WISO 2012/ I Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen Jahre der Krise: 2011 und 2012 - Arbeiterkammer Tirol
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WISO Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2012/ I Jahre der Krise: 2011 und 2012 WISO WISSEN: Fiskalpakt WISO WESHALB: Teufelskreise Fachartikel: Neues von der Steuer STATISTIK: das vierte Quartal 2011
WISO - WIRTSCHAFTS- und SOZIALSTATISTISCHE INFORMATIONEN Ausgabe 2012/ I Arbeiterkammer Tirol Kontakt: Mag. Armin Erger Wirtschaftspolitische Abteilung armin.erger@ak-tirol.com 0800 - 22 55 22 DW 1453 WISO Seite 3
WISO 2012/ I Inhalte CHRONIK: Jahre der Krise - 2011 und 2012 Seite 5 WISO WISSEN: Fiskalpakt Seite 18 WISO WESHALB: Teufelskreise Seite 19 FACHARTIKEL: Neues von der Steuer Seite 24 Statistischer Teil: Viertes Quartal 2011 Seite 30 Seite 4 WISO
Chronik Jahre der Krise 2011 und 2012: Die Turbulenzen im Euroraum weiten sich aus Mag. Armin Erger - chen Staaten schlicht astronomische Werte. gliedsstaaten der europäischen Gemeinschaftswäh- rung Euro geprägt. 2011 zeigte, dass die Krise längst Die USA: 15.000.000.000.000 Dollar Schulden nicht mehr „nur“ das Problem peripherer, kleiner Die Staatsschulden der Vereinigten Staaten von Staaten der Eurozone wie Griechenland und Irland Amerika erreichten im November 2011 die Höhe von ist. Die Krise erfasste auch wirtschaftliche Schwerge- 15 Billionen Dollar. Damit entspricht der Schulden- wichte wie Spanien und Italien. stand der USA rund 100% der jährlichen Wirtschafts- leistung. Die größten ausländischen Gläubiger der Weitere Kernstaaten der Währungsunion wie Frank- USA sind China und Japan, die zusammen etwa die reich gerieten unter den Druck der Finanzmärkte, Hälfte der amerikanischen Auslandsschulden halten ihre absolute Kreditwürdigkeit schien nach dem Da- () *+& 6 +7 ; ?X ; Y ([\&+7 - der Krise wurden auch an alten Sicherheiten gerüt- spricht.1 telt: an der Stabilität des Währungsraums, am Pro- zess der europäischen Einigung, ja überhaupt an der Fähigkeit der europäischen Staaten, gemeinsame Trotz guter Wirtschaftsdaten blieb auch Österreich nicht von den Auswirkungen der Krise verschont: österreichische Banken mussten Milliardenabschrei- ! " des Staates stiegen an. Verwundbar war Österreich vor allem durch die engen wirtschaftlichen Verbin- dungen mit Italien und den mittel- und osteuropä- ischen Nachbarländern, in denen österreichische Banken sehr aktiv sind. Diese wirtschaftlichen Ver- 15 Billionen Dollar Schulden aufeinander gestapelt wären höher. # $% für den Verlust des Topratings AAA Anfang 2012. Trotz dieses hohen Schuldenstandes können sich =>? ; Außerhalb Europas zeigte sich eine Abkühlung der Zinssatz für zehnjährige amerikanische Staatsan- guten Weltkonjunktur des Jahres 2010: ab Mitte 2011 leihen beträgt nur 1,90% und liegt damit unter dem bremste sich das wirtschaftliche Geschehen ein. Die Zinsniveau deutscher Bundesanleihen (1,92%), wel- USA kämpfen ebenso wie Europa mit einer von po- che als Referenzwert in Europa angesehen werden.2 litischen Grabenkämpfen begleiteten Schuldenprob- "&" - Der Schuldenstand der USA war Anlass für eine mas- zieren. Die Wirtschaft Chinas wuchs nicht mehr so sive politische Auseinandersetzung zwischen den rasch wie die Jahre zuvor, allerdings sind rund 9% beiden US-amerikanischen Großparteien Republika- Wirtschaftswachstum aus der Perspektive der westli- ner und Demokraten. In der Folge des Streits über WISO Seite 5
die Erhöhung des in den USA verfassungsmäßig (gegenüber dem Oktober) zu und wuchs damit in 28 festgeschriebenen Schuldenlimits im August 2011, aufeinanderfolgenden Monaten. Der Index der Auf- wurde ein paritätisch besetztes Komitee eingesetzt. tragseingänge stieg um 4,3% gegenüber dem Vor- ; `6 > ) ; ! q& monat – ein Hinweis auf eine eventuell leicht anzie- genannt „Supercommittee“, sollte bis zum 23. No- hende Konjunktur zu Beginn des Jahres 2012.4 vember Vorschläge für Ausgabenreduktionen in der Höhe von 1,5 Billionen Dollar über die nächsten zehn Die Arbeitslosenrate ging von 9,0% zur Mitte des Jahre unterbreiten. Jahres 2011 auf 8,3% im Jänner 2012 zurück. Immer noch sind rund 13 Millionen Menschen ohne Arbeit, Das „Supercommittee“ wurde dabei mit außerordent- davon sind rund 40% Langzeitarbeitslose. Dies deu- lichen politischen Privilegien ausgestattet. So hätten tet auf ein massives strukturelles Problem des ameri- die ausgearbeiteten Vorschläge direkt zur Abstim- kanischen Arbeitsmarktes hin. Vor allem niedrig qua- mung in Kongress und Senat kommen sollen, ohne { "& dass es die Möglichkeit zur Abänderung oder zur | ? " 5 Blockade gegeben hätte. Damit hätte der politische Druck auf das Komitee verringert und eine Einigung In seiner Rede zur „Lage der Nation“ am 24. Jän- zwischen den Parteien erleichtert werden sollen. ner 2012 strich Präsident Obama die zunehmende wirtschaftliche Ungleichverteilung als schwerwiegen- Trotz dieser günstigen Ausgangsbedingungen zeigte des gesellschaftliches Problem in den USA heraus. sich die tiefe Spaltung in der politischen Landschaft Analysten gehen davon aus, dass Obama in seinem der Vereinigten Staaten. Republikaner und Demo- Wahlkampf zur Wiederwahl ins Präsidentenamt auf kraten konnten keine Einigung erzielen und mussten die Themen Fairness und Gerechtigkeit setzen wird. am 21. November das Scheitern der Verhandlungen verkünden. Die republikanische Seite wollte keinen Die Volksrepublik China: Verlangsamung auf ho- Steuererhöhungen zustimmen, die Demokraten die hem Niveau großen Sozialprogramme wie Medicare und Medi- Mit einer Zunahme der wirtschaftlichen Aktivitäten caid nicht beschneiden. von 9,2% im Jahr 2011 liegt die Volksrepublik China deutlich über dem im neuen Fünf-Jahres-Plan von Die Konsequenz des Scheiterns des „Supercommit- 2011 – 2015 gesetzten Ziel von durchschnittlich 7% tees“ ist nun eine automatische Ausgabenreduktion Wachstum. Im dritten Quartal stieg die Industriepro- von 1,2 Billionen Dollar über die nächsten 10 Jahre. duktion um 13,8% im Vorjahresvergleich und die Ex- Diese Ausgabenkürzungen werden nicht zielgerich- porte um 17,1% (Monat September). tet, sondern nach dem Rasenmäherprinzip vorge- nommen und zwischen Militär- und Sicherheitspro- Allerdings wirkte sich auch in China die zurückge- grammen auf der einen Seite und den übrigen hende globale Nachfrage aus. Im Monatsvergleich Budgetposten auf der anderen Seite je zur Hälfte auf- September – August gingen die chinesischen Expor- geteilt. Präsident Obama kündigte an, dass er gegen te in die EU um 6,8% zurück.6 jeden Versuch des Kongresses, die automatischen Kürzungen zurückzunehmen, umgehend sein Veto Im Vergleich zum Jahr 2010 verlangsamte sich das einlegen würde. chinesische Wirtschaftswachstum um mehr als einen Prozentpunkt (2010: + 10,3%). Die Abkühlung des Das Wirtschaftswachstum der USA betrug im dritten Wirtschaftswachstums war nicht zuletzt das Ergeb- Quartal 2011 rund 1,5%. Für das Gesamtjahr 2011 nis einer bewusst herbeigeführten Verknappung der beträgt der Zuwachs nach bisherigen Schätzungen Kreditvergabe, um der Entstehung von Marktblasen rund 1,8%.3 Relativ gut hält sich die Industriepro- v.a. im Immobilienbereich entgegenzuwirken und um duktion: der ISM PMI – Purchasing Managers Index # "{X % %X (Einkaufsmanager-Index), ein wichtiger Frühindika- 6 # &+ 7 tor über die Zu- oder Abnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten in den USA, nahm im November um 1,9% Der Flash-PMI (= Flash Einkaufsmanager-Index), !"#$% & !%''(" "%& %)* #"%& %!"+ ' ,% * -.!,% % &/ !$$ 0+1 + #2 3%4 % 53 6,527,3 &2$% & $ 4 !$$ 8%1- Seite 6 WISO
ein Indikator für die künftige Wirtschaftsentwicklung der Verschuldungsgrad Griechenlands bis 2020 auf Chinas, erreichte im Oktober 2011 seinen Tiefststand 120% des BIP sinkt. In der Erklärung des Euro-Gip- seit 32 Monaten und den stärksten Rückgang seit fels vom 26. Oktober 2011 heißt es, dass die Beteili- März 2009.8 Die Gründe für die eingetrübten Wirt- gung des Privatsektors eine Ausnahme darstelle, da schaftsaussichten lagen in der nachlassenden globa- „für Griechenland eine außergewöhnliche und ein- len Nachfrage und in der restriktiven Geldpolitik der malige Lösung erforderlich ist“.9 Peoples Bank of China, der chinesischen Zentral- bank. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen Des Weiteren wurde beim Oktober-Gipfel eine „He- scheinen Kredite schwieriger zu bekommen und von belung“ der Mittel der EFSF (Europäischen Finanz- den schlechteren Exportaussichten stärker betroffen stabilitätsfazilität) beschlossen. Mit „Hebelung“ ist die zu sein. Das Ziel der chinesischen Regierung, die beabsichtigte Ausweitung der Verleihkapazität des Binnennachfrage zu stärken, übte auch auf die chi- Euro-Rettungsschirms um das Vier- bis Fünffache nesischen Produzenten einen Lohndruck aus. Kos- durch die Beteiligung privater und (dritt-)staatlicher tenvorteile der chinesischen Exporteure werden da- Investoren gemeint. durch sukzessive verringert. Darüber hinaus wertete der Renminbi, die chinesische Volkswährung, seit %| ; X & > Anfang 2011 gegenüber dem Dollar um rund 3,5% ; &+& - auf, was Exporte in den Hauptabnehmermarkt USA on und Rat ermächtigt, eine verstärkte Überwachung relativ verteuerte. der Haushalte durchzuführen und die nationalen Budgetpläne zu begutachten, bevor diese durch die Europa und die Gemeinschaftswährung Euro im jeweiligen nationalen Parlamente beschlossen wer- Jahr 2011: In schwerer See den. Auch eine stärkere Koordination innerhalb der Europa stand 2011 und zu Beginn des Jahres 2012 Eurozone wurde angepeilt. Zweimal jährlich soll ein unter dem Zeichen der Krise. In drei groß angelegten YX | & EU-Gipfeln, im Oktober und Dezember 2011 und im Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik besser abzu- Jänner 2012, wurde der Versuch unternommen, der stimmen und auch eine verstärkte Konvergenz der Steuerpolitiken wurde in Aussicht gestellt. Den Banken wurde eine Erhöhung der Eigenka- pitalquote auf 9% auferlegt, erreichbar bis zum ; X ! - rungsbedarf der Banken soll in erster Linie durch private Investoren gedeckt werden. Für den Fall, dass eine private Kapitalerhöhung nicht möglich sein sollte, würden die Staaten Kapital zur Verfügung stel- len, was im Endeffekt einer (Teil-)Verstaatlichung der betroffenen Banken gleichkäme. Bis die angepeilte Eigenkapitalquote nicht erreicht ist, werden den Ban- ken Einschränkungen bei der Ausschüttung von Divi- denden und der Auszahlung von Boni auferlegt. Politische Auswirkungen der Eurokrise Euro-Rettung: das Bangen geht weiter Die zunächst vorsichtig positiv aufgenommenen Be- schlüsse des Euro-Gipfels wurden rasch durch die Krise der europäischen Gemeinschaftswährung Euro Ankündigung des damaligen griechischen Minister- Herr zu werden. präsidenten Giorgos Papandreou überschattet, ein Bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs Referendum über die Sparmaßnahmen abzuhalten, der Europäischen Union am 26. Oktober 2011 wur- die Griechenland als Bedingung für die Auszahlung de eine „freiwillige“ Beteiligung des Privatsektors am weiterer Hilfsgelder auferlegt wurden. Nach starkem Schuldenausfall Griechenlands beschlossen. Private innen- und außenpolitischem Druck blies Papandre- Gläubiger Griechenlands sollen auf 50% ihrer For- ou die Abstimmungspläne wieder ab und trat am 09. derungen verzichten und so dazu beitragen, dass November 2011 zurück. In seiner Funktion wurde er 9:!,47:!,42 4 "%& %;"8%1-
von dem parteilosen Ökonomen und ehemaligen Vi- und 24 Jahren (die Arbeitslosenquote in dieser Al- zepräsidenten der EZB Loukas Papadimos ersetzt, tersgruppe beträgt 48,7%; Dezember 2011)! Maria- der einer griechischen Übergangsregierung vorsteht. no Rayo Brey möchte mit einem rigorosen Sparkurs Trotz der Versicherung Papadimos den harten Spar- Spanien aus der Krise führen. Trotz der Einsparun- kurs fortzusetzen und mit EU und IWF voll zu koope- ; X% + rieren, stiegen die Zinsen für zehnjährige griechische der gesamten Wirtschaftsleistung, das angestrebte Staatsanleihen auf 37,28%, Griechenland hat da- Sparziel von 6% wurde klar verfehlt. durch keine Chance sich am offenen Markt dauerhaft 10 Das Ende des Cavaliere Am 12. November 2011 trat Silvio Berlusconi vom Amt des italienischen Ministerpräsidenten zurück. Sein Rücktritt fällt mit starkem Druck der Finanz- märkte auf Italien zusammen. Nachfolger Berlusco- nis wurde der parteilose Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti, der einem aus ExpertInnen zusammenge- setzten Kabinett vorsteht. Monti selbst übernahm die Agenden von Wirtschaft und Finanzen und präsen- tierte ein Sparpaket in der Höhe von 25 Milliarden Euro. Ein Kernpunkt des Sparpaketes ist die Erhö- hung der Pensionsalter. Das Pensionsalter der Frau- en wird bis 2016 auf 65 Jahre erhöht, dasjenige der Männer auf 67 Jahre angehoben. Die Einkommens- steuer für höhere Einkommen wird angehoben und Die Schuldenkrise in der EU bestimmt die Agenda die Immobiliensteuer ICI wieder eingeführt. Darüber hinaus werden Maßnahmen gesetzt, welche die Kon- Die Arbeitslosenrate in Griechenland betrug im Ok- junktur beleben sollen. Nach zahlreichen Änderungs- tober 2011 19,2% (Eurostat, harmonisierte Arbeitslo- forderungen der Parteien, Streiks und tumultartigen senrate). Vor allem die junge Generation leidet unter Szenen im italienischen Parlament, passierte das der schlechten Arbeitsmarktsituation: 47,2% aller Sparpaket am 22. Dezember den italienischen Senat jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ohne Arbeit. und damit die letzte parlamentarische Hürde. Trotz Junge Frauen sind nochmals stärker betroffen: von der vorgestellten Sparvorhaben musste Italien bei ei- ihnen sind über die Hälfte (52,3%) arbeitslos. ner Auktion von langjährigen Staatsanleihen Zinsen in der Höhe von durchschnittlich 6,47% zusichern, Die zunehmende politische Dimension der Verschul- den höchsten seit Einführung des Euros.11 dungskrise zeigte sich auch in der Slowakei. Die Re- gierung von Ministerpräsidentin Iveta Radicova stürz- Der EU-Gipfel vom 8. & 9. Dezember 2011 te im Oktober über die Abstimmung der Aufstockung Nachdem die Maßnahmen des EU-Gipfels vom 26. der Mittel der EFSF. Erst nach ihrem Rücktritt konnte Oktober nicht die erhoffte Trendwende erbrachten, die Zustimmung der Slowakei gesichert werden. folgte am 8.-9. Dezember der zweite große EU-Gip- fel des vierten Quartals 2011. Die Staats- und Regie- Am 20. November 2011 fanden vorgezogene Parla- rungschefs der Union trafen sich in Brüssel, um wei- mentswahlen in Spanien statt. Der bisherige sozial- tere Maßnahmen zur Eindämmung der Finanzkrise listische Premierminister Zapatero (PSOE) trat nicht zu beschließen. Das Kernstück der Beschlüsse stellt mehr zur Wahl an. Die konservative Volkspartei (PP | `" >{ - – Partido Popular) konnte mit ihrem Spitzenkandita- on“ im Euro-Währungsgebiet dar, welche vorsieht, ten Mariano Rayo Brey das beste Ergebnis ihrer Ge- dass in allen nationalen Verfassungen Schulden- schichte erzielen und erreichte mit 44,6% der Stim- bremsen verankert werden sollen. Die staatlichen men die absolute Mehrheit. Spanien kämpft mit einer Haushalte gelten dann als ausgeglichen, wenn das Arbeitslosigkeit von 22,9% (Dezember 2011) und fast { ; &+ %+ 3 ?? @8%1 9 3=% !#%+ % & % #A= %
für den Fall, dass diese Regelung nicht eingehalten keine Institutionen mit einer gleichartigen demokra- wird. Die Erklärung führt allerdings nicht aus, wie die- tischen Legitimation gegenüberstehen. se Sanktionen gestaltet sind. Darüber hinaus werden ! X% ; X Die „große Bazooka“: die Aktivitäten der Europä- `% { ; q ( +
rungsprobleme der Banken zu beseitigen und dem schwierige politische Lage Ungarns. Die Regierung privaten Geldmarkt wieder auf die Beine zu helfen. Viktor Orbans, dessen Partei „Fidesz“ die absolu- Auch sollten die Banken mit Geld versorgt werden, te Mehrheit im ungarischen Parlament hält, führte um es den Staaten zu erleichtern, Kredite aufzuneh- seit ihrem Amtsantritt im Mai 2010 eine ganze Rei- men. Allerdings herrschte zu Beginn Skepsis, ob die- he kontroversieller Gesetzesvorhaben durch. Unter ses Ziel tatsächlich erreicht werden würde. Anleihen- anderem wurde die Unabhängigkeit der Notenbank auktionen von Spanien und Italien im Jänner 2012 beschnitten, was EU und IWF massiv kritisierten. Es zeigten jedoch, dass die Banken durchaus gewillt ist davon auszugehen, dass Hilfsleistungen für Un- waren, in Staatsanleihen zu investieren. Spanien und garn von einer Zurücknahme dieser Reformschritte Italien mussten spürbar weniger Zinsen zahlen, als begleitet werden. Die österreichischen Banken sind befürchtet worden war. Die Kreditvergabeaktion der mit rund 41 Milliarden Euro in Ungarn engagiert. EZB wird mittlerweile als Erfolg bewertet.13 Noch nicht in der richtigen Verfassung: die Schul- Die Kreditvergabe zwischen den Banken, der Inter- denbremse bankenmarkt, kam zwischenzeitlich weitgehend zum Das Vorhaben, eine Schuldenbremse in der österrei- Stillstand. Als ein Hinweis auf das Misstrauen der chischen Verfassung zu verankern, kann als Versuch Banken untereinander kann die Tatsache gewertet interpretiert werden, den Akteuren auf den Finanz- werden, dass die Banken mit 412 Milliarden Euro so märkten zu signalisieren, dass die österreichischen viel Geld wie nie zuvor bei der EZB hinterlegten, ob- > X wohl diese weniger günstige Konditionen bietet, wie werden. Allerdings traf der Plan der Bundesregierung Geschäftsbanken. auf Widerstand und die notwendige Zweidrittelmehr- heit für eine Verfassungsänderung konnte nicht er- Niemand ist eine Insel: Österreich wird von der reicht werden, da keine der drei Oppositionsparteien Schuldenkrise erfasst ihre Zustimmung gab. Auch Österreich wurde von der europäischen Staats- schuldenkrise erfasst. Die Zinskosten für österreichi- In der Hauptversammlung der Arbeiterkammer sche Staatsanleihen stiegen aufgrund der Besorgnis sprachen sich alle Fraktionen einstimmig gegen die % > Schuldenbremse aus, da diese eine Symptombe- osteuropäischen Ländern, in denen österreichische kämpfung darstelle, aber nicht die Ursachen der Kri- Banken stark involviert sind. Aktuell schwanken die se bekämpfen könne.14 Zinsen für zehnjährige österreichische Staatsanlei- hen um 2,90%. Deutschland kann sich mit einem Da die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP keinen Zins von 1,92% für zehnjährige Staatsanleihen deut- Weg fanden, die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern, wurde diese am 07. Dezember 2011 im Rahmen der einfachen Gesetzgebung im Bundes- Die Erste Bank gab im Oktober einen Verlust für das haushaltsgesetz verankert. Die Regelung sieht nun dritte Quartal 2011 von 1,49 Milliarden Euro bekannt. vor, dass der Haushalt des Bundes grundsätzlich Der Grund für diese hohen Verluste sind Abschrei- auszugleichen ist und dass dies als erfüllt angesehen bungen der Tochtergesellschaften in Ungarn und Ru- wird, wenn der Anteil des Bundes (inkl. Sozialversi- mänien, sowie eine Neubewertung von Kreditversi- cherung) am strukturellen (=von Konjunktureffekten cherungen, von CDS - Credit Default Swaps. 7;
Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spinde- die Herabstufungen unter anderem damit, dass es legger das Vorhaben der Bundesregierung bis zum bislang nicht gelungen ist, auf der europäischen Ebe- Jahr 2016 rund 10 Milliarden Euro einzusparen. Das ne eine entschlossene Antwort auf die Fragilität der tatsächliche Sparpaket übertraf die damalige Ankün- Eurozone zu geben. Des weiteren sprach Standard & digung dann nochmals deutlich. Poor’s die Befürchtung aus, dass eine Politik, welche X
Herbst 2011 vorbereitet wurden. Zum einen wurde Bankenverband, vertreten werden, gestalten sich äu- der Vertrag für den europäischen Fiskalpakt ausge- ßerst schwierig. Konkret geht es um den Umtausch arbeitet. Dieser beinhaltet die Implementierung von von Anleihen in neu ausgegebene Anleihen mit drei- Schuldenbremsen („Balanced Budget Rule“) in den ßigjähriger Laufzeit. Die Gläubiger müssen dadurch Gesetzgebungen der Unterzeichnerstaaten und sieht hohe Verluste auf den Nominalwert der Anleihen hin- Sanktionen bei deren Verletzung vor. In Kraft tritt der nehmen. Strittig war bis zuletzt die Höhe der Verlus- Vertrag, der nicht innerhalb des EU-Rechtsrahmen te. Der IIF insistierte auf den Beschlüssen des letzten liegt, sondern zwischenstaatlicher Natur ist, wenn Oktobers, die vorsahen, dass die Gläubiger maximal mindestens zwölf Staaten ihn unterzeichnet haben.17 einen Verlust von 50% hinnehmen müssten. Die grie- chische Regierung wollte jedoch eine Reduktion von Zum anderen wurde die Entscheidung bekräftigt, die bis zu 70% erzielen. Nach den zum Zeitpunkt des Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanis- Verfassens neuesten Informationen, erscheint es mus ESM auf Juli 2012 vorzuziehen. Am Gipfel Ende wahrscheinlich, dass die Gläubiger einen Schulden- Jänner 2012 wurde eine Einigung über den Vertrag schnitt von 70% akzeptieren werden.19 erzielt, der beim Treffen des Europäischen Rates am 1./2. März 2012 unterzeichnet werden soll. Im März Auch verdichten sich Hinweise, dass sich die EZB, soll auch die Höhe der europäischen „Firewall“, be- die eine große Zahl griechischer Staatsanleihen stehend aus EFSF und ESM, überprüft werden. Ge- hält, an dem griechischen Schuldenschnitt beteiligen rüchteweise wird von einer Summe von insgesamt könnte, sollte das angepeilte Ziel der Schuldenreduk- 1.500 Milliarden Euro gesprochen, welche durch tion, rund 100 Milliarden Euro, nicht erreicht werden. ESM, EFSF und den IWF bereitgestellt werden soll.18 Die Verhandlungen mit den Bankenvertretern wur- den unter hohem zeitlichen wie politischen Druck geführt, da eine Einigung eine der Voraussetzungen Griechisches Feuer: die Fortsetzung der griechi- dafür ist, dass Griechenland ein zweites Hilfspaket schen Schuldentragödie Während auf der europäischen Ebene über die Neu- strukturierung des Euroraumes verhandelt wurde, spitzte sich die Lage in Griechenland weiterhin zu. Zwei miteinander verknüpfte Entwicklungen domi- nierten die Situation. Zum einen die Verhandlungen Griechenlands mit den privaten Gläubigern über de- ren „freiwillige Beteiligung“ am griechischen Schul- denschnitt und zum anderen der Beschluss eines neuen Sparpaketes, um die Voraussetzungen für weitere Hilfszahlungen zu erfüllen – dies alles vor dem Hintergrund massiver Ausschreitungen und Proteste in Athen und anderen griechischen Städ- ten. Der gesellschaftliche Frieden in Griechenland ist durch die Auswirkungen der Schuldenkrise mittler- Griechenland-Hilfspaket: noch 325 Millionen Euro bis zur weile ernsthaft gefährdet. Unterschrift Griechenland führt mit seinen privaten Gläubigern in der Höhe von 130 Milliarden Euro zur Verfügung Verhandlungen über deren Beteiligung an einem gestellt bekommt. Die zweite Voraussetzung war Schuldenschnitt. Die sogenannte PSI (= Private Sec- der Beschluss eines weiteren Sparpaketes durch tor Involvement: Beteiligung des Privatsektors) soll das griechische Parlament. Begleitet von massiven dazu beitragen, den Schuldenstand von derzeit etwa politischen Schwierigkeiten und weitreichenden öf- 160% des BIP bis zum Jahr 2020 auf einen Stand fentlichen, teils gewalttätigen, Protesten und Streiks, von 120% zu reduzieren (zum Vergleich: der Schul- stimmte das griechische Parlament am 13.02.2012 denstand des anderen „Sorgenkindes“ Spanien liegt mit 199 von 300 Stimmen dem neuen Sparpaket zu. für 2011 bei knapp 70%). Die Verhandlungen mit den Zuvor wurde die Regierungskoalition von Premier Gläubigern, die durch den IIF, den internationalen Papadimos durch die Rücktritte eines Ministers, so- 6" ?%23'3 +%3A!5A!! * B% 92 % !%' #+ >% BH%8%1 J ! % > 6K&LD @8%1 Seite 12 WISO
wie von vier stellvertretenden Ministern erschüttert. 26 Milliarden Euro: das österreichische Sparpaket Auch die vier Abgeordneten der rechtsgerichteten Am 10.02.2012 präsentierten Bundeskanzler Fay- LAOS-Partei scherten aus der Regierungskoalition mann und Vizekanzler Spindelegger das lang ange- aus und traten geschlossen zurück. Bereits im Vor- kündigte Sparpaket der Regierung. Die Konsolidie- feld der Parlamentssitzung kam es zu dramatischen rungsmaßnahmen umfassen bis zum Jahr 2016 ein Ausschreitungen in Athen und anderen griechischen Volumen von 26,5 Milliarden Euro, wobei rund 70% Städten. Der Vorsitzende der konservativen Partei durch Einsparungen erreicht werden sollen und 30% Nea Dimokratia, Antonis Samaras, dem gute Chan- durch Mehreinnahmen, sprich Steuern. Für 2012 be- cen eingeräumt werden, in der kommenden Parla- trägt das Konsolidierungsvolumen lediglich 500 Mil- mentswahl im April 2012 zum neuen Premierminister lionen Euro, soll sich aber bis 2016 sukzessive stei- { &"% & ?# X% gern. Die größten Posten betreffen die Pensionen, Hilfspakete mit der Troika aus EU, EZB und IWF neu bei denen 7,3 Milliarden Euro gespart werden sollen, zu verhandeln. Maßnahmen bei den Beamten sollen 2,5 Milliarden einbringen und die Ersparnis bei den Ländern sollen Drakonische Zeiten: das griechische Sparpaket 5,2 Milliarden beitragen. Das neu beschlossene griechische Maßnahmenpa- ket sieht Einsparungen von 3,3 Milliarden Euro für Einige Eckpunkte zum Sparpaket das Jahr 2012 vor. Unter anderem werden die Löh- Bei den Beamten wird es 2013 eine Nulllohnrunde ne in der Privatwirtschaft solange eingefroren, bis geben, 2014 eine Gehaltsanpassung von einem Pro- die Arbeitslosigkeit auf 10% gefallen ist (von derzeit zent und Einmahlzahlungen. Weitere Einsparungen rund 20%) und zahlreiche Lohnzuschüsse werden sehen unter anderem die Schließung kleinerer Be- abgeschafft. Renten (z.B. von Banken, Telefonge- sellschaften und Seeleuten) werden um bis zu 15% gekürzt, auch Zusatzrenten werden im selben Aus- maß gekürzt. Der Mindestlohn wird von 751 Euro auf 586 Euro gekürzt, womit auch das daran gekoppelte Arbeitslosengeld sinkt. Noch heuer werden 15.000 Staatsbedienstete entlassen. Bis zum Jahr 2015 sollen insgesamt 150.000 Stel- len im öffentlichen Dienst abgeschafft werden. Durch Privatisierungen (z.B. staatliche Lotterien, Gaswer- " &!X 7 | \ In aller Stille geschnürt, das österreichische Sparpaket Euro erzielt werden. Dieser Wert liegt allerdings deut- lich unter den ursprünglich angepeilten 50 Milliarden zirksgerichte vor, Posten werden nach Pensionierun- an Privatisierungseinnahmen. Das Steuersystem soll gen nicht mehr nachbesetzt. vereinfacht werden, Steuerermäßigungen werden Die Erhöhungen für die Pensionistinnen und Pensio- gestrichen und 200 Steuerämter geschlossen. #- tionsrate liegen, 2014 0,8% darunter. Für den Antritt EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich zu- der Korridorpension werden künftig 40 statt 37,5 Ver- frieden mit dem beschlossenen Sparpaket Griechen- sicherungsjahre benötigt und die Invaliditätspension lands, betonte aber die Notwendigkeit, weitere 325 für Personen unter 50 Jahren abgeschafft (diese | | X% & müssen künftig zum AMS). um die Auszahlung der Hilfstranche in der Höhe von 130 Milliarden Euro sicherzustellen.20 Der Vorsitzen- Die Gesundheitsreform muss erst zwischen Bund, de der Eurogruppe, der luxemburgische Premier- Ländern und Gemeinden verhandelt werden, soll und Finanzminister Jean-Claude Juncker, verschob aber bis 2016 rund 1,4 Milliarden Euro bringen. allerdings das für den 15. Februar vorgesehene Tref- fen der Finanzminister der Eurostaaten, sodass die Die Einsparungen im Infrastrukturbereich betreffen Freigabe für die zweite griechische Hilfstranche zum in erster Linie den Brenner Basistunnel, Koralmbahn Zeitpunkt des Verfassens noch nicht erfolgt war. und den Semmering Basistunnel. Allein der Brenner Basistunnel soll 450 Millionen beitragen, die Inbe- !A & &LB ?E :&'3 @8%1 WISO Seite 13
triebnahme im Jahr 2020 davon aber unberührt blei- wicklung, gingen aber im dritten Quartal erneut um ben. 0,3% zurück. In der Gesamtbetrachtung der Investiti- onen zeigte sich, dass die Bruttoanlageinvestitionen Im steuerlichen Bereich soll die Vermögenszuwachs- (Bau- und Ausrüstungsinvestitionen) gegenüber dem steuer auf Immobilien (Ausnahme Hauptwohnsitze) zweiten Quartal um 0,6% anstiegen. rund zwei Milliarden Euro einbringen. Spitzenver- dienerInnen sollen zwischen 2013 und 2016 einen ; # 6 - befristeten Solidarzuschlag zur Einkommenssteuer schnitt 3,3%. Dabei war im Jahresverlauf eine stei- leisten (Angestellte ab 186.000 Euro Jahresbrutto- gende Tendenz festzustellen: die bisher höchsten einkommen, UnternehmerInnen ab 175.000 Euro # > - Gewinn). vember mit jeweils 3,6% erreicht. Im Dezember Die Bundesregierung rechnet ab 2014 mit Einnah- " # X &+ men aus einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer, Deutlich vorlaufend war die Preisentwicklung des die 500 Millionen Euro im Jahr einbringen soll. Die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich: das Jahr 2011 2011 verlief die wirtschaftliche Entwicklung in Öster- reich über das gesamte Jahr gesehen durchaus po- sitiv. Vor allem in der ersten Jahreshälfte zeigte sich eine befriedigende Zunahme der wirtschaftlichen Ak- tivitäten: das Bruttoinlandsprodukt Österreichs stieg im zweiten Quartal 2011 um 3,9% gegenüber dem Vorjahr an. Im dritten Quartal verlangsamte sich die Zunahme auf 2,6% - ein deutlicher Hinweis auf eine Abschwächung. Dies zeigt sich auch im Vergleich Vor allem Lebensmittel- und Energiepreise beschleunigten der BIP-Zunahme gegenüber den Vorquartalen. Im ersten Quartal 2011 nahm die Wirtschaft um 0,9% gegenüber dem vierten Quartal 2010 zu. Die Stei- sogenannten Miniwarenkorbes, der eine Auswahl an gerung des zweiten Quartals 2011 gegenüber dem Gütern des wöchentlichen Bedarfs enthält (v.a. eine ersten Quartal des Jahres betrug 0,5%. Das dritte breite Palette an Lebensmittel, sowie Treibstoffe). Quartal wuchs gegenüber dem zweiten nur mehr um Die Preise dieser Produkte steigerten sich im Jahres- 0,3%. Konkrete Zahlen zum vierten Quartal 2011 lie- durchschnitt um 6,7%, was vor allem auf die starken gen zum Zeitpunkt des Verfassens (Stand: 15. Feb- Kostensteigerungen bei den Energieträgern zurück- ruar 2012) noch nicht vor. Das Wirtschaftswachstum zuführen ist. Allein die Preise für Mineralölprodukte dürfte im vierten Quartal 2011 allerdings geringer stiegen im Jahresvergleich um 18% an. Ohne die als in den Vorquartalen ausgefallen sein. Prognosen | { #- der Österreichischen Nationalbank gehen von einem tion 2011 2,4% statt 3,2% betragen. Wachstum von 1,8% aus. Lebensmittel zeigten ebenfalls eine überdurchschnitt- Auch der bisherige Motor der wirtschaftlichen Ent- liche Preisentwicklung. Die im Mikrowarenkorb abge- wicklung in Österreich, die Exportwirtschaft, dämpfte bildeten Güter des täglichen Bedarfs (in erster Linie sich ein. Die Exporte stiegen im Quartalsvergleich Lebensmittel inkl. Kaffee) steigerten ihre Preise im nur um 0,6% an, die Importe um 0,5%. Auch die Wa- Jahresverlauf um durchschnittlich 3,7% und lagen renproduktion ging spürbar zurück: die Steigerung % # im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal machte nur 0,1% aus. Im ersten und zweiten Quartal 2011 Der Euroraum wies 2011 eine durchschnittliche machten die Steigerung jeweils noch 3,4% bzw. 6 # &*+ X& |= 0,9% im Jahresvergleich aus. # &+ ($7 6 # &+ Die Ausrüstungsinvestitionen in der heimischen Wirt- Verbraucherpreisindex spürbar darüber. schaft stiegen mit 2% kräftig an, dies dürften jedoch Ersatzinvestitionen aufgrund des krisenbedingten Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im vierten Investitionsrückstandes sein. Die Bauinvestitionen Quartal 2011 zeigten im ersten Halbjahr 2011 eine positive Ent- Im Schnitt waren im vierten Quartal 2011 in Öster- Seite 14 WISO
reich 3.429.350 Personen in Beschäftigung, gegen- son ein Nächtigungsplus von 0,7% verzeichnen, über dem Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung um wobei Inlands- und Auslandstourismus sich in etwa 1,8%. Die Anzahl der Beschäftigten Männer stieg mit gleich entwickelten (+0,8% bzw. +0,6%). Einige Gäs- 1,9% etwas stärker an als die Frauenbeschäftigung tegruppen hielten sich zurück, etwa Gäste aus den mit 1,6%. Die stärksten Beschäftigungszuwächse Niederlanden (-2,9%), aus Frankreich (-3,8%) und konnten das Burgenland (+2,7%), Oberösterreich Italien (-4,7%). Dafür entwickelten sich die wichtigen (+2,0%) und Wien (+1,9%) verzeichnen. Kärnten Märkte wie Deutschland (+2,5%) und die Schweiz (+ wies mit 1,1% die geringste Beschäftigungsausdeh- 10,9%) sehr positiv. Nächtigungen in 5/4-Stern-Ho- nung auf, gefolgt von Tirol (+1,4%) und Vorarlberg tels legten um 0,5% zu, während die untere Kategorie (+1,8%). der 2/1-Stern-Betriebe ein Minus von 2,2% aufwies. Zulegen konnten die 3-Stern-Unterkünfte mit einem Gleichzeitig mit der Beschäftigung stieg aber auch Plus von 1,3%. Die Nächtigungen in Privatquartieren die Arbeitslosigkeit an. Im Schnitt waren im vierten gingen um 4,1% zurück. Quartal 2011 rund 264.394 Personen auf Arbeitssu- che, eine Steigerung von 2,6% gegenüber dem Vor- Regionale Arbeitsmärkte: die Tiroler Bezirke jahr. In Österreich zeigten sich allerdings sehr unter- Alle Tiroler Bezirke konnten im vierten Quartal 2011 schiedliche Entwicklungen: in Vorarlberg reduzierte bei der Beschäftigung zulegen. Die Spannweite sich die Arbeitslosigkeit im Verhältnis zum Jahr 2010 reichte von einem Zuwachs von 0,4% in Kitzbühel um 7,3%. In Oberösterreich (+0,0%) und in Nieder- bis zu einem Plus von 1,7% in Kufstein und Imst. österreich (+0,2%) stagnierte die Anzahl der arbeits- Unterschiedlich entwickelte sich die Anzahl der Ar- losen Personen. Zunahmen gab es vor allem in Wien beitslosen: in Innsbruck und Innsbruck-Land stieg (+6,4%), Salzburg (+4,1%) und dem Burgenland die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich deutlich an (+3,7%). In Tirol stieg die Arbeitslosigkeit um 2,0% (+5,8%). In Reutte reduzierte sich die Anzahl der Ar- an. beitslosen um 6%. Noch wenig tangiert: Tirol Im Bezirk Imst waren im vierten Quartal 2011 im Regionale Wirtschaftsdaten stehen erst mit mehre- Schnitt 24.722 Personen in unselbständiger Be- ren Monaten Verzögerung zur Verfügung, weshalb schäftigung, ein Plus von 1,7% gegenüber dem Vor- die derzeit vorliegenden Daten für Tirol sich auf das jahr. Mit einer Zunahme von 1,4% entwickelte sich zweite Quartal 2011 beziehen. Der Produktionsin- die Anzahl der Arbeit suchenden Personen im Bezirk dex der Tiroler Sachgüterproduktion stieg im zweiten besser als im Tiroler Durchschnitt (+2,0%). Allerdings Quartal 2011 um 10,2% gegenüber dem Vorjahr an, nahm die Anzahl der beim AMS gemeldeten Perso- nahm aber gegenüber dem Vorquartal um 4,6% ab - nen aus der Gruppe 50+ um 5,0% zu. Die Anzahl der stärkste Rückgang aller Bundesländer. junger Arbeitsloser stieg gegenüber dem Vorjahr um 6,2%. Die Beschäftigtenzahlen stagnierten im zweiten Quartal 2011 und gingen im dritten Quartal um 0,8% Die Landeshauptstadt Innsbruck und Innsbruck- zurück. Tirol war neben Wien das einzige Bundesland Land bilden mit durchschnittlich 120.041 Beschäftig- das mit einem Stellenabbau in der Sachgütererzeu- ten im vierten Quartal 2011 den mit Abstand größten gung konfrontiert war. Im Konjunkturtest des WIFO Arbeitsmarktbezirk Tirols. Die Beschäftigung nahm äußerten sich die Tiroler Sachgüterproduzenten in ih- gegenüber dem Vorjahr um 0,8% zu, ebenso jedoch ren Erwartungen für den weiteren Verlauf des Jahres die Arbeitslosigkeit: 5,8% oder 380 Personen mehr von allen Bundesländern am pessimistischsten. als im Jahr zuvor waren auf Arbeitssuche. Sowohl bei den Unter-24jährigen (+8,3%), als auch bei den In der Bauwirtschaft blieb die private Nachfrage weit- Über-50jährigen (+9,2%) stieg die Arbeitslosigkeit gehen stabil, während die öffentlichen Aufträge in an. Die Arbeitslosigkeit der jungen Frauen stieg um Hoch- und Tiefbau zurückgingen. Der Produktions- 14,2%, diejenige der Männer um 4,2%. Im Alter über wert der Bauwirtschaft steigerte sich um 1,2% und 50 waren die Männer mit einem Anstieg der Arbeits- die Beschäftigungssituation entwickelte sich zurück- suchenden um 10,6% stärker betroffen als die Frau- haltend, aber positiv. Im Rahmen des Oktober-Kon- en (+7,1%). junkturtests des WIFO zeigte sich eine deutlich po- sitivere Einschätzung der Tiroler Bauwirtschaft über Im Bezirk Kitzbühel zeigte sich bei der Beschäfti- die künftige Geschäftslage. gung im vierten Quartal 2011 wenig Bewegung. Mit durchschnittlich 23.474 Beschäftigten im Bezirk gab Die Tourismuswirtschaft konnte in der Sommersai- es eine Zunahme von lediglich 0,4% gegenüber dem WISO Seite 15
Vorjahr. Die Arbeitslosigkeit stieg im Jahresvergleich und jungen Erwachsenen um 9,3% zurückging. Der um 1,5%. Die Zahl der Arbeit suchenden Jungen Rückgang der Arbeitslosigkeit der Personengruppe (-1,3%) ging zurück, die der Älteren stieg um 1,9%. über 50 Jahre betrug 4,0%, dabei fanden vor allem In beiden Fällen reduzierte sich die weibliche Arbeits- Über-50jährige Männer in den Arbeitsmarkt zurück losigkeit, während die Anzahl der Arbeit suchenden (-8,4%). Männer stieg. Bei den Unter-24jährigen ging die An- Die Beschäftigung im Bezirk Schwaz nahm im vier- zahl der Arbeit suchenden Frauen um 7,0% zurück, ten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 1,6% zu. Die während die Arbeitslosigkeit unter den jungen Män- Arbeitslosigkeit im Bezirk stieg um 1,9% an. Wäh- nern um 4,4% anstieg. In der Gruppe 50+ reduzierte rend die Arbeitslosigkeit der Unter-24jährigen weit- sich die Anzahl der beim AMS gemeldeten Frauen gehend stagnierte (+0,4%), stieg die Arbeitslosigkeit um 1,5%, die der Männer ging um 5,4% nach oben. unter den Älteren um 3,9% an. Die Arbeitslosenrate des Bezirkes entsprach mit 7,5% dem Tiroler Durch- Mit 41.797 Beschäftigten im Quartalsdurchschnitt schnitt (7,4%). konnte der Bezirk Kufstein seine Beschäftigten um 1,7% oder um mehr als 680 Personen steigern. Die Viele Risiken aber wenig Aussicht auf Gewinn? Arbeitslosigkeit ging von 2.838 Personen (Quartal IV Prognosen für 2012 2010) auf 2.798 Personen (Quartal IV 2011), also um Die aktuelle krisenhafte Situation macht eine Ein- 1,4% zurück. Die Arbeitslosigkeit der Jüngeren ging um 3,7%, diejenige der Älteren um 3,5% zurück. Die Arbeitslosenrate im Bezirk betrug 6,7%. Die Arbeitslosenrate von 14,4% des Bezirks Lan- deck war im vierten Quartal 2011 die höchste im Tirol-Vergleich. Durchschnittlich 17,8% der Frauen und 11,8% der Männer waren auf Arbeitssuche. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Arbeitslosigkeit um 2,3% höher. Während die Anzahl der Arbeit suchen- den Unter-24jährigen leicht abnahm (-0,5%), stieg die Zahl der arbeitslosen Über-50jährigen um 9,7% an, wobei Frauen und Männer gleichermaßen betrof- fen waren. 2012: Es ist vielleicht nicht mit dem Schlimmsten zu rech- Die Beschäftigung im Bezirk Lienz lag im vierten nen, aber eine gewisse Vorsicht ist angebracht. Quartal 2011 mit 17.802 Personen um 1,2% höher als im Jahr zuvor. Gleichzeitig sank die Arbeitslo- schätzung über den voraussichtlichen Verlauf des sigkeit im Bezirk um 0,7%. Die Arbeitslosigkeit der Wirtschaftsjahres 2012 sehr schwierig. Bereits 2011 Unter-24jährigen ging um 0,6% zurück, diejenige der zeigte sich, dass Wirtschaftsprognosen kontinuierlich Personen im Alter von über 50 Jahren stieg jedoch nach unten korrigiert werden mussten. Die Unsicher- um 9,9%. Mit 12,0% war die Arbeitslosenrate von Li- heiten haben im Verlauf des Jahres nicht abgenom- enz eine der höchsten in Tirol. men – im Gegenteil! Das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut Der Bezirk Reutte zeigte im vierten Quartal 2011 WIFO geht in seiner Prognose für 2012 davon aus, eine deutliche Reduktion der Arbeitslosigkeit. Zwar dass es zu einer weitgehenden Stagnation im Euro- veränderte sich die Beschäftigung im Bezirk im Ver- Raum kommen wird. Der Grund dafür ist die allge- gleich zum Vorjahr um nur 1,2%, die Arbeitslosigkeit mein abkühlende Entwicklung der Weltwirtschaft und ging jedoch um 6,1% zurück. Vor allem die Anzahl die anhaltende Verschuldungskrise im Euro-Raum. der beim AMS gemeldeten Männer reduzierte sich ; | { ! - um mehr als zehn Prozent (-1,04%). Die Arbeitssi- nanzierungsbedarf haben, ist davon auszugehen, tuation der Unter-24jährigen zeigte sich zwischen dass die vielfach bereits begonnenen Konsolidie- den Geschlechtern sehr unterschiedlich. Während rungsanstrengungen weiter fortgesetzt werden. die Anzahl der Arbeit suchenden jungen Frauen im Dementsprechend niedrig fällt der Zuwachs des BIP Jahresvergleich um 3,1% stieg, sank die Arbeitslo- mit 0,4% (real) für Österreich laut der WIFO-Prog- sigkeit bei den jungen Männern um 23,8%, sodass nose aus. Der Konsum der privaten Haushalte wird im Gesamten die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen mit einer Steigerung von 0,8% zwar als stabil ein- Seite 16 WISO
geschätzt, wesentliche Wachstumsimpulse davon sind jedoch nicht zu erwarten. Der Ausblick für den Arbeitsmarkt ist nicht positiv: der Beschäftigungs- zuwachs (+0,6%) fällt gering aus und die prognosti- zierte Arbeitslosenquote von ca. 7,0% liegt auf dem Niveau des Krisenjahres 2009. Keine Rezession, aber ein sehr schwaches Wachs- tum ortet die Österreichische Nationalbank in ihrer Dezemberprognose für das Jahr 2012. Das Jahr 2012 würde, bedingt durch die internationale Kon- junkturabkühlung und die Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten, ein reales Wachstum von +0,7% bringen. Ab 2013 wäre aber im Einklang mit dem Anziehen der Weltkonjunktur wieder mit einem Zu- wachs von 1,6% zu rechnen. In Übereinstimmung mit der WIFO-Prognose rechnet auch die Nationalbank mit einem gedämpften Konsumzuwachs von +0,7% und einer Beschäftigungsausweitung von 0,6%. Die Arbeitslosigkeit prognostiziert die Nationalbank - et- was optimistischer als das WIFO - auf ein Niveau &+( | [; 7; { einem Anteil an Arbeitslosen wie im Jahr 2010 und nicht dem Hauptkrisenjahr 2009, wie vom WIFO pro- ; # " 2012 bei etwas über 2,0% einpendeln. Der Haupt- grund für diesen vermuteten Rückgang der Preisstei- gerungen wird darin gesehen, dass die Kosten für Energie und Nahrungsmittel aufgrund der weltweit nachlassenden Konjunktur nicht mehr so stark als Preistreiber wirken. ;
WISO WISSEN Fiskalpakt Der „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ Im Rahmen des Gipfels der Staats- und Regierungs- werden im Vertragsentwurf „Ereignisse außerhalb chefs der EU-Mitgliedstaaten am 30.01.2012 wur- der Kontrolle des Vertragsunterzeichnenden, welche de der „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und bedeutsame budgetäre Auswirkungen haben, oder Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“, schwere Konjunkturschwächen“ bezeichnet. kurz „Fiskalpakt“ genannt, angenommen. Wenn der Vertrag im März 2012 unterschrieben wird, ändern Korrekturmechanismus sich dadurch die budgetären Rahmenbedingungen Da ein sofortiges Erreichen eines ausgeglichenen in den teilnehmenden EU-Ländern grundlegend. Die Haushaltes in den meisten Fällen nicht möglich sein Vertragsstaaten (alle EU-Mitglieder mit Ausnahme wird, schlägt die Europäische Kommission für je- Y 7 # des Land einen Zeitrahmen dafür vor. Hält ein Un- mit der Unterzeichnung zu einer dauerhaften Spar- terzeichnerstaat die Budgetregeln nicht ein, tritt ein und Konsolidierungspolitik. automatischer Korrekturmechanismus in Kraft, der Maßnahmen vorsieht, um wieder auf den Pfad der Zwischenstaatlicher Vertrag Budgetkonsolidierung zurückzukehren. Eine inhalt- Der Fiskalpakt wird spätestens am 01. Jänner 2013 liche Ausgestaltung dieses Korrekturmechanismus in Kraft treten oder sobald mehr als 12 Vertragsstaa- ist nicht im Vertragsentwurf enthalten, sondern es & erfolgt der Hinweis, dass die Europäische Kommis- der „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steu- sion dazu Vorschläge erarbeiten wird. Der Korrektur- erung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ kein mechanismus kommt nur dann nicht zu tragen, wenn Rechtsakt der EU ist, sondern ein völkerrechtlicher = Vertrag, der zwischen den einzelnen Nationalstaaten (mit Ausnahme des betroffenen Staates) sich dage- geschlossen wird. Zwar sieht der Vertrag vor, dass er gen ausspricht. innerhalb von fünf Jahren in das EU-Recht überge- führt werden soll, de facto wird jedoch eine neue völ- Im Bereich der verstärkten Koordinierung der Wirt- kerrechtliche Ebene parallel zur Europäischen Union schaftspolitik bleibt der Vertragsentwurf vage. Es ist ohne umfassender Einbindung der EU-Institutionen, lediglich vorgesehen, dass größere wirtschaftspoliti- wie beispielsweise des EU-Parlaments eingeführt. sche Vorhaben und Maßnahmen vorab mit den Ver- tragspartnern besprochen und koordiniert werden Das Kernstück: Schuldenbremsen sollen. ; %" # Einführung von Schuldenbremsen in den nationalen Eurogipfel Gesetzgebungen dar. Die Staatshaushalte sollen Zweimal im Jahr soll ein Eurogipfel abgehalten wer- künftig ausgeglichen sein oder einen Überschuss den, an dem alle Vertragspartner teilnehmen, auch aufweisen. Ein Budget wird gemäß dem Vertrag als diejenigen, welche den Euro nicht als Währung ein- ausgeglichen angesehen, wenn das strukturelle De- geführt haben. An diesen Treffen nimmt ebenfalls ( " XX " ; 7 der Präsident der Europäischen Zentralbank teil, der nicht mehr als 0,5% des Bruttoinlandsproduktes aus- Präsident des Europäischen Parlaments kann dazu macht. Liegt der Verschuldungsgrad eines Staates eingeladen werden. Aus dem Kreis der Euroländer +
WISO WESHALB Teufelskreise Ursachen und Dynamiken der Schuldenkrise in den Mitgliedsstaaten der europäischen Währungsunion Mag. Armin Erger Die Pleite eines Staates in Westeuropa galt über lange Währung. Dies liegt vor allem darin begründet, dass Jahrzehnte dynamischer wirtschaftlicher Entwicklung Währungsunionsländer ihre Schulden nicht in einer beinahe als ein Ding der Unmöglichkeit. Spätestens Währung aufnehmen, über die sie die volle Kontrol- > le besitzen. Länder der Währungsunion werden da- Griechenlands zu Beginn des Jahres 2010, erscheint durch von den Entwicklungen auf den Finanzmärkten die Zahlungsunfähigkeit einer europäischen Volks- {" #1 Eine besondere Rolle kommt wirtschaft wieder als äußerst reale Möglichkeit. Im dabei den Erwartungen der Investoren auf den Fi- Gefolge der im Jahr 2007 in den USA beginnenden nanzmärkten zu. Denn die Staatsschuldenkrise ist im Finanzkrise, breitete sich die „Staatsschuldenkrise“ Wesentlichen auch eine Vertrauenskrise: über eine in Europa aus: Griechenland, Portugal, Irland, Spani- Dynamik von sich selbsterfüllenden Prophezeiungen & " - werden Staaten in Richtung eines positiven oder ne- ziellen Druck der Investoren, da Zahlungsausfälle gativen Gleichgewichts gedrängt. Im letzteren Fall befürchtet wurden und nach wie vor werden. Diese kann es zu einem Teufelskreis aus pessimistischen Länder müssen sich für hohe Zinsen an den Finanz- Erwartungen, d.h. mangelndem Vertrauen, und ei- {" & { Griechenland, Irland und Portugal mit Hilfsprogram- Situation kommen. De Grauwes Aussagen sind da- men des europäischen Rettungsschirms EFSF und bei nicht als Generalkritik am Euro zu verstehen, der des Internationalen Währungsfonds gestützt werden, zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung vor allem um Zahlungsausfälle zu vermeiden. von exportorientierten Ländern wie Österreich beige- tragen hat, sondern als nüchterne Warnung vor den Der Verlust des AAA-Ratings von Österreich, Frank- systemischen Schwachstellen des Euros, welche in reich und einer Reihe weiterer Euroländer im Jänner Krisenzeiten besonders deutlich zutage treten.2 2012 zeigte deutlich, dass die Staatsverschuldungs- " &" Der vorliegende Artikel nimmt im Wesentlichen die nachlässiger EU-Staaten ist und es sich somit um Argumentation de Grauwes auf. Die Darstellung ver- Einzelfälle handelt, sondern dass die Eurozone als sucht, die grundlegende Krisendynamik in der Wäh- solche mit systemischen Problemen zu kämpfen hat, rungsunion anschaulich zu machen und nicht die welche Dynamiken auslösen, die die Ausbreitung gesamte Komplexität der europäischen Staatsschul- und Hartnäckigkeit von Schuldenkrisen begünstigen. denkrise auf eine einfache Erklärung zu reduzieren. Der belgische Wirtschaftswissenschaftler Paul de Grauwe vom Centre for European Policy Studies Zwei Fälle: Krisen mit und ohne Mitgliedschaft in stellte 2011 in einem viel beachteten Artikel über das der Währungsunion „Management einer fragilen Eurozone“ die Dynami- Um die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken ken der Ausbreitung von Krisen in einer Währungs- von Krisenverläufen darzustellen, können zwei Fäl- union wie dem Euro dar. De Grauwe argumentiert, le unterschieden werden: erstens, die Situation ei- dass bei Ländern, welche Teil einer Währungsunion nes Staates, der eine nationale Währung ausgibt sind, eine höhere Gefahr von Zahlungsunfähigkeit (das „Großbritannien-Szenario“), und, zweitens, die besteht, als bei Ländern mit einer eigenen nationalen Krisendynamik in einem Staat, welcher Mitglied der D%E FG!& /% !% . %" C ( => M % # &L %B%N 69K8%E ,;' $ 8 IO A P " C (#!% 5 & &L , %'% 'LI E 3Q F A
Währungsunion ist (das „Spanien-Szenario“).3 Für handelt unter anderen geldpolitischen Bedingungen, beide Fälle wird in der Folge der Verlauf einer be- als ein Staat, der seine nationale Währung beibehält. fürchteten Zahlungskrise in idealisierter Form darge- Entscheidend ist der Verlust der Fähigkeit, Schulden stellt. in einer Währung aufzunehmen, die der Staat selbst kontrollieren kann. Mit dem Beitritt zu einer Wäh- Fall 1: Das „Großbritannien-Szenario“ rungsunion steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wie verläuft eine vermutete Zahlungskrise in einem Staat durch das Geschehen auf den Finanzmärkten Staat, der über eine nationale Währung verfügt? in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden kann, Befürchten die Halter von Staatsanleihen, dass der da sich selbsterfüllende Prophezeiungen einstellen britische Staat Zahlungen nicht mehr leisten kann, können. Was das heißt, zeigt sich bei der Betrach- werden sie, um das Risiko von Verlusten zu minimie- tung des Krisenverlaufs. ren, ihre Staatsanleihen abstoßen. Die Investoren sind nach dem Verkauf der Anleihen im Besitz von Betrachten wir den Verlauf einer solchen, sich selbst britischen Pfund und müssen diese umtauschen, um {" & > woanders investieren zu können. Der Wechselkurs am Beispiel Spaniens. Nehmen wir an, es entstehen des britischen Pfund (=Preis des Pfund auf dem De- Zweifel, wie ja auch tatsächlich der Fall war, ob Spa- "7 " & - nien, das Teil der europäischen Währungsunion ist, det, der diese aufkauft. Die Pfund können nicht ein- seine Schulden im vollen Umfang und zeitgerecht fach in einen anderen Staat transferiert werden, die bedienen kann. Diese Situation kann im Zuge einer Geldmenge in Großbritannien bleibt stabil.4 Dieses Rezession und/ oder bei einer starken Ausdehnung „Verschließen“ der Währung im Währungsraum wird der Staatsschulden entstehen, wie es beispielswei- „Bottle-up-Effekt“ genannt. Die Pfund werden nun se nach der Finanzkrise von 2008/ 2009 in Spanien von ihren neuen Besitzern entweder – mangels an- (und praktisch allen europäischen Staaten) der Fall derer sicherer Alternativen – direkt wieder in britische war.5 Die Gläubiger versuchen, ihr Risiko zu mini- Staatsanleihen investiert oder bei den britischen mieren und beginnen damit, die von ihnen gehalte- Banken veranlagt, was die Guthaben der Banken nen spanischen Staatsanleihen zu veräußern. Dies anschwellen lässt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hat zwei Konsequenzen: Erstens, aufgrund des nun hoch, dass die Banken in Anleihen investieren, die höher eingeschätzten Risikos von Zahlungsausfällen Gefahr einer Liquiditätskrise ist sehr gering. Nur im steigen auch die Zinsen (= Rendite der Investoren Zuge eines weitreichenden Banken-Runs, also dem als Risikoausgleich), welche Spanien bei der Aus- massenhaften Abheben der Einlagen durch die Kun- gabe von neuen Staatsanleihen zusichern muss.6 den, könnte eine Liquiditätskrise entstehen. Zweitens: Die Investoren, welche ihre spanischen Staatsanleihen verkauft haben, ziehen ihre Euros ab Aber selbst in diesem Fall besteht noch ein Sicher- und investieren diese woanders in der Währungs- heitsnetz: Als Kreditgeber der letzten Instanz („lender union; kein Wechselkursrisiko hindert sie daran, das of last resort“) steht die Bank of England, die briti- Geld aus Spanien zu entnehmen. Dadurch sinkt die sche Zentralbank, zur Verfügung. Obwohl die Bank Geldmenge in Spanien, es kommt zu einer Liquidi- of England wie alle Zentralbanken in modernen Öko- tätskrise. Auch das spanische Bankensystem gerät nomien unabhängig von der Politik agiert, kann die- in die Krise. se - realpolitisch - sicherlich überzeugt werden, die Staatanleihen aufzukaufen. Im Wesentlichen bedeu- Spanien kann die auslaufenden Schulden nicht mehr tet das, dass Geld neu geschöpft (= gedruckt) wird. günstig durch die Aufnahme neuer Schulden an Die Zahlungsfähigkeit der britischen Regierung bleibt {" & X% erhalten, die Finanzmärkte haben nicht die Macht, Staatsanleihen nun wesentlich höhere Zinsen zah- Großbritannien in die Pleite zu treiben. len muss. Auch die Option, dass die Zentralbank die Anleihen aufkauft steht nicht offen: die Europäische Fall 2: Das „Spanien-Szenario“ Zentralbank darf nicht als Finanzier einspringen, da Ein Staat, welcher Mitglied der Währungsunion ist, es ihr verboten ist, unmittelbar Schuldtitel von Mit- D%E FG!& C '&FG! -!' E R 6 ! % 0K ,;%& $ D & 2?3 %&0K ,;R 8%J ! % D N %6
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