ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
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2 Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt PRÄAMBEL Das vorliegende White Paper wurde vor dem Ausbruch der Corona- Pandemie angefertigt. Obwohl die Folgen des Virus für die Luftfahrt heute noch nicht zuver- lässig vorausgesagt werden können, beweisen der weltweite Ein- bruch des Flugbetriebs und die derzeit anhaltenden Reisebeschrän- kungen, dass die Luftfahrtbranche zu den am stärksten betroffenen Wirtschaftszweigen der Pandemie gehört und sich voraussichtlich als einer der letzten von den Auswirkungen erholen wird. Die Pandemie hat das Potenzial die Luftfahrt zu verändern, doch die Vision eines emissionsfreien Luftverkehrs bleibt davon unberührt. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen für eine erfolgreiche Energiewen- de in der Luftfahrt zu stellen. Dieses Dokument führt dafür den aktu- ellen Forschungsstand, den Forschungs- und Technologiebedarf sowie Handlungsempfehlungen auf.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt 3 STATEMENTS Das DLR forscht seit vielen Jahren an Technologien für eine nachhal- Wir wollen, dass das Flugzeug der Zukunft in Deutschland und Euro- tige Luftfahrt. Unsere Ergebnisse sind Technologien in einem vorwett- pa gebaut wird. Als innovative Industrienation wollen wir der Pionier bewerblichen Reifegrad, während der Transfer in marktreife Produkte des klimaneutralen Fliegens sein. Deutschland verfügt über ein star- in der Industrie erfolgt. Das vorliegende White Paper fasst den heuti- kes Forschungsnetz mit ausgezeichneten Einrichtungen, die gemein- gen Kenntnisstand für einen „Green Deal“ der Luftfahrt von Morgen sam mit der Industrie die technologischen Grundlagen des klimaneu- zusammen. Es enthält nicht nur unsere Forschungssicht, sondern tralen Fliegens schaffen werden. Deshalb hat der BDLI gemeinsam durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen im BDLI auch die Sicht mit dem DLR ein White Paper erstellt, in dem die für unsere Zukunft der Umsetzbarkeit. Ich freue mich sehr, dass es uns zusammen gelun- des klimaneutralen Fliegens essenziellen Technologien aufgezeigt gen ist, ein solch umfassendes Dokument der Politik zur Verfügung werden. Jetzt geht es darum, diese im Schulterschluss zwischen For- stellen zu können. In Deutschland wird die Luftfahrtforschung von schung, Politik und Industrie umzusetzen. Denn die Energiewende der Politik stark unterstützt: Auf regionaler Ebene über Länderinitiati- am Himmel gelingt nur mit gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen. ven, auf nationaler Ebene über das Luftfahrtforschungsprogramm sowie die Förderung des DLR und auf internationaler Ebene durch Reiner Winkler Beteiligungen an EU-Förderprogrammen. Insofern ist dieses White BDLI-Vizepräsident Luftfahrt Paper auch ein Ergebnis dieser Unterstützung. Das DLR steht bereit, möglichst viel davon mit unseren Industriepartnern für eine „Zero Emission Aviation - ZEMA“ umzusetzen. Prof. Rolf Henke DLR-Luftfahrtvorstand
4 ZUSAMMEN- FASSUNG Der Weg hin zu einer klimaneutralen Luftfahrt bedarf radikaler Tech- stoffe können durch Co-Optimierung von Kraftstoff und Brenner die nologien in allen Bereichen. Neben revolutionären Flugzeug- und CO2-Emissionen um bis zu 80 %, die Ruß- und Partikelemissionen um Antriebskonzepten spielen auch synthetische Kraftstoffe und Flug- bis zu 90 % und die NOX-Emissionen um beinahe 100 % reduzieren. führung eine zentrale Rolle. Die erfolgreiche Einführung solcher Weitere Verbesserungen sind durch die Nutzung von Non-Drop-in- Konzepte erfordert eine transdisziplinäre Forschung an Technologie-, Kraftstoffen wie Wasserstoff möglich, denn dadurch können die lo- Betriebs- und Wirtschaftsfaktoren. Bislang fehlt ein Überblick über kalen Emissionen von CO2, Ruß und Aerosolvorläufern auf null redu- den aktuellen Forschungsstand in den verschiedenen Forschungsdis- ziert werden. Die Klimawirkungsvorteile von Wasserstoff sind jedoch ziplinen. Daher haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt stark vom Herstellungspfad abhängig. Deshalb ist es für eine CO2- (DLR) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtin- Minderung nur sinnvoll, Wasserstoff einzusetzen, der aus regenerati- dustrie (BDLI) die derzeitige Forschung und die aktuellen technologi- ven Quellen erzeugt wurde. Es müssen also neben technischen Ent- schen Handlungsfelder zusammengeführt, zeigen damit die Richtung wicklungen insbesondere nachhaltige Herstellungspfade entwickelt für eine emissionsfreie Luftfahrt auf und unterstützen die Technolo- und gefördert werden. giestrategien von Forschung, Industrie und Politik. Revolutionäre Wärmekraftmaschinenkonzepte haben das Potenzial Die globale Luftfahrt ist für etwa 2,5 % der menschengemachten nahezu emissionsfrei zu sein. Sie können in konventionellen Flugzeu- CO2-Emissionen verantwortlich und trägt auch durch Nicht-CO2- gen mit Drop-in-Kraftstoffen sowie in neuartigen Luftfahrzeugen mit Effekte zur Erderwärmung bei. Darüber hinaus verschärft der Anstieg Wasserstoff betrieben werden. Trotzdem nehmen derartige Antriebs- des Luftverkehrsaufkommens die Situation zusätzlich. Zentrale Her- konzepte Einfluss auf das Klima, der bis heute noch nicht vollständig ausforderung ist es demnach, die Folgen für Mensch und Umwelt zu verstanden ist. Um ein klares Bild zu erhalten, bedarf es weiterer minimieren. Das Zusammenspiel aller Faktoren ist bisher noch unzu- Forschung und Technologieentwicklung. reichend erforscht und muss als Entscheidungsgrundlage für Indust- rie und Politik besser verstanden werden. Elektrische Antriebe sind die derzeit einzige bekannte Alternative, die ohne Emissionen am Flugzeug auskommt. Die evolutionäre Weiterentwicklung von Gasturbinenkonzepten in Verbindung mit synthetischen Kraftstoffen ermöglicht bereits kurz- Flugzeuge mit batterie-elektrischem Antrieb sind im Betrieb komplett fristig einen signifikant emissionsreduzierten Luftverkehr. Drop-in- emissionsfrei. Wegen der geringen Energiedichte von aktuellen Bat- Kraftstoffe benötigen keine Änderungen am Triebwerk und können terietechnologien erlauben sie jedoch nur eine relativ geringe Reich- bereits heute die CO2-Emissionen um 40 % reduzieren. Durch neue weite von rund 300 km. Daher eignen sich diese Luftfahrzeuge insbe- Kraftstoffdesigns können zudem 50–70 % der Ruß- und Partikele- sondere für den Bereich der Urban Air Mobility und für Reisen inner- missionen vermieden werden. Die Wirkungen von Drop-in-Kraftstof- halb von Ballungszentren oder als Zubringerflugzeuge. Durch die fen lassen sich durch höhere Beimischungsraten von mehr als 50 % Kombination von unterschiedlichen Energiespeichern in hybriden maximieren. Hindernisse für eine Einführung in großen Mengen sind Antrieben kann die Reichweite deutlich gesteigert werden. Turbo- derzeit die Produktionskapazität und der Preis. Near-Drop-in-Kraft- hybrid-elektrische Antriebssysteme mit alternativen Kraftstoffen
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt 5 erlauben so einen emissionsfreien batterie-elektrischen Betrieb am Während die Einführung einer neuer Technologien für die Weltflug- Flughafen und gleichzeitig einen mindestens CO2-neutralen Betrieb zeugflotte langwierig ist, könnten neue operative Maßnahmen wie im Reiseflug. Aus heutiger Sicht hat die Brennstoffzelle in Verbindung die Implementierung eines klimaschonenden Routings bereits in kür- mit grünem Wasserstoff langfristig das Potenzial, ausreichende Leis- zester Zeit auf einen wesentlichen Teil der Flotte angewendet wer- tung und Reichweite für die kommerzielle Luftfahrt bereitzustellen. den. Studien des DLR zeigen, dass bereits kleine Änderungen in der Damit wäre ein weitgehend emissionsfreier Luftverkehr möglich. Flugführung mit lediglich um 1 % erhöhten Betriebskosten zu einer Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass ein reines Wasserstoff-Brennstoffzel- Verringerung der Klimaauswirkungen um bis zu 10 % führen. len-Flugzeug realisierbar sein sollte. Für das Ziel eines klimaneutralen Luftverkehrs darf der ökonomische Da die Technologiereife alternativer Antriebslösungen für die Luft- Flugzeug-Lebenszyklus jedoch nicht außer Acht gelassen werden: fahrt derzeit noch sehr gering ist, besteht großer Forschungsbedarf in Aspekte wie automatisierte Produktionsprozesse, die Digitalisierung zahlreichen Bereichen: Leistungs- und Energiedichte von allen Kom- in der Luftfahrt, die Verbindung von Konzept, Design und Fertigung ponenten im System müssen erhöht werden; Lösungen für eine effi- sowie Wartungsdaten spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwick- ziente Speicherung von Wasserstoff müssen gefunden werden; im lung und Einführung neuer Produkte. Ein klimaneutrales Flugzeug Bereich Brennstoffzelle muss das Wärmemanagement optimiert und muss in den operationellen Kontext gesetzt werden. Möglicherweise eine revolutionäre Kühltechnologie entwickelt werden; weiterhin ist erhöhte Kosten könnten durch ein einzigartiges Reiseerlebnis kom- das Potenzial emissionsreduzierender Strukturen noch nicht ausge- pensiert werden. Hierzu notwendige Technologien müssen ebenfalls schöpft. Darüber hinaus müssen die Auswirkungen neuer entwickelt werden. Antriebe auf das gesamte Flugzeug untersucht werden und die aktuelle Flughafeninfrastruktur mit einbezogen werden. Um diese Erst durch die enge Zusammenarbeit des Netzwerks aus Industrie, Fragestellungen zu beantworten, sind sowohl numerische Analysen Politik und Wissenschaft sowie Förderungen auf regionaler Ebene, als auch systematische experimentelle und reale Flugversuche mit über das Luftfahrtforschungsprogramm sowie weitere Maßnahmen geeigneten Demonstratoren erforderlich. auf nationaler und EU-Ebene kann das Ziel einer emissionsfreien Luft- fahrt erreicht werden. Die Entwicklung zulassungsfähiger Technologien für klimaneutrale (Langstrecken-) Flugzeuge ist bis 2040 möglich. Die Marktdurchdrin- gung bis zur kompletten Flottenerneuerung erfordert enorme indus- trielle Anstrengungen.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt 7 1. EINLEITUNG 8 2. ZUKÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN AN DEN LUFTVERKEHR 10 2.1. Der Einfluss des Luftverkehrs auf das Klima 11 2.2. Luft- und Bodenreinhaltung sowie Umweltaspekte 13 2.3. Lärm 15 3. VERBRENNUNGSBASIERTE KONZEPTE 16 3.1. Wirkungsgradoptimierung von klassischen Gasturbinen-Antrieben 17 3.2. Wirkungsgradoptimierung durch neue thermische Turbomaschinen 18 3.3. Verbrennung von Wasserstoff in der Gasturbine 19 3.4. Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe 20 4. ELEKTRISCHES FLIEGEN 24 4.1. Batterie-elektrische Antriebssysteme 27 4.2. Turbo-hybrid-elektrische Antriebe 28 4.3. Wasserstoff-Brennstoffzellen-hybrid-elektrische Antriebe 30 4.4. Struktur und Systemintegration in der Struktur 34 4.5. Weitere Anforderungen für das elektrische Fliegen 36 5. VERBESSERTE FLUGROUTEN, BODENPROZESSE UND INFRASTRUKTUR 38 5.1. Flugführung mit minimaler Klimawirkung 39 5.2. Bodenprozesse mit minimaler Klimawirkung 41 5.3. Infrastruktur für neuartige Flugzeugantriebe 41 6. DIE AUSWIRKUNG AUF FLUGZEUGEBENE 44 6.1. Konfigurative Möglichkeiten und Herausforderungen 45 6.2. Technologiefolgenabschätzung im gesamten Flugzeug-Lebenszyklus 49 7. DIE TRANSFORMATION DER LUFTFAHRTINDUSTRIE 52 7.1. Hubschrauber 53 7.2. Kleinflugzeuge und Urban Air Mobility 53 7.3. Regionalflugzeuge 54 7.4. Kurzstrecke 54 7.5. Mittel- und Langstrecke 55 8. FORSCHUNGS- UND TECHNOLOGIEBEDARF 56 8.1. Regionale Maßnahmen 57 8.2. Das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo) 60 8.3. Weitere Maßnahmen auf nationaler Ebene 61 8.4. EU-Ebene 63 9. FAZIT 64
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Einleitung 9 Hinsichtlich des globalen Wachstums des Flugverkehrs ist die wich- Die erfolgreiche Weiterentwicklung und Einführung neuer Technolo- tigste Aufgabe für Forschung und Industrie, den ökologischen Fußab- gien wird die Luftfahrt von morgen verändern. Unbemannte Prototy- druck des Lufttransports deutlich zu reduzieren. Noch ist die Luftfahrt pen-Luftfahrzeuge lassen einen Blick auf die urbane Luftmobilität der für lediglich 2,5 % des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoßes Zukunft zu. Erste Anwendungen unbemannter Luftfahrzeuge sind verantwortlich. Zählt man die Effekte von Nicht-CO2-Emissionen wie die Versorgung schlecht angebundener Gebiete und die Lieferung Wasserdampf und Stickoxid hinzu, erhöht sich der Einfluss des Luft- dringend benötigter Güter wie etwa Medikamente sowie die Unter- verkehrs auf die globale Erderwärmung auf rund 5 %. Die Vision für stützung von Einsatzkräften bei der Katastrophenhilfe. Unbemanntes die Zukunft der Luftfahrt ist das emissionsfreie Flugzeug (Zero Emission autonomes Fliegen wird aber auch als Lösung für den schnellen, Aircraft) – ein Luftfahrzeug, das sowohl im Flug- als auch im Boden- emissionsarmen Personentransport in urbanen Räumen oder zwi- betrieb keine Schadstoffe emittiert. Dieses ambitionierte Ziel erfor- schen Städten gesehen. Während für Reisen innerhalb von Ballungs- dert substanzielle Forschungen und Entwicklungen in den Bereichen gebieten oder zum nächstgrößeren Flughafen in naher Zukunft bat- nachhaltige Kraftstoffe, Energieträger, neue Flugzeugkonzepte und terie-elektrisch angetriebene Regionalflugzeuge eingesetzt werden, Komponenten sowie alternative Antriebskonzepte. lösen Luftfahrzeuge mit Antriebskonzepten auf Basis von Brennstoff- zellen perspektivisch heutige Flugzeuge auf der Kurz- und Mittelstre- Nachhaltige Kraftstoffe stellen ein großes Potenzial dar, da sie neben cke ab. Auf der Langstrecke werden in den kommenden Jahren neue der Reduktion von CO2-Emissionen die Freisetzung von Schadstoffen Gasturbinenkonzepte in Verbindung mit nachhaltigen Kraftstoffen wie Ruß verringern. Neben synthetischen Kraftstoffen ist der Einsatz eine wichtige Technologie darstellen. Langfristig wir Wasserstoff eine von Wasserstoff, der aus regenerativen Quellen erzeugt wurde, sinn- zunehmend wichtigere Rolle spielen, da er eine hohe Energiedichte voll. Die derzeit geringe Produktionskapazität, der hohe Herstellungs- besitzt und aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. preis und weitere technologische Verbesserungen stellen heute noch Perspektivisch sind aber auch der Einsatz turbo-hybrid-elektrischer ein Hindernis dar, um herkömmliches Kerosin durch 100 % nachhal- Antriebskonzepte und ein Brennstoffzellenantriebssystem auf der tige Kraftstoffe zu ersetzen. Die hohen Anforderungen an das zu- Langstrecke denkbar. Abhängig von der Kombination von Energieträ- künftige Lufttransportsystem verlangen aber nicht nur die Weiterent- ger und Antriebskonzept versprechen alle Konzepte eine größere wicklung von bestehenden Technologien, sie fordern darüber hinaus Reichweite gegenüber batterie-elektrisch angetriebenen Flugzeugen. komplett neue Ansätze, um die negativen Umweltauswirkungen zu minimieren. Elektrisches Fliegen mit Batterie oder Brennstoffzelle bie- Neue Mobilitäts-, Antriebs- und Kraftstoffkonzepte erfordern neue tet grundsätzlich die Möglichkeit, die steigenden Mobilitätsanforde- und effiziente Luftfahrtstrukturen sowie damit einhergehende digita- rungen mit minimaler Klimawirkung zu erfüllen. Der geringe Reife- le Methoden. Die Luftfahrtstruktur von morgen muss modular und grad der Technologien erfordert jedoch vielfältige Investitionen in flexibel ein viel breiteres Mobilitätsspektrum bedienen, als es heute Entwicklung, Produktion Zulassung und Infrastrukturen. noch der Fall ist. Derzeit gibt es weder in Deutschland noch in Europa eine ausreichen- Um die oben beschriebenen Technologien umfassend bewerten zu de Produktionskapazität für Sustainable Aviation Fuel (SAF). Um die können, ist eine disziplin-übergreifende Fähigkeit zum Entwurf und SAF-Produktionskapazität auf ein wirksames und wirtschaftliches Le- zur Bewertung des Gesamtsystems notwendig, welche die deutsche vel anzuheben, sind klare politische Rahmenbedingungen ebenso Luftfahrtlandschaft unbedingt wieder aufbauen, erhalten und konse- unverzichtbar wie wirksame Förderungsinstrumente insbesondere für quent weiterentwickeln sollte. Wesentlicher Forschungsbedarf be- die Produzenten alternativer Kraftstoffe. steht in der Komponentenentwicklung, der Integration der Kompo- nenten in das Flugzeug sowie dem Verständnis für die Auswirkungen Aktuell wird in drei Kategorien unterschieden: aller Aspekte auf der Flugzeugebene und dem Gesamtsystem Luft- 1. Drop-in-Kraftstoffe, die mit der heutigen Infrastruktur kompa- fahrt. Für die Weiterentwicklung der Technologien und den Sicher- tibel sind heitsanspruch sind Flugversuche notwendig. Dafür sollten die Luft- 2. Near-Drop-in-Kraftstoffe, die geringfügige Modifikationen fahrtlandschaft und Politik Investitionen für ein zielgerichtetes De- im Flugzeug erfordern monstratoren-Programm ermöglichen, das den Weg zu einem 3. Non-Drop-in-Kraftstoffe, die eine erhebliche Modifikation emissionsfreien Luftverkehrstransport von morgen ebnet. des Flugzeugs erfordern Hieraus wird ersichtlich, dass der Fokus in Zukunft auf modularen und multifunktionalen Strukturen liegen muss, da hinsichtlich neuer Mobilitätskonzepte verschiedene Anwendungen mit verschiedenen Kraftstofflösungen möglich sind.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr 11 CO2 Ozone (fast) Messungen zeigen, dass sich das NOX Methane Klima ändert und der globale Luft- Ozone (PMO) Total NOx verkehr durch seinen Schadstoffaus- Water vapour stoß zur Klimawirkung beiträgt. Die Sulphate aerosol (direct) Soot aerosol (direct) Einflüsse der unterschiedlichen Emis- Aerosol (direct) sionsarten sind derzeit jedoch noch Line-shaped contrails Induced cirrus nicht vollständig verstanden, um die Contrail cirrus Herausforderung „Umweltschutz im -100 -50 0 RF [mW m-2] 50 100 Luftverkehr“ adäquat zu adressieren. Søvde et al. (2014): EMAC, multi-model mean Burkhardt and Kärcher (2011) Righi et al. (2013): reference case, parameter span Schumann and Graf (2013) Voigt et al. (2011) Schumann et al. (2015) Bock and Burkhardt (2016) Strahlungsantriebe aufgrund der CO2-Emissionen und der Nicht-CO2- 2.1. Effekte des Luftverkehrs. Die Symbole beruhen auf einer Auswahl von Arbeiten, die in jüngerer Zeit erschienen. DER EINFLUSS DES LUFTVERKEHRS AUF DAS KLIMA Der Luftverkehr ist für rund 2,5 % der weltweiten anthropogenen Neben CO2 tragen eine Reihe weiterer Emissionen des Luftverkehrs CO2-Emissionen des Jahres 2018 verantwortlich. Der Anteil könnte ebenfalls zu einer Änderung des Strahlungshaushaltes bei und liefern sich während der kommenden Jahrzehnte bis 2050 noch verdoppeln, so einen Beitrag zur Klimaänderung. Hier sind vor allem der Wasser- so die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Der Einfluss von dampf, die Stickoxid-Emissionen, die direkten und indirekten Aerosol- Emissionen auf die globale Erderwärmung wird durch den Strah- effekte und Kondensstreifen-Zirren zu nennen. Diese Nicht-CO2-Effek- lungsantrieb beschrieben, das heißt durch die Änderung der Gesamt te wurden schon in den 1980er und 1990er Jahren diskutiert und 1999 energiebilanz des Planeten, die letztlich die Temperaturänderung be- in einem Sonderbericht des Internationalen Ausschusses für Klimaän- einflusst. Positive Strahlungsantriebe führen zu einer Erwärmung, derungen (IPCC, Aviation and the Global Atmosphere) zusammenfas- negative zu einer Abkühlung. Das durch den Menschen verursachte send vorgestellt. Es wurde geschätzt, dass der gesamte Strahlungsan- CO2 – inklusive dem aus dem Luftverkehr – verursacht einen positiven trieb des Luftverkehrs für die dort untersuchten Szenarien zwischen Strahlungsantrieb und führt damit zu einer Erwärmung der Erde. zwei- und viermal höher war als der der CO2-Emissionen allein. Die Existenz und die Auswirkungen solcher Effekte sind zwar anerkannt,
12 „Es besteht großer Forschungsbedarf hinsichtlich der Klimawirkung unterschiedlicher Emissionsarten – insbesondere der Auswirkung von Wasserdampf.“ aber ihre Quantifizierung ist aufgrund der vielen komplexen nicht-line- H2O. Ähnlich wie das CO2 wirkt H2O im langwelligen Teil der Strah- aren Prozesse bislang nur mit großen Unsicherheiten gelungen. Klar ist, lung, also der thermischen Ausstrahlung der Erde. Die Größe des der bei Weitem größte Beitrag stammt vom Reiseflug. Strahlungsantriebs hängt von der Temperaturdifferenz zwischen dem Boden und der Höhe ab, in der sich die Substanz befindet. In Reise- KOHLENSTOFFDIOXID (CO2) flughöhe ist die Atmosphäre besonders kalt und somit der Strahlungs- CO2 ist der größte Bestandteil der Flugzeugemissionen. Das Gas mischt antrieb besonders groß. sich in der Atmosphäre nahezu homogen mit dem gleichen direkten Erwärmungseffekt, der auftritt, wenn es aus anderen Verbrennungs- Der aufgrund des Luftverkehrs zusätzliche Wasserdampf führt zu einer quellen fossiler Brennstoffe emittiert wird. Der Kraftstoffverbrauch er- Erwärmung der Atmosphäre. Durch die starke Ortsabhängigkeit des zeugt unabhängig von der Flugphase CO2 im Verhältnis 3,15 kg CO2 Strahlungsantriebs von H2O liegt hier ein Optimierungspotenzial für die pro 1 kg Kraftstoffverbrauch. Aufgrund seiner verlängerten Lebens- Flugführung. Außerdem besteht Forschungsbedarf hinsichtlich seines dauer in der Atmosphäre ist CO2 als Krafthausgas besonders wirksam. Einflusses auf Wolken. Nach der Emission einer bestimmten Menge des Gases wird über 30 Jahre etwa die Hälfte aus der Atmosphäre entfernt, weitere 25 % ver- STICKOXIDE (NOX) schwinden innerhalb einiger hundert Jahre und die restlichen 25 % Als unerwünschtes Nebenprodukt entstehen bei der Verbrennung sind nach tausend Jahren noch in der Atmosphäre und werden nur auch Stickoxide (NOX) aufgrund der Oxidation von Stickstoff aus der sehr langsam entfernt. Luft. Die NOX-Emissionen wirken in Reaktion mit einer Vielzahl weite- rer Kohlenwasserstoffe in der Atmosphäre auf die Temperatur der WASSERDAMPF (H2O) Erde. Das primär entstehende Ozon (O3) hat eine atmosphärische Als wesentliches Reaktionsprodukt aus der Verbrennung von Kohlen- Lebensdauer von zwei bis acht Wochen und wird daher nicht homo- wasserstoffen wie Kerosin entsteht Wasserdampf (H2O) – analog zu gen in der Atmosphäre verteilt. Es bewirkt vor allem im langwelligen Verbrennungsprozessen in anderen Sektoren wie dem Straßenverkehr Teil der Strahlung eine Erwärmung der Atmosphäre. Dieser Effekt ist und der Schifffahrt. Beim Luftverkehr wird ein großer Anteil des H2O nicht zu verwechseln mit dem Effekt des sogenannten Ozonlochs jedoch in Reiseflughöhe emittiert, das heißt zwischen acht und drei- über den UV-Teil der Strahlung, mit dem Krebserkrankungen in Zu- zehn Kilometern Höhe. Dort ist die natürliche Hintergrundkonzentra- sammenhang gebracht werden. Ein Nebeneffekt der oben genann- tion des Wasserdampfs um mehrere Größenordnungen geringer als in ten O3-Produktion ist der Abbau von Methan (CH4) in der Atmosphä- Bodennähe und die atmosphärische Lebensdauer des H2O deutlich re und in der Folge eine Verringerung der natürlichen O3-Produktion länger. Gleichzeitig ist sie mit einigen Tagen bis einigen Wochen je- sowie eine verringerte Bildung von stratosphärischem Wasserdampf. doch zu gering, um eine homogene Verteilung (horizontal und verti- Die Zeitskalen dieser Prozesse liegen im Bereich von 10 Jahren und sie kal) des zusätzlichen H2O zu erlauben. Daher liefert hier der Luftver- führen zu einer leichten Abkühlung der Erde. kehr einen merkbaren Beitrag zur lokalen Gesamtkonzentration des
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr 13 Betrachtet man aber alle hier genannten Prozesse, die ursprünglich die Atmosphäre eingebrachten Aerosole können sich jedoch in der auf den NOX-Emissionen des Luftverkehrs beruhen, so führen diese in Atmosphäre zu Wolkenkondensationskernen weiterentwickeln. Da- Summe zu einer Erwärmung der Erde. mit beeinflussen sie dann „natürliche“ Wolken. Wenn mehr Konden- sationskerne vorhanden sind, gibt es mehr Wolkentröpfchen und KONDENSSTREIFEN-ZIRREN -kristalle, die jedoch kleiner sind. Damit werden Wolken langlebiger Bei geeigneten thermodynamischen Bedingungen führen die Wasser- und reflektieren mehr Sonneneinstrahlung. Zudem können Konden- dampfemissionen des Luftverkehrs zur Bildung von linienförmigen sationskerne weit transportiert werden und erst dann die Bildung Kondensstreifen, die zu linienförmigen Wolken wachsen und soge- neuer Wolken ermöglichen, sobald die passenden Hintergrundbedin- nannte Kondensstreifen-Zirren bilden, die kaum noch von natürlichen gungen vorliegen. Zirren zu unterscheiden sind. Die Lebensdauer solcher Wolken liegt zwischen wenigen Minuten bis zu etlichen Stunden. Je nach ihren Ei- Hinsichtlich der Wirkung der Kondensationskerne aus dem Luftver- genschaften und den Strahlungsbedingungen wirken diese anthro- kehr gibt es nur erste Abschätzungen. Vermutlich modifizieren die pogenen Wolken im Einzelfall erwärmend oder kühlend. Über den abgesunkenen Kondensationskerne niedrige (warme) Wasserwolken Globus und den ganzen Tag gemittelt erwärmen Kondensstreifen so, dass ein abkühlender Effekt entsteht. Wegen der ungenauen und Kondensstreifen-Zirren gegenwärtig die Erde. Der zugehörige Kenntnis der Prozesse, die die Aerosole durchlaufen, sind die Ab- Strahlungsantrieb ist größer als der aus dem CO2 allein. Durch die schätzungen des dazu gehörenden Strahlungsantriebs bestenfalls auf starke Abhängigkeit der Wirkung von den lokalen Bedingungen bie- einen Faktor zehn bekannt. Für höher liegende Eiswolken lassen sich tet dieser Emissionsbeitrag ebenfalls das Potenzial für die Optimie- noch keine belastbaren Aussagen treffen. Deshalb werden derzeit die rung von Flugrouten. indirekten Aerosoleffekte des Luftverkehrs bei der Gesamtbewertung seiner Klimawirkung in der Regel nicht berücksichtigt. Daher sind Insbesondere hinsichtlich der Prognosefähigkeit und Kondensstrei- bessere Messungen und Modelle dieser Effekte nötig. fen-Zirren bei Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb besteht heute noch Forschungsbedarf. 2.2. DIREKTE UND INDIREKTE AEROSOLEFFEKTE LUFT- UND BODENREINHALTUNG SOWIE Der Luftverkehr emittiert sowohl Aerosole wie zum Beispiel Ruß als UMWELTASPEKTE auch Aerosolvorläufer wie Stickstoff- und Schwefelverbindungen, aus denen sich Aerosole bilden. Diese haben eine Lebensdauer von Neben den Wirkungen auf das Klima hat der Flugverkehr auch einen Tagen bis Wochen. Je nach Typ wirken sie abkühlend (zum Beispiel Einfluss auf die lokale Luftqualität an Flughäfen und deren Umge- sulfathaltige Aerosole) oder erwärmend (zum Beispiel Ruß). Insge- bung. Hierbei liegen besonders die ultra-feinen Partikel mit einem samt sind ihre Beiträge zur Klimaänderung jedoch gering. Die so in Durchmesser kleiner als 100 nm, die auch im Straßenverkehr eine
EMISSIONSENTWICKLUNG 1990 – 2017 FÜR KLASSISCHE LUFT- SCHADSTOFFE Emission trends for Germany since 1995, PM10 in kt 100 80 Transport Road transport Aviation 60 40 Rolle spielen, im Fokus der Betrachtung. Das liegt insbesondere an den erwarteten toxikologischen Eigenschaften der freigesetzten Par- tikel. Es gibt zwar diesbezüglich noch keine abschließende Bewer- 20 tung, allerdings sind die von Flugzeugtriebwerken und Auxiliary Power Units (APUs) emittierten Partikel aufgrund ihrer Größe von weniger als 30 nm in der Lage bis tief in die menschliche Lunge einzudringen. Zudem sind die ultra-feinen Partikel im regulären 0 Umweltmonitoring noch nicht erfasst und es existieren noch keine 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 verbindlichen Messstandards. Aufgrund der Emissionszertifizierung von Triebwerken – seit Kurzem auch in Hinblick auf ultra-feine Partikel-Emissionen – ist zwar davon auszugehen, dass sich die Datenlage für zukünftige Umwelt- und Emission trends for Germany since 1995, NOX in kt Ausbreitungsmodellierungen an Flughäfen verbessern wird, aller- dings werden diese Partikel in Umwelt- und in Zertifizierungsmessun- gen unterschiedlich betrachtet. Während in der Umweltanalytik stets 1.400 die Gesamtheit aller luftgetragenen Partikel erfasst wird, fokussieren zertifizierende Prüfstandsmessungen auf die Fraktion der nicht-ver- Transport dampfbaren Partikel. Diese Fraktion der Partikel kann nachweisbar in 1.200 Road transport erheblichem Maße direkt durch moderne Triebwerkstechnologien Aviation und alternative Kraftstoffe verringert werden. Sekundäre Partikel, die sich erst im alternden Abgas bilden, zum Beispiel aus den emittierten 1.000 Schwefel- und Stickstoffverbindungen, werden allerdings ebenfalls in hohen Konzentrationen beobachtet. Zu ihrer Reduktion sind haupt- sächlich schwefelarme oder schwefelfreie Kraftstoffe vielverspre- 800 chend, um die lokale Luftqualität an Flughäfen zu verbessern. Im Vergleich mit anderen Quellen von Feinstaub bildet die Luftfahrt hier 600 natürlich auch nur einen geringeren Anteil der Emissionen von etwa 1 % ab. 400 Derzeit werden die Grenzwerte für Stickoxide in Flughafennähe noch nicht überschritten. Fließen jedoch künftig auch Grenz- und Richt- werte von ultra-feinen Partikeln in die Schadstoffbewertung ein oder 200 werden die Grenzwerte weiter limitiert, ist die Gefahr einer Über- schreitung gegeben. Daher sollte sowohl hinsichtlich Messstandards als auch weiterer Emissionsreduktion proaktiv gehandelt werden. 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr 15 „Falls alle Potenziale genutzt werden, rückt eine klimaneutrale Luftfahrt in erreichbare Nähe.“ 2.3. LÄRM Die Schallabstrahlung heutiger Verkehrsflugzeuge wird maßgeblich Eigenschaften wie das Frequenzspektrum und dessen zeitlichen Ver- beim Start durch die Turbofan- und Turboprop-Antriebe, beim Lan- lauf beeinflusst. So ist ein isolierter Ton wesentlich störender als ein den zusätzlich durch Strömungsgeräusche am Flugzeug wie zum gleichmäßiges Rauschen. Dasselbe gilt für sich stark ändernde Lärm- Beispiel Klappen und das Fahrwerk bestimmt. Zusätzlich entstehen pegel. Der Fluglärm führt insgesamt dazu, dass die Akzeptanz der Schallquellen durch aerodynamische Wechselwirkung von Kompo- Anwohner von Flughäfen für den dort stattfindenden Luftverkehr nenten. Ein eher untergeordneter Anteil des Flugzeuggeräuschs rührt sinkt und operative Beschränkungen wie Nachtflugverbote eingeführt aus dem Kerntriebwerk, das mittels Gasturbine die Leistung für den wurden. Mögliche Maßnahmen zur Lärmreduktion sind eine niedrigere eigentlichen Antrieb bereitstellt. Die Wahrnehmung dieses Fluglärms fan-tip-Geschwindigkeit, Abschirmung oder verteilte Antriebe. wird neben seinem reinen Schallpegel maßgeblich durch weitere AKTUELLER HANDLUNGSBEDARF Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 haben sich In Verbindung mit dem steigenden Wachstum des Luftverkehrs wird die 195 Länder erstmalig auf ein rechtsverbindliches, weltweites Klima- zentrale Herausforderung sein, das Wachstum von seinen Folgen für schutzübereinkommen geeinigt. Die Staaten verständigten sich darauf, Mensch und Umwelt zu entkoppeln. Dieses Ziel verfolgt eine Forschungs- durch eine wesentliche Emissionsminderung die globale Durchschnitts politik der geringsten Umweltbelastung – „least impact aviation“. Die temperatur auf den Anstieg von unter 2 °C zu begrenzen, um die Fol- Luftfahrtforschung untersucht vielversprechende technologische und gen des Klimawandels deutlich zu reduzieren. Wie beschrieben, haben operationelle Möglichkeiten für diesen Ansatz, die im Folgenden darge- durch die Luftfahrt verursachte Emissionen in mehreren Hinsichten ei- stellt und erläutert werden. Neben verbrennungsbasierten Konzepten ne schädliche Wirkung und müssen daher zwingend reduziert werden. wie alternativen Kraftstoffen und Wasserstoff in Verbindung mit neuen Dabei reicht eine reine Betrachtung der CO2-Emissionen nicht aus. Gasturbinenkonzepten liegt der Fokus auf (hybrid-) elektrischen Antrie- Beispiele wie die Weltumrundung durch das Solarflugzeug SolarImpulse ben, der Erforschung und dem Einsatz schallreduzierender Materialien oder erste elektrische Flugzeug-Produkte in Nischen wie Trainingsflug- und Strukturen im Luftfahrtbereich sowie auf den Anforderungen an eine zeuge zeigen, dass komplett emissionsfreie Luftfahrzeuge prinzipiell zukünftige Infrastruktur. Außerdem werden innovative Konzepte der möglich sind. Für größere Flugzeuge ist eine emissionsfreie oder auch Flugführung betrachtet. Alle Aspekte wirken sich auf die Flugzeugebene nur emissionsneutrale Lösung extrem schwer zu realisieren, solange aus und bringen unterschiedliche Anforderungen an die Konfiguration Kohlenwasserstoffe für die Energiegewinnung eingesetzt werden, da eines Flugzeugs mit sich. diese immer CO2 und H2O erzeugen. Falls jedoch alle Potenziale genutzt werden, rückt eine klimaneutrale Luftfahrt in erreichbare Nähe, bei der Emissionen weitgehend reduziert und durch klimaoptimierte Flugfüh- rung deren Wirkung in der Atmosphäre stark verringert werden.
VERBRENNUNGS- BASIERTE KONZEPTE
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte 17 3.1. WIRKUNGSGRADOPTIMIERUNG VON KLAS- Derzeitige Flugzeugantriebe für die SISCHEN GASTURBINEN-ANTRIEBEN kommerzielle Luftfahrt basieren fast Mit der Einführung der ersten Strahltriebwerke auf Basis von Gastur- ausschließlich auf der Verbrennung binen in der kommerziellen Luftfahrt in den 1960er Jahren hat sich der Luftverkehr zu einem Massenverkehrsmittel mit mehr als von Kerosin in Gasturbinen. Dieses 4 Mrd. Passagieren im Jahr 2017 entwickelt. Seitdem konnte der Prinzip bewährt sich aufgrund seiner spezifische Verbrauch der Gasturbine nahezu halbiert werden. hohen spezifischen Leistung, wegen Erreicht wurde dies vor allem durch höhere Nebenstromverhältnisse (von ~ 1 bis heute 12), die den Vortriebswirkungsgrad verbessern, seiner hohen Effizienz und aufgrund durch höhere Gesamtdruckverhältnisse (von ~ 15 bis heute 50) und seiner kompakten und leichten Turbineneintrittstemperaturen, die den thermischen Wirkungsgrad steigern. Weitere Verbesserungen wurden erzielt durch erhöhte Wir- Bauweise. Allerdings werden immer kungsgrade aller Komponenten, Optimierung der Installation oder den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen. Kraftstoffe verbrannt und damit oben beschriebene Emissionen ausgesto- Die wichtigste Neuentwicklung der letzten Jahrzehnte im Bereich der Flugantriebe ist das Getriebefan-Triebwerk, das Pratt & Whitney zu- ßen. Mögliche Wege, diese Emissio- sammen mit MTU entwickelt hat. Im Gegensatz zum konventionellen Turbofan, bei dem Fan und Niederdruckturbine auf einer Welle mit nen zu reduzieren, sind eine weitere Erhöhung des Wirkungsgrades von Gasturbinen, die Einführung von neuen Gasturbinenkreisprozessen mit verminderter Schadstoffemission und Klimawirkung sowie der Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe wie synthe- tisches Kerosin oder Wasserstoff. Das virtuelle Triebwerk ermöglicht eine hochakkurate Designfähigkeit
18 gleicher Drehzahl laufen, sind beim Getriebefan beide Komponenten schritte und die Anzahl der Bauteile optimiert werden können. Unter- durch ein Getriebe miteinander verbunden. Damit kann der große Fan stützt wird dies durch die digitale Abbildung der Struktur (Digitaler langsamer und die Niederdruckturbine schneller drehen. Das ermög- Zwilling). licht hohe Nebenstromverhältnisse (> 12) für hohen Vortriebswir- kungsgrad und verbessert die Wirkungsgrade von Fan und Nieder- druckturbine, sodass der Kraftstoffverbrauch und damit der Kohlendi- 3.2. oxidausstoß sowie die Lärmemission deutlich sinken. Außerdem wird WIRKUNGSGRADOPTIMIERUNG DURCH der Antrieb leichter, da weniger Stufen in der Niederdruckturbine und NEUE THERMISCHE TURBOMASCHINEN im Niederdruckverdichter benötigt werden. Aktuelle Studien zeigen, dass auf Basis des Getriebefan-Triebwerks weitere Verbesserungen Eine weitere Steigerung von Gesamtdruckverhältnis und Turbinenein- möglich sind. So soll der Vortriebswirkungsgrad durch höhere Neben- trittstemperatur stößt zunehmend an Grenzen. Höhere Temperaturen stromverhältnisse (bis zu 20) weiter verbessert werden und der thermi- sind durch die zulässigen Materialtemperaturen begrenzt, die auch sche Wirkungsgrad durch höhere Temperaturen und Druckverhältnis- nicht durch größere Kühlluftmengen kompensiert werden se (bis zu 70). Die Ergebnisse der aktuell abgeschlossenen EU-Techno- können, und höhere Druckverhältnisse führen in den letzten Verdich- logieprogramme des 7. Rahmenprogramms zeigen, dass terstufen zu sehr kleinen Schaufelhöhen und damit zu schlechten Weiterentwicklungen des Getriebefan-Triebwerks den Kraftstoffver- Wirkungsgraden. brauch um 25 %–36 % je nach Anwendung gegenüber einem Trieb- werk aus dem Jahr 2000 reduzieren können. In verschiedenen nationalen und europäischen Forschungsprogram- men werden deshalb Optionen für die Überwindung dieser Grenzen Das Getriebefan-Triebwerk wird daher für die nächsten Jahrzehnte untersucht. Folgende Ideen erscheinen vielversprechend: den Standardantrieb in der kommerziellen Luftfahrt bilden. Aktuell werden die notwendigen Technologien wie integrierte Verdichtungs- • Die Kühlung der verdichteten Luft zwischen Niederdruck- und und Expansionssysteme oder Hochtemperatur-Leichtbauwerkstoffe Hochdruckverdichter durch einen Zwischenkühler verbessert zu- für die nächste Generation des Getriebefan-Triebwerks erarbeitet. sammen mit höheren Gesamtdruckverhältnissen den thermischen Konzepte wie Blisks und Leichtbau Fans (CFK-Fan) und Produktions- Wirkungsgrad. verfahren wie 3D-Druck bieten weiteres Optimierungspotenzial. • Einen Schritt weiter geht die Gasturbine mit Zwischenkühler und Abgaswärmetauscher. Hier wird die Energie, die mit dem Abgas der Hier zeigt sich, dass das Potenzial zur Schaffung emissionsreduzieren- Turbine an die Umgebung abgeführt wird, mittels eines Abgaswär- der Strukturen bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Durch die Integra- metauschers zur Erwärmung der verdichteten Luft zwischen Ver- tion diverser Funktionen in die Struktur entstehen erhebliche Leicht- dichteraustritt und Brennkammereintritt genutzt. Damit reduziert baupotenziale und Möglichkeiten Gewicht und Produktionskosten zu sich die notwendige Brennstoffzufuhr in der Brennkammer und der reduzieren, da durch integrale, multifunktionelle Strukturen Prozess- thermische Wirkungsgrad steigt an.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte 19 „Das DLR wies nach, dass alternative Kraftstoffe die CO2- Emissionen um 40 % und die Nicht-CO2-Emissionen um bis zu 70 % reduzieren können.“ • Ebenfalls die Energie im Abgas nutzen sogenannte Bottoming-Pro- werden Brennstoff, Luft und Abgas stark gemischt, bevor sie in der zesse, die die Abgasenergie der primären Gasturbine einer zusätzli- Verbrennung eingesetzt werden, um lokale Temperaturspitzen in chen Wärmekraftmaschine wie einem Dampfkraftprozess zufüh- der Flamme und NOX-Bildung zu vermeiden. Weitere Vorteile jen- ren, der zusätzliche Leistung erzeugt. Stationäre Gasturbinen errei- seits der geringeren Emissionen sind hohe Stabilität und große chen mit diesem Prinzip extrem hohe Wirkungsgrade, sind aber in Brennstoffflexibilität. der Luftfahrt wegen des großen Bauraums nicht einsetzbar. Eine mögliche Abwandlung wäre der „Water Enhanced Turbofan (WET)“ Prozess, der von MTU entwickelt wird. Er nutzt die Turbine 3.3. des Gasturbinenprozesses auch für den Dampfkraftprozess, indem VERBRENNUNG VON WASSERSTOFF IN DER Dampf in die Brennkammer der Gasturbine eingespritzt wird. Das GASTURBINE benötigte Wasser wird dabei direkt aus dem Abgas der Turbine abgeschieden. Durch die nasse Verbrennung wird zusätzlich die Die Nutzung von Wasserstoff in Gasturbinen ist nicht neu und sie ist Emission von NOX gesenkt und die Bildung von Kondensstreifen ohne grundlegende Veränderungen des Gesamtsystems möglich. wird wahrscheinlich durch die Kondensation des Wassers im Abgas Insbesondere im Bereich der stationären Gasturbinen bereiten sich stark vermindert. Die größte Herausforderung für dieses Antriebs- die Hersteller auf eine Nutzung von Wasserstoff als Energieträger vor konzept liegt im Design von im Flugzeug integrierbaren Kondensa- und planen, ihr Produktportfolio bis 2030 auch für 100 % Wasser- toren und Dampferzeugern. stoff anbieten zu können. • Zur weiteren Drucksteigerung bieten sich verschiedene Wege an wie der Einsatz eines Kolbenmotors, die „Pulse Detonation“ (explo- Der größte Entwicklungsbedarf bei der Gasturbine liegt im Bereich sionsartige Verbrennung mit Druckerhöhung) oder das Prinzip des der Brennkammer. Hier besteht die Herausforderung, den Wasser- „Wave Rotors“ (Druckerhöhung durch Druckwellen). So könnte die stoff sicher und mit möglichst geringen NOX-Emissionen stabil und Verbrennung in einen Freikolbenmotor ausgelagert werden, der unter den sehr weiten Betriebsbedingungen in der Fluggasturbine zu über einen Freikolbenverdichter den Druck erhöht. Da die Verbren- nutzen. Aufgrund eines erweiterten Stabilitätsbereichs beim Einsatz nung hier nicht kontinuierlich abläuft, sind die gesteigerten Drücke von Wasserstoff kann die Verbrennung bei magereren Bedingungen und Temperaturen für das Material akzeptabel. Die größte Heraus- betrieben werden. Dies reduziert die Flammentemperatur und ist so- forderung sind dabei die gesteigerten NOX-Emissionen aufgrund mit vorteilhaft hinsichtlich der thermischen NOX-Produktion, sodass der hohen Temperaturen und die Kopplung des kontinuierlichen mit geeigneten Brennertechnologien auch im Wasserstoffbetrieb Turbinenprozesses mit dem diskontinuierlichen Kolbenprozess. eine sehr NOX-arme Verbrennung möglich ist. Wasserstoff ist durch • Ein vielversprechender Kandidat im Bereich der Brennkammern ist seine hohe Reaktivität, aber auch durch die komplexe Druckabhän- der FLOX-Brenner für Gasturbinen. Obwohl dieser ursprünglich für gigkeit seines Zündverhaltens in herkömmlichen Verbrennungs- Industriezwecke entwickelt wurde, wird er gegenwärtig vom DLR systemen nicht ohne Weiteres nutzbar. Deshalb besteht an dieser zusammen mit Industriepartnern für die Luftfahrt adaptiert. Dabei Stelle noch erheblicher Entwicklungsbedarf im Bereich neuartiger
20 begrenzten und teuren Produktionsmöglichkeiten von synthetischen Kraftstoffen an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist die Auslegung eines effizienten Flugzeugs hinsichtlich Antrieb, Aerodynamik, Leicht- bau und Flugregelung weiterhin von sehr großer Bedeutung. In die- ser Hinsicht muss sich die traditionelle Luftfahrt transformieren, um den Herausforderungen der Luftfahrt von morgen adäquat begeg- nen zu können. 3.4. EINSATZ NACHHALTIGER KRAFTSTOFFE Wasserstoffeinspeisungs-Verbrennung am DLR in Stuttgart Dem Energieträger kommt in der Luftfahrt eine außerordentliche Bedeutung zu, da der Energiebedarf extrem hoch, aber gleichzeitig sowohl das verfügbare Volumen als auch die mitzuführende Kraft- stoffmasse limitiert sind. Zudem hat die Sicherheit oberste Priorität. Brennkammertechnologien, welche eine schadstoffarme, flashback- Alle drei Punkte erfüllt zurzeit konventionelles Kerosin als hochspezi- resistente Verbrennung von Wasserstoff ermöglichen. Mit ausrei- alisiertes, sicheres und günstiges Produkt. Zudem hat der Energieträ- chenden Entwicklungsanstrengungen können die NOX-Emissionen ger eine große Bedeutung für die entstehenden Emissionen. Dabei jedoch so weit abgesenkt werden, dass diese nicht mehr nachweisbar muss zwischen lokalen Emissionen am Flugzeug und Emissionen über klimawirksam sind. Darüber hinaus ändert sich durch die Nutzung den gesamten Lebenszyklus unterschieden werden. Dies betrifft so- von Wasserstoff die Zusammensetzung des Abgases. Der höhere wohl den Effekt von CO2 auf das Klima als auch die oben Anteil an Wasser führt zu anderen Wärmeübergängen an Bauteilen, beschriebenen Nicht-CO2-Effekte. Um den Nutzen von nachhaltigen somit wird eine Anpassung der Kühlungskonzepte notwendig. Kraftstoffen fundiert zu bewerten, fehlen einheitliche Nachhaltig- keitskriterien. Diese sollten beispielsweise die Systemgrenzen definie- Flugzeuge mit einer hohen Reichweitenforderung wie Mittel- und ren und die Messung der verschiedenen Emissionen festlegen. Langstreckenflugzeuge benötigen ein entsprechend großes Volumen zur Unterbringung des flüssigen Wasserstoffs. Hierdurch ist mit Leis- KOHLENWASSERSTOFF-BASIERTE KRAFTSTOFFE tungseinbußen aufgrund des größeren aerodynamischen Widerstands Um vorhandene Flugzeuge und Infrastruktur weiterhin nutzen zu und der höheren Strukturmasse zu rechnen. Die Auswirkungen einer können, wurde in der Zulassung für nachhaltige Luftfahrt-Kraftstoffe großen Menge an Wasserdampf in Verbindung mit Verbrennungspro- das Drop-in-Konzept eingeführt. Dabei handelt es sich um zugelasse- zessen auf die Komponenten der Gasturbine sind heute noch unklar. ne Mischungen aus synthetischen und konventionellen Kraftstoffen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, je nach Mobilitätskonzept Sie können in allen Flugzeugen und Infrastrukturen ohne Einschrän- unterschiedliche Kraftstoffkonzepte zu erarbeiten. kung und Modifikation bereits heute exakt wie konventionelle Kraft- stoffe genutzt werden. Derzeit sind bis zu 50 % Beimischung zu Je nach Kraftstoffpreisszenario und Reichweite stellen die Kraftstoff- herkömmlichem Kerosin zugelassen. Im gesamten Lebenszyklus kann kosten ~ 20–50 % der direkten Betriebskosten dar. Die klassischen reines synthetisches Kerosin im Vergleich mit fossilem Kerosin die Technologieverbesserungen hinsichtlich Triebwerkseffizienz, aerody- CO2-Emissionen um 80 % reduzieren, falls der ökologische Fußab- namischer Güte und strukturellen Leichtbaus werden aufgrund der druck der Herstellungsanlage selbst eingerechnet wird.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte 21 Projekte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wie de fordert aireg eine staatlich vorgeschriebene Quote für den Einsatz zum Beispiel ECLIF (Emission and CLimate Impact of alternative Fuel) nachhaltiger Flugkraftstoffe einzuführen. Damit sei für die Produzen- oder airegEM weisen das grundlegende Potenzial von alternativen ten die erforderliche Investitionssicherheit gesorgt und den Flugge- Drop-in-Kraftstoffen Emissionen zu senken nach. So kann eine Beimi- sellschaften ebne sie den Weg, die ambitionierten Klimaziele bis schung von 50 % die CO2-Emissionen um 40 % reduzieren. Zusätz- 2050 erreichen zu können. Ein Ausbaupfad für die großskalige Erzeu- lich konnten durch ein entsprechendes Design des synthetischen gung inklusive fortlaufender technologischer Verbesserung und da- Kraftstoffs 50–70 % der Ruß- und Partikelemissionen vermieden mit verbundener Kostenreduktion ist heute noch nicht vorhanden. Er werden. Durch den Einsatz von weitgehend aliphatischen Kohlewas- hängt wesentlich von politischen Maßnahmen zur Marktsicherheit serstoffen ist von einer zusätzlichen Reduktion auszugehen. Zusam- und der Finanzierung von Produktionseinheiten und Technologieent- men mit einer Optimierung des Brenners ist zudem eine vollständige wicklung ab. Vermeidung von NOX-Emissionen zu erwarten. Zudem benötigt die Herstellung Ressourcen wie Land, Wasser, erneu- Alternative Drop-in-Kraftstoffe werden bereits heute auf kommerziel- erbare Energien, Kohlenstoffquellen und Kapital. Insbesondere der len Flügen eingesetzt. Allerdings sind die Mengen aktuell noch bei rechnerische Bedarf an erneuerbar erzeugter elektrischer Energie unter 1 % des weltweiten Luftfahrt-Kraftstoff-Verbrauchs. In Europa übersteigt bei Weitem den derzeitigen Ausbaupfad für Deutschlands wird ausschließlich in Oslo bereits alternativer Kraftstoff eingesetzt. Energiewende. Die verwendete Kohlenstoffquelle beeinflusst zudem Eine tiefgehende wissenschaftliche Begleitung über die Nutzbarkeit die benötigte Menge an erneuerbarer Energie. Der weitverbreitete und die entsprechende Emissionsminderung wurde unter anderem Fischer-Tropsch-Prozess nutzt dazu vor allem industrielles Kohlen- im BMVI-Projekt DEMO-SPK (Forschungs- und Demonstrationsvorha- stoffmonoxid CO aus zum Beispiel Stahl- oder Zementproduktion. In ben zu erneuerbarem Kerosin) demonstriert. Anstrebung der Pariser Klimaziele fällt bei diesen Prozessen allerdings immer weniger CO an. Andere Prozesse verwenden stattdessen Alt- Hindernis für eine Einführung in großen Mengen ist derzeit die Pro- fette oder andere Biomasse und bedingen dadurch einen erhöhten duktionskapazität und der Preis. Diese ist noch nicht in ausreichen- Bedarf an Fläche, die nicht mehr für die Landwirtschaft zur Verfü- dem Maß vorhanden, da die Nachfrage und die Marktsicherheit nicht gung steht. Die direkte Nutzung von CO2 aus Luft im Verfahren „Di- vorhanden sind. aireg – Aviation Initiative for Renewable Energy in rect Air Capture“ (DAC) benötigt viel zusätzliche elektrische Energie. Germany e.V. zufolge geht nach Prognosen aus den USA und Asien Klar ist, dass es aus Flexibilitätsgründen einen Mix verschiedener mit einem Produktionsanstieg die Erwartung einher, dass sich der Herstellungsverfahren mit einem breiten Rohstoff-Spektrum geben Preis für alternative Kraftstoffe bei einem Faktor 2 gegenüber fossi- muss und wird. Projekte wie EU H2020 JETSCREEN und das US High lem Kerosin – abhängig von der Entwicklung der Rohölpreise – ein- Performance Fuels Program versuchen, diese Kosten beziehungswei- pendeln wird, während er heute noch deutlich höher liegt. se das Risiko eines Fehlschlags während der Zulassung zu reduzieren. Es werden derzeit Quoten für alternative Kraftstoffe diskutiert, in Die Wirkungen von Drop-in-Kraftstoffen können letztlich direkt Norwegen zum Beispiel gilt bereits eine Quote von 0,5 %. Hierzulan- durch höhere Beimischungsraten von mehr als 50 % maximiert wer- Im Projekt ECLIF untersuchten DLR und NASA die Wirkung von alternativen Kraftstoffen auf die Umwelt
22 den. Ideal für eine minimierte Klimawirkung sind sogenannte aroma- ziell klimaneutral mit definierten Eigenschaften, wie Dichte und Ener- tenfreie Near-Drop-in-Kraftstoffe. Diese unterscheiden sich von Drop- giedichte, hergestellt werden. Wegen seiner Ähnlichkeit zu fossilen in-Kraftstoffen, indem sie möglicherweise kleine Änderungen an Kraftstoffen hat dieser Energieträger daher keine unmittelbaren Aus- Flugzeugen, Infrastruktur oder Betrieb (zum Beispiel Einsatz nur in ge- wirkungen auf die Gesamtflugzeugkonfiguration. Heute ist allerdings eigneten Flugzeugen) erfordern. Sie bieten aber ein größeres Optimie die Verfügbarkeit des Energieträgers in großen Mengen noch eine rungspotenzial und damit Emissionsreduktionspotenzial. Derzeit gibt Herausforderung. es keine Zulassung für solche Kraftstoffe. Near-Drop-in-Kraftstoffe sind ein Forschungsziel im DLR-Querschnittsprojekt Future Fuels. EINSATZ VON WASSERSTOFF ALS NACHHALTIGEM KRAFTSTOFF Durch Co-Optimierung von Kraftstoff und Brenner lassen sich hierbei Die Nutzung von Wasserstoff in der Gasturbine vereint gleich mehre- die CO2-Emissionen um bis zu 80 %, die Ruß- und Partikelemissionen re Vorteile. So können dadurch die lokalen Emissionen von CO2, Ruß um bis zu 90 % und die NOX-Emissionen um beinahe 100 % reduzie- und Aerosolvorläufern auf null reduziert werden. Zudem kann Was- ren. Boeing erbrachte dazu bereits im März 2017 den Nachweis, dass serstoff durch Elektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom bereits 100 % aromatenfreie Kraftstoffe aus Biomasse in einer Boeing 777F jetzt CO2-neutral erzeugt werden. Verfahren wie die Alkalielektrolyse einsetzbar sind. Nachhaltiges synthetisches Kerosin kann dabei poten- stehen als ausgereifte Technologie in großtechnischem Maßstab zur Verfügung. Daneben bieten Verfahren wie die Festoxid-Elektrolyseur- zelle (SOEC) noch ein erhebliches Potenzial für die Zukunft. Zur Bewertung des CO2-Ausstoßes im gesamten Lebenszyklus wurde im Projekt CRYOPLANE2 eine komplette Lebenszyklus-Analyse für unterschiedliche Brennstoffe in einem Flugzeug der Größe eines Air- bus A319 durchgeführt. Im Ergebnis zeigte die Verwendung von Wasserstoff eine Reduktion der CO2-Emissionen von über 90 %, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt ist. Zur Erreichung von CO2-Minderung ist es nur sinnvoll Wasserstoff einzusetzen, der aus regenerativen Quellen wie zum Beispiel Elektro- lyse oder Biomasse erzeugt wurde, sogenannter Grüner Wasserstoff. Laut eines IEA-Berichtes (2019) wird derzeit der überwiegende Anteil des weltweit jährlich produzierten Wasserstoffs (rund 75 %) von et- wa 70 Mio. Tonnen noch als sogenannter Grauer Wasserstoff aus Erdgas erzeugt. Obwohl diese Verfahren fossile Energieträger ver- wenden, bieten sie bereits heute die Möglichkeit das CO2 am Ort der Wasserstofferzeugung abzuscheiden und zu speichern. Damit wäre schon heute eine CO2-neutrale Nutzung von Wasserstoff realisierbar. Es wurden mittlerweile einige Verfahren zur Wasserstoff-Herstellung bis zur Serienreife entwickelt wie: • Dampfreformer (Erdgas) • Partielle Oxidation (Ölvergasung) • Autotherme Reformer (Methanolreformierung) • Kværner-Verfahren • Elektrolyse von Wasser • Biomasse (Vergasung, Vergärung) Messungen der Abgase am Boden und der Kontrollstand für die Messungen auf dem Vorfeld des Flughafens Ramstein • Wasserstoff aus Grünalgen
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