Wie Content den Handel der Zukunft verändert - Ein Blick ins Jahr 2030

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Wie Content den Handel der Zukunft verändert - Ein Blick ins Jahr 2030
Wie Content
den Handel
der Zukunft
verändert
Ein Blick ins Jahr 2030
So shoppen wir     2030

                                         Content,
                                         Consumer,
                                         Commerce
    Liebe Leser*innen,

    es sagt sich immer so leicht: Wir, die           Produktqualität. In der Vergangenheit fehlten
    Gesellschaft, die Wirtschaft, der Handel – wir   vielfach die Möglichkeiten, die Ansprüche
    alle digitalisieren uns immer mehr. Aber, was    in dem Maße zu stellen – und verlässlich
    heißt das genau, zum Beispiel in Bezug auf       zu beurteilen, unter welchen Bedingungen
    unser Einkaufsverhalten? Wir kaufen immer        sämtliche Produkte hergestellt und wie sie
    häufiger über Online-Shops, -Plattformen         durch die Welt geschifft worden sind. Heute
    und Social-Media-Kanäle ein, manchmal            haben wir über das Internet und die sozialen
    auch direkt über Influencer*innen, die uns von   Medien Zugriff auf solche Informationen,
    Follower*innen zu Konsument*innen machen.        und das hat uns anspruchsvoller gemacht:
                                                     Wir wollen informiert und individuell betreut
    Mit unserem Verhalten verändern wir den          werden! Der Handel hat das – zumindest
    Handel, aber der Handel verändert auch uns:      in Teilen – begriffen und umsorgt uns mit
    Wir stellen neue – höhere! – Ansprüche an        individueller Ansprache und passgenau auf
    Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit oder               uns zugeschnittenen Angeboten.

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So shoppen wir     2030

    Warum kann der
    Handel das?
    Weil er uns kennt – zwar nicht persönlich, aber    Aber bei der Entwicklung des digitalen
    das ist auch gar nicht nötig. Er kennt uns als     Handels stehen wir, wenn nicht am Anfang,
    Persona, als idealtypische Konsument*innen,        so doch vor einem großen Sprung: Noch mehr
    deren Verhalten vorhersehbar ist. Das              intelligent genutzte Daten, die zunehmende
    macht uns vorhersagbar. Unsere Wünsche             Virtualisierung über VR- und AR-Brillen, die
    lassen sich so mehr oder weniger individuell       uns den Zugang ins Metaverse bescheren,
    befriedigen. Das geht, weil wir bei unseren        in dem digitale und physische zu hybriden
    Streifzügen durch das Internet und in den          Welten verschmelzen werden – das alles wird
    sozialen Medien fortlaufend und in großer          den Commerce der Zukunft prägen.
    Menge Daten produzieren.

    Content ist von
    entscheidender
    Bedeutung
    Als Standortinitiative für die Medien- und         sich als Content-produzierende Industrie
    Digitalbranche wirft nextMedia.Hamburg             darauf einzustellen, haben wir im Rahmen
    immer einen genauen Blick auf Content und          unseres Programms Content Foresight das
    seine Macher*innen. So auch hier.                  vorliegende Whitepaper gestaltet.

    Content spielt bei der Entwicklung des             Mit ihm wagen wir einen szenischen Blick in
    Handels eine herausragende Rolle:                  das Jahr 2030, also weit nach vorne. Wie bei
    Die Konsument*innen wollen wissen, was sie         allen Vorhersagen geht es auch hier weniger
    kaufen sollen. Sie erwarten eine individuelle      darum, die Zukunft stilsicher vorherzusagen
    und kanalgerechte Ansprache. Aus dieser            als mehr darum, aktuelle Technologien und
    Aufgabenstellung erwächst ein neues                Trends zu extrapolieren, damit Anbieter*innen
    Geschäftsmodell für die Content-Branche,           sowie Konsument*innen sich schon heute
    die individuelle Inhalte – Texte, Bilder, Videos   darauf einstellen und vorbereiten können.
    und interaktive Elemente – entlang der
    gesamten hybriden Wertschöpfungskette
    produzieren muss. Um die wachsende                 Wir wünschen viel Spaß
    Bedeutung von Content zu verstehen und             beim Lesen!
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So shoppen wir       2030

    Fahren auf (lange) Sicht:

    Die Foresight-Methode
    Mit dem Programm Content Foresight                            Trends in realistische Umgebungen bringen.
    erarbeiten wir gemeinsam mit Hamburger                        So bauen wir Stück für Stück eine Welt auf, in
    Unternehmen und Organisationen an der                         der künftige Lösungsräume entstehen.
    Schnittstelle von Content und Commerce
    Antworten auf Fragen der Zukunft.                             So können die Teilnehmenden von Content
                                                                  Foresight und nun auch Ihr, als Leser*innen
    Dafür nutzen wir die nach wissenschaftlichen                  dieses Papers, ein Stück weit in die
    Standards erarbeitete Foresight-Methode.                      Zukunftswelt eintauchen, sich selbst dazu
    Sie bietet uns einen Ansatz, um Innovations-                  – zum Beispiel als Konsument*innen – in
    potenziale systematisch und langfristig                       Stellung bringen und eine eigene Meinung
    zu identifizieren und ihre Realisierung zu                    dazu herausbilden. Als Handeltreibende
    unterstützen. Für die Identifizierung nutzen                  oder Content-Produzent*innen könnt Ihr Eure
    wir Frameworks wie STEEP oder PESTLE, über                    Geschäftsmodelle darauf überprüfen, wie
    die wir soziale, technische, ökonomische,                     zukunftsfähig sie ausgerichtet sind und wo es
    ökologische, rechtliche und politische                        noch Verbesserungspotenzial gibt.
    Trends herausarbeiten. Wenn wir die Trends
    verstanden haben, analysieren wir sie                         Weitere Informationen sowie eine Übersicht
    hinsichtlich ihrer potenziellen Einflüsse und                 über unsere Projektpartner findet Ihr auf
    Auswirkungen.                                                 unserer Webseite:

    Aus dieser Analyse schließlich entwickeln wir                 Content Foresight
    Szenarien, in denen wir Entwicklungen und

    6,2%                                                                                         7%
        der 30- bis 39-Jährigen
        kaufen monatlich
        Produkte auf Empfehlung
                                                    42,2%
                                                    kaufen Waren bevorzugt offline
                                                                                              würden Daten preisgeben,
                                                                                              um von einer KI beim
                                                                                              Online-Shopping
        von Influencern hin ein                                                               unterstützt zu werden

                        15,1%   möchten mit einer VR-Brille
                                                                                     26,7%
                                                                        der 30- bis 39-Jährigen wünschen sich
                                online einkaufen können                 eine stärkere Verbindung von virtueller
                                                                        und realer Welt beim Online-Shopping

    Civey-Umfrage, Dezember 2022, 2.500 Befragte.

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                                                                                                                    «»
So shoppen wir      2030

    Die Welt von Content
    und Commerce im
    Jahr 2030
    Jederzeit verfügbarer Content,                 an Bedeutung verlieren. E-Grocery hat in
    datengetriebene Shopping-Erlebnisse und        der Welt von Mia und Leon, in der Welt des
    nahtlose Übergänge zwischen digitalen und      Jahres 2030, einen Marktanteil von 15 Prozent.
    physischen Welten, smarten Endgeräten und      Insgesamt steht Online inzwischen für mehr
    dem Ladengeschäft an der Ecke – der Handel     als 21 Prozent des Umsatzes im gesamten
    des kommenden Jahrzehnts ist geprägt           deutschen Einzelhandel und hat sich
    von innovativen Technologien, veränderten      gegenüber dem Jahr 2020 fast verdoppelt.
    gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und
    neuartigen Geschäftsmodellen.                  Leon und Mia sind seit vielen Jahren
                                                   befreundet. Ein hohes Maß an
    Leon und Mia sind Teil dieser neuen            Automatisierung bestimmt den Alltag von
    Welt. Geboren im ersten Jahrzehnt              beiden – und darüber auch der Content, der
    des 21. Jahrhunderts gehören sie zu            sie auf verschiedenste Wege erreicht. Denn
    einer Generation, die bereits mit einer        digitale Dienstleistungen aller Art – begleitet
    Vielzahl höchst unterschiedlicher Social-      und moderiert von entsprechenden Inhalten
    Media-Plattformen aufgewachsen ist,            – sind die Norm in einer Gesellschaft, deren
    die verschiedenste Content-Kanäle im           Überalterung sich in den letzten Jahren weiter
    Kindesalter kennengelernt hat und über         beschleunigt hat, deren Erwerbsbevölkerung
    die Jahre hinweg erlebte, wie digitale         fortwährend geschrumpft ist und die im Jahr
    Endgeräte ihren festen Platz in immer mehr     2030 doch zugleich diverser und vielfältiger
    Lebensbereichen finden.                        aufgestellt ist als jemals zuvor.

    Als beide die sechste und siebte Klasse        Die zwei Szenarien dieses Whitepapers
    besuchten, beschleunigte die Corona-           begleiten Leon und Mia in ihren Alltag
    Pandemie die Entwicklung hybrider              und geben uns so die Gelegenheit, zwei
    Lebens- und Arbeitswelten. Gleichzeitig        Protagonist*innen des Jahres 2030 über die
    verschärfte sich der Wettbewerb rund um        Schulter und damit in die Zukunft von Content
    die Bereitstellung von Content in einer Welt   und Commerce zu blicken.
    immer weiter, in der analoge Schaufenster

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So shoppen wir        2030

    Zwischen KI und
    kreativem Business:
    Bahn frei für die
    Creator Economy
    Mia ist Creator. Im Grunde ist sie das
    fast schon ihr ganzes Leben lang. Doch
    heute bestreitet sie genau damit ihren
    Lebensunterhalt. Die Creator Economy
    ist seit wenigen Jahren die wichtigste
    Branche in Deutschland. Als Mia zur Schule
    ging, eröffneten YouTube-Creator über
    Nacht bereits ganze Restaurantketten und
    launchten erfolgreich eigene Produktserien.
    Dennoch ergab eine Civey-Umfrage 2022,
    dass gerade einmal 2,1 Prozent der befragten
    Verbraucher*innen einmal oder öfter im
    Jahr Produkte aufgrund der Empfehlung
    von Social-Media-Influencer*innen kaufen.
    Deutlich heraus stachen schon damals die
    30- bis 39-Jährigen – oder vielmehr Mias
    Eltern. In ihrer Altersgruppe lag der Anteil     „Influencer*innen“, stöhnt Mia genervt. Von
    der Social-Influencer*innen-Einkaufenden         denen sprechen doch ohnehin nur noch die
    immerhin bei 6,2 Prozent.                        Generationen ihrer Eltern und Großeltern.
                                                     Heute gibt es nur noch Creator wie sie –
    „Heute würde diese                               und diese dirigieren mit ihrem Content die
                                                     Verkaufsentscheidungen von Millionen.
    Umfrage wohl zu einem
                                                     Mia kooperiert mit Marken und ist ihre eigene
    ganz anderen Ergebnis                            Brand MiaY. Sie lizensiert ihren Content
    kommen“,                                         und nutzt zugleich das Wissen über die
                                                     Vorlieben ihrer Community. Durch den Erfolg
                                                     ihres Contents weiß Mia genau, was sich
    denkt sich Mia, während sie die holografische,
                                                     Käufer*innen wünschen, welche Produkte und
    KI-gestützte Nachricht ihres Freundes
                                                     Lösungen sie brauchen, für welche sie bereit
    Leon über ihre Datenbrille abruft.
                                                     sind zu bezahlen. Und gemeinsam mit Dritten
                                                     entwickelt sie diese und stellt sie bereit.

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So shoppen wir        2030

    KI überall:
    Content-Creation
    mit dem Algorithmus
    Mia ist als Creator in verschiedenen           Die großen, früheren Monopole einzelner
    Super-Apps unterwegs. Als Kombination          Internet-Plattformen sind Geschichte. Jene,
    aus Content-Stream, Marktplatz und             die überlebt haben, monetarisieren als Tech-
    Bezahlsystem haben sie das klassische          Dienstleister vor allem ihre Datenbestände
    Internet zu großen Teilen abgelöst und         aus der Vergangenheit, um immer
    verknüpfen Social-Media mit digitalen          leistungsstärkere KI-Modelle für die Content-
    Ausspielwegen wie Fernsehen oder Rundfunk.     Produktion anbieten zu können.
    Niemand surft mehr auf verschiedenen Seiten
    online, sondern bewegt sich in der Regel nur   Die Weiterentwicklung der KI hat in den
    noch innerhalb der jeweiligen Super-App,       vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass
    die mit einer Vielzahl von Mini-Anwendungen    die Produktion von neuem Content heute
    aufwartet und so zum Shoppen, Chatten und      grundsätzlich jedem offensteht. KI kann Texte
    dem Konsum verschiedenster Medien einlädt.     erstellen, Bilder, Videos oder auch Musik.

                                       Der Erfolg von OpenAI
                                       Im Jahr 2022 hat vor allem die Organisation OpenAI mit
                                       seinen KI-Lösungen für mediale Aufmerksamkeit gesorgt.
                                       Im April stellte OpenAI DALL-E 2.0 vor – eine Lösung,
                                       die maschinelles Lernen nutzt, um Bilder zu erstellen.
                                       Im Dezember folgte die Anwendung ChatGPT, bei der
                                       maschinelles Lernen und natürliche Sprachverarbeitung
                                       für das Erstellen von Konversationen zum Einsatz kommen.

    Die Menge an Content ist im Zuge dieser        es gewohnt, dass hochqualitativer Content
    Entwicklung regelrecht explodiert – und hat    – abgestimmt auf individuelle Bedürfnisse
    die Ansprüche der Konsument*innen und der      und Vorlieben – jederzeit in großen Mengen
    Creator grundlegend verändert. Die damit       verfügbar ist; und das über die Grenzen der
    herangewachsene Instant-Generation ist         verschiedensten Devices hinweg.
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So shoppen wir     2030

    Als Content-
    Sommelier auf der
    Suche nach Relevanz
    Ihren Job hat Mia ihrer Familie einmal             Relevanzfilter fungieren im Content-
    so erklärt: In einer Welt, in der die KI die       Zeitalter auf sämtlichen Kanälen längst
    Content-Creation übernimmt, braucht es             als automatisierte, digitale Türsteher. Wie
    jene, die der KI eine Richtung vorgeben            gelingt es also, Content zu entwickeln, der
    und aus den Ergebnissen auswählen. „Ein            nahtlos funktioniert, und ihn mit Produkten
    Sommelier sucht den besten Wein aus, ich           zu verknüpfen, die für die Zielgruppe höchste
    den besten Content“, sagt sie. Tatsächlich         Relevanz besitzen? Das ist eine der zentralen
    ist ihre Aufgabe sehr viel weitreichender.         Fragen, mit denen sich Mia regelmäßig
    Sichtbarkeit für ihren Content herzustellen, ist   auseinandersetzen muss – ebenso wie mit der
    nämlich die eigentliche Herausforderung in         Frage der Kosten.
    einer unübersichtlichen Content-Landschaft.

    Die KI gibt’s im Abo
    Das Bereitstellen verschiedenster KI-Modelle       Das Recht am Content liegt immer einzig
    und -Tools für die Content-Creator-Szene           und allein beim Creator. Doch was tun,
    ist längst ein eigener, ausgewachsener             wenn der Content nahezu identisch ist? Eine
    Geschäftszweig. Lizenz- und Abo-Modelle            endgültige Antwort auf diese Frage fehlt
    sowie auch Umsatzbeteiligungen sichern den         bislang. Auf internationaler Ebene ist das
    Betreiber*innen der jeweiligen KI fortdauernde     Recht am eigenen Content Gegenstand
    Einnahmen und lassen sie am Erfolg der             ebenso kontroverser Debatten wie der
    Creator-Economy teilhaben.                         Datenschutz. War Europa einst mit der
                                                       DSGVO noch vorgeprescht, haben inzwischen
    Mia nutzt eine Vielzahl verschiedener KI und       zahlreiche andere Staaten und Regionen
    kombiniert sie für ihren Content – schon           ihre Alternativen formuliert, sodass global
    allein, um Duplikate zu verhindern. In der         stärker gerungen wird als jemals zuvor, wem
    Vergangenheit musste sie selbst einige             welche Daten zur Verfügung stehen sollten.
    Male erleben, dass andere Creator einen            Aufgrund ihrer schieren Bevölkerungsgröße
    identischen Content im Angebot hatten, weil        und der dadurch vorhandenen Trainingsdaten
    sie schlichtweg dieselbe KI im Einsatz hatten      erzielten dabei gerade asiatische Länder wie
    wie sie selbst.                                    China und Indien besonders große Fortschritte
                                                       bei der Entwicklung von Content-KI, die für
                                                       Mia jedoch nicht ohne Weiteres verfügbar ist.

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So shoppen wir       2030

    Die Realität ist das,
    was die Creator-
    Szene daraus
    macht

    Gemeinsam ist vielen Content-Formaten,          individualisierten Content für Käufer*innen
    dass sie die Möglichkeiten von Augmented-       bereitstellt? Für Mia ist kaum vorstellbar,
    und Virtual-Reality für sich nutzen.            dass solche Unternehmen heutzutage noch
    Unternehmen, die frühzeitig in die passenden    überleben können.
    Produktionstechnologien investiert haben,
    können sich dort heute gemeinsam                Content-Erstellung ist für Mia selbst
    mit den Content-Creatorn besonders              inzwischen ein fester Bestandteil ihres Alltags.
    erfolgreich positionieren. Dabei ging es für    Eine KI überprüft fortwährend ihren Messenger
    diese Unternehmen nicht nur darum, eine         – sind Nachrichten relevant, erhält sie eine
    entsprechende Infrastruktur aufzubauen,         kurze Benachrichtigung. Lässt sich aus
    sondern beispielsweise auch personelle          dem Inhalt der Nachricht Content kreieren,
    Ressourcen vorzuhalten, also IT-Expert*innen,   schickt die KI erste Vorschläge direkt mit. Mia
    die sich intensiv mit den Möglichkeiten von     entscheidet, verfeinert, wählt aus. Jeden
    AR/VR für das eigenen Geschäftsmodell           Tag, rund um die Uhr – als Teil der Creator-
    auseinandersetzen. Ein Modelabel ohne           Economy.
    IT-Expert*innen und Creator-Abteilung, die

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So shoppen wir     2030

     2030: Eine Welt
     zum Shoppen
     Für heute hat sich Leon eine ausgedehnte       schon lange nicht mehr begibt. Und noch
     Shoppingtour vorgenommen. Sein Freundin        besser: Statt dort immer nur dieselben zehn
     Mia hat keine Zeit, sie muss sich um ihr       Markenshops besuchen zu können, die in
     Creator-Business kümmern. Nachher sind         der Vergangenheit oftmals das Bild jeder
     sie zum gemeinsamen Streaming-Abend            halbwegs größeren Stadt prägten, kann
     verabredet – kein Problem, denn sie sind ja    Leon jetzt auf ein buntes Sammelsurium von
     beide zuhause.                                 Einkaufsmöglichkeiten zurückgreifen – von der
                                                    Edelboutique über den Klamotten-Discounter
     Leon trägt eine randlose Brille, die ihm im    bis hin zur inhaber*innengeführten Sammlung
     Grunde längst die überfüllte Fußgängerzone     von Nippes und Kunsthandwerk.
     ersetzt, in die sich der Anfang 20-Jährige

     Alles ist vernetzt
     In seine vernetzte Brille, die inzwischen
     mehr Ähnlichkeit mit Designermodellen
     bekannter Anbieter hat, als mit den klobigen
     Rahmen der 2020er Jahre, bekommt Leon
     via Hologramm jede beliebige Shopping-
     Umgebung eingespielt. Er kann sich dort
     auch räumlich so bewegen, als wäre er
     vor Ort. Zu jedem Verkaufsprodukt, das
     er bei seinen Touren sieht, bekommt er
     auf Wunsch Zusatzinformationen zu den
     Produkten, Zutaten, Nachhaltigkeit oder
     Herstellungsbedingungen. Diese Infos kann
     er ganz einfach mit einer Fingergeste oder
     einem Sprachbefehl abrufen.

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So shoppen wir      2030

     Alles bleibt real
     Trotz der Hologramme und Avatare verliert         Würden wir Leon fragen, wie das heißt, wo er
     Leon aber niemals den visuellen, auditiven        da ist, würde er mit den Schultern zucken:
     und sinnlichen Kontakt zu seiner direkten
     Umwelt. Das ist ihm wichtig, und nicht nur,
     damit er nicht mit dem kleinen Zeh vor            „Wirklichkeit vielleicht?“
     das nächste Tischbein rennt, sondern weil
     er damit virtuelle und reale Welt nahtlos         Der Begriff Metaverse, unter dem wir dieses
     verbinden kann und in beiden Welten               Szenario schon vor zehn Jahren diskutiert
     ansprechbar ist. So kann er sich zum Beispiel     haben, hat sich nicht durchgesetzt – wohl
     mit einem neuen Hut vor den Spiegel stellen       auch, weil sich niemand so recht vorstellen
     und schauen, ob – und wie – er ihm steht.         wollte, in virtuellen Umgebungen einzukaufen.
     Oder er nimmt den neuen Stift als Hologramm       Das jedenfalls hat eine Civey-Umfrage aus
     in die Hand und schreibt mit ihm auf ein          dem Jahr 2022 gezeigt. Damals sagten drei
     leeres Blatt, das nicht aus Papier ist, sondern   von vier Leuten, dass sie niemals mit einer VR-
     aus einem adaptiven Material, das seine           Brille einkaufen gehen würden. Und sechs von
     Eingaben direkt in Daten verwandelt.              zehn Befragte lehnten es damals ab, virtuelle
                                                       und reale Welt miteinander zu verschmelzen.

     Nahtlos shoppen
     Aber damals wussten sie ja noch nicht,            Angebote machen zu können. Und das
     wie nahtlos das wirklich geht. Im Grunde          heißt nicht, dass Leons Cousin bei seiner
     geht es Leon vor allem darum, dass er             Shoppingtour nur auf Sachen trifft, die ihm
     über die modernen Technologien – Brille,          gefallen und sich womöglich deutlich von
     Sprachsteuerung, Hologramme und Avatare           dem unterscheiden, was Leon zu sehen
     – ein wirklich sinnliches und individuelles       bekommt; auch 2030 gibt es noch immer
     Shopping-Erlebnis genießen kann – oder            Unschärfen und Überraschungen, aber das
     doch wenigstens das, was er dafür hält.           ist kein Zufall und kein Fehler, sondern Teil
     Denn in Wirklichkeit schaffen es die Shops        des Erlebnisses. Physische und virtuelle Welt
     auch 2030 nicht, auf jeden einzelnen              sind dabei maximal miteinander verbunden.
     Kundenwunsch individuell einzugehen. Sie          Die klassischen Shopping-Meilen gibt es
     arbeiten mit einer Unmenge von Daten, die         auch weiterhin. Viele stationäre Läden
     aber weniger individuell als prototypisch         nutzen die Möglichkeiten von AR- und VR-
     sind: Männer im Alter zwischen 30 und 35          Technologien, um Kund*innen zu begeistern
     beispielsweise, also nach ihrem Studium           oder auch konkrete Mehrwerte zu schaffen
     oder einer Berufsausbildung, in ihrem             – beispielsweise bei der Anprobe von
     ersten oder zweiten gut bezahlten Job.            Schmuck, Kosmetik oder Kleidung. Manches
     Familienplanung ist ein Thema, aber               Möbelhaus geht inzwischen sogar noch
     keins, das schon abgeschlossen ist. Es            einen Schritt weiter und stellt weiße Möbel als
     sind Männer wie beispielsweise Leons              Projektionsflächen in seinem Ladengeschäft
     Cousin – dieses Kategorie-Wissen reicht,          aus, die mit hochgradig individuellen AR- und
     um ihnen individuell auf sie zugeschnittene       VR-Designs bespielt werden.

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So shoppen wir   2030

     Shopping &
     Gamification
     Apropos: Wenn Leon will, kann er seine
     Shoppingtour auch als Adventure bestellen,
     denn nicht nur physische und virtuelle
     Welten sind zusammengewachsen, sondern
     auch Ernst und Spiel, wenn man es denn so
     gegenüberstellen will. „Adventure Shopping“
     verspricht auf jeden Fall richtig viel Spaß,
     wenn es darum geht, sich einen Weg durch
     die Menge an Zombies freizukämpfen.

     Ist das nun die schöne neue Welt, die schon
     in den 2020er Jahren versprochen wurde?
     Damals ging es vor allem um Kundennähe,
     Erlebnisse und Nachhaltigkeit. Kann die neue
     Shoppingwelt diese Versprechen tatsächlich
     einhalten?

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So shoppen wir         2030

     Die Welt zuhause
     Bei Kundennähe und Erlebnissen macht Leon      Sozialstandards für die Produktion von
     einen dicken Haken dran: „Na klar, denn wie    Konsumgütern, auch das ist Leon wichtig,
     sonst kann ich durch die ganze Welt reisen,    haben sich stark verbessert: Anbieter*innen
     ohne die Wohnung verlassen zu müssen!          wie Hersteller*innen müssen längst
     Wie könnte ich sonst abwechslungsreiche        transparent nachweisen, dass sie bei der
     Shopping-Erlebnisse ohne große Mühen           Fertigung, beim Transport und im Handel die
     und an einem einzigen Ort vorfinden!“          Beteiligten fair bezahlen und menschenwürdig
     Nachdenklich wird er jedoch, wenn er an das    behandeln. Diese Transparenz sorgt für einen
     haptische Erleben denkt. Die neue Welt ist     Wettbewerbsdruck, der die Sozialstandards
     noch immer visuell. Das Fühlen, Schmecken      in der Produktion fortwährend verbessert. Es
     und Riechen sind auf der Strecke geblieben.    sind genau diese Dinge, die auch Leon noch
     Außerdem ist das AR-VR-Design des Sofas        am wichtigsten sind und die er sich bei seiner
     am Ende auch nicht alles, was zählt. Da        Shopping-Tour immer zeigen lässt.
     besteht aus Leons Sicht dann doch noch
     Nachholdbedarf. Bei Nachhaltigkeit wird er     Dabei ist er nicht einmal auf die Brille
     energisch: „Ich verbrauche keine Energie, um   angewiesen. Leon hat ein sogenanntes
     von A nach B und dann nach C zu kommen“,       Whitebook, in dem er gemütlich auf dem Sofa
     sagt er.                                       blättern kann. Keine der Seiten ist bedruckt,
                                                    sondern schlicht weiß, daher kommt der
                                                    Name. Aber über eine einfache Geste oder
     „Für die virtuellen Produkte                   mit einem kurzen Sprachbefehl kann er die
     müssen auch keine                              Seiten über Hologramme mit Infos sowie
                                                    mit Bildern oder Videos der Produkte füllen
     Rohstoffe verbraucht                           lassen. Gut möglich, dass ihm dabei Mia
                                                    begegnet, die beruflich solche Informationen
     werden und niemand muss                        produziert und anbietet. Aber genauso gut ist
     dafür für wenig Geld in                        es denkbar, dass irgendeine Modedesignerin,
                                                    einer der vielen Fernsehköche oder eine
     irgendwelchen Fabriken                         Heimwerkerin Leon direkt mit Tipps und Tricks
                                                    versorgt, die früher einmal „Life Hacks“ hießen.
     schuften. Ja, das ist                          Dafür muss Leon zwar etwas bezahlen, aber
     nachhaltig!“                                   das ist es ihm wert, denn so kauft er sich
                                                    nichts, was er nicht auch brauchen kann.
     Und was ist mit den virtuellen Welten, wie     Unterm Strich ist das dann sogar preiswerter!
     entstehen die, was ist daran nachhaltig?
     Immerhin haben die meisten Anbieter*innen      Nein, Leon will nicht zurück in enge
     zumindest daran gearbeitet, die                und oft doch sehr ähnlich aussehende
     Rechenleistung für diese Welten deutlich       Fußgängerzonen. Er liebt es, vom Sofa aus
     CO2-neutraler oder gar -negativ zu             in die (virtuelle) Welt zu ziehen, Shopping
     liefern. Der Anteil erneuerbarer Energien      als echtes Erlebnis zu genießen und dabei
     ist zuungunsten der fossilen Brennstoffe       alles zu erfahren, was er wissen will. Für ihn
     und nicht zuletzt durch einen massiven         ist es, wenn nicht die, so doch immerhin
     Ausbau von Photovoltaikanlagen in den          eine Welt, und es ist die einzige Welt, die er
     Metropolregionen auf fast 80 Prozent           sich wünscht. Sein Cousin ist da übrigens
     gestiegen – und bleibt damit knapp             anderer Meinung und nutzt gerne die
     unter dem von der Bundesregierung ein          vielen spannenden Anwendungen, die der
     Jahrzehnt zuvor festgelegten Wert. Die         stationäre Handel ihm als Kunde vor Ort
                                                    bietet.
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So shoppen wir      2030

     Manches aus den Szenarien mag aus heutiger Sicht zunächst kontraintuitiv oder
     unwahrscheinlich klingen. Doch beim näheren Hinsehen finden sich schon heute viele Ansätze,
     die fortgeschrieben in den skizzierten Lebenswelten von Leon und Mia münden (können).

     Doch was bedeutet das in der Konsequenz           und in zunehmendem Maße in die Content-
     für Unternehmen und Creator, für Content-         Creation unseres Alltags mit hineinspielt.
     Produzent*innen und nicht zuletzt die             Der Datenschutz und die Datensicherheit,
     Konsument*innen? Klar ist bereits, dass           der Umgang mit Augmented- und Virtual-
     die Bedeutung von Content im Commerce             Reality-Technologien, Fragen der Originalität
     zunimmt – und das in all seinen Facetten.         und des Urheberrechts – über all das
     Klar ist auch, dass die Bedeutung digitaler       sollten frühzeitig gesellschaftliche Diskurse
     Technologien einerseits weiter zunehmen wird,     begonnen und zentrale Fragen abschließend
     sich andererseits jedoch auch eine Vielzahl       geklärt werden, um die Weiterentwicklung der
     von Akteur*innen mit ihren Ansätzen auf dem       Content-Creation im Commerce-Sektor nicht
     Markt bewehren und die Aufmerksamkeit             länger auszubremsen und einzigartige, neue
     der Nutzer*innen dabei miteinander teilen         Kundenerlebnisse schaffen zu können.
     müssen.
                                                       Schließlich sehen wir doch schon heute
     Investitionen in Know-how und neue                die Möglichkeiten des Missbrauchs. Deep
     Technologien für die frühzeitige Positionierung   Fakes werden eine zunehmend wichtige
     in der neuen Content-Welt sind daher für          Rolle spielen. Wie wird sich solcher Content
     Handel und Content-Creator gleichermaßen          künftig erkennen und verhindern lassen? Das
     eine wichtige Voraussetzung, um in Zukunft        gilt es, schnellstmöglich zu klären. Ähnliches
     im Kampf um die Aufmerksamkeit der Massen         gilt für das Thema der digitalen Identitäten.
     bestehen und die nachgefragte Qualität            Auch die Protagonist*innen in unseren
     über alle Kanäle hinweg gleichermaßen             Szenarien kommen nicht umhin, sich auf
     bereitstellen zu können. Alle Beteiligten         neue, intelligente Weisen in ihrer digitalen
     stehen damit auch vor der Frage, welche           Alltagswelt zweifelsfrei ausweisen zu können.
     Teile der Wertschöpfungskette sich künftig
     mit Creative AI ersetzen lassen und wie sich      Wir sollten die Antworten auf all diese Fragen
     die Technologie möglichst gewinnbringend          suchen, die zugehörigen Debatten führen
     einsetzen lässt.                                  und die Weichen in Richtung Zukunft stellen.
                                                       Die Content-Welt, die uns in zehn Jahren
     Schon heute lassen sich die Debatten              erwartet, können wir im Hier und Heute
     anstoßen und führen, die notwendig sein           mitgestalten. Die Chance, das zu tun, sollten
     werden, wenn künstliche Intelligenz zukünftig     wir wahrnehmen.

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So shoppen wir   2030

     Innovationen
     fördern und
     sichtbar
     machen

       Wir sind die erste Anlaufstelle und Innovationsförderung für
       die Hamburger Medien- und Digitalbranche. Unser Fokus liegt
       auf zukunftsfähigen Geschäftsmodellen an der Schnittstelle
       von Content zu Technologie. Wir sind Teil der Hamburg Kreativ
       Gesellschaft mbH und werden von der Stadt Hamburg getragen.

       Unser Ziel ist, Hamburgs Spitzenposition als Medien- und
       Digitalstandort weiter auszubauen.

       Die Grundlage für die Szenarien des vorliegenden Whitepapers hat
       nextMedia.Hamburg 2022 gemeinsam mit dem Carlsen Verlag, der pilot
       Agenturgruppe, Radio Marketing Service (RMS), Stein Promotions und
       blish während des Innovationsprogrammes Content Foresight erarbeitet.
       Methodisch begleitet wurde der Prozess von der Foresight-Agentur
       Rohrbeck Heger.

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