Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften

Die Seite wird erstellt Nepomuk Rapp
 
WEITER LESEN
Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften
                                                                                 AJP/PJA 7/2020

                                               Wettbewerbsneutralität
                                               öffentlicher Unternehmen
                                                                                                                                                                             887
                                               als Aktiengesellschaften
                                               Pflichten und Instrumente zur Vermeidung
                                               von Wettbewerbsverzerrungen

                                               Phil Baumann*                                      Roman S. Gutzwiller**

              Ein wesentlicher Teil der privatwirtschaftlichen Staatstätigkeit erfolgt         Une part importante de l’activité étatique dans l’économie privée
              durch öffentliche Unternehmen in Form von Aktiengesellschaften. Da-              s’exerce par le truchement d’entreprises publiques prenant la forme de
              bei stellt sich die Frage, inwieweit der Verwaltungsrat und das Träger-          sociétés anonymes. Dans ce cadre, l’on doit se demander dans quelle
              gemeinwesen dazu verpflichtet sind, die Wettbewerbsneutralität des               mesure le conseil d’administration et la collectivité responsable sont
              öffentlichen Unternehmens sicherzustellen, und welches Instrumenta-              tenus d’assurer la neutralité concurrentielle de l’entreprise publique
              rium ihnen hierfür zur Verfügung steht. Der Aufsatz zeigt auf, dass              et quels sont les instruments à disposition pour y parvenir. L’article
              der Verwaltungsrat für ein wettbewerbsneutrales Verhalten innerhalb              démontre que, lors de l’exercice de l’activité dans le secteur privé, le
              der privatwirtschaftlichen Tätigkeit nur insoweit zu sorgen hat, als die         conseil d’administration ne doit assurer un comportement neutre en
              einschlägigen rechtlichen Vorgaben auf das eigene Unternehmen An-                termes de concurrence que lorsque les prescriptions légales pertinentes
              wendung finden. Auf Seiten des Trägergemeinwesens besteht demge-                 s’appliquent à l’entreprise en tant que telle. La collectivité responsable,
              genüber eine umfassende Pflicht zur Vermeidung von Wettbewerbsver-               en revanche, a une obligation générale de prévenir les distorsions de
              zerrungen. Das Trägergemeinwesen verfügt zudem über weitgehende                  concurrence. Elle dispose par ailleurs de nombreuses possibilités de
              Steuerungsmöglichkeiten, die zu diesem Zweck eingesetzt werden                   contrôle qu’elle peut mobiliser à cette fin. Il existe toutefois le risque
              können. Allerdings besteht die Gefahr, dass von diesem Instrumenta-              qu’elle ne fasse pas suffisamment usage de ces instruments ou les em-
              rium in unzureichender und uneinheitlicher Weise Gebrauch gemacht                ploie de manière incohérente.
              wird.

          Inhaltsübersicht                                                                 I.         Einleitung
          I. Einleitung
          II. Überblick über potenzielle Wettbewerbsverzerrungen                           Der Staat handelt unternehmerisch, wenn er unter Anwen-
          III. Pflichten des Verwaltungsrates zur Sicherstellung
               der Wettbewerbsneutralität
                                                                                           dung von ökonomischen Arbeitsmethoden marktfähige
               A. Allgemeines                                                              Produkte und Dienstleistungen am Markt anbietet, die
               B. Umfang                                                                   von Dritten erworben werden können.1 Die unternehme-
                   1. Verfassungsrechtliche Vorgaben                                       rische Betätigung staatlicher Akteure kann einerseits im
                   2. Gesetzliche Vorgaben
                   3. Vorgaben aus Reputationsgründen
                                                                                           Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, anderer-
               C. Instrumentarium                                                          seits aber auch aus­serhalb öffentlicher Aufgabenbereiche
               D. Verantwortlichkeit                                                       erfolgen. Im letzteren Fall liegt eine privatwirtschaftliche
          IV. Steuerungsmöglichkeiten des Trägergemeinwesens                               Staatstätigkeit vor.2 Die staatliche Wirtschaftstätigkeit
               zur Sicherstellung der Wettbewerbsneutralität
               A. Steuerungsinstrument Ermächtigungs- und
                                                                                           wird zu einem überwiegenden Teil durch öffentliche Un-
                   Organisationserlass
               B. Steuerungsinstrument Leistungsauftrag
               C. Aktionärsrechtliche Steuerungs­instrumente
                                                                                           1
                                                                                                  René A. Rhinow/Gerhard Schmid/Giovanni Biaggini/Felix
                   1. Festlegung des Tätigkeitsbereichs
                                                                                                  Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. A., Basel 2011, § 18
                   2. Besetzung des Verwaltungsrates und Einflussnahme
                                                                                                  N 10; Walter A. Stoffel, Wettbewerbsrecht und staatliche
                      auf die Zusammen­setzung der Geschäftsleitung
                                                                                                  Wirtschaftstätigkeit, Habil. Freiburg 1994, 9; Felix Uhlmann,
                   3. Drohung mit bzw. Wahrnehmung von Sanktions­
                                                                                                  Gewinnorientiertes Staatshandeln: Möglichkeiten und Zulässigkeit
                      möglichkeiten
                                                                                                  gewinnorientierter staatlicher Eigenbetätigung aus wirtschaftsver-
               D. Steuerungsinstrument Eignerstrategie
                                                                                                  fassungsrechtlicher Sicht, Diss. Basel 1997, 19.
          V. Fazit
                                                                                           2
                                                                                                  Vgl. ausführlich zur Herleitung des Begriffs der privatwirtschaft-
                                                                                                  lichen Staatstätigkeit Phil Baumann, Wettbewerbsverzerrun-
                                                                                                  gen durch privatwirtschaftliche Staatstätigkeit, Diss. Luzern,
                                                                                                  Zürich/Basel/Genf 2019, N 35 ff. Nach wohl h.L. wird der pri-
                                                                                                  vatwirtschaftlichen Staatstätigkeit allerdings die unternehmeri-
                                                                                                  sche Staats­tätigkeit im Monopolbereich gegenübergestellt (Beat
          *
              	Phil Baumann, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Oberassistent an                      Krähen­mann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit des Gemeinwesens,
                 der Universität Luzern, Zürich.                                                  Diss. Basel, Basel/Frankfurt a.M. 1987, 122; Rhinow/Schmid/­
          **
               	Roman S. Gutzwiller, Dr. iur. HSG, MBA (HEC Paris), Rechts-                       Biaggini/Uhlmann [FN 1], § 18 N 38; vgl. auch Peter Hänni/­
                 anwalt, Habilitand und Lehrbeauftragter an der Universität St. Gal-              Andreas Stöckli, Schweizerisches Wirtschaftsverwaltungsrecht,
                 len, Winterthur.                                                                 Bern 2013, N 1715).

Buch_AJP 7_2020.indb 887                                                                                                                                                 18.06.20 14:56
Phil Baumann/Roman S. Gutzwiller
                                                                              AJP/PJA 7/2020

 888

          ternehmen vorgenommen.3 Dabei werden öffentliche Un-                          bewerbsneutralität verlangt dabei, dass die privatwirt-
          ternehmen häufig hybrid aktiv, indem sie sich neben der                       schaftliche Tätigkeit der öffentlichen Unternehmen zu den
          Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch privatwirtschaftlich                     für die privaten Konkurrenten geltenden Wettbewerbs-
          betätigen.4 Aus verschiedenen Gründen weisen die öffent-                      bedingungen erfolgt.9 Rechtliche oder faktische Privile-
          lichen Unternehmen oftmals die Rechtsform der Aktien-                         gierungen der privatwirtschaftlichen Staatstätigkeit sind
          gesellschaft auf (so sind gemäss einer neueren Umfrage                        folglich zu unterbinden.10 Allerdings ist die privatwirt-
          beispielsweise rund drei Viertel der kantonalen und kom-                      schaftliche Staatstätigkeit systemimmanent mit mehreren
          munalen Energieunternehmen als Aktiengesellschaften                           potenziellen Wettbewerbsverzerrungen verbunden.11 Die
          konstituiert5).6 Für die Zwecke des vorliegenden Bei-                         staatliche Beherrschung von öffentlichen Unternehmen
          trags wird das Untersuchungsobjekt sowie der hier ver-                        sowie deren hybride Tätigkeit führen regelmäs­sig zu spe-
          wendete Begriff des öffentlichen Unternehmens deshalb                         zifischen Wettbewerbsvorteilen gegenüber der privaten
          auf Aktiengesellschaften eingegrenzt, die öffentlich be-                      Konkurrenz, insbesondere in Form von Finanzierungs-,
          herrscht werden und/oder öffentliche Aufgaben erfüllen.7                      Verbund-, Informations- und Steuervorteilen sowie Quer-
          Dabei kann es sich sowohl um ordentliche als auch um                          subventionierungen.12
          gemischtwirtschaftliche oder spezialgesetzliche Aktien-                           Für den Verwaltungsrat von öffentlichen Unterneh-
          gesellschaften handeln.                                                       men (im hier verwendeten Sinne von Aktiengesellschaf-
              Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung ist                          ten, die öffentlich beherrscht sind oder öffentliche Aufga-
          es grundsätzlich zulässig, dass öffentliche Unternehmen                       ben erfüllen) stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage,
          privatwirtschaftlich tätig werden. Allerdings muss diese                      wie er als Leitungs- und Aufsichtsorgan der Aktiengesell-
          privatwirtschaftliche Staatstätigkeit auf einer gesetzli-                     schaft mit dieser Problematik umgeht. Jedoch ist nicht
          chen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen                      nur der Verwaltungsrat eines öffentlichen Unternehmens
          sowie verhältnismäs­sig und wettbewerbsneutral ausge-                         in dieser Hinsicht gefordert. Dessen Trägergemeinwesen
          staltet sein.8 Die zuletzt genannte Voraussetzung der Wett-                   steht in der Pflicht, Wettbewerbsverzerrungen im privat-
                                                                                        wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich des öffentlichen Unter-
                                                                                        nehmens zu unterbinden.
          3
              Hänni/Stöckli (FN 2), N 1698; Rhinow/Schmid/Biaggini/                         Der vorliegende Beitrag bietet zunächst einen kurzen
              Uhlmann (FN 1), § 18 N 13.                                                Überblick über die Wettbewerbsverzerrungen, die bei pri-
          4
              Ein illustratives Beispiel hierzu bietet die Schweizerische Post, die     vatwirtschaftlichen Tätigkeiten von öffentlichen Unter-
              neben unternehmerischen Dienstleistungen der Grundversorgung
              mit Postdiensten (öffentlicher Aufgabenbereich) diverse Papeterie-
                                                                                        nehmen auftreten können (II.). Als Nächstes wird analy-
              und Kioskartikel in ihren Filialen anbietet (privatwirtschaftliche        siert, inwiefern den Verwaltungsrat eine Pflicht trifft, für
              Tätigkeit).                                                               eine wettbewerbsneutrale privatwirtschaftliche Tätigkeit
          5
              Stephan Vaterlaus/Patrick Zenhäusern/Cornel Kauf-                         des als Aktiengesellschaft konstituierten öffentlichen Un-
              mann/Heike Worm, Staat und Wettbewerb: Institutionelle und
              wettbewerbliche Aspekte bei kantonalen und kommunalen Unter-
              nehmen, Bern 2017, 29.
          6
              Vgl. Peter Hettich, Öffentliche Unternehmen: Einführung in die            9
                                                                                             BGE 138 I 378 E. 9.1; vgl. dazu BSK BV-Uhlmann, Art. 27 N 67,
              sich stellenden Rechtsfragen, in: Peter Hettich (Hrsg.), Öffentliche           in: Bernhard Waldmann/Eva Maria Belser/Astrid Epiney (Hrsg.),
              Unternehmen zwischen Politik und Markt, St. Gallen 2009, 9 ff.,                Bundesverfassung, Basler Kommentar, Basel 2015 (zit. BSK BV-
              13; ferner Roman S. Gutzwiller, Die Einflussmöglichkeiten des                  Verfasser), wonach Staats- und Privatwirtschaft jedoch nicht identi-
              Staates auf die Strategie einer Aktiengesellschaft mit staatlicher             schen Bedingungen unterliegen müssen.
              Beteiligung, Diss. St. Gallen, Zürich/St. Gallen 2017, N 4; vgl. zu       10
                                                                                             Hänni/Stöckli (FN 2), N 1720; Rhinow/Schmid/Biaggini/
              den Gründen Andreas Lienhard, Staats- und verwaltungsrechtli-                  Uhlmann (FN 1), § 18 N 106; vgl. auch Yvo Hangartner, Der
              che Grundlagen für das New Public Management in der Schweiz,                   Staat als Unternehmer, in: Rechtswissenschaftliche Abteilung der
              Habil. Bern 2005, 393.                                                         Universität St. Gallen (Hrsg.), Rechtliche Rahmenbedingungen des
          7
              Vgl. demgegenüber die nun erstmalige gesetzliche Definition öf-                Wirtschaftsstandortes Schweiz: Festschrift 25 Jahre juristische Ab-
              fentlicher Unternehmen im revidierten Art. 3 lit. b des Bundesge-              schlüsse an der Universität St. Gallen (HSG), Zürich 2007, 237 ff.,
              setzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungs-                245 f.
              wesen (BöB; SR 172.056.1), der per 1. Januar 2021 in Kraft treten         11
                                                                                             Vgl. ausführlich dazu Baumann (FN 2), N 182 ff.
              wird.                                                                     12
                                                                                             Vgl. dazu Bericht des Bundesrates vom 8. Dezember 2017 in Erfül-
          8
              BGE 138 I 378 E. 6.3.2; Hänni/Stöckli (FN 2), N 1717 ff.; Rhi-                 lung der Postulate 12.4172 FDP-Liberale Fraktion vom 13. Dezem-
              now/Schmid/Biaggini/Uhlmann (FN 1), § 18 N 53 ff.; Pierre                      ber 2012 und 15.3880 Schilliger vom 22. September 2015, Staat
              Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller, Allgemeines                           und Wettbewerb: Auswirkungen staatlich beherrschter Unterneh-
              Verwaltungsrecht, 4. A., Bern 2014, § 10 N 24f; Stefan Vogel,                  men auf die Wettbewerbsmärkte (zit. Bericht Staat und Wettbe-
              Der Staat als Marktteilnehmer: Voraussetzungen der Zulässigkeit                werb), 9 f., wonach es in der Praxis «kaum vorstellbar» ist, dass
              wirtschaftlicher Tätigkeit des Gemeinwesens in Konkurrenz zu Pri-              keine Wettbewerbsverzerrungen bei privatwirtschaftlicher Staats-
              vaten, Diss. Zürich 2000, 116 ff.                                              tätigkeit vorliegen.

Buch_AJP 7_2020.indb 888                                                                                                                                       18.06.20 14:56
Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften
                                                                              AJP/PJA 7/2020

                                                                                                                                                                    889

          ternehmens zu sorgen, und welches Instrumentarium ihm                         lichen Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorteilt werden.18
          dafür zur Verfügung steht (III.). Anschlies­send wird auf-                    Beispielsweise sind gewisse Kantonalbanken, die als
          gezeigt, welche Steuerungsmöglichkeiten auf Seiten des                        spezialgesetzliche Aktiengesellschaften organisiert sind,
          Trägergemeinwesens bestehen, um Wettbewerbsverzer-                            auf kantonaler Ebene teilweise von der Steuerpflicht
          rungen seiner öffentlichen Unternehmen zu unterbinden                         ausgenommen.19 Ebenfalls profitieren gewisse als Akti-
          (IV.). Schliesslich erfolgt eine zusammenfassende Würdi-                      engesellschaften konstituierte Elektrizitätsversorgungs-
          gung der Erkenntnisse (V.).                                                   unternehmen in manchen Kantonen von vollständigen
                                                                                        Steuerbefreiungen, obwohl sie neben der Erfüllung öf-
                                                                                        fentlicher Aufgaben auch privatwirtschaftliche Tätigkei-
          II.      Überblick über potenzielle Wettbe-                                   ten ausüben.20
                   werbsverzerrungen                                                        Informationsvorsprünge können öffentlichen Unter-
                                                                                        nehmen einen weiteren ungerechtfertigten Wettbewerbs-
          Wie einleitend bemerkt, ist die privatwirtschaftliche                         vorteil verschaffen. Öffentliche Unternehmen verfügen
          Staatstätigkeit nur zulässig, sofern sie wettbewerbsneutral                   aufgrund ihrer Staatsnähe, ihrer öffentlichen Aufgaben-
          ausgestaltet ist. Im Folgenden gilt es kurz die potenziel-                    bereiche oder infolge personeller Verflechtungen ihrer
          len Wettbewerbsverzerrungen durch privatwirtschaftliche                       Leitungsorgane über Zugang zu wettbewerbsrelevanten
          Staatstätigkeit darzustellen.                                                 Informationen, die für Konkurrenten nicht zugänglich
              Zunächst einmal kann die privatwirtschaftliche Tätig-                     sind.21
          keit öffentlicher Unternehmen von Finanzierungsvortei-                            Bei hybrid tätigen öffentlichen Unternehmen be-
          len profitieren. Verfügen öffentliche Unternehmen über                        steht zudem die Gefahr, dass deren privatwirtschaftliche
          (implizite oder explizite) Staatsgarantien, stellen sie für                   Leistungen quersubventioniert werden. Dabei werden
          ihre Gläubiger ein tieferes Ausfallrisiko dar. Das öffentli-                  innerhalb des öffentlichen Unternehmens Kosten- oder
          che Unternehmen kann deshalb Fremdkapital zu tieferen                         Erlösverlagerungen zu Lasten des öffentlichen Aufgaben-
          Zinsen aufnehmen als private Unternehmen.13 Beispiels-                        bereichs vorgenommen, um den privatwirtschaftlichen
          weise erteilen gewisse Ratingagenturen der Swisscom                           Unternehmensbereich zu begünstigen.22 Quersubventio-
          AG ein besseres Kreditrating, weil von einer staatlichen                      nierungen des privatwirtschaftlichen Bereichs können da-
          Unterstützung im Krisenfall ausgegangen wird.14 Die                           bei vom öffentlichen Unternehmen in erster Linie durch
          Swisscom AG verfügt daher über tiefere Fremdkapital-
          kosten als private Konkurrenten.15 Offen treten Finan-
          zierungsvorteile zudem zutage, wenn dem öffentlichen
          Unternehmen vom Gemeinwesen selbst Kredite zu ver-                            18
                                                                                             Capobianco/Christiansen (FN 16), 5; Hangartner (FN 10),
          günstigten Konditionen gewährt werden.16 Schliesslich                              245; Nielsen (FN 13), 59. Neben Steuervorteilen können zudem
                                                                                             weitere Regulierungsvorteile für öffentliche Unternehmen beste-
          sind auch Finanzierungsvorteile auf der Eigenkapitalseite                          hen (vgl. dazu die Beispiele bei Baumann [FN 2], N 246).
          zu beachten, die dadurch entstehen, dass das Trägerge-                        19
                                                                                             Vgl. umfassend zu den Steuervorteilen der Kantonalbanken
          meinwesen keine adäquate Verzinsung des Eigenkapitals                              KPMG, Potenzielle Steuerschuld der Kantonalbanken: Die finan-
          vom öffentlichen Unternehmen verlangt.17                                           ziellen Auswirkungen einer Unterstellung der steuerbefreiten Kan-
                                                                                             tonalbanken unter die Gewinn- und Kapitalsteuerpflicht im Jahr
              Weiter können öffentliche Unternehmen durch eine                               2016, Zürich 2018, 10. Darüber hinaus bestehen erhebliche Steuer-
          tiefere oder fehlende Besteuerung ihrer privatwirtschaft-                          vorteile bei öffentlichen Unternehmen, die als öffentlich-rechtliche
                                                                                             Anstalten konstituiert sind (vgl. dazu Baumann [FN 2], N 205 ff.,
                                                                                             sowie Bericht Staat und Wettbewerb [FN 12], 10).
          13
                Richard P. Nielsen, Competitive Advantages of State Owned               20
                                                                                             Markus Flatt/Thomas Zindel, Steuerpflicht von Schweizer
                and Controlled Businesses, Management International Review                   Energieversorgern: Kantonal geprägte, unterschiedliche Steuer­
                3/1981, 56 ff., 58; vgl. auch Bericht Staat und Wettbewerb (FN 12),          praxen im Kontext dynamischer Entwicklungen im Schweizer
                10; Hangartner (FN 10), 245; Karolin Herrmann, Öffentli-                     Energiemarkt, Aarau 2017, 5.
                che Unternehmen – Eine ökonomische Analyse kommunaler Wirt-             21
                                                                                             Capobianco/Christiansen (FN 16), 6; Walter A. Stoffel/­
                schaftstätigkeit, List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik              Nicolas Graber, L’assurance incendie et le droit de la concur-
                2014, 403 ff., 412 f.                                                        rence, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz/Bettina Hürli-
          14
                Bericht Staat und Wettbewerb (FN 12), 11.                                    mann-Kaup/Christiana Fountoulakis (Hrsg.), Une empreinte sur le
          15
                BVGer, A-7162/2008, 1.2.2010, E. 12.3 und 12.6; vgl. dazu auch               Code civil: Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern
                OECD, OECD Economic Surveys: Switzerland, Paris 2015, 16.                    2013, 839 ff., 853.
          16
                Antonio Capobianco/Hans Christiansen, Competitive Neu-                  22
                                                                                             Ausführlich zum Begriff der Quersubventionierung bei privat-
                trality and State-Owned Enterprises: Challenges and Policy Op-               wirtschaftlicher Staatstätigkeit Phil Baumann, Quersubventio-
                tions, OECD Corporate Governance Working Papers 1/2011, 6.                   nierungen bei privatwirtschaftlicher Staatstätigkeit, Jusletter vom
          17
                Nielsen (FN 13), 57.                                                         9.3.2020, N 5 ff.

Buch_AJP 7_2020.indb 889                                                                                                                                      18.06.20 14:56
Phil Baumann/Roman S. Gutzwiller
                                                                         AJP/PJA 7/2020

 890

          eine Fehlallokation von Kosten arrangiert werden.23 Dem                  III. Pflichten des Verwaltungsrates
          öffentlichen Aufgabenbereich werden Kosten angelastet,                        zur Sicherstellung der Wettbewerbs-
          die eigentlich im privatwirtschaftlichen Leistungsbereich                     neutralität
          angefallen sind. Besonders schwierig festzustellen sind
          Quersubventionierungen, die mittels einer Fehlallokation                 A.      Allgemeines
          von Gemeinkosten vorgenommen werden.24 Bei Gemein-
          kosten handelt es sich um Kosten, die nicht direkt einem                 Im System der schweizerischen Aktiengesellschaft sind
          Produkt zugeordnet werden können.25 Ein Beispiel dafür                   dem Verwaltungsrat unübertragbare und unentziehba-
          sind die Lizenzkosten für ein Computerprogramm, das                      re Kompetenzen zugewiesen; die Kompetenz, welche
          sowohl vom öffentlichen Aufgabenbereich als auch für                     die Funktion und die Aufgabe des Verwaltungsrates als
          privatwirtschaftliche Leistungen eines öffentlichen Un-                  strategisch-normatives Leitungs- und Aufsichtsorgan der
          ternehmens verwendet wird.                                               Aktiengesellschaft am deutlichsten hervorhebt, ist jene
              Von Quersubventionierungen zu unterscheiden sind                     der Oberleitung der Gesellschaft (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1
          Verbundvorteile von öffentlichen Unternehmen. Ver-                       OR).29 Die Oberleitung umfasst nach dem gesetzgeberi-
          bundvorteile oder «economies of scope» liegen vor, wenn                  schen Willen30 und einhelliger Lehre31 die strategische
          es günstiger ist, zwei oder mehrere Produkte in einem
          einzigen Unternehmen anstatt getrennt voneinander in                     29
                                                                                        Michael Wegmüller, Die Ausgestaltung der Führungs- und Auf-
          verschiedenen Unternehmen herzustellen.26 Durch die                           sichtsaufgaben des schweizerischen Verwaltungsrates, Diss. Bern
          Herstellung im Verbund werden die Ressourcen des öf-                          2008, 96, qualifiziert die Oberleitung zu Recht als die «ohne Zwei-
          fentlichen Unternehmens effizienter genutzt und damit                         fel […] wichtigste unübertragbare und unentziehbare Aufgabe des
                                                                                        Verwaltungsrates».
          die durchschnittlichen Gesamtkosten der hergestellten                    30
                                                                                        Vgl. Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Akti-
          Produkte reduziert.27 Beispiele hierfür sind Kostenerspar-                    enrechts, BBl 1983 II 745 ff., 921 f., wonach der Verwaltungsrat
          nisse, die dadurch entstehen, dass ein Bürogebäude, ein                       im Rahmen der Oberleitung mit der Entwicklung der strategischen
          Fuhrpark, eine Website, ein Softwareprogramm oder auch                        Ziele der Gesellschaft, der Festlegung der für die Zielerreichung
                                                                                        notwendigen Mittel und der Kontrolle über die Geschäftsführungs-
          eine Marke sowohl vom öffentlichen Aufgabenbereich                            organe im Hinblick auf die Verfolgung der vom Verwaltungsrat
          als auch vom privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich ei-                     festgelegten strategischen Ziele betraut ist.
          nes öffentlichen Unternehmens genutzt werden. Private                    31
                                                                                        Urs Bertschinger, Arbeitsteilung und aktienrechtliche Ver-
          Anbieter können diese Verbundvorteile nicht realisieren,                      antwortlichkeit, Zürich 1999, N 138; Peter Böckli, Schwei-
                                                                                        zer Aktienrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2009, § 13 N 305 ff.;
          da sie regelmäs­sig vom öffentlichen Aufgabenbereich                          Hans ­Caspar von der Crone, Aktienrecht, Bern 2014, § 4
          ausgeschlos­sen sind.28                                                       N 142; Dominik Erny, Oberleitung und Oberaufsicht, Diss. Zü-
                                                                                        rich 2000, 124; Peter Forstmoser, Aufgaben, Organisation und
                                                                                        Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates, ST 2002, 485 ff. (zit.
                                                                                        Forstmoser, Aufgaben), 488; Peter Forstmoser, Eingriffe
                                                                                        der Generalversammlung in den Kompetenzbereich des Verwal-
                                                                                        tungsrates – Möglichkeiten und Grenzen, SZW 1994, 169 ff. (zit.
                                                                                        Forstmoser, Eingriffe), 176; Peter Forstmoser, Organisation
                                                                                        und Organisationsreglement der Aktiengesellschaft, Zürich/Basel/
                                                                                        Genf 2011 (zit. Forstmoser, Organisation und Organisationsreg-
                                                                                        lement), § 8 N 19; Peter Forstmoser/Arthur Meier-Hayoz/
                                                                                        Peter ­Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 30 N 31
                                                                                        und 68; Gutzwiller (FN 6), N 19; Peter R. Isler, Verantwort-
                                                                                        lichkeit des Verwaltungsrates für Strategie-Entscheide, in: Rolf H.
                                                                                        Weber (Hrsg.), Praxis zum unternehmerischen Verantwortlich-
          23
               Timothy J. Brennan, Cross-subsidization and cost misalloca-              keitsrecht, Zürich 2004, 39 ff., 42; Peter R. Isler/Bertrand G.
               tion by regulated monopolists, Journal of Regulatory Economics           Schott, Die haftungsbefreiende Delegation von Aufgaben des Ver-
               2/1990, 37 ff., 40.                                                      waltungsrates, in: Peter R. Isler/Rolf Sethe (Hrsg.), Verantwortlich-
          24
               Vgl. Brennan (FN 23), 40; Michael Fritsch, Marktversagen                 keit im Unternehmensrecht VIII, Zürich/Basel/Genf 2016, 33 ff.,
               und Wirtschaftspolitik: Mikroökonomische Grundlagen staatlichen          44; Adrian W. Kammerer, Die unentziehbaren und unübertrag-
               Handelns, 10. A., München 2018, 216.                                     baren Kompetenzen des Verwaltungsrates, Diss. Zürich 1997, 139
          25
               Vgl. zu den Gemeinkosten Fritsch (FN 24), 216.                           und 141 ff.; Walter A. Stoffel, Le conseil d’administration et la
          26
               Vgl. dazu Fritsch (FN 24), 171 f.                                        responsabilité des administrateurs et réviseurs, in: Philippe Ciocca
          27
               Lucyne Ghazarian, Quersubventionierungen und Verbundvor-                 (Hrsg.), Le nouveau droit des sociétés anonymes, Lausanne 1993,
               teile im EU-Beihilferecht unter besonderer Berücksichtigung der          157 ff., 175; BSK OR II-Watter/Roth Pellanda, Art. 716a
               beihilferechtlichen Zugangsregulierung und Infrastrukturförde-           N 4, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Rolf Watter (Hrsg.),
               rung, Diss. Bonn, Berlin 2018, 22.                                       Obligationenrecht II, Basler Kommentar, 5. A., Basel 2016 (zit.
          28
               Ghazarian (FN 27), 53.                                                   BSK OR II-Verfasser); Wegmüller (FN 29), 96; Felix Rolf

Buch_AJP 7_2020.indb 890                                                                                                                                   18.06.20 14:56
Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften
                                                                              AJP/PJA 7/2020

                                                                                                                                                                   891

          Führung der Gesellschaft. Zur strategischen Führung ge-                       folgreichen Überwachung nötigen strukturellen Rahmen
          hören unter anderem die Auswahl und die Abgrenzung der                        setzt.39
          Geschäftsfelder32 – inklusive des bewussten Entscheides                           Das Aktienrecht verpflichtet damit den Gesamtver-
          darüber, welche Geschäftsaktivitäten das Unternehmen                          waltungsrat, im Rahmen des statutarisch definierten Tä-
          nicht verfolgen soll33 – sowie die Festlegung des konkre-                     tigkeitsfeldes der Aktiengesellschaft die wesentlichen
          ten Wettbewerbsverhaltens in denjenigen Geschäftsfel-                         Elemente der Strategie festzulegen und sicherzustellen,
          dern, in denen das Unternehmen aktiv ist. Da es sich bei                      dass die strategische Ausrichtung der Gesellschaft und
          der Oberleitung um eine unübertragbare und unentzieh-                         ihre wesentlichen operativen Abläufe mit der geltenden
          bare Aufgabe des Verwaltungsrates handelt (Art. 716a                          Rechtsordnung vereinbar sind. Diese Kompetenzordnung
          Abs. 1 Ziff. 1 OR), muss dieser eigenständig über die zu                      gilt auch für öffentliche Unternehmen im hier verstan-
          verfolgende Strategie entscheiden: Er kann zwar Vorbe-                        denen Sinne (also Aktiengesellschaften, die öffentlich
          reitungs- und Umsetzungsaufgaben der Geschäftsleitung                         beherrscht sind und/oder öffentliche Aufgaben wahrneh-
          überlassen34 und auch Meinungen der Aktionäre einholen                        men), jedenfalls soweit nicht ein Ermächtigungs- oder
          (und berücksichtigen), er trägt aber immer die letzte Ver-                    Organisationserlass Abweichendes vorsieht (vgl. dazu
          antwortung für die strategische Führung und amtet in die-                     unten IV.A.).
          sem Sinne als «letzte Entscheidungsinstanz».35                                    Bei öffentlichen Unternehmen obliegt es folglich dem
              Ferner muss der Verwaltungsrat zwingend eine Ober-                        Verwaltungsrat, das Wettbewerbsverhalten des Unterneh-
          aufsicht ausüben, insbesondere mit Blick auf die Befol-                       mens näher zu bestimmen und dabei diejenigen Mass-
          gung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen                          nahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsneutralität zu
          (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR).36 Gefordert ist keine stän-                    treffen, zu welchen das Unternehmen rechtlich verpflich-
          dige Legalitätskontrolle, doch wird erwartet, «dass der                       tet ist.
          Verwaltungsrat hinsichtlich allfälliger Rechts-, Statuten-
          oder Weisungsverletzungen sensibilisiert ist und, wenn                        B.      Umfang
          sich ein konkreter Anlass zum Verdacht einer Verletzung
          ergibt, sofort einschreitet».37 Die Oberaufsichtsaufgabe                      Einerseits ist für den Verwaltungsrat von Interesse, wel-
          des Verwaltungsrates ist eine kontinuierliche Aufgabe38                       che rechtlichen Regelungen zur Sicherstellung der Wett-
          und setzt voraus, dass der Verwaltungsrat den zu einer er-                    bewerbsneutralität bestehen. Andererseits obliegt es dann
                                                                                        dem Verwaltungsrat, jeweils zu prüfen, inwieweit diese
                                                                                        Bestimmungen auf die eigene Aktiengesellschaft Anwen-
                                                                                        dung finden.

                                                                                        1.      Verfassungsrechtliche Vorgaben
               Wunderer, Der Verwaltungsrats-Präsident, Diss. St. Gallen, Zü-
               rich 1995, 93.                                                           Vorerst stellt sich die Frage, inwieweit eine Aktienge-
          32
               Olivier Bastian, Délégation de compétences et répartition des
               tâches au sein du conseil d’administration, Diss. Lausanne 2010,         sellschaft, die staatlich beherrscht wird und/oder mit der
               83; Böckli (FN 31), § 13 N 307.                                          Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut wurde, an den
          33
               Böckli (FN 31), § 13 N 307; Peter Böckli, Die unentziehba-               verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wettbewerbsneu-
               ren Kernkompetenzen des Verwaltungsrates, Zürich 1994, 22. Vgl.          tralität gebunden ist. Die Antwort auf diese Frage hängt
               auch Michael E. Porter, What is Strategy?, Harvard Business
               Review 6/1996, 61 ff., 70: «The essence of strategy is choosing          davon ab, ob eine Grundrechtsbindung der Aktiengesell-
               what not to do» (Hervorhebung im Original).                              schaft bejaht wird. Besteht eine Grundrechtsbindung, hat
          34
               Böckli (FN 31), § 13 N 303a; Forstmoser, Aufgaben (FN 31),               die Aktiengesellschaft die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27
               488; Gutzwiller (FN 6), N 20; von der Crone (FN 31), § 4                 BV) und damit auch den Grundsatz der Wettbewerbs-
               N 142.
          35
               Wunderer (FN 31), 101.                                                   neutralität zu beachten.40 Wird entsprechend der bundes-
          36
               Diese in Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR explizit betonte normative
               Überwachung – d.h. die Überwachung hinsichtlich der Befolgung
               von Gesetzen, Statuten, Reglementen und Weisungen – stellt nur           39
                                                                                             Der Verwaltungsrat hat mit anderen Worten für die «Errichtung und
               einen Teil der gesamten Oberaufsicht dar, zu der auch eine betriebs-          die Festlegung der wesentlichen Grundzüge der Compliance-Or-
               wirtschaftliche Überwachung gehört (Böckli [FN 31], § 13 N 374;               ganisation» zu sorgen (Rolf Sethe/Fabio Andreotti, Compli-
               Erny [FN 31], 247 f.; Forstmoser, Organisation und Organisa-                  ance und Verantwortlichkeit, in: Peter R. Isler/Rolf Sethe [Hrsg.],
               tionsreglement [FN 31], § 8 N 65 f. und 67; BSK OR II-Watter/                 Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht VIII, Zürich/Basel/Genf
               Roth Pellanda [FN 31], Art. 716a N 24).                                       2016, 87 ff., 105).
          37
               Erny (FN 31), 249.                                                       40
                                                                                             Vgl. Patrick Schönbächler, Wettbewerbsneutralität staatlicher
          38
               BSK OR II-Watter/Roth Pellanda (FN 31), Art. 716a N 26.                       Massnahmen, Diss. Zürich 1998, N 171; vgl. auch Tobias Jaag,

Buch_AJP 7_2020.indb 891                                                                                                                                      18.06.20 14:56
Phil Baumann/Roman S. Gutzwiller
                                                                              AJP/PJA 7/2020

 892

          gerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich einem funk-                        neutralität auf ihre privatwirtschaftlichen Tätigkeiten aus.
          tionalen Verständnis gefolgt, sind Aktiengesellschaften                       Dies bedeutet konkret, dass der öffentliche Aufgabenbe-
          insoweit grundrechtsverpflichtet, als es sich bei der be-                     reich so auszugestalten und zu organisieren ist, dass er zu
          treffenden Tätigkeit um die Erfüllung einer öffentlichen                      keinen Wettbewerbsverzerrungen bei privatwirtschaftli-
          Aufgabe handelt.41 Demnach besteht zum einen für staat-                       chen Tätigkeiten der Aktiengesellschaft führt.46
          lich beherrschte Aktiengesellschaften, die keine öffent-                          Für den Verwaltungsrat stellt sich das Problem, dass im
          lichen Aufgaben erfüllen, keine Grundrechtsbindung.42                         Konkreten oftmals unklar bleibt, wo die Grenze zwischen
          Zum anderen beschränkt sich bei mit öffentlichen Auf-                         wettbewerbsneutralen und wettbewerbsverzerrenden
          gaben betrauten Aktiengesellschaften die Grundrechts-                         Praktiken liegt. So erachtete das Bundesgericht vorerst
          verpflichtung auf den öffentlichen Aufgabenbereich.43 In                      (allerdings im Rahmen einer abstrakten Normenkon­
          beiden Fällen ist die Aktiengesellschaft in ihrem privat-                     trolle) nur «systematische» Quersubventionierungen als
          wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich nicht grundrechtsge-                       unzulässig, wohingegen es in einem jüngeren Entscheid
          bunden und folglich auch nicht dem Grundsatz der Wett-                        jegliche Quersubventionierung der privatwirtschaftlichen
          bewerbsneutralität verpflichtet.44                                            Tätigkeit mit Mitteln aus dem öffentlichen Aufgabenbe-
              Dieses scheinbar klare Ergebnis unterliegt indessen                       reich als Verletzung der Wettbewerbsneutralität qualifi-
          zwei Einschränkungen: Erstens ist das funktionale Ver-                        zierte.47 Gewisse aus der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
          ständnis der Grundrechtsbindung in der Lehre keines-                          flies­sende Wettbewerbsvorteile, wie der Zugriff auf Kun-
          falls unumstritten; von einem Teil der Lehre wird postu-                      dendaten aus dem Monopolbereich oder das Angebot von
          liert, dass bei staatlich beherrschten Aktiengesellschaften                   Kombiprodukten, stufte das Bundesgericht im Entscheid
          auch im Falle privatwirtschaftlicher Tätigkeiten eine                         «Glarnersach» als nicht ins Gewicht fallend ein.48
          Grundrechtsbindung besteht.45 Zweitens strahlt bei hy­                            Zudem lässt sich für den Verwaltungsrat aus dem
          brid tätigen Aktiengesellschaften die im öffentlichen Auf-                    Grundsatz der Wettbewerbsneutralität kaum verbindlich
          gabenbereich geltende Verpflichtung zur Wettbewerbs-                          ableiten, welche konkreten Massnahmen zur Vermeidung
                                                                                        der jeweiligen Wettbewerbsverzerrungen getroffen wer-
                                                                                        den müssen. Beispielsweise genügt es zur Durchsetzung
               Der Staat als Aktionär, in: Hans Caspar von der Crone/Rolf H. We-        des Quersubventionierungsverbotes gemäss bundesge-
               ber/Roger Zäch/Dieter Zobl (Hrsg.), Neuere Tendenzen im Gesell-          richtlicher Rechtsprechung, wenn der öffentliche Aufga-
               schaftsrecht: Festschrift für Peter Forstmoser zum 60. Geburtstag,       benbereich vom privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich
               Zürich 2003, 379 ff., 387.
          41
               Vgl. BGE 129 III 35 E. 5.2, zumindest implizit bestätigt durch
                                                                                        finanziell getrennt ist.49 Demgegenüber wird in der Lehre
               BGE 138 I 274 E. 2.2.1 und BGE 138 I 289 E. 2.8.1; vgl. aber auch        die buchhalterische und finanzielle Trennung zuweilen als
               BGE 139 I 306 E. 3.2.2, wo eine Grundrechtsbindung der SRG im            unzureichend erachtet und eine strikte organisatorische
               Werbebereich bejaht wurde, da dieser der Finanzierung des vom            Aufteilung der beiden Bereiche gefordert, um Quersub-
               Leistungsauftrag erfassten Programmes dient; vgl. ausführlich zur
               betreffenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung Hansjörg Sei-
                                                                                        ventionierungen wirkungsvoll zu unterbinden.50
               ler, Praxis des Bundesgerichts zu Grundrechtsträgerschaft und
               Grundrechtsverpflichtung von gemischtwirtschaftlichen Unterneh-
               men und Unternehmen in Privatrechtsform, in: Véronique Boillet/          46
                                                                                             Vgl. BGE 138 I 289 E. 2.8.1, wonach ein hybrid tätiges Unterneh-
               Anne-Christine Favre/Vincent Martenet (Hrsg.), Le droit publique              men für eine Trennung der Geschäftsbereiche zu sorgen hat, um
               en mouvement: Mélanges en l’honneur du Professeur Etienne Pol-                Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die sich aus der Erfüllung
               tier, Zürich 2020, 745 ff., 752 ff.                                           einer öffentlichen Aufgabe ergeben.
          42
               A.M. indessen ein gewichtiger Teil der Lehre, der einem institutio-      47
                                                                                             BGE 143 II 425 E. 6.1 und 6.2; BGE 138 I 378 E. 9.1.
               nellen oder subjektbezogenen Verständnis der Grundrechtsbindung          48
                                                                                             BGE 138 I 378 E. 9.4 und 9.5; kritisch dazu Yvo Hangartner,
               folgt (vgl. dazu BSK BV-Waldmann [FN 9], Art. 35 N 26).                       Entscheidbesprechung zu BGer 2C_485/2010 vom 3. Juli 2012,
          43
               Seiler (FN 41), 763; vgl. auch Gutzwiller (FN 6), N 557 ff.                   AJP 2012, 1817 ff., 1821; Raphael Kraemer/Andreas Stöck-
          44
               Vgl. BGE 138 I 289 E. 2.8.1. Die mit der öffentlichen Aufgabe als             li, Grenzenlose Staatswirtschaft?, recht 2013, 28 ff., 29; Johan-
               Registerbetreiberin für die Top-Level-Domain «.ch» betraute Stif-             nes Reich, Gebäudeversicherung und «negative nachgeführte»
               tung Switch platzierte auf ihrer Website an prominenter Stelle einen          Bundesverfassung, AJP 2013, 1399 ff., 1411 f. In einem anderen
               Werbebalken für ihre privatwirtschaftlich tätige Tochtergesellschaft          Entscheid ging das Bundesgericht demgegenüber davon aus, dass
               switchplus AG, die in Konkurrenz zu anderen Domainnamenwie-                   die Synergieeffekte, welche aus der parallelen Erfüllung einer öf-
               derverkäufern stand. Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest,              fentlichen Aufgabe und dem Angebot von privatwirtschaftlichen
               dass die Konkurrenten gegenüber Switch im privatwirtschaftlichen              Leistungen resultieren, eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der
               Tätigkeitsbereich keinen grundrechtlichen Anspruch auf Gleichbe-              rein privatwirtschaftlich tätigen Konkurrenten darstellen (BGer,
               handlung haben.                                                               2C_1007/2015, 10.5.2016, E. 5.2).
          45
               Vgl. etwa Isabelle Häner, Grundrechtsgeltung bei der Wahr-               49
                                                                                             BGE 138 I 378 E. 9.2.
               nehmung staatlicher Aufgaben durch Private, AJP 2002, 1144 ff.,          50
                                                                                             Baumann (FN 2), N 50; Kraemer/Stöckli (FN 48), 38 f.; Wal-
               1150 f.; Jaag (FN 40), 387 f.                                                 ter A. Stoffel/Simon Murith, Entreprises publiques et droit de

Buch_AJP 7_2020.indb 892                                                                                                                                     18.06.20 14:56
Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften
                                                                             AJP/PJA 7/2020

                                                                                                                                                                   893

              Schliesslich sind einzelne Wettbewerbsverzerrungen                       wenn ein öffentliches Unternehmen Verbundvorteile da-
          aufgrund der vom Gemeinwesen gesetzten Rahmenbe-                             hingehend ausnutzt, dass ein Kombiprodukt mit Leis-
          dingungen vorgegeben und können vom Verwaltungsrat                           tungen aus dem öffentlichen Aufgabenbereich und dem
          daher ohne Zutun des Gemeinwesens nicht neutralisiert                        privatwirtschaftlichen Tätigkeitsfeld angeboten wird.54
          werden. Beispielsweise kann der Verwaltungsrat nicht ei-                     Bei den aufgeführten missbräuchlichen Verhaltensweisen
          genhändig eine vom Gemeinwesen gewährte Staatsgaran-                         ist allerdings immer zu prüfen, ob deren (weitere) Tatbe-
          tie aufheben.                                                                standsmerkmale gegeben sind. Damit kann es für den Ver-
                                                                                       waltungsrat auch unklar bleiben, inwiefern das Ausnüt-
          2.      Gesetzliche Vorgaben                                                 zen einer Wettbewerbsverzerrung eine missbräuchliche
                                                                                       Verhaltensweise darstellt. Dies gilt umso mehr, als sich
          Während der verfassungsrechtliche Grundsatz der Wett-                        gewisse Wettbewerbsverzerrungen – wie insbesondere
          bewerbsneutralität schwierig operationalisierbar ist,                        Finanzierungs- und Steuervorteile – kaum unter die miss-
          bestehen auf Gesetzesstufe konkretere und griffigere                         bräuchlichen Verhaltensweisen von Art. 7 KG einordnen
          Vorgaben zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen.                             lassen. Das Kartellrecht bietet dem Verwaltungsrat damit
          Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei dem Kartell-                            nur teilweise Leitplanken zum Umgang mit bestimmten
          recht zu, da gemäss dem Bundesgericht Wettbewerbs-                           wettbewerbsverzerrenden Verhaltensweisen. Der Verwal-
          verzerrungen in erster Linie mit den kartellrechtlichen                      tungsrat wird im Einzelfall sorgfältig abwägen müssen,
          Mitteln zu unterbinden sind.51 Öffentliche Unternehmen                       inwiefern Schritte zur Sicherstellung der Wettbewerbs-
          verfügen aufgrund ihrer öffentlichen Aufgabenbereiche                        neutralität umgesetzt werden sollen, um das Risiko kar-
          und gegebenenfalls damit verbundener Monopolrechte                           tellrechtlicher Untersuchungen auszuschlies­sen.55
          regelmäs­sig über eine marktbeherrschende Stellung. Da-                          Neben den kartellrechtlichen Schranken sind vom
          bei können sich gewisse Wettbewerbsverzerrungen als                          Verwaltungsrat Vorgaben aus weiteren Querschnittsre-
          Teil von unzulässigen Verhaltensweisen marktbeherr-                          gelungen wie beispielsweise dem Lauterkeitsrecht oder
          schender Unternehmen i.S.v. Art. 7 KG manifestieren.52                       auch dem Beschaffungsrecht zu beachten.56 So können
          Beispielsweise kommen bei Quersubventionierungen na-                         sich Verletzungen der Wettbewerbsneutralität in Verga-
          mentlich die Tatbestände einer unzulässigen Ungleichbe-                      beverfahren für öffentliche Unternehmen gravierend aus-
          handlung von Handelspartnern (i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. b                    wirken. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts sind
          KG) sowie eine Preisunterbietung (i.S.v. Art. 7 Abs. 2                       Anbieter mit «staatlichem Hintergrund», die gegen den
          lit. d KG) in Betracht. Dabei bestehen gemäss der bisheri-                   Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verstos­sen, nach
          gen Praxis des Sekretariats der WEKO bereits Anzeichen                       Art. 11 BöB vom Vergabeverfahren auszuschlies­sen.57
          für eine allenfalls missbräuchliche Quersubventionierung,                        Spezifische Verpflichtungen zur Vermeidung einzel-
          wenn das öffentliche Unternehmen seinem privatwirt-                          ner Wettbewerbsverzerrungen finden sich zuweilen in
          schaftlichen Bereich Leistungen zu nicht marktkonfor-
          men Konditionen gewährt, es dessen strukturelle Defizite
          deckt oder es von diesem Leistungen zu überhöhten Prei-                      54
                                                                                            Vor diesem Hintergrund hat sich beispielsweise die Gebäudever-
          sen bezieht.53 Ein missbräuchliches Koppelungsgeschäft                            sicherung Bern dazu verpflichtet, keine Koppelungsgeschäfte
          i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. f KG wiederum kann vorliegen,                           anzubieten und keine gemeinsamen Werbeaktionen für die ob-
                                                                                            ligatorische Gebäudeversicherung und die angebotenen privat-
                                                                                            wirtschaftlichen Versicherungen durchzuführen (vgl. dazu RPW
                                                                                            2011/4, 483 ff., N 166 f., Gebäudeversicherung Bern [GVB]).
               la concurrence, in: Inge Hochreutner/Walter A. Stoffel/Marc Am-         55
                                                                                            So hat sich die Gebäudeversicherung Bern gegenüber dem Sekre-
               stutz (Hrsg.), 10. Tagung zum Wettbewerbsrecht: Verfahrensrecht,             tariat der WEKO zu sehr weitgehenden Massnahmen verpflichtet
               staatliche Wirtschaftstätigkeit und algorithmenbasierte Kartelle,            (RPW 2011/4, 483 ff., N 167, Gebäudeversicherung Bern [GVB]):
               Bern 2019, 35 ff., 46; Hans R. Trüeb, GUSTAVO und andere                     unterschiedliche Besetzung der Leitungsorgane, Einhaltung ei-
               Wege zum Wettbewerb, in: Markus Rüssli/Julia Hänni/Reto Häggi                nes Datenschutzkonzepts, Zurverfügungstellung von Monopol-
               Furrer (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht auf vier Ebenen: Fest-          Datensätzen an Konkurrenten, keine Koppelungsgeschäfte, keine
               schrift für Tobias Jaag, Zürich/Basel/Genf 2012, 355 ff., 365.               gemeinsamen Werbeaktionen, ausschliesslich marktgerechte Dar-
          51
               BGE 138 I 378 E. 9.4; BGE 138 I 289 E. 2.8.1; vgl. zur Anwend-               lehen an privatwirtschaftlich tätige Tochtergesellschaften.
               barkeit des Kartellgesetzes bei privatwirtschaftlicher Staatstätig-     56
                                                                                            Vgl. dazu Baumann (FN 2), N 441 ff.
               keit Baumann (FN 2), N 390 m.w.H.                                       57
                                                                                            BGE 143 II 425 E. 4.5. In casu hatte die Universität Zürich in ihrer
          52
               Vgl. ausführlich zur Einordnung der einzelnen Wettbewerbsverzer-             Offerte ans BAKOM zur Analyse des Online-Angebots der SRG
               rungen unter die kartellrechtlichen Tatbestände Baumann (FN 2),              den erheblichen Stundenaufwand der Projektverantwortlichen
               N 387 ff.                                                                    nicht berücksichtigt, wodurch diese Aufwendungen vom öffentli-
          53
               RPW 2014/1, 79 ff., N 85 ff. und 127 ff., Eignerstrategie Energie            chen Aufgabenbereich getragen und damit quersubventioniert wor-
               Wasser Bern (ewb).                                                           den wären.

Buch_AJP 7_2020.indb 893                                                                                                                                      18.06.20 14:56
Phil Baumann/Roman S. Gutzwiller
                                                                             AJP/PJA 7/2020

 894

          den sektoriellen Regelungen. Das Postgesetz (PG)58 ent-                      3.      Vorgaben aus Reputationsgründen
          hält in Art. 19 Abs. 1 ein ausdrückliches Quersubventio-
          nierungsverbot, wobei der Begriff und der Nachweis der                       Abgesehen von diesen rechtlichen Vorgaben zur Vermei-
          Quersubventionierung auf Verordnungsstufe umfassend                          dung von Wettbewerbsverzerrungen kann sich für den
          konkretisiert werden.59 Für die zahlreichen in der Elek-                     Verwaltungsrat eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung
          trizitätsversorgung tätigen öffentlichen Unternehmen                         der privatwirtschaftlichen Tätigkeit auch aus taktischen
          verbietet das Stromversorgungsgesetz (StromVG)60 in                          Gründen aufdrängen. Steht bei einem öffentlichen Un-
          Art. 10 Abs. 1 Quersubventionierungen zwischen dem                           ternehmen der Vorwurf im Raum, dass es im Wettbewerb
          Netzbetrieb und den übrigen Tätigkeitsbereichen. Zu                          über längere Spiesse verfügt, droht ein Eingriff seitens
          diesem Zweck ist gemäss Art. 10 Abs. 3 StromVG der                           der Politik. Wie insbesondere die Erfahrungen aus dem
          Verteilnetzbereich zumindest buchhalterisch von den an-                      Kanton Bern zeigen, kann es in dieser Konstellation zu
          deren Tätigkeitsbereichen zu entflechten. Dabei haben                        politischen Kampagnen und Vorstös­sen kommen, die
          die Netzbetreiber die Gemeinkosten über sachgerechte,                        den zukünftigen Entfaltungsspielraum des öffentlichen
          nachvollziehbare und dem Grundsatz der Stetigkeit ent-                       Unternehmens einzuschränken drohen.64 Der Verwal-
          sprechende Kostenschlüssel verursachergerecht zuzu-                          tungsrat kann vor diesem Hintergrund entscheiden, un-
          ordnen. Daneben sieht das StromVG auch Regelungen                            ternehmensintern einen strengeren Massstab bezüglich
          zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen aufgrund                          der Wettbewerbsneutralität anzulegen, als es rechtlich
          von Informationsvorteilen vor.61 Gemäss Art. 10 Abs. 2                       erforderlich ist. Damit sorgt er diesbezüglich für eine ein-
          StromVG dürfen aus dem Netzbetrieb gewonnene sen-                            wandfreie Reputation des öffentlichen Unternehmens und
          sible Informationen nicht für andere Tätigkeitsbereiche                      reduziert dadurch das Risiko, dass dem privatwirtschaftli-
          (und damit insbesondere nicht für privatwirtschaftliche                      chen Geschäftsbereich von Seiten der Politik Einschrän-
          Aktivitäten) genutzt werden. Daher ist es beispielswei-                      kungen auferlegt werden.
          se unzulässig, Kundenadressen aus dem Netzbetrieb für
          privatwirtschaftliche Werbeaktionen zu verwenden.62                          C.      Instrumentarium
          Schliesslich können auch auf kantonaler oder kommuna-
          ler Ebene verbindliche gesetzliche Vorgaben bezüglich                        Der Verwaltungsrat hat im Rahmen seiner unübertrag-
          Wettbewerbsverzerrungen bestehen. So legt beispielswei-                      baren Aufgaben dafür zu sorgen, dass die rechtlichen
          se Art. 7 Abs. 1 des Gebäudeversicherungsgesetzes des                        Vorgaben bezüglich der Sicherstellung der Wettbewerbs-
          Kantons Bern63 fest, dass die Gebäudeversicherung Bern                       neutralität eingehalten werden. Welche Instrumente vom
          ihre privatwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht mit Erträgen                   Verwaltungsrat zur Vermeidung von Wettbewerbsverzer-
          aus dem Monopolbereich vergünstigen darf.                                    rungen eingesetzt werden können oder müssen, hängt von
                                                                                       der jeweiligen Wettbewerbsverzerrung und den darauf an-
                                                                                       wendbaren rechtlichen Bestimmungen ab. Grundsätzlich
                                                                                       steht dem Verwaltungsrat ein breites Instrumentarium zur
                                                                                       Sicherstellung der Wettbewerbsneutralität zur Verfügung:
                                                                                       – Allgemein kann der Verwaltungsrat im Rahmen der
          58
               Postgesetz vom 17. Dezember 2010 (PG; SR 783.0).                           Festlegung der Organisation der Aktiengesellschaft
          59
               Vgl. für die Definition der Quersubventionierung Art. 48 Abs. 1 der
               Postverordnung vom 29. August 2012 (VPG; SR 783.01) und für
                                                                                          eine organisatorische Ausgliederung des privatwirt-
               den Nachweis der Einhaltung des Quersubventionierungsverbotes              schaftlichen Tätigkeitsbereichs in eine eigene Toch-
               Art. 55 Abs. 3 und 4 VPG; vgl. dazu auch die Weisung 1/2013 der            tergesellschaft vornehmen.65 Tatsächlich dürfte mit
               PostCom zuhanden der Schweizerischen Post betreffend den Nach-
               weis der Einhaltung des Quersubventionierungsverbots im Einzel-
               fall vom 15. März 2013.
          60
               Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Stromversorgung                 64
                                                                                            Vgl. dazu die Kampagne «Fair ist anders!» des Gewerbeverbands
               (Strom­versorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7).                                Berner KMU, die insbesondere auf die privatwirtschaftlichen Tä-
          61
               Vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2004 zur Änderung des Elektrizi-              tigkeiten der BKW abzielt (Internet: http://www.fair-ist-anders.ch
               tätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz, BBl 2004 1611 ff.,              [Abruf 26.5.2020]). Dabei wurde beispielsweise eine Motion im
               1649.                                                                        Grossen Rat des Kantons Bern eingereicht, die «mehr Transparenz
          62
               Vgl. ElCom, Informationsveranstaltungen für Netzbetreiber 2019,              und gleichlange Spiesse für BKW-Tochterfirmen» fordert (Moti-
               Internet: https://www.elcom.admin.ch/elcom/de/‌home/dokumenta                on 223-2019). Mittlerweile hat auch der Kantonal-Solothurnische
               tion/veranstaltungen/informationsveranstaltungen-fuer-netzbetrei             Gewerbeverband eine «Fair ist anders»-Kampagne lanciert (Inter-
               ber.html (Abruf 26.5.2020), 23 f.                                            net: https://www.fairistanders-so.ch [Abruf 26.5.2020]).
          63
               Gebäudeversicherungsgesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 2010            65
                                                                                            Eine verfassungsrechtliche Pflicht dazu besteht indessen nicht
               (GVG/BE; BSG 873.11).                                                        (BGE 138 I 378 E. 9.2).

Buch_AJP 7_2020.indb 894                                                                                                                                    18.06.20 14:56
Wettbewerbsneutralität öffentlicher Unternehmen als Aktiengesellschaften
                                                                              AJP/PJA 7/2020

                                                                                                                                                                    895

            rechtlich getrennten Einheiten die Gefahr von Wett-                              tieren könnten.71 Dies beinhaltet beispielsweise, dass
            bewerbsverzerrungen, die aus problematischen Ver-                                die Mitarbeiter eindeutig entweder dem öffentlichen
            flechtungen zwischen den beiden Tätigkeitsbereichen                              Aufgabenbereich oder dem privatwirtschaftlichen Ge-
            resultieren, reduziert werden.66                                                 schäftsbereich zugewiesen und anschlies­send räum-
          – Weiter kann der Verwaltungsrat in Weisungen vorge-                               lich voneinander getrennt werden. Ebenfalls darunter
            ben, was das öffentliche Unternehmen in seinen pri-                              fallen Zutrittsbeschränkungen sowie Einschränkungen
            vatwirtschaftlichen Tätigkeiten zu tun und zu unter-                             der Zugriffsberechtigungen auf EDV-Systeme, in de-
            lassen hat.67 Beispielsweise kann mittels Weisungen                              nen wettbewerbsrelevante Informationen des öffentli-
            dem Management untersagt werden, Kombi-Produkte                                  chen Aufgabenbereichs verwaltet werden.
            aus dem öffentlichen Aufgabenbereich und der privat-                        Während somit für gewisse Wettbewerbsverzerrungen
            wirtschaftlichen Tätigkeit anzubieten oder gemeinsa-                        durchaus ein geeignetes Instrumentarium für den Verwal-
            me Werbung für die beiden Geschäftsbereiche zu be-                          tungsrat besteht, gestaltet sich der Umgang mit Wettbe-
            treiben. Ebenfalls können dem privatwirtschaftlichen                        werbsverzerrungen, die nur beschränkt im Einflussbereich
            Tätigkeitsbereich marktkonforme Renditeziele gesetzt                        des Verwaltungsrates liegen, schwieriger. Beispielsweise
            werden.                                                                     kann der Verwaltungsrat kaum dagegen vorgehen, dass
          – Massnahmen im Bereich des Rechnungswesens ste-                              namentlich Lieferanten und Kreditoren dem öffentlichen
            hen bei Quersubventionierungen im Vordergrund. So                           Unternehmen aufgrund impliziter oder expliziter Staats-
            hat das Rechnungswesen von hybrid tätigen Aktienge-                         garantien eine höhere Kreditwürdigkeit zugestehen, was
            sellschaften den privatwirtschaftlichen Bereich buch-                       sich in entsprechend vorteilhaften Zahlungs- und Kredit-
            halterisch getrennt vom öffentlichen Aufgabenbereich                        bedingungen widerspiegelt.
            zu führen.68 Ebenfalls ist für den privatwirtschaftli-
            chen Geschäftsbereich eine separate Finanzplanung
                                                                                        D.      Verantwortlichkeit
            vorzunehmen.69 Vom Verwaltungsrat können auch
            Methoden vorgegeben werden, anhand derer zu prü-                            Jeder vom Verwaltungsrat zu treffende Entscheid fällt in
            fen ist, ob die privatwirtschaftlichen Preise tatsächlich                   eine von zwei Kategorien: Er ist entweder in dem Sinne
            quersubventionierungsfrei sind.70                                           gebunden, dass dem Verwaltungsrat kein Auswahlermes-
          – Organisatorische Massnahmen können auch im Zu-                              sen zusteht, sondern ihm durch das Gesetz oder die Statu-
            sammenhang mit Informationsvorteilen getroffen                              ten eine eindeutige Handlungs- oder Unterlassungspflicht
            werden. Namentlich können Informationsbarrieren                             auferlegt wird,72 oder aber er ist, bei Abwesenheit einer
            (sog. Chinese walls) zwischen den beiden Geschäfts-                         gesetzlichen oder statutarischen Verhaltensbestimmung,
            bereichen implementiert werden. Darunter sind in die-                       ungebunden. Im letzteren Fall spricht man von einem
            sem Zusammenhang Massnahmen zu verstehen, die                               Geschäftsentscheid (business decision), für welchen den
            den Austausch von Informationen verhindern, soweit                          Mitgliedern des Verwaltungsrates ein sog. Geschäftser-
            daraus ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile resul-                         messen zukommt.73

                                                                                        71
                                                                                             Angelehnt an die Umschreibung von Informationsbarrieren in
          66
               Vincent Martenet, L’État en concurrence avec le secteur privé –               Art. 25 lit. b der Verordnung vom 6. November 2019 über die Fi-
               Enjeux en matière d’égalité et de neutralité, in: Véronique Boillet/          nanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsverordnung, FIDLEV;
               Anne-Christine Favre/Vincent Martenet (Hrsg.), Le droit publique              SR 950.11).
               en mouvement: Mélanges en l’honneur du Professeur Etienne Pol-           72
                                                                                             Rolf Sethe, Geschäftsentscheide, Expertenrat und Verantwort-
               tier, Zürich 2020, 675 ff., 685; ebenso Stoffel/Murith (FN 50),               lichkeit des Verwaltungsrats, in: Rolf Sethe/Peter R. Isler (Hrsg.),
               46.                                                                           Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht VII, Zürich/Basel/Genf
          67
               Vgl. zur Oberleitung der Gesellschaft und zur Erteilung der nötigen           2014, 173; Sethe/Andreotti (FN 39), 151 f.
               Weisungen Christoph B. Bühler, in: Lukas Handschin (Hrsg.),              73
                                                                                             Böckli (FN 31), § 13 N 581; Dieter Gericke/Stefan Waller,
               Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, Art. 698–726 und 731b                   Business Judgment oder Judge’s Business – Die Überprüfung von
               OR, Die Aktiengesellschaft, Generalversammlung und Verwal-                    Geschäftsentscheidungen im Lichte der Praxis des Bundesgerichts,
               tungsrat, Mängel in der Organisation, 3. A., Zürich 2018 (zit. ZK-            in: Peter V. Kunz/Florian S. Jörg/Oliver Arter (Hrsg.), Entwick-
               Bühler), Art. 716a OR N 39 f.                                                 lungen im Gesellschaftsrecht IX, Bern 2014, 287 ff., 293; Gutz-
          68
               Vgl. BGE 138 I 378 E. 9.2.                                                    willer (FN 6), N 604; Alexander Nikitine, Die aktienrechtli-
          69
               Vgl. BGE 138 I 378 E. 9.2; vgl. allgemein zur Finanzplanung ZK-               che Organverantwortlichkeit nach Art. 754 Abs. 1 OR als Folge
               Bühler (FN 67), Art. 716a OR N 76 ff.                                         unternehmerischer Fehlentscheide, Diss. Zürich 2007, 163 ff.;
          70
               Vgl. zu den Methoden Baumann (FN 22), N 12 ff.                                Hans-Ueli Vogt/Michael Bänziger, Das Bundesgericht aner-

Buch_AJP 7_2020.indb 895                                                                                                                                       18.06.20 14:56
Phil Baumann/Roman S. Gutzwiller
                                                                               AJP/PJA 7/2020

 896

              Wo das Gesetz das öffentliche Unternehmen in die                               Nach der in der Schweiz inzwischen von Rechtspre-
          Pflicht nimmt, aus Gründen der Wettbewerbsneutralität                          chung75 und Lehre76 anerkannten Business Judgment Rule
          eine bestimmte Massnahme zu treffen oder ein bestimm-                          legen sich die Gerichte bei der nachträglichen gerichtli-
          tes wettbewerbliches Verhalten zu unterlassen, verfügt                         chen Beurteilung von Geschäftsentscheiden Zurückhal-
          der Verwaltungsrat über kein Geschäftsermessen. Der                            tung auf, wenn diese «in einem einwandfreien, auf einer
          von ihm zu treffende Entscheid ist gebunden: Der Verwal-                       angemessenen Informationsbasis beruhenden und von
          tungsrat hat sicherzustellen, dass sich das von ihm geleite-                   Interessenkonflikten freien Entscheidprozess zustande
          te öffentliche Unternehmen an die rechtlich verbindlichen                      gekommen sind».77 Solange ein Geschäftsentscheid mit
          Regeln des Wettbewerbsverhaltens hält; eine Alternative                        der gebotenen Sorgfalt und unter Berücksichtigung der
          dazu gibt es nicht, wollen sich die Organmitglieder nicht                      Interessen der Gesellschaft getroffen wurde, wird er – im
          dem Risiko einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeit
          und allfälligen persönlichen Sanktionsrisiken74 ausset-                        75
                                                                                              BGE 139 III 24 E. 3.2; BGer, 4A_268/2018, 18.11.2019, E. 6.5.1;
          zen. Der Verwaltungsrat kann sich also nicht über das                               BGer, 4A_623/2018, 31.7.2019, E. 3.1; BGer, 4A_259/2016
          Quersubventionierungsverbot hinwegsetzen mit dem Ar-                                und 4A_267/2016, 13.12.2016, E. 5.1; BGer, 4A_603/2014,
          gument, es sei – beispielsweise mit Blick auf den ange-                             11.11.2015, E. 7.1.1; BGer, 4A_219/2015, 8.9.2015, E. 4.2.1;
          strebten Ausbau des Marktanteils – im längerfristigen In-                           BGer, 4A_626/2013 und 4A_4/2014, 8.4.2014, E. 5.1; BGer,
                                                                                              4A_97/2013, 28.8.2013, E. 5.2; BGer, 4A_15/2013, 11.7.2013,
          teresse des Gesamtunternehmens, wenn eine strategische                              E. 6.1; BGer, 4A_373/2012, 20.11.2012, E. 3.2; BGer, 4A_74/2012,
          Geschäftseinheit des Unternehmens massgeblich durch                                 18.6.2012, E. 5.1.
          eine andere strategische Geschäftseinheit, die öffentliche                     76
                                                                                              Urs Bertschinger, Arbeitsteilung und aktienrechtliche Verant-
          Aufgaben wahrnimmt, finanziert wird.                                                wortlichkeit, Zürich 1999, N 188; Böckli (FN 31), § 18 N 581 ff.;
                                                                                              Alex Christen, «Quo vadis, BJR?», AJP 2015, 123 ff.; Joachim
              Inwieweit das öffentliche Unternehmen trotz fehlen-                             Frick, Die Business Judgment Rule als Beitrag zur Systematisie-
          der Rechtspflicht spezifische Handlungs- oder Unterlas-                             rung des Verantwortlichkeitsrechts, in: Hans Caspar von der Crone/
          sungsmöglichkeiten, die zu Wettbewerbsvorteilen führen                              Rolf H. Weber/Roger Zäch/Dieter Zobl (Hrsg.), Neuere Tenden-
          könnten, ausschlägt mit dem Ziel, sich wettbewerbsneu­                              zen im Gesellschaftsrecht: Festschrift für Peter Forstmoser zum
                                                                                              60. Geburtstag, Zürich 2003, 509 ff.; Andrew M. Garbarski,
          tral zu verhalten, ist ein Geschäftsentscheid. Die Mitglie-                         La responsabilité civile et pénale des organes dirigeants de sociétés
          der des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung sowie                             anonymes, Diss. Lausanne, Genf 2006, 118 ff.; Gericke/Waller
          allfällige faktische Organe haften selbstverständlich auch                          (FN 73), 287 ff.; BSK OR II-Gericke/Waller (FN 31), Art. 754
          für Geschäftsentscheide, soweit sie in kausaler Weise ei-                           N 31 ff.; Lukas Glanzmann, Die Verantwortlichkeitsklage unter
                                                                                              Corporate-Governance-Aspekten, ZSR 2000 II, 135 ff., 164 ff.;
          nen Schaden bewirken. Vorausgesetzt ist freilich immer,                             Lukas Glanzmann/Matthias Wolf, Sanierung von Tochterge-
          dass der zur Beurteilung stehende Entscheid in Verletzung                           sellschaften, SJZ 2014, 1 ff., 6 f.; Andrea R. Grass, Business
          einer Pflicht getroffen oder umgesetzt wurde (Art. 754                              judgment rule, Diss. Zürich 1998 (zit. Grass, Business judgment
          Abs. 1 OR).                                                                         rule), passim; Andrea R. Grass, Management-Entscheidungen
                                                                                              vor dem Richter, SZW 2000, 1 ff. (zit. Grass, Management-
                                                                                              Entscheidungen), 1 ff.; Gutzwiller (FN 6), N 604 ff.; Stefan
                                                                                              Hasenböhler, Die Haftungsvoraussetzungen der Verantwortlich-
                                                                                              keitsklage nach Art. 754 OR im Vergleich zum US-amerikanischen
                                                                                              Recht, Diss. Basel, Zürich/Basel/Genf 2003, 69 ff.; Peter R.
                                                                                              ­Isler, Sorgfalt und Haftung des Verwaltungsrates, in: Rolf H.
                                                                                              Weber (Hrsg.), Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht, Zürich/
                                                                                              Basel/Genf 2003, 1 ff., 4; Isler (FN 31), 39 ff.; Daniel Jenny,
                                                                                              Abwehrmöglichkeiten von Verwaltungsratsmitgliedern in Ver-
                                                                                              antwortlichkeitsprozessen, Diss. Zürich, Zürich/St. Gallen 2012,
                                                                                              N 787 ff.; ­Nikitine (FN 73), 95 ff.; Sethe (FN 72), 165 ff.; Vogt/
                                                                                              Bänziger (FN 73), ­GesKR 2012, 607 ff.; Hans Caspar von der
               kennt die Business Judgment Rule als Grundsatz des Aktienrechts,               Crone, Haftung und Haftungsbeschränkung in der aktienrechtli-
               ­GesKR 2012, 607 ff., 611.                                                     chen Verantwortlichkeit, SZW 2006, 2 ff., 5 ff.; BSK OR II-Wat-
          74
                Zur Illustration eines solchen persönlichen Sanktionsrisikos sei auf          ter/Roth Pellanda (FN 31), Art. 717 N 6. Ein Teil der Lehre
                Art. 29 StromVG hingewiesen, wonach der Verstoss gegen buch-                  äus­sert sich dagegen kritisch zur richterlichen Zurückhaltung bei
                halterische oder informatorische Entflechtung mit einer Bus­se von            der Überprüfung von Geschäftsentscheidungen (vgl. beispiels-
                bis zu CHF 100’000 (bei vorsätzlicher Begehung) bzw. von bis zu               weise Harald Bärtschi, Verantwortlichkeit im Aktienrecht,
                CHF 20’000 (bei fahrlässiger Begehung) bestraft wird. Auch bei                Diss. Zürich 2001, 404 ff.; Mischa Kissling, Der Mehrfachver-
                Verstös­sen gegen eine einvernehmliche Regelung, eine rechtskräf-             waltungsrat, Diss. Zürich, Zürich/Basel/Genf 2006, N 479 ff.;
                tige Verfügung der Wettbewerbsbehörden oder einen Entscheid der               ­ eter V. Kunz, Business Judgment Rule [BJR] – Fluch oder Se-
                                                                                              P
                Rechtsmittelinstanzen im Kartellrecht und bei gewissen Wettbe-                gen?, SZW 2014, 274 ff.; ­Peter V. Kunz, Der Minderheitenschutz
                werbsverhaltensweisen, die als unlauter qualifiziert werden, drohen           im schweizerischen Aktienrecht, Habil. Bern 2001, § 6 N 115 ff.).
                Strafen (Art. 54 KG und Art. 23 UWG).                                    77
                                                                                              BGer, 4A_74/2012, 18.6.2012, E. 5.1.

Buch_AJP 7_2020.indb 896                                                                                                                                         18.06.20 14:56
Sie können auch lesen