Wirtschaftsbericht Russland - Schweizerische Botschaft in Moskau Juni 2018 - Switzerland Global Enterprise
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Abteilung Wirtschaft, Finanzen, Wissenschaft Wirtschaftsbericht (public) Referenz-Nr. 512.0 26.06.2018 Schweizerische Botschaft in Moskau Juni Wirtschaftsbericht 2018 Russland
Wirtschaftsbericht Russland Inhaltsverzeichnis 1. Einschätzung der Wirtschaftslage und Auswirkungen auf die Schweiz ..........................................4 2. Internationale und regionale Abkommen .........................................................................................7 2.1. Politik, Prioritäten des Landes ..................................................................................................7 2.2. Perspektiven für die Schweiz (Diskriminierungspotential) .................................................... 10 3. Aussenhandel ............................................................................................................................... 10 3.1. Allgemeine Entwicklung und Zukunftsaussichten ................................................................. 10 3.1.1. Güterhandel ................................................................................................................... 10 3.1.2. Dienstleistungshandel ................................................................................................... 11 3.2. Bilateraler Handel .................................................................................................................. 11 3.2.1. Güterhandel ................................................................................................................... 11 3.2.2. Dienstleistungshandel ................................................................................................... 11 4. Direktinvestitionen ........................................................................................................................ 12 4.1. Allgemeine Entwicklung und Zukunftsaussichten ................................................................. 12 4.2. Bilateraler Investitionsfluss .................................................................................................... 13 5. Handels-, Wirtschafts- und Tourismusförderung der Schweiz in Russland ................................. 14 5.1. Instrumente zur Aussenwirtschaftsförderung ........................................................................ 14 5.1.1. Institutionen ................................................................................................................... 14 5.1.2. Veranstaltungen zur Aussenwirtschaftsförderung ......................................................... 14 5.2. Interesse an der Schweiz als Tourismusdestination, Ausbildungsort und Erbringer von anderen Dienstleistungen (Entwicklungspotential) ........................................................................... 15 5.3. Interesse an der Schweiz als Investitionsstandort (Entwicklungspotential) .......................... 15 5.4. Interesse an der Schweiz als Finanzplatz (Entwicklungspotential) ....................................... 15 -2-
Juni 2018 Executive Summary Nach der Wiederwahl von Präsident Putin plant dessen Regierung als erste wirtschaftspolitische Mas- snahme eine überfällige aber unpopuläre Erhöhung des Rentenalters auf 65 sowie die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 20%. Zudem sollen unter anderem die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Un- terstützung von KMUs und Exportbranchen, technologische Initiativen sowie die digitale Wirtschaft in den kommenden 6 Jahren prioritär vorangetrieben werden. Im vergangenen Jahr kehrte die russische Wirtschaft zu einem moderaten Wachstum von 1.5% zurück. Dies liegt im Bereich des Potentialwachs- tums, welches ohne tiefgreifende strukturelle Reformen kaum angehoben werden kann. Zufrieden sind die Entscheidungsträger des Landes damit nicht. So soll sich Russland mittelfristig unter den fünf gröss- ten Volkswirtschaften positionieren und sein Wachstum über den globalen Durchschnitt heben. Die po- sitive Ölpreisentwicklung war zweifelsfrei einer der wichtigsten Faktoren für die makroökonomische Sta- bilisierung der russischen Wirtschaft. Im Fahrwasser der steigenden Ölpreise und wachsender Investi- tionen liess sich im vergangenen Jahr zudem eine Stabilisierung des Rubelkurses ausmachen. Lag der durchschnittliche Wechselkurs 2016 noch bei RUB 68 pro USD, kostete der Dollar im vergangenen Jahr durchschnittlich noch knapp über RUB 58. Die Inflation, im März 2015 noch auf einem Höchststand von 16.9%, ist zuletzt bis auf 2.4% gesunken. Der Haushaltskonsum fand dank einem Anstieg der Reallöhne, der gesamtwirtschaftlichen Erholung sowie der Stabilisierung des Rubels wieder zu einem Wachstum von 3.4% zurück. Paradoxerweise sank dabei das frei verfügbare Einkommen jedoch bereits das vierte Jahr in Folge. Die Arbeitslosigkeit blieb 2017 bereits wie in den Jahren davor stabil unter 6%. Das Budgetdefizit konnte dank höherer Einnahmen aus dem Erdölmarkt stark verringert werden und betrug 2017 1.5% des BIP. Für den Haushalt 2018 wird ein Überschuss von rund 0.5% des BIP erwartet. Die Fussballweltmeisterschaft im Juni und Juli 2018 soll im laufenden Jahr zu einem höheren Konsum sowie Zusatzeinnahmen im Dienstleistungssektor beitragen. Dennoch ist kaum mit langfristigen Impulsen zu rechnen (siehe Box 1 auf Seite 7). Auch der Aussenhandel Russlands zeigte 2017 einen beachtlichen Wideranstieg von 25%. Mit 63% machten die Rohstoffexporte traditionell den Löwenanteil der russi- schen Gesamtexporte aus. Neben den Rohstoffen gehörten Metalle und Metallprodukte, Maschinen und Ausrüstung, Landwirtschaftsprodukte sowie chemische Produkte zu den wichtigsten russischen Exportgütern. Aller geopolitischen Spannungen (US-Sanktionen) und demonstrativer russischer Zuwen- dung gegen Osten zum Trotz: Die EU bleibt für Russland der wichtigste Handelspartner, auch wenn deren Anteil am gesamten russischen Aussenhandelsumsatz zwischen 2012 und 2016 von 49% auf 42.2% gefallen ist. Die neuen US Sanktionen vom 6. April 2018 gegen russische Oligarchen, Regie- rungsvertreter und Firmen haben Unternehmen wie den russischen Aluminiumhersteller Rusal oder die Renova Gruppe des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg empfindlich getroffen. Aber auch europä- ische Unternehmen befürchten, dass die Anwendung und Umsetzung der US-Massnahmen die wirt- schaftliche Unsicherheit in Russland für längere Zeit weiter erhöhen wird. Offen sind dabei noch Ge- genmassnahmen Russlands, die, wenn auch aller Voraussicht nach eher gemässigt, das wirtschaftliche Umfeld für die in Russland tätigen Unternehmen weiter beeinträchtigen können (siehe Box 2 auf Seite 9). Insgesamt bleiben somit die Herausforderungen (u.a. Privatisierung der Wirtschaft, Reduktion der Rohstoffabhängigkeit), vor denen Russland wirtschaftlich steht, unabhängig vom wirtschaftlichen Kurs der Regierung gross. Die schweizerischen Ausfuhren nach Russland verzeichneten 2017 mit einem Anstieg von 9.4% ein deutliches Plus, während die Importe aus Russland weiter um 18.6% auf CHF 1.3 Mrd. sanken. Mit Blick auf die wichtigsten Exportgüter der Schweiz für den russischen Markt konnten insbesondere opti- sche/medizinische Instrumente sowie landwirtschaftliche Produkte zulegen. Der Anteil von Landwirt- schaftsexporten an den schweizerischen Gesamtexporten nach Russland ist mittlerweile auf fast 9% gestiegen. Auch der Pharmaziebereich als weitaus wichtigster Exportsektor konnte deutliche Exportzu- nahmen verzeichnen. Die Werkzeugmaschinenexporte nach Russland erzielten im 1. Quartal dieses Jahres ein Rekordergebnis mit dreistelligen Zuwachsraten. Russland könnte als Abnehmer in diesem Bereich bis Ende Jahr andere europäische Länder übertreffen. Schweizer Qualität ist in Russland ge- fragt und ein Absatzpotential besteht. Russland bleibt derweil ein Land mit nicht unerheblichen Risiken. Verschiedene Firmen trugen uns im Berichtzeitraum ihre Anliegen vor. Die Botschaft bemühte sich da- bei, in allen Fällen Hilfestellung zu leisten. -3-
Wirtschaftsbericht Russland 1. Einschätzung der Wirtschaftslage und Auswirkungen auf die Schweiz Leichtes Wirtschaftswachstum. Neben der seit 2012 schwelenden strukturellen Wachstumsschwä- che war die russische Wirtschaft seit 2014 insbesondere zwei weiteren Faktoren ausgesetzt, welche der Rezession der vergangenen Jahre zugrunde lagen: Einerseits das tiefe Niveau der Ölpreise sowie dessen gravierende Auswirkung auf die Entwicklung des russischen Rubels und andererseits die durch die Ukraine-Krise hervorgerufene Unsicherheit sowie die in mehreren Wellen gegen Russland ergriffe- nen Sanktionen. Während der BIP-Rückgang im Jahr 2015 noch -2.8% betrug, wiesen die Resultatei für 2016 mit einer milderen Stagnation von -0.2% bereits auf eine graduelle Stabilisierung der russischen Wirtschaft hin. Im vergangenen Jahr kehrte die russische Wirtschaft schliesslich zu einem leichten Wachstum von 1.5% zurück. Wichtigste Wachstumstreiber waren gemäss Weltbank der private Konsum sowie Investitionen, welche aufgrund der makroökonomische Stabilisierung einen Anstieg verzeichne- ten.ii Mittelfristig ist weiterhin nicht mit einem markanten Wachstumsschub zu rechnen. Für die kom- menden beiden Jahre rechnen IWF und Weltbank mit einem weiterhin bescheidenen Wachstum zwi- schen 1.5% bis 1.7%.iii Steigender Ölpreis. Die positive Ölpreisentwicklung seit der Ende 2016 erreichten Einigung der Orga- nisation erdölexportierender Länder (Opec) über eine Limitierung der Ölförderung, welcher sich auch Nicht-Opec-Mitglied Russland anschloss, war zweifelsfrei einer der wichtigsten Faktoren für die makro- ökonomische Stabilisierung der russischen Wirtschaft im vergangenen Jahr. Lag der durchschnittliche Ölpreis 2016 noch bei 43 USD/bbl, so stieg er im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 53 USD/bbl. 2018 soll der Ölpreis weiter steigen, auf durchschnittlich mindestens 65 USD/bbl.iv Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran ist der Ölpreis Anfang Mai aufgrund der Befürchtung einer weiteren Angebotsverknappung gar auf ein Dreieinhalb-Jahreshoch von über 77 USD/bbl gestiegen. Obwohl Russland aufgrund seiner Rohstoffabhängigkeit grundsätzlich von einem hohen Ölpreis profi- tiert, ist es fraglich, wie lange es die Produktionsbeschränkungen der Opec unterstützen wird. Mit dem Anstieg des Ölpreises wächst gleichzeitig die Konkurrenz aus den USA, da die dortige Schieferölpro- duktion rentabler wird. Russland aber wird es längerfristig nicht zulassen, seine Position auf dem Erd- ölmarkt durch künstliche Lieferbeschränkungen zu gefährden. Starke Landwirtschaft, Aufwärtstrend der Industrie. Nach einer Stagnation im Jahr 2015 verzeich- nete Russlands Industrieproduktion (inkl. Energiewirtschaft, Verarbeitungsindustrie, Elektrizitäts-, Was- ser-, und Gasversorgung, Instandhaltung, Abfallwirtschaft) 2016 mit 1.3% und 2017 mit 1% einen leich- ten Aufwärtstrend in den vergangenen beiden Jahren.v Das Wirtschaftsentwicklungsministerium erwar- tet mit einem Wachstum von 1.7% auch für das aktuelle Jahr kein markantes Wachstum in den Indust- riesektoren.vi Nachdem der Zuwachs des aufstrebenden Agrarsektors 2016 noch 4.8% betrug, flachte diese Entwicklung im vergangenen Jahr mit 2.4% etwas ab. Dennoch kann weiterhin von einem Auf- schwung der russischen Landwirtschaft gesprochen werden, was auch dadurch verdeutlicht wird, dass Agrarprodukte mittlerweile 6% der russischen Gesamtexporte ausmachen (2013: 3%) und Russland zum weltweit grössten Weizenexporteur aufgestiegen ist.vii Während 2016 der Einzelhandel mit -3.2% und die Baubranche mit -4.2% noch deutliche Rückläufe hinnehmen mussten, konnte 2017 die negative Dynamik in beiden Sektoren gestoppt werden. Der Einzelhandel wuchs 3.3% (BIP-Anteil von 14.3%), die Baubranche 0.5% (BIP-Anteil von 6.4%).viii, ix Anlageinvestitionen. Nach einem starken Rückgang der Anlageinvestitionen 2015 um 10.1%, blieben diese 2016 stabil und verzeichneten im vergangenen Jahr eine Rückkehr zu einem Wachstum von 4.4%. Ende 2017 betrug das Volumen der Anlageinvestitionen in Russland ca. USD 266 Mrd.x Zurückzuführen ist dieser Anstieg hauptsächlich auf höhere Ausgaben für Maschinen und Equipment (Anteil von 33.8% des Investitionsvolumens) im Zuge des erstarkten Rubels sowie das Vorantreiben von Infrastrukturpro- jekten (u.a. Projekte im Rahmen der kommenden Fussballweltmeisterschaft, die Gas-Pipeline «Power of Siberia» oder die «Kerch-Brücke» auf die Krim).xi Es wird sich allerdings zeigen, ob die positive In- vestitionsdynamik nachhaltig sein wird. Wichtige Investitionsprojekte, die 2017 zur Zunahme der Anla- geinvestitionen beitrugen, sind beendet oder werden bald zum Abschluss kommen. Gegen einen um- fassenden Investitionsaufschwung spricht auch, dass die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbe- dingungen es weiterhin verhindern, dass Investoren, insbesondere auch aus dem Ausland, neues Ver- trauen in den russischen Markt fassen. Sinkendes Budgetdefizit, geringe Staatsverschuldung. Das Defizit des 2014 beinahe noch ausge- glichenen Staatshaushaltes stieg in den Jahren 2015 und 2016 markant bis auf 3.4% des BIP an. Von zentraler Bedeutung für den sprunghaften Anstieg des Defizits war der Zerfall des Ölpreises, zwischen -4-
Juni 2018 2014 und 2016 gingen die Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor um ca. 34% zurück. Hatte der Anteil dieses Sektors an den gesamten föderalen Einnahmen 2014 noch über 51% betragen, waren es 2016 nur noch 36%.xii Im vergangenen Jahr konnte das Defizit dank der Stabilisierung des Erdölmarktes stark verringert werden und betrug noch lediglich 1.5% des BIP, was die Erwartungen deutlich übertraf. Für das föderale Budget 2018 erwartet das Finanzministerium gemäss seiner aktualisierten Prognose einen Überschuss von rund 0.5% des BIP. Einnahmen von rund USD 270 Mrd. sollen Ausgaben von rund USD 263.5 Mrd. gegenüber stehen.xiii Obwohl der durchschnittliche Ölpreis im ersten Quartal die- ses Jahres bei über 65 USD/bbl lag, richtet sich Russlands Budgetplanung weiterhin nach einem kon- servativen Preis von 40 USD/bbl. Zusätzliche Budgeteinnahmen, die aus höheren Ölpreisen resultieren, sollen einen verstärkten Ankauf von Fremdwährungen und die Aufstockung des nationalen Wohlfahrts- fonds erlauben.1 Die Anwendung dieser Fiskalregel soll einerseits die Abhängigkeit des Staatshaushalts von den aus dem Energiesektor stammenden Einnahmen verringern und andererseits dazu beitragen, die starke Korrelation zwischen Rubelkurs und Ölpreisen zu entkoppeln. Trotz Rezession und Budget- problemen ist die tiefe Staatsverschuldung Russlands seit 2014 lediglich geringfügig angestiegen (von 15.7% 2014 auf 17.4% 2016) und soll gemäss IWFxiv im aktuellen Jahr 18.7% erreichen. Solider Rubel, tiefe Inflation. Der russische Rubel, traditionell stark getragen vom Erdölpreis, verlor ab Herbst 2014, nachdem die Zentralbank den Kurs frei gab, stark an Wert. Im Fahrwasser der sich stabilisierenden Ölpreise und wachsender Investitionen liess sich im vergangenen Jahr eine leichte Sta- bilisierung der Währung ausmachen. Lag der durchschnittliche Wechselkurs 2016 bei beinahe RUB 68 pro USD, kostete der Dollar im vergangenen Jahr durchschnittlich noch knapp über RUB 58. xv Eine erneute Schwächung des Rubels Mitte April 2018 brachte diesen kurzfristig auf einen eineinhalbjährigen Tiefststand und konnte in erster Linie auf die Einführung neuer US-Sanktionen zurückgeführt werden. Um einerseits Exporte zu fördern und andererseits die heimische Produktion von Importen zu schützen, spricht sich die russische Regierung konsistent gegen einen zu starken Rubel aus. Um den Rubelkurs in Stärkephasen entgegenzuwirken, hat Russland bereits im vergangenen Jahr punktuell am Devisen- markt interveniert und plant dies aufgrund grösserer zu erwartender Staatseinnahmen auch in diesem Jahr zu tun. Nachdem die Inflation im März 2015 noch auf einem Höchststand von 16.9% lag, ist sie bis im Mai dieses Jahres auf 2.4% gesunken und hat damit das zu erreichenden Ziel der russischen Zent- ralbank von 4% deutlich übertroffen. Während den Zeiten hoher Inflation hob die Zentralbank den Leit- zins auf bis zu 17% an, um den stark nachgebenden Rubel zu stützen und die Kapitalflucht zu mindern. Durch die tiefe Inflation verfügt die Zentralbank nun über immer mehr Spielraum, um zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums den Leitzins kontinuierlich zu senken. Ende März 2018 wurde der Zinssatz zuletzt auf 7.25% zurückgenommen.xvi Steigender Konsum, stabile Reallöhne. Nachdem 2015 die Reallöhne insbesondere als Folge der hohen Inflation und auch als Preis für die anhaltend tiefe Arbeitslosigkeit um 9.5% sanken und damit einhergehend auch der Haushaltskonsum um beinahe 10% einbrach, zeigte sich 2016 ein divergieren- des Bild zwischen Lohndynamik und Konsumentenaktivität. Während sich die Reallöhne mit einem mi- nimalen Zuwachs von 0.8% auf tiefem Niveau stabil zeigten, ging der Haushaltskonsum um 2.8% zurück. Im vergangenen Jahr fand der Haushaltskonsum dank einem Anstieg der Reallöhne um 3.4%, der ge- samtwirtschaftlichen Erholung sowie der Stabilisierung des Rubel schliesslich wieder zu einem Wachs- tum von 3.4% zurück. Trotz steigender Reallöhne sank das frei verfügbare Einkommen 2017 weiter um 1.7% und damit bereits das vierte Jahr in Folge.xvii Arbeitslosigkeit, Armutsquote. Die Arbeitslosenquote, welche zwischen 2016 und 2017 von 5.5% leicht auf 5.2% zurückging, zeigte sich seit 2014 trotz Krise stabil und überschritt seither kaum einmal die Grenze zu 6%.xviii Der russische Markt reagierte in den vergangenen Jahren nicht mit markanten Entlassungswellen auf die Krise, vielmehr wurden Arbeitszeiten gekürzt oder Arbeitsnehmende in un- bezahlte Urlaube geschickt. Auch die Armutsquote verzeichnete in den vergangenen Jahren keine gros- sen Schwankungen und betrug 2017 13.8%. Selbst in Regierungskreisen wird jedoch kritisiert, dass das definierte Existenzminimum von rund USD 195 zu tief angesetzt ist.xix Der russische Mindestlohn liegt seit Anfang 2018 mit USD 166 weiter 15% unter dem Existenzminimum, soll diesem aber bis 2019 angeglichen werden.xx 1 Die angespannte Budgetsituation der vergangenen Jahre zwang die Regierung, den vorhandenen Staatfonds Gelder zu ent- nehmen. Der Reservefonds, der 2008 noch USD 142 Mrd. hielt, ging bis Ende 2017 auf USD 17 Mrd. zurück und wurde schliess- lich in den zweiten russischen Fonds, den nationalen Wohlfahrtsfonds überführt. Der letztgenannte und nun einzige nationale Fonds, welcher ursprünglich zur Unterstützung von Pensionszahlungen gedacht war, hält derzeit insgesamt rund USD 66 Mrd. -5-
Wirtschaftsbericht Russland Regionale Entwicklung. Auf regionaler Ebene bleibt die Angleichung von Produktivitäts- und Wohl- standsniveaus eine der zentralen Herausforderungen für die russische Führung. Insbesondere der Ferne Osten, der Nordkaukasus und seit 2014 die Krim stehen dabei im Vordergrund. Dennoch ist die Divergenz der Einkommensniveaus zwischen den einzelnen Regionen in den letzten Jahren eher grös- ser geworden. Die regionalen Wohlstandsunterschiede sind denn auch in Russland grösser als in den meisten westlichen Staaten. Gründe für diese Situation sind insbesondere die Unterschiede betreffend Rohstoffvorkommen, Exporte, Performance lokaler Behörden, Qualität des Humankapitals, institutio- nelle Kapazitäten und die Fähigkeit, Investitionen anzuziehen. Die regionale Dimension der Wirtschafts- krise zeigte sich in den vergangenen Jahren insbesondere in der Destabilisierung der regionalen Bud- gets (zwei Drittel der russischen Regionen wiesen Ende 2016 ein Budgetdefizit auf, in 10 davon war es höher als 10%xxi), einem stärkeren Rückgang des Konsums sowie dem beschleunigten Schwund der Investitionen.xxii Wirtschaftspolitische Dilemmata, demographische Herausforderungen. Trotz wirtschaftlicher Er- holung steht die russische Regierung vor verschiedenen wirtschaftspolitischen Herausforderungen, um die russische Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. Davon ausgehend, dass der Zyklus des Preiswachstums bei Rohstoffen seinem Ende zugeht und somit als Haupttriebkraft der rus- sischen Wirtschaft wegfällt, steht insbesondere die Umsetzung der seit langem diskutierten strukturellen Reformen und damit die wirtschaftliche Diversifizierung im Vordergrund. Während liberale Vertreter auf institutionelle Reformen bei einer weiterhin konservativen Finanzpolitik setzen und gleichzeitig einen grösseren Anteil der Staatsausgaben für Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme fordern, raten staatsinterventionistische Vertreter dazu, die Wirtschaft durch eine Erhöhung staatlicher Investitionen zu stimulieren und einen Anstieg des Staatshaushaltes in Kauf zu nehmen.2 Obwohl die Regierung im Rahmen ihrer Äusserungen der letzten Monate eher liberalen Strategien den Vorrang zu geben schien, sind erst kleine Schritte in diese Richtung auszumachen. Neben den ausstehenden Reformen sieht sich Russland auch einer negativen demographischen Entwicklung der russischen Bevölkerung im berufs- tätigen Alter gegenüber, welche den russischen Arbeitsmarkt angesichts der bereits tiefliegenden Ar- beitsproduktivität vor ernstzunehmende Herausforderungen stellen wird. Um den negativen demogra- phischen Tendenzen entgegenzuwirken und die Ansprüche eines den heutigen Realitäten angepassten und wettbewerbsfähigen Marktes zu erfüllen, sieht die Weltbankxxiii neben strukturellen Reformen eine deutliche Erhöhung der Investitionen im Bereich des Gesundheitswesens und des Humankapitals als essentiell an. Auswirkungen für Schweizer Wirtschaft. Trotz den wirtschaftlich herausfordernden Rahmenbedin- gungen blieb Russland während der letzten Jahre für die grosse Mehrzahl der dort tätigen Schweizer Unternehmen ein strategisch wichtiger Markt. Obwohl ein gewichtiger Teil der Unternehmen um die Erhaltung der Profitabilität ihres Geschäfts bemüht war, strebten einige Grossunternehmen mit Lokali- sierungen (u.a. Produktionsstandorte in Regionen, vermehrt lokale Zulieferer) auch in Zeiten der Krise einen Ausbau ihrer Marktanteile an. Angesichts der Entwicklung der Handelszahlen des vergangenen und aktuellen Jahres (siehe Kapitel 3.2.) ist zu erwarten, dass die Talsohle überschritten und der russi- sche Markt im Begriffe ist, für schweizerische Unternehmen wieder an Attraktivität zu gewinnen. Die russische Haushaltsplanung zeigt, dass im Rahmen von staatlichen Programmen in den kommenden Jahren unter anderem in zahlreiche Projekte zur „Anhebung des Lebensstandards“ (u.a. Humankapital, Gesundheit), zur „Verbesserung der Infrastruktur“ sowie in die Technologie- und Digitalisierungsent- wicklung investiert werden soll. Diese Bereiche eröffnen schweizerischen Unternehmen etwa aus der Chemie-, Pharma- und Medizinaltechnikindustrie oder dem Maschinenbau- und Automatisierungstech- niksektor durchaus Möglichkeiten für verstärkte wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen in Russland. Gleichzeitig birgt der russische Markt unter anderem aufgrund einer nicht immer garantierten Rechtssi- cherheit, der im Rahmen der Importsubstituierung zu sehenden Bevorzugung inländischer Produkte oder der teilweise verbesserungswürdigen Umsetzung des Schutzes von geistigem Eigentum weiterhin nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Neben der verbesserten Wirtschaftssituation hofften westliche Investoren im vergangenen Jahr auf eine Entspannung der Sanktionssituation bzw. zumindest auf einen „flexibleren Umgang“ mit den Sanktionen. Die im April 2018 vom US-Finanzministerium erlassenen Sanktionen sowie die zu erwartenden Gegen- sanktionen von russischer Seite bewirken aber im Gegenteil eine zurzeit wachsende Unsicherheit für westliche Unternehmen, die in Russland aktiv sind oder mit russischen Partnern zusammenarbeiten (Siehe Box 2 auf Seite 9). 2 Gemäss der Antimonopolbehörde steuerten staatlich kontrollierte Unternehmen im Jahr 2005 rund 35% zum russischen Brutto- inlandprodukt bei. Im Jahr 2015 waren es 70%. -6-
Juni 2018 Box 1: Wirtschaftliche Auswirkungen der Fussballweltmeisterschaft in Russland Gemäss einem Bericht, welcher McKinseyxxiv für das russische Organisationskomitee erstellte, soll Russland insgesamt knapp USD 19 Mrd. in die Vorbereitungsarbeiten zur WM 2018 gesteckt haben und damit deutlich mehr als die vorhergehenden Ausrichter. Der Betrag wurde hauptsächlich für die Verbesserung der Infrastruktur in den Austragungsorten und der Transportwege sowie in den Bau bzw. die Modernisierung von Stadien, Flughäfen usw. aufgewendet. Dabei wurde ein grosser Teil der Kosten durch den Staat getragen, wobei gewisse Infrastrukturprojekte jedoch auch unabhängig vom Grossanlass realisiert worden wären. Wie das russische Organisationskomitee unterstreicht, seien die WM-Investitionen in den Jahren der Krise ein unterstützender Faktor für Russlands stagnierende Wirtschaft gewesen. McKinsey’s Rechnungen zeigen, dass die Investitionen zwischen 2013 und 2018 1% zum BIP beigetragen haben. Von der Durchführung der Grossveranstaltung selbst werden Dienstleister wie insb. die Hotel- und Restaurantbranche am meisten profitieren. Es wird erwartet, dass die Fussball-Touristen Russland in diesem Jahr rund USD 2 Mrd. Mehreinnahmen einbringen werden. Auch dieser Betrag wird das russische BIP jedoch nicht markant beeinflussen. Schwerer abzuschätzen sind die Langzeitauswirkungen: Bis 2023 erwartet McKinsey jährlich zwischen USD 2.3 Mrd. bis USD 3.3 Mrd. Mehreinnahmen – aufgrund steigender Touristenzahlen und einer durch die neue Infrastruktur verbesserten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Ratingagentur Moody’s xxv ist der Ansicht, dass die Veranstaltung angesichts der Wirtschaftsgrösse Russlands zu unbedeutend und kurz ist, um einen nachhaltigen Einfluss auf das russische Wirtschaftswachstum zu haben. Der Effekt könnte gar kleiner ausfallen als derjenige der olympischen Winterspielen 2014, da ein Teil der WM-Austragungsorte im Gegensatz zur Tourismusdestination Sochi nicht nachhaltig von der neuen Infrastruktur wird profitieren können. 2. Internationale und regionale Abkommen 2.1. Politik, Prioritäten des Landes In der Vergangenheit verfolgte Russland in der Aussenwirtschaftspolitik einen multivektoriellen Ansatz, dessen Ziele in einer Wahrung seiner Interessen in den formellen und informellen multilateralen Foren (WTO, OECD, G20), einem Dialog auf Augenhöhe mit dem Westen, einer Stärkung der Rolle der BRICS in der internationalen Politik sowie der Sicherung einer privilegierten Einfluss- und Wirtschaftszone im eurasischen Raum bestanden. Die geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit der Ukraine- Krise seit 2014 haben die Balance zwischen diesen unterschiedlichen Komponenten der Aussenwirt- schaftspolitik aus dem Gleichgewicht gebracht und die Akzente deutlich verschoben. Neben dem zer- rütteten Verhältnis zwischen Russland und dem Westen (EU, USA) haben sich auch die Gewichte der übrigen aussenwirtschaftlichen Prioritäten Russlands verlagert: Konflikt mit dem Westen. Obschon die EU weiterhin der grösste Handels- und Investitionspartner Russlands ist (vgl. Kapitel 3.1.1.) und trotz der noch immer bestehenden Zusammenarbeit in vielen internationalen Foren (G20, IWF, Financial Stability Board) und Bereichen (z.B. Raumfahrt, Polar- forschung), stehen die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen seit 2014 im Zeichen der Konfrontation. Die Wirtschaftssanktionen seitens der EU sind derzeit bis am 31. Juli 2018 in Kraft, trotz einiger kritischer Stimmen dürfte es zu einer Verlängerung kommen. Die russischen Gegen- sanktionen (Import-Embargo auf Lebensmittel) sind derweil bis Ende 2018 gültig. Mit einer baldigen Aufhebung der Sanktionen oder Teilen davon plant derzeit weder die EU noch Russland, durch die Entwicklungen im Syrien-Krieg sowie den Skripal-Fall sind die Spannungen in diesem Jahr gar wie- der grösser geworden. Zudem ist durch die Einführung der US-Sanktionen die Unsicherheit sowohl bei russischen als auch bei europäischen Wirtschaftsakteuren gestiegen. Bisher kosteten die Sank- tionen beide Seiten Milliarden. Eine Bezifferung ist aber schwierig: Auf der russischen Seite reichen die Schätzungen der Verluste von 0.5% (EBRD)xxvi bis hin zu 10% (Citigroup Russia)xxvii des russi- schen BIP. Die Auswirkungen der Sanktionen für die EU beliefen sich gemäss einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Jahr 2015 auf EUR 17.6 Mrd. xxviii Derweil sind die durch die Wahl von Donald Trump genährten Hoffnungen auf eine Annäherung zwischen Russ- land und den USA insbesondere vor dem Hintergrund der Vorwürfe einer russischen Einmischung bei den US-Präsidentschaftswahlen längst verflogen. Anfang August 2017 unterzeichnete Präsident Trump ein Gesetz zur Ausweitung der seit 2014 gegen Russland gerichteten US-Sanktionen, wel- ches die Aktivitäten von amerikanischen Firmen und Personen im russischen Energie-, Eisenbahn- und Metallsektor sowie die Benutzung von Finanzinstrumenten weiter beschränkte. Am 6. April die- ses Jahres erliess das US-amerikanische Finanzministerium weitere Sanktionen gegen mehrere russische Oligarchen, Firmen und Staatsfunktionäre (siehe Box 2 auf Seite 9). -7-
Wirtschaftsbericht Russland Regionale Diversifizierung: Orientierung nach Asien. Als Reaktion auf die Spannungen mit dem Westen griff die russische Führung das altbekannte Thema einer verstärkten Hinwendung nach Asien wieder auf, was unter anderem durch die hohe Frequenz offizieller Treffen zwischen Russland und China unterstrichen wird. Zwei weitere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für den Be- deutungszuwachs Asiens in der russischen Aussenwirtschaftspolitik: Zum einen gewinnt die Region aufgrund sich verschiebender Gewichte der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung, zum anderen braucht Russland die ostasiatischen Partner für die wirtschaftliche Entwicklung Sibiriens und des Fernen Ostens. Russland versucht damit, seine Rohstoffexporte geographisch zu diversifizieren und die Abhängigkeit vom europäischen Absatzmarkt zu reduzieren, jedoch ist seine aufgrund von Handelsungleichgewichten ohnehin schwache Verhandlungsposition im asiatisch-pazifischen Raum durch die Spannungen mit dem Westen zusätzlich geschwächt worden. Im Rahmen der durch China initiierten Belt Road Initiative („One Belt, One Road“) hat sich Russland mittlerweile als Unterstützer positioniert, ohne bisher jedoch konkrete Verpflichtungen einzugehen. Einerseits sieht Russland die Initiative als Chance, auf politischer Ebene eine strategische Partnerschaft mit China zu stärken und die Entwicklung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) mit Hilfe der Initiative voranzutreiben (Russlands Vision von einer umfassenden internationalen Zusammenarbeit im „grosseurasischen“ Raum). Andererseits zielt Russland darauf ab, durch die Initiative Anreize zu schaffen, um vermehrt chinesische Investitionen anzuziehen. Nach einem Kooperationsabkommen zwischen Russland und China im Jahr 2015 hat nun die EAEU im Mai dieses Jahres mit Blick auf eine tiefere Integration in die Belt Road Initiative ein weiteres Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China abgeschlossen.3 Neben Asien rückte auch Lateinamerika in jüngster Vergangenheit verstärkt in den Fokus der russischen Handelspolitik (Energie, Landwirtschaft, Vi- safreiheit).xxix BRICS. Die fünf BRICS-Staaten und ehemaligen Wachstumswunder haben in den vergangenen Jahren an Strahlkraft eingebüsst. Obwohl der Staatenverbund bemüht ist, seine Wirtschaftskraft und den wachsenden Handel innerhalb der BRICS zu betonten, geht es drei von ihnen (Russland, Brasilien, Südafrika) wirtschaftlich durchwachsen. Am 9. BRICS-Gipfel Anfang September 2017 im chinesischen Xiamen betonte der russische Präsident Vladimir Putin, dass aus russischer Sicht die Weiterentwicklung der New Development Bank (NDB) und des Contingent Reserve Arrangement (CRA), einem Währungsfonds, der den Zahlungsverkehr erleichtern und bei Zahlungsschwierigkei- ten seiner Mitgliedsstaaten helfen soll, im Rahmen der BRICS-Staaten prioritär zu behandeln seien. Die zwei Institutionen sollen dazu beitragen, die Unabhängigkeit der BRICS-Staaten von den USA und Europa zu stärken. Im Weiteren sprach sich Vladimir Putin für eine verstärkte Zusammenarbeit im Energiebereich, der Weltraumforschung, dem Gesundheitswesen sowie dem Bildungsbereich aus.xxx Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU). Einer der wichtigsten Vektoren der russischen Aussenwirt- schaftspolitik besteht in der Integration des postsowjetischen Raums und der Sicherung einer ex- klusiven Einflusszone darin. Ein diesbezüglicher Meilenstein war die seit längerem angestrebte Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion, die am 1. Januar 2015 zwischen den Staaten Russ- land, Weissrussland und Kasachstan vollzogen werden konnte (später traten ebenfalls Armenien und Kirgistan bei). Der schrittweise entstehende Binnenmarkt der EAEU soll auf der Freizügigkeit für Güter, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte basieren. Anfang 2016 ist ein gemeinsamer Markt für Arzneimittel und medizinische Erzeugnisse in Kraft getreten, im Weiteren sollen bis 2019 ein gemeinsamer Strommarkt und bis 2025 ein gemeinsamer Öl- und Gasmarkt realisiert werden. Im Bereich der Dienstleistungen ist eine Harmonisierung in 43 Sektoren geplant, ein gemeinsamer Markt für Finanzdienstleistungen soll bis 2025 umgesetzt werden. Das erste internationale Freihan- delsabkommen (FHA) zwischen der EAEU und Vietnam ist im Herbst 2016 in Kraft getreten. Dane- ben existieren Arbeitsgruppen, welche die Möglichkeit weiterer FHA, u.a. mit Singapur, Ägypten, Indien, Israel und Südkorea und dem Iran prüfen.xxxi Mit letztgenanntem Staat wurde nun im Mai dieses Jahres ein Abkommen über den Abbau von Handelsschranken abgeschlossen, welches nach drei Jahren in einem vollständigen FHA münden könnte. Der freie Warenverkehr innerhalb des gemeinsamen Marktes mit 182 Mio. Konsumenten ist nicht ohne Probleme angelaufen. Die Wirtschaftskrise verleitete die Mitgliedsländer zu mehr protektionistischer Abschottung, zurzeit gibt es Ausnahmen von über 600 Warenkategorien, welche vom Freihandel ausgeschlossen sind. Die Angleichung der Aussenzölle bedeutete für die Mitgliedsländer meist eine Anhebung - nämlich auf 3 Im Rahmen des Kooperationsabkommens zwischen Russland und China im Jahr 2015 wurden auch Vorgespräche über die Möglichkeit der Einführung einer Freihandelszone zwischen der EAEU und China geführt, eine Umsetzung scheint mittelfristig (in den kommenden 20 Jahren) aber unrealistisch. -8-
Juni 2018 russisches Niveau. Dies schwächt deren internationale Handelsposition und verschafft russischen Produkten einen Wettbewerbsvorteil. Multilaterale Zusammenarbeit im Schatten der Ost-West-Konfrontation. Die Arbeit Russlands in verschiedenen multilateralen Formaten stand zuletzt immer tiefer im Schatten der Ost-West-Kon- frontation: Die Gespräche über die OECD-Mitgliedschaft wurden am 12.03.2014 sine die aufge- schoben und in der WTO hat die EU in vier Fällen (Kfz-Recyclinggebühr; Importrestriktionen für Schweinefleisch; Anti-Dumpingzölle auf leichte Lkws; Zölle auf Palmöl, Papier und Kühlschränke) gegen Russland Beschwerde eingelegt und Russland in ebenfalls vier Fällen (3 Beschwerden betr. Anti-Dumpingzölle auf unterschiedliche Produkte, u.a. Stahlprodukte; III. Energiepaket) gegen die EU. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme der letzten Jahre, der tendenziell protektionistischen russischen Wirtschaftspolitik 4 und den ungelösten geopolitischen Spannungen mit dem Westen wurde das Potenzial des russischen WTO-Beitritts bisher nur unvollständig ausgeschöpft, wenn- gleich die Umsetzung der WTO-Verpflichtungen weiterhin vorangetrieben wird.5 Box 2: Sanktionssituation Einführung neuer US-amerikanischer Sanktionen gegen Russland Am 6. April verhängten die USA neue Sanktionen gegen russische Oligarchen, Regierungsvertreter und Firmen. Die der amerikanischen Rechtsprechung unterliegenden Vermögenswerte der betroffe- nen Personen und Firmen wurden in der Folge eingefroren und US-amerikanischen Personen und Firmen wurde es verboten, Geschäftskontakte mit sanktionierten russischen Akteuren aufrechtzuer- halten. Von den Sanktionen betroffenen Oligarchen wie Oleg Deripaska und Viktor Vekselberg wurde von amerikanischer Seite derweil zugestanden, ihre Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich mehrerer Un- ternehmen anzupassen, um diese von den Sanktionen zu befreien. Auch Drittpersonen und -firmen drohen empfindliche Strafen in Form von sekundären Sanktionen, wenn diese bewusste Geschäfte mit den sanktionierten Akteuren tätigen. Dies hat bei den europäischen Wirtschaftsvertretern in Russ- land erwartungsgemäss einige Unruhe ausgelöst. Befürchtet wird berechtigterweise, dass der Man- gel an Klarheit bezüglich der Anwendung und Umsetzung der Massnahmen des US Finanzministeri- ums und der zuständigen Behörde OFAC (Office of Foreign Assets Control) die wirtschaftliche Unsi- cherheit der in Russland tätigen europäischen Unternehmen für längere Zeit weiter erhöht. Verschie- dene Ökonomen veranschlagen, dass Russland infolge der neuen Sanktionsmassnahmen mit einer Wachstumseinbusse zu rechnen habe und korrigierten ihre Prognosen teilweise nach unten. Den- noch wir das Wachstum für 2018 aller Voraussicht nach nicht unter die Grenze von 1.5% fallen. Einführung russischer Gegensanktionen Es besteht das Risiko, dass die Gegenmassnahmen Russlands das wirtschaftliche Umfeld für die in Russland tätigen Unternehmen weiter beeinträchtigen werden. Dabei stehen insbesondere zwei Ge- setze im Vordergrund: Das Anfang Juni verabschiedete und nach einer Entschärfung sehr allgemein gehaltene Gesetz “On Measures (Countermeasures) in Response to Unfriendly Actions of the USA and (or) other Foreign States” sieht politische und wirtschaftliche Massnahmen gegen Staaten, Or- ganisationen und Personen vor, die sich durch "feindliche Aktionen" gegen Russland hervortun. Die möglichen Massnahmen umfassen unter anderem Import- und Exporteinschränkungen sowie Ein- schnitte bei der internationalen Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern. Einschneidendere Auswirkungen könnte hingegen das noch nicht beschlossene Gesetz “On Amendments to the Crimi- nal Code of the Russian Federation” haben, dessen Entwurf vorsieht, die Beachtung und Unterstüt- zung der amerikanischen Sanktionen in Russland durch Bussen und Gefängnisstrafen zu sanktionie- ren. Bei einer entsprechenden Umsetzung würden die Unternehmen auf dem russischen Markt vor die grosse Herausforderung gestellt, sowohl mit den US-Sanktionen als auch mit den russischen Sanktionen compliant sein zu müssen. Gleichzeitig herrscht aber die Meinung vor, dass das Gesetz kaum in dieser Form umgesetzt wird, da Russland Gefahr laufen würde, seiner eigenen Wirtschaft damit grossen Schaden zuzufügen. In diesem Sinne äusserten sich die russischen Behörden auch bereits dahingehend, dass das Gesetz so ausgestaltet werden soll, dass „die Ängste von Unterneh- men, die auf unseren Märkten tätig sind, und von Investoren, die sich für unsere Wirtschaft interes- sieren, gelindert werden“. 4 Gemäss Global Trade Alert hat Russland zwischen 2008 und 2015 unter den G20 Ländern nach Indien die zweitgrösste Anzahl an protektionistischen Bestimmungen eingeführt. 5 Eine der Bedingungen für Russlands WTO-Mitgliedschaft war, 4 Jahre nach dem WTO-Beitritt alle nötigen Schritte für die Bei- trittsverhandlungen zum Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) in die Wege zu leiten. Russland nimmt zurzeit einen Platz ein als Beobachter im GPA Committee und hat auch bereits einige Schritte unternommen, um ein transparen- teres Beschaffungssystem zu schaffen. Ein erster Abkommensentwurf wurde von russischer Seite bereits ausgearbeitet, der Verhandlungsprozess ist jedoch weiterhin im Gange. -9-
Wirtschaftsbericht Russland 2.2. Perspektiven für die Schweiz (Diskriminierungspotential) Kaum negative Diskriminierungsrisiken, wenige Wettbewerbsvorteile durch Sanktionssituation. Seit dem WTO-Beitritt Russlands ist das Diskriminierungsrisiko für die Schweiz gegenüber ihren Haupt- konkurrenten aufgrund der Meistbegünstigungsklausel (MFN) sowie der Inländerbehandlung gering. Währenddessen hat sich gezeigt, dass die Schweiz wirtschaftlich nicht von der Nicht-Übernahme der internationalen Sanktionen profitiert. Vielmehr ist sie insgesamt ebenso von der tendenziell protektio- nistischer werdenden russischen Wirtschaftspolitik betroffen wie andere westliche Staaten. Sichtbare Wettbewerbsvorteile aufgrund der Sanktionssituation haben sich einzig im schweizerischen Export von Agrarprodukten ergeben. Die Erschaffung gemeinsamer Märkte innerhalb der EAEU kann für schwei- zerische Firmen durch die Möglichkeit der Erschliessung eines grösseren Marktes Chancen bieten. Das Risiko, gegenüber Ländern, die über ein Freihandelsabkommen mit der EAEU verfügen, Wettbewerbs- nachteile zu haben, bleibt derzeit überschaubar angesichts der Tatsache, dass erst Vietnam über ein solches verfügt. 3. Aussenhandel 3.1. Allgemeine Entwicklung und Zukunftsaussichten 3.1.1. Güterhandel Steigender Aussenhandel. Die internationalen Sanktionen sowie die von Russland verhängten Ge- gensanktionen beeinträchtigen weiterhin direkt oder indirekt (beschränkter Zugang zu internationalen Finanzmärkten) den russischen Aussenhandel. Der Export brach 2015 und 2016 aber insbesondere aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise ein. Die Importe litten derweil stark am schwachen Rubel. Dieser verteuerte ausländische Produkte so stark, dass die Nachfrage danach deutlich zurückging. Gleichzeitig haben die Sanktionen gegen Russland die Befürworter einer Importsubstitutionspolitik im Inland beflü- gelt. Eine Reihe gesetzlicher Neuerungen wurde in den letzten Jahren eingeführt, welche die inländi- sche Produktion in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen vorantreiben und den Import von Produkten aus dem Ausland verringern sollen. Protektionistische Massnahmen wurden insbesondere im öffentli- chen Beschaffungswesen eingeführt, wo importierte Produkte gegenüber den lokal hergestellten jetzt generell im Nachteil sind. Nachdem Russlands Aussenhandel 2015 um über 33% auf USD 530.4 Mrd. einbrach, konnte der Rück- gang 2016 zwar gebremst werden, betrug aber noch immer über 11%. Im Zuge der wirtschaftlichen Stabilisierung, der gestiegenen Rohstoffpreise sowie des stärkeren Rubels zeigte der Aussenhandel für 2017 einen starken Wideranstieg von 25%. Die Handelsbilanz war in den letzten Jahren immer positiv - der Handelsüberschuss Russlands 2017 betrug USD 116 Mrd. xxxii Rohstoffexporte. Die Aussenhandelspolitik der russischen Regierung strebt an, durch Beschränkun- gen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oder Fördermittel einheimische Produzenten zu bevorzugen, dadurch die eigene Wirtschaft zu diversifizieren und resultierend daraus den Nicht-Rohstoffanteil an den Ausfuhren zu erhöhen. Bei einer Betrachtung der letzten Jahre lässt sich jedoch kein starker Trend ausmachen, der auf eine Diversifizierung der Exporte hinweist. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 beliefen sich der Anteile der Energieexporte auf 66%, 62% und 63% der russischen Gesamtexporte. Der Wert der Rohstoffexporte stieg 2017 im Vergleich zu 2016 aufgrund der höheren Rohstoffpreise um über 27%.xxxiii Neben den Rohstoffen gehörten im vergangenen Jahr Metalle und Metallprodukte, Ma- schinen und Ausrüstung, Landwirtschaftsprodukte sowie chemische Produkte zu den wichtigsten russi- schen Exportgütern. EU bleibt wichtigster Handelspartner für Russland. Die Handelsbeziehungen zwischen Russland und der EU haben sich durch die Sanktionspolitik beider Seiten verändert. Wurde vor der Ukrainekrise noch über Visafreiheit und einem Wirtschaftsraum von Lissabon bis Vladivostok diskutiert, werden der- zeit Sanktionen verlängert. Nichtsdestotrotz bleiben die EU und Russland wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Die EU bleibt für Russland der wichtigste Handelspartner, auch wenn ihr Anteil am gesam- ten russischen Aussenhandelsumsatz zwischen 2012 und 2016 von 49% auf 42.2% gefallen ist.xxxiv Russlands Anteil am Aussenhandel der EU ist jedoch stärker gesunken. Mit einem Anteil am EU-Ge- samthandel von 5.5% im Jahr 2016 und 6.2% im Jahr 2017 ist Russland nur noch der viertgrösste Handelspartner und wurde von der Schweiz verdrängt.xxxv - 10 -
Juni 2018 3.1.2. Dienstleistungshandel Negativsaldo der Dienstleistungsbilanz. Russland weist traditionell eine negative Dienstleistungsbi- lanz aus, d.h. der Betrag der im Ausland erworbenen Dienstleistungen war in den letzten Jahren stets höher als der an das Ausland verkaufte. Insbesondere aufgrund eines Einbruchs von Reisen russischer Touristen ins Ausland und entsprechend tieferer Ausgaben schrumpfte der Negativsaldo der Dienstleis- tungsbilanz 2016 auf USD 23.9 Mrd. Gaben russische Staatsbürger 2014 noch USD 50.4 Mrd. aus für ihre Reisen, waren es 2016 noch lediglich USD 24 Mrd. 2017 stiegen diese Ausgaben wieder auf einen Wert von USD 31 Mrd. und trugen stark dazu bei, dass das Dienstleistungsdefizit wieder auf USD 31 Mrd. anwuchs.xxxvi 3.2. Bilateraler Handel 3.2.1. Güterhandel Wiederanstieg des Handels. War der bilaterale Handel von der seit 2012 schwelenden Verlangsa- mung des Wirtschaftswachstums verschont geblieben, machten sich seit 2014 die Unsicherheit rund um die Ukraine-Krise und die verschiedenen Sanktionen sowie die relative Verteuerung schweizerischer Güter infolge der Rubelschwäche und die Aufhebung des Frankenmindestkurses deutlich bemerkbar. Dazu kamen die diversen protektionistischen Massnahmen, insbesondere im öffentlichen Beschaf- fungswesen. Dementsprechend sanken die schweizerischen Exporte 2015 gemäss der Eidgenössi- schen Zollverwaltung im Vorjahresvergleich um 21% auf CHF 2.3 Mrd., während die russischen Aus- fuhren in die Schweiz um 48% auf CHF 1.6 Mrd. zurückgingen. 2016 sanken die Exporte der Schweiz nach Russland im Vorjahresvergleich noch um 12.5% auf CHF 2 Mrd. Die russischen Ausfuhren in die Schweiz hingegen zeigten ein leicht positives Resultat mit 2.9% Wachstum. Im vergangenen Jahr zeig- ten die schweizerischen Ausfuhren nach Russland mit 9.4% ein deutliches Plus, während die Importe aus Russland weiter um 18.6% auf CHF 1.3 Mrd. sanken. Mit Blick auf die wichtigsten Exportgüter der Schweiz für den russischen Markt konnten 2017 im Vorjahresvergleich insbesondere optische/medizi- nische Instrumente mit knapp 35% sowie landwirtschaftliche Produkte mit knapp 19% zulegen. Die Schweiz profitiert im Landwirtschaftsbereich davon, nicht von den russischen Gegenmassnahmen be- troffen zu sein. Entsprechend ist auch der Anteil von Landwirtschaftsexporten an den schweizerischen Gesamtexporten nach Russland mittlerweile auf fast 9% gestiegen. Auch der Pharmaziebereich als weitaus wichtigster Exportsektor sowie der Maschinenbausektor konnten deutliche Exportzunahmen von 8% bzw. beinahe 12% verzeichnen. Die Uhrenexporte blieben derweil bei lediglich 1% Zuwachs relativ stabil, während die Exporte von Bijouterie um 11% zurückgingen.xxxvii Es ist anzumerken, dass die Resultate des russischen Zolldienstes von den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung merklich abweichen. Der Rückgang des bilateralen Aussenhandels zwischen der Schweiz und Russland während der ver- gangenen Jahre verhielt sich ähnlich wie derjenige zwischen Russland und Deutschland und ist haupt- sächlich auf die unter Kapitel 3.1.1. diskutierten Faktoren (insb. Rubelschwäche, tiefe Rohstoffpreise, verteuerte Finanzierung und Protektionismus) sowie die damit verbundene stagnierende Konsumnach- frage zurückzuführen. Gleichzeitig verdeutlicht der Vergleich mit EU-Staaten, dass die Schweiz aus wirtschaftlicher Sicht insgesamt nicht von einem Verzicht zur Teilnahme an den internationalen Sankti- onen profitiert. 3.2.2. Dienstleistungshandel Schwieriges Umfeld für Dienstleistungsanbieter. Trotz unterschiedlicher geschäftsfördernder Fak- toren (Schweizer Franken als Reservewährung, schweizerische Neutralität, politische Stabilität usw.), wird die Ausführung von Geschäftstätigkeiten für Schweizer Banken in Russland aufgrund regulatori- scher Neuerungen in beiden Ländern sowie der Selbstregulierungen Schweizer Banken zur Verhinde- rung der Umgehung von Sanktionen nicht einfacher. Verschiedene Schweizer Banken haben über die letzten Jahre denn auch ihre Palette an Onshore-Dienstleistungen eingeschränkt. Die Aussichten im Versicherungsbereich sind angesichts herausfordernder Rahmenbedingungen (ausstehende Konsoli- dierung des Marktes, Wachstum basiert hauptsächlich auf Ausweitung von Versicherungspflichten, grosser Einfluss staatlicher Versicherungsgesellschaften) noch immer gemischt. - 11 -
Wirtschaftsbericht Russland 4. Direktinvestitionen 4.1. Allgemeine Entwicklung und Zukunftsaussichten Talsohle der FDI Inflows nach Russland überschritten. Während sich die ausländischen Direktin- vestitionsflüsse nach Russland gemäss der russischen Zentralbank xxxviii 2013 noch auf USD 69.2 Mrd. beliefen, brachen sie 2014 um beinahe 70% auf USD 22 Mrd. drastisch ein und sanken 2015 weiter auf USD 6.5 Mrd.6 Die Resultate für 2016 zeigen mit einem Anstieg der Kapitalflüsse auf USD 32,5 Mrd., dass die Talsohle überschritten wurde.7 Mit USD 16.3 Mrd. kam 2016 ein grosser Anteil der Direktin- vestitionen aus Singapur. Grund hierfür waren die Investitionen der in der Schweiz beheimateten Firma Glencore und Katars Staatsfonds in den russischen Ölkonzern Rosneft. Für EUR 10.2 Mrd. erwarben die beiden Investoren durch das in Singapur domizilierte Konsortium „QHG Shares Pte.“ zu gleichen Teilen eine Beteiligung von insgesamt 19.5% des Staatskonzernes.8 Mit USD 27.9 Mrd. beliefen sich die Direktinvestitionsflüsse nach Russland im vergangenen Jahr zwar nicht mehr ganz so hoch, ver- harrten aber auf einem stabilen Niveau. Aus Russland heraus flossen gemäss russischer Zentralbank 2015 und 2016 USD 22.1 Mrd. bzw. 22.3 Mrd. in Form von Direktinvestitionen in andere Länder, während es 2014 noch USD 57 Mrd. waren. Im vergangenen Jahr stiegen die russischen Direktinvestitionen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung und der Stabilisierung des Rubelkurses wieder auf über USD 38 Mrd. an. Der allergrösste Teil der russischen Direktinvestitionen wurde 2017 in Kapitaleinlagen, Aktien und Anteile an ausländischen Investment- fonds investiert. Die Investitionen, welche in ausländische Projekte russischer Firmen liefen, machten im Vergleich zu früheren Jahren auch aufgrund der Sanktionssituation einen lediglich sehr kleinen Anteil aus. Die kumulierten ausländischen Direktinvestitionen (Kapitalbestand) in Russland beliefen sich Stand Ende 2017 auf USD 535 Mrd., während die kumulierten russischen Direktinvestitionen im Ausland über USD 470 Mrd. betrugen. Investitionen aus Offshore-Zentren. Neben den mangelnden Investitionen „traditioneller“ ausländi- scher Anleger fehlten auch russischen Investoren während der letzten Jahre aufgrund der wirtschaftli- chen Situation und den damit zusammenhängenden Risiken die Anreize, ihr in Offshore-Zentren gehal- tenes Kapital wieder in Russland zu reinvestieren. Gerade aber im vergangenen Jahr machte das „round-tripping“ (Kapital russischen Ursprungs, welches via Offshore-Zentren wieder den Weg in die russische Wirtschaft findet) wieder einen grossen Teil der ausländischen Direktinvestitionen in Russland aus. So lässt sich anhand der Kapitalbestände von Ende 2017 erkennen, dass beinahe 33% der aus- ländischen Direktinvestitionen aus Zypern stammen. Offshore-Zentren wie die Bermudas oder die Ba- hamas gehören ebenfalls zu den grösseren Empfangs- und gleichzeitig Herkunftsländer von Investitio- nen aus bzw. nach Russland.xxxix Eindämmung der Kapitalflucht. Im Zuge der Bemühungen des russischen Staats zur Eindämmung der Kapitalflucht sowie zur Kapitalrückführung russischer Gelder aus dem Ausland wurde Anfang 2015 das Gesetz über „die Gewinnbesteuerung von kontrollierten ausländischen Unternehmen und andere Massnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung“ (De-Offshorisierungsgesetz) in Kraft gesetzt. Im Fokus des Gesetzes steht die Besteuerung von ausländischen Unternehmen, welche durch russische Steuerpflichtige kontrolliert werden (Hinzurechnungsbesteuerung).xl Vor der Verabschiedung des Ge- setzes waren russische Eigentümer der mehr als 11 000 Offshore-Firmen lediglich verpflichtet, über deren Existenz zu informieren. Die Verschiebung von russischem Kapital ins Ausland ist nicht nur im Lichte der Steuerflucht oder -optimierung zu sehen, sondern auch als Reaktion auf das tiefe Vertrauen in die russischen Rechtsinstitutionen, den mangelnden Schutz von Eigentum und korrupte Beamte. xli Es wird sich auch zeigen, wie sich der automatische Informationsaustausch (AIA), für dessen Umset- zung sich Russland verpflichtet hat, auf den Abfluss russischen Kapitals auswirken wird. Nachdem ge- mäss Russischer Zentralbankxlii 2014 die Kapitalabflüsse des Privatsektors aus Russland USD 152 Mrd. betrugen, sind diese 2015 auf USD 58.2 Mrd. und 2016 weiter auf USD 19.2 Mrd. gesunken. Auf einem 6 Es ist zu erwähnen, dass der hohe Wert von 2013 (USD 69.2 Mrd.) insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass BP in diesem Jahr 18.5% der Anteile von Rosneft erworben hat. 7 Die Zahlen der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) weichen von denjenigen der russischen Zentralbank ab, weisen aber dieselben Trends auf. Für die Unterschiede gibt es verschiedene Gründe: So können bspw. Markt- preisschwankungen eine Rolle spielen, da einige Länder ihre Bestandsdaten zu Marktpreisen bewerten. Auch spiegeln sich Wechselkursschwankungen gegenüber dem US-Dollar in den unterschiedlichen Zahlen wider. 8 Im September 2017 hat das Konsortium 14.16% der Anteile für eine Summe von rund EUR 7.5 Mrd. an den chinesischen Energiekonzern CEFC China Energy Company abgestossen. - 12 -
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