ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG

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ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
ZERO
EMISSION
AVIATION –
EMISSIONSFREIE
LUFTFAHRT
WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
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PRÄAMBEL

Das vorliegende White Paper wurde vor dem Ausbruch der Corona-
Pandemie angefertigt.

Obwohl die Folgen des Virus für die Luftfahrt heute noch nicht zuver-
lässig vorausgesagt werden können, beweisen der weltweite Ein-
bruch des Flugbetriebs und die derzeit anhaltenden Reisebeschrän-
kungen, dass die Luftfahrtbranche zu den am stärksten betroffenen
Wirtschaftszweigen der Pandemie gehört und sich voraussichtlich als
einer der letzten von den Auswirkungen erholen wird.

Die Pandemie hat das Potenzial die Luftfahrt zu verändern, doch die
Vision eines emissionsfreien Luftverkehrs bleibt davon unberührt.
Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen für eine erfolgreiche Energiewen-
de in der Luftfahrt zu stellen. Dieses Dokument führt dafür den aktu-
ellen Forschungsstand, den Forschungs- und Technologiebedarf
sowie Handlungsempfehlungen auf.
ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt                                                                                             3

STATEMENTS

Das DLR forscht seit vielen Jahren an Technologien für eine nachhal-       Wir wollen, dass das Flugzeug der Zukunft in Deutschland und Euro-
tige Luftfahrt. Unsere Ergebnisse sind Technologien in einem vorwett-      pa gebaut wird. Als innovative Industrienation wollen wir der Pionier
bewerblichen Reifegrad, während der Transfer in marktreife Produkte        des klimaneutralen Fliegens sein. Deutschland verfügt über ein star-
in der Industrie erfolgt. Das vorliegende White Paper fasst den heuti-     kes Forschungsnetz mit ausgezeichneten Einrichtungen, die gemein-
gen Kenntnisstand für einen „Green Deal“ der Luftfahrt von Morgen          sam mit der Industrie die technologischen Grundlagen des klimaneu-
zusammen. Es enthält nicht nur unsere Forschungssicht, sondern             tralen Fliegens schaffen werden. Deshalb hat der BDLI gemeinsam
durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen im BDLI auch die Sicht            mit dem DLR ein White Paper erstellt, in dem die für unsere Zukunft
der Umsetzbarkeit. Ich freue mich sehr, dass es uns zusammen gelun-        des klimaneutralen Fliegens essenziellen Technologien aufgezeigt
gen ist, ein solch umfassendes Dokument der Politik zur Verfügung          werden. Jetzt geht es darum, diese im Schulterschluss zwischen For-
stellen zu können. In Deutschland wird die Luftfahrtforschung von          schung, Politik und Industrie umzusetzen. Denn die Energiewende
der Politik stark unterstützt: Auf regionaler Ebene über Länderinitiati-   am Himmel gelingt nur mit gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen.
ven, auf nationaler Ebene über das Luftfahrtforschungsprogramm
sowie die Förderung des DLR und auf internationaler Ebene durch            Reiner Winkler
Beteiligungen an EU-Förderprogrammen. Insofern ist dieses White            BDLI-Vizepräsident Luftfahrt
Paper auch ein Ergebnis dieser Unterstützung. Das DLR steht bereit,
möglichst viel davon mit unseren Industriepartnern für eine „Zero
Emission Aviation - ZEMA“ umzusetzen.

Prof. Rolf Henke
DLR-Luftfahrtvorstand
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ZUSAMMEN-
FASSUNG

Der Weg hin zu einer klimaneutralen Luftfahrt bedarf radikaler Tech-    stoffe können durch Co-Optimierung von Kraftstoff und Brenner die
nologien in allen Bereichen. Neben revolutionären Flugzeug- und         CO2-Emissionen um bis zu 80 %, die Ruß- und Partikelemissionen um
Antriebskonzepten spielen auch synthetische Kraftstoffe und Flug-       bis zu 90 % und die NOX-Emissionen um beinahe 100 % reduzieren.
führung eine zentrale Rolle. Die erfolgreiche Einführung solcher        Weitere Verbesserungen sind durch die Nutzung von Non-Drop-in-
Konzepte erfordert eine transdisziplinäre Forschung an Technologie-,    Kraftstoffen wie Wasserstoff möglich, denn dadurch können die lo-
Betriebs- und Wirtschaftsfaktoren. Bislang fehlt ein Überblick über     kalen Emissionen von CO2, Ruß und Aerosolvorläufern auf null redu-
den aktuellen Forschungsstand in den verschiedenen Forschungsdis-       ziert werden. Die Klimawirkungsvorteile von Wasserstoff sind jedoch
ziplinen. Daher haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt      stark vom Herstellungspfad abhängig. Deshalb ist es für eine CO2-
(DLR) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtin-        Minderung nur sinnvoll, Wasserstoff einzusetzen, der aus regenerati-
dustrie (BDLI) die derzeitige Forschung und die aktuellen technologi-   ven Quellen erzeugt wurde. Es müssen also neben technischen Ent-
schen Handlungsfelder zusammengeführt, zeigen damit die Richtung        wicklungen insbesondere nachhaltige Herstellungspfade entwickelt
für eine emissionsfreie Luftfahrt auf und unterstützen die Technolo-    und gefördert werden.
giestrategien von Forschung, Industrie und Politik.
                                                                        Revolutionäre Wärmekraftmaschinenkonzepte haben das Potenzial
Die globale Luftfahrt ist für etwa 2,5 % der menschengemachten          nahezu emissionsfrei zu sein. Sie können in konventionellen Flugzeu-
CO2-Emissionen verantwortlich und trägt auch durch Nicht-CO2-           gen mit Drop-in-Kraftstoffen sowie in neuartigen Luftfahrzeugen mit
Effekte zur Erderwärmung bei. Darüber hinaus verschärft der Anstieg     Wasserstoff betrieben werden. Trotzdem nehmen derartige Antriebs-
des Luftverkehrsaufkommens die Situation zusätzlich. Zentrale Her-      konzepte Einfluss auf das Klima, der bis heute noch nicht vollständig
ausforderung ist es demnach, die Folgen für Mensch und Umwelt zu        verstanden ist. Um ein klares Bild zu erhalten, bedarf es weiterer
minimieren. Das Zusammenspiel aller Faktoren ist bisher noch unzu-      Forschung und Technologieentwicklung.
reichend erforscht und muss als Entscheidungsgrundlage für Indust-
rie und Politik besser verstanden werden.                               Elektrische Antriebe sind die derzeit einzige bekannte Alternative, die
                                                                        ohne Emissionen am Flugzeug auskommt.
Die evolutionäre Weiterentwicklung von Gasturbinenkonzepten in
Verbindung mit synthetischen Kraftstoffen ermöglicht bereits kurz-      Flugzeuge mit batterie-elektrischem Antrieb sind im Betrieb komplett
fristig einen signifikant emissionsreduzierten Luftverkehr. Drop-in-    emissionsfrei. Wegen der geringen Energiedichte von aktuellen Bat-
Kraftstoffe benötigen keine Änderungen am Triebwerk und können          terietechnologien erlauben sie jedoch nur eine relativ geringe Reich-
bereits heute die CO2-Emissionen um 40 % reduzieren. Durch neue         weite von rund 300 km. Daher eignen sich diese Luftfahrzeuge insbe-
Kraftstoffdesigns können zudem 50–70 % der Ruß- und Partikele-          sondere für den Bereich der Urban Air Mobility und für Reisen inner-
missionen vermieden werden. Die Wirkungen von Drop-in-Kraftstof-        halb von Ballungszentren oder als Zubringerflugzeuge. Durch die
fen lassen sich durch höhere Beimischungsraten von mehr als 50 %        Kombination von unterschiedlichen Energiespeichern in hybriden
maximieren. Hindernisse für eine Einführung in großen Mengen sind       Antrieben kann die Reichweite deutlich gesteigert werden. Turbo-
derzeit die Produktionskapazität und der Preis. Near-Drop-in-Kraft-     hybrid-elektrische Antriebssysteme mit alternativen Kraftstoffen
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Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt                                                                                           5

erlauben so einen emissionsfreien batterie-elektrischen Betrieb am       Während die Einführung einer neuer Technologien für die Weltflug-
Flughafen und gleichzeitig einen mindestens CO2-neutralen Betrieb        zeugflotte langwierig ist, könnten neue operative Maßnahmen wie
im Reiseflug. Aus heutiger Sicht hat die Brennstoffzelle in Verbindung   die Implementierung eines klimaschonenden Routings bereits in kür-
mit grünem Wasserstoff langfristig das Potenzial, ausreichende Leis-     zester Zeit auf einen wesentlichen Teil der Flotte angewendet wer-
tung und Reichweite für die kommerzielle Luftfahrt bereitzustellen.      den. Studien des DLR zeigen, dass bereits kleine Änderungen in der
Damit wäre ein weitgehend emissionsfreier Luftverkehr möglich.           Flugführung mit lediglich um 1 % erhöhten Betriebskosten zu einer
Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass ein reines Wasserstoff-Brennstoffzel-   Verringerung der Klimaauswirkungen um bis zu 10 % führen.
len-Flugzeug realisierbar sein sollte.
                                                                         Für das Ziel eines klimaneutralen Luftverkehrs darf der ökonomische
Da die Technologiereife alternativer Antriebslösungen für die Luft-      Flugzeug-Lebenszyklus jedoch nicht außer Acht gelassen werden:
fahrt derzeit noch sehr gering ist, besteht großer Forschungsbedarf in   Aspekte wie automatisierte Produktionsprozesse, die Digitalisierung
zahlreichen Bereichen: Leistungs- und Energiedichte von allen Kom-       in der Luftfahrt, die Verbindung von Konzept, Design und Fertigung
ponenten im System müssen erhöht werden; Lösungen für eine effi-         sowie Wartungsdaten spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwick-
ziente Speicherung von Wasserstoff müssen gefunden werden; im            lung und Einführung neuer Produkte. Ein klimaneutrales Flugzeug
Bereich Brennstoffzelle muss das Wärmemanagement optimiert und           muss in den operationellen Kontext gesetzt werden. Möglicherweise
eine revolutionäre Kühltechnologie entwickelt werden; weiterhin ist      erhöhte Kosten könnten durch ein einzigartiges Reiseerlebnis kom-
das Potenzial emissionsreduzierender Strukturen noch nicht ausge-        pensiert werden. Hierzu notwendige Technologien müssen ebenfalls
schöpft. Darüber hinaus müssen die Auswirkungen neuer                    entwickelt werden.
Antriebe auf das gesamte Flugzeug untersucht werden und die
aktuelle Flughafeninfrastruktur mit einbezogen werden. Um diese          Erst durch die enge Zusammenarbeit des Netzwerks aus Industrie,
Fragestellungen zu beantworten, sind sowohl numerische Analysen          Politik und Wissenschaft sowie Förderungen auf regionaler Ebene,
als auch systematische experimentelle und reale Flugversuche mit         über das Luftfahrtforschungsprogramm sowie weitere Maßnahmen
geeigneten Demonstratoren erforderlich.                                  auf nationaler und EU-Ebene kann das Ziel einer emissionsfreien Luft-
                                                                         fahrt erreicht werden.
Die Entwicklung zulassungsfähiger Technologien für klimaneutrale
(Langstrecken-) Flugzeuge ist bis 2040 möglich. Die Marktdurchdrin-
gung bis zur kompletten Flottenerneuerung erfordert enorme indus-
trielle Anstrengungen.
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INHALTS-
VERZEICHNIS
ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt                                               7

              1.     EINLEITUNG                                                             8

              2.     ZUKÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN AN DEN LUFTVERKEHR                       10
                     2.1. Der Einfluss des Luftverkehrs auf das Klima                      11
                     2.2. Luft- und Bodenreinhaltung sowie Umweltaspekte                   13
                     2.3. Lärm		                                                           15

              3.     VERBRENNUNGSBASIERTE KONZEPTE                                         16
                     3.1. Wirkungsgradoptimierung von klassischen Gasturbinen-Antrieben    17
                     3.2. Wirkungsgradoptimierung durch neue thermische Turbomaschinen     18
                     3.3. Verbrennung von Wasserstoff in der Gasturbine                    19
                     3.4. Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe                                 20

              4.     ELEKTRISCHES FLIEGEN                                                  24
                     4.1. Batterie-elektrische Antriebssysteme                             27
                     4.2. Turbo-hybrid-elektrische Antriebe                                28
                     4.3. Wasserstoff-Brennstoffzellen-hybrid-elektrische Antriebe         30
                     4.4. Struktur und Systemintegration in der Struktur                   34
                     4.5. Weitere Anforderungen für das elektrische Fliegen                36

              5.     VERBESSERTE FLUGROUTEN, BODENPROZESSE UND INFRASTRUKTUR               38
                     5.1. Flugführung mit minimaler Klimawirkung                           39
                     5.2. Bodenprozesse mit minimaler Klimawirkung                         41
                     5.3. Infrastruktur für neuartige Flugzeugantriebe                     41

              6.     DIE AUSWIRKUNG AUF FLUGZEUGEBENE                                      44
                     6.1. Konfigurative Möglichkeiten und Herausforderungen                45
                     6.2. Technologiefolgenabschätzung im gesamten Flugzeug-Lebenszyklus   49

              7.     DIE TRANSFORMATION DER LUFTFAHRTINDUSTRIE                             52
                     7.1. Hubschrauber                                                     53
                     7.2. Kleinflugzeuge und Urban Air Mobility                            53
                     7.3. Regionalflugzeuge                                                54
                     7.4. Kurzstrecke                                                      54
                     7.5. Mittel- und Langstrecke                                          55

              8.     FORSCHUNGS- UND TECHNOLOGIEBEDARF                                     56
                     8.1. Regionale Maßnahmen                                              57
                     8.2. Das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo)                           60
                     8.3. Weitere Maßnahmen auf nationaler Ebene                           61
                     8.4. EU-Ebene                                                         63

              9.     FAZIT		                                                               64
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EINLEITUNG
ZERO EMISSION AVIATION - EMISSIONSFREIE LUFTFAHRT - WHITE PAPER DER DEUTSCHEN LUFTFAHRTFORSCHUNG
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Einleitung                                                                                  9

Hinsichtlich des globalen Wachstums des Flugverkehrs ist die wich-         Die erfolgreiche Weiterentwicklung und Einführung neuer Technolo-
tigste Aufgabe für Forschung und Industrie, den ökologischen Fußab-        gien wird die Luftfahrt von morgen verändern. Unbemannte Prototy-
druck des Lufttransports deutlich zu reduzieren. Noch ist die Luftfahrt    pen-Luftfahrzeuge lassen einen Blick auf die urbane Luftmobilität der
für lediglich 2,5 % des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoßes             Zukunft zu. Erste Anwendungen unbemannter Luftfahrzeuge sind
verantwortlich. Zählt man die Effekte von Nicht-CO2-Emissionen wie         die Versorgung schlecht angebundener Gebiete und die Lieferung
Wasserdampf und Stickoxid hinzu, erhöht sich der Einfluss des Luft-        dringend benötigter Güter wie etwa Medikamente sowie die Unter-
verkehrs auf die globale Erderwärmung auf rund 5 %. Die Vision für         stützung von Einsatzkräften bei der Katastrophenhilfe. Unbemanntes
die Zukunft der Luftfahrt ist das emissionsfreie Flugzeug (Zero Emission   autonomes Fliegen wird aber auch als Lösung für den schnellen,
Aircraft) – ein Luftfahrzeug, das sowohl im Flug- als auch im Boden-       emissionsarmen Personentransport in urbanen Räumen oder zwi-
betrieb keine Schadstoffe emittiert. Dieses ambitionierte Ziel erfor-      schen Städten gesehen. Während für Reisen innerhalb von Ballungs-
dert substanzielle Forschungen und Entwicklungen in den Bereichen          gebieten oder zum nächstgrößeren Flughafen in naher Zukunft bat-
nachhaltige Kraftstoffe, Energieträger, neue Flugzeugkonzepte und          terie-elektrisch angetriebene Regionalflugzeuge eingesetzt werden,
Komponenten sowie alternative Antriebskonzepte.                            lösen Luftfahrzeuge mit Antriebskonzepten auf Basis von Brennstoff-
                                                                           zellen perspektivisch heutige Flugzeuge auf der Kurz- und Mittelstre-
Nachhaltige Kraftstoffe stellen ein großes Potenzial dar, da sie neben     cke ab. Auf der Langstrecke werden in den kommenden Jahren neue
der Reduktion von CO2-Emissionen die Freisetzung von Schadstoffen          Gasturbinenkonzepte in Verbindung mit nachhaltigen Kraftstoffen
wie Ruß verringern. Neben synthetischen Kraftstoffen ist der Einsatz       eine wichtige Technologie darstellen. Langfristig wir Wasserstoff eine
von Wasserstoff, der aus regenerativen Quellen erzeugt wurde, sinn-        zunehmend wichtigere Rolle spielen, da er eine hohe Energiedichte
voll. Die derzeit geringe Produktionskapazität, der hohe Herstellungs-     besitzt und aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann.
preis und weitere technologische Verbesserungen stellen heute noch         Perspektivisch sind aber auch der Einsatz turbo-hybrid-elektrischer
ein Hindernis dar, um herkömmliches Kerosin durch 100 % nachhal-           Antriebskonzepte und ein Brennstoffzellenantriebssystem auf der
tige Kraftstoffe zu ersetzen. Die hohen Anforderungen an das zu-           Langstrecke denkbar. Abhängig von der Kombination von Energieträ-
künftige Lufttransportsystem verlangen aber nicht nur die Weiterent-       ger und Antriebskonzept versprechen alle Konzepte eine größere
wicklung von bestehenden Technologien, sie fordern darüber hinaus          Reichweite gegenüber batterie-elektrisch angetriebenen Flugzeugen.
komplett neue Ansätze, um die negativen Umweltauswirkungen zu
minimieren. Elektrisches Fliegen mit Batterie oder Brennstoffzelle bie-    Neue Mobilitäts-, Antriebs- und Kraftstoffkonzepte erfordern neue
tet grundsätzlich die Möglichkeit, die steigenden Mobilitätsanforde-       und effiziente Luftfahrtstrukturen sowie damit einhergehende digita-
rungen mit minimaler Klimawirkung zu erfüllen. Der geringe Reife-          le Methoden. Die Luftfahrtstruktur von morgen muss modular und
grad der Technologien erfordert jedoch vielfältige Investitionen in        flexibel ein viel breiteres Mobilitätsspektrum bedienen, als es heute
Entwicklung, Produktion Zulassung und Infrastrukturen.                     noch der Fall ist.

Derzeit gibt es weder in Deutschland noch in Europa eine ausreichen-       Um die oben beschriebenen Technologien umfassend bewerten zu
de Produktionskapazität für Sustainable Aviation Fuel (SAF). Um die        können, ist eine disziplin-übergreifende Fähigkeit zum Entwurf und
SAF-Produktionskapazität auf ein wirksames und wirtschaftliches Le-        zur Bewertung des Gesamtsystems notwendig, welche die deutsche
vel anzuheben, sind klare politische Rahmenbedingungen ebenso              Luftfahrtlandschaft unbedingt wieder aufbauen, erhalten und konse-
unverzichtbar wie wirksame Förderungsinstrumente insbesondere für          quent weiterentwickeln sollte. Wesentlicher Forschungsbedarf be-
die Produzenten alternativer Kraftstoffe.                                  steht in der Komponentenentwicklung, der Integration der Kompo-
                                                                           nenten in das Flugzeug sowie dem Verständnis für die Auswirkungen
Aktuell wird in drei Kategorien unterschieden:                             aller Aspekte auf der Flugzeugebene und dem Gesamtsystem Luft-
  1. Drop-in-Kraftstoffe, die mit der heutigen Infrastruktur kompa-       fahrt. Für die Weiterentwicklung der Technologien und den Sicher-
      tibel sind                                                           heitsanspruch sind Flugversuche notwendig. Dafür sollten die Luft-
  2. Near-Drop-in-Kraftstoffe, die geringfügige Modifikationen            fahrtlandschaft und Politik Investitionen für ein zielgerichtetes De-
      im Flugzeug erfordern                                                monstratoren-Programm ermöglichen, das den Weg zu einem
  3. Non-Drop-in-Kraftstoffe, die eine erhebliche Modifikation            emissionsfreien Luftverkehrstransport von morgen ebnet.
      des Flugzeugs erfordern

Hieraus wird ersichtlich, dass der Fokus in Zukunft auf modularen
und multifunktionalen Strukturen liegen muss, da hinsichtlich neuer
Mobilitätskonzepte verschiedene Anwendungen mit verschiedenen
Kraftstofflösungen möglich sind.
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ZUKÜNFTIGE
HERAUSFOR-
DERUNGEN
AN DEN
LUFTVERKEHR
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr                                                                        11

                                                                                                      CO2

                                                                                              Ozone (fast)
Messungen zeigen, dass sich das                                                    NOX           Methane

Klima ändert und der globale Luft-                                                           Ozone (PMO)

                                                                                                 Total NOx
verkehr durch seinen Schadstoffaus-                                                         Water vapour

stoß zur Klimawirkung beiträgt. Die                                               Sulphate aerosol (direct)

                                                                                      Soot aerosol (direct)

Einflüsse der unterschiedlichen Emis-                                                      Aerosol (direct)

sionsarten sind derzeit jedoch noch                                                  Line-shaped contrails

                                                                                            Induced cirrus

nicht vollständig verstanden, um die                                                        Contrail cirrus

Herausforderung „Umweltschutz im                                                                         -100             -50               0
                                                                                                                                       RF [mW m-2]
                                                                                                                                                            50          100

Luftverkehr“ adäquat zu adressieren.                                                  Søvde et al. (2014): EMAC, multi-model mean              Burkhardt and Kärcher (2011)
                                                                                      Righi et al. (2013): reference case, parameter span      Schumann and Graf (2013)
                                                                                      Voigt et al. (2011)                                      Schumann et al. (2015)
                                                                                                                                               Bock and Burkhardt (2016)

                                                                                Strahlungsantriebe aufgrund der CO2-Emissionen und der Nicht-CO2-
2.1.                                                                            Effekte des Luftverkehrs. Die Symbole beruhen auf einer Auswahl
                                                                                von Arbeiten, die in jüngerer Zeit erschienen.
DER EINFLUSS DES LUFTVERKEHRS AUF DAS
KLIMA

Der Luftverkehr ist für rund 2,5 % der weltweiten anthropogenen                 Neben CO2 tragen eine Reihe weiterer Emissionen des Luftverkehrs
CO2-Emissionen des Jahres 2018 verantwortlich. Der Anteil könnte                ebenfalls zu einer Änderung des Strahlungshaushaltes bei und liefern
sich während der kommenden Jahrzehnte bis 2050 noch verdoppeln,                 so einen Beitrag zur Klimaänderung. Hier sind vor allem der Wasser-
so die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Der Einfluss von         dampf, die Stickoxid-Emissionen, die direkten und indirekten Aerosol-
Emissionen auf die globale Erderwärmung wird durch den Strah-                   effekte und Kondensstreifen-Zirren zu nennen. Diese Nicht-CO2-Effek-
lungsantrieb beschrieben, das heißt durch die Änderung der Gesamt­              te wurden schon in den 1980er und 1990er Jahren diskutiert und 1999
energiebilanz des Planeten, die letztlich die Temperaturänderung be-            in einem Sonderbericht des Internationalen Ausschusses für Klimaän-
einflusst. Positive Strahlungsantriebe führen zu einer Erwärmung,               derungen (IPCC, Aviation and the Global Atmosphere) zusammenfas-
negative zu einer Abkühlung. Das durch den Menschen verursachte                 send vorgestellt. Es wurde geschätzt, dass der gesamte Strahlungsan-
CO2 – inklusive dem aus dem Luftverkehr – verursacht einen positiven            trieb des Luftverkehrs für die dort untersuchten Szenarien zwischen
Strahlungsantrieb und führt damit zu einer Erwärmung der Erde.                  zwei- und viermal höher war als der der CO2-Emissionen allein. Die
                                                                                Existenz und die Auswirkungen solcher Effekte sind zwar anerkannt,
12

                                „Es besteht großer Forschungsbedarf
                           hinsichtlich der Klimawirkung unterschiedlicher
                           Emissionsarten – insbesondere der Auswirkung
                                          von Wasserdampf.“

aber ihre Quantifizierung ist aufgrund der vielen komplexen nicht-line-    H2O. Ähnlich wie das CO2 wirkt H2O im langwelligen Teil der Strah-
aren Prozesse bislang nur mit großen Unsicherheiten gelungen. Klar ist,    lung, also der thermischen Ausstrahlung der Erde. Die Größe des
der bei Weitem größte Beitrag stammt vom Reiseflug.                        Strahlungsantriebs hängt von der Temperaturdifferenz zwischen dem
                                                                           Boden und der Höhe ab, in der sich die Substanz befindet. In Reise-
KOHLENSTOFFDIOXID (CO2)                                                    flughöhe ist die Atmosphäre besonders kalt und somit der Strahlungs-
CO2 ist der größte Bestandteil der Flugzeugemissionen. Das Gas mischt      antrieb besonders groß.
sich in der Atmosphäre nahezu homogen mit dem gleichen direkten
Erwärmungseffekt, der auftritt, wenn es aus anderen Verbrennungs-          Der aufgrund des Luftverkehrs zusätzliche Wasserdampf führt zu einer
quellen fossiler Brennstoffe emittiert wird. Der Kraftstoffverbrauch er-   Erwärmung der Atmosphäre. Durch die starke Ortsabhängigkeit des
zeugt unabhängig von der Flugphase CO2 im Verhältnis 3,15 kg CO2           Strahlungsantriebs von H2O liegt hier ein Optimierungspotenzial für die
pro 1 kg Kraftstoffverbrauch. Aufgrund seiner verlängerten Lebens-         Flugführung. Außerdem besteht Forschungsbedarf hinsichtlich seines
dauer in der Atmosphäre ist CO2 als Krafthausgas besonders wirksam.        Einflusses auf Wolken.
Nach der Emission einer bestimmten Menge des Gases wird über 30
Jahre etwa die Hälfte aus der Atmosphäre entfernt, weitere 25 % ver-       STICKOXIDE (NOX)
schwinden innerhalb einiger hundert Jahre und die restlichen 25 %          Als unerwünschtes Nebenprodukt entstehen bei der Verbrennung
sind nach tausend Jahren noch in der Atmosphäre und werden nur             auch Stickoxide (NOX) aufgrund der Oxidation von Stickstoff aus der
sehr langsam entfernt.                                                     Luft. Die NOX-Emissionen wirken in Reaktion mit einer Vielzahl weite-
                                                                           rer Kohlenwasserstoffe in der Atmosphäre auf die Temperatur der
WASSERDAMPF (H2O)                                                          Erde. Das primär entstehende Ozon (O3) hat eine atmosphärische
Als wesentliches Reaktionsprodukt aus der Verbrennung von Kohlen-          Lebensdauer von zwei bis acht Wochen und wird daher nicht homo-
wasserstoffen wie Kerosin entsteht Wasserdampf (H2O) – analog zu           gen in der Atmosphäre verteilt. Es bewirkt vor allem im langwelligen
Verbrennungsprozessen in anderen Sektoren wie dem Straßenverkehr           Teil der Strahlung eine Erwärmung der Atmosphäre. Dieser Effekt ist
und der Schifffahrt. Beim Luftverkehr wird ein großer Anteil des H2O       nicht zu verwechseln mit dem Effekt des sogenannten Ozonlochs
jedoch in Reiseflughöhe emittiert, das heißt zwischen acht und drei-       über den UV-Teil der Strahlung, mit dem Krebserkrankungen in Zu-
zehn Kilometern Höhe. Dort ist die natürliche Hintergrundkonzentra-        sammenhang gebracht werden. Ein Nebeneffekt der oben genann-
tion des Wasserdampfs um mehrere Größenordnungen geringer als in           ten O3-Produktion ist der Abbau von Methan (CH4) in der Atmosphä-
Bodennähe und die atmosphärische Lebensdauer des H2O deutlich              re und in der Folge eine Verringerung der natürlichen O3-Produktion
länger. Gleichzeitig ist sie mit einigen Tagen bis einigen Wochen je-      sowie eine verringerte Bildung von stratosphärischem Wasserdampf.
doch zu gering, um eine homogene Verteilung (horizontal und verti-         Die Zeitskalen dieser Prozesse liegen im Bereich von 10 Jahren und sie
kal) des zusätzlichen H2O zu erlauben. Daher liefert hier der Luftver-     führen zu einer leichten Abkühlung der Erde.
kehr einen merkbaren Beitrag zur lokalen Gesamtkonzentration des
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr                                               13

Betrachtet man aber alle hier genannten Prozesse, die ursprünglich              die Atmosphäre eingebrachten Aerosole können sich jedoch in der
auf den NOX-Emissionen des Luftverkehrs beruhen, so führen diese in             Atmosphäre zu Wolkenkondensationskernen weiterentwickeln. Da-
Summe zu einer Erwärmung der Erde.                                              mit beeinflussen sie dann „natürliche“ Wolken. Wenn mehr Konden-
                                                                                sationskerne vorhanden sind, gibt es mehr Wolkentröpfchen und
KONDENSSTREIFEN-ZIRREN                                                          -kristalle, die jedoch kleiner sind. Damit werden Wolken langlebiger
Bei geeigneten thermodynamischen Bedingungen führen die Wasser-                 und reflektieren mehr Sonneneinstrahlung. Zudem können Konden-
dampfemissionen des Luftverkehrs zur Bildung von linienförmigen                 sationskerne weit transportiert werden und erst dann die Bildung
Kondensstreifen, die zu linienförmigen Wolken wachsen und soge-                 neuer Wolken ermöglichen, sobald die passenden Hintergrundbedin-
nannte Kondensstreifen-Zirren bilden, die kaum noch von natürlichen             gungen vorliegen.
Zirren zu unterscheiden sind. Die Lebensdauer solcher Wolken liegt
zwischen wenigen Minuten bis zu etlichen Stunden. Je nach ihren Ei-             Hinsichtlich der Wirkung der Kondensationskerne aus dem Luftver-
genschaften und den Strahlungsbedingungen wirken diese anthro-                  kehr gibt es nur erste Abschätzungen. Vermutlich modifizieren die
pogenen Wolken im Einzelfall erwärmend oder kühlend. Über den                   abgesunkenen Kondensationskerne niedrige (warme) Wasserwolken
Globus und den ganzen Tag gemittelt erwärmen Kondensstreifen                    so, dass ein abkühlender Effekt entsteht. Wegen der ungenauen
und Kondensstreifen-Zirren gegenwärtig die Erde. Der zugehörige                 Kenntnis der Prozesse, die die Aerosole durchlaufen, sind die Ab-
Strahlungsantrieb ist größer als der aus dem CO2 allein. Durch die              schätzungen des dazu gehörenden Strahlungsantriebs bestenfalls auf
starke Abhängigkeit der Wirkung von den lokalen Bedingungen bie-                einen Faktor zehn bekannt. Für höher liegende Eiswolken lassen sich
tet dieser Emissionsbeitrag ebenfalls das Potenzial für die Optimie-            noch keine belastbaren Aussagen treffen. Deshalb werden derzeit die
rung von Flugrouten.                                                            indirekten Aerosoleffekte des Luftverkehrs bei der Gesamtbewertung
                                                                                seiner Klimawirkung in der Regel nicht berücksichtigt. Daher sind
Insbesondere hinsichtlich der Prognosefähigkeit und Kondensstrei-               bessere Messungen und Modelle dieser Effekte nötig.
fen-Zirren bei Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb besteht heute noch
Forschungsbedarf.
                                                                                2.2.
DIREKTE UND INDIREKTE AEROSOLEFFEKTE                                            LUFT- UND BODENREINHALTUNG SOWIE
Der Luftverkehr emittiert sowohl Aerosole wie zum Beispiel Ruß als              UMWELTASPEKTE
auch Aerosolvorläufer wie Stickstoff- und Schwefelverbindungen,
aus denen sich Aerosole bilden. Diese haben eine Lebensdauer von                Neben den Wirkungen auf das Klima hat der Flugverkehr auch einen
Tagen bis Wochen. Je nach Typ wirken sie abkühlend (zum Beispiel                Einfluss auf die lokale Luftqualität an Flughäfen und deren Umge-
sulfathaltige Aerosole) oder erwärmend (zum Beispiel Ruß). Insge-               bung. Hierbei liegen besonders die ultra-feinen Partikel mit einem
samt sind ihre Beiträge zur Klimaänderung jedoch gering. Die so in              Durchmesser kleiner als 100 nm, die auch im Straßenverkehr eine
EMISSIONSENTWICKLUNG
 1990 – 2017 FÜR KLASSISCHE LUFT-
 SCHADSTOFFE

 Emission trends for Germany since 1995, PM10 in kt

 100

  80
                                                                       Transport
                                                                       Road transport
                                                                       Aviation
  60

  40
                                                                                             Rolle spielen, im Fokus der Betrachtung. Das liegt insbesondere an
                                                                                             den erwarteten toxikologischen Eigenschaften der freigesetzten Par-
                                                                                             tikel. Es gibt zwar diesbezüglich noch keine abschließende Bewer-
  20                                                                                         tung, allerdings sind die von Flugzeugtriebwerken und Auxiliary
                                                                                             Power Units (APUs) emittierten Partikel aufgrund ihrer Größe von
                                                                                             weniger als 30 nm in der Lage bis tief in die menschliche Lunge
                                                                                             einzudringen. Zudem sind die ultra-feinen Partikel im regulären
   0                                                                                         Umweltmonitoring noch nicht erfasst und es existieren noch keine
        1995

               1997

                      1999

                             2001

                                    2003

                                           2005

                                                  2007

                                                         2009

                                                                2011

                                                                        2013

                                                                               2015

                                                                                      2017

                                                                                             verbindlichen Messstandards.

                                                                                             Aufgrund der Emissionszertifizierung von Triebwerken – seit Kurzem
                                                                                             auch in Hinblick auf ultra-feine Partikel-Emissionen – ist zwar davon
                                                                                             auszugehen, dass sich die Datenlage für zukünftige Umwelt- und
 Emission trends for Germany since 1995, NOX in kt
                                                                                             Ausbreitungsmodellierungen an Flughäfen verbessern wird, aller-
                                                                                             dings werden diese Partikel in Umwelt- und in Zertifizierungsmessun-
                                                                                             gen unterschiedlich betrachtet. Während in der Umweltanalytik stets
1.400                                                                                        die Gesamtheit aller luftgetragenen Partikel erfasst wird, fokussieren
                                                                                             zertifizierende Prüfstandsmessungen auf die Fraktion der nicht-ver-
                                                                       Transport             dampfbaren Partikel. Diese Fraktion der Partikel kann nachweisbar in
1.200                                                                  Road transport        erheblichem Maße direkt durch moderne Triebwerkstechnologien
                                                                       Aviation              und alternative Kraftstoffe verringert werden. Sekundäre Partikel, die
                                                                                             sich erst im alternden Abgas bilden, zum Beispiel aus den emittierten
1.000                                                                                        Schwefel- und Stickstoffverbindungen, werden allerdings ebenfalls in
                                                                                             hohen Konzentrationen beobachtet. Zu ihrer Reduktion sind haupt-
                                                                                             sächlich schwefelarme oder schwefelfreie Kraftstoffe vielverspre-
 800
                                                                                             chend, um die lokale Luftqualität an Flughäfen zu verbessern. Im
                                                                                             Vergleich mit anderen Quellen von Feinstaub bildet die Luftfahrt hier
 600                                                                                         natürlich auch nur einen geringeren Anteil der Emissionen von etwa
                                                                                             1 % ab.

 400                                                                                         Derzeit werden die Grenzwerte für Stickoxide in Flughafennähe noch
                                                                                             nicht überschritten. Fließen jedoch künftig auch Grenz- und Richt-
                                                                                             werte von ultra-feinen Partikeln in die Schadstoffbewertung ein oder
 200                                                                                         werden die Grenzwerte weiter limitiert, ist die Gefahr einer Über-
                                                                                             schreitung gegeben. Daher sollte sowohl hinsichtlich Messstandards
                                                                                             als auch weiterer Emissionsreduktion proaktiv gehandelt werden.
   0
        1995

               1997

                      1999

                             2001

                                    2003

                                           2005

                                                  2007

                                                         2009

                                                                2011

                                                                        2013

                                                                               2015

                                                                                      2017
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Zukünftige Herausforderungen an den Luftverkehr                                                   15

                            „Falls alle Potenziale genutzt werden, rückt eine
                             klimaneutrale Luftfahrt in erreichbare Nähe.“

2.3.
LÄRM

Die Schallabstrahlung heutiger Verkehrsflugzeuge wird maßgeblich                Eigenschaften wie das Frequenzspektrum und dessen zeitlichen Ver-
beim Start durch die Turbofan- und Turboprop-Antriebe, beim Lan-                lauf beeinflusst. So ist ein isolierter Ton wesentlich störender als ein
den zusätzlich durch Strömungsgeräusche am Flugzeug wie zum                     gleichmäßiges Rauschen. Dasselbe gilt für sich stark ändernde Lärm-
Beispiel Klappen und das Fahrwerk bestimmt. Zusätzlich entstehen                pegel. Der Fluglärm führt insgesamt dazu, dass die Akzeptanz der
Schallquellen durch aerodynamische Wechselwirkung von Kompo-                    Anwohner von Flughäfen für den dort stattfindenden Luftverkehr
nenten. Ein eher untergeordneter Anteil des Flugzeuggeräuschs rührt             sinkt und operative Beschränkungen wie Nachtflugverbote eingeführt
aus dem Kerntriebwerk, das mittels Gasturbine die Leistung für den              wurden. Mögliche Maßnahmen zur Lärmreduktion sind eine niedrigere
eigentlichen Antrieb bereitstellt. Die Wahrnehmung dieses Fluglärms             fan-tip-Geschwindigkeit, Abschirmung oder verteilte Antriebe.
wird neben seinem reinen Schallpegel maßgeblich durch weitere

AKTUELLER HANDLUNGSBEDARF

Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 haben sich                In Verbindung mit dem steigenden Wachstum des Luftverkehrs wird die
195 Länder erstmalig auf ein rechtsverbindliches, weltweites Klima-             zentrale Herausforderung sein, das Wachstum von seinen Folgen für
schutzübereinkommen geeinigt. Die Staaten verständigten sich darauf,            Mensch und Umwelt zu entkoppeln. Dieses Ziel verfolgt eine Forschungs-
durch eine wesentliche Emissionsminderung die globale Durchschnitts­            politik der geringsten Umweltbelastung – „least impact avia­tion“. Die
temperatur auf den Anstieg von unter 2 °C zu begrenzen, um die Fol-             Luftfahrtforschung untersucht vielversprechende technologische und
gen des Klimawandels deutlich zu reduzieren. Wie beschrieben, haben             operationelle Möglichkeiten für diesen Ansatz, die im Folgenden darge-
durch die Luftfahrt verursachte Emissionen in mehreren Hinsichten ei-           stellt und erläutert werden. Neben verbrennungsbasierten Konzepten
ne schädliche Wirkung und müssen daher zwingend reduziert werden.               wie alternativen Kraftstoffen und Wasserstoff in Verbindung mit neuen
Dabei reicht eine reine Betrachtung der CO2-Emissionen nicht aus.               Gasturbinenkonzepten liegt der Fokus auf (hybrid-) elektrischen Antrie-
Beispiele wie die Weltumrundung durch das Solarflugzeug SolarImpulse            ben, der Erforschung und dem Einsatz schallreduzierender Materialien
oder erste elektrische Flugzeug-Produkte in Nischen wie Trainingsflug-          und Strukturen im Luftfahrtbereich sowie auf den Anforderungen an eine
zeuge zeigen, dass komplett emissionsfreie Luftfahrzeuge prinzipiell            zukünftige Infrastruktur. Außerdem werden innovative Konzepte der
möglich sind. Für größere Flugzeuge ist eine emissionsfreie oder auch           Flugführung betrachtet. Alle Aspekte wirken sich auf die Flugzeugebene
nur emissionsneutrale Lösung extrem schwer zu realisieren, solange              aus und bringen unterschiedliche Anforderungen an die Konfiguration
Kohlenwasserstoffe für die Energiegewinnung eingesetzt werden, da               eines Flugzeugs mit sich.
diese immer CO2 und H2O erzeugen. Falls jedoch alle Potenziale genutzt
werden, rückt eine klimaneutrale Luftfahrt in erreichbare Nähe, bei der
Emissionen weitgehend reduziert und durch klimaoptimierte Flugfüh-
rung deren Wirkung in der Atmosphäre stark verringert werden.
VERBRENNUNGS-
BASIERTE
KONZEPTE
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte                                                                    17

                                                                                   3.1.
                                                                                   WIRKUNGSGRADOPTIMIERUNG VON KLAS-
Derzeitige Flugzeugantriebe für die                                                SISCHEN GASTURBINEN-ANTRIEBEN
kommerzielle Luftfahrt basieren fast
                                                                                   Mit der Einführung der ersten Strahltriebwerke auf Basis von Gastur-
ausschließlich auf der Verbrennung                                                 binen in der kommerziellen Luftfahrt in den 1960er Jahren hat sich
                                                                                   der Luftverkehr zu einem Massenverkehrsmittel mit mehr als
von Kerosin in Gasturbinen. Dieses                                                 4 Mrd. Passagieren im Jahr 2017 entwickelt. Seitdem konnte der
Prinzip bewährt sich aufgrund seiner                                               spezifische Verbrauch der Gasturbine nahezu halbiert werden.

hohen spezifischen Leistung, wegen                                                 Erreicht wurde dies vor allem durch höhere Nebenstromverhältnisse
                                                                                   (von ~ 1 bis heute 12), die den Vortriebswirkungsgrad verbessern,
seiner hohen Effizienz und aufgrund                                                durch höhere Gesamtdruckverhältnisse (von ~ 15 bis heute 50) und
seiner kompakten und leichten                                                      Turbineneintrittstemperaturen, die den thermischen Wirkungsgrad
                                                                                   steigern. Weitere Verbesserungen wurden erzielt durch erhöhte Wir-
Bauweise. Allerdings werden immer                                                  kungsgrade aller Komponenten, Optimierung der Installation oder
                                                                                   den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen.
Kraftstoffe verbrannt und damit oben
beschriebene Emissionen ausgesto-                                                  Die wichtigste Neuentwicklung der letzten Jahrzehnte im Bereich der
                                                                                   Flugantriebe ist das Getriebefan-Triebwerk, das Pratt & Whitney zu-
ßen. Mögliche Wege, diese Emissio-                                                 sammen mit MTU entwickelt hat. Im Gegensatz zum konventionellen
                                                                                   Turbofan, bei dem Fan und Niederdruckturbine auf einer Welle mit
nen zu reduzieren, sind eine weitere
Erhöhung des Wirkungsgrades von
Gasturbinen, die Einführung von
neuen Gasturbinenkreisprozessen
mit verminderter Schadstoffemission
und Klimawirkung sowie der Einsatz
nachhaltiger Kraftstoffe wie synthe-
tisches Kerosin oder Wasserstoff.
                                                                                   Das virtuelle Triebwerk ermöglicht eine hochakkurate Designfähigkeit
18

gleicher Drehzahl laufen, sind beim Getriebefan beide Komponenten        schritte und die Anzahl der Bauteile optimiert werden können. Unter-
durch ein Getriebe miteinander verbunden. Damit kann der große Fan       stützt wird dies durch die digitale Abbildung der Struktur (Digitaler
langsamer und die Niederdruckturbine schneller drehen. Das ermög-        Zwilling).
licht hohe Nebenstromverhältnisse (> 12) für hohen Vortriebswir-
kungsgrad und verbessert die Wirkungsgrade von Fan und Nieder-
druckturbine, sodass der Kraftstoffverbrauch und damit der Kohlendi-     3.2.
oxidausstoß sowie die Lärmemission deutlich sinken. Außerdem wird        WIRKUNGSGRADOPTIMIERUNG DURCH
der Antrieb leichter, da weniger Stufen in der Niederdruckturbine und    NEUE THERMISCHE TURBOMASCHINEN
im Niederdruckverdichter benötigt werden. Aktuelle Studien zeigen,
dass auf Basis des Getriebefan-Triebwerks weitere Verbesserungen         Eine weitere Steigerung von Gesamtdruckverhältnis und Turbinenein-
möglich sind. So soll der Vortriebswirkungsgrad durch höhere Neben-      trittstemperatur stößt zunehmend an Grenzen. Höhere Temperaturen
stromverhältnisse (bis zu 20) weiter verbessert werden und der thermi-   sind durch die zulässigen Materialtemperaturen begrenzt, die auch
sche Wirkungsgrad durch höhere Temperaturen und Druckverhältnis-         nicht durch größere Kühlluftmengen kompensiert werden
se (bis zu 70). Die Ergebnisse der aktuell abgeschlossenen EU-Techno-    können, und höhere Druckverhältnisse führen in den letzten Verdich-
logieprogramme des 7. Rahmenprogramms zeigen, dass                       terstufen zu sehr kleinen Schaufelhöhen und damit zu schlechten
Weiterentwicklungen des Getriebefan-Triebwerks den Kraftstoffver-        Wirkungsgraden.
brauch um 25 %–36 % je nach Anwendung gegenüber einem Trieb-
werk aus dem Jahr 2000 reduzieren können.                                In verschiedenen nationalen und europäischen Forschungsprogram-
                                                                         men werden deshalb Optionen für die Überwindung dieser Grenzen
Das Getriebefan-Triebwerk wird daher für die nächsten Jahrzehnte         untersucht. Folgende Ideen erscheinen vielversprechend:
den Standardantrieb in der kommerziellen Luftfahrt bilden. Aktuell
werden die notwendigen Technologien wie integrierte Verdichtungs-        • Die Kühlung der verdichteten Luft zwischen Niederdruck- und
und Expansionssysteme oder Hochtemperatur-Leichtbauwerkstoffe               Hochdruckverdichter durch einen Zwischenkühler verbessert zu-
für die nächste Generation des Getriebefan-Triebwerks erarbeitet.           sammen mit höheren Gesamtdruckverhältnissen den thermischen
Konzepte wie Blisks und Leichtbau Fans (CFK-Fan) und Produktions-           Wirkungsgrad.
verfahren wie 3D-Druck bieten weiteres Optimierungspotenzial.            • Einen Schritt weiter geht die Gasturbine mit Zwischenkühler und
                                                                            Abgaswärmetauscher. Hier wird die Energie, die mit dem Abgas der
Hier zeigt sich, dass das Potenzial zur Schaffung emissionsreduzieren-      Turbine an die Umgebung abgeführt wird, mittels eines Abgaswär-
der Strukturen bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Durch die Integra-        metauschers zur Erwärmung der verdichteten Luft zwischen Ver-
tion diverser Funktionen in die Struktur entstehen erhebliche Leicht-       dichteraustritt und Brennkammereintritt genutzt. Damit reduziert
baupotenziale und Möglichkeiten Gewicht und Produktionskosten zu            sich die notwendige Brennstoffzufuhr in der Brennkammer und der
reduzieren, da durch integrale, multifunktionelle Strukturen Prozess-       thermische Wirkungsgrad steigt an.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte                                                                     19

                                   „Das DLR wies nach, dass alternative
                              Kraftstoffe die CO2- Emissionen um 40 % und
                                die Nicht-CO2-Emissionen um bis zu 70 %
                                           reduzieren können.“

• Ebenfalls die Energie im Abgas nutzen sogenannte Bottoming-Pro-                  werden Brennstoff, Luft und Abgas stark gemischt, bevor sie in der
   zesse, die die Abgasenergie der primären Gasturbine einer zusätzli-              Verbrennung eingesetzt werden, um lokale Temperaturspitzen in
   chen Wärmekraftmaschine wie einem Dampfkraftprozess zufüh-                       der Flamme und NOX-Bildung zu vermeiden. Weitere Vorteile jen-
   ren, der zusätzliche Leistung erzeugt. Stationäre Gasturbinen errei-             seits der geringeren Emissionen sind hohe Stabilität und große
   chen mit diesem Prinzip extrem hohe Wirkungsgrade, sind aber in                  Brennstoffflexibilität.
   der Luftfahrt wegen des großen Bauraums nicht einsetzbar. Eine
   mögliche Abwandlung wäre der „Water Enhanced Turbofan
   (WET)“ Prozess, der von MTU entwickelt wird. Er nutzt die Turbine               3.3.
   des Gasturbinenprozesses auch für den Dampfkraftprozess, indem                  VERBRENNUNG VON WASSERSTOFF IN DER
   Dampf in die Brennkammer der Gasturbine eingespritzt wird. Das                  GASTURBINE
   benötigte Wasser wird dabei direkt aus dem Abgas der Turbine
   abgeschieden. Durch die nasse Verbrennung wird zusätzlich die                   Die Nutzung von Wasserstoff in Gasturbinen ist nicht neu und sie ist
   Emission von NOX gesenkt und die Bildung von Kondensstreifen                    ohne grundlegende Veränderungen des Gesamtsystems möglich.
   wird wahrscheinlich durch die Kondensation des Wassers im Abgas                 Insbesondere im Bereich der stationären Gasturbinen bereiten sich
   stark vermindert. Die größte Herausforderung für dieses Antriebs-               die Hersteller auf eine Nutzung von Wasserstoff als Energieträger vor
   konzept liegt im Design von im Flugzeug integrierbaren Kondensa-                und planen, ihr Produktportfolio bis 2030 auch für 100 % Wasser-
   toren und Dampferzeugern.                                                       stoff anbieten zu können.
• Zur weiteren Drucksteigerung bieten sich verschiedene Wege an
   wie der Einsatz eines Kolbenmotors, die „Pulse Detonation“ (explo-              Der größte Entwicklungsbedarf bei der Gasturbine liegt im Bereich
   sionsartige Verbrennung mit Druckerhöhung) oder das Prinzip des                 der Brennkammer. Hier besteht die Herausforderung, den Wasser-
   „Wave Rotors“ (Druckerhöhung durch Druckwellen). So könnte die                  stoff sicher und mit möglichst geringen NOX-Emissionen stabil und
   Verbrennung in einen Freikolbenmotor ausgelagert werden, der                    unter den sehr weiten Betriebsbedingungen in der Fluggasturbine zu
   über einen Freikolbenverdichter den Druck erhöht. Da die Verbren-               nutzen. Aufgrund eines erweiterten Stabilitätsbereichs beim Einsatz
   nung hier nicht kontinuierlich abläuft, sind die gesteigerten Drücke            von Wasserstoff kann die Verbrennung bei magereren Bedingungen
   und Temperaturen für das Material akzeptabel. Die größte Heraus-                betrieben werden. Dies reduziert die Flammentemperatur und ist so-
   forderung sind dabei die gesteigerten NOX-Emissionen aufgrund                   mit vorteilhaft hinsichtlich der thermischen NOX-Produktion, sodass
   der hohen Temperaturen und die Kopplung des kontinuierlichen                    mit geeigneten Brennertechnologien auch im Wasserstoffbetrieb
   Turbinenprozesses mit dem diskontinuierlichen Kolbenprozess.                    eine sehr NOX-arme Verbrennung möglich ist. Wasserstoff ist durch
• Ein vielversprechender Kandidat im Bereich der Brennkammern ist                 seine hohe Reaktivität, aber auch durch die komplexe Druckabhän-
   der FLOX-Brenner für Gasturbinen. Obwohl dieser ursprünglich für                gigkeit seines Zündverhaltens in herkömmlichen Verbrennungs-
   Industriezwecke entwickelt wurde, wird er gegenwärtig vom DLR                   systemen nicht ohne Weiteres nutzbar. Deshalb besteht an dieser
   zusammen mit Industriepartnern für die Luftfahrt adaptiert. Dabei               Stelle noch erheblicher Entwicklungsbedarf im Bereich neuartiger
20

                                                                         begrenzten und teuren Produktionsmöglichkeiten von synthetischen
                                                                         Kraftstoffen an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist die Auslegung
                                                                         eines effizienten Flugzeugs hinsichtlich Antrieb, Aerodynamik, Leicht-
                                                                         bau und Flugregelung weiterhin von sehr großer Bedeutung. In die-
                                                                         ser Hinsicht muss sich die traditionelle Luftfahrt transformieren, um
                                                                         den Herausforderungen der Luftfahrt von morgen adäquat begeg-
                                                                         nen zu können.

                                                                         3.4.
                                                                         EINSATZ NACHHALTIGER KRAFTSTOFFE

Wasserstoffeinspeisungs-Verbrennung am DLR in Stuttgart                  Dem Energieträger kommt in der Luftfahrt eine außerordentliche
                                                                         Bedeutung zu, da der Energiebedarf extrem hoch, aber gleichzeitig
                                                                         sowohl das verfügbare Volumen als auch die mitzuführende Kraft-
                                                                         stoffmasse limitiert sind. Zudem hat die Sicherheit oberste Priorität.
Brennkammertechnologien, welche eine schadstoffarme, flashback-          Alle drei Punkte erfüllt zurzeit konventionelles Kerosin als hochspezi-
resistente Verbrennung von Wasserstoff ermöglichen. Mit ausrei-          alisiertes, sicheres und günstiges Produkt. Zudem hat der Energieträ-
chenden Entwicklungsanstrengungen können die NOX-Emissionen              ger eine große Bedeutung für die entstehenden Emissionen. Dabei
jedoch so weit abgesenkt werden, dass diese nicht mehr nachweisbar       muss zwischen lokalen Emissionen am Flugzeug und Emissionen über
klimawirksam sind. Darüber hinaus ändert sich durch die Nutzung          den gesamten Lebenszyklus unterschieden werden. Dies betrifft so-
von Wasserstoff die Zusammensetzung des Abgases. Der höhere              wohl den Effekt von CO2 auf das Klima als auch die oben
Anteil an Wasser führt zu anderen Wärmeübergängen an Bauteilen,          beschriebenen Nicht-CO2-Effekte. Um den Nutzen von nachhaltigen
somit wird eine Anpassung der Kühlungskonzepte notwendig.                Kraftstoffen fundiert zu bewerten, fehlen einheitliche Nachhaltig-
                                                                         keitskriterien. Diese sollten beispielsweise die Systemgrenzen definie-
Flugzeuge mit einer hohen Reichweitenforderung wie Mittel- und           ren und die Messung der verschiedenen Emissionen festlegen.
Langstreckenflugzeuge benötigen ein entsprechend großes Volumen
zur Unterbringung des flüssigen Wasserstoffs. Hierdurch ist mit Leis-    KOHLENWASSERSTOFF-BASIERTE KRAFTSTOFFE
tungseinbußen aufgrund des größeren aerodynamischen Widerstands          Um vorhandene Flugzeuge und Infrastruktur weiterhin nutzen zu
und der höheren Strukturmasse zu rechnen. Die Auswirkungen einer         können, wurde in der Zulassung für nachhaltige Luftfahrt-Kraftstoffe
großen Menge an Wasserdampf in Verbindung mit Verbrennungspro-           das Drop-in-Konzept eingeführt. Dabei handelt es sich um zugelasse-
zessen auf die Komponenten der Gasturbine sind heute noch unklar.        ne Mischungen aus synthetischen und konventionellen Kraftstoffen.
In diesem Zusammenhang bietet es sich an, je nach Mobilitätskonzept      Sie können in allen Flugzeugen und Infrastrukturen ohne Einschrän-
unterschiedliche Kraftstoffkonzepte zu erarbeiten.                       kung und Modifikation bereits heute exakt wie konventionelle Kraft-
                                                                         stoffe genutzt werden. Derzeit sind bis zu 50 % Beimischung zu
Je nach Kraftstoffpreisszenario und Reichweite stellen die Kraftstoff-   herkömmlichem Kerosin zugelassen. Im gesamten Lebenszyklus kann
kosten ~ 20–50 % der direkten Betriebskosten dar. Die klassischen        reines synthetisches Kerosin im Vergleich mit fossilem Kerosin die
Technologieverbesserungen hinsichtlich Triebwerkseffizienz, aerody-      CO2-Emissionen um 80 % reduzieren, falls der ökologische Fußab-
namischer Güte und strukturellen Leichtbaus werden aufgrund der          druck der Herstellungsanlage selbst eingerechnet wird.
Zero Emission Aviation – Emissionsfreie Luftfahrt: Verbrennungsbasierte Konzepte                                                                       21

Projekte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wie                  de fordert aireg eine staatlich vorgeschriebene Quote für den Einsatz
zum Beispiel ECLIF (Emission and CLimate Impact of alternative Fuel)               nachhaltiger Flugkraftstoffe einzuführen. Damit sei für die Produzen-
oder airegEM weisen das grundlegende Potenzial von alternativen                    ten die erforderliche Investitionssicherheit gesorgt und den Flugge-
Drop-in-Kraftstoffen Emissionen zu senken nach. So kann eine Beimi-                sellschaften ebne sie den Weg, die ambitionierten Klimaziele bis
schung von 50 % die CO2-Emissionen um 40 % reduzieren. Zusätz-                     2050 erreichen zu können. Ein Ausbaupfad für die großskalige Erzeu-
lich konnten durch ein entsprechendes Design des synthetischen                     gung inklusive fortlaufender technologischer Verbesserung und da-
Kraftstoffs 50–70 % der Ruß- und Partikelemissionen vermieden                      mit verbundener Kostenreduktion ist heute noch nicht vorhanden. Er
werden. Durch den Einsatz von weitgehend aliphatischen Kohlewas-                   hängt wesentlich von politischen Maßnahmen zur Marktsicherheit
serstoffen ist von einer zusätzlichen Reduktion auszugehen. Zusam-                 und der Finanzierung von Produktionseinheiten und Technologieent-
men mit einer Optimierung des Brenners ist zudem eine vollständige                 wicklung ab.
Vermeidung von NOX-Emissionen zu erwarten.
                                                                                   Zudem benötigt die Herstellung Ressourcen wie Land, Wasser, erneu-
Alternative Drop-in-Kraftstoffe werden bereits heute auf kommerziel-               erbare Energien, Kohlenstoffquellen und Kapital. Insbesondere der
len Flügen eingesetzt. Allerdings sind die Mengen aktuell noch bei                 rechnerische Bedarf an erneuerbar erzeugter elektrischer Energie
unter 1 % des weltweiten Luftfahrt-Kraftstoff-Verbrauchs. In Europa                übersteigt bei Weitem den derzeitigen Ausbaupfad für Deutschlands
wird ausschließlich in Oslo bereits alternativer Kraftstoff eingesetzt.            Energiewende. Die verwendete Kohlenstoffquelle beeinflusst zudem
Eine tiefgehende wissenschaftliche Begleitung über die Nutzbarkeit                 die benötigte Menge an erneuerbarer Energie. Der weitverbreitete
und die entsprechende Emissionsminderung wurde unter anderem                       Fischer-Tropsch-Prozess nutzt dazu vor allem industrielles Kohlen-
im BMVI-Projekt DEMO-SPK (Forschungs- und Demonstrationsvorha-                     stoffmonoxid CO aus zum Beispiel Stahl- oder Zementproduktion. In
ben zu erneuerbarem Kerosin) demonstriert.                                         Anstrebung der Pariser Klimaziele fällt bei diesen Prozessen allerdings
                                                                                   immer weniger CO an. Andere Prozesse verwenden stattdessen Alt-
Hindernis für eine Einführung in großen Mengen ist derzeit die Pro-                fette oder andere Biomasse und bedingen dadurch einen erhöhten
duktionskapazität und der Preis. Diese ist noch nicht in ausreichen-               Bedarf an Fläche, die nicht mehr für die Landwirtschaft zur Verfü-
dem Maß vorhanden, da die Nachfrage und die Marktsicherheit nicht                  gung steht. Die direkte Nutzung von CO2 aus Luft im Verfahren „Di-
vorhanden sind. aireg – Aviation Initiative for Renewable Energy in                rect Air Capture“ (DAC) benötigt viel zusätzliche elektrische Energie.
Germany e.V. zufolge geht nach Prognosen aus den USA und Asien                     Klar ist, dass es aus Flexibilitätsgründen einen Mix verschiedener
mit einem Produktionsanstieg die Erwartung einher, dass sich der                   Herstellungsverfahren mit einem breiten Rohstoff-Spektrum geben
Preis für alternative Kraftstoffe bei einem Faktor 2 gegenüber fossi-              muss und wird. Projekte wie EU H2020 JETSCREEN und das US High
lem Kerosin – abhängig von der Entwicklung der Rohölpreise – ein-                  Performance Fuels Program versuchen, diese Kosten beziehungswei-
pendeln wird, während er heute noch deutlich höher liegt.                          se das Risiko eines Fehlschlags während der Zulassung zu reduzieren.

Es werden derzeit Quoten für alternative Kraftstoffe diskutiert, in                Die Wirkungen von Drop-in-Kraftstoffen können letztlich direkt
Norwegen zum Beispiel gilt bereits eine Quote von 0,5 %. Hierzulan-                durch höhere Beimischungsraten von mehr als 50 % maximiert wer-

                                                                                                            Im Projekt ECLIF untersuchten DLR
                                                                                                            und NASA die Wirkung von alternativen
                                                                                                            Kraftstoffen auf die Umwelt
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den. Ideal für eine minimierte Klimawirkung sind sogenannte aroma-         ziell klimaneutral mit definierten Eigenschaften, wie Dichte und Ener-
tenfreie Near-Drop-in-Kraftstoffe. Diese unterscheiden sich von Drop-      giedichte, hergestellt werden. Wegen seiner Ähnlichkeit zu fossilen
in-Kraftstoffen, indem sie möglicherweise kleine Änderungen an             Kraftstoffen hat dieser Energieträger daher keine unmittelbaren Aus-
Flugzeugen, Infrastruktur oder Betrieb (zum Beispiel Einsatz nur in ge-    wirkungen auf die Gesamtflugzeugkonfiguration. Heute ist allerdings
eigneten Flugzeugen) erfordern. Sie bieten aber ein größeres Opti­­­mie­   die Verfügbarkeit des Energieträgers in großen Mengen noch eine
rungs­­potenzial und damit Emissionsreduktionspotenzial. Derzeit gibt      Herausforderung.
es keine Zulassung für solche Kraftstoffe. Near-Drop-in-Kraftstoffe
sind ein Forschungsziel im DLR-Querschnittsprojekt Future Fuels.           EINSATZ VON WASSERSTOFF ALS NACHHALTIGEM KRAFTSTOFF
Durch Co-Optimierung von Kraftstoff und Brenner lassen sich hierbei        Die Nutzung von Wasserstoff in der Gasturbine vereint gleich mehre-
die CO2-Emissionen um bis zu 80 %, die Ruß- und Partikelemissionen         re Vorteile. So können dadurch die lokalen Emissionen von CO2, Ruß
um bis zu 90 % und die NOX-Emissionen um beinahe 100 % reduzie-            und Aerosolvorläufern auf null reduziert werden. Zudem kann Was-
ren. Boeing erbrachte dazu bereits im März 2017 den Nachweis, dass         serstoff durch Elektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom bereits
100 % aromatenfreie Kraftstoffe aus Biomasse in einer Boeing 777F          jetzt CO2-neutral erzeugt werden. Verfahren wie die Alkalielektrolyse
einsetzbar sind. Nachhaltiges synthetisches Kerosin kann dabei poten-      stehen als ausgereifte Technologie in großtechnischem Maßstab zur
                                                                           Verfügung. Daneben bieten Verfahren wie die Festoxid-Elektrolyseur-
                                                                           zelle (SOEC) noch ein erhebliches Potenzial für die Zukunft.

                                                                           Zur Bewertung des CO2-Ausstoßes im gesamten Lebenszyklus wurde
                                                                           im Projekt CRYOPLANE2 eine komplette Lebenszyklus-Analyse für
                                                                           unterschiedliche Brennstoffe in einem Flugzeug der Größe eines Air-
                                                                           bus A319 durchgeführt. Im Ergebnis zeigte die Verwendung von
                                                                           Wasserstoff eine Reduktion der CO2-Emissionen von über 90 %,
                                                                           wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt ist.

                                                                           Zur Erreichung von CO2-Minderung ist es nur sinnvoll Wasserstoff
                                                                           einzusetzen, der aus regenerativen Quellen wie zum Beispiel Elektro-
                                                                           lyse oder Biomasse erzeugt wurde, sogenannter Grüner Wasserstoff.
                                                                           Laut eines IEA-Berichtes (2019) wird derzeit der überwiegende Anteil
                                                                           des weltweit jährlich produzierten Wasserstoffs (rund 75 %) von et-
                                                                           wa 70 Mio. Tonnen noch als sogenannter Grauer Wasserstoff aus
                                                                           Erdgas erzeugt. Obwohl diese Verfahren fossile Energieträger ver-
                                                                           wenden, bieten sie bereits heute die Möglichkeit das CO2 am Ort der
                                                                           Wasserstofferzeugung abzuscheiden und zu speichern. Damit wäre
                                                                           schon heute eine CO2-neutrale Nutzung von Wasserstoff realisierbar.

                                                                           Es wurden mittlerweile einige Verfahren zur Wasserstoff-Herstellung
                                                                           bis zur Serienreife entwickelt wie:
                                                                           • Dampfreformer (Erdgas)
                                                                           • Partielle Oxidation (Ölvergasung)
                                                                           • Autotherme Reformer (Methanolreformierung)
                                                                           • Kværner-Verfahren
                                                                           • Elektrolyse von Wasser
                                                                           • Biomasse (Vergasung, Vergärung)
Messungen der Abgase am Boden und der Kontrollstand für die
Messungen auf dem Vorfeld des Flughafens Ramstein                          • Wasserstoff aus Grünalgen
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