Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär

Die Seite wird erstellt Trutz Nickel
 
WEITER LESEN
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
Forum                                           GLUTEN-FREE
JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

Zöliakie ist weiblich
Frauen sind etwa doppelt so häufig von Zöliakie betroffen wie Männer. Und die Zöliakieerkrankung ist viel-
fach mit weiteren gesundheitlichen Störungen assoziiert, die Mediziner und Ernährungsfachkräfte im Blick
behalten sollten.

Die in dieser Ausgabe des Forums veröffent-     komplikationen, insbesondere die Hashimoto-        Summary
lichten Artikel über Geburtskomplikationen,     Schilddrüse, bei Frauen bereits im Kindesalter
Unfruchtbarkeit und Osteoporose bei Zöli-       häufiger vorkommen; (c) einige Erscheinungs-       Die in dieser Ausgabe des Forums behandel-
akie haben einen gemeinsamen Nenner: den        formen der Zöliakie, insbesondere die Eisen-       ten Themen – Geburtskomplikationen und
Zusammenhang zwischen der Zöliakieerkran-       mangelanämie, Krankheitszustände erschwe-          Osteoporose im Zusammenhang mit Zöliakie,
kung und der Gesundheit der Frau, insbe-        ren können, die bei Frauen häufiger auftreten.     vereint mit der größeren Häufigkeit dieser Er-
sondere im fruchtbaren Alter. Das Interesse                                                        krankung vor allem bei Frauen – machen aus
für dieses Thema ist groß, da die diätetische   Es mag schon so sein, dass es – wie Khashan        der Zöliakie eines der Themen, die für die Ge-
Behandlung der Zöliakie in der Lage ist, die-   und McCarthy in ihrer hervorragenden               sundheit der Frau, insbesondere im fruchtba-
sen Komplikationen vorzubeugen und bereits      Übersicht über Geburtskomplikationen be-           ren Alter, von vorrangigem Interesse sind.
bestehende zu reduzieren oder gar zu heilen.    hauptet haben – „noch keine ausreichenden
Dies wirkt sich sowohl auf den gesundheitli-    Nachweise für die Empfehlung des serologi-
chen als auch auf den psychisch-sozialen Be-    schen Screenings der Zöliakie zu Beginn der
                                                                                                                    PROFESSOR CARLO CATASSI
reich aus.                                      Schwangerschaft gibt“. Zweifelsohne könn-                           Professor für Pädiatrie an der
                                                te aber ein einfacher Bluttest (auf der Suche                       Polytechnischen Universität in den
                                                                                                                    Marken (Italien), Gastprofessor für
Mit diesen Themen erschöpfen sich die Zu-       nach Anti-Transglutaminase-Antikörpern),
                                                                                                                    Pädiatrie und Co-Direktor für das
sammenhänge zwischen Zöliakie und dem           zusätzlich zu den zahlreichen Tests, die bei ei-                    Forschungszentrum „Center For
weiblichen Geschlecht allerdings noch nicht,    ner Schwangeren routinemäßig durchgeführt                           Celiac Research“ der University
                                                                                                                    of Maryland, Baltimore, USA,
zumal (a) diese Krankheit bei Frauen häufiger   werden, sowohl bei der künftigen Mutter als
                                                                                                                    Koordinator des wissenschaftlichen
ist, mit einem Verhältnis von etwa 2:1 zwi-     auch beim Ungeborenen, vielen möglichen                             Komitees von Dr. Schär
schen Frau und Mann; (b) einige Autoimmun-      Leiden vorbeugen.
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
FORUM | GLUTEN-FREE | JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

                                                              Obstetrische Komplikationen
                                                                 bei Zöliakie-Patientinnen
                               Frauen mit Zöliakie haben ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, die
                                 sich jedoch durch das Einhalten einer glutenfreien Ernährung reduzieren lassen. Doch
                               gerade eine nicht entdeckte – und folglich nicht behandelte – Zöliakie erhöht das Risiko
                                                  für Fertilitätsstörungen, Frühgeburt und ein geringes Geburtsgewicht.

                                                Die Zöliakie ist eine glutensensitive Enteropa-   Diese Tatsache untermauert die zentrale Rol-
      DR. ALI S KHASHAN                         thie mit einer geschätzten Prävalenz von 1 %      le, die die HLA-Moleküle in der Pathogenese
      Department of Epidemiology and            weltweit. 1 Man geht davon aus, dass dieser       der Zöliakie spielen. Die Zöliakie ist durch
      Public Health, University College Cork,   Wert lediglich die Spitze des Eisbergs präsen-    eine dauerhafte Intoleranz gegenüber gluten-
      Irland und The Irish Centre for Fetal
      and Neonatal Translational Research
                                                tiert und eine große Anzahl der Zöliakie-Er-      haltigen Lebensmitteln gekennzeichnet. In
      (INFANT), University College Cork,        krankungen unerkannt bleibt. Eine Zöliakie        der Vergangenheit wurde die Zöliakie als eine
      Cork University Maternity Hospital,       wird in der Regel im frühen Kindesalter oder      Ernährungsstörung im Kindesalter betrachtet,
      Wilton, Cork, Irland.
                                                bei Erwachsenen im dritten bzw. vierten Le-       welche sich mit Malabsorption und Durch-
                                                bensjahrzehnt diagnostiziert.                     fällen in unterschiedlichsten Ausprägungen
                                                                                                  manifestiert. Heute ist die Zöliakie jedoch als
      DR. FERGUS MCCARTHY
                                                In bestimmten ethnischen Gruppen, zum             eine systemische Krankheit mit multiplen kli-
      Division of Women's Health KCL,           Beispiel in Gruppen keltischer Abstammung,        nischen Präsentationen anerkannt. 2 Zöliakie
      Women's Health Academic Centre
      KHP, St Thomas's Hospital, London.
                                                scheint eine höhere Zöliakie-Prävalenz vorzu-     ist mit einem erhöhten Risiko für Fertilitäts-
      Großbritannien                            herrschen. Etwa 96 % aller Zöliakie-Patienten     störungen und Schwangerschaftskomplikati-
                                                testen positiv auf HLA DQ2, während die           onen assoziiert, darunter ungeklärte Infertili-
                                                übrigen Patienten in der Regel den weniger        tät, 3 Fehlgeburt, 3 kongenitale Fehlbildungen, 4
                                                häufigen HLA-Haplotyp DQ8 exprimieren.            Frühgeburt, 5 intrauterine Wachstumsretardie-
                                                                                                  rung, 5, 6 postpartale Blutung 7 und assistierte
                                                                                                  Geburt. 7 Die vorliegenden Ergebnisse sind
                                                                                                  kontrovers. 4, 7, 8

                                                                                                  Man nimmt an, dass eine Zöliakie und ins-
                                                                                                  besondere eine nicht behandelte Zöliakie via
                                                                                                  Antikörper, die mit dem Gewebe der sich
                                                                                                  entwickelnden Plazenta interagieren, Schwan-
                                                                                                  gerschaftskomplikationen auslöst. In-vitro-
                                                                                                  Studien haben gezeigt, dass Gewebs-Transglu-
                                                                                                  taminase-IgA-Antikörper (tTG-IgA-Ak) an
                                                                                                  Zellen des humanen Trophoblast binden und

  2
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
auf diese Weise die Funktion des Trophoblast         gegenüber Frauen ohne Zöliakie kein erhöhtes
dosis- und zeitabhängig beeinträchtigen. Zu-         Risiko für negative Auswirkungen auf die Ge-          Eine nicht diagnostizierte
sätzlich induziert Gluten bei Frauen, die unter      burtsparameter beobachtet. Diese Ergebnisse       Zöliakie der Mutter ist mit einem
Zöliakie leiden, eine T-Zell-vermittelte Immu-       wurden von der dänischen Kohortenstudie mit
                                                                                                        geringen Geburtsgewicht und
nantwort, die ebenfalls zu Schwangerschafts-         mehr als 1,5 Millionen Neugeborenen bestä-
komplikationen beitragen kann. Darüber               tigt. 5 Diese Studie ergab für Frauen mit einer         Frühgeburt assoziiert.
hinaus kann Gliadin T-Zellen im peripheren           zum Zeitpunkt der Schwangerschaft nicht di-
Blut aktivieren und so eine erhöhte Zytokin-         agnostizierten und folglich nicht behandelten
Sekretion auslösen, die die Entwicklung des          Zöliakie versus Frauen ohne Zöliakie ein hö-
Trophoblast ebenfalls beeinträchtigen kann.          heres Risiko für SGA (OR = 1,3), Frühgeburt
                                                     (OR = 1,33) und geringes Geburtsgewicht,
In jüngerer Zeit haben hochwertige Studien           nämlich einem Gewicht von durchschnittlich
mit großen Kohorten und systematische Re-            100 g unter dem Geburtsgewicht der Babys
views dazu beigetragen, das Assoziationsmaß          von Frauen ohne Zöliakie. Wie schon die
sowohl zwischen der behandelten als auch der         schwedische Studie zeigte die dänische Studie
nicht behandelten Zöliakie und Schwanger-            für Frauen mit diagnostizierter und mutmaß-
schaftskomplikationen zu klären, sodass die          lich behandelter Zöliakie kein erhöhtes Risiko
Beratung und Untersuchung von Frauen mit             für Schwangerschaftskomplikationen.
Schwangerschaftskomplikationen verbessert
werden konnte. Die beiden größten Kohorten-          Ein kürzlich veröffentlichter systematischer
studien über maternale Zöliakie und Schwan-          Review analysierte zehn Kohortenstudien mit
gerschaftskomplikationen wurden in Schwe-            Daten von mehr als 4,5 Millionen Frauen. 10
den 9 und Dänemark 5 durchgeführt und in             Diese Metaanalyse zeigte, dass das Risiko für
der letzten Dekade veröffentlicht. Die Autoren       Frühgeburt (bereinigte OR = 1,35), intraute-
dieser Studien stützen sich auf die relevanten       rine Wachstumsretardierung (OR = 2,48),
Daten aus den Geburten- und Krankenhaus-             Totgeburt (OR = 4,84), geringes Geburtsge-
registern der einbezogenen Länder. Mithilfe          wicht (OR = 1,63) und SGA (OR = 4,52),
dieser Daten konnten alle Geburten während           definiert als Wert unterhalb der 10. Perzentile
des Studienzeitraums identifiziert werden.           der Perzentilenkurve, bei Frauen mit Zöliakie
Zudem konnte festgestellt werden, ob bei den         (sowohl behandelt aus auch unbehandelt) si-
betroffenen Frauen eine Zöliakie diagnostiziert      gnifikant höher ist. Im Hinblick auf die Inzi-
                                                     denzrate der Präeklampsie wurden keine signi-
                                                     fikanten Unterschiede festgestellt.
       Man nimmt an, dass die
  Interaktion zwischen Antikörpern                   In einer anschließenden Subgruppenanalyse
  und Plazenta Schwangerschafts-                     wurde das Assoziationsmaß zwischen der di-
                                                     agnostizierten (und mutmaßlich behandelten)
       komplikationen auslöst.
                                                     Zöliakie und diesen Parametern untersucht.
                                                     Die Subgruppenanalyse von Frauen mit dia-
worden war. Aus dem Datum der Diagnose               gnostizierter und behandelter Zöliakie ergab
und dem Datum der Bestätigung der Schwan-            ebenso wie die Subgruppenanalyse von Frauen
gerschaft ergab sich zudem, ob die Diagnose          mit nicht diagnostizierter und folglich nicht
vor oder nach der Schwangerschaft gestellt           behandelter Zöliakie ein signifikant erhöhtes
wurde. In der schwedischen Kohortenstudie            Risiko für Frühgeburt (OR = 1,26 bzw. OR
mit mehr als zwei Millionen Neugeborenen             = 2,50). Bei Frauen mit diagnostizierter und
stellten Ludvigsson et al. 9 fest, dass eine nicht   mutmaßlich behandelter Zöliakie war das Ri-
diagnostizierte maternale CD mit einem gerin-        siko für die Schwangerschaftskomplikation
gen Geburtsgewicht (OR = 2,13), SGA [klein           Frühgeburt gegenüber den Frauen mit nicht
für Gestationsalter] (OR = 1,62) und Frühge-         diagnostizierter und folglich nicht behandelter
burt (OR = 7,71) assoziiert ist. Bei Schwange-       Zöliakie jedoch signifikant geringer (OR =
ren mit diagnostizierter und mutmaßlich vor          0,80). Die Daten zu den pränatalen und pe-
der Entbindung behandelter Zöliakie wurde            rinatalen Risikofaktoren für die Entwicklung
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
FORUM | GLUTEN-FREE | JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

                                                             einer Zöliakie bei den Nachkommen sind                     liche durch die maternale Zöliakie bedingte
 Durch eine glutenfreie Ernährung                            ebenfalls kontrovers. Der entscheidende Fak-               Risiken auf ein Minimum zu reduzieren. Es
 können die Risiken für mögliche                             tor für die Entwicklung einer Zöliakie bei den             liegen keine ausreichenden klinischen und
 Schwangerschaftskomplikationen                              Nachkommen ist jedoch offenbar die mater-                  kostenrelevanten Evidenzdaten vor, um bei
                                                             nale Zöliakie. 11 In einer Mutter-Baby-Kohorte             gesunden Schwangeren ein routinemäßiges
        reduziert werden.
                                                             mit etwa 100.000 Mutter-Baby-Paaren lag die                Zöliakiescreening zu Beginn der Schwanger-
                                                             Odds Ratio für die Entwicklung einer Zölia-                schaft zu befürworten, um so eine mögliche
                                                             kie bei den Nachkommen bei etwa 12.                        nicht diagnostizierte Zöliakie festzustellen
                                                                                                                        und den Schwangerschaftsverlauf und -aus-
                                                                                                                        gang zu verbessern. Desgleichen liegen nur
                                                             Welches sind die für die allge-                            unzureichende Evidenzdaten vor, um ein
                                                             meine obstetrische Population                              solches Zöliakiescreening bei Frauen mit
                                                             relevanten Risiken und wie können                          Schwangerschaftskomplikationen zu empfeh-
                                                             diese minimiert werden?                                    len. Dennoch werden Hochrisikogruppen wie
                                                                                                                        Frauen mit einer Häufung von Fehlgeburten
                                                             Insgesamt haben Frauen mit Zöliakie ein                    in der Vorgeschichte inzwischen vermehrt
                                                             erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskom-                   auf eine möglicherweise nicht diagnostizierte
                                                             plikationen. Durch eine glutenfreie Ernäh-                 Zöliakie getestet. Schwangeren ohne Zöliakie
                                                             rung können diese Risiken reduziert wer-                   kann versichert werden, dass eine Glutenauf-
                                                             den. Daher sollten Zöliakie-Patientinnen                   nahme während der Schwangerschaft offen-
                                                             angewiesen werden, vor der Empfängnis und                  bar nicht mit einem erhöhten Risiko für die
                                                             während der gesamten Schwangerschaft eine                  Entwicklung einer Zöliakie bei den Nach-
                                                             strikte Glutenkarenz einzuhalten, um mög-                  kommen assoziiert ist.

 QUELLEN

      1   Green PH, Jabri B. Coeliac disease. Lancet.          6   McCarthy FP, Khashan AS, Quigley E, Shana-           10 Saccone G, Berghella V, Sarno L, Maruot-
          2003;362(9381):383-91.                                   han F, O'Regan P, Cronin C, et al. Undiagnosed          ti GM, Cetin I, Greco L, et al. Celiac disease
                                                                   maternal celiac disease in pregnancy and an             and obstetric complications: a systematic re-
      2   van Heel DA, West J. Recent advances in coeliac          increased risk of fetal growth restriction. J Clin      view and metaanalysis. Am J Obstet Gynecol.
          disease. Gut. 2006;55(7):1037-46.                        Gastroenterol. 2009;43(8):792-3.                        2016;214(2):225-34.

      3   Tersigni C, Castellani R, de Waure C, Fattoros-      7   Abdul Sultan A, Tata LJ, Fleming KM, Crooks          11 Emilsson L, Magnus MC, Stordal K. Perinatal
          si A, De Spirito M, Gasbarrini A, et al. Celiac          CJ, Ludvigsson JF, Dhalwani NN, et al. Pregnan-         risk factors for development of celiac disease in
          disease and reproductive disorders: meta-anal-           cy complications and adverse birth outcomes             children, based on the prospective Norwegian
          ysis of epidemiologic associations and potential         among women with celiac disease: a popula-              Mother and Child Cohort Study. Clin Gastroen-
          pathogenic mechanisms. Hum Reprod Update.                tion-based study from England. Am J Gastroen-           terol Hepatol. 2015;13(5):921-7.
          2014;20(4):582-93.                                       terol. 2014;109(10):1653-61.

      4   Ban L, West J, Abdul Sultan A, Dhalwani NN,          8   Dhalwani NN, West J, Sultan AA, Ban L, Tata
          Ludvigsson JF, Tata LJ. Limited risks of major           LJ. Women with celiac disease present with
          congenital anomalies in children of mothers              fertility problems no more often than women
          with coeliac disease: a population-based cohort          in the general population. Gastroenterology.
          study. BJOG. 2015;122(13):1833-41.                       2014;147(6):1267-74 e1; quiz e13-4.

      5   Khashan AS, Henriksen TB, Mortensen PB, Mc-          9   Ludvigsson J, Montgomery S, Ekbom A. Celiac
          Namee R, McCarthy FP, Pedersen MG, et al. The            disease and risk of adverse fetal outcome: a
          impact of maternal celiac disease on birthweight         population-based cohort study. Gastroenterology
          and preterm birth: a Danish population-based co-         2005; 129:454 – 463.
          hort study. Hum Reprod. 2010;25(2):528-34.

  4
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
Glutenunverträglichkeit und
weibliche Infertilität
Zöliakie kann bei Frauen zu unterschiedlichsten Fertilitätsstörungen, beispielsweise Endometriose, führen. Daher
sollte bei betroffenen Frauen ein Zöliakiescreening in Betracht gezogen werden. Auch bei negativem Befund kann
eine glutenfreie Ernährung, etwa bei einer möglichen Glutensensitivität, hilfreich sein.

Die aktuellen Leitlinien sprechen keine Emp-     kungen auf die weibliche Fertilität und den
fehlungen zugunsten eines routinemäßigen         Schwangerschaftsverlauf haben. Die Prävalenz      JUSTINE BOLD
Zöliakiescreenings bei Frauen mit Fertili-       der CD bei Frauen mit Fertilitätsstörungen        Senior Lecturer,
tätsstörungen aus, obgleich der potenzielle      liegt in Europa laut Berichten in der Literatur   Institute of Health & Society,
                                                                                                   University of Worcester
Einfluss der Zöliakie (CD) auf die weibliche     zwischen 4 und 8 %, also höher als in der All-
Fertilität in der Literatur hinreichend be-      gemeinpopulation, wo die CD-Prävalenz auf
schrieben wurde und viele Wissenschaftler        etwa 1 % geschätzt wird. 5 Frauen mit unge-
die Einführung solcher Screenings befür-         klärten Fertilitätsstörungen haben verglichen
worten. Eine CD kann bei Frauen die Pu-          mit der Allgemeinpopulation offenbar eine
bertät 1 verzögern und zu Malabsorption und      höhere CD-Rate. 6 In einer Studie an Frauen
Nährstoffdefiziten führen, insbesondere zu       mit ungeklärter Infertilität war die CD-Rate
einem Mangel an Zink, Vitamin B12, Eisen         unter diesen Frauen sechs Mal höher als in
und Folsäure 2. Diese Spurenelemente und         der Kontrollgruppe. 6 Angesichts der hohen
Vitamine spielen eine wichtige Rolle bei der     Kosten und emotionalen Belastungen, die mit
Empfängnis/Schwangerschaft und ein Man-          einer Fertilitätstherapie einhergehen, sollten
gel kann nachweislich zu Fertilitätsstörungen    Mediziner, die in diesem Bereich arbeiten,
                                                 ermutigt werden, Patientinnen mit diagnos-
                                                 tizierter Infertilität, insbesondere diejenigen
    Die Zöliakieprävalenz ist bei                mit ungeklärter Infertilität, routinemäßig auf
                                                 CD zu untersuchen.
   Frauen mit Fertilitätsstörungen
      schätzungsweise vier- bis
      achtmal höher als in der
       Allgemeinbevölkerung.

sowie Schwangerschaftskomplikationen füh-
ren. Des Weiteren ist CD mit Amenorrhö,
vorzeitigem Versagen der Eierstöcke sowie ob-
stetrischen Komplikationen, z. B. Frühgeburt
oder geringes Geburtsgewicht, assoziiert. 3 Es
liegen jedoch Berichte über CD-Patientinnen
vor, die in der Vorgeschichte Fehlgeburten er-
litten hatten, jedoch nach Einführung einer
glutenfreien Ernährung (GFD) eine kompli-
kationsfreie Schwangerschaft erlebten. 4 Eine
nicht diagnostizierte und folglich nicht be-
handelte Zöliakie kann tiefgreifende Auswir-
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
FORUM | GLUTEN-FREE | JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

                                 Während die Assoziation der CD mit Ferti-           rund zwei Millionen Frauen. 11 Interessant
   Eine glutenfreie Ernährung    litätsstörungen anerkannt ist, gibt es kaum         ist auch, dass Endometriose in Abwesenheit
   lindert möglicherweise die    belastbare Daten zu einem Zusammenhang              klassischer Symptome als das primäre CD-
                                 zwischen Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität          Symptom genannt wird 12 und dass bei vielen
 Beschwerden bei Endometriose.
                                 (NCGS) und weiblicher Infertilität; jedoch          Patientinnen gastrointestinale Symptome und
                                 wurde 2015 ein Fallbericht veröffentlicht,          das Reizdarmsyndrom (RDS) häufig in Ver-
                                 der auf eine mögliche Assoziation hindeutet. 7      bindung mit einer Endometriose auftreten 13.
                                 Interessanterweise wird auch bei NCGS ein           Darüber hinaus ist auch wichtig, dass einige
                                 Mangel an Eisen, Folsäure, Vitamin D und            RDS-Patienten eine Glutensensitivität auf-
                                 Vitamin B12 beobachtet. 8, 9 Dies könnte            weisen; laut Literatur ist das RDS sowohl mit
                                 darauf hindeuten, dass die Ursache der Fer-         CD 14 also auch mit NCGS 15 assoziiert, ob-
                                 tilitätsstörungen von NCGS-Patientinnen in          gleich die Zusammenhänge und die zugrunde
                                 eben diesen durch Malabsorption hervorge-           liegende Pathogenese noch nicht umfassend
                                 rufenen Defiziten in Verbindung mit NCGS-           geklärt sind.
                                 bedingten immunologischen Anomalien zu
                                 suchen ist. 7                                       Ein laufendes Graduiertenforschungsprojekt
                                                                                     an der University of Worcester, das die Mo-
                                 Die Literatur berichtet zudem von einer As-         tivation von Menschen untersucht, die eine
                                 soziation der CD mit Endometriose. 10 Die           glutenfreie Ernährung befolgen, obgleich sie
                                 Endometriose, eine der führenden Ursachen           nicht unter Zöliakie leiden, hat gezeigt, dass
                                 für weibliche Infertilität, betrifft allein in GB   viele versuchen, mit einer GFD bestimmte
                                                                                     Symptome selbst zu heilen. Vor dem Hinter-
                                                                                     grund der vorherrschenden Ansicht, dass die
                                                                                     wachsende Popularität der GFD unter Nicht-
                                                                                     Zöliakie-Patienten lediglich Resultat eines
                                                                                     Modetrends sei, ist dies ist ein interessanter
                                                                                     Aspekt. Könnte es sein, dass einige Frauen ver-
                                                                                     suchen, ihre frauenspezifischen gesundheitli-
                                                                                     chen Probleme auf diesem Weg zu bewältigen?

  6
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
Es liegen nur wenige Studien vor, die die                    körperliche Funktion.Mediziner, die Frauen
potenzielle therapeutische Wirkung einer                     mit diagnostizierter, ungeklärter Infertilität
GFD bei der Behandlung frauenspezifischer                    und anderen frauenspezifischen Gesund-
Gesundheitsprobleme wie z. B. Endometri-                     heitsproblemen wie Endometriose behan-
ose untersucht haben. Eine 2012 in Italien                   deln, sollten die klinischen Symptome und
durchgeführte Studie 16, in die 207 Patien-                  Komorbiditäten beurteilen und ein Zölia-
tinnen mit bestätigter Endometriose einge-                   kiescreening in Betracht ziehen, dabei jedoch
schlossen waren, zeigte, dass die schmerzhaf-                die Möglichkeit fehlender gastrointestinaler
ten Endometriose-bedingten Symptome bei                      Symptome nicht außer Acht lassen. Bei nega-
vielen Patientinnen nach einem Jahr unter                    tiver CD-spezifischer Serologie und fehlender
Glutenkarenz zurückgingen. 75 % der Pati-                    Indikation für eine Dünndarm-Biopsie sollte
entinnen berichteten nach einem Jahr unter                   daher auch eine NCGS in Erwägung gezogen
GFD über eine statistisch signifikante Reduk-                werden. Obgleich weitere Studien in diesem
tion der schmerzhaften Symptome. Bei 25 %                    Bereich zweifelsfrei erforderlich sind, wäre es
der Patientinnen verbesserten sich die Sym-                  angesichts der emotionalen und finanziellen
ptome nicht, keine Patientin klagte jedoch                   Belastungen, die mit Infertilität assoziiert
über eine Verschlechterung. Im Hinblick auf                  sind, empfehlenswert, eine glutenfreie Ernäh-
die gesundheitsbezogene Lebensqualität er-                   rung mit diesen Patientinnen zu diskutieren
reichten alle Patientinnen höhere Scores in                  und als adjunktive Maßnahme zur Behand-
den Bereichen körperliche und psychische                     lung der Infertilität oder Endometriose in Be-
Gesundheit und Vitalität sowie soziale und                   tracht zu ziehen.

  QUELLEN

     1   Leffler DA, Green PH, Fasano A. Extraintestinal        7   Bold J, Rostami K. Non-coeliac gluten sensi-       13 Ek M, Roth B, Ekström P, Valentin L, Bengtsson
         manifestations of coeliac disease. Nat Rev Gas-           tivity and reproductive disorders. Gastroenterol      M, Ohlsson B. Gastrointestinal symptoms among
         troenterol Hepatol. 2015 Oct;12(10):561-71.               Hepatol Bed Bench 2015;8(4):294-297.                  endometriosis patients-A case-cohort study.
                                                                                                                         BMC Womens Health. 2015 Aug 13;15:59.
     2   Vici G, Belli L, Biondi M, Polzonetti V. Gluten       8   Volta U, Bardella MT, Calabrò A, Troncone R,
         free diet and nutrient deficiencies: A review.             Corazza GR; Study Group for Non-Celiac Gluten      14 SánchezVargas LA, ThomasDupont P, TorresAgu-
         Clin Nutr. 2016 May 7.                                    Sensitivity. An Italian prospective multicenter       ilera M, AzamarJacome AA, RamírezCeervanes
                                                                   survey on patients suspected of having non-celi-      KL, AedoGarcés MR, MeixueiroDaza A,
     3   Bykova SV, Sabel'nikova EA, Parfenov AI, Gud-             ac gluten sensitivity. BMC Med 2014;12:85.            RoeschDietlen F, GrubePagola P, VivancoCid H,
         kova RB, Krums LM, Chikunova BZ. Reproduc-                                                                      Remes Troche JM. Prevalence of celiac disease
         tive disorders in women with celiac disease.          9   Molina-Infante J, Santolaria S, Sanders DS,           and related antibodies in patients diagnosed
         Effect of the etiotropic therapy. Eksp Klin Gas-          Fernández-Bañares F. Systematic review: non-          with irritable bowel syndrome according to the
         troenterol. 2011;(3):12-8.                                coeliac gluten sensitivity. Aliment Pharmacol         Rome III criteria. A case control study. Neuro-
                                                                   Ther 2015;41:807-20.                                  gastroenterol Motil. 2016 Jul;28(7):9941000.
     4   Tursi A, Giorgetti G, Brandimarte G, Elisei W.
         Effect of gluten-free diet on pregnancy outcome       10 Stephansson O, Falconer H, Ludvigsson J. Risk of    15 Makharia A, Catassi C, Makharia GK. The Over-
         in celiac disease patients with recurrent miscar-        endometriosis in 11,000 women with celiac dis-         lap between Irritable Bowel Syndrome and Non-
         riages. Dig Dis Sci. 2008 Nov; 53(11):2925-8.            ease. Hum Reprod. 2011 Oct;26(10):2896-901.            Celiac Gluten Sensitivity: A Clinical Dilemma.
                                                                                                                         Nutrients. 2015 Dec 10;7(12):1041726.
     5   Fortunato F, Martinelli D, Prato R, Pedalino B.       11 Adamson G, Kennedy S, Hummelshoj L. (2010)
         Results from Ad Hoc and Routinely Collected              Creating solutions in endometriosis: global         16 Marziali M, Venza M, Lazzaro S, Lazzaro A,
         Data among Celiac Women with Infertility or              collaboration through World Endometriosis Re-          Micossi C, Stolfi VM. Gluten-free diet: a new
         Pregnancy Related Disorders: Italy, 2001–                search Foundation.’ Journal of Endometriosis 2,        strategy for management of painful endome-
         2011. The Scientific World Journal. Volume                13–16.                                                 triosis related symptoms? Minerva Chirr. 2012
         2014.                                                                                                           Dec;67(6):763499504.
                                                               12 Caserta D, Matteucci E, Ralli E, Bordi G, Mos-
     6   Singh P, Arora S, Lal S, Strand TA, Makharia             carini M. Celiac disease and endometriosis: an
         GK. Celiac Disease in Women With Infertility: A          insidious and worrisome association hard to di-
         MetaAnalysis. J Clin Gastroenterol. 2016 Jan;            agnose: a case report. Clin Exp Obstet Gynecol.
         50(1):339.                                               2014;41(3):3468.
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
FORUM | GLUTEN-FREE | JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

Osteoporose in der Zöliakie-Population
Zöliakie gilt – möglicherweise aufgrund der Malabsorption von Calcium – als ein Risikofaktor für die Entstehung
von Osteoporose. Eine glutenfreie Ernährung führt zu einer Reduktion der Zottenatrophie und einer verbesserten
Nährstoffabsorption. Zudem sollten Zöliakiepatienten auf eine ausreichende Calciumzufuhr achten.

                                                  Hintergrund                                       bei 86 % und geht mit einem andauernden
       DR ALY WOODALL                                                                               und potenziell ansteigenden Risiko für lang-
       Senior Lecturer – Nutrition & Dietetics,   Die Auswirkungen von Osteoporose und an-          fristige osteoporosebedingte Invalidität und
       University of Chester.                     deren Knochenkrankheiten auf die Gesund-          assoziierte Komorbiditäten wie chronischen
                                                  heit und das Wohlbefinden der Betroffenen         Schmerzen einher. 2 2010 war Osteoporose
                                                  sind wenig anerkannt. Derzeit ist Osteoporose     mittelbar oder unmittelbar für 43.000 Todes-
                                                  weltweit für mehr als 8,9 Millionen Frakturen     fälle in Europa 3 verantwortlich. Innerhalb der
                                                  per annum verantwortlich; umgerechnet tritt       EU beliefen sich die durch Osteoporose ver-
                                                  also alle 3 Sekunden eine osteoporosebedingte     ursachten Kosten (medikamentöse Therapien,
                                                  Fraktur auf. 1 In GB wird die Prävalenz der Os-   Frakturbehandlungen und Krankenhausauf-
                                                  teoporose auf 3 Millionen geschätzt (Age UK,      enthalte) 2010 auf etwa 37 Milliarden Euro.
                                                  NOS, 2016). Der Grad der direkt oder indi-        2010 betrug die Belastung der Osteoporose-
                                                  rekt mit Osteoporose assoziierten Invalidität     Population in qualitätskorrigierten Lebensjah-
                                                  ist höher als bei Krebserkrankungen. 1 Sind       ren (QALY) ausgedrückt 1.180.000 verlorene
                                                  einmal krankheitsbedingte Frakturen aufge-        QUALYs. Man schätzt, dass diese Zahl bis
                                                  treten, liegt das Risiko für weitere Frakturen    2025 um 20 % steigen wird. 3
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
Ätiologie                                             Frakturrisiko (95 % Konfidenzintervall [KI]:
                                                      1,14; 1,50) und ein um 69 % erhöhtes Risiko           Bei Zöliakiepatientinnen
Osteoporose entsteht entweder, wenn eine              für Hüftfrakturen fest (95% KI: 1,10; 2,59). 10    wurden eine reduzierte Festig-
reduzierte maximale Knochenmasse erreicht             Da diese Meta-Analyse notwendigerweise auf          keit der Skelettknochen und
wird, oder infolge eines signifikanten Abbaus         Beobachtungs- und epidemiologischen Stu-
von Knochensubstanz. Die Knochenmasse                 dien basierte, war es nicht möglich, kausale
                                                                                                        niedrigere Serumcalciumspiegel
erreicht gewöhnlich mit etwa 35 Jahren ih-            Zusammenhänge aufzuzeigen. Ferner ist dar-                   beobachtet.
ren Höhepunkt. Eine Anzahl von Faktoren               auf hinzuweisen, dass die meisten Patienten in
kann jedoch dazu beitragen, dass eine redu-           den untersuchten Studien eine glutenfreie Er-
zierte maximale Knochenmasse erreicht wird.           nährung befolgten, die sich auf die Ergebnisse
Dazu gehören Anorexie, Mangelernährung,               ausgewirkt haben könnte.
Morbus Crohn, Zöliakie oder Alkoholmiss-
brauch. Ein verstärkter Knochenabbau ist mit          Im Laufe der Zeit wurden diverse potenzielle
einer reduzierten Synthese der Sexualhormone          Mechanismen für den veränderten Knochen-
(insbesondere bei Frauen), Mangelernährung,           stoffwechseI und damit die beeinträchtigte
Hyperthyreose und bestimmten Medikamen-               Knochengesundheit von Zöliakiepatienten
ten assoziiert, zum Beispiel Antiepileptika,          postuliert. Es ist ein anerkannter Fakt, dass
Zytostatika, Protonenpumpenhemmer und                 die bei Zöliakiepatienten beobachtete Zot-
Steroide. Auch Lebensgewohnheiten wie zum             tenatrophie eine Malabsorption verschiede-
Beispiel der Gebrauch von Sonnenschutz-               ner Vitamine und Spurenelemente zur Folge
mitteln, Rauchen und mangelnde Bewegung               hat, darunter auch Calcium und Vitamin D,
können zu einem erhöhten Verlust an Kno-              welche eine zentrale Rolle im Knochenstoff-
chenmasse und damit letztlich zu Knochen-             wechsel spielen. Das erhöhte Osteoporose-
krankheiten wie der Osteoporose beitragen. 4          risiko bei Zöliakie wird der Malabsorption
Weitere Risikofaktoren für Osteoporose sind           von Calcium zugeschrieben. Ein Absinken
genetische Veranlagung, ethnische Zugehörig-          des Calciumspiegels induziert die Freisetzung
keit und Lebensalter. So steigt zum Beispiel          von Parathormon, die Osteoklastenaktivität
die Inzidenzrate der Osteoporose ab 50 Jahren         wird hochreguliert und es kommt zu einer
bei Frauen auf 1 von 3 und bei Männern auf            verstärkten Knochenresorption. 11 In laufenden
1 von 5. Auch innerhalb der Familien betrof-          Forschungen wird zudem die Rolle der ver-
fener Personen wird eine höhere Inzidenzrate          stärkten Aktivierung von proinflammatori-
verzeichnet. 4, 5 Keine der genannten Faktoren        schen Zytokinen und Autoimmunfaktoren als
schließen sich gegenseitig aus.                       potenzielle Mechanismen für einen veränder-
                                                      ten Knochenstoffwechsel untersucht. Weitere
                                                      Studien sind erforderlich, um die genauen
Osteoporose und Zöliakie                              Merkmale und das Gleichgewicht der beteilig-
                                                      ten Mechanismen zu erforschen.
Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung ist
die Inzidenz für einen verminderten Kno-              Neuere Studien untersuchten den Zusammen-
chenmineralgehalt, Osteopenie und Osteo-              hang zwischen den mit Zöliakie assoziierten
porose in der Zöliakie-Population höher. 6, 7, 8, 9   physiologischen Veränderungen und der Kno-
Das geschätzte Frakturrisiko innerhalb der            chengesundheit. Die Ergebnisse sind interes-
Zöliakie-Population variiert; eine kürzlich           sant. In einer überwiegend weiblichen Kohorte
veröffentlichte Meta-Analyse stellte jedoch           stellten Garcia Manzanares et al. (2012) posi-
zur Baseline bei Zöliakiepatienten ein gegen-         tive Korrelationen zwischen einer verstärkten
über der Kontrollgruppe um 30 % erhöhtes              Zottenatrophie und der Verminderung von
Zöliakie ist weiblich - Dr. Schär
FORUM | GLUTEN-FREE | JOURNAL FOR HEALTH CARE PROFESSIONALS | AUSGABE 02/2016

                                 Knochenmasse in der Lendenwirbelsäule fest. 8       völkerung angewendet werden. Zur Diagnos-
                                 In einer ausschließlich weiblichen Kohorte stell-   tik der Zöliakie wird bei positiver Serologie
                                 ten Stein et al. (2015) bei Zöliakiepatientinnen    weiterhin eine histologische Untersuchung
                                 gegenüber gesunden Kontrollpatientinnen der-        der Dünndarmschleimhaut empfohlen. Diese
                                 selben Altersgruppe signifikante Unterschiede       Empfehlung berücksichtigt die Variabilität des
                                 in der Knochenmikroarchitektur fest. 9 Diese        serologischen Befundes und die Tatsache, dass
                                 Unterschiede wurden primär im trabekulären          eine zöliakiebedingte Malabsorption durch
                                 Knochen und weniger im kortikalen Knochen           histologische Untersuchung zweifelsfrei nach-
                                 beobachtet und waren mit einer reduzierten          gewiesen werden kann. 13 Diese Empfehlung
                                 Festigkeit der Skelettknochen assoziiert. Bei       gilt nicht für pädiatrische Patienten. 13 Durch
                                 Zöliakiepatientinnen beobachteten Stein et al.      die histologische Untersuchung der Schleim-
                                 (2015) zudem trotz einer deutlich erhöhten          hautbiopsie, sofern vorgenommen, wird nicht
                                 Calciumzufuhr niedrigere Serumcalciumspiegel        allein eine Zottenatrophie im Dünndarm
                                 als bei den gesunden Kontrollen derselben Al-       nachgewiesen. Vielmehr ermöglicht sie auch
                                 tersgruppe. 9 Dies deutet auf eine Calcium-Mal-     die Klassifizierung der Atrophie nach Marsh. 13
                                 absorption hin und bestätigt die seit Langem        Ein hoher Marsh-Wert entspricht einer aus-
                                 gehegten Vermutungen über die ursächlichen          geprägten Zottenatrophie und ist mit einer
                                 Mechanismen für die erhöhte Osteoporose-            hochgradigen Malabsorption assoziiert. 8, 13
                                 Prävalenz in der Zöliakie-Population.               Ergeben wiederholte Dünndarm-Biopsien
                                                                                     eine andauernde Zottenatrophie unter Glu-
                                 Weitere Studien mit größeren Kohorten so-           tenkarenz ist eine andauernde Malabsorption
                                 wohl männlicher als auch weiblicher Zöliakie-       wahrscheinlich.
                                 patienten sind erforderlich, um die Relevanz
                                 und Gültigkeit der Ergebnisse dieser Studien
                                 für eine größere Zöliakie-Population nachzu-        Therapie
                                 weisen.
                                                                                     Derzeit konzentriert sich die Behandlung der
                                                                                     Osteoporose auf die medikamentöse Thera-
                                 Diagnose                                            pie z. B. Bisphosphonate, Hormonersatzthe-
                                                                                     rapie, rekombinante Parathormontherapie
                                 Zur Diagnose der Osteoporose wird gewöhn-           und Substitution von Calcium und Calcium/
                                 lich der Knochenmineralgehalt mittels Du-           Vitamin D.
                                 al-Röntgen-Absorptiometrie (DEXA-Scan)
                                 gemessen. Andere konventionelle Röntgen-            Auch die Ernährungs- und Lebensgewohn-
                                 techniken wie die Quantitative Compu-               heiten spielen bei der Prävention und Be-
                                 tertomographie (QCT) können ebenfalls               handlung der Osteoporose eine Rolle, dies
                                 eingesetzt werden. 12 Die gemessene Knochen-        gilt auch für Osteoporosepatienten mit Zöli-
                                 mineraldichte wird als T-Score in der Zahl der      akie. Die Zöliakie-Leitlinie 2014 der British
                                 Standardabweichung (SD) des Messwertes              Society of Gastroenterology betont neben der
                                 vom Mittelwert bei gesunden Erwachsenen             Bedeutung der glutenfreien Ernährung zur
                                 angegeben. Per Definition liegt eine Osteo-         Reduktion der Zottenatrophie, Förderung
                                 porose ab einem T-Score von -2,5 SD vor.            der Schleimhautheilung und Verbesserung
                                 Die Diagnosetechniken bei Zöliakiepatienten         der Nährstoffabsorption auch die Bedeu-
                                 entsprechen denen, die bei der Allgemeinbe-         tung einer adäquaten Zufuhr einer Reihe

  10
von Nährstoffen, Vitaminen und Spurenele-                   wissenschaftliche Daten deuten darauf hin,
menten, einschließlich Calcium. 13 Wenn eine                dass präventive Maßnahmen für alle Patien-
adäquate Calciumzufuhr über die Ernährung                   ten mit bestätigter Osteoporose oder Osteo-
erfolgt, ist eine zusätzliche Calciumsubstitu-              poroserisiko unverzichtbar sind, unabhängig
tion gegebenenfalls nicht erforderlich. Eini-               davon, ob sie an Zöliakie leiden oder nicht.
gen Zöliakiepatienten gelingt es, die emp-                  Hierzu gehören neben einer adäquaten Auf-
fohlene Tagesdosis von 1.000 mg Calcium                     nahme der relevanten Nährstoffe, Vitamine
allein über ihre Ernährung einzunehmen. 14                  und Spurenelemente allgemeine Maßnahmen
Die Aufnahme der in der Vergangenheit von                   zur Förderung der Gesundheit, zum Beispiel
Zöliakie-Leitlinien empfohlenen Tagesdosis                  eine gesunde Ernährung, ein aktiver Lebens-
von 1.500 mg 14, welches nach wie vor die                   stil sowie die Vermeidung von Mangelernäh-
empfohlene Tagesdosis für postmenopausale                   rung. Bei Patienten mit einem erhöhten Os-
Frauen und Männer im fortgeschrittenen Le-                  teoporoserisiko, zum Beispiel Patienten mit
bensalter ist, gelingt auf diese Weise jedoch               Zöliakie, sollte die Calciumaufnahme gemäß
nur wenigen. 13 Die Osteoporose-Prävalenz                   Empfehlung der Leitlinien 1.000 mg/Tag
innerhalb der Zöliakie-Population unter-                    nicht unterschreiten. 13 Wird dies nicht über
streicht die Bedeutung einer konsistenten                   die Ernährung erreicht, ist eine zusätzliche
und adäquaten Calciumaufnahme. Aktuelle                     Calciumsubstitution erforderlich.

  QUELLEN

     1   Johnell O and Kanis JA An estimate of the world-     6   Van Heel, D.A. & West, J. Recent advances in       11 Walters JRF. Bone mineral density in coeliac
         wide prevalence and disability associated with           coeliac disease. GUT (2006), 55, 1037-1046.           disease. Gut (1994) 35,150–1
         osteoporotic fractures. Osteoporos Int (2006)
         17:1726.                                             7   Corazza, G.R., Di Sario, A., Cecchetti, L., et     12 https://www.iofbonehealth.org/diagnosing-osteo-
                                                                  al. Influence of pattern of clinical presentation      porosis accessed 10/8/16 at 2.13
     2   Kanis JA, Johnell O, De Laet C, et al. (2004)            and of gluten-free diet on bone mass and me-
         A meta-analysis of previous fracture and subse-          tabolism in adult coeliac disease. Bone, (1996)    13 Ludvigsson, J.F., Bai, J.C., Biagi, F., et al. Diag-
         quent fracture risk. Bone 35:375.                        18(6), 525-530.                                       nosis and management of adult coeliac disease:
                                                                                                                        guidelines from the British Society of Gastroen-
     3   Hernlund E, Svedbom A, Ivergard M, Compston          8   García-Manzanares A, Tenias JM, Lucen-                terology, GUT (2014) 63(8). 1210-1228.
         J. Osteoporosis in the European Union: Medical           do AJ. Bone mineral density directly corre-
         Management, Epidemiology and Economic Bur-               lates with duodenal Marsh stage in newly           14 Martin, K. and Woodall, A. Optimising the Man-
         den. A report prepared in collaboration with the         diagnosed adult celiac patients. Scand J              agement of Bone Disease for Coeliac Patients
         International Osteoporosis Foundation (IOF) and          Gastroenterol. (2012) 47(8-9):927-36. doi:            in a Dietetic-led Clinic. International Journal
         the European Federation of Pharmaceutical Indus-         10.3109/00365521.2012.688217                          of Celiac Disease. 2016, 4(2), 48-54. DOI:
         try Associations (EFPIA). Arch Osteoporos (2013)                                                               10.12691/ijcd-4-2-6
         8:136 DOI 10.1007/s11657-013-0136-1                  9   Stein, E.M., Rogers, H., Leib, A., McMahon,
                                                                  D.J., Young, P., Nishiyama, K., Guo, X.E., Lew-
     4   Hendrickx, G., Boudin, E. and Van Hul, W. A look         is, S, Green, P.H., Shane, E. Abnormal Skele-
         behind the scenes: the risk and pathogenesis of          tal Strength and Microarchitecture in women
         primary osteoporosis. Nature Reviews Rheu-               with Celiac Disease. J. Clin Endocrinol Metab,
         matology (2015), 11, 462–474 doi:10.1038/                (2015) 100(6), 2347-2353
         nrrheum.2015.48
                                                              10 Heikkila K, Pearce J, Maki M, Kaukinen K. Coe-
     5   Van Staa TP, Dennison EM, Leufkens HG, Coop-            liac disease and bone fractures: a systematic
         er C. Epidemiology of fractures in England and          review and meta-analysis. J Clin Endocrinol Me-
         Wales. Bone (2001) 29:517                               tab. 2015;100(1),25–34
Forum
                                                                                                                     JOURNAL FOR HEALTH
                                                                                                                     CARE PROFESSIONALS
                                                                                                            GLUTEN-FREE | AUSGABE 02/2016
News

Immer ein Gewinn mit Schär

Ob eine kleine Auszeit bei einer wohltuenden      rungsberatung oder eine Wellnessbehand-
Massage oder ein motivierendes Beratungsge-       lung geschenkt. Die Produkte Meisterbäcker
spräch bei einer Ernährungsberaterin, die vie-    Classic, Meisterbäcker Vital und das Land-
le praktische Tipps für den glutenfreien Alltag   brot von Schär enthalten einen Gutschein-
parat hat – Schär bietet jetzt Menschen mit       code, der auf www.schaer-wohlbefinden.de
Zöliakie eine gute Gelegenheit, es sich gut       eingegeben werden kann. Hier wählt jeder
gehen zu lassen. Das Unternehmen hat sich         seinen bevorzugten Preis und druckt direkt
etwas ganz Besonderes einfallen lassen und        den Gutschein dafür aus.
möchte mit einer einmaligen Aktion zeigen,
wie wichtig ihm die Gesundheit der Betroffe-
nen ist. Bis Ende des Jahres bekommen Kon-
sumenten mit dem Kauf jedes der 650.000
Aktionsprodukte eine qualifizierte Ernäh-

                                                  Ballaststoffreicher Knuspergenuss

                                                  Wer auf eine glutenfreie Ernährung achten          laststoffen und schmeckt mit seinen naturbe-
                                                  muss, darf sich auf einen neuen, goldbraun         lassenen Zutaten wie Rohrohrzucker, Milch,
                                                  gebackenen Knusperkeks freuen. Petit Cereal        Eier und Butter wie selbstgemacht. Durch
                                                  von Schär ist ein nahrhafter, vollwertigen Keks    diese wunderbare Komposition ermöglicht
                                                  mit den wertvollen Inhaltsstoffen aus Buch-        Petit Cereal eine ausgewogene Ernährung
                                                  weizenmehl, Reiskeimflocken, Sojakleie und         ohne Verzicht und einen Knusperspaß für
                                                  Hülsenfrüchten. Dadurch ist er reich an Bal-       Jung und Alt.

HERAUSGEBER
                                                                                                                                                    SDE1916_2

Dr. Schär Nutrition Service
Dr. Schär AG/SPA, Winkelau 9, I - 39014 Burgstall / Postal                            Texte: zweiblick, Dr. Schär Nutrition Service
Telefon +39 0473 293 300, Fax +39 0473 293 338, professional@drschaer.com             Übersetzung: NTL Traduzioni
www.drschaer-institute.com
Sie können auch lesen