Whistleblowing - Handlungsbedarf und Geschäftsfeld für Unternehmervertraute? - Dr. Jens Hausmanns Dr. Markus Haggeney

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Whistleblowing - Handlungsbedarf und Geschäftsfeld für Unternehmervertraute? - Dr. Jens Hausmanns Dr. Markus Haggeney
Whistleblowing –
Handlungsbedarf und
Geschäftsfeld für
Unternehmervertraute?

Dr. Jens Hausmanns
Dr. Markus Haggeney
Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht
15. September 2020
Agenda - Worum geht‘s eigentlich?

Compliance ist organisierte Haftungsprävention – Compliance-
Beratung ist mehr als ein Spiel mit der Angst, sondern
wesentlicher Baustein einer umfassenden Beratung durch
Unternehmervertraute!

A. Grundzüge und Konzept der „EU-Whistleblower-Richtlinie“ → Einrichtung eines
   digitalen Hinweisgebersystems als Rechtspflicht?!

B. Das „Verbandssanktionengesetz“ als Anlass für eine Prüfung des Compliance
   Management

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„EU-Whistleblower-Richtlinie“

Der Weg zur Richtlinie

    ▪   Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23.10.2019 „zum Schutz von Personen, die
        Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ tritt am 16.12.2019 in Kraft
         → Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten grunds. bis zum 17.12.2021

    ▪   EU-Parlament verabschiedet im April 2019 die „Whistleblower-Richtlinie“
         → https://www.aulinger.eu/news/whistleblower/

    ▪   Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission im April 2018 – getrieben
        vom Parlament – (noch inkl. Vorrangs des internen Whistleblowings)

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„EU-Whistleblower-Richtlinie“

Gründe und Ziele der Richtlinie

    ▪   ausgewogener und effizienter Schutz des Whistleblowers vor Repressalien –
        insbesondere durch Wahrung der Vertraulichkeit seiner Identität
        (Eckpfeiler des Schutzsystems)

    ▪   generelle Förderung des Whistleblowings – Pflicht zur Einrichtung von
        Hinweisgebersystemen unabhängig vom Unternehmensgegenstand

    ▪   Stärkung von Transparenz und Verantwortlichkeit (Rechtsdurchsetzung z.B. im
        Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe – Verhinderung von Korruption)

    ▪   Festlegung Mindeststandards für Harmonisierung des Hinweisgeberschutzes
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„EU-Whistleblower-Richtlinie“

EU-Richtlinie „kurz zusammengefasst“

    ▪   juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern
        müssen Kanäle für interne Meldungen einrichten → Whistleblowing nicht mehr
        nur ein playing field für Großkonzerne, sondern auch für den Mittelstand und
        damit auch für die Unternehmervertrauten!

    ▪   Richtlinie: Verstöße gegen Unionsrecht (z.B. öffentl. Auftragswesen) – National:
        Befugnis der Mitgliedsstaaten zur Schutzausdehnung auf andere Bereiche

    ▪   in Kraft seit 16.12.2019; Umsetzungsfrist grunds. bis zum 17.12.2021

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„EU-Whistleblower-Richtlinie“

EU-Richtlinie „kurz zusammengefasst“

    ▪   funktionierende interne Meldekanäle sollen gegenüber externen Kanälen
        bevorzugt werden – aber nur Anreize, grunds. besteht Gleichlauf der Kanäle

    ▪   Schutz des Hinweisgebers und Förderung von Hinweisen durch Festlegung von
        Mindeststandards – effektive, vertrauliche und sichere Meldekanäle

    ▪   Eingangsbest. 7 Tage, ordnungsgem. Folgemaßnahmen, Rückmeldung 3 Monate

    ▪   Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers muss gewahrt bleiben

    ▪   Verbot von Repressalien und Schutzmaßnahmen – z.B. Beweislastumkehr
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Hinweisgebersysteme als Compliance-Baustein

Aktuelle Rechtslage bis zur Umsetzung der Richtlinie

    ▪   Geschäfts- und Verwaltungsleiter genießen bei Entscheidungen zur Compliance-
        Organisation Ermessensspielraum i.S.d. Business Judgement Rule (BJR)

    ▪   Leitern obliegt es i.R.d. BJR aktuell noch zu bestimmen, ob das Risikoprofil des
        Unternehmens (Art, Größe, Organisationsform, Mitarbeiteranzahl,
        Pflichtenlage) die Einrichtung eines Whistleblowing-Systems erfordert

    ▪   Geschäfts- und Verwaltungsleiter sollten sich mit einem Hinweisgebersystem
        auseinandersetzen, und es besteht bereits heute Rechtfertigungsbedarf,
        sofern ein solches System nicht eingerichtet wird

    ▪   Einrichtung eines Whistleblowing-Systems ist als „best practice“ zu betrachten
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Hinweisgebersysteme als Compliance-Baustein

Hinweisgebersysteme schon heute „best practice“

    ▪   Deutscher Corporate Governance Kodex – Empfehlung und Anregung I, A.2:
         „Beschäftigten soll auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden,
         geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben; auch
         Dritten soll diese Möglichkeit eingeräumt werden.“

    ▪   Public Corporate Governance Kodizes – z.B. Empfehlung des „Essener Kodex für
        gute Unternehmensführung“ vom 27.04.2016, Ziffer 4.3:
         „Die Beteiligungsunternehmen sollen eine Whistleblower-Hotline oder
         ein vergleichbares System einrichten, um das Erfassen von möglichen Compliance-
         relevanten Sachverhalten zu erleichtern. […]“

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Hinweisgebersysteme als Compliance-Baustein

Unzureichende Compliance-Organisation ist haftungsrelevant

    ▪   Implementierung eines unzureichenden Compliance-Systems kann bereits
        aktuell bei entsprechender Gefährdungslage zur Haftung des Geschäftsleiters
        führen – Verletzung der Organisationspflicht
         → vgl. LG München NZG 2014, 345 – Siemens/Neubürger

    ▪   wirksame Compliance-Systeme benötigen Prüfungsinstrumente bei Verstößen
        – nicht nur in Deutschland hat sich hierfür Whistleblowing bewährt

    ▪   interne Whistleblowing-Systeme können Compliance-Verstöße aufdecken,
        vermeiden zukünftige Rechtsverstöße und verringern Haftungsgefahren

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Digitales Whistleblowing – smarte Richtlinienumsetzung

Digitales (anonymes) Hinweisgebersystem als „eierlegende Wollmilchsau“

    ▪   Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers stets gewahrt
    ▪   hohe Effektivität – weniger Abschreckungseffekte
    ▪   interner Kanal als „Wohlfühlfaktor“ für den Hinweisgeber und dadurch
        Vorbeugung von Reputationsschäden – bei interner Meldung als Frühwarnung
        trotz zukünftigem Gleichlauf der Kanäle
    ▪   kaum Probleme mit Beweislast für gerechtfertigte Gründe einer benachteiligen-
        den Maßnahme i.S.d. Richtline, wenn Hinweisgeber anonym bleibt
    ▪   jederzeitige Erreichbarkeit des Systems und keine Sprachbarrieren
    ▪   automatisierte Prozesse zur Einhaltung der Verfahrensvorgaben (Eingangsbest.)
    ▪   Anpassungsfähigkeit des Systems nach Anforderungen des Gesetzgebers

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Digitales Whistleblowing – smarte Richtlinienumsetzung

Digitales (anonymes) Hinweisgebersystem als Beratungsfeld

    ▪   Bestellung des Unternehmervertrauten als externer Compliance-Beauftragter
        oder Ansprechpartner in der „Whistleblowing-Hotline

    ▪   Case-Management durch Unternehmervertraute

    ▪   Größere Wahrscheinlichkeit, dass Verdachtsfälle durch
        Unternehmervertraute geklärt und nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten
        werden → Aber: Vertrauensstellung nicht missbrauchen – Aufklären und nicht
        totschweigen!

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Verbandssanktionengesetz und Compliance

Ziele des Gesetzgebers und Stand des Gesetzgebungsverfahrens

    ▪   Regierungsentwurf vom 16. Juni 2020 (zuvor Referentenentwurf vom
        22.04.2020)
    ▪   Ziele des Gesetzgebers
         ▪ Ersatz für den nicht ausreichenden Rechtsrahmen des OWiG (sachlicher und
           räumlicher Anwendungsbereich, Höhe des Bußgeldrahmens, Verfahren)
         ▪ Gestärktes Vertrauen in den Rechtsstaat
         ▪ Anreize für Investitionen in Compliance
         ▪ Förderung interner Untersuchungen
         → Schutz des fairen Wettbewerbs und der marktwirtschaftlichen Ordnung

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Verbandssanktionengesetz und Compliance

Ziele des Gesetzgebers und Stand des Gesetzgebungsverfahrens

    ▪   Vielzahl von (kritischen) Stellungnahmen, u.a. von Wirtschaftsverbänden, so z.B.
        Stellungnahme des Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMV) →
        Strukturelle Reform der Unternehmenssanktionierung nicht notwendig!

        „Unangemessen und unnötig ist eine Unternehmenssanktionierung außerdem
        etwa dann, wenn eine Straftat zwar aus dem Unternehmen heraus begangen
        wurde, dies aber durch einen „Einzeltäter“ geschah, der keine Unterstützung
        der Unternehmensleitung hatte. In solchen Fällen ist das Unternehmen letztlich
        selbst Betroffene eines Compliance-Verstoßes. “

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Verbandssanktionengesetz und Compliance

Compliance als Organisationspflicht auf der Tatbestandsebene

    ▪   § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG: Die Verantwortlichkeit eines Verbandes ist gegeben,
        wenn jemand anders als eine Leitungsperson eine Tat begangen hat, „wenn
        Leitungspersonen des Verbandes die Straftat durch angemessene
        Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten wie insbesondere
        Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht hätten verhindern oder
        wesentlich erschweren können.“

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Verbandssanktionengesetz und Compliance

Compliance als Mittel zur Reduzierung der Sanktion

    ▪   § 15 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG: „Grundlage für die Bemessung der
        Verbandsgeldsanktion sind (…) auch die Schwere und das Ausmaß des
        Unterlassens angemessener Vorkehrungen zur Vermeidung von
        Verbandstaten.“
    ▪   Abs. 3: Umfassende Abwägung durch das Gericht bei der Bemessung der
        Geldsanktion. Zu berücksichtigen sind insbesondere Vorkehrungen zur
        Vermeidung und Aufdeckung, und zwar
         ▪   Vorausgegangene Verbandstaten (…) sowie „vor der Verbandstat getroffene
             Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandstaten“ (Nr. 6)
         ▪   (…) „nach der Verbandstat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und
             Aufdeckung von Verbandstaten“ (Nr. 7).

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Verbandssanktionengesetz und Compliance

Interne Untersuchungen als Mittel zur Reduzierung der Sanktion

    ▪   §§ 16-18 VerSanG – Interne Untersuchungen führen zur Milderung der Sanktion
        ggf. bis auf „Null“
         ▪   Wesentlicher Beitrag zur Aufklärung
         ▪   Untersuchung nicht durch Verteidiger
         ▪   Uneingeschränkte Kooperation mit Ermittlungsbehörde
         ▪   Abschlussbericht mit wesentlichen Dokumenten
         ▪   Interne Befragungen mit fair trial-Grundsätzen
    ▪   „Höchststrafe“ halbiert, keine Mindestsanktion, keine Veröffentlichung
    ▪   § 41 VerSanG – (Einstweiliges) Absehen von der Verfolgung bei
        verbandsinterner Untersuchung bis zur Vorlage des Abschlussberichts

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Dr. Jens Hausmanns             Dr. Markus Haggeney
Rechtsanwalt                   Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Handels- und    Fachanwalt für Handels- und
Gesellschaftsrecht             Gesellschaftsrecht

T 0201 95986-41                T 0201 95986-41
E jens.hausmanns@aulinger.eu   E markus.haggeney@aulinger.eu

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