Welches Wachstum für europa? - Beiträge zur zukunft des europäischen Modells
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Welches Wachstum für Europa? Beiträge zur Zukunft des europäischen Modells Das Progressive Zentrum
Europa braucht Fortschritt Europa ist in schwere See geraten. Finanz-, Banken-, Wirt- Dieses Paradigma ist längst untauglich. Europa insgesamt schafts-, Währungs- und Verschuldungskrisen haben sich auf muss sich erneuern; innovative Reformen und gesellschaft- verwickelte Weise gegenseitig verstärkt. An die Stelle langfristi- licher Fortschritt sind nicht nur in den östlichen EU-Mit- ger europäischer Politikentwürfe ist mehr denn je kurzfristiges gliedsländern notwendig. Wir alle gemeinsam müssen den Krisenmanagement getreten. Defensive Begriffe wie „Rettung“, Übergang zur wissensintensiven Ökonomie bewältigen. Wir „Schutzschirm“ oder „Abwehr“ sind die Wörter der Stunde. alle haben demografische Umbrüche zu bewältigen und die In den Hintergrund geraten sind alle Bestrebungen, das zu Herausforderungen von Einwanderung und Integration zu entwickeln, was Europa im frühen 21. Jahrhundert am drin- bestehen. Wir alle brauchen Sozialstaaten, die sich als Sozi- gendsten benötigt: ein dynamisches und zukunftstaugliches alinvestitionsstaaten begreifen. Wirtschafts-, Wachstums- und Sozialmodell; ein realistisches, aber ambitioniertes Entwicklungsnarrativ, das gute Lebens- Die Einsicht, dass der „alte Westen“ Europas selbst erneue- chancen für alle verspricht und zugleich ökologisch verant- rungsbedürftig ist, ermöglicht neue Fortschrittskoalitionen wortbar ist; einen Diskurs über Europa, der über die Vertei- und -dialoge auf Augenhöhe. In diesem Geist hat das Progres- digung des Bestehenden hinausweist. sive Zentrum – mit Hilfe des Auswärtigen Amtes – äußerst produktive internationale Workshops in Berlin, Warschau Über Vieles müssen wir neu nachdenken. Denn die Prozesse und Bukarest veranstaltet. Entstanden ist ein einzigartiges der Globalisierung und der Migration, des Klimawandels und west-östliches Netzwerk zumeist jüngerer fortschrittsorien- des demografischen Umbruchs setzen sich fort. Sie verstärken tierter Denker, Experten, Berater und Entscheider aus Politik, in ihrer unübersichtlichen Gesamtheit den Eindruck vieler Verwaltung, Wissenschaft, Medien und Wirtschaft. Menschen, in einer „runaway world“ (Anthony Giddens) die Kontrolle über das eigene Leben einzubüßen. Angesichts des Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese Zusammenarbeit im stückwerkhaften Charakters der aktuellen europäischen Po- Dezember 2010 mit einer Konferenz in Berlin, deren Vorträ- litik der Schadensbegrenzung, ist es umso wichtiger, über die ge und Diskussionen die vorliegende Publikation inspiriert Bedingungen und Möglichkeiten eines langfristig positiven haben. Sie zeigen, wie sehr wir es überall in Europa mit ähnli- Entwicklungspfades für Europa zu reflektieren. chen Herausforderungen zu tun haben – und wie viel gemein- same Arbeit für den Fortschritt vor uns liegt. Gemeinsam mit Dieser Aufgabe hat sich das Progressive Zentrum in den ver- seinen Partnern wird das Progressive Zentrum seine Arbeit gangenen zwei Jahren intensiv angenommen. Unser Fokus als Katalysator und Schnittstelle für zentrale europäische Er- richtete sich gezielt auf die neue europäische Wirklichkeit neuerungsdiskurse energisch fortsetzen. nach der Osterweiterung der EU. In den ersten zwei Jahrzehn- ten nach 1989 wurde der Prozess der Erneuerung Mittel- und Südosteuropas noch als asymmetrische Annäherung nach dem Prinzip copy and paste begriffen: „Der Westen“ galt als Vorbild (und verstand sich auch so), „der Osten“ musste bestrebt sein, Dr. Tobias Dürr den Abstand zu verringern. Vorsitzender des Progressiven Zentrums
4 Auf der Suche nach einem neuen Katarina Niewiedzial • Wachstumsmodell ist Geschäftsführerin des Progressiven Zentrums in Berlin 8 Lessons Learnt? Daniela Schwarzer • leitet die Forschungsgruppe EU-Integration der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin 12 Die Lösung heißt Europa Carsten Schneider • ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion 16 Still an Iron Curtain? Zoltán Pogátsa • lehrt internationale Ökonomie an der west- ungarischen Universität in Sopron 22 A Star or a Straggler? Sebastian Płóciennik • ist Fellow am Willy Brandt-Zentrum für Deutsche und Europäische Studien der Universität Breslau 25 Time to Re-think Governance Dragoş Dinu • arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Romanian Center for European Policies in Bukarest 30 A New Wave of EU-Migration? Maciej Duszczyk • ist stellvertretender Direktor des Instituts für Sozialpolitik der Universität Warschau 34 Providing a Social Springboard? Juraj Draxler • ist Soziologe am Center for European Policy Studies in Prag 37 Stay True to Reality Peter Plougmann • ist Direktor des dänischen Forschungsinstituts New Insight A/S in Kopenhagen 42 Travelling Well Håkan Bengtsson • ist Direktor des schwedischen Think Tank Arenagruppen in Stockholm 46 Europe 2020 as a Déjà-vu Piotr Maciej Kaczyński • ist Fellow am Centre for European Policy Studies in Brüssel 51 Partnership for European Progress 52 Europäisches Netzwerk des Progressiven Zentrums
Auf der Suche nach einem neuen Wachstumsmodell 5 von Europa 2020 nur schwer zu erreichen sein werden. Denn die Nase vorn haben, die über mehr Wissen verfügen als ihre Auf der Suche nach einem neuen zum einen findet die Implementierung der Strategie vor dem Konkurrenten: Unternehmen, die gute Ideen produzieren, Hintergrund der immer noch andauernden Wirtschafts- und innovative Dienstleistungen entwickeln oder ihre Produkte Wachstumsmodell Schuldenkrise und einer damit einhergehenden politischen pfiffig vermarkten. Krise Europas statt. Zum anderen fehlen der Europäischen „Europa 2020“ und die Mittel- und Kommission – wie schon im Fall der Lissabon-Strategie – Jedoch ist das mittel- und osteuropäische Wachstumsmodell sowohl eigene Kompetenzen, um die ambitionierten Ziele der vergangenen zwanzig Jahre kaum auf die Stärkung der Osteuropäischen Länder zu erreichen, als auch die entsprechenden Druckmittel, um wissensbasierten Wirtschaft ausgerichtet gewesen. In erster von den Mitgliedsstaaten die notwendigen Reformen einzu- Linie ging es den Ländern darum, mit Hilfe niedriger Steuern Katarina Niewiedzial fordern. Ob die gemeinsamen Ziele erreicht werden können, und Löhne internationale Direktinvestitionen (FDI) anzulo- hängt von der freiwilligen Kooperationsbereitschaft der Mit- cken – und so für mehr Beschäftigung zu sorgen. Jahrelang gliedsländer ab. waren viele mittel- und osteuropäische Länder als verlängerte Werkbänke westlicher Unternehmen erfolgreich. Als drama- Dementsprechend spiegelt sich EU 2020 auch nicht im EU- tischer Einschnitt für diesen Entwicklungspfad erwies sich Haushalt wieder, dessen Mittel noch immer zu 70 Prozent in dann allerdings die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise: die Kohäsions- und Agrarpolitik fließen – Geld, das für den Seit dem Jahr 2009 verschlechterte sich die Auftragslage der konsequenten Aufbau einer wissensintensiven Wirtschaft osteuropäischen Unternehmen zunehmend; die ausländischen und Gesellschaft fehlt. Diese Situation ist vor allem für die Direktinvestitionen gingen zwischenzeitlich auf Null zurück; neuen Mitgliedsländer ein Dilemma: Von den strukturkon- westliche Banken zogen ihr Kapital ab, so dass die nationalen servativen Fördermitteln der EU profitieren sie am meisten; Währungen gegenüber dem Euro an Wert verloren. Damit im Wettbewerb um die europäischen Förderprogramme zur hat Mittel- und Osteuropa unter der Krise sehr viel stärker Stärkung der Innovationsfähigkeit hingegen unterliegen sie gelitten als alle übrigen emerging markets weltweit*. Zwar ist Europa ist traditionell stolz auf sein „Europäisches Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen hat die Europä- regelmäßig den westlichen Mitgliedsländern. Daher werden seit Ende des Jahres 2010 eine wirtschaftliche Erholung zu k Wirtschafts- und Sozialmodell“. Doch zu Beginn des ische Union – nun selbstverständlich unter Beteiligung al- sie sich bei den im zweiten Halbjahr 2011 anstehenden Ver- beobachten, maßgeblich vorangetrieben von der hohen Nach- 21. Jahrhunderts herrscht große Unklarheit darüber, worin ler neuen Mitgliedsländer – die Lissabon-Strategie im Jahr handlungen über den finanziellen Rahmen für die Jahre 2014 frage aus Deutschland. Diese fällt allerdings langsamer aus dieses Modell genau besteht und auf welche Weise es er- 2010 weiterentwickelt und eine „Europäische Strategie für bis 2020 unter der polnischen EU-Ratspräsidentschaft vor- als erwartet. Viele Ökonomen befürchten, dass der enorme neuert werden muss, damit sich die europäischen Staaten – ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ aussichtlich gegen eine Neuordnung des EU-Budgets wehren Kapitalfluss der vergangenen Jahre in die Region auf Dauer einzeln wie gemeinsam – angesichts von Globalisierung und (kurz: „Europa 2020“) verabschiedet. Im Rahmen der neuen und für eine Aufrechterhaltung des Status quo stark machen. versiegen wird – und damit der bisherige Wachstumsmotor Wissensökonomie behaupten können. Ein eher missglück- Strategie setzt die EU drei Prioritäten: die Entwicklung der Dies mag aus der Perspektive der mittel- und osteuropäischen schlechthin wegfällt. ter Versuch war die so genannte Lissabon-Strategie aus dem Wissensgesellschaft, einen schonenden Umgang mit natürli- Staaten auf kurze Sicht rational erscheinen, wirkt aber lang- Jahr 2000, die das Ziel hatte, die Europäische Union binnen chen Ressourcen und den sozialen Zusammenhalt bei geringer fristig selbstschädigend. Denn auf diese Weise verhindern die Wollen die Länder Mittel- und Osteuropas verhindern, dass zehn Jahren zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Arbeitslosigkeit. Diese übergeordneten Prioritäten hat die EU betroffenen Staaten, dass wichtige Modernisierungsdiskurse sie mittelfristig in die ökonomische Peripherie abdriften, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“. mit konkreten Zielen untersetzt: Beispielsweise sollen die Na- und -prozesse vorangetrieben werden – und zwar sowohl auf müssen sie grundsätzlich über ein neues Wachstumsmodell tionalstaaten ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung Ebene der EU, als auch in den einzelnen Ländern selbst. nachdenken: Der Weg in Richtung einer wissensintensiven Dass Europa die Ziele von Lissabon nicht erreichen konnte, bis zum Jahr 2020 auf mindestens 3 Prozent des nationalen Ökonomie erfordert vor allem, die Innovationsfähigkeit ihrer führen viele auch auf den Beitritt der zehn postkommunis- Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Die Beschäftigungsquote soll Dabei ist die Notwendigkeit einer Transformation in Rich- Volkswirtschaften zu stärken. tischen Länder zurück. Denn in der EU-27 hat das Wohl- von derzeit rund 65 auf durchschnittlich 75 Prozent steigen. tung einer Wissensgesellschaft auch in Ländern wie Polen, standsgefälle extrem zugenommen, was Reform- und Erneu- Und die Treibhausgasemissionen sollen gegenüber 1990 um Ungarn oder Tschechien mittlerweile weitgehend unstrittig. Zum einen geht es um mehr Investitionen in Humankapital. erungsprozesse zusätzlich verkompliziert. Insbesondere die mindestens 20 Prozent gesenkt werden. Diese Erkenntnis hat weniger mit den Postulaten der Euro- Dringend notwendig sind zum Beispiel eine bessere finanzi- neuen Mitgliedsländer haben die ursprünglich nur für die päischen Union zu tun, als mit globalen Trends: Weltweit elle Ausstattung der Universitäten sowie die Verbesserung der EU-15 formulierten Lissaboner Ziele nicht annähernd errei- Wird diese Strategie erfolgreicher sein als ihre Vorgängerin? entwickelt sich zunehmend eine wissensbasierte Wirtschaft, Lehrqualität. Noch immer tauchen mittel- und osteuropäische chen können. Aus Sicht vieler Osteuropäer war das Scheitern Und gelingt es diesmal besser, die Belange und Interessensla- in der nicht mehr Material, Arbeitskraft, Land und Kapital Universitäten in internationalen Universitätsrankings kaum allerdings programmiert, handelte es sich doch in erster Linie gen der neuen Mitgliedsländer bei diesem wichtigen Reform- die wichtigsten Produktionsfaktoren darstellen, sondern Wis- auf. Obwohl die Zahl der Studierenden seit dem Systemum- um eine Strategie von Westeuropäern für Westeuropa. projekt mit einzubeziehen? Viel spricht dafür, dass die Ziele sen und Expertise. Jene Unternehmen werden in Zukunft bruch exorbitant zugenommen hat, werden Fachbereiche wie
6 Auf der suche nach einem neuen Wachstumsmodell 7 Ingenieurs- und Naturwissenschaften zu wenig nachgefragt. ten, in ihre Heimat zurückzukehren, etwa indem er die Neu- Gut ausgebildete Absolventen, die für innovative Unternehmen gründung von kleineren und mittleren Unternehmen fördert interessant wären, sind in dieser Region daher Mangelware. (auf diese Weise ließe sich der brain drain der vergangenen Jahre sogar nutzen). Nur der Staat kann strategisch darauf Zum anderen müssen auch die Unternehmen der Region hinwirken, besonders zukunftsträchtige FDIs ins Land zu ho- mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Zwar pro- len. Doch ein solcher aktiver, funktionsfähiger, strategisch duzieren sie als Zulieferer zunehmend auch für mittel- und vorausschauender und – in diesem Sinne – „planender“ Staat hochtechnologische Industriezweige. Die Entwicklungs- und existiert in keinem der neuen Mitgliedsländer. Die Vorstel- Forschungsabteilungen dieser Unternehmen sind aber über- lung davon löst in den postkommunistischen Gesellschaften wiegend in Westeuropa angesiedelt. Ein positives Gegenbei- eher Unbehagen aus. spiel ist der tschechische Automobilhersteller Skoda, ein 100- prozentiges Tochterunternehmen der Volkswagen AG, das enorm viel in die eigene Entwicklung investiert hat. Ein neues Wachstumsmodell, das auf eine wissensintensive Wirtschaft Insgesamt fehlt den meisten neuen Mitgliedsländern eine eigene wirtschaftspolitische Strategie zur Stärkung ihrer In- zielt, ist auf einen handlungsfähigen novationsfähigkeit. Sie verfahren auf diesem Gebiet noch zu und effektiven Staat angewiesen sehr nach dem Prinzip copy and paste: Statt sich bei der Ent- wicklung innovativer Wirtschaftszweige an den jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen und Stärken zu orientieren, An dieser Stelle zeigt sich, dass die Ausgangsbedingungen zur übertragen sie europäische Innovationsstrategien eins zu eins Verwirklichung einer wissensintensiven Wirtschaft von alten auf ihre nationalen Innovationsprogramme. und neuen Mitgliedsländern sehr unterschiedlich sind. Nicht nur was die jeweiligen Entwicklungsstufen, sondern auch was In den Ländern Mittel- und Osteuropas mangelt es aber nicht das Bildungssystem, die industrielle Basis, die wirtschaftspo- nur an strategischen Kenntnissen, sondern auch an strukturel- litische Strategiefähigkeit oder eben die Qualität von Staat- len Voraussetzungen: Erstens erweisen sich die öffentlichen lichkeit betrifft. Es ist zu befürchten, dass die mittel- und Institutionen in den neuen Mitgliedsländern häufig als dys- osteuropäischen Länder an den konkreten Zielvorgaben von funktional und damit unfähig, ein innovationsfreundliches Europa 2020 erneut scheitern werden. Denn ähnlich wie ihre Klima zu schaffen. Zweitens fehlt aufgrund millionenfacher Vorgängerin, die Lissabon-Strategie, orientiert sich auch diese Abwanderung der eigenen Talente qualifiziertes Personal. Und Strategie zu starr an dem Prinzip one size fits all. drittens wird das vorhandene ausländische Kapital zu selten dazu eingesetzt, um Innovationen nachhaltig zu fördern. Zu- Andererseits stehen neue und alte Mitgliedsländer vor vie- mindest hat sich die simple Vorstellung in der Praxis nicht len durchaus vergleichbaren ökonomischen und sozialen He- bewahrheitet, möglichst hohe Foreign Direct Investments rausforderungen, wie das Progressive Zentrum in seiner Stu- würden automatisch mehr Know-how, mehr Wissenstransfer die „Die Zukunft des Europäischen Wirtschafts- und Sozial- sowie Innovationen generieren. modells“ aus dem Jahr 2008 herausgearbeitet hat. So gesehen kann die Europa-2020-Strategie eine wichtige Funktion als Diese Herausforderungen sind gewaltig. Ein neues Wachs- Leitbild ausfüllen, als Orientierungspunkt in einer gesamt- tumsmodell, das auf eine wissensintensive Wirtschaft zielt, europäischen Debatte über mögliche Lösungsstrategien und ist vor allem auch auf einen handlungsfähigen und effektiven Reformkonzepte – solange die Unterschiede zwischen den Staat zwingend angewiesen. Nur der Staat kann Kooperati- westlichen und östlichen Wachstumsmodellen hinreichend onen und Netzwerke aus Forschungsinstitutionen, Univer- mit bedacht werden. • sitäten, Think Tanks und innovativen Unternehmen intensiv torbjörn Becker et al. (2010), ‘Whither growth in central and eastern europe? policy lessons for * ausbauen. Nur er kann Anreize schaffen für Arbeitsmigran- an integrated europe’, Bruegel, Blueprint series, volume Xi. Konferenz des Progressiven Zentrums „Which Growth for Europe?“ am 14. Dezember 2010 im Haus der Commerzbank am Brandenburger Tor in Berlin. Von links: Håkan Bengtsson, Michael Miebach, Ernst Hillebrand & Peter Plougmann
8 Lessons Learned? 9 In the current situation all eyes are – quite naturally – on co-ordination, the likely outcome is that monitoring and as- Lessons learned? k immediate crisis management. We should, however, not sessments of macro-economic imbalances will be improved. ignore the structural problems beneath. EU member states New surveillance and possibly also sanctioning mechanisms Europe after the financial crisis are already engaged in fundamental reform processes with re- will be agreed upon, notably to put pressure on those mem- gard to their economic governance structure. A similar trend ber states who have problems of competitiveness. It is from and its perspectives for 2011 can be observed at the European level: the work of the Van today’s point of view unlikely that those countries which Rompuy Task Force of 27 member states, its report delivered run large account surpluses will have to adapt their policy Daniela Schwarzer to the European Council in October, and the activities, sug- choices. gestions and the legislative package of the European Com- mission earlier in 2010 are proof for this. The idea, that with the introduction There is one major lessont we have learnt during the financial of a single currency, convergence would crisis: the idea, that with the introduction of a single currency, convergence would be ensured, is flawed. The current govern- be ensured, is flawed. The current ance mechanisms do not suffice to guarantee convergence and governance mechanisms do not suffice economic stability. In several cases, the sovereign debt crisis to guarantee economic stability is not a result of irresponsible fiscal behaviour, but rather a consequence of problematic underlying economic develop- ments. Ireland and Spain for instance were known for years Finally, the crisis resolution mechanism will be of key impor- as good performers in terms of fiscal behaviour. Currently, tance in the up-coming months. The extension of the rescue they are, however, amongst those member states that create mechanisms beyond 2013 and ideas for an orderly restructur- enormous challenges for the. The underlying economic ten- ing of public debt are on the table. In this context, the issue dencies in the Eurozone, notably strongly diverging degrees of Eurobonds, currently mostly debated from the perspective of competitiveness, where ignored though. of crisis management, should be evaluated in a long-term per- spective. Bonds as an instrument to stabilise the Eurozone and The Stability and Growth Pact: Macro-Economic Surveillance as a means to make it less vulnerable to self-fulfilling financial and Eurobonds – an Outlook on 2011 crises could be very beneficial. The suggestion published by So, what can be expected for the year 2011? Firstly, the Euro- the think tank Bruegel deserves consideration: they propose pean Union will engage in a process of treaty revision. This to pool sovereign debt up to 40 to 60 per cent of GDP. Above is remarkable, considering that only two years ago, ratifying this ratio, debt would be issued by member states individu- the Lisbon Treaty was the issue at stake. Secondly, the EU is ally and hence be subject to market sanctions and reactions. envisaging a comprehensive legislative package that has to The German government so far does not support the idea of be agreed upon. Within this process, the EU parliament will Eurobonds. serve as a co-decider in four of the six legislative procedures. The debate on the Stability and Growth Pact as well as on Currently, there is no broad political support for substan- questions of economic governance will be marked by a much tial steps towards more budgetary integration or even a higher European input – this is something the member gov- fiscal union. Still, one debate may be back on the EU’s ernments are not yet used to. agenda in the near future: the one on the need for cyclical stabilisation at the Eurozone level. This debate is not new On substance, the changes of the Stability and Growth Pact to the Eurozone: Five years into the European Monetary will consist in reinforcement of the traditional rules-based Union (EMU), it became more and more obvious that eco- approach, i.a. controlling the risk imposed by national policies nomic cycles were diverging in the Eurozone. While in par- in order to ensure a degree of convergence and a reduction ticular some Southern European countries recorded com- of public debts and deficits. With regard to economic policy paratively strong growth and high inflation, in particular
10 Lessons Learned? 11 Germany was in an economic slump and regularly re- reforms will suffice to solve the Eurozone’s problems. I would There are two major explanations for the German position. ferred to as the ‘sick man of Europe’. At that point, the real disagree. One reason is the disconnectedness from further on- Political statements in Berlin these days One is related to legal concerns. The German Constitutional interest rate was too high relative to the economic situation going policy-debate: the Europe 2020 strategy and the future often burn down to one bottom Court still has to rule on the rescue mechanism, decided upon in Germany. A first debate about the need of cyclical diver- of the EU budget. Both instruments could be used to foster in spring 2010, and it is very probable that there will be fur- gence and the need for cyclical stabilisation mechanisms convergence, not only within the Eurozone, but also between line: the Eurozone should not become ther constitutional complaints about when decisions on fur- in the Eurozone was initiated at that point. Today, most of the Central and Eastern and the Western European member a ‘transfer union’ ther integration are taken. This is why Germany insisted that the political focus is on structural adjustment. But the next states. As things currently appear, however, the Europe 2020 installing the permanent rescue mechanism should require a debate could be, whether we also need cyclical stabilization strategy may eventually even lead to growing divergence – if treaty reform. A ‘political solution’ enabling a leap forward in mechanisms under the conditions of the Eurozone. the competitive member states stick to the targets, and the most political leadership. This is not easy to achieve. Some integration – at the cost of circumnavigating the framework weaker, highly indebted ones, don’t. For instance, investment member states have unemployment rates of up to 20 per cent, of EU law – is not possible. in research and innovation should increase up to three per which may still grow. The real economic effects of the finan- Bonds as an instrument to stabilise cent of GDP. Two per cent are supposed to come from the cial crisis are still hitting. Defending the European case under Secondly, domestic political motivations strongly influence the Eurozone and to make it less private sector. Some member states, however, show hardly any such conditions is far from easy. History has proven that weak the German position. The campaign for the Euro fought un- statistically relevant investment from the private sector and a economic performance and Euro-skepticism go hand in hand – der the Kohl government during the 1990s was very much vulnerable to self-fulfilling financial precondition for investment, infrastructure, is insufficiently in member states, but also on a European level. This is the conducted under the premises that the single currency will crises could be very beneficial developed. While member states with a strong private sector moment to be ambitious. Governance questions, revision of be stable just like the Deutschmark. In order to convince the and a good infrastructure could seriously invest and hence institutions and procedures, as well as policy questions, neces- German public and the parliament, it was suggested that we improve, the other ones will not be able to catch up, unless sary to get problematic economies back on track, need to be are basically copying our economic and monetary model to Even more interesting than the reform of budgetary policy they receive – at least for a transition period – more help from tackled. Germany indeed has a very important role to play in the European level – without any risk. A wide-spread public co-ordination is the answer to the question how the Eurozone the European Union. finding the answers. perception nowadays is – quite rightly so – that this is not so, should deal with macro-economic imbalances and to which and many of the ‘old critics’ of introducing the Euro audibly degree economic policies should be co-ordinated. This highly With regard to the European budget, the debate is not focuss- The Berlin-perspective Revisited accuse the German government of giving in to those Euro- political question is not yet solved. Germany constantly em- ing on priorities, but on upper limits and volumes. A necessary A year back, Germany was regularly criticized for dragging its pean partners who want to weaken the Euro. Given the criti- phasises that the weaker economies should adapt their policies debate is one on objectives and the degree of convergence the feet in the then emerging sovereign debt crisis. This fueled cism by Germany’s partners that Berlin has actually turned and welfare state models. This has recently been illustrated EU wants to achieve and the degree of solidarity Europeans the debate on Germany’s commitment to the European Un- ‘un-European’, there is obviously a big communication chal- by the Franco-German proposal of the Pact for Competitive- are willing to assume. At its core, this debate is linked to a ion. A year on, Berlin is strongly engaged in the reform of EU lenge to cope with for the German government, in particular ness. Seen from a Berlin perspective this seems all so logical; fundamental question: What do we do with a successively economic governance and seems committed to invest itself to as it has to ensure support for its actions in the German par- Germany has a successful economic model, the export perfor- diverging European Union? If we do not tackle the problems ensure a successful survival of the Euro – however, on German liament. There is hence a case to make for a committed and mance is very good – so the assumption is that this should of the Eurozone, how long is the currency sustainable? The terms. Berlin has very strong convictions about the function- convincing leadership on EMU matters and for an interaction serve as a role model for other member states. Looking at some political and economic costs of reduced solidarity need to be ing of the European Monetary Union, for instance on the with EU partners which leaves the necessary room for build- Southern European countries, however, it reveals that such a assessed soberly. potential of rules-based policy co-ordination, on budgetary ing a European consensus. • catch-up process cannot be realised in the current situation. austerity, on the role markets should play, etc. There is much Policies of strong fiscal austerity and structural reform pro less esteem for discretionary policies on the European level cesses weigh heavily on growth in the short term. Hence, in A debate is necessary on objectives and or a strong budget that you would find in other places, for one to three years time we might see that the initial programs the degree of convergence the EU wants instance in France. Also with regard to the Eurobonds, the (for Greece for example) do not succeed – in contrast, that the German chancellor took a very strong (negative) position. debt level will be higher than expected because growth broke to achieve – and on the degree of soli- down. The challenge for the European Union is to accompany darity Europeans are willing to assume Political statements in Berlin these days often burn down to the necessary restructuring processes in the member states one bottom line: the Eurozone should not become a ‘transfer with a conscious policy of support. union’. This say raises the illusion that there are solutions My outlook is not Euro-pessimistic, but rather realistic. If we in which Germany can continue to reap the benefits of the Realistic, not Euro-pessimistic do not turn around some of the trends that we witness today, Euro and single market integration the way it did in previous Considering all these efforts on both national and EU-level, Europe may well become unsustainable in both political and years – without sharing the costs, for instance of putting the the question remains, whether the economic governance economic terms one day. The current situation requires fore- Eurozone back on a track of convergence.
12 Die Lösung heißt Europa 13 dem Euro-Rettungsschirm oder dem Ankaufprogramm für einen neuen europäischen Wachstumspakt beschließen. Bei Die Lösung heiSSt Europa Staatsanleihen der Europäischen Zentralbank. Viel zu we- Defiziten in der wirtschaftlichen Entwicklung sollte ein Staat nig wird über eine nachhaltige Lösung diskutiert, die auf die entwickelt, nicht abgewickelt werden! Diese Aufgaben über- für ein Verbindliches System Ursachen der Staatsschuldenkrise zielt. Vor allem auch Bun- nehmen derzeit zwar schon die europäischen Strukturfonds, deskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang doch brauchen wir deutlich mehr nachhaltige Förderung mit der Verbundhaftung Schäuble sind aus Angst vor dem Koalitionspartner und den noch mehr Geld. Eine europaweite Wachstumsstrategie muss Wählern in kurzfristigem Denken gefangen. „Weil wir die ein Umverteilungsmechanismus sein: mehr Bildung, mehr In- Carsten Schneider verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grenzen res- frastruktur, mehr Investitionen, mehr Innovationen. pektieren, vor allem aber, weil die politischen Widerstände gegen eine weitere Vergemeinschaftung beim demokratischen Die Staaten werden in die Pflicht genommen Souverän in den allermeisten Mitgliedsstaaten … unüberseh- All diese Maßnahmen könnten aus den Einnahmen einer eu- bar ist, werden wir auf absehbare Zeit nur begrenzte institu- ropaweiten Finanztransaktionsteuer bezahlt werden, die ex- tionelle Fortschritte machen“, schreibt Wolfgang Schäuble klusiv der EU zur Verfügung stünden – mit festgeschriebenem in der Frankfurter Allgemeinen. Bei dieser defensiven Haltung Verwendungszweck. Auf diese Weise würde der Finanzsektor nimmt es nicht wunder, dass die konzeptionellen Überlegun- nicht nur an den Kosten möglicher künftiger Krisen, son- gen in Brüssel mittlerweile ohne das größte Mitgliedsland dern auch stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben der EU stattfinden. beteiligt. Und das in seinem ureigenen Interesse, denn vom direkten Rückfluss der Steuer in wirtschaftliche Entwicklung Bisher wurde nur mit heißer Nadel gestrickt würde der Finanzsektor profitieren. Jetzt oder nie: Europa muss rasch von einer Getriebenen zu einer Gestalterin der Krise werden! Der gültige Krisen- mechanismus, der im vergangenen Mai mit heißer Nadel Die Schuldenkrise offenbart die Ich muss gestehen, dass ich früher eine eher europa- ungehindert auf Pump bewirtschaftet haben. Dass mächtige gestrickt wurde, ist bis zum Jahr 2013 befristet. Er muss in schweren Konstruktionsfehler des Euro. k skeptische Haltung hatte. Als Haushaltspolitiker war Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen entstanden sind. einen langfristigen Stabilitätsmechanismus überführt werden, Die Finanzmarkt- und Wirtschafts- mir die Vorstellung ein Graus, Brüsseler Bürokraten könnten Und dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt der die Abhängigkeit der Staaten von den Schwankungen des uns demokratisch legitimierten nationalen Abgeordneten ins nicht hinreichend für finanzpolitische Stabilität gesorgt Kapitalmarktes dauerhaft reduziert und zugleich künftige krise hat dabei lediglich wie ein Brand- Handwerk pfuschen und Vorgaben diktieren. Immerhin ist hat. Kurz gesagt, die Schuldenkrise offenbart die schweren Schuldenkrisen verhindert. Auf dem Europäischen Rat im beschleuniger gewirkt das Budgetrecht das Königsrecht des Parlaments. Doch auf- Konstruktionsfehler des Euro. Die Finanzmarkt- und Wirt- März 2011 müssen die Staats- und Regierungschefs in dieser grund der dramatischen Ereignisse im vergangenen Jahr habe schaftskrise hat dabei lediglich wie ein Brandbeschleuniger Angelegenheit dringend Fortschritte erzielen. ich meine Meinung geändert, was die europäische Integration gewirkt: Die milliardenschweren Rettungsmaßnahmen für Darüber hinaus ist die Verbundhaftung eng an ein europäi- angeht. Der Grund ist die Staatsschuldenkrise, die den Euro- marode Banken und Konjunkturpakete haben die sowieso Mein Vorschlag lautet, den existierenden Rettungsschirm für sches Konsolidierungsprogramm zu knüpfen: Gibt ein Staat in Raum auseinanderzureißen droht und massive politische wie schon hohen staatlichen Defizite in kurzer Zeit weit über die Euro-Staaten als so genannte Verbundhaftung nach dem der Verbundhaftung eine Anleihe aus, muss er einen obligato- ökonomische Instabilitäten nach sich ziehen könnte. Unter die Grenze eines erträglichen Maßes katapultiert. Selbst die Motto „Alle für Einen“ zu institutionalisieren – und parallel rischen Plan zur Rückführung der Defizite einhalten, verbind- den Folgen würde nicht nur die exportabhängige deutsche Bruttokreditverschuldung des Musterschülers Deutschland die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union deutlich zu licher als jeder Stabilitätspakt. Bei Verstößen drohen drasti- Wirtschaft leiden. Auch drohte Europa langfristig internati- liegt heute deutlich über dem gültigen Maastricht-Kriterium verstärken. Beides gehört zwingend zusammen: Verbundhaf- sche Strafen. Beispielsweise wäre es eine sinnvolle Sanktion, onal marginalisiert zu werden. Deshalb müssen wir alles tun, von 60 Prozent. tung und zusätzliche europäische Kompetenzen. Das eine ist dass ein Staat automatisch seine Steuereinnahmen erhöhen um die aktuelle Schuldenkrise zu bewältigen und künftigen ohne das andere nicht zu haben. muss, sobald er der Konsolidierungspflicht nicht nachkommt. vorzubeugen. Die Lösung heißt Europa! Die Schuldenstände der Euro-Länder sowie die mächtigen In einem solchen Fall hätte der Verbund selbstverständlich Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen machen eine So wäre eine Verbundhaftung nur denkbar, wenn jeder Staat die Kompetenz zu kontrollieren, ob sich alle an die Verträ- Derzeit erhält die EU die Quittung dafür, nach der Währungs- intensiv abgestimmte Haushalts-, Finanz- und Wirtschafts- für eine hinreichende Einnahmebasis sorgt. Dazu muss der ge halten. Denn das europäische Konsolidierungsprogramm union im Jahr 2002 den Integrationsprozess in der Haushalts- politik in Europa unverzichtbar. Doch bis zum heutigen Tag Steuersenkungswettbewerb in der EU endlich beendet wer- definiert nur Rahmenregelungen, die durch die souveränen und Finanzpolitik, aber auch in der Wirtschafts- und Sozial- haben die europäischen Staats- und Regierungschefs auf die den: Wir brauchen einheitliche Bemessungsgrößen und klare Mitgliedsstaaten auszufüllen sind. Ob und an welcher Stelle politik nicht deutlich gestärkt zu haben. Nun rächt sich, dass Staatsschuldenkrise nur kurzfristige Antworten gegeben, um Mindeststandards. Und um die Ungleichgewichte in den Leis- Ausgaben gekürzt oder welche Einnahmen erhöht werden, die Mitgliedsstaaten der EU ihre Haushalte seit Jahrzehnten die Symptome zu lindern und Zeit zu gewinnen – sei es mit tungs- und Außenhandelsbilanzen abzubauen, muss Europa bleibt ihnen selbst überlassen. Deshalb müssen die Haushalts-
14 die lösung heißt europa 15 pläne der Mitgliedsstaaten über das Europäische Semester um solche Spitzen abzufedern. Dies kann etwa mittels einer hinaus vorgestellt und im Zweifel angepasst werden, wenn Euro-Anleihe geschehen, die an dieser Stelle – und nur hier – sie bestimmte Vorgaben – beispielsweise beim strukturellen Sinn haben würde, oder durch den Aufkauf der Anleihen. Al- Defizit – nicht erfüllen. Das bedeutet einen klaren Einschnitt lerdings, und das ist besonders wichtig: Für die Kosten haften in die Budgethoheit der jeweiligen nationalen Parlamente. alle Gläubiger des jeweiligen Staates nach klaren Regeln mit, Die Rahmenvorgaben durch Europa werden jedoch im Laufe schließlich bekommen sie dafür auch ihre Zinszahlungen der Jahre umso geringer, je besser ein Land seinen Haushalt in garantiert. Ein automatischer „Haircut“, also eine Reduzie- den Griff bekommt. Bewegt sich das nationale Budget wieder rung der Kreditsumme nach Rasenmähermethode, wäre falsch, im vereinbarten Rahmen, erlischt der europäische Einfluss. denn kein Investor wäre etwa für fünf Prozent Rendite bereit, den Kapitalerhalt zu riskieren. Sinnvoller ist daher der „Zins- Um einen derart großen finanzpolitischen Integrationsschritt cut“: Muss ein Staat den Ausgleichsmechanismus in Anspruch zu verwirklichen, ist ein passender institutioneller Rahmen nehmen, wird der Zins für alle Anleihen dieses Staates zum notwendig. Weder die Kommission noch der Rat sind hierfür Beispiel auf drei oder vier Prozent gesenkt. geeignet. Wir brauchen einen Quasi-Stabilitätsrat, beraten von der Europäischen Zentralbank und den europäischen Finanzaufsichtsbehörden – eine „Stabilitätsagentur“. Diese Das Konzept der Verbundhaftung folgt legt nach demokratisch vereinbarten Regeln Kennziffern für dem Grundsatz gegenseitiger Solidarität, alle Haushalte fest und überwacht deren Einhaltung. Verstö- ße berichtet sie einer politisch verantwortlichen Ebene, zum um dem Druck anonymer Marktkräfte Beispiel dem Rat und dem Parlament. Sanktionen werden als Gemeinschaft standzuhalten dann aber automatisch verhängt. Diese drei europäischen Handlungsfelder – steuerliche Min- Das Konzept der Verbundhaftung folgt dem Grundsatz gegen- deststandards, europäischer Wachstumspakt und ein strenges seitiger Solidarität, um dem Druck anonymer Marktkräfte als Konsolidierungsprogramm – sind die zwingend notwendigen Gemeinschaft standzuhalten. Diese notwendige Solidarität Bedingungen, um eine Verbundhaftung für die Staatsanlei- muss nach klaren Regeln und mit veränderten, teilweise neu- hen der Euro-Staaten einführen zu können. Was genau ist en Institutionen politisch gestaltet werden. Wenn das gelingt, damit gemeint? Eine solche Verbundhaftung würde zeitlich könnte die Staatsschuldenkrise zu einer historischen Weg- unbegrenzt gelten, aber unter den oben beschriebenen klaren marke werden in Richtung einer ever closer union. Bedingungen – sonst entfällt die Haftung. Konkret handelt es sich um Bürgschaften für jede neue Anleihe, die ein Euro-Land Dies ist allerdings nur möglich, wenn europäische Politik zu einem angemessenen Zinssatz ausgibt (der Verbund ga- gleichzeitig stärker demokratisch legitimiert wird. Doch Bun- rantiert also keine unangemessenen Gewinne für Investoren, deskanzlerin Angela Merkel verfolgt genau die entgegenge- die aufgrund der Garantie kein Risiko eingehen). Dafür muss setzte Strategie, wenn sie eine europäische Wirtschaftsregie- die No-bailout-Klausel in den europäischen Verträgen gestri- rung vorschlägt, die der Europäische Rat bilden soll. So lange chen werden, die besagt, dass kein Euro-Mitgliedsland für die maßgebliche Entscheidungen weiter von Regierungsräten in Schulden anderer Euro-Länder haftet oder aufkommt. Brüssel getroffen werden, sollte sich niemand über die wach- senden europaskeptischen Einstellungen in der Bevölkerung Das Grundprinzip heisst: gegenseitige solidarität wundern. • Natürlich sind neue Krisen nie auszuschließen, gerade gezielte Angriffe raffgieriger Finanzmarkt-Akteure bleiben unvorher- sehbar. Im Falle eines solchen Angriffs auf einen Euro-Staat muss die Stabilitätsagentur für Notfälle auch die Befugnis erhalten, kurzfristig selbst Geld auf dem Markt aufzunehmen, Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
16 Still an Iron Curtain? 17 the economy than Eastern European governments with a nar- of competitiveness takes into account dimensions that really Still an Iron Curtain? rower economic base and low tax rates. The result of this, of enable countries to catch up rather just sell low. These include course, is a shortage of state revenue available for investment. first and foremost a knowledge base, a national innovation Competitiveness and Responses To take a real world example: how is the Romanian state ever system, infrastructure, low levels of corruption, etc. What can going to be able to invest enough into highway and railway we observe by looking closer at indicators such as education, to the Global Economic Crisis in development and the education of its citizenry to be able to research and development in the new member states? be on par with (or even exceed) the German state? Central and Eastern Europe The Low Level of Research and Development is not a Also, the wages in Eastern European states remain remarkably Necessary Development Zoltán Pogátsa low compared to the Western countries. The net wage levels Two decades after the transition, there is an Iron Curtain be- of CEE citizens have in fact converged somewhat since the tween the two sides of Europe both in terms of input (amount transition to Western European levels, but only slightly, and spent) and output (research and development (R&D) perform- far less than the GDP convergence would suggest. In 1996, the ance). It is government expenditure on research and develop- earliest date available in the Eurostat database, the average ment that takes up the larger share of total R&D. In developed wage in what later became the ten new EU member states economies the opposite is true, business expenditure on re- from the East was 16 per cent of the average wage of the EU15. search and development drives innovation. A little more than a decade later, in 2007, with full member- ship accomplished, they were still only at 25 per cent of the A historical analysis will reveal that the Socialist Bloc used to old EU15, a convergence of some 9 per cent only. be highly competitive in innovation. This competitive edge has been virtually eliminated by re-peripherisation into the The picture becomes even darker if we look at earning dif- low end of the transnational production chains of multina- ferentials rather than earning ratios. One can argue that in tionals. It is often believed, especially in the framework of the According to the statements of the European Commis- In reality, this perception is misleading for a number of rea- the real world we tend to look at ‘how much more’ other Lisbon/Europe 2020 process, that innovation is a stove: you k sion, the Central and Eastern European states (CEE) are sons. First of all, there is a need to take a closer look at the people make compared to us, rather than ‘how many times add more gas, and the food will cook quicker. In fact, innova- highly competitive, and they are well on their way to conver- concept of growth itself. Since growth in a strict economic more’. When we choose between two jobs, we look at the tion is a structural issue. It depends on what sort of activities gence with the West. On the surface, the economies of the sense does not take into account social and environmental differences in the wages offered, not the ratio. The earning one carries out in the framework of multinational production CEE countries were growing at astonishing rates before the externalities, a singular and unqualified focus on growth differential between Westerners and Easterners has in fact chains. The reason for the low R&D performance is not simply crisis. With their GDP growth rates generally two to seven will almost surely jeopardise sustainability. Secondly, CEE increased rather than decreased. Thus, each year Westerners the lack of money. It is the fact that multinational corpora- percentage points higher than in Western European states, the dependent competition states apply an extremely narrow and are able to accumulate more wealth (or alternatively, to spend tions tend to keep high-value added jobs close to home, or new member states in fact provided most of the growth in the constrained definition of competitiveness: that of wage and more) than their Eastern counterparts. if they do relocate them, they choose intensive knowledge European Union. In consequence, they were often compared tax competitiveness. clusters (Silicon Valley, top universities), which do not exist to Ireland and its phenomenal ‘Celtic Tiger’ economic growth If wages in the East are lower, and so are taxes on profit, then in CEE. Increasing direct government expenditure on R&D after 1989. Too Narrow: Definitions of Competiveness the rest of the output produced (GDP) must go to the third will not prove to be enough. While in most Western European states the corporate tax entity in the economy: firms. Before globalisation, firms could rates are at around 30 to 35 per cent, they are significantly also be conceived as domestic entities. In today’s world this is One way to attract higher value added services would be to lower in the East. Slovakia introduced the famous 19 per cent no longer the case. Since the dependent competitive state is create a world-class educational system in the region. Sadly, How is the Romanian state ever flat tax in 2004. Romania decreased its corporate tax rate to more open to the world economy than its counterparts, and in the last three decades the opposite has happened. The re- going to be able to invest enough into 16 per cent, and so did Hungary. Bulgaria’s rate became 10 per relies on foreign investment to a high degree, it will also have gion has depreciated its advantage in generating and passing highway and railway development cent. There is even the case of the zero per cent corporate tax a higher degree of foreign owners of capital. Most foreign on knowledge. There is no CEE university in the top 500 of and the education of its citizenry to be in Estonia for reinvested profits. This phenomenon of com- investors are limited shareholding companies that are listed international university listings. CEE universities are hardly peting for investments has been dubbed by many as the ‘race on the great stock exchanges of the world. the lead partners in European Union financed Framework 6 able to be on par with (or even exceed) to the bottom’. It should be obvious for anyone that Western and 7 research projects. Language skills in the region are very the German state? European states from a wider economic base, with a higher As Michael E. Porter argues, low wages are an advantage that any- poor measured by international standards, as are personal and tax rate, will earn much higher revenues from the output of one can recreate. A much broader, Porterian understanding group skills. Politicians in the region pay lip service to the
18 Still an Iron Curtain? 19 importance of education, but fail to invest in it. It is very tell- tions of competitiveness. The legal imperatives of the Euro- Austerity-based responses to the crisis are all the more regret- So far, governments of the region have missed the chance ing that the countries that invest the least into education are zone entry were also perceived to be more stringent than the table since, with the single exception of Hungary, all coun- of the global financial and economic crisis to carry through the low tax countries such as Romania, Bulgaria and Slovakia. enervated musings over a ‘European competitiveness policy’. tries of the region have a much lower level of indebtedness real reforms. Instead, they opted for simple austerity with If competitiveness did feature in these countries, it was in the than Western Europe. the Eurozone as their anchor, which further decreased the No Real Convergence with the West sense of cost and tax competitiveness and the reduction of the chances of the region. The weak policy context of Europe The above elaborated extreme weaknesses in terms of the size of the state that was heralded to be ‘too large’, although Such remarkably low levels of indebtedness would allow the 2020 hardly has any leverage on these states in contrast to broader definition of competitiveness result in a very realistic this is not confirmed by actual data. governments comfortable room to utilise the legitimacy pro- the Euro framework. perception by the populations of the region that there is no vided by the crises to invest in competitiveness and growth real convergence with the West of Europe. Employment and CEE states are at the lower end of the redistribution spectrum, rather than cutting public expenditure and squeezing the pub- Central and Eastern Europeans need to reconsider their posi- wages remain low, the national innovation systems are depre- and more developed countries tend to have larger rates of lic sector without any restructuring of the subsectors of the tion in the global economy. They need a form of development ciated and the human capital is weak. Also, the infrastructure redistribution. Lower redistribution rates go hand in hand state. Education, infrastructure, employment, local govern- states similar to the Far-Eastern Tigers, or Finland, which is is inadequate: large countries such as Poland and Romania, as with lower per capita public expenditure and lower per capita ments, and a number of other functions of the state require capable of providing efficient public investment and functio- well as more peripheral ones, such as the Baltics and Bulgaria, public investment (in this regard, the Czech Republic is an urgent revision. ing systems in the crucial subsectors of the state: employment, are still extremely poorly accessible by road. exception). education, infrastructure, justice and anti-corruption, as well Concentrating on Euro accession is a lost cause in the medium as local governance. • It is possible to argue that countries at a lower level of deve run for two reasons. Firstly, the European Central Bank (ECB) It is often believed, that innovation is lopment can only afford lower levels of per capita expenditure, has made it quite clear that after Estonia the next round of a stove: you add more gas, and the food although exactly the opposite can also be argued. However, Eurozone expansion is likely to be quite far away in time. it is certain that they will need higher levels of public invest- This leaves plenty of room for restructuring. Secondly, should will cook quicker ment if they are to overcome their extreme deficiencies in hu- these states enter into the Eurozone without restructuring, man capital, employment and infrastructure, i.e. the broader and then have to face problems related to employment, infra- defining elements of their competitiveness. This is especially structure and other areas, they will cause very similar prob- The extreme and unfounded reliance of the dependent compe- true since per capita private investment is also markedly lower lems for the Eurozone as Greece and Ireland. tition state on multinational companies, without a proactive in the East. state, has lead to an extreme loss of competitiveness. The lock This paper demonstrated that even before the global finan- in of the region at the periphery of the continental economic Where exactly is the investment for convergence and com- cial and economic crisis the economies of the CEE were far system is obvious to ordinary people. To put it another way: petitiveness supposed to come from, if it is not coming from from any real convergence, and they were not competitive in what social scientists deny even to themselves, the popula- public sources or from private sources? Regardless these ques- a broader, Porterian sense of the word. This was not simply tions sense. They vote with their feet, and by not having chil tions, responses to the crisis focused however on cuts in ex- an accident. The way they integrated into the global economy dren. Both the natural and the migration-caused elements of penditure and tax rises to fill in already existing holes rather in the context of EU enlargement meant that they merely demography show a negative balance in the larger part of than to finance new investment. Governments in the region became low wage, low tax re-export platforms of (mainly the region. failed to use the opportunity provided by the global crisis to Western European) multinationals. Such a position has no push through reforms. Instead, they aimed at streamlining potential for competitiveness and convergence. There is a heavy migration from Poland, Latvia, Lithuania, the state, using the anchor of Euro accession. Eastern Slovakia, Romania and Bulgaria. The 2011 opening of the German and the Austrian labour markets is likely to It must be added that, given their historical records, the elimi lead to even graver haemorrhage in the Central European nation of public private partnerships (PPPs) in several coun- Austerity based responses to the crisis frontier areas. tries of the region is a welcomed development. The gap in are all the more regrettable since – investment left by them, however, should be filled by public with the single exception of Hungary – Is Austerity the European Answer to the Crisis? investment. The freezing and even reduction of public sec- all of the countries of the region Renaming the ‘Lisbon Competitiveness Strategy’ of the EU tor wages and pensions is the easiest lever to control for any ‘Europe 2020’ was exactly at the time when the global eco- government. It is an efficient method of keeping expenditure have a much lower level of indebtedness nomic crisis set in. Policy responses in the region were defined and inflation in check, but it demoralises the public service than Western Europe by the priority of Euro adoption as opposed to any considera- and results in personnel flight and a lower work ethic.
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