals betrieb, auch tagsüber «zu Hause» bleiben. Damals arbeiteten die meisten Bewoh- Rendite Einfach gesagt: Wenn Berechnungen von Sozialbudgets und die Realität auf dem Woh- ner des Bunkers auf dem Bau, als Eisenleger, Kabelzieher und Zügelmänner oder auch als Ver- nungsmarkt nicht übereinstimmen, zahlt lader beim Güterbahnhof usw. Einem zeitweili- Seit Jahren lese ich mit Interesse Ihre Zeitschrift das Sozialwesen der Gemeinden resp. die AHV gen Bewohner des Bunkers verschaffte Sieber und die vielfältigen Informationen. Ein gros- so manchen Immobilienhaien die Rendite. später eine Wohnung. Ohne die Hilfe von Sieber ses Kompliment, wie hier Denkarbeit geleistet Es darf aber nicht sein, dass diese die Sozialin- hätte er mit seiner Frau nie eine Wohnung gefun- wird. Ich möchte Ihnen hier einige Denkanstösse stitutionen indirekt ausnützen können. Es den. Auf dem Sozialamt bin ich damals sehr für die politische Ebene geben. Vor kurzem wäre daher dringend nötig, das genossenschaft- barsch abgewiesen worden, als ich mich bemüh- haben wir über die neue AHV-Reform abge- liche Wohnen zu fördern und das Rendite- te, meinem Kollegen mit seiner Frau eine stimmt, die vom Stimmvolk bachab geschickt Wohnen (damit meine ich auch das «Wohnen im Wohnung zu verschaffen. Ernst Sieber gelang es wurde. Was hat nun das Mietrecht mit der AHV Alter») eher zu beschränken. Was Sie ja auch dann, dass dieser Mann, der mit seiner Frau zu tun? Sehen Sie, Menschen der Jahrgänge anstreben. Es sollte so etwas wie eine sozialver- in Hausgängen, Abbruchliegenschaften, Scheu- 1950 bis 1960 mit einem jahrelangen mittleren trägliche Rendite geben. nen usw. übernachtete, in Zürich-Altstetten Einkommen haben teilweise nur eine kleine Pen- Irene Thoma, per Email eine Wohnung mieten konnte. Das Paar wohnte sion. Sobald diese Personen ins Rentenalter dann jahrelang problemlos in dieser Wohnung. kommen, benötigen viele von ihnen Ergänzungs- Später stellte die Stadt Zürich Pfarrer Ernst leistungen. In der Berechnung der Ergänzungs- Sieber beim Selnau ein Haus zur Verfügung. leistung kann eine Einzelperson eine Miete Die Bewohner des Bunkers konnten umziehen. von bis zu 1000 Franken oder mehr, je nach Kanton, beanspruchen. Recht auf Wohnen – Geleitet wurde die Notschlafstellle im Bunker am Helvetia von Robert Widmer, der dann auch Doch gibt es Angebote von Zweizimmerwoh- nungen von ca. 45 bis 50 Quadratmetern für auch tagsüber bis zu seiner Pensionierung diese oberirdische Wohnstätte führte. monatlich 1000 Franken in der Schweiz? Nein. Heinrich Frei, Zürich, per Email Die meisten Menschen in Pension zahlen bereits Ein altes Anliegen von Pfarrer Ernst Sieber mehr für eine Wohnung «im Alter», als ihr könnte nach seinem Tod umgesetzt werden. Ich Budget eigentlich erlauben würde. Das heisst, mit denke an seine Forderung, dass Bewohner dieser verteuerten Wohnpolitik gibt es eine von Notschlafstellen auch tagsüber zu Hause Umlagerung auf die Sozialinstitutionen und da- bleiben können, wie wir auch. Wir müssen auch durch eine extreme Belastung für die AHV, nicht morgens unser Bündel packen und für die Sozialdienste der Gemeinden etc. Hier unsere Behausung verlassen. Das sollte doch in werden dann früher oder später Sparmass- einem Land, in dem es über 500 000 Zweit- nahmen beschlossen. Dies führt wiederum zu wohnungen gibt, möglich sein. Auch der «Pfuus- einer Armut «im Stillen». Wenn ältere Menschen bus» beim Albisgüetli müsste durch ein Haus länger arbeiten müssen (teilweise aus der Not ersetzt werden. 1968 konnten die Bewohner des heraus), finden die Jungen, die wiederum AHV unterirdischen Bunkers am Helvetiaplatz, den Mietende sollen nicht wegen hohen Wohnkosten aufs Sozialamt müssen. Haben Sie Mietprobleme? HOTLINE 0900 900800 (CHF 4.40/Min.) Für Nichtmitglieder und Mietende, die es eilig haben. Auf der Hotline beantworten FachjuristInnen Ihre mietrechtlichen Fragen. Werktags 9 bis 12.30 h, montags bis 15 h Legen Sie vor dem Anruf allfällige Unterlagen Bild fotolia (Mietvertrag, Kündigung usw.) bereit. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 13
Haushalt Text von Stefan Hartmann/Topten Coole Tipps gegen die Sommerhitze Wenn es ganz heiss wird, sind zwei Ventilatoren besser als einer. Bild fotolia Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 14
Der Wetterbericht hat 28 Grad angekündigt. Wer trotzdem einen klaren Kopf behalten will, muss rechtzeitig für Kühle sorgen. Wie kann man in der Wohnung die Som- dings muss man sie noch montieren. Doch merhitze draussen halten? «Auf keinen das ist keine Hexerei und funktioniert Fall sollte man ein billiges Klein-Klimage- ähnlich wie bei einer Deckenleuchte. rät kaufen!», rät Eric Bush von Topten, Im Sommer gehört das Öffnen der dem Online-Portal für Best-Geräte (Ener- Fenster am Morgen zu den ersten Hand- gieeffizienz, Umweltaspekte, Qualität). lungen, noch bevor die ersten Sonnen- «Manche dieser mobilen Geräte sind trotz strahlen an die Fassade strahlen. So lässt stolzer Angaben zur Kühlleistung fast sich viel Morgenkühle in den Tag retten. wirkungslos.» Denn ihre Abwärme muss Die wirksamste Methode gegen Hitze mit einem Abluftschlauch nach aussen ist der aussenseitige Schutz der Fenster geleitet werden. Dafür muss das Fenster mit Storen. Optimalerweise verfügen die einen Spalt breit geöffnet sein. Und schon Sonnenstoren über verstellbare Lamellen, wieder strömt Hitze von draussen ins die je nach Stellung viel oder weniger Zimmer. Licht einlassen. So kann man auf unnöti- ge Leuchtkörper, die Wärme verbreiten, Ventilatoren brauchen weniger Energie verzichten. Wichtig ist es, den Sonnen- Bessere Abhilfe an heissen Tagen schutz möglichst früh herunterzulassen. schaffen ein kleiner Tischventilator oder Zu den empfohlenen «Mikromass- ein Ventilator in Ständer-Ausführung nahmen» gegen Hitze zählen auch Grün- mit Stufenschaltung und Schwenkfunk- pflanzen. Sie sind gut fürs Raumklima, tion. Auch hier sollte man nicht das da sie nicht nur Kohlendioxid abbauen, billigste Gerät kaufen, da ein lärmiges sondern auch Sauerstoff produzieren und Gerät ziemlich nerven kann. Auf www. die Luftfeuchtigkeit erhöhen. Einige Gute Tipps gegen hohe topten.ch findet man Rat. Mobile Pflanzen filtern sogar Schadstoffe aus der Temperaturen Ventilatoren verbrauchen viel weniger Luft und schaffen eine gute Ambiance. · Nachts oder frühmorgens die Strom als ein Klimagerät – gerade mal 30 Für Zürcherinnen und Zürcher gibt es Fenster für die kühle Luft öffnen · Aussenstoren herunterlassen Watt, während es beim Klimagerät 2500 eine gute Gelegenheit: Noch bis zum 31. · Nicht benötigte Geräte und Watt sind. Und sie sind auch bedeutend August läuft ein Förderprogramm für Leuchtkörper gar nicht erst ein- günstiger im Kauf. Bei hohen Räumen Netzkunden der Elektrizitätswerke des schalten ist ein Decken-Ventilator mit grossen Flü- Kantons Zürich (EKZ). Sie erhalten beim · Beim Ventilator-Kauf vorher die geln eine valable Option. Er dreht sich Kauf von Ventilatoren (Auswahl siehe effizienten Geräte auf langsam und macht wenig Lärm. Das www.topten.ch) einen Rabatt von 30 Pro- www.topten.ch checken · Grünpflanzen sind immer gut für Erstaunliche: Solche raumfüllenden Ven- zent oder maximal 100 Franken bei ein angenehmes Innenraum- tilatoren kosten mit rund 50 Franken Einsendung der Quittung. Es sind höchs- klima. in etwa gleich viel wie Tischgeräte. Aller- tens drei Produkte pro Kunde möglich. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 15
Grossbritannien Text von Ralph Hug Die tote Im Stadtteil Chelsea wohnen Londons Reiche. Darunter viele Russen, Saudis, Amerikaner und Chinesen – Oligarchen Der Luxus in solchen «Eisberg»-Häu- sern, die sich erst in der Tiefe entfalten, kennt anscheinend keine Grenzen. Kapitale aus aller Welt. Sie parkieren ihr Kapital in Villen und mondänen Anwesen. Doch diese stehen meistens leer, weil ihre Fachleute nennen solche Ausbauten «tote Architektur» («necrotecture» statt «architecture»), weil sie kaum belebt sind Besitzer noch weitere Wohnsitze irgend- und eher Geldtresoren als Wohnhäu- Was passiert, wenn wo auf der Welt haben. Jetzt zeigt sern gleichen. Diese toten Villen sowie Milliardäre den Wohnmarkt eine Studie der Universität Newcastle, die teuren Appartements verbreiten sich dass vermögende Eigentümer gerne in London wie Krebsgeschwüre. Im beherrschen? London in den Untergrund gehen. Weil oben kein Umfeld des London City Airports werden zeigt es. Platz mehr ist, lassen sie unterirdische an der Themse reihenweise Wohntürme Fitnessanlagen, Swimming Pools, Saunen mit Appartements hochgezogen, von und Garagen für ihre Rolls-Royce und denen jedes mehrere Millionen kostet. Superteure Wohnungen in Londons City Sportwagen bauen. Geld spielt ja keine Nur Vermögende kommen hier zum Zug. Rolle. Laut der Studie haben die Stadt- Londons Wohnpolitik ohne Wohn- behörden in Londons gutsituierten schutz funktioniert nach dem Motto Bezirken insgesamt 4650 Kellerausbauten «Reiche rein, Arme raus». Für Normalver- bewilligt. Ein beträchtlicher Teil davon dienende wird die Hauptstadt mit ihrem geht zwei Stockwerke in die Tiefe. notorischen Wohnproblem zunehmend unerschwinglich. Sie müssen ausziehen, Wasserfall auf drei Stockwerken an den Stadtrand ziehen und pendeln. Laut dem Nachrichtenmagazin «Spie- Die Finanzmetropole mutiert so langsam gel» findet man dort künstliche Strände, zur toten, nur noch von Touristen Bild M+W dreistöckige Wasserfälle, marmorne belebten Stadt, wenn es so weitergeht. Partyhallen und ganze Poollandschaften. Unheimlich, aber wahr. Anzeige MIETEN, FAHREN, SPAREN! Freuen Sie sich als Mitglied des Mieterinnen- und Mieterverbandes in der Schweiz über: 20 % auf Nutzfahrzeuge* 10 % auf Personenfahrzeuge* *auf rabattfähige Raten, nicht kumulierbar mit Specials und Sonderangeboten Geniessen Sie auch im Ausland attraktive Sonderkonditionen auf Ihren Mietwagen! Jetzt buche n au avis.ch f AWD-N um D9357 mer 00 www.avis.ch Mieterverband_Avis_Inserat_halbe_Seite_quer_198_124-5.indd 1 07.06.2018 11:15:58 Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 16
Hotline Wer zahlt den Den Nachmieter Handwerker? ablehnen? Frage Frage gehört auch die Einzahlung einer Infolge eines Wasserschadens in Da ich vorzeitig ausziehe, habe allfälligen Mietkaution zu den der oberen Wohnung muss die ich meinem Vermieter einen Nach- Bedingungen, die der Ersatz- Decke meines Wohnzimmers kom- mieter gemeldet. Laut meinem mieter eingehen muss. Will der Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen plett neu verputzt und gestri- Mietvertrag muss der Mieter drei Nachmieter die Mietkaution chen werden. Damit die Malerar- Monatsmieten als Mietkaution zah- nicht in der bisherigen Höhe beiten verrichtet werden können, len. Ich habe das Depot damals oder Art leisten, wie z.B. in Ihrem forderte mich mein Vermieter auf, bei einer Bank auf ein Sperrkonto Fall – eine Mietkautionsver- das Wohnzimmer zu räumen. einbezahlt. Mein Nachmieter – sicherung abschliessen, statt die In meinem Wohnzimmer steht ein der einzige, den ich bisher habe – drei Monatsmieten auf ein Bücherregal, das vom Schreiner kann das Depot aber nicht bar Sperrkonto einzuzahlen – ist er hergestellt und montiert wurde. Ob- bezahlen, sondern will bei einer Miet- nicht bereit, den Mietvertrag wohl ich handwerklich nicht völ- kautionsversicherung eine Bürg- zu den gleichen Bedingungen zu lig unbegabt bin, muss ich dieses schaft dafür errichten. Kann übernehmen. Der Vermieter Regal fachmännisch, z.B. von einer der Vermieter den Nachmieter des- könnte diesen Nachmieter des- Umzugsfirma demontieren und wegen ablehnen? halb zu Recht ablehnen. Un- wiederaufbauen lassen. Muss mir Hotline vorteilhaftere Bedingungen darf der Vermieter die Kosten ersetzen? Ja. Denn gemäss Art. 264 OR er dagegen nicht stellen und Hotline muss der Nachmieter nicht nur z.B. gerade auf dem Abschluss Eine knifflige Frage. Werden in zahlungsfähig und zumutbar sein, einer Mietkautionsversicherung einer Mietwohnung Unterhalts- sondern auch bereit sein, den beharren, wohingegen der arbeiten oder Erneuerungen aus- Mietvertrag zu den «gleichen Be- Vormieter die Kaution auf ein geführt, haben Mietende grund- dingungen» zu übernehmen. Sperrkonto eingezahlt hat. sätzlich eine Mietzinsreduktion zu- Neben dem Mietzins, der Miet- In einem solchen Fall müsste die gute. Wie viel diese ausmacht, dauer und weiteren besonde- Verwaltung Sie aus dem Miet- ist Ermessenssache. Sie muss ent- ren vertraglichen Abmachungen vertrag entlassen. sprechend höher ausfallen, wenn den Mietenden Kosten oder Umtriebe zur Demontage von Ein- Der Maler kommt, das Regal muss weg. Aber wer bezahlt die Umtriebe? richtungen entstehen. Dies ist natürlich eine etwas gar theoreti- sche Aussage. Denn in der Praxis werden die Mietzinsreduktionen wegen Unterhaltsarbeiten meis- tens sehr pauschal – etwas salopp gesagt: «über den Daumen gepeilt» – festgelegt. Ich empfehle Ihnen deshalb, bei der Diskussion über die Höhe der Mietzinsre- duktion auf allfällige Demontage- kosten oder Umtriebe hinzu- weisen. Sollten Ihnen jedoch Kosten entstehen, die über die Miet- zinsreduktion hinausgehen, kommt allenfalls Schadenersatz in Frage. Diesen schuldet der Ver- mieter jedoch nicht, wenn er nachweist, dass ihn kein Ver- schulden trifft. Rechtlich ist das eine Knacknuss. Solche Fälle, in denen sich die Frage nach Scha- Bild M+W denersatz stellt, sind in der Pra- xis aber sehr selten. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 17
Miettipp Text von Fabian Gloor Bild fotolia So ein Mist, das ging daneben! Wenigstens macht ein Fehlschuss weniger Lärm als ein Volltreffer. Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 18
Im Fussball geht’s wieder um die Wurst. Das kann Auswirkungen auf die Nachbarschaft haben. M+W sagt, was WM und Mietrecht miteinander zu tun haben. Vertragen sich Fussball und Mietrecht? Noch bis zum 15. Juli herrscht in vielen Liegenschaft. Diese stehen nicht einer Vertragsklausel nur ausnahmsweise ver- Haushalten Fussball-Fieber. Gehören bestimmten Person zur alleinigen Nut- bindlich. Denn ein Mietvertrag darf auch Sie zu jenen, welche die Weltmeister- zung zur Verfügung. Wie solche Areale die Freiheit der Mieterinnen und Mieter schaft am liebsten auf der eigenen genutzt werden dürfen, kann der Ver- grundsätzlich nur einschränken, wenn es Couch oder dem Balkon verfolgen? Daher mieter selber festlegen. Und er darf die einen sachlichen Grund dafür gibt. sind nützliche Tipps für ein sorgen- Einwilligung nur erteilen, wenn diese die Zudem müssen die Einschränkungen ver- freies Fussball-Vergnügen in den eigenen Bedürfnisse aller Mieterinnen und Mieter hältnismässig sein. Bei Liegenschaften, vier Wänden angebracht. Im Grundsatz berücksichtigt. Ein Recht auf eine WM- die das Ortsbild prägen, könnte dies der gilt: Auch wenn vorübergehend König Party mit hauseigenem Public Viewing Fussball regiert und sich fast alles nur gibt es nicht. Das gilt grundsätzlich für Torjubel ist ok, aber es braucht noch ums runde Leder zu drehen scheint, jegliche Festivitäten im gemeinschaftli- auch Rücksichtnahme. so gilt das Mietrecht weiterhin. Des- chen Bereich einer Siedlung, auch jenseits halb sollten Sie auch im WM-Fieber eini- des Fussballs. Fall sein. Wer sich beispielsweise in einer ge Regeln beachten. Erlaubt Ihnen die Verwaltung Ihr Vor- Wohnung im berühmten Einstein-Haus Gehören Sie zu jenen, die nicht nach haben, dann können Sie sich nun ans mitten in der Berner Altstadt einmie- Russland gereist sind und die Public Werk machen. Um echtes WM-Feeling zu tet, muss ein Fahnenverbot auf dem Bal- Viewings meiden? Organisieren Sie lieber erzeugen, darf natürlich die passende kon unter Umständen akzeptieren. die ultimative Fussball-Party im haus- Deko nicht fehlen. Landesfahnen eignen Im normalen Wohnblock lässt sich ein eigenen Innenhof, auf der Wiese hinter sich hierzu besonders gut. Doch obacht Fahnenverbot nicht rechtfertigen. dem Haus oder auf der Gemeinschafts- bei der Platzierung der Flagge: Am Verbote nur um des Verbots willen sind terrasse mit Leinwand und Barbecue? Fenster und innerhalb des eigenen Bal- nicht statthaft. Dann wir raten wir Ihnen, dieses Vor- kons geniessen Sie als Mieterin oder Mie- Fussballfans hängen ihre Fahne gerne haben vorgängig mit dem Vermieter ab- ter volle Freiheit. Diese dürfen Sie nach aussen ans Balkongeländer. Gewisse zuklären. Denn dieser könnte Ihnen einen Lust und Laune mit Fahnen dekorie- Vermieter goutieren dies überhaupt nicht, Strich durch die Rechnung machen und ren. Auch Sonnenschirme in den schrill- da das Recht des Mieters an der Balkon- das Fussballfest verbieten. Sowohl der In- sten Farben sind zulässig. Sollte Ihr brüstung endet. Dies ist eine etwas nenhof wie auch die Wiese hinter dem Mietvertrag die Balkonnutzung stark reg- gar enge Sicht. Es gehört zu den Persön- Haus und die Dachterrasse gehören zu lementieren und Ihnen das Aufhängen lichkeitsrechten, aussen am Balkonge- den gemeinschaftlichen Bereichen der von Fahnen verbieten, so wäre eine solche länder ein Bekenntnis zu seiner Lieblings- Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 19
Fussballmannschaft abzulegen. Die per- verständlich alles mit Augenmass. Ab 22 des Akzeptablen stellen rechtlich einen sönliche Freiheit endet dagegen dort, Uhr gilt in der Regel Nachtruhe, und es Mangel dar. Nützen alle Ermahnungen wo jene eines anderen beginnt. Zum Bei- ist nur noch sogenannte Zimmerlaut- nichts, kann der Vermieter Ihnen im spiel die persönliche Freiheit ihrer Nach- stärke erlaubt. In Wirklichkeit wird der schlimmsten Fall sogar kündigen – im barn. Das tönt jetzt ein wenig abstrakt. In Torjubel meistens geduldet. Begeisterung Extremfall sogar ausserordentlich. Bezug auf die Fahnen lässt sich dieser wirkt bekanntlich ansteckend. Dies allerdings nur, wenn selbst eine Grundsatz aber einfach illustrieren: Ihre Zuzuschauen, wie 22 Athleten einem schriftliche Abmahnung nichts nützt, und Fahne darf dem Nachbarn im unteren Ball hinterherjagen, kann ganz schön unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen Stock nicht die Sicht verdecken. Andern- hungrig machen. Eine deftige Wurst oder auf Ende eines Monats. Mietende, die falls würden Sie sein gutes Recht auf knackiges Grillgemüse schaffen Abhilfe sich durch Lärm- und Geruchsimmissio- eine ungestörte Sicht aus dem Fenster ver- gegen das Loch im Bauch. Grillieren auf nen gestört fühlen, können unter Um- letzen. dem Balkon ist grundsätzlich erlaubt. ständen sogar Druck auf die Verwaltung Ein spannender Match ist eine emo- Die Verwaltung kann es Ihnen nicht ein- ausüben, indem sie den Mietzins amt- tionale und nervenaufreibende An- lich hinterlegen, wenn diese nichts unter- gelegenheit. Die Lieblingsmannschaft Kommunizieren Sie nicht nimmt. Ob er gegen übermässige wird angefeuert, die einzelnen Aktionen mittels Rauchzeichen! Rauch- und Geruchsbelästigungen ein- werden lautstark kommentiert. Bei schreitet, liegt folglich nicht gänzlich einem Tor erreicht der Lautstärkepegel fach in der Hausordnung oder im Miet- im Belieben des Vermieters. jeweils den Höhepunkt. Wie die Fussball- vertrag verbieten. Solche Verbote müssen Kommunizieren Sie deshalb nicht profis auf dem Rasen müssen auch – wie bereits erwähnt – einen sach- mittels Rauchzeichen mit Ihren Nach- Sie einige Spielregeln einhalten. So sind lichen Grund haben und verhältnismässig barn. Suchen Sie stattdessen das Sie trotz WM-Rausch Ihren Nachbarn sein. Ein generelles Grillverbot auf dem persönliche Gespräch, wenn sich diese gegenüber zur angemessenen Rücksicht- Balkon wäre dies nicht. Doch auch beim durch Ihren Lärm und Rauch gestört nahme verpflichtet. Doch was bedeutet Grillieren sind Sie wegen der Rauch- fühlen sollten. Unter Umständen sind Ab- dies im Einzelfall? Als Massstab gilt und Geruchsemissionen zur Rücksicht- machungen sinnvoll: Zum Beispiel grundsätzlich der gesunde Menschenver- nahme ihren Nachbarn gegenüber ver- nach 22 Uhr den Ton der Liveübertragung stand. Sie dürfen in Ihrer Wohnung pflichtet. Verstossen Sie dagegen, kann abzuschalten und nur einmal wöchentlich ein normales Leben führen. Dazu gehört und muss der Vermieter – wie der zu grillieren. Toleranz und gegenseiti- auch Feste zu feiern. Dass während Schiedsrichter im Fussballspiel – Ihnen ger Respekt sind nicht nur der Schlüssel eines Fussballmatchs ab und zu ein Tor- die gelbe Karte zeigen resp. Sie ver- für einen fairen Match, sondern auch für jubel erklingt, ist normal. Aber selbst- warnen. Denn Störungen über dem Mass eine friedliche Nachbarschaft. Bier, Wurst und Fussball machen gute Laune. Solange das Heimteam gewinnt. Bild fotolia Mieten + Wohnen Juli 2018 Nr. 3 20
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