Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege im heutigen Kroatien
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Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014- 1 Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege im heutigen Kroatien Die Denkmalpflege in Kroatien ist von drei Merkmalen servierungshistoriker ihre Wurzeln in der Gründung der wesentlich geprägt: einer beträchtlichen Kontinuität, Wiener Zentralkommission, einige sind sogar der Mei- einem regen Austausch zwischen theoretischen Ansät- nung, dass sie noch früher aus den archäologisch-kon- zen und praktischen Realisierungen und – einer beinahe servatorischen Projekten des österreichischen Vormärz regelmäßigen Abhängigkeit von den politischen Verwal- stammt. Kontinuität bedeutet aber nicht unbedingt die tungsstrukturen. Viele werden darin keinen erheblichen stete harmonische Übereinkunft von Ideen und den mit Unterschied zu anderen mittel- und osteuropäischen Denkmalschutz betrauten Institutionen: Die kroatische Ländern sehen, mit denen Kroatien die Geschichte der Geschichte der Denkmalpflege zeigt in diesem Bereich Ideen zur Konservierung und Restaurierung teilt. Im vor- ein außergewöhnlich dynamisches Geschehen, geprägt liegenden Beitrag möchte ich Überlegungen zu neueren von vielen Kontinuitäten, aber auch zahlreichen Brü- Tendenzen vorstellen, darunter verstehe ich die Zeit chen. nach dem Kriegsgeschehen in den 1990er Jahren. Kroatien hat seine Selbständigkeit nach dem Fall der Die oben genannte beachtliche Kontinuität in der Berliner Mauer erlangt. Von der Mitte des 19. Jahrhun- Denkmalpflege hat nach Ansicht der kroatischen Kon- derts bis zum Zusammenbruch der kommunistischen Abb.1: Die Altstadt von Dubrovnik, Perle der Adria, seit 1979 auf der Welterbeliste verzeichnet und 1994 als Welterbestätte erweitert, wurde während der militärischen Auseinandersetzungen zu Beginn der 1990er Jahre erheblich zerstört und stand zwischen 1991 und 1998 auf der Liste des gefährdeten Welterbes. Die Stadt steht nun im Mittelpunkt eines von der UNESCO koordinierten Wiederaufbau- und Restaurierungspro- gramms. Diesen Anstrengungen entgegen läuft das gigantische Vorhaben eines Erholungs-Parks, das irreversible Folgen für das Weltkulturerbe hätte. Die Altstadt wird darüber hinaus von der zunehmenden Kreuz-Schiff-Fahrt massiv bedroht. Vgl. dazu den Bericht des Welterbekomitees vom Juni 2014: «The State Party reported that the proposed recreational centre would cover an area of protected forest for some 359 ha on the plateau of Mount Srd and Bosanka, situated directly above the City of Dubrovnik. The proposal includes the construction of two golf courses, a sports center, two hotels, 240 villas, 408 apartments, an amphitheater, equestrian club, parks, promenades, and other facilities. Some of the villas would be constructed at the edge of the escarpment giving them views over the old city.» http://whc.unesco.org/archive/2014/whc14-38com-7B- Add-en.pdf. Foto: Paolo Mofardin, 2014, Universität Zagreb, Institut für Kunstgeschichte.
Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014 - 2 Abb.2: Dubrovnik, gesehen von Südwest mit dem Blick auf den Berg Srdj (grün) und das geplante Projekt (rot) oberhalb der Welterbestadt Dubronvik (historisches Zentrum und Puffer-Zone (dunkelblau). Darstellung: Dubrovnik County Office for planning, 2012. Vormachtstellung in Osteuropa kann die Politik- und ben durch ihr Wirken und ihre Beiträge zur theoreti- Kulturgeschichte dieses relativ kleinen Landes am süd- schen Fundierung der Konservierung und Restaurie- östlichen Teil des Kontinents vor dem Hintergrund der rung entscheidend beigetragen. Die Ausbreitung der Evolution der westlichen Werte betrachtet werden. Die- Konservierungsbewegung in Mitteleuropa und Italien ser Prozess setzte in der Zeit ein, als Kroatien nur ein wurde auch in Kroatien spürbar. Das Land machte in- koloniales Mitglied in der untergehenden multinationa- nerhalb von kaum mehr als anderthalb Jahrhunderten len Habsburger Monarchie war. In der Zeit des ersten eine spürbare Veränderung der Identität durch: von der und des zweiten Jugoslawiens wurde dieser Prozess Dekolonisation bis zur vollständigen Emanzipation, wo- zeitweilig unterbrochen, dann aber wieder belebt, be- bei die Konservierungstheorien des fin-de-siècle als ein sonders intensiv aber nach der traumatischen Teilung Teil im Programm der kollektiven Erinnerung wahrge- der Nation im Zweiten Weltkrieg. Obwohl Kroatien au- nommen wurden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ßerhalb seiner Grenzen selten von politischer Relevanz konnten die Postulate der oben genannten Vorreiter der war, gab es in diesem Lande – egal ob kaiserliche Pro- Konservierungsbewegung die führenden Fachkräfte in vinz, Banschaft oder Königreich, Satellit der Achsen- Kroatien überzeugen, die gleichermaßen die Demokra- mächte oder scheinbar freie Republik in der sozialisti- tisierung der Denkmalwahrnehmung als auch das kultu- schen Föderation – stets Männer und Frauen, die mit relle Nationalverständnis, das aus der deutschen Hei- unzerstörbarem Enthusiasmus am europäischen Pro- matschutzbewegung entsprungen war, förderten. Der jekt der Erfassung und Erhaltung des Kulturerbes mit- Kreis der an der Denkmalpflege Beteiligten wurde dabei wirkten. stetig erweitert; nach und nach wurden neue, verschie- Einen Teil dieser Geschichte macht zu allen Zeiten dene geschichtliche Phasen und Landschaften ins Pro- die beeindruckende Treue zu innovativen Konservie- gramm einbezogen. Ähnlich wie in Polen, Italien und rungsprinzipien aus. Wissenschaftler wie Rudolf von Ei- Deutschland verteidigten die kroatischen Konservato- telberger, Alois Hauser, Thomas Graham Jackson, Alois ren bis zum Kriegsanfang fast dogmatisch das geflügel- Riegl, Cornelius Gurlitt, George Niemann, Joseph W. te Wort «Konservieren, nicht restaurieren». Die Genera- Kubitschek, Max Dvořák und Gustavo Giovannoni ha- tion der Forscher und Konservatoren, die bis 1945 als
Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014- 3 Abb.3: Auf Anweisung des Bischofs von Šibenik, Ante Ivas, und in Ab- Abb.4: ... (Kathedrale des Hl. Jakob) durch schlecht augeführte Kopien stimmung mit der lokalen Denkmalschutzbehörde wurde kürzlich ent- zu ersetzen, mit der Absicht, das Bischöfliche Museum mit Originalen schieden, die Skulpturen des Hauptportals der UNESCO-geschützten auszustatten. Katedrala svetog Jakova ... Foto: Predrag Marković, 2014. Dvořáks Studenten und Anhänger an der Erhaltung des So wurde in den 1950ern und 1960ern ein methodo- gebauten Erbes und an der Ausarbeitung der Kunstto- logischer Synchronismus entwickelt, der in der Fachge- pografie arbeiteten, hielten diesem Grundsatz in beson- meinschaft die Vertreter des Konservierungs- und des derer Weise die Treue. Rekonstruierungsprinzips vereinigte. Diese zwei Prinzi- pien konnten grundsätzlich nebeneinander existieren, Für das Verständnis der jüngsten Entwicklungen in insbesondere als in den 1970ern der so genannte aktive der kroatischen Konservierungsszene muss die Entste- Ansatz zur Denkmalpflege gefördert wurde, der im Ein- hungsgeschichte der ersten Diskontinuität erörtert wer- klang mit den damaligen gesellschaftlichen Trends die den. Dafür muss man die theoretischen und prakti- Teilnahme von Nicht-Fachleuten bzw. von breiten ge- schen Einflüsse neueren Datums aus Mitteleuropa und sellschaftlichen Gemeinschaften an der Denkmalpflege Italien kennen. Zum ersten Bruch kam es nach 1945. voraussetzte. Im sozialistischen Kroatien erlebte das Bis ungefähr 1955 zeichnete sich die Resonanz der System der Denkmalpflege einen bis dahin nicht gese- grundlegenden Postulate des neuen italienischen Para- henen Aufschwung: Es wurden sorgfältig ausgearbeite- digmas restauro critico ab, was davon zeugt, dass die te Gesetze verabschiedet, Bestände wurden nicht nur kroatischen Konservatoren mitten in den politischen erfasst, sondern es wurden umfangreiche Rekonstruk- Auseinandersetzungen zwischen Italien und Titos Jugo- tionen vorgenommen, aber auch das Verhältnis zwi- slawien die berufliche Freiheit erkämpft hatten. Eine schen dem traditionellen Ambiente und neuen Bedürf- zweite entscheidende Veränderung kam zustande, nissen der so genannten Selbstverwaltungsgesellschaft nachdem die ersten Kontakte mit polnischen Kollegen wurden durchdacht. hergestellt worden waren. Der polnische interventioni- stische Ansatz eröffnete ein neues Kapitel in der kroati- Ähnlich wie die politische und administrative Ord- schen Denkmalpflege. Dieser Ansatz macht sich heute nung des Staates richtete Kroatien autonom ein System noch in der Arbeit eines Teils der kroatischen Konserva- von regionalen und lokalen Instituten ein, die große For- toren bemerkbar, insbesondere derer, die Mitte der 60er schungs- und Konservierungsprojekte, größtenteils an Jahre mit der Gründung des Kroatischen Instituts für der Adria, leiteten. Das sozialistische System brachte Restaurierung die Szene betraten. noch eine Bereicherung: Ende der 1950er Jahre wurde
Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014 - 4 Abb.5: Die orginiale spätgotische Skulptur des Apostels ... Abb.6: ... und die Kopie. Foto: Predrag Marković, 2014. die Gesellschaft der kroatischen Konservatoren be- würden den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Wenn gründet. Über die Ergebnisse ihrer Arbeit und ihre Pro- man aber versucht zu verstehen, warum das System bleme konnte man in regelmäßig erscheinenden Fach- der Denkmalpflege in Kroatien heute in Schwierigkeiten zeitschriften lesen. Dieses System ermöglichte es, steckt, muss man die Tradition der kroatischen Denk- Tausende von beweglichen und unbeweglichen Denk- malpflege verstehen. Dabei spielt der Respekt gegen- malen zu erfassen. Obwohl die öffentliche Wahrneh- über den traditionellen Mustern eine genauso wichtige mung des Erbes und der konservatorischen Arbeit gele- Rolle wie ihre Ablehnung. gentlich recht problematisch war – was nach 1975 und Entgegen den Erwartungen der Demokratie-Enthu- dem Europäischen Denkmalschutzjahr durch die Aktion siasten herrscht in Kroatien seit den 1990er Jahren eine unter dem Namen «SOS für das Erbe» zum Ausdruck Art der politischen Bevormundung, die nicht nur das gebracht wurde – erlebten die kroatischen Konservato- Produkt einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ren 1979 ihr annus mirabilis, als die Stadt Dubrovnik, ist, sondern dem nationalen Selbstverständnis ent- der historische Kern der Stadt Split und die Plitvicer springt bzw. eine breite gesellschaftliche Zustimmung Seen in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufge- für den aktuellen Zustand findet. Diese Einstellung nommen wurden. macht sich auch in der Denkmalpflege bemerkbar. Seit Nach der demokratischen Wende und den ersten der Unabhängigkeitserklärung stellt die pragmatische freien Wahlen 1990 schien es, dass Kroatien einen ähn- (und dilettantische, geradezu romantische) politische lichen Weg wie die neuen Republiken im Osten Europas Einmischung in die Denkmalpflege gekoppelt mit unter- beschreiten würde, mit der vollen Überzeugung, dass schiedlichen Varianten von Verwaltungsakten und der zwei Begriffe, nämlich Freiheit und Erinnerung, helfen Trägheit beider politischen Optionen ein ernstzuneh- würden, den mit der Bewegung der nationalen Wieder- mendes Problem für die kroatische Denkmalpflege dar. geburt im 19. Jahrhundert begonnenen Aufbau der bür- Während man in Studien von A. von Wussow, Gerald gerlichen Gesellschaft erfolgreich zum Schluss zu brin- Baldwin Brown, Paul Léon und Michael S. Falser über gen. Wie die Leser bereits wissen, begannen vor 23 politische und administrative Systeme von Begeiste- Jahren auf den Trümmern der jugoslawischen Föderati- rung, Visionen, Vorlieben, nationalen Interessen ver- on blutige Auseinandersetzungen. Weitere Ausführun- schmolzen mit dem Leben der Völker lesen kann, kön- gen über diese auch für Europa wichtigen Ereignisse nen die jüngsten Verhältnisse zwischen politischen
Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014 - 5 Entscheidungsträgern und Konservatoren in Kroatien beim Beobachter nur Kopfschütteln hervorrufen. Erstaunlicherweise waren die Folgen der Kriegszer- störungen im unabhängigen Kroatien – von dem viele Generationen träumten, so hieß es in politischen Pro- klamationen der 1990er Jahre – ein wesentliches, aber nicht das einzige Problem. Am Ende des ersten Jahr- zehnts der kroatischen Demokratie wurde eine gewisse Wende im System der Denkmalpflege vollzogen: Mitten im Krieg wurde aus unerklärten Gründen die Arbeit der Gesellschaft der kroatischen Konservatoren eingestellt, was den politischen Entscheidungsträgern ermöglichte, die Kontrolle zu übernehmen. 1999 wurde das Gesetz über den Schutz der Kulturgüter verabschiedet. Dieses Gesetz wurde ohne Mitwirkung der Fachleute verfasst und ist heute noch in Kraft. Es kann aber als stille Wen- de mindestens auf der begrifflichen Ebene betrachtet werden, denn statt der eingebürgerten Schlüsselbe- zeichnung «Denkmal» wird in diesem Gesetz die Kate- gorie «Kulturgut» eingeführt. Einige haben dies als Übergang von der Förderung des geistigen Erbes ge- genüber der Betonung rein materieller Werte gedeutet. Andererseits kann heute noch der Transformationspro- zess beobachtet werden, bei dem die früher unabhän- gigen Fachinstitutionen zu einfachen Dienstleistern werden. Dieser Prozess hat sich vollzogen, indem die unabhängige Behörde für die Denkmalpflege formal Abb.7: Šibenik, Hauptportal der Katedrala svetog Jakova. Foto: Predrag Marković, 2014. dem Kulturministerium angeschlossen und direkt dem Minister unterstellt wurde. Projekte der breiten Öffentlichkeit ungenügend bekannt Aus der Vergangenheit sind Beispiele bekannt, dass sind. «Berufsenthusiasten» mit staatlichen Instanzen gut zu- Experten werden also ignoriert. Diese haben in den sammengearbeitet haben, wie etwa Schinkel mit Hum- 1990er Jahren während der barbarischen Zerstörungen boldt oder Viollet-le-Duc mit Guizot. In Kroatien aber und ethnischen Säuberungen beobachtet, wie sie die haben die gerade beschriebenen Praktiken dazu ge- Kontrolle über das System ethischer und beruflicher führt, dass ähnliche Bündnisse unmöglich gemacht Grundsätze verlieren und wie diese durch politischen wurden, was wiederum dazu geführt hat, dass es un- Eigenwillen, Heuchelei, Gehorsam, schale Worte und in möglich wird, eine kollektive Erinnerung überhaupt zu der Regel durch völligen Ausfall von Kommunikation mit schaffen und zu erhalten. der Öffentlichkeit ersetzt wurden. Wenn in einem Seg- Um die Bevormundung der Fachleute zu vertuschen, ment der kroatischen Gesellschaft über die Krise der wurden durch bürokratische Maßnahmen – nach dem jungen Republik die Rede sein kann, dann ist das im Motto divide et impera – insgesamt 23 Konservierungs- System der Denkmalpflege. Deshalb ist es schwer, Ver- abteilungen in ganz Kroatien gegründet als trauriges gangenheit und Gegenwart der Denkmalpflege in Kroa- Echo eines intransparenten, unreformierten, selbst- tien zu vergleichen, denn ich kann mich dem Eindruck zweckmäßigen und teuren Staates. Außerdem wurde nicht entziehen, dass es sich dabei um eine Reihe von das Erscheinen von Fachzeitschriften eingestellt, so Paradoxa neuester Provenienz handelt. Paradox ist, dass die mit der Denkmalpflege Betrauten die Kultur dass es sich hier um einen jungen Staat handelt, der un- des Dialogs verlernt haben, während sie die mit öffent- ter anderem auf dem Mythos des tausendjährigen lichen Mitteln finanzierten Restaurierungs- und Konser- Traums von Selbstständigkeit aufgebaut wurde und die vierungsprojekte oft als ihre Privatangelegenheit be- politisch Verantwortlichen dennoch nicht wissen, wie trachteten. Seltene und lobenswerte Erfolge wurden sie sich Formen, Dimensionen und Bedeutungen der nach der Aufnahme in die UNESCO-Liste im Zeitraum Vergangenheit zunutze machen oder sich Rat bei den von 1997 bis 2008 erzielt, während viele kleinere lokale Experten holen könnten. Die in der Denkmalpflege
Marko Špikić Zustand, Tendenzen und Perspektiven der Denkmalpflege in Kroatien k 3/2014 - 6 Schaffenden unterziehen sich freiwillig der Selbstzensur kulturellen Erinnerung als öffentliche Angelegenheit in und sind in eine Apathie versunken, wie man sie seit unserem jungen, erst vor kurzem demokratisierten Land dem Kroatischen Frühling (der politischen Reformbe- ein Ende des Isolationismus des staatlichen Selbst- wegung in den späten 1960ern und den frühen zwecks sowie den Beginn der Stärkung der europäi- 1970ern) nicht mehr gekannt hat. Erst vor drei Jahren schen Perspektive bedeutet. Richtung Europa blickten wurde nach einer zwanzigjährigen Pause und trotz hef- seit langer Zeit nicht nur die Schöpfer der kroatischen tigen Widerstandes aus den eigenen Reihen erneut die politischen Zukunft, sondern auch die Hüter der kroati- Fachvereinigung der Konservatoren auf nationaler Ebe- schen vielschichtigen Vergangenheit. ne gegründet. Was hat die eben beschriebene Situation, die auch als geheimes politisches Verschwörungsprojekt er- scheinen mag, verursacht? Einen Zustand, in dem kroa- tische Denkmale und gebaute Umwelt, die von auslän- dischen Fachleuten, vielleicht sogar mehr als von den Kroaten selbst, respektiert und geachtet wurden, in Ver- gessenheit geraten? Es ist bemerkenswert, wenn Riegls oder Giovannonis Berichte über den Diokletianpalast in Split aus den Jahren 1903 und 1942 verschwiegen wer- den oder wenn Kulturwerte, die diese Autoren in das zu diesen Zeiten kolonisierte Kroatien lockten, stillschwei- gend vernachlässigt oder sogar zerstört werden. Hand in Hand mit solchen Praktiken, die dem zugrundelie- genden Problem entspringen, nämlich der politisch mo- tivierten Bevormundung der Fachleute, gehen auch die finanziellen Probleme und die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes. In diesem Zusammenhang werden oft auch von höchsten politischen Positionen heilver- sprechende Bauinvestitionen befürwortet, die aber die Denkmalpflege nicht nur missachten, sondern die Denkmalsubstanz weitgehend gefährden. Jüngst konn- te in der Öffentlichkeit die Diskussion mit allen Merkma- Autor len eines internationalen Skandals verfolgt werden, als Marko Špikić PhD, studierte Kunstgeschichte und bekannt wurde, dass das geschichtliche Gefüge der vergleichende Literaturwissenschaft in Zagreb, Stadt Dubrovnik, das zum UNESCO-Welterbe gehört, seit 1999 unterrichtet er in der Abteilung Kunst- durch den Bau eines gigantischen Golf-Resorts gefähr- det wird. Ein anderer Fall ist die Kathedrale in Šibenik, geschichte der Universität Zagreb. Seine Disser- ebenfalls ein Denkmal auf der UNESCO-Liste, an der tation schloss er 2007 ab, Thema: der Bischof und der zuständige Konservator unsachge- Der Konservator Francesco Carrara im Dalmatien mäße Änderungen vornehmen und Kopien von Statuen des 19. Jahrhunderts. Schrieb bisher acht Bücher aufstellen ließen. zur Geschichte und Theorie der Konservierung Die Diskussion über den Fall Dubrovnik auf der 38. von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Doha, Katar Wissenschaftliche Interessen: antiquarische Wis- (15. bis 25. Juni 2014) zeigt, dass der uneinsichtigen mi- senschaften, Geschichte der Architekturkon- nisteriellen Politik ein Ende gesetzt werden kann, wenn servierung und Architekturrekonstruktion. Seit sich eine zunehmend wacher werdende Öffentlichkeit 2011 Präsident von ICOMOS Kroatien. und unzufriedene Fachleute zusammentun. Ich hoffe, dass sich Kroatien an einem Wendepunkt befindet und Titel nicht im Zustand eines langwierigen Übergangs. Das Bedürfnis nach Veränderungen in der Denkmalpflege ist Marko Špikić, Zustand, Tendenzen und Perspek- interessanterweise ein Teil des Bedürfnisses nach Ver- tiven der Denkmalpflege im heutigen Kroatien, in: änderungen an der Basis des Gesellschaftsvertrages. kunsttexte, Nr. 3, 2014 (6 Seiten). Zu hoffen ist, dass die Konstituierung und Stärkung der www.kunsttexte.de.
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