Wie am Dorfbrunnen - mediaservice wasmuth GmbH
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Medien & Kommunikation Wie am Dorfbrunnen Anzeigenblätter steigern ihre redaktionelle Qualität, verdienen mit Fremdbeilagen auf Rekordniveau und behaupten ihre Position als regionaler Werbeträger Autor: Roland Karle So formal ähnlich sich Zeitungen 1,86 Millionen Euro. Das sind zwar drei Online- und Mobile-Medien. Vor allem und Anzeigenblätter auf den ersten Prozent weniger als im Jahr zuvor und der Abstand zu den Zeitungen (Markt- Blick sind, so deutlich werden die zum Rekordumsatz von gut zwei Milliar- anteil: 15,6 Prozent) verringert sich wei- Unterschiede bei näherem Hinse- den Euro aus 2010 fehlt ein Stück, doch ter. Deren Werbeerlöse waren vor zehn hen: Die Tagespresse nimmt Geld im Wettbewerb der medialen Werbe- Jahren mehr als doppelt so hoch wie vom Leser und finanziert sich we- träger behaupten die Kostenlos-Titel jene der Anzeigenblätter und lagen um sentlich durch Aboerlöse. Die Re- inzwischen einen Platz in den vorderen fast 2,4 Milliarden Euro darüber. Heute daktionen sind trotz verschlanken- Reihen. macht der Unterschied nur noch rund der Maßnahmen noch immer die 530 Millionen Euro aus. größte Abteilung. In der Debatte um Anzeigenblätter: Nummer drei Bei aller Verschiedenartigkeit beto- Qualitätsjournalismus drängen Zei- im Werbemarkt nen die Vertreter beider Medienkatego- tungsverlage gerne nach vorne. rien heute mehr das, was sie verbindet Wirtschaftlich haben die Anzeigen- Hinter Fernsehen und Tageszeitungen als das, was sie trennt. „Tageszeitungen blätter kräftig aufgeholt. 2017 erlösten sind sie mit einem Marktanteil von und Anzeigenblätter müssen zusam- sie laut Bundesverband Deutscher An- 12,1 Prozent die dritte Kraft und ver- menstehen, denn wir haben gemein- zeigenblätter (BVDA) zusammen rund dienten 2017 netto mehr Werbegeld als same Interessen“, verkündete Mathias 80 absatz wirtschaft 7/8 2018
Medien & Kommunikation Gemeinsame Interessen: Unter- schiede zwischen Döpfner erst kürzlich auf dem Anzei- Finden und Pflegen von Talenten zu Anzeigenblättern genblattforum des BVDA. Ein Signal bemühen. Selbst sein Unternehmen und Zeitungen ist es auch, dass der Präsident des Bun- bekommt zu spüren, dass die eigene offenbaren sich oft desverbandes Deutscher Zeitungsver- Branche an Attraktivität verloren hat. erst bei näherem leger (BDZV) dort auftrat und in seiner Die Zeiten, in denen man eine Stelle FOTOS: GETTY IMAGES (1), BERND BRUNDERT (1) Hinsehen Ansprache angesichts „dramatischer ausschreibt und sich fast automatisch digitaler Umwälzungen“ das Miteinan- zahlreiche Top-Leute dafür bewerben, der der Gattungen und ihrer Verbände seien vorbei. „Der Journalismus muss beschwor. heute um die besten Leute kämpfen“, so Döpfner. Kostendruck dürfe nicht „Nicht an der Redaktion zulasten der journalistischen Qualität sparen“ gehen. Denn sonst, mahnte Döpfner, „betreiben wir Selbstmord“. Sein Rat: Der Chef von Axel Springer predigt „Lieber bei der Herstellung in der Pro- Selbstbewusstsein und fordert die duktion sparen, denn das sei durch Verlage auf, sich vehement um das Technologie möglich.“ absatz 7/8 2018 wirtschaft 81
Medien & Kommunikation Aschenputtel- Image abgestreift: Anzeigenblätter sind redaktionell besser und ökono- misch interessanter als früher Nun haben Anzeigenblätter noch Zudem sei das Vertrauen in Facebook Kostenlos-Titel dadurch erst recht zu ei- nie die Speerspitze des Journalismus & Co enorm angekratzt. Dennoch: Die ner Konstante im Mediaplan geworden. für sich beansprucht, aber fürs Ge- großen Netzplattformen haben auch den Sie sind, wie Agenturchef Thomas Koch samtpaket ist die Redaktion erfolgs- regionalen Werbemarkt kräftig gerodet. (siehe Interview auf Seite 84/85) sagt, relevanter geworden. Das stellt auch Suchwortvermarktung und digitale Aus- „eine Bastion im regionalen Marketing“. Hans Leyendecker fest. Der bekannte steuerung von Zielgruppenkampagnen Für die Werbekunden ist es von zen- Enthüllungsjournalist, der viele Jahre kommen bei Kunden an und haben sich traler Bedeutung, dass es die Gratisblät- für die „Süddeutsche Zeitung“ und den im Kommunikationsmix etabliert. ter tatsächlich in die Briefkästen und „Spiegel“ arbeitete, bescheinigt den An- Ein Grund mehr für die Anzeigen- auf den Küchentisch der Konsumenten zeigenblättern gestiegene redaktionelle blätter, ureigene Stärken auszuspielen. schaffen. Der BVDA hat ein reformier- Qualität – und noch mehr: Sie fungier- „Wir wissen, was vor der Haustür un- tes Zustellsiegel auf den Weg gebracht, ten heute wie ein Dorfbrunnen, an de- serer Leser passiert. In fundierte lokale „mit dem Anzeigenblätter und die darin nen sich früher die Menschen trafen, und sublokale Berichterstattung müs- enthaltenden Beilagen zertifiziert wer- um Wasser zu holen und sich die neues- sen wir weiter investieren, auch um für den und Kunden eine hohe Zustellqua- ten Nachrichten zu erzählen, referierte junge Menschen interessant zu sein und lität garantiert werden kann“, berichtet Leyendecker auf der BVDA-Frühjahrs- sie als Leser zu gewinnen und zu hal- Geschäftsführer Eggert. Das kommt tagung. Sein Fazit: „Anzeigenblätter er- ten“, betont Eggers. Der Verband unter- dem Anzeigenblatt als Trägermedium reichen Gemeinschaften, die ansonsten stützt entsprechende Aktivitäten, zum nur noch wenig verbindet.“ Beispiel durch den seit Jahren ausge- lobten „Durchblick“-Preis (siehe Kasten Das Image des Aschenputtels auf Seite 83). Zudem hat der BVDA eine abgestreift Plattform zur Weiterentwicklung der Gattung geschaffen. Das Motto: „Forum Selbst nach Abzug des bei solchen An- Future – Anzeigenblätter neu denken“. Wir wissen, was vor der lässen wohl unvermeidlichen Lobhu- „Hier werden Ideen zur Zukunft der Haustür unserer Leser delfaktors lässt sich festhalten: Die Wochenblätter entwickelt. Dazu gehört passiert Kostenlos-Titel haben das Image des auch, sich mit zukünftigen Geschäfts- publizistischen Aschenputtels abge- modellen zu beschäftigen“, so Eggers. Jörg Eggers, BVDA-Geschäftsführer streift und für ihre Eigentümer – oftmals Zeitungsverlage – ökonomisch an Wert Geschäft mit Werbebeilagen gewonnen. BVDA-Geschäftsführer Jörg floriert Eggers betont die Rolle der Gattung als Lokalexperten. „Solange wir für unsere Bislang zehrt die Gattung von ihrer Po- Leser unverzichtbar sind, sichern wir sition als zentraler Nahversorger für auch unsere Relevanz im Werbemarkt.“ lokale Informationen. Sie ist nahezu FOTOS: BERND BRUNDERT (1), PRIVAT (1) Der Konkurrenz aus dem Internet flächendeckend verbreitet, jeder Haus- treten die Verlage inzwischen forsch halt hierzulande wird mit durchschnitt- entgegen. Online könne als Werbeträger lich zwei Anzeigenblättern beliefert – nicht überzeugen, behauptet Eggers. was wichtig ist, denn die regionalen „Die Mehrheit der Menschen verbindet Tageszeitungen verlieren seit Jahren Werbung mit einer negativen Eigen- Abonnenten und somit Reichweite. Für schaft und empfindet sie als störend.“ Handel und Gewerbetreibende sind die 82 absatz wirtschaft 7/8 2018
Medien & Kommunikation Kräftige Beilagen Jahr Nettowerbeumsatz Veränderung zum Vorjahr Fremdbeilagen Auflage Titelzahl in Millionen Euro in Prozent Umsatzanteil in Prozent in Millionen 2017 1 857 –3,1 42,3 84,3 1 297 2016 1 917 5,9 41,7 88,4 1 293 2015 1 811 –1,9 39,1 90,2 1 327 2014 1 847 –4,4 34,3 91,4 1 406 2013 1 932 –3,4 32,6 94,0 1 435 Quelle: BVDA lässt. So kritisieren gerade nationale Der Mediaservice Wasmuth hat Marken häufiger, dass regionale Print- über Jahre hinweg umfassende Da- medien umständlich zu planen seien. tenbanken für lokale und regionale Bei gattungsübergreifenden Ansätzen Medien, vom Gemeindeblatt bis zur ist das keine banale Aufgabe, bestätigt Tageszeitung, aufgebaut und ein gat- Stefan Braßel. „Allein eine vergleich- tungsübergreifendes Tool für den Pla- bare Datenbasis der Verbreitungs- nungsalltag entwickelt. „Das Interesse besonders zugute. Denn das klassische gebiete von Zeitungen, regionalen an regionalen Medien im lokalen wie Angebotsprospekt in gedruckter Form Zeitschriften, Anzeigen- sowie Amts- auch im überregionalen Kontext ist bei hat bei Werbekunden nicht an Bedeu- blättern herzustellen, ist mit dem Werbungtreibenden gestiegen“, fasst tung eingebüßt, im Gegenteil: Das Ge- Verschneiden von Postleitzahlen und Braßel seine Beobachtungen der ver- schäft mit Fremdbeilagen hat sich für Gemeindekennziffern verbunden“, be- gangenen Jahre zusammen. Kunden die Anzeigenblattverlage in den vergan- richtet der Leiter Daten-Management und ihre Agenturen bevorzugen jedoch genen Jahren enorm entwickelt. Gut Regionale Medien beim Mediaservice komfortable Lösungen nach dem Prin- 42 Prozent des Gesamtumsatzes 2017 Wasmuth. Auch einen validen Ver- zip „ein Auftrag, ein Ansprechpartner, stammen aus diesem Erlösfeld – eine gleichspreis zu ermitteln, bereitet so eine Rechnung“. Braßel erwartet, dass Rekordquote. Vor fünf Jahren lag der manchem Planer Kopfzerbrechen. „Va- künftig noch mehr verlagsübergrei- Anteil erst bei 30 Prozent. riable Millimeterpreise, Preisschwel- fende Kombis gebildet werden. Und er len, Preisvielfalt nach Farbigkeit und empfiehlt, sich von allzu starren Gren- Kunden wollen komfortable Platzierung erschweren die Kalkulati- zen zu verabschieden. „Um in der Flä- Medialösungen on. Kommen dann noch unterschied- che lückenlos auftreten zu können“, liche Erscheinungsweisen hinzu, wird so Braßel, „müssen Verlage und ganze Im Vermarktungsalltag gibt es noch ei- die Auswahl über die Zeitleiste noch Gattungen noch mehr über ihren Tel- nige Schrauben, an denen sich drehen schwieriger“, sagt Braßel. lerrand hinausschauen“. „Durch Inhalte punkten“ Mit dem „Durchblick“-Preis zeich- ten möchten und Themen, sein regionales net der BVDA alljährlich besondere die uns hier bewegen, in Markenkonzept publizistische Leistungen und einer unglaublichen Breite „Dehaam im Main- Projekte von Mitgliedsverlagen aus. und Tiefe abbilden kön- Kinzig-Kreis“. Unter In der Kategorie „Innovation – die nen“, sagt Objektleiterin diesem Titel bringt beste Idee des Jahres“ gewannen Ulla Niemann. der Verlag nicht nur 2018 die VRM Gratismedien für ihre Neben der positiven ein Magazin heraus, monothematischen Sonderausga- Resonanz von Lesern sondern veranstaltet ben unter dem Motto „Worms ist zahlt sich das Konzept auch in der einen Heimatmarkt Vielfalt“. Einmal im Monat widmet Vermarktung aus. „Im Vergleich zu den und verkauft Merchandising-Produkte. sich eine Samstagausgabe ausschließ- regulären Samstagausgaben werden An die junge Generation wendet sich lich einem Schwerpunkt, zum Beispiel diese Ausgaben von unseren Kunden der Berliner Wochenblatt Verlag, der „Worms lebt Mittelalter“, „Worms liebt stärker nachgefragt“, berichtet Nie- eine Kinderbeilage gestartet und mit Wein“, „Worms kann Familie“, „Worms mann. „Das zeigt, dass wir im Markt dem kleinen Eisbären Erik einen eige- braucht Wasser“. „Wir haben uns dazu einen Nerv getroffen haben.“ nen Kinderreporter für die „Berliner entschieden, weil wir unseren Lesern Ebenfalls prämiert wurde das Woche“ und des „Spandauer Volks- tollen Lesestoff zum Wochenende bie- Druck- und Pressehaus Naumann für blatt“ geschaffen hat . absatz 7/8 2018 wirtschaft 83
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