Was die EU falsch macht - Mieterverband

Die Seite wird erstellt Hortensia-Rose Jansen
 
WEITER LESEN
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Mieten + Wohnen   Nr. 2, April 2019    www.mieterverband.ch

   Was die EU
   falsch macht
   Seite 6
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Editorial                                             Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen                                      Politik Parlament lehnt
und Leser                                             Wohninitiative ab                                                       3
                                                      Diskriminierung Auf den
                                                      Namen kommt es an                                                       5
                                                      EU Harter Kampf um die
                                                      Gemeinnützigen                                                          7
                                                      Basel Grossbank setzt brutal
Wieder häufen sich die Massenkündigungen.             Mietende vor die Tür                                                   10
Wir berichten in diesem Heft über zwei aktuelle
Fälle in Zürich und Basel. Beides Mal ist es die      Zürich Erfolgreicher
Grossbank Credit Suisse, die durch ein skrupel-
loses Verhalten auffällt. Bei ihr zählt nur die
                                                      Widerstand im Brunaupark                                               12
Rendite, Menschen zählen wenig. Unlängst fiel         Haushalt Kennen Sie die
der Bankkonzern durch seine Abzockerlöhne
auf. Chef Tidjane Thiam garniert über 12,6 Mio.       Stromfresser?                                                          14
Franken im Jahr, trotz Börsenverlusten. Solche
überrissenen Saläre zahlen die Mietenden in
                                                      Hotline Haftet die Post
den Liegenschaften der CS-Immobilienfonds             bei der Zustellung?                                                    17
mit. Und werden am Schluss dafür noch auf die
Strasse gesetzt.                                      Miettipp Wie es mit den
    Anstatt solches Unrecht zu verunmöglichen,
lehnt die Rechtsmehrheit im Parlament in Bern
                                                      Haustieren steht                                                       19
auch noch die Initiative für mehr bezahlbare          Letzte Fussballstar wirft
Wohnungen ab. Sie folgt zudem teils willig dem
Versuch der Immobilienlobby, die Mieterrechte         Mieter raus                                                            24
abzubauen. Die Lage ist haarsträubend, sie
muss für alle Vernünftigen das Signal für eine
Wende sein. Es braucht eine soziale Wohn-
politik, es braucht bezahlbare Mieten, es
braucht rigorose Schranken für das rendite-
getriebene Finanzkapital, das sich immer
mehr in den Wohnungsmarkt hineinfrisst. Die-
ses hat beim existenziellen Gut Wohnen
eigentlich gar nichts zu suchen. Hier muss das
                                                      Herausgeber                            Titelbild
Wohl der Bevölkerung im Zentrum stehen,               Mieterinnen- und Mieterverband         fotolia.com
nichts anderes. Die Wende beginnt bei den             Deutschschweiz                         Druck
nächsten Wahlen im Herbst. Wer sich nicht klar                                               Stämpfli AG, Bern
                                                      Redaktion                              Beglaubigte Auflage
für den Wohnschutz ausspricht, hat im Bundes-         Ralph Hug, Pressebüro St.Gallen        126 466 Exemplare
haus nichts zu suchen. Sorgen wir dafür, dass         T 071 222 54 11                        Erscheinen
                                                      Administration und ­Adressverwaltung   6 mal pro Jahr
an diesem Zahltag der Demokratie nur mieter-          MieterInnenverband Deutschschweiz      Abonnementspreis
freundliche Kandidatinnen und Kandidaten              Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich          Fr. 40.–/Jahr
reüssieren.                                           T 043 243 40 40                        Inserate und Beilagen
                                                      info@mieterverband.ch                  Judith Joss,
                                                      www.mieterverband.ch                   judith.joss@mieterverband.ch
   Herzlich                                           Ständige Mitarbeiter/innen             T 043 243 40 40
                                                      Fabian Gloor, Zürich
                                                      Natalie Imboden, Bern
                                                      Balthasar Glättli, Zürich
                                                      Beat Leuthardt, Basel
   hug@pressebuero-sg.ch                              Urs Thrier, Basel
                                                      Walter Angst, Zürich
                                                      Niklaus Scherr, Zürich
                                                      Carlo Sommaruga, Genf                  www.facebook.com/Mieterverband
                                                      Gestaltungskonzept
                                                      Hubertus Design GmbH, Zürich
                                                      Layout
                                                      Hannah Traber, St.Gallen               Gedruckt in der Schweiz

Mieten + Wohnen                  Februar 2019 Nr. 2                                                                            2
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Politik               Text von Ralph Hug

  Jetzt entscheiden wir!
  Das Parlament lehnt die Wohninitiative
  kaltschnäuzig ab. Nun ist das Volk am Zug.
  Zeigen wir Bern die rote Karte.

                                                   Bild fotolia.com

Mieten + Wohnen       April 2019 Nr. 2         3
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Kommentar
Der Ständerat ist Anfang März dem Nationalrat gefolgt. Auch
er lehnt die Wohninitiative des Mieterinnen- und Mieterver-        Jetzt mobilisieren!
bands ab, und zwar mit 31 Nein gegen 13 Ja. Parteipolitisch
gesehen standen nur die SP/Grünen hinter dem Anliegen. Die
CVP liess die Mietenden im Stich. Und SVP und FDP stimmen
sowieso immer gegen die Mieteranliegen, so auch hier. Der
Kommentar von Mieterpräsident Carlo Sommaruga: «Die
Sorgen der Mehrheit der Bevölkerung werden nicht ernst
genommen. Und auch die Spekulation wird nicht bekämpft.»
    Nach dem Nationalrat hat es auch der Ständerat verpasst,
etwas zu tun, damit endlich mehr günstige Wohnungen
entstehen. Die beiden Kammern wollen lediglich den Fonds de        Das Parlament hat unsere Volksinitiative «Mehr
roulement für die Wohnbaugenossenschaften beibehalten.             bezahlbare Wohnungen» abgelehnt. Damit
Dies nützt aber wenig. Denn diese Kreditkasse für die Gemein-      hat die jetzige Mehrheit in Bern den Mietenden
nützigen verändert den Wohnungsmarkt kein Jota. Der                in diesem Land eine beispiellose Verachtung
Marktanteil der Genossenschaften beträgt weiterhin weniger         entgegengebracht. Sie hat sich nicht nur gewei-
                                                                   gert, dass 10% der neuen Wohnungen genos-
   «Die Entwicklung ist besorgniserregend.»                        senschaftlich und spekulationsfrei auf Basis der
                                                                   Kostenmiete erstellt werden. Sie wollte auch
als 5 Prozent. 95 Prozent gehören den gewinnorientierten           nicht den Fonds de roulement bedingungslos
Immobilien- und Geldkonzernen, Fonds und Pensionskassen.           um 250 Mio. Franken aufstocken, um den güns-
So bleibt alles beim Alten, trotz steigender Mieten und stei-      tigen Wohnbau zu fördern. Wie die neuesten
gender Belastung für die Bevölkerung. Der Solothurner Stän-        Statistiken des Bundes zeigen, machen die Woh-
derat Roberto Zanetti sagte vergeblich: «Die Initiative fordert    nungen, die genossenschaftlich sowie von der
nichts Unmögliches.» Und der St.Galler Ständerat Paul Rech-        öffentlichen Hand erstellt werden, nur 10% des
steiner warnte ebenfalls vergeblich davor, dass die Wohnkosten     Wohnungsbestandes aus. Will man dieses
aus dem Ruder laufen: «Die Entwicklung ist besorgnis-              Niveau beibehalten, ist es dringend nötig, min-
erregend.»                                                         destens 10% der neuen Wohnungen für jene
    Auf der Seite der bürgerlichen Gegner tat sich besonders       zu erstellen, die keine bezahlbare Wohnung auf
der Aargauer Ständerat Philipp Müller hervor. Der ehemalige FDP-   dem Markt finden.
Parteipräsident sieht in den öffentlichen Geldern für den Wohn-        Die Abstimmung über die Wohninitiative
bau nur Verluste und keinen Gewinn. Müller wollte sogar den        wird voraussichtlich im Februar 2020 stattfin-
Fonds de roulement abschaffen. Was verfassungswidrig wäre,         den. Damit wir gewinnen, ist auch Ihr Engage-
denn dann hätte der Bund gar kein Instrument mehr, um seiner       ment unerlässlich. Im Herbst werden wir Sie
Pflicht in Art. 41 BV nachzukommen, wonach er dafür sorgen         einladen, unsere Kampagne aktiv und finanziell
muss, dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familien eine        zu unterstützen. Wir zählen auf Sie! Wir wer-
angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden                den unsere ganze Energie aufwenden, denn die
können. So radikalisiert sind gewisse Bürgerliche heute bereits.   Gegner verfügen für ihre mieterfeindliche
Auch am üblen Trick aus der Küche von ex-Bundesrat Schnei-         Gegenpropaganda über enorme Mittel. Aber
der-Ammann wollte die Mehrheit des Ständerats nichts ändern:       wir müssen wissen, dass wir in unserem Kampf
nämlich die Weiterführung des Fonds an die Ablehnung der           für bezahlbare Wohnungen nicht allein sind.
Wohninitiative zu knüpfen. Nur wenn das Volk die Initiative ver-   Diverse Organisationen unterstützen uns. Und
wirft, soll es weiteres Bundesgeld für die Genossenschaften        in Brüssel lanciert eine breite Front von Orga-
geben. Dabei hat ein Rechtsgutachten von Prof. Andreas Glaser      nisationen unter dem Titel «Housing for all» (Woh-
im Auftrag des SMV gezeigt, dass durch diese Verknüpfung           nen für alle) eine europäische Bürgerinitiative
«die freie Willensbildung der Stimmberechtigten im konkreten       für bezahlbaren Wohnraum. Wer einen EU-Pass
Fall ohne Notwendigkeit eingeschränkt wird».                       hat oder Doppelbürger ist, kann diesen Kampf
    Fazit: Im Parlament hat die Immobilienlobby gesiegt. Die       mit der Unterschrift unterstützen (siehe dazu
bürgerlichen Parteien können sich nicht aus ihrem Griff            auch Seite 9). Diese Initiative verlangt, dass die
lösen. Zu viele Milliarden stehen auf dem Spiel. Doch eine neue    öffentliche Wohnpolitik nicht mehr den Maas-
Wohnpolitik ist nötig – eine, die auf weniger Profit und mehr      tricht-Regeln und damit ausschliesslich den
Gemeinnützigkeit ausgerichtet ist. Die Abstimmung wird             Regeln des Marktes unterstellt ist. Der SMV
voraussichtlich im Jahr 2020 stattfinden. Das Volk kann dann       visiert dasselbe Ziel an, indem wir fordern, dass
die Weichen stellen. Also wir.                                     die staatliche Wohnpolitik vom Rahmenab-
                                                                   kommen Schweiz-EU ausgenommen wird. Es
                                                                   gibt also auch bei der EU eine andere, soziale
                                                                   Perspektive!
                                                                       Carlo Sommaruga, Präsident SMV

Mieten + Wohnen                  April 2019 Nr. 2                                                                  4
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Diskriminierung                   Text von Ralph Hug

Ungleiche
Chancen
Wer einen fremd klingen-
den Namen hat, hat es
schwerer auf dem Woh-
nungsmarkt. Das beweist
eine neue Studie.

                                                                                                                                                   Bildmontage M+W
                                                 Auf dem Wohnungsmarkt sind nicht alle gleich.

Es war immer wieder zu hören. Doch               um eine kosovarische Herkunft zu signa-  Namen eine ausländische Staatsbürger-
meist fehlt der konkrete Beweis. Als             lisieren, oder Celik, Kaya oder Yilmaz, um
                                                                                          schaft hatten oder ob sie eingebürgerte
M+W im September 2009 den Fall einer             eine türkische Abstammung anzuzei-       Schweizerinnen und Schweizer waren. Der
exjugoslawischen Familie aufrollte,              gen. Dies kontrastierte dann mit anderen rote Pass nützt also nichts. Wenn man
die eine Wohnung offenkundig nur wegen           Nachnamen aus der Schweiz (z.B. Aebi-    einen fremd klingenden Namen hat, hat
ihrer Herkunft nicht bekam, hiess es:            scher, Gerber, Steiner), aus Deutschland man bei der Wohnungssuche allein des-
Das ist ein Einzelfall! Leider nicht. Jetzt      (Hoffmann, Schulz, Wagner) oder aus      wegen schon Nachteile.
beweist eine Studie, dass es ethnische           Frankreich (Aubry, Gaillard, Rochat).        Ob auch andere Nationen – zum Bei-
Diskriminierung auch auf dem Schweizer               Die Rückmeldungen der Vermieter      spiel aus Asien oder aus Südamerika –
Wohnungsmarkt gibt. Oder mit anderen             wurden verglichen und ausgewertet. Es    zur Diskriminierung führen, bleibt offen.
Worten: Wer zum Beispiel einen koso-             kamen verschiedene Muster zum Vor-       Solche waren im Versuch nicht berück-
varischen oder türkischen Namen trägt,                                                    sichtigt. Das statistische Ausmass der
hat signifikant weniger Chancen, zu                 Es ist der Name, der zählt.           Diskriminierung ist etwa gleich gross wie
einer Besichtigung eingeladen zu werden.                                                  in andern Staaten. Dies hat das Forscher-
    Dies ist das Fazit eines Berichts, den       schein. Eines war, dass Bewerberinnen    team überrascht, denn die meisten an-
das Bundesamt für Wohnungswesen                  und Bewerber mit Namen aus dem           deren Staaten kennen im Gegensatz zur
(BWO) bei einem Forscherteam der Uni-            Kosovo oder der Türkei weniger häufig    Schweiz Gesetze gegen Diskriminie-
versitäten Neuenburg, Lausanne und               zur Wohnungsbesichtigung eingela-        rung. Offensichtlich ist deren Wirkung be-
Genf in Auftrag gegeben hat. Und so ist          den werden, als dies bei Bewerbungen der schränkt, fehlbare Vermieter haben kaum
das Team vorgegangen: Es hat zwi-                Fall ist, die auf eine Herkunft aus der  etwas zu befürchten. Die Studie stellt
schen März und Oktober 2018 über 11'000          Schweiz oder einem der Nachbarländer     auch fest, dass ethnische Diskriminierung
Anfragen an gut 5700 Vermieterinnen              schliessen liessen. «Da die Personen     auf dem Land grösser ist als in der Stadt.
und Vermieter in allen Teilen der Schweiz        abgesehen von ihrem Namen dieselben      Am grössten ist sie in Gemeinden, in
verschickt. Sowohl in Ballungszentren            Eigenschaften besassen, kann gefolgert   denen eine restriktive Stimmung gegen-
als auch in eher ländlichen Regionen. Die        werden, dass es sich um ethnische        über Personen aus dem Ausland herrscht.
Anfragen waren natürlich fiktiv, und             Diskriminierung auf Grund ihres Namens       Daniel Auer, Julie Lacroix, Didier Ruedin, Eva
die anfragenden Personen auch. Wichtig           handelt», hält das Forscherteam fest.    Zschirnt: «Ethnische Diskriminierung auf dem Schweizer
                                                                                          Wohnungsmarkt». Herausgegeben vom Bundesamt für
waren nur die Namen. Und die hiessen             Dabei spiele es keine wesentliche Rolle, Wohnungswesen.
dann etwa Berisha, Krasniqi und Gashi,           ob die Personen mit ausländischen            Gratis-Download auf www.bwo.admin.ch

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                             5
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Europäische Union   Text von Ralph Hug
Bild fotolia.com

                   Mieten + Wohnen     April 2019 Nr. 2     6
Was die EU falsch macht - Mieterverband
In Brüssel kämpft die Mieterlobby für
                                 den gemeinnützigen Wohnbau. Dieser ist
                                 in der EU akut gefährdet.

                                 Die EU muss
                                 umdenken

Mieten + Wohnen   April 2019 Nr. 2                                        7
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Es war eine Niederlage. Neun Jahre lang         ship for affordable housing», eine Allianz   Deutschland. Der Bericht hält auch fest,
prozessierten die «Woningcorporaties»           von Organisationen, die sich für den ge-     dass Mietende durch hohe Mietkosten
für ihre Rechte. Woningcorporaties –            meinnützigen Wohnbau einsetzen. Unter        stärker belastet sind als Wohneigentümer
das sind die gemeinnützigen Wohnbau-            dem Slogan «Wohnen für alle!» machte         mit einer Hypothek oder einem Dar-
genossenschaften in den Niederlan-              die IUT im vergangenen Dezember an           lehen. Fachleute sprechen von einem
den. Sie haben eine starke Stellung auf         einer grossen Wohnkonferenz in Wien auf      Alarmzeichen, wenn jemand mehr als 40
dem Markt und sorgen für günstige               die enorme Bedeutung von bezahlbaren         Prozent seines Einkommens fürs Wohnen
Wohnungen für breite Schichten. Doch            Wohnungen aufmerksam. Wohnen ist             ausgeben muss. Nach Ansicht der IUT
das ist der Immobilienwirtschaft, die           keine Ware, sondern ein Menschenrecht,       ist diese Grenze aber viel zu hoch. Sie will
auf Rendite baut, ein Dorn im Auge. Plötz-      so die Überzeugung der Teilnehmenden.        die Schwelle auf 25% senken. «Wir müs-
lich sah sie einen Hebel, die lästige Kon-      Der Bürgermeister von Wien, Michael          sen ernste Risiken für Armut vermeiden
kurrenz einzudämmen. Dieser Hebel               Ludwig, meinte: «Der freie Markt wird        und die staatlichen Beihilfen neu ausrich-
ist das EU-Wettbewerbsrecht, das im Bin-        niemals die breite Bevölkerung mit güns-     ten», so die Forderung.
nenmarkt für gleich lange Spiesse sor-          tigen Wohnungen versorgen. Um dies zu            Wie der Kampf um die Gemeinnützi-
gen soll. Staatliche Subventionen für           erreichen, braucht es Regeln durch die       gen in Brüssel ausgeht, ist offen. Das
Gemeinnützige würden den Markt verzer-          Politik.»                                    Tauziehen dauert an. Vielleicht läuft es
ren und seien deshalb nicht zulässig –              Ludwig muss es wissen. Wien gilt         beim Wohnschutz wie beim Lohnschutz.
so lautet ihr Argument. Damit fanden sie        weltweit als die Vorzeigestadt für güns-     Dort dämmert es in Brüssel, dass wirk-
bei der Europäischen Kommission ein             tiges Wohnen mit tiefen Mieten, dank         same Schutzmassnahmen für Löhne nötig
offenes Ohr. Diese wies die Niederlanden        einem seit vielen Jahrzehnten gut ausge-     sind und man diese nicht einfach als
an, die Subventionen zu überprüfen.             bauten kommunalen und gemeinnüt-             «Eingriffe in den freien Markt» missver-
Dagegen setzten sich wiederum die hol-          zigen Wohnungsbau. 62 Prozent der Wie-       stehen darf. Genauso darf der Wohnungs-
ländischen Gemeinnützigen zur Wehr. Sie         nerinnen und Wiener wohnen in ge-            markt nicht dem Spiel der Marktkräfte
befürchteten massive Einschnitte, ja das        förderten Logen. Es gibt dort weniger        überlassen werden. Das Gemeinwohl
Ende des günstigen Wohnungsbaus im              Mietpreisexplosion, geringere Makler-        stellt sich eben nicht von selber ein, wenn
Land. Das Verfahren nahm seinen Gang.           gewinne und kaum Vertreibungen von           der Eigennutz freie Bahn hat.
                                                Mietenden nur aus Renditegründen. Weil
   Beihilfen sind zulässig                      die Einkommensgrenzen vergleichs-
    Im letzten November hat nun das             weise hoch angesetzt sind, profitieren
höchste EU-Gericht, der Europäische             breite Schichten und nicht nur sozial Be-
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, den            nachteiligte. Mit einem Aktionsplan
Fall entschieden. Und zwar gegen die            machen die Wohnlobbyisten in Brüssel
Gemeinnützigen. Die Richter befanden,           nun Druck auf die EU-Kommission.
dass Beihilfen für den gemeinnützi-             Ihre Forderung aus dem Urteil des EuGH
gen Wohnbau im EU-Binnenmarkt zwar              ist klipp und klar: Die EU muss die Inter-
grundsätzlich zulässig seien. Aber sie          pretation, wonach der günstige Woh-
müssten notwendig und verhältnismässig          nungsbau nur für Bedürftige zulässig sei,
sein. Das heisst konkret, sie müssten auf       ersatzlos fallen lassen. Nur so könnten
benachteiligte Schichten zugeschnitten          unerwünschte Entwicklungen auf
sein. Günstige Wohnungen also nur noch          den Liegenschaftenmärkten der Mit-
für Arme, und alle anderen sollen die           gliedsländer verhindert werden.
Renditen der Immobilienkonzerne finan-
zieren, weil sonst der Markt verzerrt sei?          Belastung steigt überall
«Das ist eine bittere Niederlage für uns»,          Und Missstände gibt es viele. Zum Bei-
kommentiert Barbara Steenbergen ohne            spiel die Mietbelastung, die überall ge-
Umschweife. Steenbergen leitet das              fährlich ansteigt. Das wird in einem neuen
Büro des Internationalen Mieterverbands         Warnbericht der EU mit Zahlen belegt.
(IUT) in Brüssel. Sie und ihr kleines           Danach sind europaweit 85 Millionen Leu-
Team machen Lobby für die Mieterinte-           te von Armut bedroht. Stellt man auch
ressen. In M+W berichtete sie schon             die Wohnkosten in Rechnung, so sind es
mehrfach über ihren langwierigen Kampf          156 Millionen. Im Jahr 2017 mussten          Anzeige
gegen die übermächtigen Wirtschafts-            10 Prozent der Haushalte in den EU-Län-
interessen.                                     dern über 40% ihres Einkommens fürs                                Vorzugskonditionen
    «Wir haben nun alle rechtlichen Mit-        Wohnen aufwenden. Ein alarmieren-                                  für MV-Mitglieder
tel ausgeschöpft», bilanziert Steenbergen,      der Befund. Der Index für diese Überbe-      Buchen Sie mit der AVIS Worldwide Discount Nummer
                                                                                             D935700 zu preisgüns-tigen Tarifen Autos und Lieferwagen.
«uns verbleibt nur noch eine politische         lastung durch die Mietkosten ist mit
Lösung.» Und daran arbeitet die IUT in-         39,6% in Griechenland am höchsten, ge-       Unter www.avis.ch, Tel. 0848 81 18 18
                                                                                             oder auf www.mieterverband.ch unter «Dienstleistungen».
tensiv. So initiierte sie die «EU partner-      folgt von Bulgarien, Dänemark und

Mieten + Wohnen                  April 2019 Nr. 2                                                                                                        8
Was die EU falsch macht - Mieterverband
EU-Rahmenabkommen     Text von Ralph Hug

So nicht!
                                     Kein Thema ausser dem Klima war in den      kommen und einem neuen Freihandels-
                                     vergangenen Monaten heisser diskutiert      abkommen mit der EU ausgeschlossen
                                     als das geplante Rahmenabkommen             ist.» Nur so bleibe unsere Wohnbauförde-
                                     mit der EU. Weil es den Lohnschutz nicht    rung auch für breite Schichten geschützt.
                                     garantiert, lehnen es die Gewerkschaften        Der SMV erwartet vom Bundesrat,
Das Rahmenabkommen                   ab. Doch auch dem Schweizerischen           aber auch von der EU entsprechende
mit der EU birgt für die             Mieterinnen- und Mieterverband (SMV)        Klarstellungen. Damit bietet der SMV der
                                     fehlen Sicherheiten. Und zwar beim          Wirtschaftslobby Paroli. Diese will das
Mietenden in der Schweiz             Wohnschutz. Präsident Carlo Sommaru-        Rahmenabkommen möglichst schnell
erhebliche Risiken. Es               ga fordert: «Unsere Wohnpolitik muss        unterzeichnen – Lohn- und Wohnschutz
braucht deshalb Garantien.           vom Abkommen ausgenommen werden.»           hin oder her. Der Bundesrat und allen
                                     Denn es bestehe die akute Gefahr, dass      voran Aussenminister Ignazio Cassis (FDP)
                                     die EU dereinst unser bewährtes System      stehen immer mehr unter Druck. Fak-
                                     der Wohnbauförderung nicht mehr             tisch ist das Abkommen in der vorliegen-
                                     akzeptiert.                                 den Form bereits Makulatur – es würde
                                                                                 niemals eine Mehrheit im Volk finden.
                                         Soziale Regulierung unerlässlich        Alle Vernünftigen in Bern wissen das auch.
                                         Dieses Risiko ist hoch. Das zeigt der   Der Bundesrat spielt daher auf Zeit.
                                     Streit zwischen Brüssel und den nie-        Vor den nächsten Wahlen im Herbst wird
                                     derländischen Wohnbaugenossenschaf-         in dieser Sache kaum mehr etwas pas-
                                     ten (siehe Artikel nebenan). Die EU will    sieren. Da kann die EU der Schweiz noch
                                     staatliche Beihilfen – wir würden Sub-      so viele Nadelstiche verpassen, etwa
                                     ventionen sagen – nur, wenn sie den         wenn im Sommer die Anerkennung der
                                     Wettbewerb nicht verzerren. Das heisst      Börsenäquivalenz erneuert werden muss.
                                     wenn sie sozial begründet sind. Im
                                     Wohnbau hiesse dies, dass die Förderung        Brüssel bewegt sich
                                     durch Bund und Kantone nur noch für             Der Druck steigt aber auch in der EU.
                                     einen ganz beschränkten Kreis von           Die Allianz für soziales Wohnen fordert
                                     einkommensschwachen Personen zu-            von der EU-Kommission unter Präsident
                                     lässig wäre. Dies steht jedoch im Gegen-    Jean-Claude Juncker eine Revision der
                                     satz zur bisherigen Praxis in unserem       Beihilfe-Richtlinien. Der Slogan heisst
                                     Land. Und zu einer Politik, die dringend    «Housing for all» (Wohnen für alle). Um-
                                     nötig wäre: Denn nicht nur Arme brau-       fassende staatliche Massnahmen im
                                     chen günstige Wohnungen, sondern            Allgemeininteresse sollen möglich sein,
                                     breite Kreise sind darauf angewiesen. Die   insbesondere solche für bezahlbares
                                     Bevölkerung ist nicht dazu da, mit dem      Wohnen. Vor allem die Städte brauchten
                                     Segen der Wettbewerbshüter überzogene       Spielraum, um die Entmischung und
                                     Renditen der Immobilienwirtschaft zu        die Gettoisierung zu verhindern. Dazu
Jean-Claude Juncker                  finanzieren. Wir brauchen bezahlbare        wird auch eine Europäische Bürgerini-
                                     Mieten. Der Wettbewerb muss hinter          tiative lanciert. Sie fordert Zugang zu güns-
                                     einer sozialen Marktregulierung zurück-     tigen Wohnungen für alle. Innert eines
                                     stehen.                                     Jahres müssen eine Million Unterschrif-
                                         Der SMV hat zur Frage des Rahmen-       ten aus sieben Mitgliedsländern gesam-
                                     abkommens und seinen Folgen ein Gutach-     melt werden. Die EU-Kommission muss
                                     ten beim Genfer Experten Prof. Nicolas      dann dazu Stellung nehmen, ist aber
                                     Levrat in Auftrag gegeben. Levrat kommt     nicht gebunden. Bereits hat auch ein
                                     zum Schluss, dass das Abkommen zwar         Treffen mit EU-Kommissar Günter Oet-
                                     keinen direkten Einfluss auf die Wohn-      tinger stattgefunden. Er ist zuständig
Barbara Steenbergen
                                     baupolitik habe. Es könne aber in Zukunft   für Haushalt und Personal und soll die
                                     nicht ausgeschlossen werden, dass sich      Notwendigkeit einer guten sozialen
                                     dies ändere. Levrat verweist auf die        Durchmischung in den Quartieren aner-
                                     Rechtsprechung des Europäischen Ge-         kannt haben. Es ist nun ein weiteres
                                     richtshofs (EuGH) im Bereich der Staats-    Treffen mit den Kommissaren für Sozia-
                                     beihilfen. Der Fall Niederlande zeigt       les und Wettbewerb geplant.
                                     klar die Gefahren auf, die uns drohen.
                                     SMV-Präsident Sommaruga sagt daher:
                                     «Es gilt sicher zu stellen, dass der
Ignazio Cassis                       Wohnbereich aus sektorbezogenen Ab-

Mieten + Wohnen       April 2019 Nr. 2                                                                                       9
Was die EU falsch macht - Mieterverband
Basel                                Text von Ralph Hug

                     Was gilt bei der CS
                     der Volkswille?

                     Diese Wohntürme in Basel gehören der Credit Suisse – jetzt will die Bank mehr Rendite sehen.
Bild Roland Schmid

                     Mieten + Wohnen                      April 2019 Nr. 2                                          10
Auch in Basel setzt die Grossbank Credit Suisse
Mietende in Massen vor die Tür. Ein Testfall für die
künftige Wohnpolitik am Rhein.

Zwei Doppel-Hochhäuser, je 16 Stock-            der Wiedervermietung nach der Reno- Eingriffe. Dieses Standardargument, das
werke, 192 Mietende, darunter viele             vation die Rede. Doch das entspannt stets vorgebracht wird, wenn es darum
Ältere und Langjährige: So sieht das            die Lage kein Jota. Rund die Hälfte der
                                                                                    geht, Mieter möglichst bald loszuwerden,
jüngste Mieterdrama in Basel aus. Der           Betroffenen hat deshalb die Kündigung
                                                                                    stösst beim MV Basel jedoch auf Skepsis.
Fall Schorenweg bewegt die Gemüter.             mit Fristen bis Februar 2020 bzw. April Dieser setzt nun mächtig Druck auf.
Besitzerin der Hochhäuser ist die Gross-        2021 mit Hilfe des MV Basel angefochten.
                                                                                    Gemäss Patrizia Bernasconi, Geschäfts-
bank CS bzw. einer ihrer Immobilien-            Das verschafft ihnen wenigstens zeitlich
                                                                                    leiterin des MV Basel, denkt man sogar an
fonds mit Sitz in Zug. Sie will die bald        etwas Luft.                         die Lancierung einer «Korrekturinitia-
60jährigen Türme sanieren. Als Begrün-                                              tive». Dies weil die Basler Regierung ver-
dung muss unter anderem die Erdbeben-        Verwässerung droht                     lauten liess, sie wolle den vom Volk ver-
sicherheit herhalten. Das macht stut-        Wollte der Bankkonzern mit dem bru- langten besseren Wohnschutz «inves-
zig. Zumal im Jahr 2002 Bäder und Kü-    talen Vorgehen den schärferen Wohn-        torenfreundlich» umsetzen, d.h. im Klar-
chen saniert wurden und die Bausub-      schutz aushebeln, für den sich die Basler  text verwässern. Es ist auch die Forde-
stanz gut erhalten ist. Die Mieten sind   Stimmberechtigten im Juni 2018 ausge-     rung auf dem Tisch, dass der Kanton die
eher günstig. Sie liegen für Zwei- bis   sprochen haben? Diese Frage beherrscht     Schoren-Hochhäuser erwerben und so
Dreizimmerwohnungen zwischen 1000        jetzt die politische Debatte. Beat Leut-   dauerhaft der Spekulation entziehen soll.
und 1700 Franken. Da liegt der Verdacht  hardt, Leiter der MV-Rechtsabteilung, for- Eine mieterfreundliche Sanierung könn-
nahe: Die Modernisierung soll höhere     dert von der Basler Regierung, dass        te dann durch einen gemeinnützigen Bau-
Mieten und eine noch höhere Rendite      sie den vom Volk gutgeheissenen Wohn-      träger erfolgen, an den der Kanton die
bringen. Eine soziale Sanierung in Abstim-
                                         schutz sofort umsetzt. So müsse eine       beiden Grossliegenschaften abgeben könn-
mung mit den Betroffenen ist für die CS- Baubewilligung verweigert werden, wenn te. Dazu bietet das bestehende Wohn-
Fondsmanager offenbar ein Fremdwort.     aus einem Umbau massiv höhere Mieten raumfördergesetz die Grundlage. Dieses
                                         resultierten. Gemäss der vom Volk an-      sieht vor, dass der Kanton Grundstücke
    Ein Alptraum                         genommenen Wohnschutzinitiative hat        im Finanzvermögen erwerben und an
    Die blauen Briefe sind bereits ver-  der Kanton die verfassungsmässige          Genossenschaften abgeben kann, um güns-
schickt. Viele Mietende durchleben einen Pflicht, die Bevölkerung wirksam vor Ver- tigen Wohnraum zu erhalten. Ein ent-
Alptraum. Der Rauswurf beschert ihnen    drängung zu schützen. Ausdrücklich ist     sprechender Antrag ist im Kantonsparla-
schlaflose Nächte, Ältere wissen nicht   das Mittel der Mietzinskontrolle erwähnt. ment bereits eingereicht worden. Darin
mehr weiter und sind verzweifelt. Eine   Die Ausführungsgesetzgebung ist aber       heisst es: «Ein Kauf der CS-Liegenschaften
Rentnerin soll einen Nervenzusammen-     erst in Arbeit. Gut möglich, dass die CS   mit Weitergabe an eine Wohngenossen-
bruch erlitten haben. Einige leben schon genau diese Situation ausnützt, um durch schaft wäre für die betroffenen Mietpar-
seit Beginn, also seit fünf Jahrzehnten  eine rasche Totalsanierung mit Leer-       teien ein Segen.»
dort und sind im Quartier beim Schwimm- kündigung einem rechtlich fixierten bes-        So entpuppt sich der Fall Schorenweg
bad Eglisee fest verwurzelt. Die Verwal- seren Wohnschutz zuvorzukommen.            als Testfall für die Basler Wohnpolitik:
tung Wincasa bietet zwar eine Entschädi- Wincasa meint, eine Sanierung unter Bei- Setzt der Kanton den Willen des Volkes
gung sowie Hilfe bei der Wohnungssuche behaltung der Mietverhältnisse sei nicht     um oder hintergeht er ihn? Das ist hier
an. Auch ist von einer Bevorzugung bei   möglich, wegen der tiefen baulichen        die Gretchenfrage.

Mieten + Wohnen                  April 2019 Nr. 2                                                                           11
Zürich                             Text von Walter Angst
Bild Reto Schlatter

                       Die vom Rausschmiss bedrohten Mietenden im Zürcher Brunaupark wehren sich mit Erfolg.

                      Mieter gegen                                      Als im Sommer 2018 Gerüchte über den
                                                                        Abbruch der 405 zwischen 1980 und
                                                                                                                     müssen. Sie haben sofort gehandelt: Der
                                                                                                                     Verein IG Leben im Brunaupark ist ge-

                      Grossbank:
                                                                        1996 bezogenen Wohnungen im Zürcher          gründet worden, und schon am 27. März
                                                                        Brunaupark herumgereicht wurden,             stand eine bunte Gruppe von Betroffenen
                                                                        wiegelte die Verwaltung Wincasa ab: Man      vor dem Zürcher Rathaus. Sie forderten

                      1:0                                               prüfe verschiedene Optionen für die
                                                                        Neugestaltung des Areals. Die Abklärun-
                                                                        gen seien in vollem Gange. Sobald
                                                                                                                     eine Denkpause in der Planung des Brun-
                                                                                                                     auparks, um über den Erhalt von bezahl-
                                                                                                                     baren Wohnungen und eine Bleibe-
                                                                        genügend Fakten auf dem Tisch lägen,         garantie für die Mietenden diskutieren zu
                      Die Pensionskasse der                             würden die Mietenden informiert.             können. Und sie wiederholten den schon
                      Credit Suisse will den gröss-                         Als die Liegenschaftenverwalterin der    eine Woche zuvor von SP, Grünen und
                                                                        CS dieses Schreiben verfasst hat, war        AL erhobenen Appell an den Stadtrat, auf
                      ten Teil der Mietenden aus                        der Entscheid für ein Projekt, das den Ab-   die vorzeitige Entlassung von Woh-
                      dem Brunaupark vertreiben.                        riss von 240 der 405 Wohnungen vorsah,       nungen aus der Mietzinskontrolle zu ver-
                      Doch der Widerstand                               bereits gefallen. Man wusste, dass 170 der   zichten. In der unmittelbar an die Kund-
                                                                        zum Abriss freigegebenen Wohnungen           gebung anschliessenden Sitzung des
                      wächst und hat Erfolg.                            bis September 2023 beziehungsweise           Gemeinderats kam die gute Nachricht:
                                                                        2026 der dreissigjährigen Mietzinskon-       Der Stadtrat hat der CS eine Absage
                                                                        trolle der Stadt Zürich unterstanden. Und    erteilt. Die betroffenen 170 Wohnungen
                                                                        man ging auch davon aus, dass der Stadt-     dürfen bis zum Ablauf der Mietzins-
                                                                        rat diese Mietzinskontrolle mit einem        kontrolle nicht abgebrochen werden.
                                                                        Federstrich vorzeitig löschen würde.            Der Ball lag bei der CS. Diese hat ihn
                                                                                                                     nicht aufgefangen. Am 28. März hat die
                                                                            Denkpause gefordert                      Medienstelle des Bankgiganten bekannt-
                                                                           All das haben die Mietenden des           gegeben, dass man im Brunaupark ab
                                                                        Brunauparks am 15. März aus einer Ant-       2021 bzw. 2023 abreissen werde, davon 78
                                                                        wort des Zürcher Stadtrats herauslesen       Wohnungen, die zum Zeitpunkt des

                      Mieten + Wohnen                    April 2019 Nr. 2                                                                                   12
Abrisses noch der Mietzinskontrolle              Mitarbeitenden üblich ist, als Blaupause        Menschen der Meinung, dass sich private
unterstehen. Die ersten Kündigungen              für den Umgang mit Mietenden am                 Investoren dem öffentlichen Willen
sind schon am Tag zuvor abgeschickt              Werk. Auch für Kenner der Szene ist das         stellen müssen, wenn ihre Bauprojekte
worden. Ob man die von langer Hand               ein Novum.                                      Hunderte von Mieterinnen und Mietern
geplante Kommunikation nicht stoppen                                                             betreffen, Nachbarschaften auflösen
wollte oder nicht stoppen konnte,                    Kündigungen zurücknehmen                    und ganze Quartiere umpflügen. Wenn
bleibt das Geheimnis der CS. Es war einer            Ob diese Geschäftspolitik in Zürich         sich dieses Konzept einer demokrati-
jener Momente, in denen die Bank                 eine Zukunft hat, wird sich weisen.             schen Stadtplanung in der Praxis durch-
zeigte, wie sie ihr Verhältnis zu Staat und      Der MV Zürich verlangte nach dem Vor-           setzen könnte, würde das die weitere
Gesellschaft sieht. Die Bedürfnisse              preschen der CS einen umgehenden                Entwicklung der Stadt nachhaltiger ver-
von Menschen – interessiert uns nicht.           Rückzug der voreilig ausgesprochenen            ändern als alle Partizipationsprojekte.
Ein Beschluss des Stadtrats von Zürich –         Kündigungen und einen runden Tisch,              Alle Infos zur Kampagne: www.ig-brunaupark.ch
kein Grund zum Nachdenken.                       an dem über die Zukunft des Areals
    Das im Sommer 2018 von der Wincasa           diskutiert wird. Der Stadtrat kündigte an,
abgegebene Versprechen, man werde                dass man das Gespräch mit der CS auf-
die Mieterschaft «rechtzeitig und ausführ-       nehmen wolle. Auch dem Wunsch der
lich» informieren, ist auf sehr eigenwil-        IG Leben im Brunaupark nach einer Aus-
lige Art umgesetzt worden. Ein grosser           sprache will der Stadtrat nachkommen.
Teil dieser Mieterschaft musste die News         Und der Forderung des MV nach einem
von Nachbarn und Freunden entge-                 runden Tisch dürfte man ebenfalls positiv
gennehmen. Einige hatten am Abend eine           gegenüberstehen.
Abholungseinladung der Post im Brief-                Was diese Gespräche ergeben, wird
kasten. Andere staunten, dass bei ihnen          unter anderem davon abhängen, wie stark
noch nichts im Briefkasten lag. Hier             der öffentliche Druck auf die CS in den
ist die Hire-and-Fire-Mentalität, wie sie        nächsten Wochen anwachsen wird. Eine
in der angelsächsisch geprägten Bank-            Petition ist lanciert. Sie dürfte auf ein po-
welt bei der Entlassung von langjährigen         sitives Echo stossen. In Zürich sind viele

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                                13
Haushalt                                     Text von Stefan Hartmann/Topten

                                                              Kennen Sie
                                                           Ihre Stromfresser?
                                   Nehmen Sie einmal Ihren Haushalt unter die Lupe
                               und sortieren Sie die Stromfresser aus! Das nützt dem Klima
                                           und schont auch Ihr Portemonnaie.

                   Tumbler trocknen gut. Aber sie verbrauchen immer sehr viel Strom.
Bild fotolia.com

                   Mieten + Wohnen                              April 2019 Nr. 2                  14
Wir werden in Zukunft häufiger Hitzewel-         richtig und gezielt eingesetzt wird. So      genheit hat, Wäsche im Freien aufzu-
len haben, sagt die Klimaforschung.              praktisch die Backöfen sind, so gross ist    hängen, kann dies mit kleineren Wäsche-
Deshalb werden Klimageräte an Bedeu-             nämlich auch ihr Energiehunger. Mög-         stücken notfalls auch in der Wohnung
tung gewinnen. Auch im Haushalt. Doch            lichst mit Umluft backen senkt die           tun. Doch Vorsicht: Eine gute und regel-
diese Kühle-Spender sind extrem strom-           Stromkosten. Bei der Beschaffung sollte      mässige Lüftung ist dann absolut not-
intensiv. Sie brauchen rund zwanzig              ein Modell mit Energieetikette A++           wendig, damit die Feuchte entweichen
Mal mehr Strom als Ventilatoren. Wenn            zum Zug kommen – ohne Schnick-               kann. Sonst steigt das Risiko, dass sich
schon ein Klimagerät, dann sollten es            schnack, ohne Pyrolyse und dergleichen.      Schimmel festsetzen kann.
wirksame Split-Geräte sein. Diese werden         Bei den Waschmaschinen haben praktisch           Elektroboiler machen bis zur Hälfte
fest installiert, der Kondensationsteil          alle Modelle heute das Energieetikett        der Stromrechnung aus. Sie gehören
samt Kompressor befindet sich ausser-            A+++. Die von Topten empfohlenen Ge-         also zu den Strom-Monstern im Haus-
halb des Raums. Die unabhängige Ener-            räte sind sogar 30 Prozent effizienter       halt. Als Mieter hat man hier wenig Ein-
giespar-Webseite www.topten.ch gibt              als der Grenzwert von A+++. Beim Kauf        flussmöglichkeiten, ausser neue Ener-
dazu mehr Auskunft. Man kann sich Klima-         sollte man auch auf die Schleuder-Effi-      giegesetze verbieten den Elektroboiler
geräte aber auch sparen, mit einfachen                                                        gänzlich. Hauseigentümer und Vermieter
Massnahmen: morgens die Aussenstoren                 «Cool» waschen lohnt sich.               sollten solche Boiler durch Wärme-
runterlassen, nachts und morgens gut                                                          pumpenboiler oder Sonnenkollektoren
lüften, nicht benötigte Geräte wie Dru-          zienz achten, denn Schleudern spart          ersetzen, kombiniert mit einer Wärme-
cker etc. ausschalten.                           Energie zum Trocknen. Auch hier ist die      pumpe. Das bedeutet, dass die Überschuss-
    Ein weitere Tipp: Glühbirnen durch           Grösse des Haushalts zu beachten. Für        wärme der Kollektoren im Sommer
LED ersetzen. Gute LED-Leuchten sind             einen Einpersonen-Haushalt reicht            zur Regeneration des Erdwärmespeichers
heute überall zu günstigen Preisen zu            eine 7 kg-Trommel. Eine Maschine halb-       beitragen kann. Solche umweltfreund-
haben. Langfristig kostet eine LED-Leuch-        voll laufen zu lassen, ist ineffizient       lichen Heizsysteme sind auch bei Mehr-
te trotz höheren Anschaffungskosten              und verschwenderisch. Tipp: «Cool»           familienhäusern äusserst sinnvoll. Wie
fünf Mal weniger als eine Halogenbirne,          waschen bei 20 Grad statt bei 60 Grad,       wärs mit einem diskreten Tipp an die
weil sie viel länger hält. Stromsparen lässt     das spart bis zu 70 Prozent an Energie.      Verwaltung?
sich auch bei den Kühlschränken. Hier            Bei den heutigen Waschmitteln und                Es gibt weitere Stromverbraucher im
heisst die Devise «A+++ beschaffen». Die-        bei normaler Verschmutzung wird die          Haushalt. Geschirrspüler zum Beispiel.
se Energieetikette zeigt ein besonders           Wäsche einwandfrei sauber.                   Sie brauchen pro Waschgang rund 0.75
sparsames Modell an. Ein A+++-Kühl-                  Tumbler sind wahre Energiefresser.       kWh Strom und zirka 7 Liter Wasser.
schrank ist rund 30 Prozent besser als ein       Sie benötigen zum Trocknen im Extrem-        Es lohnt sich, sie nur gut gefüllt laufen zu
A++. Energetisch sinnvoll ist ein Kühl-          fall drei- bis vier Mal so viel Strom wie    lassen. Auch bei Computern kann man
schrank ohne Gefrierfach. Den Gefrierer          fürs Waschen. Geräte mit eingebauter         sparen. Laptops mit externem Bildschirm
für den Keller sollte man separat anschaf-       Wärmepumpe gewinnen die Wärme zu-            brauchen klar weniger Energie, nämlich
fen. Tipp: Kühlgeräte sollten nie neben          rück und nutzen sie erneut zum Auf-          total 50 Watt, als ein stationärer PC mit
einen Geschirrspüler oder einen Heizkör-         heizen. Topten rät vom Kauf von Kombi-       Bildschirm, total 110 Watt. Vorteil: Den
per gestellt werden. Und je nach Haus-           Geräten aus Waschmaschine und Tum-           Laptop kann man überall mitnehmen.
haltgrösse sollte das Gerät die richtige         bler ab. Eine bewährte Alternative ist im-   Schliesslich die Fernseher: Sie gehören zu
Dimension haben. Die Temperatur des              mer noch, die Wäsche an der Sonne            den wenigen Produktkategorien, wo der
Kühlschranks kann man übrigens immer             und an der frischen Luft zu trocknen. Das    Stromverbrauch steigt statt sinkt – wegen
so einstellen, dass die Butter genau die         gibt ihr nicht nur einen guten Geschmack,    der 4K-Auflösung und den grösseren Bild-
richtige Härte hat. Beim Backofen lässt          sondern ist auch dank der UV-Strah-          schirmdiagonalen.
sich ebenfalls viel Energie sparen, wenn er      lung ein guter Keimkiller. Wer keine Gele-

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                      15
Zürich                                  Text von Ralph Hug

«Hellmi» ist überall
Hannes Lindenmeyer hat ein
Lehrstück zur Zürcher Stadtgeschichte
geschrieben.

In seinem Buch «Hellmut. Die lange Geschichte einer kurzen
Strasse» schildert Lindenmeyer den Umbruch im einstigen
Arbeiterquartier Aussersihl. Heute wandelt es sich zum Trend-
quartier. Die Gentrifizierung schreitet voran. Alte Häuser
und günstige Mieten verschwinden. Hat also alles nichts ge-
nützt? Aussersihl war lange Zeit ein Zentrum des Widerstands
gegen Abriss, Spekulantentum und Quartierzerstörung. Die
Hellmutstrasse («Hellmi») stand mitten drin.
    Und auch Autor Hannes Lindenmeyer. Er erlebte die be-
wegten Zeiten, als sich Jugendliche gegen die Bagger stemmten
und mit Protestaktionen und Besetzungen gegen die Rendite-
wirtschaft zu Felde zogen. Plötzlich gab es «selbstkontrollierte»

                                                                                                                                                                           Bild zVg
Wohnungen, autonome Räume und die Vision einer solidari-
schen Gesellschaft. Es gab aber auch unglaubliche Projekte, an    Einst Protest, jetzt Idylle: Erkämpfter Lebensraum in Zürich-Aussersihl.
denen sich der Widerstand entzündete. Etwa der Plan, in der
Bäckeranlage eine riesige Telefonzentrale zu bauen. Sie kam       Anzeigen
nicht, zum Glück für Zürich. Auch die Wohnsiedlung für Bes-
serverdienende mitten im Park blieb Papier. Die Weniger-                                             Stockwerkeigentum:
verdienenden hatten etwas dagegen und erreichten vor dreissig                                        Glücklich nach dem Kauf
Jahren mit List den Erhalt von Altbauten, die damals als                                             Dienstag, 21. Mai 2019, 18.15 bis 20.45 Uhr
«Abbruchliegenschaften» galten, dann aber renoviert wurden.                                          Zürich, Aki, Hirschengraben 86
Und die heute noch gut aussehen.                                                                     In diesem Kurs erfahren Sie, worauf Sie beim Kauf
                                                                                                     einer Eigentumswohnung achten müssen, wie Sie eine
    Lindenmeyers Buch zeigt: Man kann sich gegen unerwünsch-                                         Stockwerkeigentums-Gemeinschaft gründen und
te Veränderungen wehren, wenn man sich zusammentut.                                                  verwalten können. Wir erklären Ihnen die Fachbegriffe
Aber man muss aufmerksam beobachten und entschlossen                                                 Quoten, Gemeinschafts- und Sonderrechte – und Sie
                                                                                                     lernen die häufigsten Ursachen von Konflikten sowie
handeln, wenn Gefahr im Verzug ist. In diesem Sinne: Die                                             mögliche Lösungen kennen.
«Hellmi» ist überall!                                                                                Referentin: Karin Weissenberger,
    Hannes Lindenmeyer: «Hellmut. Die lange Geschichte einer kurzen                                             Weissenberger Immobilien, Zürich
Strasse». 255 Seiten, reich bebildert. Rotpunktverlag Zürich 2018, ca. Fr. 42.–                                 Anmeldung bis 14. Mai an:
                                                                                                                kurse@hausverein.ch, 031 311 50 55
                                                                                                                Kosten: Mitglied Fr. 85.–, Nichtmitglied Fr. 125.–/
                                                                                  Weitere Infos:                Paare 120.–/190.–
                                                                                  www.hausverein.ch
                                                                                                                Die Alternative zum Hauseigentümerverband.

 Haben Sie Mietprobleme?
                        H O T L I N E 0900 900800
                        (CHF 4.40/Min.)                                            Wir vermitteln Ihnen
                                                                                                                                                ?!
                                                                                                                                 Krise
                        Für Nichtmitglieder und Mietende, die es eilig             tatkräftige Arbeitshilfen
                        haben.
                                                                                   beim Wohnungswechsel,
                        Auf der Hotline beantworten FachjuristInnen Ihre           beim Putzen, bei Räumungen,
                        mietrechtlichen Fragen.                                    im Garten etc.
                        Werktags 9 bis 12.30 h, montags bis 15 h
                                                                                   www.etcetera-zh.ch
                        Legen Sie vor dem Anruf allfällige Unterlagen              Dietikon   044 774 54 86     Thalwil   044 721 01 22
                        (Mietvertrag, Kündigung usw.) bereit.                      Glattbrugg 044 403 35 10     Zürich    044 271 49 00
                                                                                   Ein Angebot des SAH ZÜRICH

Mieten + Wohnen                         April 2019 Nr. 2                                                                                                              16
Hotline

                       Muss sie auch                           Haftet die Post
                       vegan leben?                            bei der Zustellung?
                            Frage                                  Frage                                      haupt oder zumindest rechtzeitig
                            Ich bin Untermieterin in einer         Ende März kündigte ich meine               beim Empfänger ankommt,
                        Wohngemeinschaft. Meine Mit-           Wohnung. Um auf Nummer sicher                  besteht aber leider nicht einmal,
                        bewohnerin und ich leben vegan. Die    zu gehen, schickte ich die Kündi-              wenn er eingeschrieben ver-
Fabian Gloor
beantwortet Ihre Fragen
                        vegane Ernährungsweise war einer       gung per Einschreiben. Als ich zwei            schickt wurde. Denn laut den all-
                        der Hauptgründe, wieso wir uns         Wochen später beim Vermieter nach-             gemeinen Geschäftsbestim-
                        überhaupt dazu entschlossen haben,     fragte, wusste dieser nichts von               mungen der Post haftet sie nur bei
                        gemeinsam zu wohnen. Ich ziehe         meiner Kündigung. Fünf Tage spä-               Verlust oder Beschädigung des
                        nun ausserterminlich aus. Meine        ter erreichte der Brief ihn doch               eingeschriebenen Briefes oder bei
                        Mitbewohnerin hat mir bereits an-      noch. Leider viel zu spät, denn die            nicht korrekter Zustellung bis
                        gekündigt, sie werde nur eine vegane   Kündigungsfrist war bereits ab-                zu einem Betrag von 500 Franken.
                        Nachmieterin oder einen veganen        gelaufen. Der Brief sei wohl über die          Bei verspäteter Zustellung be-
                        Nachmieter akzeptieren. Kann sie       Osterfeiertage vergessen gegangen,             schränkt sich die Haftung gar auf
                        das verlangen?                         mutmasste die Post. Da sich mein               den Transportpreis. Von einem
                            Hotline                            neuer Mietvertrag mit dem alten                Staatsbetrieb mit Briefmonopol
                            Grundsätzlich ja. Denn gemäss      Mietvertrag überschneidet, werde               würde man anderes erwarten.
                        Gesetz sind Sie erst von Ihren         ich wohl doppelt Miete zahlen müs-             Es ist zu hoffen, dass sich wenigs-
                        mietrechtlichen Verpflichtungen        sen. Kann ich von der Post ver-                tens Ihr Vermieter kulant zeigt
                        befreit, wenn Sie Ihrer Mitbe-         langen, dass sie für den Mietzins              und die Kündigung trotz der fremd-
                        wohnerin eine Person vorschlagen,      meiner alten Wohnung aufkommt?                 verschuldeten Verspätung akzep-
                        die an Ihrer Stelle Ihr bisheriges         Hotline                                    tiert. Andernfalls können Sie
                        Zimmer mietet. Dieser Nachmieter           Das ist tatsächlich sehr ärger-            sich aus Ihren Verpflichtungen be-
                        muss zudem zahlungsfähig und           lich. Eigentlich müsste die Post               freien, wenn Sie dem Vermieter
                        zumutbar sein. Ob ein Nachmieter       für die finanziellen Folgen ih-                einen zumutbaren und zahlungs-
                        zahlungsfähig ist, lässt sich mit      rer Schlamperei aufkommen. Eine                fähigen Nachmieter vorschlagen.
                        einem Blick in das Betreibungsre-      Sicherheit, dass der Brief über-
                        gister leicht feststellen.
                            Die Frage der Zumutbarkeit ist
                        dagegen schwieriger zu beant-
                        worten. Grundsätzlich dürfen an
                        den Nachmieter nicht höhere
                        Anforderungen als an den auszie-
                        henden Mieter gestellt werden.
                        In einer Wohngemeinschaft wird
                        diese Faustregel allerdings etwas
                        strenger gehandhabt. Man lebt          Die Post kommt immer an, jedoch nicht immer zum versprochenen Zeitpunkt.
                        auf verhältnismässig engem Raum.
                        Mitbewohner sollten deswegen
                        «das Heu auf derselben Bühne
                        haben». Deshalb müssen auch die
                        Lebensgewohnheiten ihrer Mit-
                        bewohnerin wie beispielsweise
                        eine vegane Lebens- und Ernäh-
                        rungsweise als Kriterium berück-
                        sichtigt werden. Der Nachmieter
                        sollte auch ernährungstechnisch zu
                        ihrer Mitbewohnerin passen.
                        Dies insbesondere dann, wenn die
                        vegane Lebensweise so wichtig
                        für das gemeinsamen Wohnen war.
                                                                                                                                                   Bild M+W

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                            17
Miettipp          Text von Fabian Gloor
Illustration Patric Sandri

                             Mieten + Wohnen   April 2019 Nr. 2        18
Darf mir der Vermieter
meinen «Roy» verbieten?
Ob Stubentiger, Schosshündchen oder Papagei:
Viele Mietende lieben ihr Haustier sehr. Doch da
redet der Vermieter ein Wörtchen mit.

Ein letztes Mal streichelt Patrick Steiner       anderer Ansicht. Gemäss gegenwärtiger       Auch eine besondere Begründung ist
den Wuschelkopf seines Königspudels              schweizerischer Rechtsprechung ist          nicht nötig. Holen Sie also unbedingt die
«Roy» und blickt in dessen treuselige            ein Tierhalteverbot im Mietvertrag ver-     Zustimmung vor der Anschaffung des
Augen. Zwölf Jahre lang gingen sie durch         bindlich. Wer sich nicht daran hält,        Tieres ein. Ansonsten riskieren Sie, dass
dick und dünn. Steiners langjähriges             riskiert im Extremfall die Kündigung.       Sie Ihren neuen Mitbewohner gleich
Mietverhältnis wurde gekündigt. «Total-              Enthält der Mietvertrag keine Bestim-   wieder weggeben müssen. Denn nicht je-
sanierung», verkündete die Verwaltung.           mung über die Haustierhaltung, ist          des Vermieterherz erweicht beim An-
Trotz unzähliger Bewerbungen fand                sie grundsätzlich erlaubt. Eine Ausnahme    blick eines putzigen Welpen. Eine einmal
Steiner erst im letzten Moment eine be-          gilt für aussergewöhnliche Arten mit        erteilte Einwilligung kann der Vermie-
zahlbare Wohnung. Leider nur für sich            einem hohen Stör- oder Gefährdungspo-       ter aber nicht ohne triftigen Grund wider-
selbst: «Hundehaltung ist hier nicht             tenzial, wie etwa Papageien und Schlan-     rufen. Das wäre ein Verstoss gegen das
erlaubt», erklärte der Vermieter katego-         gen, oder für Haustiere, die in grosser     Gebot von Treu und Glauben. Die Ein-
risch. Steiner bleibt nichts anderes übrig,      Zahl gehalten werden. Gibt ein Tier im      willigung zur Tierhaltung ist trotzdem
als seinen vierbeinigen Gefährten im                                                         kein Freipass. Gibt das Tier immer wieder
Tierheim abzugeben. Ein Wohnungswech-                Der Papagei hat ein hohes               zu Klagen Anlass, kann der Vermieter
sel ist einer der häufigsten Gründe, wieso           Störpotenzial.                          sein Einverständnis zum Wohl der übri-
Haustierbesitzer ihre Lieblinge ins Tier-                                                    gen Hausbewohner zurücknehmen.
heim abschieben müssen.                          Einzelfall zu Klagen Anlass, so kann der        Um über die Trennung mit Roy hin-
    Darf ein Vermieter die Tierhaltung           Vermieter in jedem Fall dessen Entfer-      wegzukommen, will sich Patrick Steiner
überhaupt verbieten? An dieser Frage             nung verlangen. Im Normalfall hat er zu-    ein Meerschweinchen anschaffen. Gegen
scheiden sich die Geister. Namhafte Ju-          erst schriftlich zu mahnen, bevor er die    dieses kann der Vermieter nichts ein-
ristinnen und Juristen meinen nein,              definitive Beseitigung des Störenfrieds     wenden. Denn unproblematische Klein-
weil Tierhaltung ein unveräusserliches           verlangt.                                   tiere wie Meerschweinchen, Hamster,
Persönlichkeitsrecht sei. Auch das deut-            Die meisten Mietverträge verbieten       Wellensittiche und Zierfische sind in
sche Bundesverfassungsgericht teilt              die Tierhaltung nicht von vornherein,       jedem Fall erlaubt. Auch wenn die Tier-
diese Auffassung. Es entschied im Jahr           sondern machen sie von der Zustimmung       haltung im Mietvertrag ausdrücklich
2013, dass Vermieter die Tierhaltung nicht       des Vermieters abhängig. Dieser kann        verboten wurde. Dies allerdings nur, so-
ohne sachlichen Grund verbieten kön-             die Zustimmung zur Tierhaltung jedoch       lange die Tierchen nicht in grosser Anzahl
nen. Hierzulande sind die Richter aber           nach Belieben erteilen oder verweigern.     gehalten werden und nicht zu Klagen

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                   19
Anlass geben. Steiner sollte aber beden-                    lungsgebot. Erschüttert über die traurige      allerdings widerrufen werden, wenn der
           ken, dass Meerschweinchen auf die                           Geschichte von Roy macht sich Verena           Hund zu Klagen Anlass gibt.
           Gesellschaft von Artgenossen angewiesen                     Wolf nun ihrerseits Sorgen um ihren                Viele Vermieter erlauben die Haustier-
           sind. Deshalb müssen sie von Gesetzes                       Sugar. Denn auch in ihrem Mietvertrag ist      haltung deshalb nicht, weil die Rechte
           wegen zu zweit gehalten werden. Vorge-                      das Halten eines Hundes ausdrücklich           und Pflichten für die Tierhaltung nirgends
           schrieben ist auch die Mindestgrösse                        verboten. Als sie den niedlichen Welpen        genau geregelt sind. Wenn sie einmal
           einer Meerschweinchenbehausung. Für                         zum ersten Mal sah, hat sie sich darüber       Ja zu einem Tier gesagt haben, ist unklar,
           andere Heimtiere gelten ähnliche Vor-                       keinerlei Gedanken gemacht.                    welche Regeln nun gelten. Hier kann
           schriften. Sie finden die erforderlichen                       Könnte der Vermieter nun plötzlich          der Vertragszusatz des IEMT Abhilfe schaf-
           Informationen dazu auf der Webseite des                     verlangen, dass sie Sugar weggibt? Dies        fen: Das Institut für Interdisziplinäre
           Bundesamts für Veterinärwesen und                           obwohl er keine Gelegenheit auslässt,          Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung
           Lebensmittelsicherheit (www.blv.admin.                      um ihn zu knuddeln und mit Hunde-              (www.iemt.ch) hat Regeln erarbeitet,
           ch). Unklar ist, ob auch Katzen als un-                     biskuits zu verwöhnen? Nein, denn hier         die sowohl die Interessen von Vermietern
           problematische Kleintiere gelten können,                    kann sich Verena Wolf auf das Gewohn-          und Mietenden als auch das Bedürfnis
           solange sie die Wohnung nicht verlas-                       heitsrecht berufen. Besitzen Sie als           der Tiere nach artgerechter Haltung
           sen. Wer seinen Stubentiger nicht hinaus-                   Mieterin oder Mieter seit längerer Zeit        berücksichtigen. Schlagen Sie deshalb
           lässt, müsste den Vermieter demnach                                                                        Ihrem Vermieter diesen Vertragszu-
           nicht um Erlaubnis fragen.                                      Nicht alle Wohnungen sind für              satz vor, wenn er mit der Erteilung der
               Als ihm die Nachbarin Verena Wolf                           Tiere zumutbar.                            Zustimmung zögert.
           stolz ihren Chihuahua-Rüden «Sugar»                                                                            Mit einem Tier zu leben und eine Be-
           vorstellt, schäumt Patrick Steiner regel-                   einen Hund, dürfen Sie ihn behalten. Dies      ziehung zu ihm aufzubauen, ist zweifellos
           recht vor Wut. Kann ihm der Vermieter                       jedenfalls, wenn der Vermieter oder der        bereichernd. Auch Mietende sollten
           die Hundehaltung verbieten, obwohl                          Liegenschaftsverwalter von Ihrem vier-         die Möglichkeit dazu haben. Zu beden-
           die Nachbarin auf demselben Stockwerk                       beinigen Mitbewohner wusste. In einem          ken ist allerdings, dass eine Mietwohnung
           ebenfalls einen Hund hält? Seine Empö-                      solchen Fall spielt es keine Rolle, was        nicht jedem Tier eine artgerechte Um-
           rung über diese Ungerechtigkeit ist                         im Mietvertrag steht oder ob der Vermie-       gebung bietet. Echte Tierliebhaber und
           verständlich. Leider lässt sich rechtlich                   ter die Hundehaltung ausdrücklich er-          -liebhaberinnen verzichten deshalb eher
           nichts dagegen tun. Denn im Mietrecht                       laubt hat. Das Tier gilt als stillschweigend   einmal darauf, in ihrer Wohnung ein Tier
           gibt es grundsätzlich kein Gleichbehand-                    genehmigt. Diese Genehmigung kann              zu halten.
           Stubentiger kennen keine Mietverträge, doch manche Mietverträge kennen ein Tierhalteverbot.
Bild M+W

           Mieten + Wohnen                              April 2019 Nr. 2                                                                                      20
Urteile

Zu tiefe Akonto-
beiträge für
Nebenkosten
Den Vermieter trifft keine Aufklä-
rungspflicht über die abschätzbare
Höhe der Nebenkosten. Hohe
Nachforderungen wegen zu tief
angesetzter Akontobeiträge sind
daher vollumfänglich geschuldet.
   Art. 257a und 257b OR

                                                                                                      Bild: M+W
In einer Siedlung im Kanton Zürich wei-          recht keine ausdrückliche Bestimmung           indirekt aus dem Schutzzweck des Miet-
gerten sich die Mietparteien von 16              vor, die den Vermieter verpflichtet,           rechts ableiten. Es sei erkennbar, dass es
Wohnungen, die Nachzahlungen aus den             die Mieter über die mutmassliche Höhe          sich bei Akontobeiträgen nur um vor-
Nebenkostenabrechnungen in voller                der Nebenkosten aufzuklären. Doch              läufige Zahlungen handle und sich die tat-
Höhe zu begleichen. Sie waren nur bereit,        stehe die Verneinung einer generellen Auf-     sächlichen Kosten erst aus der jährlichen
20% der Akontozahlungen zu leisten. Vor          klärungspflicht in einem Spannungsver-         Abrechnung ergeben. Schliesslich können
Mietgericht Horgen erzielten sie einen           hältnis zu den übrigen Schutzbestim-           zu tief angesetzte Akontobeiträge nicht
Teilerfolg. Die Nachzahlungen wurden auf         mungen des Mietrechts, die sicherstel-         zu einem missbräuchlichen Mietzins füh-
30% begrenzt. Das Obergericht schütz-            len sollen, dass sich der Mieter über          ren, da de Nebenkosten nur nach tat-
te dagegen die Forderungsklagen der Ver-         die tatsächliche Höhe des Mietzinses eine      sächlichem Aufwand überwälzt werden
mieterin im vollen Umfang. Der Fall              verlässliche Meinung bilden kann.              können.
ging ans Bundesgericht. Dieses verwies               Das Bundesgericht verwies auf seinen         Bundesgericht, I. zivilrechtliche Abteilung,
                                                                                                4A_339/2016, 29. Januar 2019
auf seine Rechtsprechung und wies die            Leitentscheid 132 II 24, der später mit
Beschwerden ab.                                  Urteil 4A_268/2009 vom 9. Februar 2010
    Die Nachforderungen überstiegen die          bestätigt wurde. Eine Praxisänderung           PS. Dieses ausgesprochen mieterfeindliche
Akontozahlungen um 102% bzw. 119%.               dränge sich nur auf, wenn sie durch ernst-     Urteil des Bundesgerichts wird in der
Innert weniger Monate mussten die Mie-           hafte, sachliche Gründe gerechtfertigt         Fachzeitschrift Mietrechtspraxis/mp kri-
terinnen und Mieter Nachzahlungen von            wird, die zu einer besseren Erkenntnis der     tisch kommentiert und als praxisfremd
total Fr. 6300.– und Fr. 10'000.– leisten.       ratio legis führen, sowie bei veränderten      bezeichnet.
Strittig war im Wesentlichen, ob die             Verhältnissen oder gewandelten Rechts-
Akontozahlungen bewusst nicht kosten-            anschauungen. Nach Auffassung des
deckend angesetzt wurden bzw. ob die             Bundesgerichts liegen diese Vorausset-
Vermieterin eine Aufklärungspflicht              zungen nicht vor. Die Argumente der
verletzte und sich die Mieterinnen und           Mieter seien bereits in der zitierten Recht-
Mieter deswegen bei Vertragsabschluss            sprechung geprüft und verworfen wor-
in einem Irrtum befanden. Das Miet-              den. Der Vermieter habe keine generelle
gericht Horgen stellte fest, dass der über-      Aufklärungspflicht über die tatsäch-
wiegende Teil der Nebenkosten budge-             liche Höhe der Nebenkosten. Eine derar-
tiert werden konnte. Zwar sehe das Miet-         tige Pflicht lasse sich weder direkt noch

Mieten + Wohnen                   April 2019 Nr. 2                                                                                               21
Sie können auch lesen