Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster

Die Seite wird erstellt Emil Rausch
 
WEITER LESEN
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
WS 2020/2021

Wir sind international
FORSCHUNG IM HOMEOFFICE   E U - F O R S C H U N G S S T R AT E G I E   I N T E R N AT I O N A L E L E H R E N D E

   Von Kuba                   Zwei                                          Sie sind
     nach                 Schwerpunkte,                                   ein Gewinn
   Steinfurt                 ein Ziel                                       für uns
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
↖ 
  Titelbild: Prof. Dr. Michael Wasserman
  gehört zu den internationalen Lehrenden
  an unserer Hochschule. Mehr dazu auf
  den Seiten 12 bis 15.

 Foto Susanne Lüdeling
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Editorial

Grenzen überwinden
trotz Corona
                                Es ist schon fast selbstverständlich, während
                                des Studiums ins Ausland zu gehen: um
                                interkulturelle Kompetenzen zu erwerben und
                                andere Lebensweisen kennen und schätzen
                                zu lernen. Aber auch für die Studierenden, die
                                nicht ins Ausland können oder wollen, halten
                                wir – Stichwort Internationalisation@home –
                                Angebote bereit, mit denen wir sie auf die
                                globale Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten.
                                Schon lange bieten wir Studiengänge in Eng-
                                lisch und binationale Programme mit Doppel-
     Kontakt
  Prof. Dr. Ute von Lojewski    abschluss an, kooperieren Wissenschaftle-
                                rinnen und Wissenschaftler mit internationalen
  praesidentin@fh-muenster.de

 Foto Thorsten Arendt           Partnern. Auch mit den Corona-Einschränkun-
                                gen ist uns vieles gelungen – über alle Gren-
                                zen hinweg. Trotz aller Schwierigkeiten haben
                                wir gezeigt, dass wir international handeln
                                und denken, so, wie es unser Entwicklungs-
                                feld Internationalisierung im aktuellen Hoch-
                                schulentwicklungsplan vorsieht. Beispiele
                                dafür, wie Internationalität unsere Hoch-
                                schule bereichert, lesen Sie in dieser Ausgabe.

                                Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

                                Prof. Dr. Ute von Lojewski
                                Präsidentin der FH Münster

                                              3
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
↗ 26

                     ↗ 30

       ↗ 12

              ↗ 24
                            fhocus Ausgabe 37
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Inhaltsverzeichnis

                                                            WS 2020/2021
                                                             Schwerpunkt
                                                         Internationalisierung

                               Internationalisierungsstrategie               International Engineering                      Weiterbildung internationaler
                                                                                                                             Hochschulen
                      06	Gut gerüstet für                            18	Von Steinfurt
                          Arbeitsmarkt und                                nach Lateinamerika                         30	Allein vor dem Rechner,
                          Gesellschaft                                                                                   aber verbunden mit der Welt
                                                                             Internationale Studierende
                                                                                                                            Moving the City und xRegions
                               EU-Forschungsstrategie                 20	Stipendium sei Dank
                      08	Zwei Schwerpunkte,                                                                         32	Gemeinsam für die Zukunft
                                                                             Auslandssemester
                          ein Ziel
                                                                                                                            Berufungen
                                                                      22	Ein abrupter Abschied
                               Projektseminar per                                                                   34	Willkommen an der
                               Videokonferenz                                Mit Erasmus+ im                            FH Münster
                                                                             Auslandspraktikum
                      10	Nichts für Eigenbrötler –                                                                      Prof. Dr. Remi Stork
                          Teamarbeit im                               24	Als Person gewachsen                           Prof. Dr. Esther Held
                          virtuellen Klassenraum                                                                         Prof. Dr. Benjamin Matthies
                                                                             Forschung im Homeoffice
                                                                                                                         Prof. Dr. Olaf Hagemeier
                               Internationale Lehrende                26	Von Kuba nach
                                                                                                                         Prof. Dr. Kathrin Ungru
                      12	Sie sind ein Gewinn                             Steinfurt
                                                                                                                         Prof. Daniela Kirchlechner
                          für uns                                                                                        Prof. Dr. André Nienaber
                                                                             Cross Border Talent

                               Geflüchtete                            28	Bremse auf der
                                                                                                                     37     FH Münster international
                      16	Flucht aus dem                                  Zielgeraden
                          Heimatland,                                                                                38     FH Münster im Profil
                          Neubeginn bei uns

  Hinweis zur geschlechter­-
  gerechten Sprache                                                                      Impressum
                                                                                         fhocus Ausgabe 37
Die Gleichberechtigung aller Ge-
schlechter ist im Leitbild der FH                                                        www.fh-muenster.de
Münster verankert. Nach Möglichkeit
verwenden wir geschlechtsneutrale                                                     Herausgeber Die Präsidentin der FH Münster
Formulierungen.                                                                       Redaktion Pressestelle der FH Münster: Katharina Kipp (V. i . S. d. P.), Anne Holtkötter
                                                                                      Gestaltung BOK + Gärtner GmbH, Münster, www.bokundgaertner.de
Wo sich dies nicht umsetzen lässt, be-                                                Korrektorat Kreativlektorat Daniela Vogel, Finnentrop
nutzen wir aus Gründen der besseren                                                   Druck Blömeke Druck SRS GmbH, Herne
Lesbarkeit das generische Masku-                                                      Papier Umschlag MultiOffset 190 g/m², Innenteil MultiOffset 100 g/m²
linum. Selbstverständlich sind dabei                                                  Auflage 1.400 Stück
alle Geschlechter eingeschlossen.                                                     ISSN 1610-2592

                                                                                     5
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Gut gerüstet für
Arbeitsmarkt und Gesellschaft
Ein Auslandsaufenthalt bringt mehr als verbesserte
Sprachkenntnisse. Wer ein halbes Jahr in einem anderen
Land lebt, entwickelt sich weiter und ist vorbereitet auf
den Arbeitsmarkt. Weshalb die Internationalisierungsstra-
tegie der FH Münster bei Persönlichkeit und Employa-
bility ansetzt und diese Kompetenzen auch in Zeiten von
Corona stärkt, darüber sprachen wir mit Vizepräsident
Prof. Dr. Frank Dellmann und International-Office-Leiterin
Evelyn Stocker.
Interview und Fotos Katharina Kipp

                                                                      ↗ Prof. Dr. Frank
                                                                      Dellmann ist
          Prof. Dellmann, die Weiterent-
     fhocus:                                                          Vizepräsident für
                                                                      Bildung und
wicklung internationaler und interkultureller                         Internationales an
Kompetenzen von Studierenden und Lehren-                              der FH Münster.

den durch internationalen Austausch spielt
an unserer Hochschule eine besondere Rolle.
     Dellmann:Das ist richtig, denn wir wollen                             Wie gelingt das?
                                                      Info
unsere Studierenden auf einen Arbeitsmarkt          Durch Corona
                                                                          Dellmann: Zum einen sicherlich dadurch,

vorbereiten, der immer mehr international agiert,   sind auch viele   indem wir die Internationalisierung als eines
                                                    ausländische
und sie gleichzeitig in ihrer Persönlichkeitsent-   Studierende in    von mehreren Entwicklungsfeldern in unserem
wicklung voranbringen. Das gelingt uns zum          Not geraten.      Hochschulentwicklungsplan (HEP) definiert und
                                                    Sie bekommen
einen durch die Vermittlung von internationa-       Unterstützung     dadurch die wichtige strategische Ausrichtung
len Kompetenzen, bei der es um ganz konkrete        durch den         verdeutlicht haben. Letzteres geschieht sicherlich
                                                    DAAD-STIBET-
Inhalte geht: Welche Normen gelten bei Ingeni-      Fonds und den     auch durch unsere AG Internationalisierung,
euren in verschiedenen Ländern? Wie sieht die       Notfallfonds      bei der sich Vertreterinnen und Vertreter aller
                                                    der FH Münster,
Gesetzgebung in unterschiedlichen internatio-       der sich mit      Fachbereiche mit Frau Stocker und mir regel-
nalen Gesundheitsbereichen aus? Uns sind aber       Geld aus dem      mäßig austauschen, etwa über Neuerungen und
                                                    Deutschland-
auch interkulturelle Kompetenzen wichtig. Wir       stipendium        unterschiedliche Bedarfe. Zum anderen aber
wollen unsere Studierenden in die Lage verset-      finanziert.       natürlich auch durch eine Vielzahl von Maßnah-
zen, sich in andere Normen- und Wertesysteme                          men, die wir konzipieren und anbieten – immer
hineinzudenken, sie zu akzeptieren und sie bei                        mit dem Fokus auf die Kompetenzen, die unsere
der Entwicklung einer eigenen Perspektive zu                          Studierenden benötigen, um in einer internatio-
berücksichtigen.                                                      nal wirkenden Gesellschaft zurechtzukommen.

                                                                      6                                                    fhocus Ausgabe 37
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Internationalisierungsstrategie

        Stocker: Dazu zählt unser Programm „Inter-                         Vieles davon ist wegen Corona kaum
   nationalisation@Home“. Dieses richtet sich vor                      noch oder anders möglich, zum Beispiel
   allem an Studierende, die aus finanziellen oder                     digital. Wie gut ist unsere Hochschule auf-
   persönlichen Gründen – weil sie zum Beispiel                        gestellt?
   Familie haben oder Angehörige pflegen müssen –                           Stocker: Ziemlich gut! Es stimmt zwar, dass

   keinen Auslandsaufenthalt durchführen können                        die physische Mobilität wegen der Grenzschlie-
   oder wollen. Ihnen bieten wir die Möglichkeit,                      ßungen und der dramatischen Entwicklungen
   trotzdem Fähigkeiten wie interkulturelle Kompe-                     in stark betroffenen Ländern eingeschränkt war
   tenzen, Weltoffenheit und Fremdsprachenkennt-                       oder noch ist. Wir hatten eine große Welle von
   nisse zu stärken, etwa durch die Teilnahme an                       Studierenden, die ihren Auslandsaufenthalt ab-
   Summer Schools oder Sprachkursen, Workshops                         gebrochen haben und nach Hause geflogen sind,
   und Veranstaltungen mit internationaler Aus-                        andere sind geblieben, wieder andere haben zum
   richtung oder gemeinsamen Lehrveranstaltun-                         Beispiel ihr Auslandspraktikum ins Homeof-
   gen von Gästen aus dem Ausland und regulären                        fice verlegt. Doch trotz all dieser Widrigkeiten
   Studierenden.                                                       erleben wir an der Hochschule einen enormen
                                                                       digitalen Push.
                                                                            Dellmann: Wir im Präsidium sind sehr stolz
                                       Kontakt                         darauf, wie schnell die Hochschule reagiert und
                                       Prof. Dr. Frank Dellmann
                                       dellmann@fh-muenster.de         sich umgestellt hat. In rasend kurzer Zeit wurden
                                                                       jede Menge digitale Lehrformate geschaffen, von
                                       Evelyn Stocker
                                       evelyn.stocker@fh-muenster.de   der auch unsere Gaststudierenden aus dem Aus-
                                                                       land profitieren. Denn wir ermöglichen es ihnen
                                                                       dadurch, trotz Rückreise in ihr Heimatland von
                                                                       dort aus an unseren Veranstaltungen teilzuneh-
                                     ↖ Evelyn Stocker
                                     leitet das                        men. Und unsere Studierenden besuchen online
                                     International Office
                                     unserer Hochschule.
                                                                       die Veranstaltungen der jeweiligen Partnerhoch-
                                                                       schule. Dass all das so gut klappt, haben wir auch
                                                                       unseren engen und guten Partnerschaften mit
                                                                       Hochschulen in der ganzen Welt zu verdanken.

„Dass all das so
                                                                       Wenngleich es natürlich sehr schade ist, dass
                                                                       viele unserer Studierenden ihr Auslandssemester

gut klappt, haben
                                                                       nicht vor Ort antreten konnten.

wir auch unseren                                                           Wie geht es nach Corona weiter?
                                                                            Dellmann: Wir werden sicherlich digitale Lehr-

engen und guten
                                                                       formate bewusst einsetzen, um Mobilitätsphasen
                                                                       vom Workload zu entlasten oder zu verkürzen.

Partnerschaften
                                                                       Studierende könnten dann zum Beispiel im Aus-
                                                                       land 20 Credit Points erwerben und den Rest über
                                                                       ein Online-Format. Corona hat uns aber auch

mit Hochschulen                                                        ganz deutlich gezeigt, dass wir alle, Studierende,
                                                                       Lehrende und Mitarbeitende, mit nicht planbaren

in der ganzen
                                                                       Veränderungen schnell umgehen können und
                                                                       müssen und dass gemeinschaftliches, globales

Welt zu verdanken.“
                                                                       Handeln weiterhin einen hohen Stellenwert hat.
                                                                            Stocker: Und wir hoffen natürlich, dass es

                                                                       mit der Idee von Europa positiv weitergeht. Die
                                                                       jetzige Studierendengeneration kannte vor Co-
Prof. Dr. Frank Dellmann                                               rona nur das Europa ohne Grenzen, und diesen
                                                                       Zustand sollten wir schnell wieder erreichen! •

                                                     7
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Zwei
Schwerpunkte,
ein Ziel
Lebensmittelabfälle sind allgegen-
wärtig, beispielsweise in der
Außer-Haus-Gastronomie. Zahl-                                                                                                      ↙ Dr. Christina

reiche Studien zeigen, warum
                                                                                                                                   Strotmann
                                                                                                                                   forscht im
                                                                                                                                   europäischen

sie entstehen. Es gibt verschiede-                                                                                                 Projekt AVARE.

ne Gründe dafür.
Text Dzemila Muratovic  Interview Anne Holtkötter

Fotos Dzemila Muratovic (linke Seite), Anne Holtkötter

Einer davon: Es mangelt an effizienten Instrumen-        „Von den Praxispartnern wissen wir, auch schon
                                                                                                                 Info                 Info
ten, die auch den betrieblichen Alltag berücksich-        aus früheren Projekten, dass die Betriebe Lebens-   AVARE ist Teil       In Deutschland
tigen. Gleichzeitig weiß man aus der Praxis, dass         mittelabfälle nicht restlos vermeiden können“,      des interdiszip-     wird das Pro-
                                                                                                              linären              jekt gefördert
Abfälle nicht restlos vermeidbar sind. Hier setzt         sagt Strotmann. Auch dafür brauche es Konzepte.     Forschungs-          durch das
das interdisziplinäre und europäische Forschungs-         Wie diese Abfälle sinnvoll verwendet werden kön-    netzwerks            Bundesministeri-
                                                                                                              (ERA-Net             um für Ernährung
projekt AVARE an – es steht für Adding value in           nen und wie sich aus ihnen ein wirtschaftlicher     Cofund)              und Landwirt-
resource effective food systems.                          Mehrwert generieren lässt, ist der Schwerpunkt,     SUSFOOD 2 mit        schaft sowie
                                                                                                              fünf Partnern        durch die Bundes-
                                                          mit dem sich die AVARE-Forschungspartner in         in vier              anstalt für
Ein Team vom Institut für Nachhaltige Ernährung           Finnland und an der TU Berlin befassen. Sie ar-     europäischen         Landwirtschaft
                                                                                                              Ländern und          und Ernährung.
(iSuN) an unserer Hochschule hat sich zum Ziel            beiten an Lösungen, Lebensmittelabfälle als Roh-    läuft noch bis       Eine Kofinanzie-
gesetzt, die Umsetzung praxisnaher Maßnahmen              stoff für biobasierte Produkte nutzbar zu machen.   April 2021.          rung erfolgt
                                                                                                                                   durch die EU-
gegen Lebensmittelverschwendung in der Gas-               Denkbar sei zum Beispiel, aus ihnen Fettsäuren                           Kommission im
tronomie zu fördern. „Unser Part ist es zu ermit-         für Fischfutter zu gewinnen, so Strotmann.                               Rahmen des
                                                                                                                                   Forschungs- und
teln und zu bewerten, welche Maßnahmen unter                                                                                       Innovationspro-
welchen Arbeitsbedingungen den größten Erfolg             Die Wissenschaftlerin findet die Kooperation                             gramms Horizon
                                                                                                                                   2020.
versprechen. Daneben entwickeln wir gemeinsam             bereichernd, man könne viel voneinander lernen.
mit finnischen, norwegischen und schwedischen             Corona mache da ausnahmsweise keine Probleme.
Forschungspartnern praxisnahe Hilfen für die             „Wir haben immer schon überwiegend online
Betriebe“, erklärt die Lebensmitteltechnologin            zusammengearbeitet. Natürlich ist es auch her-        Kontakt
Dr. Christina Strotmann. Unter der Leitung von            ausfordernd, sich über Grenzen und Disziplinen        Prof. Dr. Petra Teitscheid
                                                                                                                teitscheid@fh-muenster.de
Prof. Dr. Petra Teitscheid arbeitet das Team dabei        hinweg zu verständigen“, sagt Strotmann. Aber
auch eng mit Partnern aus der Gastronomie zu-             das gemeinsame europäische Nachhaltigkeits-           Dr. Christina Strotmann
                                                                                                                christina.strotmann@
sammen. Allerdings habe die Corona-Schließung             ziel, 50 Prozent weniger Lebensmittelabfälle bis      fh-muenster.de
der Betriebe diese Zusammenarbeit erheblich ein-          2050 zu erreichen, verbinde sie dann doch immer       www.susfood-avare.com

geschränkt.                                               wieder. •

                                                                          8                                                      fhocus Ausgabe 37
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
EU-Forschungsstrategie

Nachgefragt …
 … bei Rolf Laakmann, TAFH Münster GmbH

                                                                      Als eine der forschungsstärksten Fachhoch-
                                                                      schulen werben wir seit vielen Jahren
                                                                      sehr erfolgreich Förderprojekte ein – warum
                                                                      wir dabei jetzt strategisch noch mehr
                                                                      Europa in den Blick nehmen, das fragten wir
                                                                      Rolf Laakmann von der TAFH Münster GmbH.

                                                                              Warum ist es so wichtig für uns, bei EU-Pro-
                                                                          fhocus:

                                                                      grammen noch erfolgreicher zu sein?
                                                                          Laakmann:   Die einfache und offensichtliche Antwort wäre
                                                                      eine monetäre. Ich finde aber: Die Arbeit in internationalen
                                                                      Teams ist unabhängig von Drittmitteln eine echte Bereicherung –
                                                                      nicht nur für die Forschung oder das eigene Arbeitsumfeld,
                                                                      sondern für die Hochschule insgesamt. Denn langfristig profi-
                                                                      tieren wir auf ganz vielen Ebenen massiv von vertrauensvollen
                                                                      Partnern in Europa und der Welt.
                                                                         Wie unterstützt die TAFH unsere Wissenschaftlerinnen
                                                                      und Wissenschaftler bei der Antragstellung?
                                                                           In der „heißen Phase“ helfen wir vor allem bei der Kalkula-
                                                                      tion, formalen Fragen und der FH-internen Abstimmung. Aber
                                                                      natürlich recherchieren wir auch themenbezogen passende
                                                                      Ausschreibungen und unterstützen bei der Partnersuche. In
                                                                      Zukunft werden wir zudem eine Reihe von Informations- und
                                                                      Weiterbildungsangeboten auf den Weg bringen. Wir setzen
                             ↖ Rolf Laakmann        Info              dabei auf ein belastbares Netzwerk mit EU-Spezialisten.
                             kümmert sich in      Die TAFH
                             der TAFH Münster
                                                                          Wann sind die Aussichten auf Erfolg am größten?
                                                  Münster GmbH
                             GmbH um die          startete im             Erfolgreiche Anträge überzeugen neben der fachlichen
                             internationale       Juni das Angebot
                             Forschungsför-
                                                                      Qualität durch ein stimmiges, gut organisiertes Konsortium
                                                 „fhuture“, mit
                             derung.              dem es Unterneh-    und den Nutzen für die Gesellschaft.
                                                  men und                 War bei einer „Niederlage“ alles umsonst? Oder kön-
                                                  Institutionen fit
                                                  machen will         nen unsere Professorinnen und Professoren die investierte
                                                  für den Wandel      Energie und Arbeit ganz leicht in einen anderen Antrag
                                                  durch Corona:
                                                  mit Beratungs-      einbringen?
                                                  gesprächen              Absolut! Es ist durchaus üblich, einen Antrag erneut einzu-
                                                  per Videokonfe-
                                                  renz und einer      reichen. In der Regel erhält man ein detailliertes Feedback der
                                                  komplett digi-      Gutachter. Auf dieser Basis lässt sich eine Idee dann sehr gut
                                                  talen Veranstal-
                                                  tungsreihe.         nachjustieren. Und grundsätzlich ein etabliertes europäisches
                                                  fhms.eu/fhuture     Partnernetzwerk in petto zu haben, ist immer ein riesiger Vorteil –
                                                                      auch abseits zukünftiger Anträge.
                                                                          Welchen Stellenwert haben Förderprojekte in Zeiten
                                                                      von Corona?
                                                                          Ich bin davon überzeugt, dass Förderprojekte einen positi-
                                                                      ven Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Welt haben.
                                                                      Das gilt nicht nur für Krisenzeiten. Solche akuten Situationen
                                                                      machen die Chancen aber sichtbarer, weil der Nutzen klar er-
Kontakt                                                               kennbar ist und viele Menschen unmittelbar betroffen sind. •
Rolf Laakmann
laakmann@ta.fh-muenster.de

                                                                9
Wir sind international - Von Kuba Zwei - FH Münster
Nichts für
Eigenbrötler –
                                                                           ↖ Live
                                                                           zugeschaltet
                                                                           aus Brasilien:
                                                                           Die gemeinsam
                                                                           erarbeiteten

Teamarbeit
                                                                           Konzepte
                                                                           werden per
                                                                           Videokonferenz
                                                                           geteilt.

im virtuellen
Klassenraum
   Eine zunehmend globalisierte und digitalisierte
   Arbeitswelt führt dazu, dass Gruppenarbeiten
   weniger persönlich vor Ort, sondern virtuell in
   Videokonferenzen stattfinden. Wenn dann
   noch verschiedene Sprachen und unterschied-
   liche Zeitzonen hinzukommen, wird es kom-
   pliziert – aber nicht für unsere Studierenden.
   Text Susanne Lüdeling  Fotos privat (linke Seite), Wilfried Gerharz

                                              10                         fhocus Ausgabe 37
Projektseminar per Videokonferenz

Die Idee des virtuellen Lehrkonzepts ist einfach            Info
erklärt: In international gemischten Gruppen             Mehr zum Kon-
                                                         zept der Ver-
lösen Studierende logistische Probleme, wie              anstaltung im
beispielsweise die Planung eines Transportnetz-          Jahrbuch Logistik
                                                         2020, S. 12-16:
werks zwischen Deutschland und Brasilien. Die           „Logistik-Studie-
Herausforderung liegt darin, dass sich weder die         rende fit für die
                                                         digitale Zukunft
deutsch-brasilianischen Teams noch die Dozenten          machen:
persönlich – also face-to-face – kennenlernen, die       Kompetenzver-
                                                         mittlung 4.0“ von
Gruppenarbeit findet komplett virtuell statt. Und        Prof. Dr. Michael
das nicht erst seit Corona: Bereits zum sechsten         Dircksen, Prof. Dr.
                                                         Carsten Feldmann,
Mal integriert Prof. Dr. Michael Dircksen von der        Prof. Dr. Ralf
                                                                               Meiner Meinung nach haben die Teilnehmerinnen
Münster School of Business (MSB) das virtuelle           Ziegenbein            und Teilnehmer so am ehesten Aha-Momente.“
                                                                                                                                       Info
Projektseminar in seine Vorlesungen. „Moderne                                  Doch ganz ohne Betreuung geht es natürlich
                                                                                                                                     Das interkultu-
Hochschulen müssen Studierende auf die digita-                                 nicht: Die Dozenten bieten Coachingstunden per        relle Seminar-
lisierte und internationalisierte Arbeitswelt von                              Videotelefonie an, um den angehenden BWLern           konzept wurde
                                                                                                                                     2019 in der
morgen vorbereiten. Dafür bilden diese Seminare                                Hilfestellungen zu geben.                             Kategorie „Boas
eine wichtige Grundlage“, sagt der Experte für                                                                                       Práticas –
                                                                                                                                     Tecnologias
Logistik.                                                                      In diesen Coachings geht es dann manchmal auch        Educacionais“
                                                                               um Konflikte. „Die Ursache liegt oft in Missver-      von Google in
                                                                                                                                     São Paulo
Gemeinsam mit Prof. Gilson Souza von der bra-                                  ständnissen, weil sich die Gruppen nicht in ihrer     ausgezeichnet.
silianischen Partnerhochschule FAE Centro Uni-                                 Muttersprache verständigen. Kommunikation,
versitário in Curitiba kombiniert Dircksen die                                 Geduld und Verständnis füreinander sind hier
Themen Digitalisierung und Internationalisierung                               der Schlüssel“, so Dircksen. Das sieht auch Logis-
und bringt mit einem innovativen Seminarkon-                                   tikstudentin Imke Lemke so: „Am Anfang gab
zept Studierenden eine virtuelle Arbeitsform der                               es schon Probleme, aber gemeinsam haben wir
Zukunft näher. „Im Kern des Seminars steht die                                 nach Lösungen geguckt, und dann hat es richtig
kreative Problemlösung. Die Studierenden lernen          ↗ Der                 Spaß gemacht. Solche Erfahrungen in einem in-
                                                         Logistikexperte
über den Tellerrand hinauszudenken“, erklärt der         Prof. Dr. Michael     ternationalen Team zu sammeln, ist schon klasse.“
Hochschullehrer. Hier ist Teamgeist gefragt, denn        Dircksen betreut
                                                         das virtuelle
die Gruppen haben nur einen Monat Zeit für die           Projektseminar.            Keine Ellenbogenmentalität
Erarbeitung des Konzepts.                                                      Ganz nebenbei erlernen die Teilnehmer also noch
                                                                               zusätzlich Kompetenzen, um gemeinsam im Team
     Der Weg ist das Ziel                                                      Entscheidungen zu treffen. Eine offene Diskussi-
Aber die Aufgabe an sich ist nicht die einzige                                 onskultur ist die Basis, die manchmal aber noch
Schwierigkeit: Sprachliche Barrieren, kulturelle                               austariert werden muss. „Oftmals preschen die
Unterschiede, verschiedene Zeitzonen und techni-                               deutschen Studierenden vor und verteilen direkt
sche Herausforderungen sind weitere Hürden auf                                 Arbeitsaufgaben. Das lässt die brasilianischen
dem Weg zum Ziel. „Ich lasse die Studierenden                                  Studierenden zurückschrecken, und sie antworten
bewusst auf sich gestellt nach Lösungen suchen.                                gar nicht darauf. Ich erkläre dann allen, dass es
Ausprobieren und Fehler machen – das ist dabei                                 wichtig ist, sich erst einmal kennenzulernen, bevor
erlaubt und sogar erwünscht.                                                   man einen Arbeitsplan erstellt“, so der Professor.

                                                                               Das Projektseminar führte Dircksen in diesem

„Moderne Hochschulen müssen                                                    Jahr erstmalig mit einem Praxispartner durch. Die
                                                                               Aufgabenstellung gab die Robert Bosch GmbH in
 Studierende auf die digitalisierte                                            Curitiba vor. „Zukünftig wollen wir noch mehr
 und internationalisierte Arbeits-                                             mit Unternehmenspartnern zusammenarbeiten.
                                                                               Studierende kommen somit schon früh mit der
 welt von morgen vorbereiten.“                                                 internationalen Berufswelt in Kontakt.“ Die Ab-
                                                                               schlusspräsentation fand – natürlich – per Video-
Prof. Dr. Michael Dircksen                                                     konferenz statt. „Ich bin immer wieder davon
                                                                               beeindruckt, in welch kurzer Zeit die Teams trotz
                                      Kontakt
                                      Prof. Dr. Michael Dircksen
                                                                               aller Herausforderungen so tolle Ergebnisse erar-
                                      mdircksen@fh-muenster.de                 beiten“, berichtet der Dozent. •

                                                                         11
Sie sind
     ein
Gewinn
für uns
   12   fhocus Ausgabe 37
Internationale Lehrende

                                                  Interview und Foto Anne Holtkötter

Denn sie bringen Biografien mit, „Meine interkulturellen
die ihnen erlauben, aus anderen Lernerfahrungen empfinde
Erfahrungen zu schöpfen. Wel-     ich als Bereicherung.“
chen Blick haben internationale Prof. Dr. Kulkānti Barboza lehrt seit zehn Jahren am
                                  Fachbereich Sozialwesen Tanz- und Bewegungspä-
Professorinnen und Professoren dagogik,     Kreative Sprachbildung/-förderung und
auf unsere Hochschulland-         Internationale Perspektiven der Sozialen Arbeit. Sie
schaft? Wie wirkt sich das aus    selbst hatte in Indien klassischen Tanz und Yoga
                                  studiert, an der Universität Münster Sportwissen-
in der Lehre, in der Zusammen- schaft,    Ethnologie und Soziologie.
arbeit mit Lehrenden, im Dialog             Frau Barboza, Sie haben in Ihrem Leben viele Kultu-
                                                        fhocus:

mit Studierenden?                 ren kennengelernt. Wie beeinflussen sie Ihr Leben heute?
                                                       Barboza: Ich habe als Migrantin in drei unterschiedlichen Ge-

                                                  sellschaften gelebt, in Indien, den USA und in Deutschland, aber
                                                  innerhalb dieser großen Kulturräume bin ich durch meine Bildungs-
                                                  wege und Tätigkeitsfelder auch vielen Subkulturen nähergekommen.
                                                  Meine inter- und intrakulturellen Lernerfahrungen – auch die leid-
                                                  vollen – empfinde ich letztendlich als Bereicherung, sie haben mich
                                                  zu der Persönlichkeit werden lassen, die ich jetzt bin: eine Frau, die
                                                  in vielen kulturellen und sozialen Räumen zu Hause ist und nach
                                                  wie vor mit viel Offenheit und Wertschätzung den symmetrischen
                                                  Dialog sucht.
                                                       Was davon integrieren Sie in die Lehre?
                                                       Mir ist es ein großes Anliegen, mit unserem Lehrangebot kul-
                                                  tursensible Räume der Begegnung und des Austausches zu schaffen,
                                                  in denen Ordnungssysteme des Wahrnehmens, Deutens, Handelns
                                                  sowie Kommunizierens gemeinsam erfahrbar, diskutiert und re-
                                                  flektiert werden – um beispielsweise Vorurteile abzubauen oder
                                                  eigene Wissensbestände zu erweitern. Hierzu biete ich Seminare
                                                  an, etwa zu Themen wie Interkultureller Kompetenzerwerb, Yoga
Darüber sprachen wir mit                          oder Gesundheit und Krankheit im Kulturvergleich. Die Studieren-

Prof. Dr. Kulkānti Barboza,                       den können sich über die theoretischen und handlungsorientierten
                                                  Bezüge der eigenen kulturellen Perspektive bewusster werden und

Prof. Dr. Michael Wasserman,                      sind im Idealfall in der Lage, die Welt sowie die uns begegnenden
                                                  Menschen multiperspektiv zu betrachten. So können Studierende zu
Prof. Dikkie Scipio und                           Multiplikatoren, zu kulturellen „Übersetzerinnen“ und „Übersetzern“
                                                  werden. Dies ist ein Erfordernis, das gerade in den Tätigkeitsfeldern
Prof. Dr. David Hochmann.                         der Sozialen Arbeit besonders wichtig ist! •

                                                  ↖ Prof. Dr. Kulkānti
                                                                                         Kontakt
                                                  Barboza bei der „Inter-
                                                  national Summer-                       barboza@fh-muenster.de
                                                  school on Dance &
                                                  Movement Science“ an
                                                  unserer Hochschule
                                                  im letzten Jahr.

                                             13
Text Milana Mohr   Foto Susanne Lüdeling

„Amerikaner im Herzen,
 in Münster zu Hause.“
Prof. Dr. Michael Wasserman kommt aus den USA
und unterrichtet seit Dezember 2017 an der Münster
School of Business (MSB) Internationales Manage-
ment. Er hat selbst Vorfahren aus Deutschland und                                                 ↖ Prof. Dr. Michael

kehrte zurück, um sein Wissen in ein für ihn gerech-                                              Wasserman in
                                                                                                  einem Seminar
                                                                                                  zum Thema
tes Bildungssystem einzubringen.                                                                  International
                                                                                                  Management im
                                                                                                  Wintersemester
    fhocus: Herr Wasserman, was schätzen Sie am deutschen                                         2018, welches aus-
                                                                                                  schließlich auf
Bildungssystem?                                                                                   Englisch stattfand.
    Wasserman:  Mir gefällt die Tatsache, dass die Studierenden keine
Zehntausende von Euro an Semestergebühren zahlen müssen. Die-
jenigen, die lernen wollen, müssen sich nur auf ihre Ausbildung
konzentrieren. Sie können eine Hochschule und ein Studienpro-
gramm wählen, das ihren Interessen entspricht, und die Finanzen
fallen nicht so ins Gewicht wie in den USA. Es gibt auch Nachteile
des deutschen Ansatzes: Man unterrichtet größere Gruppen, es gibt
eine höhere Lehrbelastung für Professoren und weniger schicke
Räumlichkeiten – aber darauf kommt es nicht an. Denn Bildung ist
der Schlüssel zu einem besseren Leben. Studierende in Deutschland
können daran teilhaben, egal welchen sozialen Status sie haben. Für
mich ist das wirklich wichtig. Denn meine Verwandten, die in den
1800er Jahren aus Deutschland in die USA auswanderten, nutzten
damals die universelle und preiswerte Bildung, die in den USA im
20. Jahrhundert existierte. Ich bin der erste in meiner Familie mit
einem Doktortitel, und jetzt bin ich froh, zu einem Bildungssystem
zurückzukehren, das alle aufnimmt und ausbildet.
    Unterscheiden sich die deutschen und amerikanischen Stu-
dierenden in ihrer Mentalität?
     In gewisser Weise ja, und in gewisser Weise nein. Deutsche
                                                                         ↗ Prof. Dikkie
Studierende sind etwas selbstmotivierter und strukturierter in ihrer     Scipio in ihrem
                                                                         Architekturbüro
Denkweise und Herangehensweise an Referate und Präsentationen
als US-Studierende. Ich schätze auch den selbstkritischen Blick der
Deutschen, er bedeutet, dass die Menschen wollen, dass die Dinge
besser werden! Insgesamt gefällt mir die Herausforderung als Pro-
fessor, Lernerfahrungen so zu gestalten, dass alle Studierenden die
Möglichkeit haben, nicht nur Fakten und Theorien zu lernen, sondern
auch, wie man sich der Welt nähert, Veränderungen annimmt und
Probleme kreativ löst.
   Wenn Sie nach Ihrer Heimat gefragt werden – was ant-
worten Sie darauf?
                                                                         ↗ Prof. Dr. David
    Ich bin Amerikaner im Herzen, in Münster zu Hause.        •          Hochmann vor
                                                                         seinem Lieblings-
                                                                         ort in Steinfurt: im
                                                                         Kreislehrgarten

 Kontakt
 wasserman@fh-muenster.de

                                                                        14                      fhocus Ausgabe 37
Internationale Lehrende

Text    Stefanie Gosejohann     Foto   Casper Rila                       Text und Foto   Anne Holtkötter

„Ich bin eine Nomadin.“                                                  „Ich bin ich.“
Prof. Dikkie Scipio lehrt seit dem Sommersemester                        Seit 2014 lehrt Prof. Dr. David Hochmann am Fach-
2019 Architekturdesign an der Münster School of                          bereich Physikingenieurwesen und leitet das La-
Architecture (MSA). Die gebürtige Niederländerin                         bor für Biomechatronik. Mit 20 Jahren ist er nach
ist Mitinhaberin des internationalen Planungsbüros                       Deutschland gekommen.
Kaan Architekten, das neben dem Rotterdamer
                                                                                    Herr Hochmann, Sie sind in Moldawien, einem sehr
                                                                              fhocus:
Hauptsitz auch Niederlassungen in Paris und São
                                                                         armen Sowjetstaat, geboren worden und leben seit fast drei
Paulo hat.                                                               Jahrzehnten in Deutschland. In welcher Nationalität fühlen
                                                                         Sie sich zu Hause?
           Frau Scipio, Sie haben in vielen Ländern gearbeitet
       fhocus:                                                                Hochmann: Ich bin ich. Ich bin eine Legierung aus vielen Bestand-
und in aller Welt Großprojekte realisiert.                               teilen, und Deutschland hat da seinen Anteil: Als Fachmann bin
       Scipio:   Das stimmt, ich bin eine Nomadin.                       ich hier geprägt worden, manchmal bin ich deutscher als mancher
   Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die Sie dabei ge-               Deutsche, vielleicht auch durch die eher pragmatische Ausbildung
macht haben?                                                             zum Ingenieur und meine Tätigkeit. Ich habe Deutschland viel zu
     Gerade in internationalen Projekten treffen völlig unterschiedli-   verdanken, und ich fühle mich dem Land verbunden.
che Blickwinkel aufeinander, und es gibt zahlreiche Meinungen, wie            Ihr Weg vom Flüchtling zum Professor – war er sehr steinig?
etwas zu designen ist. Das ist eine enorme Bereicherung! Letztlich            Ja, das war er. Die Sicherung der Grundbedürfnisse eines Ein-
entdeckt man jedoch überall auf der Welt, dass es in der Architektur     wanderers funktioniert in Deutschland sehr schnell, der gesell-
eigentlich immer darum geht: Welches Material nutzt die eingesetzte      schaftliche Aufstieg ist ungleich schwieriger und geht nur über
Handwerkskunst, welche Qualität hat sie – und was bewirkt dies           Bildung. Ich kam mit nur einem Koffer, hatte kein Geld, keine klare
bei den Menschen? Bei uns in Europa ist die Herangehensweise an          Bleibeperspektive und konnte kein Deutsch. Aber nur dem Hunger
Bauvorhaben überwiegend intellektuell akademisch geprägt, während        und dem Elend entkommen zu sein, reichte mir nicht – ich wollte
etwa in Afrika die praktische Sichtweise und die Frage, wie etwas        meinen Lebensentwurf verwirklichen. Dazu gehörte das Studium
gebaut werden kann, im Vordergrund stehen. In einigen Ländern            an einer guten Universität, das mir in der UdSSR als Jude verwehrt
sind schon alle einzelnen Bauelemente vorgefertigt, und in anderen       blieb. Hier in Deutschland konnte ich nicht sofort durchstarten, weil
muss man die Elemente erst selbst herstellen. Es ist Teil unserer Pro-   meine Hochschulzugangsberechtigung nicht anerkannt wurde. Das
fession, sich mit solchen Herausforderungen auseinanderzusetzen.         Flüchtlingswohnheim, der Kampf um einen Bleibestatus, Sozialamt,
Die ganze Welt bietet einem Zugang zu so viel unterschiedlichem          Sprachkurse, Jobs, all diese Hürden bis zum Studium – das war
Wissen. Man muss allerdings immer berücksichtigen, wie dieses            natürlich nicht einfach. Aber diese Erfahrungen haben mich auch
Wissen in der jeweiligen Region verstanden wird. Manchmal ruft           geprägt und mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und vor allem:
zum Beispiel ein und derselbe Begriff in verschiedenen Kulturen          Ich war frei. Dieses Gefühl, frei zu denken und seine Meinung frei
völlig unterschiedliche Reaktionen hervor.                               äußern zu können, das wissen hier viele nicht zu schätzen, weil es
   Halten Sie auch in der Lehre einen internationalen Blick-             so selbstverständlich ist.
winkel für wichtig?                                                         Dieser Abschnitt in Ihrem Leben ist ein Teil von Ihnen. Was
     Die deutschen Studierenden sind sehr höflich und freundlich         davon geben Sie an Ihre Studierenden weiter?
und nehmen Regeln und Hierarchien ernster als zum Beispiel nieder-           Nehmt euch Zeit! Ihr seid nicht zu alt, um Erfahrungen zu
ländische Studierende. Ich versuche manchmal, sie zu provozieren         machen – die sind unschätzbar. Ich kann jedem nur empfehlen:
und so aus ihrer Komfortzone herauszuholen. Viele Studierende            Ergreift die Chancen, die beispielsweise in einem Auslandssemester
sind sich ihrer enormen Freiheiten gar nicht bewusst. Ich ermutige       stecken. •
sie dazu, neugierig auf andere Kulturen und Einstellungen zu sein
und einfach mal unterschiedliche Dinge auszuprobieren. Nur so
können sie wachsen! Daher halte ich es für äußerst wichtig, auch          Kontakt
in Hochschulen internationale Sichtweisen zu vermitteln. Hierzu           david.hochmann@fh-muenster.de

können Lehrende aus anderen Ländern sicher ein großes Stück
beitragen. •

 Kontakt
 dikkie.scipio@fh-muenster.de

                                                                    15
Rita Shaheen hatte ein Ziel. Studieren, um sich
eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Weil
das in ihrer Heimat Syrien nicht möglich war,
kam sie nach Münster zu uns an die Hochschule.
Text und Foto Rena Ronge

Flucht aus dem
Heimatland,
Neubeginn bei uns

                        Kontakt
                     International Office
                     Samia Jalal-Tiede
                     jalal@fh-muenster.de

                                                 ↗ Rita Shaheen flüchtete aus ihrer
                                                 Heimat und studiert bei uns
                                                 Chemieingenieurwesen. Zum Lernen
                                                 setzt sie sich gern an den Aasee, der
                                                 sie an ihre Heimat Syrien erinnert.

                                            16                                           fhocus Ausgabe 37
Geflüchtete

   „Das ist der Vorteil an der
      FH Münster und an
    Steinfurt: Es sind kleine
        Gruppen, und es                                                        Nominiert für ein Stipendium
     fühlt sich familiär an.“                                             Dank ihrer guten Leistungen hat sie das Inter-
                                                                          national Office für die Studienstiftung des Deut-
                         Rita Shaheen                                     schen Volkes vorgeschlagen. „Dass sie sich qua-
                                                                          lifizieren konnte und im Auswahlverfahren so
                                                                          weit gekommen ist, allein das ist schon großartig“,
                                                                          erzählt Samia Jalal-Tiede, Projektkoordinatorin für
                                                                         „NRWege ins Studium“ im International Office. Das
Auf ihrer Flucht aus der Heimat hat Rita Shaheen        Info
                                                                          Auswahlverfahren besteht aus drei Runden, eine
viele Kilometer zurückgelegt. Syrien, Libanon,        Die Vergabe der
                                                      NRWege-             Präsentation, Interviews und schriftliche Tests
Türkei, Griechenland, Österreich, Deutschland –       Sprachkurssti-      gehören dazu. „Zum Glück war ein Prüfer auch
ihr Ziel: nach Münster zu ihrer Mutter und ihrem      pendien erfolgt
                                                      nach den            Chemiker. Ich musste viel zu meiner Motivation
Bruder zu kommen. In ihrer Heimat Syrien hatte        Richtlinien des     erzählen. Thema im Auswahlverfahren war Nano-
sie vier Semester Chemie studiert, daran möchte       Deutschen
                                                      Akademischen        technologie“, erzählt Shaheen.
sie an unserer Hochschule anknüpfen.                  Austauschdiens-
                                                      tes (DAAD) aus
                                                      Mitteln des        Leider hat es am Ende nicht für ein Stipendium
      Hoffnung auf berufliche Perspektive             Ministeriums für   gereicht, aber die Erfahrung, die sie durch das
„Mein Bruder hat mir von der FH Münster erzählt.      Kultur und
                                                      Wissenschaft       Verfahren machen konnte, sei für sie unbezahlbar.
 Wir haben uns dann die Kurse angeschaut, und         des Landes         Neben ihrem Studium sammelt die junge Studentin
 die waren zum Glück ganz ähnlich wie meine           Nordrhein-West-
                                                      falen (MKW-        Praxiserfahrungen in einem MTA-Labor, arbeitet in
 Module, die ich schon hatte“, erzählt die junge      NRW).              einer Backstube, nimmt als Erfahrungsreferentin
 Syrerin. Das Datum ihres ersten Tages in Müns-                          in Workshops zum Thema „Studieren in Deutsch-
                                                      Sie sollen
 ter hat sie noch ganz genau im Kopf. Es war der      Studieninteres-    land“ an unserer Hochschule teil und lernt fleißig
 18. August 2015, den sie mit Hoffnung auf eine       sierte auf das
                                                      Studium an der     für ihr Studium. Wenn sie die Sehnsucht nach
 gute wissenschaftliche Ausbildung und beruf-         FH Münster         ihrer Heimatstadt Latakia packt, dann nimmt die
 liche Perspektive verbindet. Shaheen hat auch        vorbereiten und
                                                      sie langfristig    26-Jährige ihre Lernsachen und setzt sich an den
 sofort losgelegt und vor Studienstart einen stu-     in die Studien-    Aasee. „Der See erinnert mich an das Mittelmeer,
 dienvorbereitenden Sprachkurs absolviert. Dank       und Arbeitswelt
                                                      integrieren.       hier fühle ich mich meiner Heimat ein Stück näher,
 des „NRWege – Sprachkursstipendiums“ wurde                              da lernt es sich am besten.“ •
 der sechsmonatige Kurs finanziert. „Das Inter-
 national Office hat mich dabei begleitet, und ich
 habe durch den Kurs schnell andere Studierende
 kennengelernt.“

Kontakte zu Studierenden vom Fachbereich Che-           „Der See erinnert mich
                                                            an das Mittelmeer,
mieingenieurwesen hat die junge Studentin durch
Praktika und Gruppenarbeiten bekommen. „Das ist
der Vorteil an der FH Münster und an Steinfurt: Es
sind kleine Gruppen, und es fühlt sich familiär an.    hier fühle ich mich meiner
Zwei Studentinnen aus Syrien waren auch dabei,
das hat mich gefreut.“ Ein Grund für sie, nach
                                                        Heimat ein Stück näher,
einem Jahr von Münster nach Steinfurt zu ziehen.       da lernt es sich am besten.“
                                                                                 Rita Shaheen

                                                 17
Von Steinfurt
Ein internationales Ingenieurstudium mit
Doppelabschluss? Dies wird bald für die Bachelor-
Studierenden der Fachbereiche Energie ∙ Gebäude ∙
Umwelt (EGU), Elektrotechnik und Informatik
(ETI) und Maschinenbau (MB) zur Realität.
Text Lisa Feldkamp  Fotos Jana Schiller (links), privat (rechts)

                    „Die lokale Industrie lebt vom Export. Viele Unter-                     International Engineering in sieben
                     nehmen sind weltweit aktiv. Es ist daher maßge-                        Semestern
                     bend, junge Menschen für globales Agieren und                     Schon seit einigen Jahren besteht eine Doppelab-
                     den internationalen Markt vorzubereiten – sowohl                  schlussvereinbarung zwischen den Hochschulen,
                     hier als auch im Ausland“, sagt Prof. Dr. Reinhart                leider aber noch ohne feste Curricula. Dies soll sich
                     Job, Dekan des Fachbereichs ETI, der mit den                      nun ändern. Der Plan, einen siebensemestrigen
                     Fachbereichen EGU und MB an einem Konzept                         Bachelorstudiengang mit 210 ECTS einzuführen,
                     für internationale Studiengänge auf dem Campus                    nimmt Formen an. „Um weltweit agieren zu kön-
                     Steinfurt arbeitet. Diese Studiengänge sollen zu                  nen, benötigt man natürlich auch entsprechende
                     einem Doppelabschluss mit einer renommierten                      Sprachkenntnisse. Wichtig ist, dass alle Studie-
                     ausländischen Hochschule führen – angefangen                      renden die lokale Sprache lernen und auch auf
                     wird mit der Universidad de Santiago de Chile                     dieser Sprache studieren, denn nur so können
                     (USACH) in Chile und der Universidad Pontificia                   sie sich richtig einleben, viele Kontakte knüpfen
                     Bolivariana (UPB) in Medellín, Kolumbien.                         und diese später im Beruf weiter nutzen“, sagt Job.
                                                                                       Schon vor dem Auslandsaufenthalt absolvieren die
                                                                                       Studierenden Sprachkurse und Veranstaltungen,
                                                                                       die interkulturelle Kompetenzen und Regional-
                                                                                       studien vermitteln.

                                                                                       Zum Team, das den Studiengang International
                                                                                       Engineering entwickelt, gehören die Dekane der
                                                                                       beteiligten Fachbereiche – die Professoren Bernd
                                                                                       Boiting, Eckhard Finke und Reinhart Job – sowie
                                                                                       Professorin Barbara Kaimann. Das International
                                                                   ↖ Das               Office, die TAFH GmbH Münster und das Prä-
                                                                   International-
                                                                   Engineering-        sidium unterstützen die Arbeitsgruppe. Zudem
                                                                   Team (v.l.n.r.):    wurde eine eigene Stelle für die Projektkoordi-
                                                                   Prof. Dr.
                                                                   Eckhard Finke,      nation geschaffen. Damit liegen der Aufbau des
                                                                   Lisa Feldkamp,
                                                                   Prof. Dr. Barbara   Studiengangs, die Koordination mit den Partner-
                                                                   Kaimann und         hochschulen und die Betreuung der Studierenden
                                                                   Prof. Dr.
                                                                   Reinhart Job        gebündelt in einer Hand.

                                                               18                                                          fhocus Ausgabe 37
International Engineering

nach
Lateinamerika
      Start für deutsche Studierende 2021
 Beim Besuch der Partnerhochschulen im letzten
                                                         ↘ Vertreter der drei Hochschulen
 Herbst lernten sich die Beteiligten persönlich ken-     haben sich im August 2019 in Chile
 nen und besichtigten Labore und Vorlesungssäle.         getroffen, um die Grundzüge der
                                                         Studiengänge durchzusprechen.
„Die Ausstattungen der Hochschulen sind hervor-
 ragend und laden zum Arbeiten dort ein“, lobt
 Finke, den auch die Kultur und die Lebensweise
 der Lateinamerikaner begeistert hat.

Derzeit sind sogar schon kolumbianische Studie-
rende der UPB auf dem Campus Steinfurt. Fredy
Andres Mesa Rojo hat in Kolumbien an der UPB
sein Maschinenbaustudium begonnen und kam
vor einem Jahr nach Steinfurt, um es hier zu be-
enden. „In Deutschland zu studieren war schon
immer ein Traum von mir. Das Studium eröffnet
mir viele Möglichkeiten, und ich kann mir gut
vorstellen, in Zukunft weiter in Deutschland zu le-
ben und zu arbeiten.“ Mit dem neuen Studiengang
wird es ab dem Wintersemester 2021/2022 auch
unseren deutschen Studierenden ermöglicht, den
Doppelabschluss in International Engineering zu
machen. Dafür läuft zurzeit – trotz Corona – alles
auf Hochtouren: per Mail und Videokonferenz. •

   Kontakt
   Lisa Feldkamp
   Koordinatorin International
   Engineering
   lisa.feldkamp@fh-muenster.de

                                                                        19
Stipendium
sei Dank
In einem fremden Land und in einer anderen
Sprache zu studieren, birgt Chancen und
Herausforderungen. Alina Prendes Roque hat
diesen Spagat gewagt – und absolviert
ihren Master als internationale Studierende
dank Stipendium.
 Text Rena Ronge  Fotos Alina Prendes Roque

 Kuba, Sonnenschein und zuckerweiße Strände,                Auf Theorie folgt Praxis
 das ist die Heimat von Alina Prendes Roque. Dort      Doch aller Anfang ist gar nicht so leicht in einer
 saß die 28-jährige Kubanerin im Deutschkurs, als      fremden Stadt, in der es dann auch noch ständig
 eine Freundin ihr von Münster und der dortigen        regnet. „Zuerst habe ich einen studienvorbereiten-
 Fachhochschule erzählte. Den Tipp hatte sie von       den Sprachkurs gemacht, das International Office
 einem FH-Professor, den sie im Rahmen eines           hat mir dabei geholfen. Bei den Pluspunkt-Veran-
 internationalen Kooperationsprojektes in Kuba         staltungen habe ich wunderbare Kommilitonen
 kennengelernt hatte. Die beiden Freundinnen           kennengelernt. Sie haben schon eine Art Schlüs-
 schmiedeten einen Plan: „Wir bewerben uns beide       selrolle für mich gespielt.“ In ihrem Studiengang
 an der FH Münster!“                                   war Prendes Roque eine von vier nichtmutter-
                                                       sprachlichen Studierenden, die im Wintersemester
      Von Kuba nach Münster                            2018 mit dem Master gestartet sind. Sie ist die         ↗ Die Kubanerin
                                                                                                               Alina Prendes
„Die Bewerbung war relativ einfach, es hat alles       einzige, die es bis jetzt geschafft hat. Um neben der   Roque macht am
                                                                                                               ITB ihren Master.
 super geklappt. Dann kam auch schon die Zusage        Theorie auch praktische Erfahrung zu sammeln,
 für uns beide“, erzählt Prendes Roque. Während        absolviert die junge Wirtschaftsingenieurin der-
                                                                                                                  Info
 sich ihre Freundin auf den Master International       zeit ein Praktikum in Düsseldorf. „Ich arbeite bei      Das Deutschlandsti-
 Marketing and Sales beworben hat, entschied sie       Daimler im Lieferantenkapazitätenmanagement,            pendium för-
                                                                                                               dert begabte und
 sich für das Masterstudium Wirtschaftsingenieur-      wo ich meine Kenntnisse aus dem Master prima            engagierte
 wesen. „In dem Bereich hatte ich auf Kuba meinen      anwenden kann. Etwas schade ist, dass das Prak-         Studierende an
                                                                                                               staatlichen und
 Bachelor gemacht, zwei Jahre lang an der Uni als      tikum später als geplant starten konnte. Wegen          staatlich an-
 wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und        Corona ging das aber leider nicht anders.“ Nach         erkannten Hoch-
                                                                                                               schulen in
 angewandte Mathematik unterrichtet.“ Wichtig für      dem Praktikum steht die Masterarbeit an. Wohin          Deutschland.
 sie war insbesondere bei der Wahl ihres Masters,      der Weg Prendes Roque danach führt, lässt sie           Bei der Vergabe
                                                                                                               zählen gute
 wie die berufliche Perspektive danach aussieht:       sich bewusst noch offen.                                Noten, gesell-
 Wirtschaftsingenieurwesen kombiniert techni-                                                                  schaftliches
                                                                                                               Engagement und
 sche und wirtschaftliche Aspekte – die Kubanerin                                                              besondere per-
 sieht in dieser Kombination einen Vorteil, der ihr                                                            sönliche Leistungen.

 Flexibilität bietet und sie für den internationalen
 Arbeitsmarkt qualifiziert.

                                                                        20                                                         fhocus Ausgabe 37
Internationale Studierende

↗ Durch ihre            Ohne Regenschirm geht es nicht
Zeit als Tutorin
im International   Eines weiß sie aber schon jetzt: Viel für sich mit-   Sie ist Tutorin an unserer Hochschule geworden,
Office hat         nehmen kann sie aus ihrer Zeit in Deutschland.        um neuen internationalen Studierenden bei der
Alina Prendes
Roque viele        Offener zu sein, auf Leute zugehen, alleine an        Integration zu helfen und ihre Erfahrungen wei-
deutsche und
andere             Veranstaltungen teilnehmen, all das habe sie ge-      terzugeben. Ihr Rat: „Seid offen, redet miteinan-
international      lernt, und das habe sie stark gemacht. Besonders      der, stellt Fragen, nehmt an den Ausflügen vom
Studierende
kennengelernt,     gefreut hat die Studentin, dass die FH Münster sie    International Office teil – und steckt immer einen
die ihr beim
Einleben           von Anfang an mit dem Deutschlandstipendium           Regenschirm ein.“ •
geholfen haben.    unterstützt hat. „Toll war bei der Bewerbung für
                   das Stipendium, dass sowohl Noten als auch Soft
   Info
                   Skills und persönliche Motivation gezählt haben.       Kontakt
Derzeit hat
die FH Münster     Studieren in einer Fremdsprache und dann noch          International Office
über 1.000                                                                Nadine Pantel
                   Fachvokabular lernen ist schon auch eine zeitliche     nadine.pantel@fh-muenster.de
internationale
Studierende.       Herausforderung, auch wegen des Pendelns nach
                   Steinfurt. Ich war sehr froh, nebenbei nicht noch
                   arbeiten gehen zu müssen. Das hätte ich alles
                   zeitlich nicht geschafft.“ Einen Herzens-Job hat
                   Prendes Roque dann aber doch nebenbei gemacht.

                                                  21
Ein
abrupter
Abschied
Als Laura Noh Anfang Januar neugierig und aufgeregt ins Auslands-
semester aufbrach, ahnte niemand, dass es so enden würde. „So spontan
habe ich noch keinen Flug gebucht“, sagt die Oecotrophologie-Studentin.
Text und Foto   Dzemila Muratovic

                                                         Kontakt
                                                         Ute Krützmann
                                                         ute.kruetzmann@fh-muenster.de

                                    22                                  fhocus Ausgabe 37
Auslandssemester

                                Ihre Wahl war auf die englischsprachige Laurea
                                University of Applied Sciences in Finnland gefal-
                                len. Ein Gefühl von Freiheit und Vorfreude stellte
                                sich ein, als sie in Helsinki ankam. Corona – das
                                war zu diesem Zeitpunkt für die meisten, auch
                                                                                           Info
                                für die Gaststudentin aus Deutschland, zunächst
                                                                                         Der Fachbereich
                                nur ein Thema von vielen aus den Nachrichten.            Oecotropho-
                                Ein Virus, das weit weg war.                             logie ∙ Facility
                                                                                         Management
                                                                                         hat insgesamt
                                Laura Noh stellte sich sehr schnell auf das neue         29 internatio-
                                                                                         nale Partner-
                                Hochschulleben um. „Die Lehre war verschulter            hochschulen in
                                und interaktiver“, erzählt sie. Der dortige Studi-       Europa, Afrika
                                                                                         und Südamerika.
                                engang Hospitality Management passte gut zu
                                ihrem gewählten Schwerpunkt Dienstleistungs-
                                und Verpflegungsmanagement. Sie fand schnell
                                neue Kontakte unter einheimischen und inter-
                                nationalen Studierenden. Im Februar machte sie           Immer mehr Länder schlossen jetzt ihre Grenzen.
                                noch den ersehnten Ausflug ins eisige Lappland,         „Angst, in Finnland hängenzubleiben, hatte ich
                                um die Polarlichter zu sehen. „Das war definitiv         nicht.“ Sie vertraute darauf, dass sie als Bürgerin
                                eines der Highlights“, sagt sie, „einfach großartig.“    des Landes früher oder später auch wieder nach
                                                                                         Deutschland einreisen durfte. Ob sie Angst vor
                                Dann ging alles sehr schnell. Die Nachrichten zur        dem Virus hatte? „Ich glaube, ich hatte keine Zeit,
                                Coronalage in Österreich und Italien erreichten          darüber nachzudenken.“ Jetzt musste es schnell
                                sie. Auch in ihre Hochschule schlich sich die Ner-       gehen. Denn das Fliegen wurde immer kompli-
„Dennoch bin                    vosität ein. Sie hörte, dass asiatische Studierende      zierter. Gecancelt, ein Flug nach dem anderen.
 ich dankbar für                mit dummen Kommentaren zu kämpfen hatten.
                                Mitte März entschied ihre Gasthochschule, die
                                                                                         Zwischenlandlungen stellten sich als Problem dar.
                                                                                         Mit Twickeler und Westermann suchte sie nach
 die Erfahrun-                  Türen zu schließen. Alle Seminare fanden von da          Flügen. Und tatsächlich: Am 18. März ging ein
 gen, die ich in                an nur noch online statt. „Das hat bis auf ein paar
                                kleine Pannen reibungslos geklappt“, berichtet
                                                                                         Direktflug von Helsinki nach Berlin. „Ich glaube
                                                                                         es erst, wenn wir im Flugzeug sitzen“, sagte sie zu
 den zweieinhalb                die Münsteranerin. Allerdings schrumpfte die             ihren zwei Begleitern. Es klappte.
 Monaten ge-                    Gruppe der Gaststudierenden immer mehr, weil
                                sie entweder freiwillig abreisten oder nach Hause             Kein verlorenes Semester
 macht habe.“                   beordert wurden.                                         Der DAAD brachte dann schließlich eine dritte Op-
                                                                                         tion ins Spiel: Erasmus-Studierende, die ihre Gast-
Laura Noh                            Lockdown dort oder hier?                            hochschule verlassen hatten, konnten zu Hause
                                Noh musste abwägen: Helsinki verlassen oder              das Semester online abschließen. Von Münster
                                bleiben und online das Erasmus-Studium fortset-          aus führte sie ihre Seminare zu Ende und legte die
                                zen? Der Deutsche Akademische Austauschdienst            Prüfungen online und per Videochat ab. Dieses
                                (DAAD), der das Erasmus-Programm für Deutsch-            abenteuerliche Semester endete am 31. Mai.
                                land organisiert, machte keine Vorgaben. „Dann
                                doch vielleicht nach Hause?“, überlegte sie. Die         Was die Studienleistungen angeht, war es also kein
                                damals 21-Jährige war sich genauso unschlüssig           verlorenes Semester. „Es war aber schon schade,
                                wie ihre zwei Kommilitonen aus Münster, Mat-             dass ich mich so abrupt von meinen neuen Freun-
                                thias Twickeler und Jana Westermann, die zur             den verabschieden musste“, sagt Noh. Außerdem
                                selben Zeit in Helsinki waren. Noh telefonierte mit      wäre sie auf den Sommer in Skandinavien neu-
            ↖ Am
                                Ute Krützmann, der Koordinatorin für Internati-          gierig gewesen. Nach Semesterende wollte sie ei-
            Hauptbahnhof        onales am Fachbereich Oecotrophologie ∙ Facility         gentlich die Länder im Norden Europas bereisen.
            in Münster
            startete Laura      Management. Sie riet ihr, in dieser unberechenba-       „Dennoch bin ich dankbar für die Erfahrungen, die
            Noh in ihr
            Auslandssemes-
                                ren Situation nach Hause zu kommen, je früher,           ich in den zweieinhalb Monaten gemacht habe.“
            ter, das sich       desto besser.                                            Mit einigen aus dem Semester bleibt sie in Kontakt.
            völlig unerwartet
            entwickelte.                                                                 Corona habe dazu geführt, dass alle – emotional –
                                                                                         etwas enger zusammengerückt seien. •

                                                               23
Weltweite Reisewarnun-
                     gen, Ausgangsbe-
                     schränkungen, Flugaus-
                     fälle – José Ángel Mena
                     Vargas ist mehr als
                     1800 Kilometer von zu
                     Hause entfernt, als
                     sich Mitte März die Er-
                     eignisse rund um die
                     Corona-Pandemie
↗ Nach
                     überschlagen. Der Elek-

            Als
mehreren Wochen
Recherchearbeit
im Homeoffice
konnte José Ángel
Mena Vargas kurz
                     trotechnikstudent
vor seiner Abreise
im Labor an
seinem Funktions-
                     aus Córdoba hatte erst
muster
weiterarbeiten.      zwei Wochen zuvor

        Person
                     ein Praktikum an unse-
                     rer Hochschule
                     angetreten – und blieb.

           gewachsen
                      Text und Fotos   Jana Schiller

                          Kontakt
                          International Office
                          Laura Paul
                          laura.paul@fh-muenster.de

                     24                                fhocus Ausgabe 37
Mit Erasmus+ im Auslandspraktikum

                   „Am Anfang war alles noch nor-         Da Mena Vargas das Labor nicht
                    mal“, erinnert sich der 23-Jäh-       mehr betreten durfte – Mitte
                    rige an seinen Start in Steinfurt.    März schloss die Hochschule
                                                                                             ↗ Vom
                    Für drei Monate wollte er im La-      alle Gebäude –, richtete er sich   mediterranen
                                                                                             Andalusien
                    bor für Halbleiter-Bauelemente        seinen Arbeitsplatz in seinem      ins grüne
                    und Bussysteme von Prof. Dr. Pe-      WG-Zimmer in Steinfurt ein.        Münsterland –
                                                                                             José Ángel
                    ter Glösekötter an einem prak-        Tagsüber recherchierte der Stu-    Mena Vargas
                                                                                             aus Córdoba
                    tischen Projekt arbeiten. Sein        dent zu seinem Projektthema        absolvierte ein
                    selbst gewähltes Thema: Design        und entwickelte verschie-          Auslandsprakti-
                                                                                             kum an der
                    und Herstellung einer Prothese        dene Designs am Computer.          FH Münster.
                    für den rechten Zeigefinger.          Abends besuchte er über die
                    Den Kontakt zum Fachbereich           Online-Sprachunterstützung
                    Elektrotechnik und Informatik         der Europäischen Kommission        die Seminare und Vorlesungen,
                    hatte ihm sein Professor an der       einen virtuellen Englisch-Kurs.    aber sie haben nichts von Müns-
                    Universidad de Córdoba, einer        „Die Situation war belastend“,      ter, Steinfurt oder dem Rest von
                    Partnerhochschule der FH              gesteht er rückblickend. „Je-      Deutschland gesehen – das ist
                    Münster, vermittelt. Finanzielle      der Tag war gleich. In so einer    total schade!“ Der fehlende per-
                    Förderung bekam er durch das          Krisenzeit ist es nicht leicht,    sönliche Austausch erschwerte
                    Programm Erasmus+. „Ich habe          so weit weg von zu Hause zu        es zum Teil, im Studium mitzu-
                    im vergangenen Jahr bereits ein       sein.“ Unterstützung bekam         kommen. „Im Hörsaal können
                    Praktikum in Mexiko gemacht“,         er von vielen Seiten. „Das         sie mal zwischendurch ihren           Info
                    berichtet José Ángel Mena Var-        International Office der FH        Sitznachbarn fragen. Das ist       Das EU-Pro-
                                                                                                                                gramm Erasmus+
                    gas. „Jetzt hatte ich große Lust,     Münster und Prof. Glösekötter      in einer Videokonferenz nicht      stärkt unter
                    noch ein zweites Mal ins Aus-         waren sehr hilfsbereit. Auch       möglich“, erklärt Paul.            anderem den Aus-
                                                                                                                                tausch und die
                    land zu gehen, um praktische          mein Professor aus Córdoba                                            Zusammenarbeit
                    Erfahrungen zu sammeln.“              erkundigte sich regelmäßig, ob     Mena Vargas fand über Álvaro       zwischen Hoch-
                                                                                                                                schulen in Eu-
                                                          alles in Ordnung ist.“             Herrero Pérez, der im Labor        ropa und unter-
                    Abbrechen oder bleiben?                                                  von Glösekötter arbeitet und       stützt damit die
                                                                                                                                europäischen
                    Die plötzlichen Maßnahmen zur         Persönlicher Austausch fehlt       ebenfalls aus Córdoba kommt,       Bildungsziele.
                    Eindämmung des Virus trafen           So wie Mena Vargas erging es       trotz Kontaktbeschränkungen
                    den Studenten und Glösekötter         auch 32 weiteren Gaststudieren-    schnell Anschluss zu Studieren-
                    unerwartet. „Das war schon            den, die das Sommersemester        den aus Kolumbien, Marokko
                    eine befremdliche Situation“,         an der FH Münster absolvierten,    und Tunesien. Kurz vor seiner
                    schildert der Hochschullehrer.        weiß Laura Paul vom Internatio-    Abreise konnte der Bachelor-
                   „Ich fragte mich, wie ich mich         nal Office. 20 von ihnen mussten   student schließlich auch seine
                    wohl in einer vergleichbaren          oder wollten in ihr Heimatland     Kollegen im Labor wiedersehen
                    Situation damals bei meinem           zurückkehren und nahmen von        und an seinem Funktionsmus-
                    Auslandsaufenthalt in Granada         dort aus an Online-Kursen teil.    ter weiterarbeiten. „Es war eine
↖ In seinem
                    gefühlt hätte.“ Die Entscheidung,    „Viele konnten das Auslandsse-      gute Entscheidung, mein Prak-
Projekt             das Praktikum abzubrechen             mester nicht einfach verschie-     tikum fortzusetzen“, resümiert
entwickelte der
Bachelorstudent     oder fortzuführen, überließ er        ben, weil die Studienpläne         Mena Vargas. „Dank dieser Er-
eine Fingerpro-
these. Mit einem
                    dem Gaststudenten. „Ich habe          zum Teil eng getaktet sind“,       fahrung konnte ich für meine
Microcontrol-       ihm gesagt, dass ich seine Ent-       beschreibt Paul die Situation.     zukünftige Arbeit als Person
ler-Board
testete er dafür    scheidung in jedem Fall mittra-      „Über das E-Learning-Angebot        wachsen. Ich bedanke mich
zunächst
unterschiedliche
                    gen werde“, betont Glösekötter.       besuchten sie zwar trotzdem        bei allen Menschen, die mich
Sensoren.          „In unseren Gesprächen kamen                                              in schwierigen Momenten un-
                    wir zu dem Schluss, dass es                                              terstützt haben. Studierenden,
                    wahrscheinlich sicherer ist,                                             die ein Praktikum im Ausland
                    wenn er nicht heimreist, weil                                            machen wollen, kann ich nur
                    das mit viel mehr Personen-                                              empfehlen, nach Deutschland
                    kontakten verbunden gewesen                                              zu kommen und dieses fantasti-
                    wäre.“                                                                   sche Land zu erleben.“ •

                                                                      25
Sie können auch lesen