Zwei Familien, ein Geheimnis - Zum Roman "Kieloben" von Karin Nohr - Kulturexpresso
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Zwei Familien, ein Geheimnis – Zum Roman „Kieloben“ von Karin Nohr Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Eine Erzählung mit leichter Hand ist der Roman „Kieloben“ von Karin Nohr nicht, auch keine leichte Kost. Warum? Darum: „Wen seht Ihr? (Inga), Kolb. (Markus). Pause. Matthias. (Markus). Pause. Hat sie uns darum in die Kirche geschleppt? Weil sie ihn immer sehen wollte? (Markus). Pause. Spiel nicht den Beleidigten, Matthias. Melde dich. (Markus. Pause. Nun komm. Mach wieder mit. (Markus). Pause.“ Das Gezwitscherte wurde auch noch kursiv geschrieben. Das Buch ist voll mit Gezwitscher. Wer`s mag. Immer wieder Absätze mit solchen Sätzen: „Mit der flachen Hand strich Inga über das Sternenmoos, erhob sich und schwang die Arme, sodass der Vogel aufflatterte. Für den Stimmenvergleich müsste sie ihn zum Krächzen bringen. Vielleicht sang er! Tönende Schwäne, fliegende Talare. Sie und die Zwillinge auf dem Weg zur Kirche. Zur Schule. Zum Rodeln. Zum Baden. Die beiden voraus, sie hinterher. Wenn Matthias bei den Großeltern war, hatte sie Markus als Hilfssheriff gedient. War Markus
einmal weg, folgte sie Matthias` präzisen Anweisungen bei Untertunnelungen in der Sandkiste. Ein perfektes Zieh-mich- stoß-dich-Tier mit Zöpfen.“ Alles klar? Wer das aushält, der kann sich von Möwenchor über Mails, Engel und Pastorenvögel und also von Abschnitt zu Abschnitt der drei Teile und sechs Kapitel hangeln, in denen sich der Inhalt um was eigentlich dreht? Irgendwie kullern die Kapitel um die Niemanns aus Deutschland und die Larssons aus Norwegen, auch um Inga und Mette, die entdecken, dass sie etwas gemeinsam haben. Dabei lässt die Autorin den Leser in deren Köpfe und Gezwitscher gucken wie in ein kunterbuntes Aquarium, in dem es nur so blubbert. Die eine ist nicht die leibliche Tochter ihrer Eltern, sondern ein „Deutschenkind“ mit Halbschwester. Ein Thema, gebadet in bemühter Schreiberei, gewickelt in Psycho-Schwallerei. Perlen der Belanglosigkeit und Phrasendrescherei tauchen im Text auf und verschwinden wie die Spirits der parapsychologischen Versuchsanordnung. Wer`s mag. Das schwer lesbare Buch voll Blubber bringt mich noch nicht einmal ins Rätseln über die Geheimnisse meiner Familie. Im Roman steckt offensichtlich zu viel Nohr, zu viel „ich bin Literaturwissenschaftlerin und Psychologin und klassische Sängerin und Autorin von Büchern mit Titeln wie ‚Eastern Sittichs‘ und ‚Stummer Wechsel'“. Und zu wenig Weisheit. Mit anderen Worten: Das Einfache schwer verständlich zu schreiben ist die Genialität der Dummköpfe. Wer`s mag. Wer`s nicht mag, der treibt schon nach den ersten Seiten
kieloben in der Seelensuppe des Nohrschen Wassergeheges. Blub! Bibliographische Angaben Karin Nohr, Kieloben, Roman, 206 Seiten, Format: 13,6 x 20,6 cm, fester Einband, Verlag: Größenwahn, 1. Auflage, Frankfurt am Main, 15.7.2019, ISBN: 978-3-95771-256-1, Preise: 19,90 EUR (D), 20,50 EUR (A) Keine Träne bleibt ungeweint, kein Bier bleibt ungetrunken, keine Selbstzerstörung geht lange – Zum Roman „Elbschlosskeller“ von Daniel Schmidt, Olaf Köhne und Peter Käfferlein Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der
„Elbschlosskeller“ befindet sich auf St. Pauli direkt gegenüber dem „Goldenen Handschuh“. Beide Kneipen stritten früher darum, wo denn nun die meisten Gestörten und Kaputten unterwegs waren. Nach Strunks Buch über den „Goldenen Handschuh“, ging diese Kneipe weitestgehend an die Touristen verloren. Kann sich natürlich wieder ändern. Ich hatte das Glück, in den letzten Jahren einige einschneidende Sauferlebnisse mit meinem Hamburger Freund Christian im „Elbschlosskeller“ erleben zu dürfen. Die wunderbar schummrige und herrlich schmierige Kneipe war beständig der letzte Akt in unserem Besäufnis. Oft sahen wir die gleichen Gestalten, die nun auch via Foto im Buch verewigt wurden (ich hoffe sie leben noch lange, glaube es aber nicht). Die drei Autoren (Schmidt hat das Leben gelebt und die Stories erzählt, Köhne und Käfferlein haben ein Buch daraus gemacht) besticht durch Redlichkeit. Schmutz ist im Buch Schmutz. Frau Verzweiflung hat einen Vornamen. Obwohl mitunter die Prolligkeit wehtut, schafft es der Kneipier Daniel Schmidt mit Herzenswärme zu überzeugen. Für ihn als Wirt sind
tatsächlich alle Menschen gleich, egal wie sie stinken, wie weit unten sie waren… Weil er selbst ganz unten war und weiß, wie Dreck schmeckt und wie Elend geht. Dieses Wissen und sein Überleben (Gratulation natürlich) macht den Ton des Buchs mitunter etwas Ratgeberhaft. Aber irgendeine Botschaft bringt wohl jeder mit, der dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Ein neues Leben anfangen, das klingt so leicht. Insofern bekommt das Buch 7 Sternchen von zehn, weil das Buch etwas zu sehr Schmidtbiografie ist, und die Geschichten aus dem „Elbschlosskeller“ vielleicht zu kurz kommen. Das Lesen lohnt trotzdem, obwohl es an den „Handschuh“ nicht rankommt. Bester Satz auf Seite 185: „Du bist es, den ich will, du hast tolle Gene, hast was in der Birne und ein gutes Herz. Mach mir doch ein Baby.“ Bibliographische Angaben Daniel Schmidt, Olaf Köhne und Peter Käfferlein, Elbschlosskeller, kein Roman, Fotos CP Krenkler, 256 Seiten, Format: 13,5 x 21,0 cm, Klappenbroschur, Verlag: Edel von el Books, Hamburg, 4.4.2019, ISBN: 3-8419-0612-0, Preise: 17,95 EUR (D), 18,50 EUR(A)
Über die Untergrabung der US- Demokratie durch eine fremde Macht und das ganze Ausmaß der Bedrohung – Zum Buch „Die harte Wahrheit – Was ich als höchster US-Geheimdienstchef erfahren habe“ von James R. Clapper mit Trey Brown Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). James Clapper führte bis 2017 als Nationaler Geheimdienstdirektor die US-Nachrichtendienste. Er hatte bis dahin Zugriff auf alle geheimdienstlichen Informationen. Ob „alternative Fakten“, die Trump und seine Anhänger gern ins Spiel bringen, oder die vermeintliche Einflussnahme Russlands auf den Wahlausgang, Clapper schildert alle schmutzigen Hintergründe, die aus seiner Sicht eine Gefahr für die freie Welt bedeuten.
Wer verstehen will, wieso und warum Trump Präsident des mächtigsten Landes der Welt werden konnte, findet bei Clapper die Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse aus Sicht der US-Geheimdienste. Nach der Lektüre fragt man sich, wie Trump es bis an die Schalthebel der Macht schaffen konnte. Leider wird auf die Hintermänner in Trumps Präsidentenkosmos nur wenig eingegangen, aber das ist auch nicht die Aufgabe dieses Buchs, das erschreckend aufzeigt, mit welchen dirty Tricks das Trumpeltier ganz nach oben gelangte. Clapper begründet sein Buch mit der Angst, die USA würden von einer ausländischen Macht untergraben. Bibliographische Angaben James R. Clapper mit Trey Brown, Die harte Wahrheit: Was ich als höchster US-Geheimdienstchef erfahren habe, 496 Seiten, fester Einband, Gewicht: 760 g, Riva-Verlag, München, März 2019, ISBN: 3-7423-0834-4, Preis: 24,99 EUR
Schlabberwasser mit Schuppenwurz – Annotation zum Buch „Lanny“ von Max Porter Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Nein, Schuppenwurz ist kein neuartiges Getränk aus der Homöopathieabteilung von ALDI-Nord, es ist echtes Schwurbelmännchen, erfunden vom Schwurbelliteraten Max Porter, den der Guardian (laut Pressespiegel des Verlags) für einen Autor hält, der „anders als alle anderen ist“. Die aufmerksame Lektüre der frohen Werbebotschaften, die sein neues Buch „Lanny“ umranken, verrät außerdem, es würde gleichzeitig in achtzehn Ländern erscheinen. Wow, welche Wucht, das haut mich glatt zum zweiten Mal in meinen Lesesessel, in dem ich seit der Lektüre von Danny wie festgenagelt vegetiere. Ist „Lanny“ das Buch zu einer gleichnamigen Krankheit? Jein. In „Lanny“ weiß Porter von einem Jungen=Lanny zu berichten, der „anders als alle anderen ist“. Na, sie wissen schon, eigenartig, merkwürdig, ein kleiner Psycho, salopp gedichtet. Und wegen dieses Lanny sind seine Eltern X und Y nach Bumms gezogen, einem Dorf bei London. Vati verdient sein Geld bei stinködem (und bestimmt menschenverachtendem) Finanzquatsch. Mutti schreibt grausige Krimis, mit denen sie gelangweilten Menschen das Leben zur Hölle macht (stundenweise ganz bestimmt). Natürlich streng über achtzehn und nix für Kinder, aber Kollege Lanny kommt allemal an den ganzen Lesemulm
irgendwie ran. Dann gibt es noch den ollen Peter, genannt Pete, einen gescheiterten Künstler (kommt immer gut), der auf dem Land ein wenig den Dorftrottel mimt, friedlich sein Eisen verbiegt und Kunst herstellt, die keiner braucht. Vielleicht ist er aber auch seiner Zeit voraus und sehr „anders als alle anderen“. Er wird der große Vertraute Lannys, weil die Eltern… na ja, Banker und Krimitusse. Dann gibt es noch den schrecklichen Schuppenwurz, ein Fabelwesen (oder so ähnlich), der es mag, wenn Lannys Mutter einen Igel im Abfluss püriert und schon alles gesehen hat (Hexenverbrennungen etc.). Er existiert „anders als alle anderen“, meint Lannys schlaue Thrillermutti, weil wir ihn haben wollen. O Grusel. Ja, diese Mixtur klingt wie eine Suppe aus allen mögliche Mainstreamfilmen von Shining über Teenage Werwolf bis zu Abenteuer im Zauberwald – und ist es leider auch. Sprachlich belanglos und zum umgangssprachlichen Gelaber neigend, dengelt uns das Druckwerk durch die 220 Seiten, wenn wir es nicht gehetzt ganz schnell in die Tonne (gelb) werfen. Oder verstehe ich das Buch nicht, weil es „anders als alle anderen ist“? So verwunschen und märchenhaft, vom feinfühligstem und
mutigstem Autor ganz Engelands erzählt? Nein, es ist besinnlich, duselig und eine bewegende Warnung davor, zu welchem Quark Schreibkundige fähig sind. Bibliographische Angaben Max Porter, Lanny, aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz, 224 Seiten, Pappband, Format: 11,6 x 18,5 cm, Verlag: Kein & Aber, Zürich, 11.3.2019, ISBN: 3-0369-5793-7, Preis: 22 EUR Korrupte Cops und ein Cop- Killer oder Liebe und Leichen in „Morpheus“ von Jilliane Hoffman Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Der 400 Seiten starke Thriller mit dem wie aus der Pistole geschossenen Kurztitel
„Morpheus“ von Jilliane Hoffman ist der zweite Band der mittlerweile vierbändigen Townsend-Reihe, die mit „Cupido“ begann, weswegen die Fälle, in denen Staatsanwältin C. J. Townsend verstrickt und zugenäht ist und die mit ihrer brutalen Vergewaltigung in New York begann, als sie noch Jura- Studentin war, und denen die Cupido-Morden in Miami folgten, auch Cupido-Reihe genannt wird. Der böse Bantling ist auch in „Morpheus“ immer noch da, aber er treibt sein garstiges Spiel hinter Gittern, bringt seine „Chloe“ beinahe um den Verstand und ihren Verlobten, Special Agent Dominick Falconetti vom Florida Department of Law Enforcement um den Arbeitsvertrag. Doch der fälschlicherweise wegen mehrerer Morde an Frauen im Knast schmorende Vielfachvergewaltiger William Rupert Bantling, der einem Komplott zum Opfer fiel, will nur raus aus seiner Todeszelle im Florida State Prison. Und Rache! Weder Bantling noch der verrückte Psychiater Dr. Gregory Chambers, der in Wahrheit Cupido war, stecken hinter den neuen Morden, brutalen Morden, Morden an Polizisten. Weil er die Uniformierten nicht nur des Miami Beach Police Departments schlecht Schlafen lässt, sondern C. J. Alpträume bringt, wird der Cop-Killer Morpheus genannt. Townsend fürchtet um ihre Liebe und das Ende ihres Lebens. Doch am Ende deutet alles auf das dritte Buch hin. Dem „Arschloch“ Bantling wird Berufung gewährt, er soll einen neuen Prozess bekommen.
Bibliographische Angaben Jilliane Hoffman, Morpheus, Thriller, 400 Seiten, Übersetzerin: Sophie Zeitz, Verlag: rororo, 24. Auflage, Hamburg, Februar 2018, Erstveröffentlichung: 1.11.2006, ISBN: 978-3-499-23691-4, Preis Taschenbuch: 9,99 EUR (D), Preis E-Buch: 9,99 EUR (D) Frauenmörder in Florida in einem bis zum bittersüßen Ende spannenden Kriminalroman – Zum Thriller „Cupido“ von Jilliane Hoffman Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Wer möglicherweise mit „Nemisis“ von Jilliane Hoffman erstmals ein Buch der Krimi- Autorin in Händen hielt und reinschaute in die Schauergeschichten um einen Snuff-Club made in Miami, im Grunde einer Metropolenregion, die sich über Dutzende Meilen zwischen von Nord nach Süd zwischen Everglades und Atlantik in die Länge zieht wie ein Kaugummi.
Doch wer tiefer eintauchen möchte, mit Verlaub: wie in das Bermuda-Dreieck, um die Brandzeichen oder das Spiel ohne Grenzen in „Nemesis“ und somit aller Laster Anfang zu verstehen, der lese den ersten der mittlerweile vierteiligen Reihe um Staatsanwältin C.J. Townsend. Ausgehend vom ersten Band der Cupido- oder besser C.J.-Townsend-Reihe, in dem der verrückte Psycho-Doktor und seine rechte Hand, der nicht minder böse Bantling, mit ihrem miesen Spiel in Hannibal- Lecter-Manier beginnen, entwickelt sich die super Serie. „Cupido“ ist ein cooler Kriminalroman, überwiegend aus der Sicht einer starken Frau, die es von einer Jurastudentin in New York zu einer Staatsanwältin in Miami bringt, wo sie dienstlich und scheinbar zufällig auf ihren brutalen Vergewaltiger trifft, aber auch einen Bären und Dominick Falconett, Special Agent des Florida Department of Law Enforcement. Richtig, es kommen gute Bullen und schrullige Juristen, aber vor allem böse, bisweilen sehr hinterlistige und hinterhältige Männer in Hoffmans Cupido-Reihe vor, Männer, die auf den Moment gewartet haben, in denen Frauen hilflos sind, aber auch schöne Frauen und in Person der Staatsanwältin Townsend sogar schöne, schlaue und starke Frauen, wobei die Verteidigerin des Angeklagten nicht weniger attraktiv und mit allen Wasser gewaschen scheint, um sich in der Männerwelt von Polizei und Justiz behaupten zu können. Dass das Thriller-Debüt „Cupido“ fraglos fesselnd ist, das liegt daran, dass Jilliane Hoffman lange Zeit ihres Lebens als Staatsanwältin arbeitete. Hinzu kommt nicht nur eine libidonöse Prise, sondern Liebe, wie Adorno sie verstand, als er formulierte: „Geliebt wirst du einzig da, wo schwach du dich zeigen kannst, ohne Stärke zu provozieren.“ Was das im
Sowohl-als-auch im reziproken Verhältnis von Begriff und Gegenstand bedeutet, das führt Hoffmann auf 480 Seiten aus ohne ausschweifend zu werden. Nicht viele Autoren bekommen das hin und schon überhaupt nicht bei ihrem Debütroman. Bilbiographische Angaben Jilliane Hoffman, Cupido, Thriller, 480 Seiten, Deutsch von Sophie Zeitz, Taschenbuch, Verlag: rororo, 48. Auflage, Hamburg, März 2018, Erstveröffentlichung: 2.5.2005, ISBN: 978-3-499-23966-3, Preise: 10,99 EUR (D), 11,30 EUR (A), als E-Buch bei Rowohlt E-Book, Veröffentlichung: 28.11.2014, ISBN: 978-3-644-22041-6, Preis: 9,99 EUR Sarden, Sardinen und Sardinien oder Land, Leute und Leckeres – Zum Kultur-, Koch- und Reisebuch „La
Cucina Sarda“ von Herbert Taschler und Udo Bernhart Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Vieles ist an Sardinien fantastisch: das Land, die Leute und das Lukullische. Ja, oft sind die Tische und Teller voll Leckerem und das, was es an Speis und Trank gibt, ist gut, sehr gut. Beim Blättern im Buch „La Cucina Sarda“ von Herbert Taschler wird der Leser genau daran erinnert. Taschler schreibt wie folgt über die bunten Farben und betörenden Gerüche der sardisch Sardigna genannten Insel: „Blau und Grün in allen Schattierungen stehen für das sardische Meer und seinen Himmel, Weiß und Grau für endlose Strände, Grün-Gelb-Bruan für die faszinierende Landschaft, Grau-Rose-Schwarz-Silber für ein Meer aus Steinen, ein schmutiges Weiß für riesige Schafherden, ein kräftiges Rot für Korkeichenstämme. Hinzu kommt ein Meer von Gerüchen und Düften: Myrte, Rosmarin und Thymian, mediterrane Macchia und Lorbeer…“
Italien Sardinien Sardegna Provinz Cagliari Stadt Cagliari Altstadt Villanova quartiere di Cagliari. © Christian, Foto: Udo Bernhart Bunt sind auch die zahlreichen Bilder, fotografier von Udo Bernhart, der sich und seine Kamera nicht nur vor kulinarischen Köstlichkeiten in Position brachte, sondern auch Land und Leute gelungen in Szene setzte, was jeder sieht: nichts ist gestellt und gestylt, verlogen wie Food-Fotografie nun einmal ist, alles ist authentisch, das ist ordentlicher, ehrlicher Bildjournalismus. Und das ist gut so!
Italien Sardinien Sardegna sardische Kueche Ristorante su Talleri Giorgio Carta Sarago alla Vernaccia. © Christian, Foto: Udo Bernhart Bernhart, der laut Christian-Verlag seit mehr als 35 Jahren als freier Fotograf und Fotojournalist“ arbeitet, im Vinschgau aufwuchs und in der Welt jede Menge Erfahrungen gesammelt haben muss, den „Aufträge“ sollen ihn „in die ganze Welt: Feuerland, China, Alaska, Kamtschatka…“ geführt haben. Kein Wunder, dass „seine Aufnahmen … in deutschen sowie internationalen Magazinen erschienen“ und „er … zahlreiche Fotoreportagen und mehr als 100 Bildbände veröffentlicht“ hat. Mit ihm hatte der „freie Fachpublizist, Gastrosoph und Sommelier“ Tischler einen Profi an seiner Seite. Tischler ist übrigens auch einer. Er verkoste, teste und schreibe laut Verlag „für verschiedene Medien, unter anderen für den ‚Gambero Rosso‘, Italiens tonangebenden Wein- und Restaurantführer“.
Italien Mittelmeerinsel Sardinien Sardegna Oliena Su Gologone Experience Hotel cucina pastorale e contadina Culurgiones de patata. © Christian, Foto: Udo Bernhart Mit „La Cucina Sarde“ ist beiden, Bernhardt steuerte die Bilder und Tischler die Texte und Rezepte bei, ein lesens- und lobenswertes Werk gelungen, das in mir nicht nur Erinnerungen an Sarden, Sardinen und Sardinien weckt, sondern den Wunsch nach einer Wiederkehr. Viel mehr kann man mit einem Kochbuch voller toller Originalrezepten, 85 an der Zahl, nicht erreichen. Und obendrein ist „La Cucina Sard“ auch noch ein gelungenes Kultur- und Reisebuch ist. Gratulation! Bibliographische Angaben Herbert Taschler, La Cucina Sarda, 85 Originalrezepte aus Sardinien, 320 Seiten, ca. 140 Abbildungen, Fotografien von Udo Bernhart, Format: 22,5 x 27,1 cm, Verlag: Christian, 1. Auflage, München, 25.3.2019, ISBN: 978-3-95961-290-6, Preis: 39,99 EUR (D)
Eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte, gekleistert mit Klischees – Zum Film „Siberia – Tödliche Nähe“ Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Oft empfiehlt es sich, die Distanz einzunehmen, bei der die größte Durchschlagskraft im Ziel besteht. Nähe kann tödlich enden. Irgendwie nehmen diese Nähe alle am Film „Siberia – Tödliche Nähe“ beteiligten ein. Vom Regisseur bis zu Keanu Reeves, der als Lukas Hill gewohnt kühl und körperbetont verletzlich bis knallhart durch die Geschichte zieht wie das Motiv Rache durch die John-Wick-Reihe mit Reeves. Als Hund mimt Katya (Ana Ularu), die am Ende im Nirgendwo von Sibieren überlebt, während Hill nach einer Schießerei rund um eine Holzhütte mitten in einem Wald voller Birken mit einer Übermacht am letzten Gangster als Gegner endet. Hill ist also totzukrieg und stirbt schneller als John McClane in Die Hard. Zuvor handelt er mit Diamanten, die er nicht hat, und wandert mit einem hellbraunen Herbstmantel statt mit einem schwarzen „Matrix“-Mantel durch den Schnee, die Kälte und Weite Sibiriens. Dort wird der Film so fade, dass selbst eine
Bärenjagd mit Katyas Brüdern nur zu einem netter Nebenkriegsschauplatz reicht in einer langatmigen, langweiligen und launischen Erzählung, bei der selbst die Erotik oder das, was Amis darunter verstehen, nur graue Schatten in einen schalen Streifen wirft. Wer das albern findet, der liegt richtig, wie Hill nach nur einer Nacht im Bett seines Katya gerufenen Hundes (siehe oben), der ihm treu folgt, sogar nach Sankt Petersburg, wo der Rubel rollte und beim bösen Boris Fellatio fällig wird. Schnell wird dem Hündchen Katya klar, dass Hill ein Haufen Scheiße, ein Händler, ein Schmuggler, ein Ganove, ein Tunichtgut und so weiter und so fort ist und bald am Boden, am Ende in der Erde Sibiriens. Die Geschichte ist an den Haaren herbeigezogen und ihr Gerüst mit Klischees gekleistert. Filmografische Angaben Deutscher Titel: Siberia – Tödliche Nähe Land: VSA Jahr: 2018 Regie: Matthew Ross Drehbuch: Scott B. Smith Buch: Scott B. Smith nach einer Idee von Stephen Hamel Kamera: Eric Koretz Schnitt: Louise Ford Darsteller: Keanu Reeves, Ana Ularu, Veronica Ferres, Molly Ringwald, Pasha D. Lychnikoff, Dimitri
Chepowetski, James Gracie Laufzeit: 105 Minuten Altersfreigabe: FSK 16 Thomas Bernhard schneit abermals vom Bücherhimmel zu uns herab Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Die Buchwelt kann nicht genug Thomas Bernhard bekommen, das ist schon eindeutig so. Insofern: Chapeau liebe Residenzler, das tut ihr recht, uns lesehungrige mit weiteren Büchern des Meisters zu füttern, auch wenn es naturgemäß nichts wirklich Neues mehr sein kann, denn er ist ja schon eine Weile tot. Trotzdem, oder gerade deshalb, und weil es im Augenblick in Berlin bitterkalt ist, und wir die Nähe der wohligen Lesecouch suchen, sind die
jüngst erschienenen Autobiographische Schriften ein sehr zu begrüßendes Ereignis. Um dem Buch eine besondere Note zu verleihen, hat der Verlag dem Pinselschwinger, also dem renommierten Künstler Herr Wurm gebeten, ein paar schicke Aquarelle beizusteuern. Der ließ sich wohl nicht zweimal bitten und machte sich flugs an die Arbeit. Kein Joke mit Namen, trotzdem bin ich mir sicher, es hätte TB gefallen, von einem Herrn Wurm illustriert zu werden. Obgleich die Aquarelle nicht soo der Burner sind, na ja, es sind Portraits vom großen Thomas, sie illustrieren weniger den Text, als das feinnervige, metaphysische…Ganze, glaube ich. Jedenfalls freue ich mich über die kompakte Ausgabe einiger Lieblingsstücke des TM. Es beginnt mit „Die Ursache“, dem „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“ folgen, gewissermaßen Schlüsselwerke. All diese großen Werke kann man, wie bereits gesagt, nicht oft genug gedruckt sehen, und ich möchte mich dem Verlag anschließen, der da kündet: „Wer die Welt des Thomas Bernhard verstehen will, findet hier den Schlüssel.“ Bibliographische Angaben Thomas Bernhard, Autobiographische Schriften in einem Band, mit Aquarellen von Erwin Wurm, 496 Seiten, Format: 165 x 240, Residenz Verlag, Salzburg-Wien, 8.1.2019, ISBN: 3-701-7171-49,
Preis: 60 EUR Bester Gesang seit lang‘ – Musical Rock of Ages erstmalig in Deutschland! Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Soll man schmollen, weil das Musical so lange nicht in hiesigen Gefilden zu sehen war? Oder sich freuen, dass es jetzt endlich – Ende 2018 – in Berlin auf der Bühne zu sehen ist? Es steht auf der Liste der 30 Musicals, die die längste Laufzeit am Broadway hatten. Das Musical Rock of Ages. Es wurde 2012 verfilmt. Das Musical Rock of Ages – ist jetzt da! Da man das Vergangene ändern nicht kann, aber den Genuss der Gegenwart erleben – oder eben leer ausgehen – lautet unser Rat: Hingehen, ausgehen, rausgehen. Schon allein der Gesang ist der beste, den man seit langem hören konnte. Die Songs – nun: Jesus Christ Superstar ist die Messlatte; das Musical Rock of Ages reicht da nicht heran, doch gibt es viele Gründe, es jetzt zu besuchen. Jesus Christ Superstar kann man nicht jeden Monat hören. Das Musical Rock of Ages ist auch eine schöne 80er-Jahre- Erinnerung mit vielen Hits und Hitzeilen, die einem sofort einfallen. Allein die Hauptdarstellerin ist Grund genug, sich jetzt auf
den Weg zu machen. Sie spielt das nicht dumme, aber vielleicht naive Mädchen vom Lande mit Talent. Sie will Schauspielerin werden. Shocker – sagt der Moderator. Etwas Langweiligeres hätte man ihm nicht sagen können. Alle jungen, hübschen Mädchen und Frauen kommen nach L.A. (el ej!) und in seinen Stadtteil Hollywood und träumen davon, berühmt zu werden. Reich, begehrt, noch schöner und – dann den Mann ihres Lebens zu finden. Ein tolles Haus zu haben – oder zwei. Mit tollen Möbeln, einem Garten, irgendwann Kindern. Was fehlt noch? Der Hund. COUNTRY GIRL trifft CITY BOY im Musical Rock of Ages Geht noch mehr Klischee? Es geht. Doch Los Angeles ist auch der Ort, wo die Klischees Wirklichkeit sind. In ihrer Naivität wird „Tracy aus Texas“, die aus einem anderen Bundesstaat kommt und Sherrie heißt, nicht Cherry, wie die Kirsche, sondern Sherrie wie der Wein und gleichzeitig der Liebling auf französisch (Cherie). Und das ist sie. Verkörpert von Jodie Steele. Groß, blond, lockiges Haar, unbedarft und gutmütig, nicht böse, tanzen kann sie – und wer sich immer noch nicht in die Schönheit verliebt hat, warte ab, bis ihre Stimme ertönt. Dann erfolgt der innere Kniefall. Jodie Steele kann‘s und ist Sherrie. Das erste, was Sherrie passiert, ist ein Handtaschendiebstahl. Nachdem das Portemonnaie weg ist, tröstet sie Drew (Luke Walsh). Er ist der Mann ihres Lebens. Sie weiß es nur noch nicht, oder lässt sich zwischendurch ablenken. Drew bittet sie für den Diebstahl, für den er nichts kann, um Entschuldigung und hilft ihr in die Bar, in der er auftritt. Obwohl der Chef, Dennis, wunderbar stimmig rübergebracht von Cameron Blakely, „niemanden einstellt“ – wir kaufen nichts – ändert er die Meinung, als er ihr Äußeres zu Gesicht bekommt. Die Barschaft ist weg, doch ein Job gefunden, es scheint
bergauf zu gehen. Doch auch bei Drew, und das führt zu Irritationen. Nachdem ein kleines Missverständnis beim ersten Date – ist er ihr Freund oder will er nur „Freunde“ sein? – sie enttäuscht und irritiert, wendet sie sich kurz dem Blender und echtem A…. Stacee Jaxx zu. Einem Bühnenstar mit Allüren und einem One-Day-Stand. Ihren Vornamen kann er aber nie erinnern. Scham und Verzweiflung – niemand liebt mich! – treiben sie auf die Straße. Selbstbewusst ist Justice, die souveräne Tori Allen-Martin, die Sherrie als Stripperin einstellt; nichts, was Sherries Selbstbewusstsein schüren könnte. Am Sunset Strip gibt es ein Happy-End Nach einigen Wirrungen und einem weiteren zufälligen Zusammentreffen auf der Straße finden das Mädchen vom Land und der Junge aus der Großstadt nicht gleich zusammen. Justice, die nichts Böses wollte, bereut, bei einem entscheidenden Gewissenskonflikt professionelle Arbeit verlangt zu haben („Suck it up!“), als der hochnäsige „Rockstar“ Stacee mit seiner Kreidtkarte wedelte. Als sie den Stadtjungen erkennt, bestätigt sie ihm, dass Sherrie (nur?) ihn liebt – (She loves You, Yeah, Yeah, Yeah) und beseitigt damit bei ihm die nagenden Zweifel in diesem wichtigen Punkt. Warum heißt das Musical Rock of Ages so? Man könnte bei dem Titel, den das Musical Rock of Ages hat, schon denken, dass die gesamte Rockgeschichte betrachtet wird. Außerdem sind die 80er Jahre nicht wegen der Rockmusik bekannt, sondern wegen andere Phänomene – Disco, die bunte Kleidung, ein hedonistischer Lebensstil … Zudem fällt dem des Englischen Mächtigen auf, dass hier sogar der Plural auftaucht. „Rock der Zeitalter“ ist nicht nur übertrieben, sondern Quatsch. Das Rock-Zeitalter, „THE AGE OF ROCK“, na gut, das gibt es, das kann man sagen. Aber ein Musical Rock of Ages? Rockmusik gab es nur in einem einzigen
Zeitalter und auch dort nicht lange. Da muss also etwas anderes dahinterstecken. Tut es auch. Die Doppeldeutigkeit ist schon vor Jahrzehnten in die Überschriften und Titel eingezogen. Das ist auch gut so. Doch nicht alle verstehen immer den manchmal sogar doppelten Hintersinn oder bemerken noch nicht einmal, dass es zwei Bedeutungen gibt. „Rock of Ages“, ein christliches Lied „Rock of Ages“ ist unter anderem der Titel eines christlichen Liedes. Ein Calvinist schrieb es im 18. Jahrhundert, ein Pfarrer. Er hieß Augustus Toplady und veröffentlichte den Text zu Zeiten Friedrichs des Großen im „Gospel Magazine“. Der „Fels der Ewigkeit“, wer könnte das schon sein? Die Göttin oder Gott. In der Bibel im Buch Jesaja Kapitel 26 Vers 4 formuliert der Schriften-Übersetzer Martin Luther: „Darum verlasset euch auf den Herrn immerdar, denn Gott der Herr ist ein Fels ewiglich.“ Ganz allein ist Toplady also nicht auf den Titel gekommen, er wurde durch den Bestseller der Heiligkeit inspiriert. Der Liedtext hat dann endgültig nichts mehr mit dem Musical Rock of Ages zu tun. Toplady betont, dass über die Erlösung nur Gott selbst entscheidet; also weder die Werke des Menschen noch sein Glaube. Methodisten wie John Wesley sehen das anders. Einig sind sich alle, dass der Mensch soviel „Gutes“ tun kann, wie er will, das Himmelreich wird ihm deshalb noch lange nicht garantiert. Doch Wesley sieht es so, dass der Mensch durch seinen Glauben die Erlösung finden kann. Topladys Liedtext drückt dagegen noch einmal aus, dass Gott das ganz allein entscheide. Das Lied gibt es auch auf deutsch, der Titel lautet nicht „Fels der Ewigkeit“, sondern „Fels der Heils“.
Spannende Story Nicht nur im Musical Rock of Ages gibt es eine gute Story (BOY MEETS GIRL), sondern auch für die Entstehung des Liedes. Toplady soll in Somerset eine Schlucht durchquert haben und vom Sturm überrascht worden sein. In einer Felsspalte fand er Schutz – und den Titel, der ihm dort in den Sinn kam. Dann soll er, in Ermangelung eines Notizbuches und um die Bibel nicht zu verschmieren – oder hatte er sie nicht dabei? – auf der Rückseite eine Spielkarte (sic) – die hatte er dabei! Soso, honi soit qui mal y pense – den Text des Liedes niedergeschrieben haben. Er hatte also etwas zu schreiben dabei, als es noch keine Kugelschreiber gab und viele Federkiel und Tinte benutzten. „Rock of Ages“ auf der Landkarte Legende hin oder her – in der Nähe des englischen Dorfes Blagdon findet man bis heute auf Landkarten die Fels – (Rock!)-Spalte des Namens „Rock of Ages“. Fazit Gute Unterhaltung, wenn einen die Gesten mancher Schauspieler, die zwei Finger emporrecken, nicht stören. Angehörigen strengchristlicher Sekten mit Hunderten von Verhaltensregeln kann man den Besuch dieses Musicals weniger empfehlen. Diese können versuchen, sich das Lied aus dem 19. Jahrhundert herunterzuladen. Der Text stammt aus dem 18. Jahrhundert, die Melodie wurde 1830 veröffentlicht. Für alle anderen gilt: Es gibt viele Gründe, in das Musical Rock of Ages zu gehen. Zuallererst die Gesangsqualität, die vor allem bei Jodie Steele und Luke Walsh fast an die Power Ingrid Arthurs oder Jocelyn B. Smiths heranreicht. Die schauspielerischen Leistungen sind auch allemal
sehenswert. Cameron Blakely ist der erdverbundene Fels in der Brandung, Tori Allen-Martin, Sam Ferriday und besonders Lucas Rush als Erzähler Lonny verkörpern wunderbar ihre sehr unterschiedlichen Figuren. Statt ständig wehmütig im Fernsehen 80s-Shows zu glotzen, schaue man sich besser einmal das Musical Rock of Ages im Admiralspalast in der Berliner Friedrichstraße an. Jetzt ist die Zeit! Die Wartezeit in der Bundesrepublik war ja auch lang genug. Dann gibt es auch noch die Figur der klugen, kleinen Frau (natürlich mit Brille), die Strick-BHs trägt und Demonstrationen gegen den Abriss von alten Bauwerken und Institutionen anzettelt. Regina. Gespielt von Rhiannon Chesterman. Göttlich. Viele Gründe, jetzt aber los, Karten besorgen. Musical Rock of Ages Wo? Admiralpalast, Friedrichstraße 101, Berlin-Mitte U-, S- und Fernbahnhof Friedrichstraße Wann? 4.-9. Dezember 2018
Sie können auch lesen