WWW.EXIT-PLASTIK.DE - Greenpeace

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© Februar 2020

     Wege aus der Plastikkrise: Forderungen der deutschen Zivilgesellschaft.

     Bundesverband Meeresmüll e.V., Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Deutsche Meeresstiftung, Deutsche Umwelthilfe e.V.
     (DUH), Food & Water Europe, Greenpeace e.V., Heinrich-Böll-Stiftung, Health and Environment Justice Support e.V. (HEJSupport), Stiftung Grünes Bau-
     haus, Surfrider Foundation Germany e.V., Women Engage for a Common Future e.V. (WECF)

     Online verfügbar unter:
     www.exit-plastik.de

     Impressum:

     Bundesverband Meeresmüll e.V., Grimm 12, 20457 Hamburg, buero@bundesverband-meeresmuell.de, www.bundesverband-meeresmuell.de, V.i.s.d.P.
     Frank Schweikert; Illustrationen: © Noel Guevara/Greenpeace, J. Nowak Plastikflut stoppen

ii
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Danksagung

Zunächst einen herzlichen Dank an alle Referent*innen aus den Verbänden, die mit großem Engagement in den vergangenen 18 Monaten aktiv am
Entwicklungsprozess der Forderungen beteiligt waren sowie den Kolleg*innen des Bundesverbands Meeresmüll e.V. und der Heinrich-Böll-Stiftung, die
den Prozess moderiert haben.

Insbesondere danken wir für das Verfassen der vorliegenden Texte Dr. Rolf Buschmann, Alexandra Caterbow, Lili Fuhr, Andy Gheorghiu, Johanna Haus-
mann, Caroline Kraas, Manfred Santen, Henriette Schneider, Carla Wichmann und Viola Wohlgemuth sowie Carla Wichmann für die Koordination des
Projekts.

Ein großer Dank geht außerdem an Prof. Dr. Martin Heger, Dekan Jur. Fak. HU-Berlin, für die kritische Kommentierung des vorliegenden Dokuments
und seiner juristischen Einschätzungen während des Entstehungsprozesses. Auch danken wir dem Ecologic Institut für die konstruktiven Kommentare
und wertvollen Anregungen zu einer früheren Version dieses Dokuments. Ferner danken wir Dr. Julia Steinhorst für ihre Beratung und das Einbringen
ihres sozialwissenschaftlichen Wissens. Dank gilt weiterhin all Denjenigen, die ihre Expertise in dieses Dokument haben einfließen lassen und als Lek-
tor*innen, Grafiker*innen und kritische Leser*innen daran beteiligt waren.

                                                                                                                                                         iii
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Plastikflut stoppen!
     Plastik überschwemmt mittlerweile unsere Umwelt – und ist heute eines der sichtbarsten und größten ökologischen Probleme. Es ist eine tödliche Ge-
     fahr für viele Lebewesen, die die Partikel als Nahrung aufnehmen. Die Plastikflut birgt auch Risiken für die menschliche Gesundheit – Mikroplastik wurde
     sogar im Blut von Menschen nachgewiesen. Zudem heizen Produktion und Konsum von Plastik die Klimakrise an.

     Erstmalig in Deutschland haben sich große zivilgesellschaftliche Akteur*innen zu einem Bündnis zur Lösung der Plastikkrise zusammengeschlossen und
     15 Forderungen an die Bundesregierung formuliert.

     Deutschland ist bei der Verwendung von Kunststoffen europaweit trauriger Spitzenreiter. Deshalb kommt uns eine ganz besondere Verantwortung zu,
     global zur Lösung des Problems beizutragen. Es ist höchste Zeit, jetzt gemeinsam und entschlossen zu handeln!

iv
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DIE BUNDESREGIERUNG MUSS HANDELN!

1   Kunststoff-Verbrauch
    eindämmen                   2    Hersteller und Inverkehr-
                                     bringer haften für Schäden                  3        Aufklärung, Transparenz und
                                                                                          Informationsvermittlung       4    Weltweites Abkommen
                                                                                                                             gegen die Kunststoff-Flut

      Schadstoffe im
 Rohmaterial verbieten     15                                                                                           5    Einweg stoppen

                                                                STO F F V E R A R B E I T U N
                                                          ROH                                   G
                                                      G                                             PR                  6    Nachhaltiges
                                                                                                                             Produktdesign
                                                 UN
                                                                                                                        7

                                                                                                     OD
                                            NN
                                                                                                                             Produktherstellung

                                                                                                         UK
                                           WI
                                                                                                                             ohne Schadstoffe

                                                                                                          TH
                                      FGE

                                                                                                          ERS
                           14                                                                                           8
                                     TO F

 Einsatz von Rohstoffen                                                                                                      Primäres Mikroplastik

                                                                                                              TELL
                                    ROHS

             reduzieren                                                                                                      verbieten

                                                                                                               UNG
                                                                                                                        9    Kunststoff-Einsatz in der
                                                                                                                             Logistikkette eindämmen
                                    NUT

                                                                                                              G
                                                                                                              UN
                                      ZUN

                                                                                                          EIL
                                                                                                                             Freisetzung von Mikroplastik
                           13                                                                                           10
                                           GS

                                                                                                         RT
      Abfall vermeiden                                                                                                       durch Kunststoff-Nutzung
                                            EN

                                                                                                         VE
                                                                                                                             verhindern
                                            DE

                                                                  NUTZUNG
                                                                                                                        11   Vorrang für Mehrweg

                                                                                                                        12   Kunststoff-Eintrag
                                                                                                                             auf See begrenzen
                                                                                                                                                         v
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sprüngliche Form zurückfinden.“4 „Duromere/-          beispielsweise den Zerfall von unsachgemäß
     Begriffsklärung: Plastik                             plaste [sind e]ngmaschig vernetzte Kunststoffe,       entsorgtem Kunststoff-Müll.9
                                                          die nach der Aushärtung nicht mehr durch Er-
                                                          wärmung verformbar und eher hart und spröde           Synthetische Polymere (vgl. “anthropogene
     Kunststoffe (umgangssprachlich “Plastik”) ge-        sind.“5                                               Polymere”): Neben Makroplastik und partikulä-
     hören zu den anthropogenen Polymeren. Poly-                                                                rem Mikroplastik gehören zu den synthetischen
     mere sind eine Gruppe chemischer Verbindun-          Auch Mikroplastik besteht aus künstlich herge-        Polymeren auch gelöste, flüssige, gel- oder
     gen, welche aus “langkettigen Makromolekülen         stellten Polymeren. Der Begriff „Mikroplastik“ ist    wachsartige synthetische Polymere (unabhän-
     [bestehen], die aus einer Vielzahl von kleinen,      bislang nicht einheitlich definiert und wird unter-   gig ihres Aggregatzustandes), wie sie z.B. in der
     sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten wie-          schiedlich verwendet. Im Folgenden wird der           Kosmetikindustrie und in Wasch-, Putz- und Rei-
     derholenden Einheiten (Monomeren) beste-             Begriff gemäß der durch das Umweltprogramm            nigungsmitteln eingesetzt werden.
     hen”1. “Anthropogen” beschreibt, dass sie vom        der Vereinten Nationen (UNEP) zitierten Defini-
     Menschen geschaffen, also künstlich erzeugt          tion6 als „feste Kunststoffpartikel in der Größe
     sind. Im Folgenden orientieren wir uns an der        von 1 nm bis kleiner als 5 mm“7 verwendet. Diese      1 Miklos et al. 2016
                                                                                                                2 Bertling et al. 2018, S. 45
     Definition des Fraunhofer Institut UMSICHT von       Definition ist jedoch bisher nicht geeignet, eine     3 Ibid.
     anthropogenen Polymeren: „Anthropogene Po-           problemorientierte und aus umweltwissenschaft-        4 Ibid., S. 44
     lymere umfasst die Gesamtheit der Polymere in        licher Sicht notwendige Differenzierung vorzu-        5 Ibid.
     der Umwelt. Neben Mikro- und Makroplastik ge-        nehmen, so fehlt beispielsweise eine eindeutige       6 UNEP 2016
     hören dazu auch gelöste, dispergierte, gelartige     Abgrenzung zu Nanopartikeln oder auch eine            7 GESAMP 2015, S. 14
                                                                                                                8 Hartmann et al. (2019) schlagen eine differenzierte Definition auf Basis
     und flüssige Polymere sowie natürliche Polyme-       spezifische Berücksichtigung physikochemischer          der bisher international hierfür verwendeten Ansätze vor: Nanoplastik:
     re, sofern sie durch menschliche Aktivität umge-     Parameter.8                                             bis
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Inhaltsverzeichnis

Die Plastikkrise                                          02   Forderung zum Nutzungsende		               29
Lebenszyklus übergreifende Forderungen                    04      Abfall vermeiden                        30
    Kunststoff-Verbrauch eindämmen                        05   Forderung zur Rohstoffgewinnung            32
    Hersteller und Inverkehrbringer haften für Schäden    06      Einsatz von Rohstoffen reduzieren       33
    Aufklärung, Transparenz und Informationsvermittlung   08   Forderung zur Rohstoffverarbeitung		       35
    Weltweites Abkommen gegen die Kunststoff-Flut         10      Schadstoffe im Rohmaterial verbieten    36
Forderungen zur Produktherstellung		                      12   Ansprechpartner*innen zu den Forderungen   38
    Einweg stoppen                                        13   Glossar                                    39
    Nachhaltiges Produktdesign                            14
                                                               Quellenverzeichnis                         43
    Produktherstellung ohne Schadstoffe                   16
    Primäres Mikroplastik verbieten                       17
Forderung zur Verteilung                                  19
    Kunststoff-Einsatz in der Logistikkette eindämmen     20
Forderungen zur Nutzung		                                 22
    Freisetzung von Mikroplastik durch                    23
    Kunststoff-Nutzung verhindern
    Vorrang für Mehrweg                                   25
    Kunststoff-Eintrag auf See begrenzen                  27

                                                                                                               01
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Wege aus der Plastikkrise I Einleitung

                                                         de Kunststoffproduktion sowie unsachgemäße         in die Verbrennung.22 2,02 Millionen Tonnen (39
     Die Plastikkrise                                    Entsorgung und geringe Recycling-Raten, ist in     %) wurden der stofflichen Verwertung zugeführt,
                                                         den kommenden Jahren von einem weltweit er-        wobei der Output an Rezyklat für die Herstel-
     Kunststoffe sind seit den 50er Jahren zum Mas-      heblichen Anstieg der Kunststoffmengen in der      lung von Kunststoffen nur 0,81 Millionen Ton-
     senprodukt geworden. Über 400 Millionen Ton-        Umwelt auszugehen.18 Neben dem verheeren-          nen betrug.23 Dies entspricht einem Anteil von
     nen beträgt die globale Kunststoffproduktion        den Schaden, den Kunststoffe in den Ozeanen        15,6 % der gesammelten Kunststoffabfälle. Rund
     jährlich10 und es wird erwartet, dass diese Menge   und in der terrestrischen Umwelt anrichten, ist    710.000 Tonnen der für die stoffliche Verwertung
     bis 2025 auf über 600 Millionen Tonnen anstei-      der in die Umwelt freigesetzte Kunststoff auch     bestimmten deutschen Kunststoffabfälle wurden
     gen wird.11 Laut dem Herstellerverband Plastics     für die stoffliche oder energetische Verwertung    in andere Länder exportiert.24 Aufgrund man-
     Europe betrug allein in Europa (EU-28, NO+CH)       verloren, was zusätzlich eine Verschwendung von    gelhafter Entsorgungsstrukturen in Empfänger-
     die Nachfrage nach Kunststoffen im Jahr 2017        wertvollen Ressourcen und Energie ist.             ländern, ist dieser jährliche Export Tausender
     über 51 Millionen Tonnen – größtenteils für Ver-                                                       Tonnen deutscher Kunststoffabfälle mit schwer-
     packungen (40 %). Mit rund 25 % verantwortete       Bereits heute sind Kunststoffe in der Umwelt       wiegenden ökologischen und sozialen Folgen
     Deutschland den größten Teil der Nachfrage.12       eine tödliche Gefahr für viele Lebewesen. Von      verbunden.25
                                                         Tieren als Nahrung aufgenommen, gelangen
     Durch unsachgemäße Entsorgung gelangen              sie und die angelagerten und im Material ent-      Für die globale Produktion von Kunststoffen
     jährlich circa 35 Millionen Tonnen an Kunststof-    haltenen Chemikalien in die Nahrungsnetze wo-      werden zu 99 % fossile Rohstoffe verwendet.26
     fen in die Umwelt, davon 5-13 Millionen Tonnen      bei sie, auch für uns Menschen, ein bisher noch    Vom globalen Erdölverbrauch gehen somit rund
     in die Weltmeere,13 wo sie einen verheerenden       wenig erforschtes Gesundheitsrisiko bedeuten.19    6 % auf das Konto der Plastikproduktion – setzt
     Schaden anrichten. Während das Problem von          Klar ist jedoch, dass bei der Kunststoffproduk-    sich der Wachstumstrend fort, werden es im Jahr
     Makro- und Mikroplastik in Flüssen und im Meer      tion und -verarbeitung zahlreiche gesundheits-     2050 bereits 20 % sein.27 Entlang des gesamten
     erkannt ist, ist bisher wenig über die Belastung    und umweltgefährdende Zusatzstoffe eingesetzt      Lebenszyklus von Kunststoffen fallen Treibhaus-
     der Böden und Luft mit Mikroplastik bekannt,        werden, die uns Menschen und die Umwelt ent-       gase an. Allein die Produktion von Plastik und
     welches beispielsweise über Reifenabrieb,           lang des gesamten Lebenszyklus belasten und        Verbrennung von Plastikmüll wird 2019 für die
     Kunstrasenplätze und Textilien in die Umwelt        zudem das Recycling der Materialien erschwe-       Freisetzung von mehr als 850 Millionen Tonnen
     oder über Klärschlamm, Bioabfallkomposte und        ren.20                                             klimaschädlichen Treibhausgasen in die Atmo-
     Gärreste auf unsere Äcker gelangt.14 Berechnun-                                                        sphäre verantwortlich sein, was dem Ausstoß
     gen von 2016 zufolge beträgt allein die Menge       2016 wurden Europaweit (EU-28, NO+CH) 27           von 189 Kohlekraftwerken entspricht.28 Steigt die
     an mit dem Klärschlamm ausgebrachtem Mikro-         Millionen Tonnen Kunststoff in amtlichen Ver-      Kunststoffproduktion und -verbrennung so wie
     plastik in Deutschland rund 9.700 Tonnen jähr-      wertungssystemen gesammelt, davon 42% für          prognostiziert, könnten es bis 2050 mit 56 Giga-
     lich. 15                                            die energetische Verwertung (Verbrennung           tonnen bereits mehr als dreimal so viel Treibhaus-
                                                         und Nutzung der entstehenden Energie), 31 %        gasemissionen sein.29 Dies entspräche 10-13 %
     In Deutschland betragen die Pro-Kopf-Emissio-       fürs Recycling und 27 % zur Deponierung.21 In      des global verbleibenden Kohlenstoffbudgets,
     nen von Kunststoffen in die Umwelt geschätzte       Deutschland, dem vermeintlichen Recycling-         welches es einzuhalten gilt, um das 1,5°C-Ziel zu
     5,4 kg pro Jahr, wobei diese zu 26 % aus Makro-     Weltmeister, gingen 2017 von 5,2 Millionen Ton-    erreichen30 und würde der notwendigen Dekar-
     und 74 % aus Mikroplastik bestehen.16 Durch die     nen gesammelter Kunststoffabfälle (Post-Consu-     bonisierung der Weltwirtschaft, gemäß der Pari-
     Langlebigkeit von Kunststoffen,17 die steigen-      mer-Abfälle) 3,15 Millionen Tonnen (61 %) direkt   ser Klimaschutzziele, entgegenwirken.

02
Wege aus der Plastikkrise I Einleitung

Zwar können fossile Rohstoffe in der Kunststoff-     Meer oder in der Landschaft, sind sie dort ähn-
produktion in gewissem Grad durch nachwach-          lich langlebig wie konventionelle Kunststoffe
sende Rohstoffe ersetzt werden, jedoch weisen        und können erheblichen Schaden anrichten be-
diese bei der Betrachtung aller Umweltfolgen in      vor sie vollständig abgebaut sind.38
der Regel keinen Vorteil auf. Statt einer tatsäch-
lichen Lösung wird die Problematik verlagert.
Denn auch für die Produktion und die Verarbei-       10   Geyer et al. 2017
                                                     11   Geyer in press in: Caterbow & Speranskaya 2019
tung von Rohstoffpflanzen, wie beispielsweise        12   Plastics Europe 2018
Mais, werden große Mengen an Ressourcen31            13   Jambeck et al. 2015
und fossile Energieträgern verbraucht.32 Neben-      14   Nizetto et al. 2016; Weithmann et al. 2018
effekte ihres überwiegend konventionellen An-        15   Nizetto et al. 2016
                                                     16   Bertling et al. 2018
baus sind zudem Naturraumbeanspruchungen,
                                                     17   Z.B.: Barnes et al. 2009
Eutrophierung, Boden- und Gewässerversaue-           18   Jambeck et al. 2015; Geyer et al. 2017
rung sowie Biodiversitätsverlust.33 Bei zuneh-       19   Wright & Kelly 2017
mender Substitution von konventionellen Kunst-       20   CIEL et al. 2019
stoffen durch Kunststoffe aus nachwachsenden         21   Plastics Europe 2018
                                                     22   Conversio 2018
Rohstoffen, ist zudem eine Verstärkung der Kon-
                                                     23   Ibid.
kurrenz um die Nutzung von Flächen, bspw. zur        24   Ibid.
Nahrungs- und Futtermittelproduktion, abzuse-        25   Arkin 2019
hen.34                                               26   CIEL et al. 2019
                                                     27   WEF 2016
                                                     28   CIEL et al. 2019
Auch die als biologisch abbaubar ausgewiese-
                                                     29   Ibid.
nen Kunststoffe bieten kaum Vorteile gegen-          30   Ibid.
über nicht abbaubaren Kunststoffen. Sie liefern      31   IfBB 2018
in der Kompostierung keine signifikanten Men-        32   CIEL et al. 2019
gen wertvoller Bodenbestandteile und leisten         33   UBA 2012
                                                     34   UBA & BMU 2007; Colwill et al. 2012
bei der Vergärung nur einen geringen Beitrag
                                                     35   BUND 2011; UBA 2012; DUH 2018; UBA 2018; Lauwigi 2019
zur Erzeugung von Biogas.35 Sie werden in Kom-       36   BUND 2011; DUH 2018; UBA 2019
postier- und Vergärungsanlagen nur schlecht          37   BUND 2011
zersetzt und demzufolge häufig schon im Vor-         38   Napper & Thompson 2019
feld heraus sortiert und verbrannt.36 Durch feh-
lende Unterscheidbarkeit werden sie außerdem
leicht als herkömmlicher Kunststoff entsorgt und
können die Qualität, der im Recycling erzeugten
Sekundärrohstoffe, beeinträchtigen.37 Landen
die als biologisch abbaubar oder kompostierbar
gekennzeichnet und beworbenen Kunststoffe im

                                                                                                                  03
Lebenszyklus übergreifende
     Forderungen

           Kunststoffverbrauch eindämmen

           Hersteller- und Inverkehrbringer haften für
           Schäden

           Aufklärung, Transparenz und
           Informationsvermittlung

           Weltweites Abkommen gegen die
           Kunststoff-Flut

04
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
                                                        legend verändert werden, um die daraus resul-        deren Materials substituiert werden. Umwelt-
                Kunststoff-Verbrauch                    tierenden Gefahren für Gesundheit, Umwelt und        und Klimaschutz beginnen mit der Vermeidung
  1             eindämmen
                                                        Klima einzudämmen. Zur Bewältigung der Kunst-
                                                        stoffproblematik fordern wir deshalb von der
                                                                                                             von unnötigen Einwegprodukten und -verpa-
                                                                                                             ckungen bei Produktion und Handel. Denn auch
                                                        Bundesregierung, alle notwendigen politischen        Materialien wie Papier oder Aluminium sind in
                                                        und gesetzlichen Schritte zur absoluten Reduk-       ihrer Ökobilanz problematisch. Nachhaltigere
                                                        tion von Produktion, Konsum und Emission al-         und ressourcenschonendere Lösungen müssen
Absolute Reduktion von Produktion,                      ler synthetischen Kunststoffe zu unternehmen.        zur Einhaltung der planetaren Grenzen verfolgt
Konsum und Emission aller syntheti-                     Nur wenn Kunststoffe konsequent vermieden            werden. Hierzu muss ein gesellschaftlicher Wan-
schen Kunststoffe, ohne Ausnahmen für                   werden, können die aus der Kunststoffproduk-         del erfolgen, weg von der Wegwerf- hin zu einer
                                                        tion, -nutzung und -entsorgung resultierenden        Zero Waste-Kultur (siehe auch Forderung 3). Die
biobasierte sowie als biologisch abbau-
                                                        Gesundheitsrisiken gemäß dem Vorsorgeprin-           fünfstufige Europäische Abfallhierarchie, an de-
bar gekennzeichnete Kunststoffe und                     zip minimiert, die massive Verschmutzung und         ren höchster Stufe die Vermeidung steht,41 muss
ohne Substitution durch Einwegproduk-                   Zerstörung der Lebensräume an Land und im            konsequent umgesetzt werden (siehe auch For-
te anderen Materials.                                   Wasser gestoppt, die Verschwendung wertvoller        derung 13). Dafür ist die gesetzliche Festlegung
                                                        Ressourcen verhindert und das Klima geschützt        und konsequente Einhaltung von Reduktions-
                                                        werden.                                              und Wiederververwendungszielen für Verpa-
Die Kunststoffproduktion boomt. Von 1950 bis                                                                 ckungen erforderlich sowie der Ausbau und die
2015 wurden weltweit mehr als 8,3 Milliarden            Es gilt hierbei, keine Ausnahme für biobasierte      Förderung von Mehrwegsystemen (siehe auch
Tonnen Kunststoff produziert.39 Bis 2017 waren          sowie als biologisch abbaubar gekennzeich-           Forderung 2, Forderung 11 und Forderung 13).
es schon 9,2 Milliarden Tonnen.40 Das ist mehr          nete Kunststoffe zu machen, da sie in Punkto         Auch sollte eine Ressourcensteuer oder zweck-
als eine Tonne Plastik pro derzeit auf der Erde le-     Ressourcen-, Klima- und Umweltschonung keine         gebundene Abgabe auf besonders umwelt-
bendem Menschen. Immer offensichtlicher wer-            wesentlichen Vorteile gegenüber konventionel-        schädliche Einwegartikel festgelegt werden und
den die Gefahren für Gesundheit, Umwelt und             len Kunststoffen haben. Die durch den Begriff        umgekehrt abfallarme Mehrwegverpackungen
Klima, welche Kunststoffe entlang ihres gesam-          „bio“ suggerierte vermeintliche Umweltfreund-        steuerlich begünstigt werden (siehe auch Forde-
ten Lebenszyklus verursachen. Sie reichen von           lichkeit von „Bioplastik“ ist irreführend und kann   rung 5 und Forderung 13).
Gesundheits- und Umweltrisiken durch den Ein-           die verschwenderische Nutzung und das ver-
satz problematischer Chemikalien bei der Her-           mehrte unkontrollierte Wegwerfen (sogenanntes
stellung und Verarbeitung, über den massiven            „Littering“), von Kunststoffen befördern (siehe
Eintrag in die Umwelt und die damit einherge-           auch Forderung 3). Abfallvermeidung und ein
hende tödliche Gefahr für viele Lebewesen, bis          Verzicht auf kurzlebige Kunststoffprodukte und
hin zur Verschärfung der Klimakrise durch den           Einwegkunststoffe, egal ob „bio“ oder konven-
massiven Ausstoß von klimaschädlichen Treib-            tionell, muss oberste Priorität haben (siehe auch
hausgasen bei der Produktion und Entsorgung.            Forderung 11 und Forderung 13).

Derzeitige Produktions-, Nutzungs- und Entsor-          Kurzlebige Kunststoffverpackungen und -pro-
gungsmuster von Kunststoffen müssen grund-              dukte dürfen nicht durch Einwegprodukte an-

                                                                                                                                                                05
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
                                                           das Ausmaß der Kunststoffproblematik zu be-         men gewährleisten. Außerdem bedeutet sie die
                    Hersteller und                         wältigen und um eine ausreichende Sicherheit        Entwicklung von langlebigen und reparaturfä-

        2           Inverkehrbringer                       für Investitionen in alternative und auf Wieder-
                                                           verwendung ausgelegte Systeme zu schaffen.
                                                                                                               higen Produkten, die auf hochwertiges, saube-
                                                                                                               res Recycling ausgelegt sind, für die Produktion
                    haften für Schaden                     Damit die Richtlinie wirksam wird, muss die Um-
                                                                                                               neuer hochwertiger und sicherer Produkte, ohne
                                                                                                               den Eintrag chemischer Kontaminanten (siehe
                                                           setzung auf nationaler Ebene erfolgen und           auch Forderung 6).

     Durchsetzung des Verursacherprinzips (pol-            1. ein klares verbindliches Ziel für die Reduzie-   Um das Ende des linearen Wegwerf-Geschäfts-
     luter pays principle) entlang der kompletten             rung an der Quelle haben, wobei                  modells und eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft
     Wertschöpfungskette durch Einführung und              2. die Reduktion durch verbindliche 		              zu erreichen, muss das Vorsorgeprinzip sowohl
     Umsetzung einer ambitionierteren erweiter-                   EPR unter stützt werden muss – sowohl        für das Recycling als auch bei der Verwen-
     ten Herstellerverantwortung (EPR) für alle               durch einen finanziellen Beitrag zur Errei-      dung von biobasierten Ersatzstoffen strikt
     Kunststoffprodukte und -verpackungen.                    chung von Reduktions- und Wiederverwen-          angewendet werden. Vor der Vermarktung
                                                              dungszielen als auch durch die Transparenz       muss der Produzent durch entsprechende Daten
     In der EU-Richtlinie zu Einwegplastik werden der         des Unternehmens.                                belegen, dass von dem Produkt weder bei der
     erweiterten Herstellerverantwortung (EPR – Ex-                                                            Herstellung noch während und nach Ende der
     tended Producer Responsibility) Artikel hinzuge-      Eine ernst zu nehmende Herstellerverantwortung      Nutzung irgendeine Gefährdung für Umwelt und
     fügt, die sich mit Reinigungskosten und Kosten        gemäß dem Verursacherprinzip, die auch die          Gesundheit ausgeht. Es gilt hier das Prinzip der
     für die Sensibilisierung von Verbraucher*innen42      Inverkehrbringer einschließt, bedeutet die kon-     Umkehr der Beweislast.
     befassen. So werden bis Ende 2024 Kostenbei-          sequente Internalisierung der Gesundheits-,
     träge von Herstellern gewisser Einwegkunst-           Klima- und Umweltkosten von Kunststoffpro-          Zur EPR gehört die Transparenz über den ge-
     stoffartikel gefordert, für die Sammlung, die Be-     dukten und muss den vollen Lebenszyklus ab-         samten Lebenszyklus (siehe auch Forderung
     förderung und die Behandlung dieser Abfälle           decken. EPR beinhaltet, dass Hersteller und In-     3). Die Rückverfolgung bis zum Rohstoffprodu-
     sowie für Reinigungsaktionen und für Sensibili-       verkehrbringer eine Verantwortung tragen, nicht     zenten muss gewährleistet und öffentlich nach-
     sierungsmaßnahmen.43 Einbezogen werden hier           nur für die Entsorgung ihrer Produkte, sondern      vollziehbar sein. Transparenz in der Lieferkette
     Hersteller von bestimmten Lebensmittelverpa-          auch für Präventionsmaßnahmen und -ziele zur        beinhaltet die Datenerhebung, die Datenver-
     ckungen (z.B. für Fast Food und Take-away-Ge-         Vermeidung von Abfällen. EPR beinhaltet auch        arbeitung und Datenveröffentlichung über Pro-
     richte), Getränkebehältern unter 3 Liter, Ballons,    die Übernahme von Reinigungskosten, sowohl          duktion, Verteilung und Abfallerzeugung für alle
     Feuchttüchern, Tabakprodukten (hier ist die Frist     an Land, als auch für Meere und Oberflächen-        Kunststoffprodukte. Die Hersteller und Inver-
     bereits Anfang 2023), leichten Kunststofftrageta-     gewässer (siehe auch Forderungen 8 und Forde-       kehrbringer müssen dem Right-to-Know-Prinzip
     schen usw.44                                          rungen 10). Zur EPR gehören das Design und die      folgend alle Maßnahmen zur Verhinderung bzw.
                                                           Erstellung von Vertriebssystemen, die an die lo-    Reduzierung der Umweltverschmutzung an der
     Die EU-Richtlinie ist ein erster Schritt zur Schaf-   kalen Gegebenheiten angepasst sind und ohne         Quelle offenlegen, ebenso alle Bemühungen zur
     fung eines umfassenden Rahmens für die Her-           die Nutzung von Wegwerfplastik auskommen            Einführung von Wiederverwendungssystemen
     stellerverantwortung in der Abfallwirtschaft. Sie     (siehe auch Forderung 11). Sie muss die Förde-      und zum Recycling, einschließlich der Informati-
     ist aber nicht klar und ambitioniert genug, um        rung von Wiederverwendungs- und Pfandsyste-         onen über gefährliche Stoffe in den Materialien.

06
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend

Unter gefährliche Stoffe fallen alle Substanzen,
die gefährliche Eigenschaften aufweisen und die
menschliche Gesundheit oder die Umwelt ge-
fährden können.45 Zur Orientierung, wie diese
Chemikalien identifiziert werden können, dient
das Greenpeace-Detox-Commitment.46 Die Auf-
stellung und regelmäßige Überprüfung einer
entsprechenden Liste mit Substanzen mit ge-
fährlichen Eigenschaften, ist hierbei erforderlich.
Beispiele für solche Listen finden sich in den De-
tox-Commitments47 oder in umfassenden Listen
wie die SIN-List von Chemsec.48

                                                        07
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
                                                          im Vergleich zu Mehrwegprodukten für Umwelt          gung im Biomüll oder auf dem Heimkompost
                    Aufklärung, Transpa-                  und Klima, welche den gesamten Lebenszyklus          geeignet sind.56 Gleiches gilt für andere Pro-

       3            renz und Informa-                     berücksichtigt sowie die Problematik der Subs-
                                                          titution von Einwegprodukten eines Materials
                                                                                                               dukte wie “kompostierbare” Bio-Kaffeekapseln.
                                                                                                               Die uneindeutige Nutzung des Begriffs „bio“
                    tionsvermittlung                      durch Einwegprodukte eines anderen Materials.        verhindert zudem, dass bei Produkten und Ver-
                                                                                                               packungen biobasierte von biologisch abbauba-
                                                          Ein Dschungel von Labels und Kennzeichnungen         ren Kunststoffen unterschieden werden können.
     Bewusstseinsbildung, Aufklärung und trans-           führt zu Verwirrungen in der Bevölkerung und er-     Problematisch ist insbesondere aber auch der
     parente Informationsvermittlung entlang des          schwert es, die ökologischen Folgen einzelner        Begriff „Bioplastik“ an sich, da er eine nicht vor-
     gesamten Lebenszyklus zu den von Kunst-              Produkte und ihrer Alternativen abzuwägen. Pa-       handene Umweltfreundlichkeit suggeriert (siehe
     stoffen und ihren Inhaltsstoffen ausgehenden         piertüten genießen bspw. weiterhin ein besse-        auch Forderung 1).
     Gefahren für Mensch, Umwelt und Klima so-            res ökologisches Image gegenüber Plastiktüten,
     wie zu Strategien, um diese Gefahren abzu-           wobei sie gesamtökologisch keinen generellen         Handlungsbedarf gibt es außerdem im Hinblick
     wenden.                                              Vorteil aufweisen.54 In einem harten Kontrast zur    auf die Entsorgung von Plastikprodukten. Die
                                                          einseitigen Informationsflut und der Menge an        Komplexität kommunaler Abfallmanagement-
     Deutschland ist europäischer Negativ-Spitzen-        existierenden Alternativen zu Kunststoffproduk-      systeme benötigt zusätzliche Aufklärung der Be-
     reiter beim Plastikkonsum.49 In der Bevölkerung      ten steht zudem das Schweigen über die Schad-        völkerung, damit die Haushalte optimal zum Ab-
     nimmt die öffentliche Aufmerksamkeit und das         stoffe, die in Kunststoffen enthalten sein können    fallmanagementsystem beitragen können.
     Bewusstsein für die Plastikproblematik zu. 96 %      und eine Gefahr für die menschliche Gesundheit
     der deutschen Bevölkerung sieht Plastikmüll als      und Umwelt darstellen (siehe auch Forderung 15       Wir fordern deshalb von der Bundesregierung
     größte Gefahr für die Meere.50 Die Sorge der Be-     und Forderung 7). Eine vollständige Deklaration      die Einführung einer Deklarationspflicht für
     völkerung um Mikroplastik in Lebensmitteln ist       der in Kunststoffprodukten und -verpackungen         alle Kunststoffprodukte für Verbraucher*in-
     mittlerweile auf 56 % gestiegen.51 Gleicherma-       enthaltenen und bei der Verarbeitung eingesetz-      nen über einfache, schnell erfassbare Labels,
     ßen steigt der Wunsch der Verbraucher*innen,         ten Stoffe gibt es nicht.                            die möglichst in bisher bestehende Labels integ-
     ihren Plastikkonsum zu reduzieren. Die meisten                                                            riert werden (z.B. den Blauen Engel) und folgen-
     Deutschen wünschen sich weniger Kunststof-           Klare und unabhängige Kennzeichnungen und            de Punkte verdeutlichen:
     fe in ihrem Leben.52 Repräsentative Umfragen         Begrifflichkeiten sind notwendig, um Konsum-
     zeigen z.B., dass ein Großteil der deutschen         entscheidungen auf der Basis von gesundheit-         •   den ökologischen Fußabdruck der Pro-
     Bevölkerung weniger Plastikverpackungen bei          lichen und ökologischen Gesichtspunkten zu               dukte (entlang des gesamten Lebenszyklus
     Lebensmitteln begrüßen würde.53 Jedoch sind          erleichtern und die Irreführung von Verbrau-             des Produktes, inkl. der potentiellen Entsor-
     Plastikprodukte allgegenwärtig und in unserer        cher*innen zu verhindern. Nach wie vor kann              gungsrisiken)
     Konsumkultur eingeübte Gewohnheiten und              nur schwer zwischen Einweg- und Mehrwegge-
                                                                                                               •   eine potentielle gesundheitliche Gefahr
     Nutzungsmuster im Umgang mit Plastik er-             tränkeflaschen unterschieden werden.55 Zudem
                                                                                                                   unter Berücksichtigung aller Zusatzstoffe,
     schweren eine mögliche Reduktion im Alltag.          tragen Kennzeichnungen wie „kompostierbar“
                                                                                                                   mit besonders eindeutigen Kennzeichnun-
     Gleichzeitig fehlt es an differenzierter und ganz-   für Bioplastik-Tüten für Bioabfälle zur Verwirrung
                                                                                                                   gen für besonders gefährdete Gruppen, wie
     heitlicher Aufklärung über die Auswirkungen der      bei, da sie in Kompostierungsanlagen meist nicht
                                                                                                                   Schwangere und Kinder
     massenhaften Nutzung von Wegwerfprodukten            abgebaut werden und auch nicht für die Entsor-

08
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
•   die vorgesehene Nutzung sowie mögliche                  Weiternutzung/Aufarbeitung) sichergestellt       Einwegkunststoffprodukten durch Einwegpro-
    Risiken durch eine falsche Nutzung (Bsp.                werden kann (siehe auch Forderung 6, For-        dukte anderen Materials entgegenzuwirken, ist
    feuchtes Toilettenpapier aus Kunststofffa-              derung 7 und Forderung 15)                       es wesentlich, klar und einfach über mögliche
    sern – sollte nicht über die Toilette entsorgt                                                           Verhaltensalternativen und Mehrwegsysteme
                                                        •   die Gewährleistung von Transparenz in der
    werden)                                                                                                  aufzuklären. Deshalb fordern wir von der Bun-
                                                            Herstellerkette, damit zu jedem Zeitpunkt
                                                                                                             desregierung weiterhin:
•   eine klare Kennzeichnung für die sachge-                ermittelbar ist, welche Stoffe im Produkt ent-
    rechte Entsorgung (welche Tonne) und wie                halten sind und welche Risiken für Mensch        •   eine klare Kennzeichnung von Einweg- und
    Verpackungen zu trennen sind                            und Umwelt bestehen (siehe auch Forderung            Mehrwegprodukten und -verpackungen,
                                                            6, Forderung 7 und Forderung 15)                     jeweils auf dem Produkt/der Verpackung
Zum Schutz von Verbraucher*innen, Abbau von
                                                        •   die Aufklärung der Verbraucher*innen             •   breit angelegte Informations- und Aufklä-
Unsicherheiten und als Grundlage für fundierte
                                                            über die Stoffe, die in oder auf Kunststoff-         rungskampagnen über praktikable Mehr-
Konsumentscheidungen, muss die Information
                                                            produkten und -verpackungen enthalten                weglösungen und existierende Mehrweg-
über Schadstoffe in Plastik, die Gesundheit und
                                                            sind, bzw. sein können, und ihre Folgen für          systeme, die Änderung von unökologischen
Umwelt belasten, stärker in den Fokus gerückt
                                                            die menschliche Gesundheit und Umwelt                Gewohnheiten sowie zum Thema „Zero
werden. Diese sollten Verbraucher*innen bspw.
                                                                                                                 Waste“
in einer über das Einscannen des Barcodes er-           •   die Information über die negative Wirkung
reichbaren digitalen Anwendung zur Verfügung                von hormonell wirksamen Zusatzstoffen            •   auf Länderebene auf die Verankerung des
gestellt, in Webshops ausgewiesen sowie in ana-             (endocrine disruptive chemicals=EDC) und             Themas „Umgang mit Ressourcen“ und
logen Hinweistabellen an den Regalen in Ge-                 die Listung von verdächtigten EDC-Kan-               „bewusster Konsum“ in den schulischen
schäften zugänglich gemacht werden. Zudem                   didaten                                              Lehrplänen und der beruflichen Aus- und
muss verstärkt über die Belastung von Umwelt-                                                                    Weiterbildung hinzuwirken
                                                        •   die Aufklärung über das Vorkommen und
und Klima durch den gegenwärtigen Kunststoff-               die Entstehung von Mikroplastik (z.B.            Zur Vermeidung von Littering und einer unsach-
verbrauch und insbesondere die massenhaf-                   durch Waschen von synthetischen Textilien,       gemäßen Entsorgung fordern wir von der Bun-
te Einwegproduktnutzung, informiert werden.                 Reifenabrieb, Kunstrasenplätze und Frag-         desregierung zudem:
Deshalb fordern wir von der Bundesregierung                 mentierung von in die Umwelt gelangtem
außerdem:                                                                                                    •   die Bereitstellung leicht verständlicher In-
                                                            Plastikmüll) sowie die davon ausgehenden
                                                                                                                 formationen hinsichtlich korrekter Abfall-
                                                            Gesundheits- und Umweltrisiken und Mög-
•   die vollständige Deklaration der in                                                                          entsorgung und der Rückgabe nicht mehr
                                                            lichkeiten der Vermeidung
    Kunststoffprodukten und -verpackun-                                                                          benötigter Gebrauchsgüter
    gen enthaltenen und bei der Produktion              •   die Aufklärung über das Vorsorgeprinzip
                                                                                                             •   eine ausreichende Bereitstellung von kos-
    eingesetzten Stoffe, wobei die Deklara-                 und die erweiterte Herstellerverantwor-
                                                                                                                 tenlosen Entsorgungs- und Rückgabe-
    tionspflicht entlang der gesamten Lieferket-            tung
                                                                                                                 möglichkeiten und -strukturen für Konsu-
    te gelten muss, damit eine sichere Handha-                                                                   ment*innen
    bung und Verarbeitung von Plastikprodukten          Um das große Potential für Plastikreduktion
    in allen Prozessen der Wertschöpfungskette          durch das Verhalten von Verbraucher*innen zu         •   die Gewährleistung des Vollzugs der ord-
    (Arbeitsschutz, Produktsicherheit, Nutzung,         nutzen und nachhaltige Verhaltensmuster zu               nungsrechtlichen Maßnahmen zur Ahn-
                                                        fördern und insbesondere der Substitution von            dung von Littering oder „wilder“ Entsorgung

                                                                                                                                                                09
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
                                                         bindlichen internationalen Regelungen. Es wird       und Kreislaufwirtschaftsansatzes von den Ver-
                   Weltweites                            zunehmend klarer, dass das Problem nicht auf         tragspartnern abfordern.

       4           Abkommen gegen
                                                         nationaler oder regionaler Ebene allein gelöst
                                                         werden kann. Freiwillige Initiativen, Selbstver-     Es bedarf einer völkerrechtlich verbindlichen Ver-
                                                         pflichtungen und Maßnahmen einzelner Staaten         einbarung, welche folgende Aspekte beinhaltet:
                   die Kunststoffflut                    oder der Wirtschaft sind zwar begrüßenswert,
                                                         haben aber bisher weder dazu geführt, dass der       •   klare Reduktionsziele gemäß eines Aktions-
     Die Bundesregierung muss sich proaktiv für          weltweit boomende Plastikkonsum sinkt, noch              plans für die Produktion von Kunststoffen
     ein völkerrechtlich verbindliches globales          verhindern können, dass immer größerer Men-              und für den Kunststoffeintrag in die Umwelt
     gesetzliches Rahmenwerk zur Lösung der              gen von Kunststoffabfällen in die Umwelt ge-             („plastic pollution reduction plan“)
     Kunststoffproblematik entlang des gesamten          langen. Was daher auf globaler Ebene dringend
                                                                                                              •   Zielwerte für nationale Wiederverwendungs-
     Lebenszyklus von Plastik einsetzen und die          benötigt wird, ist ein rechtsverbindliches, inter-
                                                                                                                  und Recyclingquoten sowie für den Einsatz
     Erreichung international formulierter Ziele         nationales Abkommen, das weltweit Staaten auf
                                                                                                                  von Kunststoffrezyklaten
     unterstützen.                                       das gemeinsame Ziel verpflichtet, die von Kunst-
                                                         stoffen ausgehenden Gesundheitsrisiken einzu-        •   Nationale Aktionspläne („plastic pollution
     Die Kunststoffproblematik ist global. Einweg-       dämmen, die negativen Auswirkungen auf das               reduction plans“) zur Erreichung der Ab-
     produkte aus Kunststoff sind zum Symbol des         Klima und die Biodiversität zu minimieren und            kommensziele
     modernen Lebens geworden und genießen, als          den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt zu        •   nationale Berichtspflichten sowie Complian-
     Lifestyle-Produkte, weltweit immer mehr Bedeu-      stoppen.57                                               ce-Mechanismen
     tung. Überall sind Menschen, teils an gefährli-
     chen Arbeitsplätzen, in der Produktion und Ver-     Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf,         •   Fördermechanismen, die einen Finanzme-
     arbeitung von Kunststoffen für den Weltmarkt        sich proaktiv für ein globales, völkerrechtlich          chanismus, technischen Support und wissen-
     beschäftigt. Auch Kunststoffabfälle werden          verbindliches und ganzheitliches Rahmen-                 schaftlichen Beratungsgremium beinhalten
     weltweit gehandelt. In die Umwelt freigesetzte      abkommen zur Lösung der Kunststoffprob-              •   Verpflichtung der wirtschaftlich stärkeren
     Kunststoffe werden mit Meeresströmungen und         lematik einzusetzen und darauf in den bereits            Vertragsländer zur Unterstützung schwäche-
     Wind in jeden Winkel der Erde transportiert, mit    existierenden Gremien und Arbeitsgruppen hin-            rer Länder mit nachhaltiger und planbarer
     negativen Folgen für die biologische Vielfalt.      zuwirken.58 Ein solches Abkommen sollte sich             finanzieller und technischer Unterstützung
     Treibhausgase aus Produktion und Entsorgung         auf die negativen Auswirkungen von Kunststof-            bei der Entwicklung von Lösungsansätzen
     reichern sich überdies zunehmend in der Atmo-       fen entlang der gesamten Wertschöpfungskette,            und der Zielerreichung, im Sinne einer „just
     sphäre an und tragen zur globalen Klimaerwär-       von der Rohstoffgewinnung bis zum Umgang mit             transition“
     mung bei.                                           Kunststoffabfällen, beziehen und dabei nicht nur
                                                         die sichtbaren Probleme angehen (Müllberge,          •   Entwicklung von internationalen Standards
     Die bisher bestehenden internationalen Verein-      Verschmutzung von Meeren und Küsten mit Ab-              für sichere chemische Inhaltsstoffe, um si-
     barungen zur Kunststoffproblematik sind höchst      fällen), sondern auch Restriktionen, ein Verbot          chere Recyclingpraktiken und eine sichere
     fragmentiert und ineffektiv. Gegen den landseiti-   von gesundheits-, klima- und umweltgefährden-            Kreislaufwirtschaft zu garantieren
     gen Eintrag in internationale Gewässer, zum Bei-    den Schadstoffen in Kunststoffen umfassen und        •   Erweiterung der Produzentenverantwortung
     spiel über die Flüsse, greifen bisher keine ver-    systemische Lösungen im Sinne eines Abfall-              (EPR) bei Herstellung und Inverkehrbringen

10
Wege aus der Plastikkrise I Lebenszyklus übergreifend
       von Kunststoffen, sodass international Mehr-
       weg- und Pfandsysteme und die Systeme
       der Abfall- und Kreislaufwirtschaft gestärkt
       werden
•      Unterbindung des Abfallexports in Län d e r
       ohne hochwertiges Recycling durch Koor-
       dinierung aller internationalen Aufgaben in
       bestehenden plastikrelevanten multilatera-
       len Umweltabkommen („MEAs“=Multila-
       teral Environmental Agreements)
•      auf Nachhaltigkeit und Transparenz aus-
       gerichtete Lieferketten gemäß der Agenda
       2030 zur nachhaltigen Entwicklung

39   Geyer et al. 2017                                                          50   BMU 2017
40   Geyer in press in: Caterbow & Speranskaya 2019                             51   BfR 2018
41   Abfallrahmenrichtlinie 2008                                                52   BMBF 2017
42   Die detaillierte Auflistung der Sensibilisierungsmaßnahmen findet          53   vzbv 2019
     sich in Artikel 10 der EU-Einwegkunststoffrichtlinie 2019. Sensibilisie-   54   Bisinella et al. 2018
     rungsmaßnahmen umfassen hierbei insbesondere die Information               55   AK Mehrweg GbR 2018
     über wiederverwendbare Alternativen, Wiederverwendungssysteme              56   UBA 2019
     und Abfallbewirtschaftungssysteme sowie die Auswirkungen von               57   Heinrich-Böll-Stiftung 2019
     „Littering“ und unsachgemäßer Entsorgung auf die Umwelt und                58   Deutscher Bundestag 2018
     Kanalisation.
43   Ibid., Artikel 8
44   Ibid., Anhang Teil E
45   Die Definition von Substanzen mit gefährlichen Eigenschaften umfasst
     alle Schadstoffe, die intrinsisch gefährliche Eigenschaften aufweisen:
     persistent, bioakkumulierend und toxisch („PBT“ = persistent, bio-
     accumulative and toxic); sehr persistent und sehr bioakkumulierend
     („vPvB“ = very persistent and very bioaccumulative); krebserzeugend,
     erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend („CMR“ = carcinogenic,
     mutagenic and toxic for reproduction); hormonell wirksame Subs-
     tanzen („ED“ = endocrine disruptors); sonstige ähnlich besorgnis-
     erregende Eigenschaften (nicht bloß solche, die in anderen Regionen
     reguliert oder beschränkt wurden). Begriffsdefinitionen siehe Glossar.
46   Greenpeace 2018
47   Z.B. Tchibo Greenpeace Detox Commitment 2014
48   ChemSec 2019
49   Plastics Europe 2018

                                                                                                                   11
Forderungen zur
     Produktherstellung

           Einweg stoppen

           Nachhaltiges Produktdesign

           Produktherstellung ohne Schadstoffe

           Primäres Mikroplastik verbieten

12
Wege aus der Plastikkrise I Produktherstellung
                                                        breitere Anzahl an Produkten. Vor allem Einweg-        von Abfallvermeidungsmaßnahmen verwendet
                                                        verpackungen sollten hierbei noch viel stärker in      werden können und nicht dem Handel zur Fi-
                 Einweg
   5             stoppen
                                                        den Fokus gerückt werden. Laut der Richtlinie
                                                        können Mitgliedsstaaten selbst entscheiden, wie
                                                                                                               nanzierung neuer Werbeträger zur Verfügung
                                                                                                               stehen. Umgekehrt sollten abfallarme Mehr-
                                                        sie eine ambitionierte und nachhaltige Redukti-        wegverpackungen steuerlich begünstigt und
                                                        on von Kunststoff-Einwegbechern und anderen            gefördert werden, beispielsweise durch einen
                                                        Lebensmittelverpackungen zum sofortigen Kon-           niedrigeren Mehrwertsteuersatz, sowie verbind-
Drastische Reduktion der Herstellung und                sum (to go/to stay) umsetzen. Ein Verbot auf na-       liche Mehrwegquoten gesetzlich festgelegt
des Inverkehrbringens von Einwegprodukten               tionaler Ebene ist hierbei ausdrücklich erlaubt        und konsequent umgesetzt werden (siehe
(Kunststoffe und andere Materialien) durch              und sollte dementsprechend von Deutschland             auch Forderung 11). Konkrete Reduktionsziele
einen wirksamen Instrumentenmix gemäß                   umgesetzt werden. Dass dies möglich ist, zeigt         für Einwegprodukte und –verpackungen müs-
eines terminierten Aktionsplans.                        das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Plas-        sen vom Gesetzgeber vorgegeben werden (sie-
                                                        tiktütenverbot. Auch die Vermarktung anderer           he auch Forderung 13).
Vor allem Einwegverpackungen und andere                 Einwegprodukte und -verpackungen sollte
Wegwerfartikel verschwenden bei ihrer Produk-           beschränkt werden, um die europäische Ab-              Zur Einhaltung der europäischen Abfallhierar-
tion wertvolle Ressourcen und verschmutzen              fallhierarchie konsequent umzusetzen, an deren         chie und zur Schonung von Ressourcen und Kli-
durch unsachgemäße Entsorgung Landschaft                oberster Stufe die Vermeidung steht.62                 ma ist es essentiell, die oben genannten Maß-
und Ozeane. Allein in Deutschland stieg der                                                                    nahmen nicht nur auf Einwegprodukte aus
Verbrauch von Einwegbechern für Getränke                Um den Verbrauch umweltschädlicher Einweg-             Kunststoff zu beschränken. Die massiven Um-
von 1994 bis 2017 um 102 % und der Verbrauch            artikel kurzfristig und effektiv zu reduzieren, sind   weltprobleme, die Kunststoffabfälle im marinen
von Einwegtellern, Schalen und Boxen um 173             neben der Umsetzung einer verbindlichen EPR            Ökosystem verursachen, sind erschütternd und
% an.59 Inzwischen werden 63 % des Obsts und            (siehe auch Forderung 2), weitere finanzielle          erfordern ein sofortiges Handeln. Es darf jedoch
Gemüses in Kunststoff und Pappe verpackt.60 An          Lenkungsinstrumente notwendig. Die Bundes-             nicht vergessen werden, dass die Grundursache
europäischen Stränden werden besonders häu-             regierung sollte deshalb eine Ressourcensteu-          nicht dem Kunststoff als solchem zuzuschreiben
fig Plastiktüten, PET-Flaschen, Luftballons, Stroh-     er einführen (siehe auch Forderung 14) oder            ist, sondern in unserer Wegwerf- und Konsum-
halme, Plastikgeschirr und -besteck, Wattestäb-         zweckgebundene Abgaben auf besonders                   gesellschaft liegt. Durch ein Ausweichen auf Ein-
chen und Zigarettenkippen gefunden. 61                  umweltschädliche Einwegartikel festlegen.              wegprodukte aus anderen Materialien würden
                                                        Die schnelle und durchschlagende Wirkung fi-           deshalb Umweltprobleme lediglich verlagert
Die im Mai 2019 vom EU-Rat beschlossene Ein-            nanzieller Anreize zeigt das Beispiel Irlands, wo      und die Abfallberge nicht kleiner. So werden bei-
wegplastikrichtlinie ist ein wichtiger erster Schritt   eine Abgabe von 22 Cent auf Plastiktüten zu            spielsweise zur Papierherstellung enorme Men-
hin zur Reduktion der enormen Abfallmengen              einer Reduktion des Verbrauchs um 96 % führ-           gen an Wasser und Energie aufgewendet64 und
durch Einwegprodukte und -verpackungen aus              te.63 Ein angemessener Betrag für eine Abgabe,         zur Herstellung reißfester Papierverpackungen
Kunststoff. Unter anderem sieht die Richtlinie vor,     beispielsweise auf Plastiktüten, Einwegplastik-        ist der Materialeinsatz wesentlich höher als es
dass bestimmte Einwegprodukte aus Kunststoff            flaschen und Coffee-to-go-Becher liegt bei min-        bei Kunststoff der Fall wäre.65 Auch die häufig als
ab 2021 verboten werden. Diese Liste fällt aller-       destens 20 Cent. Eine solche Abgabe führt im           Alternative angeführten Biokunststoffe haben in
dings zu knapp aus, denn wiederverwendbare              Gegensatz zu freiwilligen Vereinbarungen dazu,         der Regel keinen gesamtökologischen Vorteil
Alternativen gibt es bereits für eine wesentlich        dass die Mittel zweckgebunden zur Finanzierung         gegenüber herkömmlichen Kunststoffen.66

                                                                                                                                                                     13
Wege aus der Plastikkrise I Produktherstellung
                                                          auf Grund ökonomischer Gründe oder des feh-         quoten für darin verbaute Kunststoffe und Tech-
                                                          lenden Nachschubs an fossilen Rohstoffen statt-     nologiemetalle.
                    Nachhaltiges
       6                                                  findet, ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr muss
                                                          die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben für        Darüber hinaus gilt es Mindestquoten für den
                    Produktdesign                         das Produktdesign hinsichtlich Langlebigkeit,       Rezyklat-Einsatz sowie verbindliche Kennzeich-
                                                          Wiederverwendung, Reparaturfähigkeit und            nungspflichten der verwendeten Materialien
                                                          zur Verwendung von kreislauffähigen öko-            einzuführen (siehe auch Forderung 3, Forderung
     Nachhaltiges Produktdesign, das Langlebig-           logisch verträglichen Materialien treffen. Sie      7, Forderung 13 und Forderung 15), um ein op-
     keit, Wiederverwendung, Reparaturfähigkeit           muss auch eine verbindliche und ambitionierte-      timales Recycling oder sichere Verwertung zu
     und Recyclingfähigkeit von Kunststoff-Pro-           re EPR durchsetzen, um nachhaltiges Produkt-        ermöglichen. Dies betrifft insbesondere die Si-
     dukten und -Verpackungen gewährleistet, in           design gegenüber unökologischen Alternativen        cherstellung, dass sämtliche Informationen zu
     relevanten gesetzlichen Regelwerken imple-           zu stärken (siehe auch Forderung 2). Es ist un-     problematischen Stoffen zentral, z.B. in den Ab-
     mentieren.                                           abdingbar, dass die Recyclingfähigkeit in ein-      falldatenbanken, bereitgestellt werden, um zu
                                                          schlägigen rechtlichen Rahmensetzungen ver-         verhindern, dass giftige Stoffe im Kreislauf ge-
     Nachhaltiges Produktdesign ist eine wesent-          ankert wird.                                        halten werden. Eine nachhaltige Kreislaufwirt-
     liche Voraussetzung, um langfristig eine Kunst-                                                          schaft kann es nur dann geben, wenn umwelt-
     stoffwende zu erreichen. Ein Kernelement ist         Eindeutige Vorgaben für das Produktdesign           und gesundheitsschädliche Stoffe nicht mehr in
     hierbei, dass Produkte sämtliche Erfordernisse       müssen sowohl auf nationaler Ebene, beispiels-      den Recyclingkreislauf gelangen. Weil Verbund-
     für eine Kreislauffähigkeit erfüllen. Viele Kunst-   weise in das Verpackungsgesetz, das Elektro-        stoffe und Mehrkomponentenkunststoffe das
     stoffprodukte lassen sich bisher nicht oder nur      und Elektronikgerätegesetz sowie das Kreislauf-     Recycling erschweren ist es erforderlich, dass der
     unter erheblichen Qualitätseinbußen in die           wirtschaftsgesetz, als auch auf europäischer        Einsatz dieser Stoffe durch die Vorgabe von Min-
     Produktionsprozesse zurückführen. Eine opti-         Ebene in die Ökodesign-Richtlinie, Eingang          deststandards zur Recyclingfähigkeit verringert
     male Kreislaufführung mit möglichst qualitativ       finden. Verbindliche Standards zur Recycling-       wird (siehe auch Forderung 13).
     hochwertigen sortenreinen Rezyklaten ist bisher      fähigkeit (vgl. CEN-CLC/TC 10) von Kunststoff-
     die Ausnahme. Ein Grund hierfür ist beispiels-       verpackungen und -produkten müssen durch            Es ist zwingend erforderlich sicherzustellen,
     weise, dass fossile Rohstoffe nach wie vor auf       die Bundesregierung in ihren Rechtssetzungen        dass sämtliche Informationen zu problemati-
     dem Weltmarkt zu kostengünstig sind, somit die       berücksichtigt werden und die Nichteinhaltung       schen Stoffen entlang der Lieferkette doku-
     Nachfrage nach Kunststoff-Rezyklaten stagniert       sanktioniert werden.                                mentiert und deklariert werden (siehe auch
     und auch die Entwicklung von für eine Kreislauf-                                                         Forderung 3). Dies zeigt eindrücklich die Studie
     wirtschaft optimierten Produkten erhält keine        Das Ökodesign muss für Produkte wie Elektro-        „Toxic Soup: Dioxins in Plastic Toys“67 die von
     ausreichend starken Impulse.                         geräte oberste Priorität haben, damit sie wieder-   den europäischen NGOs ARNIKA, IPEN, BUND
                                                          verwendet und repariert werden können. Durch        und HEAL im November 2018 vorgelegt wurde:
     Die notwendige Kunststoffvermeidung in Pro-          ein „Recht auf Reparatur“ soll eine preiswerte      In Produkten aus recycelten Kunststoffabfällen
     duktion und Handel wird nicht alleinig durch         Reparatur und somit die Wiederverwendung von        wurden alarmierend hohe Werte an bromierten
     freiwillige Maßnahmen der Marktteilnehmer er-        Elektrogeräten garantiert werden. Auch braucht      Dioxinen nachgewiesen. Kunststoffprodukte
     reicht werden. Auch, dass ein Verzicht der Nut-      es hier verbindliche Mindeststandards zur Recy-     müssen in Abhängigkeit vom Gehalt gefährli-
     zung von Kunststoffen in absehbarer Zeit, z.B.       clingfähigkeit sowie jeweils getrennte Recycling-   cher Stoffe im Rahmen des europäischen Abfall-

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Wege aus der Plastikkrise I Produktherstellung
artenkatalogs separat erfasst und gezielt einer       on von Stoffströmen klassischer Polymere (siehe
korrekten Verwertung oder Entsorgung zuge-            auch Forderung 3).
führt werden, so dass ein „toxic recycling“ ver-
hindert wird. Grundsätzlich sollte der Einsatz von    Weitere Faktoren die durch eine Optimierung im
gesundheits-, klima- und umweltgefährdenden           Produktdesign in Bezug auf den gesamten Le-
Stoffen in der Herstellung von Kunststoff-Grund-      benszyklus berücksichtigt werden müssen, sind:
stoffen und von Kunststoffprodukten und -ver-
packungen verboten werden (siehe Forderung            •   Absolute Minimierung des Ressourcen-
7 und Forderung 15). Der Einsatz solcher Stof-            einsatzes (Material, Energie, Wasser, Land)
fe sollte durch entsprechendes Produktdesign              – vergleichende Lebenszyklusanalysen (Life
überflüssig sein (siehe auch Forderung 7).                Cycle Assessment bzw. LCAs), Umwelt-Pro-
                                                          duktdeklarationen (Environmental Product
Um zu gewährleisten, dass giftige Stoffe nicht im         Declarations bzw. EPDs), o.Ä.
Kreislauf gehalten werden, ist zudem ein Recyc-       •   Verhindern der Einträge von Kunststof-
lingverbot von Kunststoffen die persistente               fen       in die Umwelt, z.B. die Emissio-
(POP) und/oder besonders besorgniserre-                   nen von Mikroplastik durch die Produktnut-
gende (SVHC) Stoffe enthalten zu fordern. Ent-            zung und Verwitterung (Bsp. Reifenabrieb)
sprechende Produkte müssen separat gesam-             •   Ressourcen einsparen durch Mehrwegko-
melt und einer sicheren Verwertung zugeführt              zepte und Vermeidung von Littering
werden, eine spezifische Kennzeichnung dieser
Produkte könnte hierfür erforderlich sein.

Als biologisch abbaubar gekennzeichnete Kunst-
stoffe stellen ein Problem in den Recyclingpro-
zessen dar. In den existierenden Sammelstruktu-
ren, Sortier- und Verwertungsverfahren besteht
aktuell keine sinnvolle Möglichkeit der stofflichen
Nutzung. Demzufolge tragen diese Materialien
nicht zu einer Kreislaufwirtschaft bei und beför-
dern nicht ein nachhaltiges Produktdesign. Die
aktuellen Strukturen gewährleisten keine sach-
gerechte Verwertung und führen regelmäßig zu
massiven Störungen etablierter Verwertungsver-
fahren, beispielsweise durch lange Verweildauer
in Kompostierungsprozessen oder bei der Bio-
gasgewinnung, fehlende Unterscheidbarkeit von
nicht abbaubaren Kunststoffen und Kontaminati-

                                                                                                        15
Wege aus der Plastikkrise I Produktherstellung

                                                          fen in Kunststoffverpackungen und -produkten        15). Außerdem brauchen wir eine Produktver-
                                                          erschwert zudem den Recycling-Prozess und           antwortung bei Produzenten und Handel
                    Produktherstellung
       7            ohne Schadstoffe
                                                          eine saubere Kreislaufwirtschaft (siehe auch For-
                                                          derung 6).70
                                                                                                              (siehe Forderung 2). Jeder Anbieter muss Ver-
                                                                                                              braucherinformationen über die Inhaltsstoffe
                                                                                                              seiner Produkte, inklusive der Verpackung, zur
                                                          Um Mensch und Umwelt zu schützen und den            Verfügung stellen. Das Prinzip der Umkehr der
                                                          Arbeitsschutz sowie eine sichere Kreislauf-         Beweislast muss auch hier gelten (siehe auch
     Verbot des Einsatzes von gesundheits-, um-           führung zu gewährleisten, muss, analog zum          Forderung 2, Forderung 8 und Forderung 15).
     welt- und klimagefährdenden Schadstoffen             Herstellungsprozess des Grundstoffes (siehe
     bei der Herstellung von Kunststoffverpa-             Forderung 15), auch bei der Herstellung und         Dies dient der sichereren Handhabung entlang
     ckungen und -produkten.                              Verarbeitung von Kunststoffverpackungen             der Produktionskette, dem Arbeitsschutz, dem
                                                          und -produkten der Einsatz von gesundheits-,        Schutz von Verbraucher*innen und einem besse-
     Wie bei der Herstellung von Plastik als Grund-       klima- und umweltgefährdenden Schadstof-            ren und saubereren Recycling sowie der Abfall-
     stoff (siehe Forderung 15), werden auch bei der      fen verboten werden. Das Vorsorgeprinzip ist        handhabung.
     Herstellung und Verarbeitung von Kunststoff-         hier anzuwenden. Gleich hohe Schutzstandards
     produkten häufig zusätzliche Chemikalien zu-         gegenüber EDCs und anderen gefährlichen
     geführt, um bestimmte Produkteigenschaften zu        Stoffen werden benötigt, die in allen Produkti-
     erreichen. Dies sind zum Beispiel Flammschutz-       ons- bzw. Nutzungsphasen gelten. Ein beson-
     mittel in Elektrogeräten oder Polstermöbeln,         deres Augenmerk muss auf dem Schutz von be-
     Duftstoffe bei Puppen oder wasserabweisende          sonders gefährdeten Gruppen wie Schwangeren
     per- und polyfluorierte Chemikalien (PFCs) bei       und Kindern liegen, die in zu hohem Maße ge-
     Outdoor-Bekleidung. Viele dieser Stoffe sind         fährlichen Stoffen in Plastikprodukten ausgesetzt
     persistent, also in der Umwelt schwer abbau-         sind.71 Chemikalien mit hormonell wirksamen
     bar, und gesundheitsschädigend; sie gelten als       und anderen schädigenden Eigenschaften müs-
     krebserregend, fortpflanzungsschädigend, erb-        sen insbesondere in Kunststoffprodukten für Kin-
     gutverändernd oder sind als EDCs hormonell           der und für Schwangere verboten werden.
     wirksam (siehe auch Forderung 15). Eine Vielzahl
     an Chemikalien kommen bei der Herstellung            Ein Produktdesign ist erforderlich, welches
     zum Einsatz, darunter einige Pestizid- und Biozid-   gesundheits-, klima- und umweltgefährdende
     Wirkstoffe, Schwermetalle sowie Industriechemi-      Stoffzugaben bei der Produktherstellung über-
     kalien wie z.B. polychlorierte Biphenyle (PCB),      flüssig macht (siehe Forderung 6).
     Bisphenol A oder andere Bisphenole.68 Bei den
     Produktions- und Verbrennungsprozessen kön-          Grundsätzlich muss eine vollständige Deklara-
     nen zudem unerwünschte und nicht intendierte         tion und Offenlegung der in den Produkten/
     Nebenprodukte entstehen, wie hochgiftige Di-         Verpackungen enthaltenen und bei der Ver-
     oxine und Furane oder polyaromatische Kohlen-        arbeitung verwendeten Stoffe erfolgen (siehe
     wasserstoffe (PAK).69 Der Einsatz von Schadstof-     auch Forderung 3, Forderung 6 und Forderung

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