Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie
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Media Perspektiven 433 7-8/2020 Studiendesign und Methode der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Von Lothar Mai* und Angela Rühle** Die Langzeitstudie Massenkommunikation begleitet ben haben, bestand die besondere Herausforderung seit nunmehr 56 Jahren die Medienentwicklung in der Studie Massenkommunikation seit jeher darin, Deutschland. Erstmals wurde sie – damals noch als ein ausgewogenes Maß zwischen einer kontinuier ARD-Studie – 1964/65 durchgeführt und nach Fort- lichen Fortschreibung von Entwicklungen und einer setzungen in den Jahren 1970 und 1974, ab 1980 Anpassung an die Veränderungen der Medienwelt zu von der ARD/ZDF-Medienkommission (1) beauftragt finden. und alle fünf Jahre erhoben. Im Jahr 2020 ergaben sich durch die Corona-Krise, die zum Teil in den Er- Kurz und knapp hebungszeitraum fiel, besondere Rahmenbedingun- gen für die Befragung. • Die ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie wurde mit ihrer 2020er Welle in ein zukunftsfähiges, modulares Studienkonzept Zentrale Im Fokus der Langzeitstudie steht die langfristige überführt. Forschungsfragen Entwicklung der Mediennutzung, mithin die Aneig- • Die zentralen Fragestellungen wurden fortgeführt und eine nung und der Umgang der Menschen mit den tech- größtmögliche Fortschreibungsfähigkeit erhalten. nischen und programmlichen Innovationen in diesem • Der Intermediavergleich wurde um internetbasierte und zeit- und Bereich. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ortsunabhängig nutzbare Angebote erweitert. Intermediavergleich, der in fünf grundlegenden For- • Da der Erhebungszeitraum zum Teil in die Corona-Lockdown-Phase schungsfragen operationalisiert wird: fiel, konnten Daten zu deren Auswirkung auf die Mediennutzung – Wie hoch ist die Tagesreichweite der Medien und generiert werden. wie viel Zeit nimmt die Nutzung dieser Medien im Tagesablauf in Anspruch? – Wie wirkt sich ein neues Medienangebot auf die Seit der letzten Erhebung der Studie im Jahr 2015 Nutzung der anderen Medien aus? hat sich dies nicht geändert. Vielmehr haben die – Aus welchen Gründen werden Medien genutzt, das neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisie- heißt, welche Funktionen haben sie für ihre Nutzer? rung zunehmend die Bindung zwischen spezialisier- – Welche Images haben die Medien aus Nutzersicht? ten Geräten, Nutzungssituationen und einzelnen Me- – Welche Bindung haben die Nutzer an die Medien dienangeboten aufgelöst. Hybride Devices, die so- und gibt es einen Zusammenhang zwischen Bin- wohl Funktionalitäten klassischer Geräte (z. B. tele- dung und Nutzung? (2) fonieren) als auch neue digitale Funktionalitäten (z. B. surfen) übernehmen können, ermöglichen längst eine Da Bindung an ein Angebot entsteht, wenn die Er- zeit- und ortsunabhängige Nutzung von Medienan- wartungen, die die Nutzer an das Angebot stellen, geboten, die nun neben klassischen Nutzungsmodi – erfüllt werden, wurde in der ARD/ZDF-Massenkom- wie zum Beispiel linearen Nutzungsmustern – stehen. munikation Langzeitstudie die Bindungsabfrage in Gleichzeitig wird die Abgrenzung zwischen Massen- die Fragestellungen: „Aus welchen Gründen, nutze kommunikation und Individualkommunikation durch ich ein Angebot?“ (Erwartung) und „Welche Leistung das überall präsente Smartphone und die Multifunk- erbringen Medien aus Nutzersicht?“ (Leistungsbe- tionalität von Social-Media-Plattformen immer kom- wertung) übersetzt. plexer. Die sich daraus ergebenden Herausforderun- gen für eine auf Langfristigkeit angelegte Inter Langfristvergleich Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die mediastudie wie die ARD/ZDF-Massenkommunika- im Spannungsfeld sich in der Medienwelt mit einer Vervielfachung des tion Langzeitstudie sind offensichtlich. zwischen Innovation Angebots, der Digitalisierung und der daraus resul- und Kontinuität tierenden Fragmentierung der Mediennutzung erge- Die für die Studie verantwortliche Projektgruppe stand somit vor der Aufgabe, die Erhebung den veränderten technischen Optionen sowie den da- * ARD-Werbung Sales & Services, Radioforschung, mit einhergehenden Änderungen der Nutzungsge- Frankfurt/Main, wohnheiten anzupassen und gleichzeitig Frage- ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation Trends. stellungen soweit wie möglich stabil zu halten, um ** Media Perspektiven, eine Fortschreibungsfähigkeit im Langzeitvergleich ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation. zu erhalten.
Lothar Mai/Angela Rühle Media 434 Perspektiven 7-8/2020 Überführung Vor diesem Hintergrund wurde die Langzeitstudie optionalen weiteren Modulen zu weiterführenden der Langzeitstudie Massenkommunikation seit 2015 einer umfassen- Fragestellungen. In einem ersten Schritt wurde die Massenkommu den Überarbeitung unterzogen, die die bisher er- Erfassung des Nutzungsverhaltens neu konzipiert und nikation in das fassten, stark gattungs- und gerätebezogenen Me- in dem jährlich wiederkehrenden Befragungskern Studienkonzept dienkategorien Fernsehen, Radio, Tageszeitung und Massenkommunikation Trends (MK-Trends) zusam- „Medien und ihr Internet in die hybride Mediennutzung des Jahres mengefasst. Über ein Fusionsmodell ist es möglich, Publikum“ 2020 überführt. Mit diesem Ziel setzte die ARD/ZDF- weitere Module, beispielsweise zur Onlinenutzung Medienkommission Ende 2015 eine Projektgruppe (ARD/ZDF-Onlinestudie) oder zu den Nutzungsmo- ein, die den Auftrag erhielt, ein „zukunftsorientier- tiven und zur Bewertung der Angebote (ARD/ZDF- tes Konzept für eine repräsentative Medienunter Massenkommunikation Langzeitstudie), an die jähr- suchung“ (3) zu entwickeln. Unter dem Titel „ Medien liche Basisbefragung anzufügen und im Rahmen und ihr Publikum“ (MiP) wurde daraufhin ein neues einer Gesamtstudie auszuwerten. Dies brachte zu- Studiendesign entwickelt, mit dem Anspruch, „den sätzlich Vorteile für die Operationalisierung, denn sich verändernden Rahmenbedingungen für Reprä- nun konnte die Umfragedauer – und damit die Ak- sentativerhebungen Rechnung zu tragen, flexibel zeptanz und Kooperation der Befragten – durch die die thematischen Schwerpunkte der Langzeitstudie Aufteilung in mehrere Befragungsmodule auch für die Massenkommunikation und der ARD/ZDF-Online Abfrage in einer Dual-Frame-Stichprobe optimiert studie fortzuführen und dabei auch soweit möglich werden. Dies gilt insbesondere für jüngere mobile und sinnvoll, eine methodische Kompatibilität zu Zielgruppen, deren Erreichbarkeit für ein Telefon anderen Markt-Media-Studien zu berücksichti- interview auf einem Festnetzgerät stetig abnimmt. gen“. (4) Dieser Prozess wurde 2017 von Bernhard Engel und Eva Holtmannspötter ausführlich be- Die Massenkommunikation Langzeitstudie wurde Fragestellungen schrieben. (5) mit ihrer Neuauflage 2020 ebenfalls in das Studien- der Massenkommu- konzept der MiP überführt. Zentrale Fragestellungen nikation ins Konzept Wesentliche Zielsetzung dieser Neukonzeption war zur Nutzung werden nun im Rahmen der MK-Trends der MiP intergiert unter anderem der Wunsch, valide Referenzzahlen jährlich abgedeckt. In einem zusätzlichen Fragemo- zur Intermedianutzung jährlich – und nicht wie bei dul wurden 2020 Fragen zu Nutzungsmotiven (Er- der Langzeitstudie Massenkommunikation im Fünf- wartungen) sowie eine Leistungsbewertung ausge- jahresrhythmus – zu erheben. Zudem wird davon wählter Angebote erfasst, die die Fragen nach Nut- ausgegangen, dass durch den Trend zu einer zuneh- zungsmotiven, Wahrnehmung (Image) und Bewer- mend konvergenten Nutzung von Medieninhalten tung der Angebote aus der Erhebung 2015 weiter- „das genutzte Endgerät aus Sicht der Nutzer zuneh- entwickeln. Gerade für den öffentlich-rechtlichen mend nachrangiger gegenüber dem Inhalt wird“. (6) Rundfunk und dessen gesellschaftlichen Mehrwert Es wurde deshalb angestrebt, von einer gerätebezo- hat die Frage, was von den Medienangeboten er- genen Abfrage der Mediennutzung hin zu einer con- wartet und wie diese wahrgenommen werden, große tent-orientierten Perspektive zu kommen, die der Relevanz. Die Kernkomplexe der Langzeitstudie Mas- Medienrealität der Nutzung von Inhalten über ver- senkommunikation finden sich – in abgewandelter schiedene Zugangswege und Devices entspricht. (7) Form – somit auch im neuen Studienkonzept wieder. Nutzungsformen Um dieser veränderten Medienwelt gerecht zu wer- Studiendesign Sehen, Hören, Lesen den, wurde die Erhebung der Nutzungsfrequenzen Das Studienkonzept „Medien und ihr Publikum“, mit Fusion auf Basis sowie der Reichweiten und Nutzungsdauern von einer Kernbefragung – den MK-Trends – und Modu- von Soziodemografie Medien im Tagesablauf neu strukturiert. Nicht mehr len, macht es neben inhaltlichen Aspekten möglich, und Mediennutzung die Mediengattungen wie Fernsehen, Radio, Zeitun- auch den Restriktionen von Befragungslängen zu ent- gen/Zeitschriften und Internet stehen im Fokus, son- gehen. Durch die Aufteilung des Fragenprogramms dern mit den Nutzungsformen Sehen (Fernsehen/ auf zwei Studienteile halbierte sich die jeweilige Videos), Hören (Radio/Audio) oder Lesen (Artikel/ Befragungszeit auf rund 25 Minuten, was die Akzep- Bücher) wird die Nutzung verschiedener Content tanz bei den Befragten erhöhte und die Option eröff- angebote über verschiedene Plattformen hinweg in nete, Interviews über mobile Geräte zu führen. den Mittelpunkt der Erhebung gestellt. Durch eine Fusion wurden beide Studienteile zu- sammengeführt. Die bisher in einer eigenen Frage erhobene Differen- zierung der genutzten Internetangebote wurde im Ziel der Fusion ist es, die spezifischen Merkmale Rahmen dieser Überführung aufgelöst und ebenfalls der sogenannten Donoren auf die sogenannten Re- in die abgefragten Nutzungsformen überführt. zipienten zu übertragen. (8) Als Donoren dienten hier die Befragten des Moduls Massenkommuni- Modulares Zentral bei der Umstellung war die Überführung in kation, mit den Fragen zu Nutzungsmotivationen Studienkonzept ein modulares Erhebungsmodell, mit einem jährlich und Bewertungen von Medienangeboten, Rezi- abgefragten Kern zum Mediennutzungsverhalten und pienten waren die Befragten des Kerns, der als
Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Media Perspektiven 435 7-8/2020 wesentlichen Bestandteil den Tagesablauf enthält. Da die Erreichbarkeit der unter 40-jährigen Ziel- Um die Ähnlichkeit von Donor und Rezipient zu be- personen für Erhebungen der Markt- und Sozial- stimmen und damit eine Grundlage für die Zusam- forschung stetig abnimmt, wurde in beiden Studien- menführung der Daten zu erhalten, wurden sozio- teile ein Boost von 100 Fällen für diese Altersgruppe demografische Merkmale und Informationen über realisiert. Das heißt, für zusätzliche 100 Interviews Mediennutzungsgewohnheiten als gemeinsame wurden nur Personen in der Altersgruppe 14 bis 39 Merkmale herangezogen. So werden die Fragen Jahre ausgewählt. Die Maßnahmen zur besseren zur Frequenz der Mediennutzung, die die gleiche Erreichbarkeit junger Zielgruppen erlauben, die An Differenzierung der Angebote wie im Tagesablauf gleichung der Anteile dieser Altersgruppen an die aufweisen, in den MK-Trends und in dem Modul amtliche Statistik durch Gewichtung gering zu hal- Massenkommunikation identisch abgefragt. Auch ten. Dies erhöht die Effektivität der Stichprobe. die demografischen Merkmale werden auf gleiche Weise erhoben. Auf Basis dieser Daten konnten im Die Teilstudie MK-Trends wurde ab dem 27. Januar Erhebungszeitraum Fusionsverfahren 184 Merkmale aus dem Modul 2020 erhoben. Aus organisatorischen Gründen ging fiel in den Massenkommunikation in die Kernbefragung MK- das Modul Massenkommunikation etwas später, am Corona-Lockdown Trends übertragen werden. Im Ergebnis entstand 31. Januar, ins Feld. Die Erhebungszeit endete für die Gesamtstudie ARD/ZDF-Massenkommunikation beide Teilstudien am 27. April 2020. Innerhalb die- Langzeitstudie 2020, die sowohl Informationen zur ser Zeit begann die Corona-Krise mit dem Lockdown Mediennutzung im Tagesablauf als auch Fragen zu Mitte März. Da die Interviews telefonisch durchge- Nutzungsmotiven und Bewertung der Angebote ent- führt wurden, konnten beide Teilstudien zu Ende hält. geführt werden. Allerdings war zu erwarten, dass sich das Mediennutzungsverhalten in dieser Zeit än- Rund Im Zuge des Fusionsmodells wurden für die ARD/ derte. Deshalb wurde der Erhebungszeitraum unter- 3 000 Personen ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 teilt in die Zeit vor und während des Lockdowns und befragt zwei Stichproben gezogen. Die Fallzahl der seit 2017 die Interviews getrennt gewichtet. Auch die Fusion stattfindenden Kernbefragung des Tagesablaufs und fand für beide Zeiträume getrennt statt. Alle Inter- anderer Referenzdaten für die Mediennutzung – die views ab dem 17. März wurden dabei der Lockdown- MK-Trends–, wurde von rund 2 000 auf rund 3 000 Zeit zugerechnet, da sie das Nutzungsverhalten des Fälle erhöht. Auch für das Modul Massenkommuni- Vortages, am Montag den 16. März, erfragt haben. kation mit den Nutzungsmotiven und der Bewertung Damit wird die Zeit „während der Corona-Krise“ be- ausgewählter Angebote wurden 3 000 Fälle realisiert ginnend mit der Kalenderwoche 12 definiert. Diese (vgl. Tabelle 1). Die identische Fallzahl der beiden Maßnahme ermöglichte die Auswertung der Ergeb- Teilstudien wurde auch gewählt, um mit einer glei- nisse sowohl gesamthaft als auch getrennt vor und chen Anzahl Donoren und Rezipienten die Bedingun- während Corona auf Basis ganzer Kalenderwochen. gen für das Gelingen der Fusion der Teilstudien zu Sie erlaubte somit eine Interpretation der Entwick- verbessern. lungen in der Mediennutzung unter Berücksichtigung des geänderten Verhaltens während der Corona- Dual-Frame- Die Stichprobe wurde für den Kern als Stichtagsbe- Krise. Der Lockdown, mit dessen Beginn Geschäfte, Befragung fragung (Tagesgleichverteilung) Montag bis Sonntag Schulen und Kindertagesstätten geschlossen und angelegt. Für das Modul Massenkommunikation öffentliche Veranstaltungen abgesagt wurden, wurde Montag bis Samstag telefoniert. Um die Er- brachte unter anderem gravierende Veränderun- reichbarkeit jüngerer Zielgruppen zu erhöhen und gen im privaten wie beruflichen Alltag sowie beim der veränderten Kommunikation per Telefon gerecht Verkehrsaufkommen, die sich auch im Mediennut- zu werden, wurden beide Stichproben auf Basis ei- zungsverhalten niederschlugen. (9) nes Dual-Frame-Ansatzes, das heißt unter Einbezie- hung einer Mobilfunk-Stichprobe, erstellt. 40 Pro- Mit Hilfe der Referenzstudie ma Audio wurden die Gewichtung auf zent der Interviews entfielen auf Mobilfunk-Geräte, Daten – getrennt nach dem Zeitraum vor und wäh- Basis der Referenz- 60 Prozent der Befragten wurden per Festnetz er- rend des Lockdowns – für verschiedene soziodemo- studie ma Audio reicht. Für die Mobilfunk- wie für die Festnetzstich- grafische Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildung, probe wurde jeweils die ADM-Auswahlgrundlage für Bundesland und Haushaltsgröße) an die Verteilung Telefonstichproben, dem Referenzsystem für bevöl- in der Bevölkerung angepasst. kerungsrepräsentative Stichproben in Deutschland, herangezogen. Fragenprogramm Mit der Umstellung auf das neue Studienkonzept Neukonzeption des Bei der Festnetzstichprobe wurde die Zielperson im „Medien und ihr Publikum“, ergab sich für die ARD/ Fragenprogramms Haushalt mit einem Zufallsverfahren, dem sogenann- ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie die Her- der Langzeitstudie ten Schwedenschlüssel ausgewählt. Bei der Mobil- ausforderung, ihr auf klassische Nutzungmodi aus- Massenkommuni funkstichprobe handelte es sich um eine Personen- gerichtetes Konzept für neue Nutzungsformen zu kation stichprobe. öffnen und das Fragenprogramm entsprechend an-
Lothar Mai/Angela Rühle Media 436 Perspektiven 7-8/2020 Tabelle 1 Studiendesign der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie Auftraggeber ARD/ZDF-Forschungskommission* Methode: Stichtagsbefragung 1964 – 1995: Face-to-Face in den Haushalten der Befragten 2000 – 2015: CATI (Computer Assisted Telephone Interviews); Festnetz 2020: CATI; Dual-Frame (60 % Festnetz, 40 % Mobilfunk) Institute 1964/1965: Infratest (München) und DIVO-Institut (Frankfurt a. M.) 1970 – 1995: Infratest (München) 2000 – 2015: GfK MCR (Raunheim) hervorgegangen aus den Instituten Enigma (Wiesbaden) und MMA (Frankfurt a.M) 2020: GIM (Wiesbaden) Fallzahlen (jeweils Soll-Werte) 1964: 6 000 Fälle (3 Teilstudien) 1970 – 1985: 2 000 Fälle 1990: 6 000 Fälle (Deutschland West:4 000 Fälle, Ost: 2 000 Fälle) 1995: 6 500 Fälle 2000: 5 000 Fälle 2005 – 2010: 4 500 Fälle 2015: 4 300 Fälle 2020: 2 Teilstudien: Kern mit Tagesablauf und Modul Massenkommunikation mit jeweils 3 000 Fällen, Zusammenführung mittels Datenfusion Erhebungswellen/Feldzeit 1964/1965: September 64 – Januar 65 1970: April – Mai 1974 – 1985: November – Dezember 1990 – 1995: September – November 2000: Mai – Juli 2005 – 2010: Januar – März 2015 – 2020: Januar – April Grundgesamtheit 1964/65: Deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) ab 15 Jahren 1970 – 1985: Deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) ab 14 Jahren 1990 – 2005: Deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ab 14 Jahren 2010 – 2020: Deutschsprachige Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ab 14 Jahren * Vertragspartner waren jeweils Organisationen von ARD und ZDF, 1995 wurde die Studie einmalig vom BMBF übernommen. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. zupassen. Schnell wurde absehbar, dass dies einen nau abzubilden, wurde in zwei Kernanforderungen umfangreichen Umbau des Fragebogens erforderte, umgesetzt. Erstens sollte die Mediennutzung nicht um von klassischen Nutzungsoptionen eine Öffnung länger anhand gerätebezogener Gattungen, wie zu hybriden Nutzungsoptionen zu realisieren und da- Fernsehen, Radio und ähnlichem, ermittelt werden. mit die Nutzungsrealität abbilden zu können. Zudem hat das „Gerät“ Computer nicht erst seit 2015 eine beachtliche technische Evolution erlebt. Zielsetzung: Für eine Neuauflage der ARD/ZDF-Massenkommu- Typische Anwendungen des klassischen Computers Nutzungsvielfalt in nikation Langzeitstudie wurden im ersten Schritt wie E-Mails schreiben, im Internet einkaufen, Spiele der digitalen einige Zielsetzungen formuliert, an denen sich die spielen und auch der Zugriff auf das Internet sind Medienwelt abbilden Neukonzeption ausrichten sollte (vgl. Abbildung 1). längst über diverse Geräte möglich, unter anderem Das grundsätzliche Ziel, die Medienrealität der digi- auch das klassische Fernsehgerät, sofern es sich um talisierten Medienwelt in ihrer Vielfalt möglichst ge- ein Smart-TV handelt. Den potenzierten Nutzungs-
Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Media Perspektiven 437 7-8/2020 Abbildung 1 Zielsetzung der Neukonzeption der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 Die Langzeitstudie soll die Medienrealität der digitalisierten Medienwelt abbilden. Mediennutzung soll nicht länger entlang gerätebezogener Gattungen erfasst werden, sondern anhand der wahrnehmungsbezogenen Kategorien Sehen (Fernsehen/Video), Hören (Radio/Audio), Lesen (Artikel/Bücher) sowie den generischen Internetfunktionen (Kommunikation, Einkaufen u.ä.). Erwartungen an das Medienangebot und dessen Bewertung sollen über die bisher erfassten Gattungen auf neue Angebote ausgedehnt werden, um das Wettbewerbsverhältnis verschiedener Angebote in der digitalisierten Medienwelt und die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ihr abbilden zu können. Eine Langzeitvergleichbarkeit soll weiterhin gegeben sein. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. möglichkeiten, verschiedene Medienangebote auf munikation wurden bereits 2017 mit der Studie einem Gerät – zum Beispiel einem Smartphone – Massenkommunikation-Trends (MK-Trends) in eine nutzen zu können oder jederzeit und mobil Angebote Abfrage nach Nutzungsformen überführt und wer- abzurufen, musste Rechnung getragen werden. Die den seitdem jährlich im Rahmen dieser intermedi- Abfrage nach Fernsehen, Radio, Tageszeitung und alen Studie abgefragt. (10) Ziel der MK-Trends ist Internet erwies sich vor diesem Hintergrund als nicht es, innerhalb des fünfjährigen Erhebungsrhythmus mehr zeitgemäß und wurde durch die Nutzungsfor- der Langzeitstudie Massenkommunikation, jähr- men Sehen (z. B. von Fernsehen oder Videos), Hören lich Kerndaten zur Mediennutzung zur Verfügung (z. B. von Radiosendern, Podcasts oder Musik) und zu stellen und so die gestiegene Dynamik des Me- Lesen (z. B. Artikel in –Zeitungen/Zeitschriften oder dienmarktes adäquat abbilden zu können. (11) Bücher) sowie die Funktionen des sogenannten nicht- Gefragt wird dabei nach der Frequenz der Nutzung medialen Internets, also Internetanwendungen, die ausgewählter Angebote, die anhand einer 7-stufi- im engeren Sinne keine Mediennutzung darstellen, gen Skala von „täglich“ bis „nie“ erfragt wird. Da wie Kommunizieren – zum Beispiel über E-Mails, die Fragen zur Frequenz der Mediennutzung als Messenger oder soziale Netzwerke –, Einkaufen verbindende Fusionsfragen zwischen den MK- oder auch einfach nur Surfen, abgelöst. Zweitens Trends und der jeweiligen Modulbefragung dienen, sollte die Mediennutzung, aber auch die Erwartungs- werden sie in beiden Befragungsteilen gestellt. haltung an und Bewertung von verschiedenen Me- dienangeboten auch auf neue Ausspielwege aus- Auch die Erfassung der Mediennutzung im Tages Tagesablauf als Kern gedehnt werden. Ziel ist es dabei, ein möglichst verlauf wurde 2017 in das neue Studienkonzept der Nutzungsabfrage breites Spektrum zu erfassen und so das Wettbe- übersetzt und dokumentiert seitdem jährlich als werbsverhältnis zwischen verschiedenen Angebots- Kern der Nutzungsabfrage das Mediennutzungsver- formen sowie die Rolle der öffentlich-rechtlichen halten im Zusammenhang mit täglichen Routinen Angebote abbilden zu können. und Tätigkeiten. In der Konsequenz bedeuteten diese Anforderungen Das tägliche Mediennutzungsverhalten wird mit eine umfassende Überarbeitung des Fragebogens Hilfe eines sogenannten Tagesablaufschemas er- der Massenkommunikation Langzeitstudie. Damit mittelt. Die Abfrage findet in Form eines Gesprä- einher ging eine Erweiterung um die internetbasierte ches statt, in dem der Interviewer den vorange- Nutzung klassischer medialer Angebote. Eine be- gangenen Tag des Befragten von 5.00 bis 24.00 sondere Herausforderung stellt vor diesem Hinter- Uhr in Viertelstundenabschnitten nach vorgegebe- grund die langfristige Vergleichbarkeit der Ergebnisse nen Kategorien protokolliert. Die Kategorien bein- dar. Um diese so weit wie möglich gewährleisten zu halten Tätigkeiten wie zum Beispiel Mahlzeiten, können, sollten Fragestellungen und Items, wo dies Autofahren, Einkaufen sowie Haus- und Berufsar- möglich war, stabil gehalten werden. beit. Diese werden auch Leittätigkeiten genannt, da sie den Befragten helfen, den gestrigen Tag zu Mediennutzung Mit dem neuen Konzept der Studienreihe „Medien strukturieren und sich an die gleichzeitig stattge- nun im Rahmen der und ihr Publikum“ wurde hier ein erster Schritt ge- fundene Mediennutzung zu erinnern. So kann die MK-Trends jährlich tan. Die wesentlichen Fragen zur Mediennutzung aus Mediennutzung des Tages viertelstundenweise er- abgefragt dem Kernbestand der Langzeitstudie Massenkom- fasst werden.
Lothar Mai/Angela Rühle Media 438 Perspektiven 7-8/2020 Tabelle 2 Erhebung der Mediennutzung im Tagesablauf: Konzept ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 Massenkommunikation 2015 Ebene 1 Nutzungsformen Mediengattungen Sehen, Hören, Lesen, nicht-mediales Internet Fernsehen, Radio, Tageszeitung, Internet Ebene 2 Nutzungsoptionen Gerätedifferenzierung live, zeitversetzt, on-demand Typen: z.B. Fernsehgerät, Radiogerät, PC Ebene 3 mobil/stationär Content-Differenzierung für das Internet UKW-Radio, TV-Gerät, Smartphone, … Text, Audio, Bewegtbild, generisches Internet sowie live, zeitversetzt, on demand Ebene 4 Nutzungsort Nutzungsort im Haus, außer Haus im Haus, außer Haus (Tätigkeiten im Tagesablauf) (Tätigkeiten im Tagesablauf) Quelle: Engel, Bernhard/Eva Holtmannspötter: Studienreihe: Medien und ihr Publikum. Neue Wege für die Erhebung der intermedialen Mediennutzung. In: Media Perspektiven 2/2017, S. 93. Bis zur Massenkommunikation 2015 wurde die Me- auch für Musik einzeln abgefragt. Die Nutzung von diennutzung nach den Gattungen Fernsehen, Radio, Social-Media-Angeboten wird ebenfalls orientiert an Tageszeitung und Internet abgefragt. Der Nutzungs- den genutzten Inhalten erfasst. Zudem trug man der ort (im Haus, außer Haus) wurde mit Hilfe der Leit- steigenden Bedeutung von Podcasts Rechnung und tätigkeiten im Tagesablauf erhoben. Die Differenzie- trennte diese in der Abfrage von den zeitversetzten rung der im Internet genutzten Inhalte wurden im Radiosendungen. In enger Zusammenarbeit mit den Nachgang zum Tagesablauf ermittelt. Auch die Nut- Instituten wurde kontinuierlich an den Frageformu- zungsoptionen, live/zeitversetzt/on-demand, wurden lierungen gearbeitet, um das Verständnis zwischen mit Nachfragen zu den genutzten Geräten erhoben Interviewer und Befragten zu verbessern. (vgl. Tabelle 2). Neben dem Mediennutzungsverhalten gehört auch Programmleistungen In der Massenkommunikation 2020 werden all diese die Frage nach der Qualität journalistischer Medien- 2020 über Modul Differenzierungen der Mediennutzung innerhalb des angebote zu den Themenbereichen, die sich in einem Massenkommuni Tagesablaufs mit den Nutzungsformen Fernsehen/ sich zunehmend diversifizierenden Medienmarkt kation erfasst Video sehen, Radio/Audio hören, Artikel/Bücher lesen Diskussionen stellen müssen. Auch für die Leis- sowie – als zusammengefasste Kategorie – Indivi- tungsbeurteilung von öffentlich-rechtlichen wie pri- dualkommunikation und sonstige Internetanwendun- vaten Radio- und Fernsehangeboten wurde deshalb gen, die sich nicht auf Medienangebote beziehen (12), angestrebt, das Erhebungsintervall zu verkürzen. erhoben. Dabei können die Befragten ihre Nutzung Die Frage aus der Langzeitstudie Massenkommuni- in linear („zum Zeitpunkt der Ausstrahlung“) und kation nach den Funktionen und dem Image von öf- zeitsouverän („selbst aufgenommen“, „in Media fentlich-rechtlichen und privaten Programmangebo- theken“ etc.) differenzieren. Alle in der Frequenzab- ten wurde deshalb 2017 ebenfalls in den Fragebogen frage enthaltenen Nutzungsformen finden sich auch der MK-Trends überführt. Seitdem wird hier jährlich im Tagesablauf abgedeckt. Mit den Leittätigkeiten erfragt, ob diese eher öffentlich-rechtlichen oder und den Nutzungswegen (Geräte) werden Ort und privaten Programmanbietern zuzuordnen sind. Die Empfangswege der Mediennutzung bestimmt (vgl. Ergebnisse zeigten zuletzt 2019 charakteristische Abbildung 2). Der Tagesablauf wurde bereits 2017 Stärken der Anbieter im dualen Rundfunksystem für die MK-Trends neu konzeptioniert und seitdem Deutschlands auf. (14) stetig weiterentwickelt. (13) So wurden 2020 Nach- fragen, welches Gerät für die jeweiligen Anwendung Für die Erhebung 2020 wurde jedoch auf diesen genutzt wurde, in den Tagesablauf integriert und die Fragenkomplex verzichtet, da Redundanzen mit dem Nutzung von Artikeln und Berichten im Internet diffe- ausführlichen Fragenprogramm zur Leistungsbewer- renziert nach den jeweiligen Quellen – wie Websites tung im Modul der Massenkommunikation Langzeit- oder Apps von Zeitungen und Zeitschriften, Radio- studie vermieden werden sollten. Eine Wiederauf- und Fernsehsendern sozialen Medien und anderen nahme der Fragestellungen ist für die kommenden Anbietern – abgefragt. Auch wurde deutlich, dass Jahre im Rahmen der MK-Trends geplant. Die Befra- einige Nutzungsoptionen getrennt abgefragt wer- gungen der jährlichen MK-Trends und der fünfjähr- den müssen, um die Mediennutzung möglichst dif- lich erhobenen Langzeitstudie Massenkommunika- ferenziert abzubilden. YouTube wird daher nun als tion ergänzen sich somit in diesem Themenbereich Quelle sowohl für Videos und Fernsehsendungen als funktional.
Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Media Perspektiven 439 7-8/2020 Abbildung 2 Aufbau des Tagesablaufs Nutzungsoptionen Nutzungswege Sehen a. Stationärer Computer a. Fernsehen, Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung b. Laptop b. Selbst aufgenommene Fernsehsendungen c. Smartphone c. Fernsehsendungen oder Videos in Mediatheken d. Tablet d. Fernsehsendungen auf YouTube e. Fernseher/Smart TV e. Videos bei Netflix, Amazon Prime Video oder anderen Streamingdiensten f. Spielekonsole f. Videos auf YouTube und anderen Videoportalen g. Smartspeaker g. Videos auf Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien h. anderes Gerät h. Videos bei anderen Anbietern im Internet ansehen, z.B. auf Nachrichtenportalen i. DVD oder Blu-ray Nur für “Radio hören” Hören 1. UKW-Radiogerät 2. WLAN Radio a. Radio zum Zeitpunkt der Ausstrahlung 3. DAB + Radio b. Radiosendungen oder Beiträge von Radiosendungen auf Abruf im Internet c. Podcasts d. Musik über YouTube e. Musik über Spotify, Amazon Music oder andere Streamingdienste f. Musik über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download g. Hörbücher oder Hörspiele über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download Lesen Tätigkeiten a. Gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften b. Gedruckte Bücher a. Körperpflege/Anziehen c. Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von Zeitungen und Zeitschriften d. Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von Fernseh- oder Radiosendern b. Essen/Mahlzeiten e. Artikel/Berichte auf Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien c. Hausarbeiten f. Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von anderen Anbietern im Internet d. Berufsarbeit zu Hause g. E-Books e. Sonstiges im Haus f. Unterwegs im Auto Nicht-mediales Internet g. Unterwegs in Bahn/Bus a. Einkäufe oder Erledigungen im Internet, also Onlineshopping, Onlinebanking, Auktionen h. Einkaufen/Besorgungen b. Kommunikation im Internet, also Chatten, E-Mailen, private Posts in sozialen Medien, Messenger wie i. Berufsarbeit außer Haus WhatsApp nutzen j. Schule/Studium c. Onlinespiele spielen k. Freunde/Bekannte/Verwandte d. Sich kurz im Internet über etwas informieren, einen Überblick verschaffen, schnell etwas suchen l. Kneipe/Gaststätte/Restaurant e. Einfach nur im Internet surfen m. Sonstiges außer Haus Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. Erwartungen an die An Stelle des Leistungsvergleichs zwischen öffent- gen über die Entwicklung langfristiger Einstellungen Medienentwicklung lich-rechtlichen und privaten Angeboten wurde des- und Bindungen gegenüber den Medien in sich wan- der Zukunft abge- halb 2020 die sogenannte Zukunftsfrage, die eben- delnden Angebots- und Rezeptionssituationen zu- fragt falls seit dem Jahr 2000 zum Kernbestand der Lang- lassen. zeitstudie Massenkommunikation zählt, in den Frage- bogen der MK-Trends aufgenommen. Dabei werden Im Rahmen der Massenkommunikation 2020 sollte mögliche Entwicklungen in der Mediennutzung der nun die jährliche Erfassung der Nutzungssituation kommenden zehn Jahre in Statements formuliert wieder um die qualitative Einschätzung der Angebote und die Befragten gebeten einzuschätzen, ob diese im Rahmen eines Befragungsmoduls angereichert Entwicklung „voll und ganz“, „weitgehend“, „weni- werden, um so erneut im Fünfjahresrhythmus die ger“ oder „überhaupt nicht“ eintreffen wird. wesentlichen Forschungsfragen der Langzeitstudie Massenkommunikation abdecken zu können. Nutzungsmotive und Ein wesentlicher Kernbestand des Forschungsinte Leistungsbewertung resses der Massenkommunikation wurde jedoch Abbildung 3 zeigt die Überführung des Fragenbe- als Kernbestand nicht im Fragenprogramm der MK-Trends abgebil- stands der Massenkommunikation 2015 in das neue der MK det. Nutzungsmotive für die verschiedenen Medien- Studienkonzept der MiP in Form eines Kernmoduls angebote sowie Image und Bewertung der Pro- zur Nutzung und eines vertiefenden Moduls zu den grammleistung sind wichtige Indikatoren, die die Erwartungen an und zur Bewertung der Medienan- Auswahl eines Medienangebots prägen und Aussa- gebote im Zeitverlauf. Aus der Langzeitstudie Mas-
Lothar Mai/Angela Rühle Media 440 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 3 Überführung der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie in das Konzept „Medien und ihr Publikum“ (MiP) – Haupt-Fragenkomplexe Medien und ihr Publikum (MiP) Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 Massenkommunikation Trends Modul Massenkommunikation 2020 Themenkomplex Mediennutzung Nutzungsfrequenz Medienangebote • Mediennutzung • Sehen • Nutzungswege Fernsehen • Hören • Nutzungswege Hörfunk • Lesen • Nutzungswege Tageszeitung • Nicht-mediales Internet • Nutzungswege Internet • Internetdifferenzierung • Nutzung sonstiger Anwendungen Tagesablauf Tagesablauf Themenkomplex Erwartungen Themenkomplex Erwartungen & Bewertung & Bewertung • Image (trifft am ehesten auf … zu) • Erwartungen (Nutzungsmotive) • Nutzungsmotive (trifft voll und ganz auf... zu) • Leistungsbewertung • Nutzungsmotive (trifft am ehesten auf ... zu) Themenkomplex Themenkomplex Systemvergleich Systemvergleich • Funktion/Image TV-Programme öffentlich-rechtlich vs. • in Themenkomplex Bewertung privat integriert • Anbieter-Image öffentlich-rechtlich vs. privat • Nutzungsmotive öffentlich-rechtlich vs. privat Themenkomplex Information & Politik Themenkomplex Information • Informationsroutinen nach Themen & Politik • Nachrichtennutzung Internetdifferenzierung • Politisches Interesse • Infopräferenz Fernsehen/Hörfunk öffentlich-rechtlich/ • Informationsroutinen nach vs. privat Medium • politisches Interesse • Persönliche Wahrnehmung • Politisches Interesse nach Eigenbetroffenheit der Medienrealität Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. senkommunikation wurden dabei im Wesentlichen das Internet zu nutzen (4er Skala) und für welche die Fragenkomplexe „Erwartungen und Bewertun- Gattung diese Motive „am meisten“ bzw. „an zwei- gen“ sowie „Informationsnutzung“ und „politisches ter Stelle“ zutreffen. Das Image der verschiedenen Interesse“ in das neue Modul überführt. Medienangebote wurde anhand von 14 Eigenschafts- zuschreibungen ermittelt, für die ebenfalls angege- Anpassung der Die größte Herausforderung stellte hierbei die Erfas- ben werden sollte, auf welche der Gattungen sie Fragestellung sung von Nutzungsmotiven, Imagezuschreibungen „am ehesten“ und „an zweiter Stelle“ zutreffen. Im an veränderte und Leistungsbewertungen in die neue Systematik Leistungsvergleich wurde anhand verschiedener Aus- Angebotsstrukturen hybrider Medienangebote dar. Die in der Zielsetzung sagen zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem der Studie skizzierten Anforderungen, von einer Fernsehen unterschieden und ermittelt, auf wen die gerätebezogenen auf eine wahrnehmungsbezogene Aussage bzw. Eigenschaft (Image) eher zutrifft. Nutzungsebene überzugehen sowie neue Angebots- formen in die Abfrage zu integrieren, sollte auch hier Für die Massenkommunikation 2020 wurden diese operational umgesetzt werden. drei Komplexe zusammengefasst und zwischen Er- wartungen an die Medien (Nutzungsmotive) und die Im Fragebogen von 2015 waren hierzu drei Komplexe (Leistungs-)Bewertung der Angebote unterschieden enthalten. Zu ihrer Nutzungsmotivation wurden die (vgl. Abbildung 4). Der erste Komplex der Nutzungs- Befragten gebeten anzugeben, inwieweit ausge- motive beantwortet dabei die Frage, welche Aspekte wählte Motive eine Rolle spielen, wenn es darum für die Auswahl eines Medienangebots relevant sind. geht, das Radio, Fernsehen, eine Tageszeitung oder Sie beschreiben gleichzeitig Eigenschaften, die dem
Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Media Perspektiven 441 7-8/2020 Abbildung 4 Aufbau des Themenkomplexes Motive/Bewertung 2015 und 2020 im Vergleich Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 Sehen Hören Lesen Fernsehen Radio TZ Internet (Fernsehen/Video) (Radio/Audio) (Artikel) Nutzungsmotive Nutzungsmotive (Erwartungen) Leistungsbewertung Leistungsbewertung Image Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. jeweiligen Angebot zugeschrieben werden und so- mehr Zeit und einer möglicherweise entspannteren mit eine Erwartungshaltung generieren. Diese Frage- Grundhaltung (Lean Back) von zu Hause aus könn- stellung hat immer auch die aktuelle Rezeptions ten dagegen Angebote relevanter werden, die eine situation im Blick und berücksichtigt neben dem längere Aufmerksamkeitsspanne benötigen. Infolge- eigentlichen Programminhalt auch, über welchen dessen spricht der gewählte Verbreitungsweg mög- Verbreitungsweg er genutzt wurde. Der zweite Kom- licherweise unterschiedliche Nutzungsmotive an plex der Leistungsbewertung knüpft dagegen un- und muss deshalb von der Fragestellung abgebildet mittelbar an den genutzten Inhalt an und legt den werden. Fokus – auf Kosten des technischen Übertragungs- wegs – auf qualitative Unterschiede, also darauf, Unterhalb der Wahrnehmungsdimensionen Fern- Lineare und wie die programmliche Leistung der verschiedenen sehen/Video sehen, Radio/Audiohören und Artikel/ zeitsouveräne Anbieter von den Nutzern beurteilt wird. Bücher lesen wurde deshalb zunächst einmal unter- Angebote schieden, ob es sich um einen klassischen Anbieter unterschieden Nutzungsmotive: Um diese Fragestellungen in das neue Studiendesign oder um ein neues (internetbasiertes) Angebot han- Rezeptionssituation zu überführen, musste die Angebotspalette zunächst delt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass jeder beeinflusst die von der gerätebezogenen Ebene in die wahrneh- Anbieter ein spezifisches Angebotsprofil hat, das Auswahl mungsbezogene übersetzt werden. Zentral war da- gemeinsame Spezifika aufweist, unabhängig davon, bei die Erweiterung um digitale Angebotsformen, die ob es über klassische Verbreitungswege oder über einer Auflösung der Kategorie Internet gleichkam. das Internet genutzt wird. Darüber hinaus wurde in Die Liste der abgefragten Angebotsformen wurde einem zweiten Schritt berücksichtigt, ob der Inhalt von vier (Fernsehen, Radio, Tageszeitung, Internet) linear oder zeitsouverän (on-demand) abgerufen wird. auf neun erweitert (vgl. Abbildung 5). Die Vielzahl der mittlerweile verfügbaren Angebots- Wie bereits oben erwähnt wurde, kommt auf der formen macht es unmöglich, eine komplette Markt Ebene der Nutzungsmotive neben dem eigentlichen abbildung in einer Befragung umzusetzen. Aus be- Programminhalt auch der Rezeptionssituation eine fragungsökonomischen Gründen wurde die Abfrage besondere Bedeutung zu. Je nachdem, in welcher der untersuchten Angebote deshalb auf jene kon- Situation sich die Nutzer gerade befinden – ob zum zentriert, denen im Wettbewerb mit den klassischen Beispiel zu Hause ein Medienangebot gesucht wird Rundfunkangeboten besondere Relevanz zukommt. oder man gerade unterwegs ist, wie das Zeitbudget Für die Nutzungsform Sehen handelt es sich dabei – aussieht – und andere Faktoren beeinflussen die neben dem klassischen linearen Fernsehen („Fern- Motivation, das eine oder andere Angebot zu wäh- sehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung“) um len. In einer Wartesituation an der Bushaltestelle neue Angebote der klassischen Fernsehsender wie werden beispielsweise eher Zerstreuung und Unter- Mediatheken („Fernsehsendungen oder Videos in haltung oder auch kurze Informationen gesucht. Mit Mediatheken“), Videoportale wie YouTube („Videos
Lothar Mai/Angela Rühle Media 442 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 5 Nutzungsmotive - Struktur der abgefragten Angebote (Gattungsebene) Sehen (Fernsehen/Video) Hören (Radio/Audio) Lesen (Artikel) klassische Anbieter neue Anbieter klassische Anbieter neue Anbieter klassische Anbieter neue Anbieter (TV) (Internet) (Radio) (Internet) (Presse) (Internet) non- non- linear linear gedruckt online linear linear Media- Video-Streaming- Radio lineares Radio Musik- gedruckte Online- Nicht erfasst: theken dienste (Netflix u.a.) TV on Streamingdienste Zeitungen/ angebot • User generated demand (Spotify, YouTube Zeitschrif- klass. content Videoportale (YouTube u.a.) ten Presse- • andere Anbieter, u.a.) marken z.B. Onlinepresse (online only u.ä.) Legende Wahrnehmungsdimension Anbieter linear, non-linear abgefragte Anbieter Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. auf YouTube oder anderen Videoportalen“) sowie um tinuität zu den bisher abgefragten Nutzungsmotiven die Angebote von Video-Streamingdiensten („Videos angestrebt. bei Netflix, Amazon Prime Video oder anderen Strea- mingdiensten“). Bei der Nutzungsform Hören wur- Vier relevante Bereiche möglicher Nutzungsmotive den die Audioangebote des klassischen Radios wurden berücksichtigt: Meinungsbildung/Informa- („Radio“), zeitversetzte Radioinhalte auf Abruf, zum tion, Unterhaltung, die Nutzungsstimmung sowie die Beispiel „Radiosendungen oder Beiträge aus Radio- persönlichen Interessen der Nutzer. Der Wunsch, sendungen auf Abruf im Internet“ sowie Audio-Strea sich zu informieren oder sich eine Meinung zu einem mingdienste („Musik über YouTube, Spotify oder an- Thema zu bilden (Meinungsbildung/Information) ist dere Streamingdienste“) abgefragt. Für die Nutzungs- sicherlich ein wesentlicher Anlass, ein mediales An- form Lesen fand eine Beschränkung auf die Angebote gebot aufzusuchen. Unterschieden wurde in diesem der traditionellen Printprodukte statt. Hier wurden Bereich, ob es sich dabei um ein unmittelbares In- lediglich „gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften“ formationsbedürfnis handelt („weil ich mich infor- und „Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von mieren möchte“) oder ob damit eine eher soziale Zeitungen und Zeitschriften“ berücksichtigt. Digitale Funktion des Informiertseins gesucht wird, nämlich Textangebote anderer Anbieter, wie zum Beispiel mitreden zu können (vgl. Abbildung 6). Ein weiteres Online-Only-Presse, User-Generated-Content oder klassisches Motiv für Mediennutzung ist das Bedürf- auch Bücher, konnten im Zeitrahmen der Befragung nis nach Unterhaltung. Die Mediennutzungsforschung in Bezug auf die Nutzungsmotive nicht untersucht unterscheidet hier im Rahmen des sogenannten werden. Zwei-Prozess-Modells zwei Bedürfnislinien, denen Unterhaltung dienen kann. (15) Dabei wird unter- Informations- und Die Befragten wurden anhand einer vorgegebenen schieden zwischen hedonistischen Unterhaltungs- Unterhaltungs Itembatterie gebeten, zu jeder dieser Angebotskate- motiven, die Spaß und/oder Ablenkung vermitteln, bedürfnis sowie gorien anzugeben, weshalb sie diese sehen, hören sowie dem sogenannten eudämonistischen Unter- Nutzerstimmung und oder lesen. Dies wurde mittels einer vierstufigen haltungsmotiv, das auf eine persönliche Weiterent- Interessen abgefragt Skala von „voll und ganz“ bis „gar nicht“ erfasst. wicklung zielt, zum Beispiel in dem Sinne inspiriert Befragt wurden nur diejenigen, die das jeweilige An- zu werden oder Anregungen und Denkanstöße zu gebot „zumindest mehrmals im Monat“ genutzt ha- bekommen. Die hedonistische Unterhaltungsfunk- ben. Dabei wurde – mit Blick auf die Fortschrei- tion wurde mit dem Item „weil es mir Spaß macht“ bungsfähigkeit der Studie – die größtmögliche Kon- abgefragt, die eudämonistische Erwartung über die
Zukunftsorientiertes Konzept für eine repräsentative Intermediastudie Media Perspektiven 443 7-8/2020 Abbildung 6 Nutzungsmotive - Struktur der abgefragten Motive Meinungsbildung/ Nutzungsstimmung Unterhaltung Nutzerinteresse Information soziale Informa- hedonis- eudämo- aktiv Lean Back Exklusivität Funktion tionssuche tisch nisch „damit ich „weil ich mich „weil es mir „weil ich „weil ich dort „weil ich „weil es dort Inhalte mitreden kann“ informieren Spaß macht“ Denkan- selbst mich dabei gibt, die ich nur dort möchte“ stöße und bestimmen entspannt finde“ Anregungen kann, wann zurück- bekomme“ und was ich lehnen kann“ suche“ Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. Aussage „weil ich Denkanstöße und Anregungen Anbietergattung abzubilden. Gerade im Programm bekomme“ aufgegriffen. Als dritter Motivstrang ent- angebot von Radio und Fernsehen lassen sich deut- scheidet auch die jeweilige individuelle Stimmungs- lich unterschiedliche Angebotsprofile nachweisen lage darüber, welches Medienangebot gewählt wird. (16), die auch von den Zuschauern und Hörern Dabei scheinen die Motive, sich einerseits „berie- wahrgenommen werden. (17) Anders als bei der seln“ lassen zu wollen oder selbstbestimmt und Frage nach den Nutzungsmotiven wurde deshalb bei zeitunabhängig ein Angebot aktiv zu wählen, von der Leistungsbewertung zwischen den Angeboten Bedeutung zu sein. Die erste – als „Lean Back“ be- des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privaten zeichnete – Nutzungsstimmung fand Ausdruck in Radio- und Fernsehanbietern unterschieden. Ver- der Aussage „weil ich mich dabei entspannt zurück- zichtet wurde dagegen auf eine Unterscheidung des lehnen kann“, ein eher aktiv orientierter Nutzungs- Rezeptionswegs. Vielmehr wurden die Befragten modus mit „weil ich dort selbst bestimmen kann, gebeten, die jeweilige Programmleistung zu bewer- wann und was ich nutze“. Ein Mediennutzungsmo- ten, egal ob der Inhalt über einen klassischen Ver- tiv, das mit der Digitalisierung und dem schier end- breitungsweg oder über das Internet genutzt wurde losen Angebot des Internets (Stichwort: Long Tail) an (vgl. Abbildung 7). Bedeutung gewonnen hat, ist die Verfolgung indivi- dueller Interessensgebiete bzw. das Auffinden von Insgesamt wurden neun Anbietergruppen in der Fra- Inhalten, die den eigenen Interessen besonders ent- gestellung berücksichtigt und damit ebenfalls eine sprechen. Medienangebote können sich somit auch deutlich größere Bandbreite an Angeboten abge- dadurch qualifizieren, dass sie Inhalte anbieten, die deckt, als dies 2015 der Fall war. Neben öffent- mit den Interessen und dem Geschmack ihrer Nutzer lich-rechtlichen und privaten Fernseh- wie Radioan- übereinstimmen. Diese Exklusivität attraktiver Inhal- geboten waren dies auf der Nutzungsform Sehen te ist im diversifizierten Medienmarkt angesichts Video-Streamingdienste („Netflix, Amazon Prime einer Vielzahl von – zum Teil kostenpflichtigen – An- Video oder andere Streamingdienste“) und Videopor- geboten zu einem weiteren Kriterium geworden, tale („YouTube oder andere Videoportale“), Musik- nach dem man ein bestimmtes Angebot auswählt. Streamingdienste aus dem Bereich Hören („Spotify, Mit der Aussage „weil es dort Inhalte gibt, die ich nur Amazon Music oder andere Musik-Streamingdiens- dort finde“ wurde dieser Aspekt ebenfalls in der te“) sowie „Zeitungen und Zeitschriften“ bei der Fragestellung aufgegriffen. Nutzungsform Lesen. Eine Sonderrolle kommt sozi- alen Medien zu. Sie stellen in der Regel kein redak- Leistungsbewertung: Eine Bewertung des medialen Angebots ist unmittel- tionell verfasstes Angebot dar und bieten – wie viele Inhalte stehen im bar mit der Qualität und Anmutung der genutzten andere internetbasierten Angebote auch – sowohl Vordergrund Inhalte verknüpft. Die Unterscheidung, ob ein Ange- Inhalte in Video- als auch Audio- und Textform an. bot über einen klassischen Verbreitungsweg, also Aufgrund der Bedeutung, die sozialen Medien vor beispielsweise lineares Fernsehen, oder über einen allem bei der Informationsnutzung junger Ziel Abruf im Internet, zum Beispiel einer Mediathek, er- gruppen zukommt, wo sie in direkter Konkurrenz folgt, ist demgegenüber nachrangig und konnte des- zu den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rund- halb vernachlässigt werden. Deutlich relevanter ist funks und anderer klassischer Medienanbieter ste- es, unterschiedliche Angebotsprofile innerhalb einer hen, wurden sie in der Leistungsbewertung neben
Lothar Mai/Angela Rühle Media 444 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 7 Leistungsbewertung - Struktur der abgefragten Angebote (Angebotsebene) Sehen (Fernsehen/Video) Hören (Radio/Audio) Lesen (Artikel) neue Anbieter neue Anbieter Klassische neue Anbieter Klassische Anbieter (TV) Klassische Anbieter (Radio) (Internet) (Internet) Anbieter (Presse) (Internet) öffentlich- öffentlich- privat privat rechtlich rechtlich öffentlich- private TV- Video-Streaming- öffentlich- private Audio-Streaming- Artikel/Berichte in Soziale Medien rechtliche TV- Angebote dienste (Netflix rechtliche Radio- dienste (Spotify Zeitungen und (Facebook u.a.) Angebote u.a.) Radio-Angebote Angebote u.a.) Zeitschriften Videoportale (YouTube u.a.) Legende Wahrnehmungsdimension Anbieter ö.-r. vs. privater Rundfunk abgefragte Anbieter Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020, eigene Darstellung. die Angebote der klassischen journalistischen An- Tendenzen in der Gesellschaft ist dies eine rele gebote gestellt. vante gesellschaftliche Leistung, die von Medienan- geboten erbracht wird und über das Item „tragen Bewertung der Die Leistung der verschiedenen Angebote sollte von zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei“ ermit- journalistischen und den Befragten in vier Dimensionen bewertet werden: telt werden sollte. emotionalen Qualität, der journalistischen Qualität, der emotionalen Qua- des Public Values lität, dem Public Value – also gesellschaftlichem Neben den skizzierten zentralen Forschungsfragen, Genutzte sowie der Mehrwert – sowie der Integrationsleistung. Die jour- aus welchen Gründen Medien genutzt und wie diese Informationsangebote Integrationsleistung nalistische Qualität wurde mittels der Kriterien Glaub- von ihren Nutzern bewertet werden, die mit dem erfasst würdigkeit („bieten glaubwürdige Inhalte“), Kom- Komplex Nutzungsmotive und Leistungsbewertung petenz („bieten kompetent gemachte Inhalte“) und fortgeführt wurden, greift die Massenkommunikation Unabhängigkeit des Angebotes („sind unabhängig Langzeitstudie 2020 erneut Einzelfragen nach der von politischen und wirtschaftlichen Interessen“) Informationsnutzung und dem allgemeinen poli erfragt (vgl. Abbildung 8). Die emotionale Qualität tischen Interessen aus dem Jahr 2015 wieder auf. erfasste den Unterhaltungswert („bieten unterhalt- same Inhalte“) sowie die Übereinstimmung mit dem Die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Informa- persönlichen Geschmack („bieten genau die Inhalte, tionsangebote ist ein Kernbestand des öffentlich- die mir gefallen“). Im Hinblick auf den gesellschaft- rechtlichen Programmangebots. In der Massenkom- lichen Mehrwert (Public Value) medialer Angebote munikation 2015 wurde deshalb danach gefragt, unterscheidet die Forschung zwischen dem soge- welches der klassischen Medienangebote Fernse- nannten Citizen Value, also dem Mehrwert, der für hen, Radio oder Tageszeitung sowie das Internet am die Gesellschaft erbracht wird, und dem Personal besten bzw. zweitbesten über ausgewählte Themen- Value, also dem Wert, den das Angebot für die Indi- gebiete informiert, zum Beispiel über Aktuelles aus viduen erbringt. (18) Diese Bereiche wurden mit den Politik und Wirtschaft oder Regionales, das aktuelle Aussagen „bieten Themen, die für die Gesellschaft Sportgeschehen oder auch „persönliche Interes- wichtig sind“ und „bieten Inhalte, die für mich wichtig sensgebiete“ oder Infos über Prominente. Zudem sind“ in die Abfrage einbezogen. Bezüglich der Inte- wurde erfasst, über welche Plattformen Nachrichten grationsleistung der Angebote interessierte vor allem, im Internet genutzt wurden. In der Massenkommu- inwieweit sie einen Beitrag zum gesellschaftlichen nikation 2020 wurden diese Fragestellungen zum Zusammenhalt leisten. Vor dem Hintergrund der Teil über die Nutzungsabfrage (Internetdifferenzie- Diskussion um Fake-News und desintegrierende rung) bzw. die Nutzungsmotive („weil ich mich infor-
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