Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? - IMPULS

Die Seite wird erstellt Juliane Röder
 
WEITER LESEN
Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? - IMPULS
Wie passen
Mieterschutz und
Klimaschutz unter
einen Hut?
IMPULS
Wie passen Mieter-
schutz und Klimaschutz
unter einen Hut?

IMPRESSUM
IMPULS

Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz
unter einen Hut?

ERSTELLT VON
Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-energiewende.de
info@agora-energiewende.de

IN KOOPERATION MIT
Universität Kassel
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Nora-Platiel-Straße 4
34127 Kassel

PROJEKTLEITUNG
Georg Thomaßen
georg.thomassen@agora-energiewende.de

AUTOREN
Georg Thomaßen (Agora Energiewende)
Leo Reutter (Universität Kassel)                            Unter diesem QR-Code steht
Alexandra Langenheld (Agora Energiewende)                   diese Publikation als PDF zum
Matthias Deutsch (Agora Energiewende)                       Download zur Verfügung.

                                             Bitte zitieren als:
Titelbild: Borut Trdina/iStock               Agora Energiewende und Universität Kassel (2020):
                                             Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter
                                             einen Hut?
190/06-I-2020/DE
Version 1.0, Oktober 2020                    www.agora-energiewende.de
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Liebe Leserin, lieber Leser,                           verschiedene Alternativen untersucht: Ansätze
                                                       aus anderen europäischen Ländern, Konzepte
die Modernisierungsumlage hat sich in den letz-        der EU-Kommission sowie aus der aktuellen
ten Jahren zu einem kontroversen Thema entwi-          deutschen Diskussion.
ckelt. Sie wurde als ein Grund ausgemacht für die
stark ansteigenden Mieten in vielen deutschen          Zentral für sozial verträglichen Klimaschutz in
Ballungsgebieten. Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel   Mietwohnungen ist das Prinzip der Warmmie-
der Bundesregierung, spätestens bis 2050 einen         tenneutralität. Diese Publikation legt konkrete
klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen.            Vorschläge dazu vor, wie dieses Prinzip in
Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn der           deutsches Recht überführt werden kann.
vermietete Bestand komplett saniert wird, ohne
zu sozialen Verwerfungen zu führen.                    Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie           Ihr
sozial verträglicher und effizienter Klimaschutz       Dr. Patrick Graichen
auf dem Mietmarkt aussehen kann, haben wir             Direktor Agora Energiewende

Ergebnisse auf einen Blick:

                Die aktuelle Regulierung energetischer Sanierung von Mietwohngebäuden ist
                schlecht für Klima und Mieten. Die geltende Modernisierungsumlage belohnt in ers-
       1        ter Linie, wie teuer eine Sanierung war, und nicht wie effektiv. Und der ab 2021 in
                Kraft tretende CO2-Preis auf Gas und Heizöl setzt keine Sanierungsanreize, denn er
                ist für Hauseigentümer ein Durchlaufposten und erhöht allein die Mietnebenkosten.

                Andere Länder machen vor, dass effektiver Klimaschutz in Gebäuden möglich ist,
                wenn die Anreize stimmen. So sind die Emissionen schwedischer Haushalte seit
       2        2000 um 95 Prozent gesunken. Ein wesentlicher Grund ist das Konzept der Warm-
                mieten verbunden mit hohen CO2-Preisen, sodass Hauseigentümer hohe Anreize
                für Effizienzinvestitionen haben.

                Warmmieten mit Temperaturfeedback können das Vermieter-Mieter-Dilemma auflö-
                sen. Ein neues juristisches Gutachten zeigt: Auch in Deutschland kann eine Regu-
       3        lierung implementiert werden, die auf Warmmieten basiert und so zielgerichtete
                Energieeffizienzanreize für beide – Mieter und Vermieter – schafft.

                Der Schlüssel zur Wärmewende im Mietsektor liegt in der Kombination von vier Ele-
                menten: stetig steigenden CO2-Preisen, Warmmieten, staatlicher Förderung und ver-
                pflichtenden Sanierungsfahrplänen. Steigende CO2-Preise erhöhen die Anreize zur
       4        Sanierung. Warmmieten sorgen dafür, dass diese Anreize beim richtigen Adressaten
                landen. Staatliche Förderung schließt das verbleibende Kostendelta zwischen Wirt-
                schaftlichkeit und Zielniveau. Und verpflichtende Sanierungsfahrpläne sorgen da-
                für, dass jedes Haus spätestens bis 2050 klimaneutral wird.

                                                                                                      2
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

INHALT

1    Energetische Sanierung auf
     dem deutschen Mietmarkt ..................................... 4
2 Das Drittelmodell: Weiterentwicklung und
  Neukalibrierung des aktuellen Systems ........... 7
3 Das Schweizer Modell: Ausrichtung der
  Umlage an der Wertsteigerung durch die
  Modernisierung ............................................................ 9
4 Umstellung des Mietmarkts
  auf Warmmieten ..........................................................11
5 Quo vadis? Handlungsoptionen für
  die deutsche Diskussion ......................................... 14
Literatur ................................................................................. 17

                                                                                                 3
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

1    Energetische Sanierung auf dem                              zwei Aspekte: zum einen, inwiefern die Ansätze
     deutschen Mietmarkt                                         die Mieter vor finanzieller Überforderung
                                                                 schützen können. Und zum anderen, inwiefern
Der Mietmarkt in Deutschland basiert im Allge-                   diese Optionen die Attraktivität energetischer
meinen auf Kaltmieten 1. Dies bedeutet, dass der                 Sanierungen für Vermieter erhöhen.
Mieter die anfallenden Heizkosten trägt, was
zum Vermieter-Mieter-Dilemma führt: Wäh-
rend der Vermieter für die Kosten einer energe-                  Modernisierungsumlage
tischen Sanierung aufkommt, profitiert zu-
nächst nur der Mieter durch reduzierte                           Wenn ein Vermieter an einer Wohnung Moder-
Heizkosten. Mieter hingegen können ihre Heiz-                    nisierungsmaßnahmen vornimmt, so kann er
kosten nur durch eine Verbrauchsreduktion                        einen festen Prozentsatz der Investitionskosten
beeinflussen, denn auf die Heizungsart und den                   auf die Jahresmiete umlegen. Im Januar 2019 ist
Wärmebedarf der Wohnung haben sie keinen                         das Mietanpassungsgesetz (MietAnpG) in Kraft
direkten Einfluss.                                               getreten, welches diesen Prozentsatz von elf auf
                                                                 acht Prozent reduziert. Außerdem darf die Er-
Um dennoch Anreize für Modernisierungen zu                       höhung der monatlichen Miete innerhalb von
schaffen, hat der Gesetzgeber die Modernisie-                    sechs Jahren 2 EUR/m2 nicht überschreiten,
rungsumlage eingeführt, die erlaubt, die Kosten                  wenn die Kaltmiete vor der Modernisierung
einer Modernisierung durch eine anteilige Er-                    weniger als 7 EUR/m2 betrug. Darüber erhöht
höhung der Kaltmiete auf den Mieter umzule-                      sich die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen
gen. Im Fall eines Mieterwechsels, kann die hö-                  auf 3 EUR/m2.
here Attraktivität der Wohnung auf dem
Wohnungsmarkt sowie die Befreiung von der                        Im Anschluss an die Mieterhöhung kann der
Mietpreisbremse im Falle einer Vollsanierung                     Vermieter die Miete so lange nicht mehr erhö-
auf Neubauniveau ein Anreiz für Modernisie-                      hen, bis sie von der ortsüblichen Vergleichs-
rungsmaßnahmen sein.                                             miete eingeholt wurde. Deshalb gilt: Nur wenn
                                                                 die zusätzlichen Einnahmen durch die Moder-
Wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Po-                     nisierung (im Vergleich zu einer schrittweisen
tenziale für den Klimaschutz auf dem Mietwoh-                    Anhebung der Miete basierend auf der Ent-
nungsmarkt zu heben, versagen diese Anreize                      wicklung der Vergleichsmiete) die Modernisie-
aktuell. Denn ihre Wirkung ist nicht auf Klima-                  rungskosten übersteigen, ist die Investition
schutz ausgerichtet. Darüber hinaus werden sie                   rentabel (siehe Abbildung 1).
gerade in Märkten mit Wohnungsknappheit
ausgehebelt.

In diesem Impulspapier wollen wir deshalb auf-
zeigen, welche Handlungsoptionen für den
Mietmarkt existieren und diskutiert werden.
Wir wollen erörtern, inwiefern diese Klima-
schutz und Mieterschutz zusammenbringen
können. Das Hauptaugenmerk legen wir auf

1   Ausnahmen gelten beispielsweise für Studentenwohnheime und
    Niedrigenergiehäuser

                                                                                                                4
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

                                                          durch die Mieterhöhung. Vermieter, die ener-
  Abbildung 1: Zusammenhang zwischen den                  getisch sanieren möchten, haben durch die im
  Mehreinnahmen durch eine Modernisierung                 MietAnpG beschlossenen Anpassungen wiede-
  im Vergleich zur ortsüblichen Vergleichsmiete           rum weniger finanziellen Spielraum.

       Miethöhe                                           Modernisierungen in angespannten Mietmärk-
                                                          ten und die Mietpreisbremse
                                  Miete nach
                                  Modernisierung
                                                          Zusätzlich dazu, dass eine vorgenommene ener-
          Modernisierungsumlage

                                                          getische Sanierung den Vermieter ermächtigt,
                                                          die Kaltmiete über die Modernisierungsumlage
                                                          anzuheben, erhöht sie auch die Attraktivität der
                                                          Wohnung auf dem Markt. Theoretisch gibt es
                                                          Mieter mit einer erhöhten Bereitschaft, für
                                                          Wohnungen mit einer besseren energetischen
                                                          Qualität mehr zu zahlen. Praktisch ist der Miet-
     Ausgangs-
         miete
                                                          markt in vielen städtischen Gebieten kaum
                                                          mehr in der Lage, hinsichtlich energetischer
                                                   Zeit   Qualität lenkend zu wirken. Denn Wohnungen
                                                          sind dermaßen nachgefragt, dass viele Mieter es
  Quelle: Reutter und von Wangenheim, 2019                sich nicht erlauben können, auf den energeti-
                                                          schen Zustand der Wohnung zu achten und
                                                          diese bei hohem Heizbedarf nicht anzumieten.
                                                          In Mietmärkten hingegen, auf denen wenig
Hinsichtlich der Anreizwirkung für energeti-              Druck lastet, sind potenzielle Mieter im Allge-
sche Modernisierungen fehlt es der aktuellen              meinen nicht bereit, viel für Wohnraum zu zah-
Ausgestaltung an Treffsicherheit. Zum einen               len. Die erhöhte Miete infolge einer Moderni-
zielt sie nicht explizit auf Klimaschutz ab: Ver-         sierung kann hier sogar abschreckend auf neue
mieter können nicht nur Klimaschutzmaßnah-                Mieter wirken.
men auf die Miete umlegen, sondern beispiels-
weise auch die Sanierung von Bädern oder das              Die einzige Lenkungswirkung, die sich in die-
Anbringen von Balkonen oder Fahrstühlen.                  sen Märkten durch die aktuelle Rechtslage
Diese Maßnahmen stehen somit in direkter                  ergibt, ist unbeabsichtigt und kann zu sozial be-
Konkurrenz zu energetischen Maßnahmen, da                 denklichen Entwicklungen führen: Das geltende
sie den finanziellen Spielraum reduzieren. Im             Recht sieht eine Vollmodernisierung auf Neu-
Fall von energetischen Sanierungen richtet sich           bauniveau als Möglichkeit vor, um die Miet-
die Höhe der Modernisierungsumlage nicht                  preisbremse außer Kraft zu setzen und so die
nach der Qualität der vorgenommenen Maß-                  Miete bei der Neuvermietung mehr als zehn
nahmen, der durch sie eingesparten Energie-               Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichs-
mengen und -kosten, sondern lediglich nach                miete anzusetzen. Ihre Anwendung hat einigen
der Höhe der Investitionen. Somit gibt es keine           Wohnungsunternehmen den Vorwurf einge-
direkte Beziehung zwischen dem Betrag, den                bracht, sie würden Modernisierungen gezielt
der Mieter durch vermiedene Heizkosten ein-               nutzen, um Mieter „herauszumodernisieren“,
sparen kann, und der zusätzlichen Belastung               um anschließend die Wohnung zu einer Miete

                                                                                                          5
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

deutlich oberhalb der Vergleichsmiete auf dem          reagieren. Für den Vermieter hingegen erhöht
Markt anbieten zu können. Denn laut einer Stu-         sich der Anreiz zu sanieren im besten Falle ge-
die des ifeu Instituts erhöht eine korrekt vorge-      ringfügig. Er profitiert nicht von niedrigeren
nommene energetische Sanierungsmaßnahme                Heizkosten, und Mieterhöhungen aufgrund von
die Miete im Allgemeinen nur um 1,20 bis 2             Modernisierungsmaßnahmen sind nicht direkt
EUR/m2 (ifeu, 2019).                                   an CO2-Einsparungen oder an die Reduktion
                                                       des Energieverbrauchs gekoppelt. In vielen
Auch wegen dieser Entwicklung, hat sich in der         Mietmärkten kann er seine Ausgangsposition
öffentlichen Wahrnehmung teilweise das Bild            im Werben um neue Mieter auch nicht merklich
festgesetzt, dass Klimaschutz und bezahlbares          verbessern, denn die Zahlungsbereitschaft für
Bauen und Wohnen nicht vereinbar wären und             energieeffiziente Wohnungen auf Mieterseite
energetische Gebäudesanierungen gar zu sozia-          ist gering (Kholodin und Michelsen, 2014). Die
len Verwerfungen führten.                              Einführung einer CO2-Bepreisung kann daher
                                                       die bestehenden Missstände auf dem Woh-
Wie eine sozial verträgliche Wohnungspolitik           nungsmarkt weiter verschärfen und droht, zu
aussehen kann, wird weitreichend debattiert. In        sozialen Verwerfungen zu führen (Agora
Berlin hat dies dazu geführt, dass die Enteig-         Verkehrswende und Agora Energiewende,
nung großer Immobiliengesellschaften offen             2019). Wohl auch deshalb hat die Bundesregie-
diskutiert wird und der Senat ein Landesgesetz         rung sich darauf verständigt zu prüfen, inwie-
verabschiedet hat, welches die Mieten für fünf         fern es Vermietern gestattet sein soll, die ge-
Jahre auf dem heutigen Stand einfriert. Die Ent-       samten CO2-Kosten auf den Mieter umzulegen
wicklung strahlt auch ins restliche Bundesge-          (Bundesregierung, 2019).
biet aus und schafft ein Klima, welches der Um-
setzung von Sanierungsmaßnahmen                        Dabei geht es auch anders: In den folgenden Ka-
unzuträglich ist. Der Klimaschutz droht darüber        piteln vergleichen wir alternative Hand-
ins Abseits zu geraten.                                lungsoptionen, die darauf abzielen, das beste-
                                                       hende Dilemma auf dem Mietmarkt aufzulösen.
                                                       Hierfür diskutieren wir Vorschläge von Ver-
Einführung einer CO2-Bepreisung                        bänden und der Europäischen Kommission so-
im aktuellen Mietmarkt                                 wie zwei bestehende Regulierungsansätze aus
                                                       anderen europäischen Staaten.
Die von der Bundesregierung mit dem Klima-
schutzpaket beschlossene Einführung eines
CO2-Zertifikatehandels zielt darauf ab, die At-
traktivität von klimafreundlichen Technologien
im direkten Vergleich zu fossilen Alternativen
zu erhöhen, indem man den CO2-Ausstoß be-
preist. Abgesehen von dem bislang unambitio-
nierten Fixpreis in den Jahren bis 2025, welcher
das Investitionsverhalten kaum beeinflussen
wird, versagt diese Logik auf dem Mietmarkt
aktuell. Denn die CO2-Kosten würden lediglich
die Nebenkosten für den Mieter erhöhen. Der
Mieter hat jedoch keine adäquate Möglichkeit,
etwa durch Sanierungsmaßnahmen, darauf zu

                                                                                                     6
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

2 Das Drittelmodell: Weiterentwicklung                  der Staat die Differenz zwischen alter und
  und Neukalibrierung des aktuellen                     neuer Bruttowarmmiete übernehmen. Dies
  Systems                                               schafft Investitionssicherheit für die Ver-
                                                        mieter, während sozial schwachen Mietern
Der vielleicht prominenteste Vorschlag, der ak-         Warmmietenneutralität garantiert wird.
tuell in der deutschen Diskussion kursiert, ist       → Absenkung der Modernisierungsumlage
das Drittelmodell, zuerst vorgeschlagen von             auf 1,5 Prozent: Als die Modernisierungs-
BUND, Mieterbund und dem Deutschen Natur-               umlage eingeführt wurde, lag der Marktzins
schutzring. Ein konkret ausgearbeiteter Vor-            bei etwa 8 und nicht wie heute bei unter 1
schlag zur Kalibrierung wurde von (ifeu, 2019)          Prozent. Die damalige Höhe der Modernisie-
im Auftrag des BUND vorgelegt.                          rungsumlage von 11 Prozent entsprach somit
                                                        einer Rendite von etwa 3 Prozent für den
Die Bezeichnung als Drittelmodell soll zunächst         Vermieter. Durch eine Absenkung der Mo-
verdeutlichen, dass es drei Interessensparteien         dernisierungsumlage auf 1,5 Prozent sowie
gibt, unter denen die Kosten für energetische           der oben genannten Anpassung, dass der
Sanierungen aufgeteilt werden müssen: Dazu              Vermieter Fördermittel nicht mehr auf die
gehören selbstverständlich Mieter und Vermie-           Miete anrechnen muss, soll der Vermieter
ter als direkt Betroffene, aber eben auch der           das gleiche Renditenniveau für Modernisie-
Staat. Denn Klimaschutz ist eine Gesellschafts-         rungsmaßnahmen erreichen wie bei der
aufgabe und die Allgemeinheit hat ein Interesse         Einführung der Umlage (ifeu, 2019).
daran, die Emissionen im Gebäudesektor mög-
lichst schnell und effektiv zu senken.                 Diese drei Maßnahmen sollen zum einen garan-
                                                       tieren, dass energetische Sanierungen nur in
Das Drittelmodell propagiert nicht die paritäti-       einem sozial verträglichen Rahmen ablaufen
sche Aufteilung der Kosten auf die drei Par-           können: Tabelle 1 zeigt die Mietveränderungen
teien, sondern vielmehr eine Anpassung und             im Falle einer energetischen Modernisierung.
Neujustierung des aktuellen regulatorischen            Im Modernisierungsfall würde sich die Warm-
Rahmens, der diese drei Parteien in die Pflicht        miete demnach nicht erhöhen. Gleichzeitig re-
nimmt. Ganz konkret setzt sich diese Neujus-           duzieren die Maßnahmen das Risiko für Ver-
tierung aus den folgenden drei Kernpunkten             mieter, denn Härtefallregelungen führen nicht
zusammen:                                              mehr zu einer Reduzierung der Rendite, da der
                                                       Staat einspringt. Die Anpassung der Fördermit-
→ Zielgerichtete Fördermaßnahmen: Nur kli-             tel führt darüber hinaus dazu, dass nur klima-
  mazielkonforme Sanierungen sollen geför-             zielkonforme Maßnahmen gefördert werden.
  dert werden. Dies würde bedeuten, dass die
  Förderung für die Effizienzhäuser mit den            Da das Drittelmodell die bestehenden Rahmen-
  Standards 85 bis 115 gestrichen wird, wäh-           bedingungen an die aktuelle Zinslage anpasst,
  rend sich in gleichem Maße die Förderung             besteht allerdings auch die Gefahr, dass eine
  der Effizienzhäuser 55 und 70 erhöht. Au-            Leitzinsänderung wieder zu einer suboptimalen
  ßerdem soll der Vermieter die Förderung in           Systemkalibrierung führt.
  Zukunft nicht mehr auf die Mieterhöhung
  anrechnen müssen.
→ Abfangen von Härtefällen: Um die Attrakti-
  vität von Sanierungen auch in den Fällen zu
  steigern, in denen ein Härtefall vorliegt, soll

                                                                                                    7
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

   Tabelle 1: Miete vor und nach der Modernisierung, beispielhaft berechnet für verschiedene Miet-
           marktarchetypen im aktuellen System sowie nach der Anpassung

                        Bestehende Instrumente                  Angepasste Instrumente

                        vor                nach                 vor                nach
                        Modernisierung     Modernisierung       Modernisierung     Modernisierung
     wachsender
                        7,21 EUR/m 2       7,71 EUR/m 2         7,21 EUR/m 2       7,15 EUR/m 2
     Markt
     konstant
     wohlhabender       8,33 EUR/m 2       8,48 EUR/m 2         8,33 EUR/m 2       8,33 EUR/m 2
     Markt
     schrumpfender
                        5,27 EUR/m 2       5,25 EUR/m 2         5,27 EUR/m 2       5,19 EUR/m 2
     Markt

   Quelle: ifeu, 2019

                                                                                                     8
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

3 Das Schweizer Modell: Ausrichtung                                        Berücksichtigung des hypothekarischen Refe-
  der Umlage an der Wertsteigerung                                         renzzinses 2. Zusätzlich darf der Vermieter eine
  durch die Modernisierung                                                 Unterhaltspauschale aufschlagen, welche mög-
                                                                           liche Wartungs- und Reparaturkosten abde-
Auch in der Schweiz darf der Vermieter die                                 cken soll (Kägi u. a., 2015). Außerdem gibt es
Miete im Fall einer Modernisierung erhöhen.                                eine CO2-Abgabe auf Heizstoffe, deren soziale
Der maximal zulässige Betrag ergibt sich in be-                            Auswirkungen über eine pauschale Rückver-
stehenden Mietverhältnissen daraus, wie sehr                               teilung abgefedert wird.
der Wert der Wohnung durch die Maßnahme
steigt. Werterhaltende Maßnahmen dürfen                                    Im Gegensatz zu Deutschland sind Mieterhö-
nicht angerechnet werden. Um den Mehrwert                                  hungen in der Schweiz deutlich weniger ab-
einer Maßnahme zu bestimmen, kann der Ver-                                 hängig von den ortsüblichen Vergleichsmieten.
mieter auf detaillierte Auflistungen zurückgrei-                           Zwar gibt es die Möglichkeit, die Miete anzuhe-
fen, die auf vergangenen Rechtsurteilen basie-                             ben, indem man auf die Mietpreise vergleichba-
ren (bspw. Schweizerischer MV, 2005).                                      rer Wohnungen und örtlicher Nähe verweist.
                                                                           Der Vermieter ist hier jedoch in der Beweis-
Beispielhafte Werte sind in Tabelle 2 angegeben.                           pflicht. Darüber hinaus hat die Schweiz die
Der Mietaufschlag ergibt sich aus der Annuität                             Höhe der Miete daran gekoppelt, dass keine
des Mehrwerts über die Lebensdauer unter der                               übermäßigen Renditen erzielt werden, was der

    Tabelle 2: Mehrwert und Lebensdauer beispielhafter Modernisierungsmaßnahmen

                                     Bauteil alt                          Bauteil neu                Lebensdauer          Mehrwert
                                                                                                        (Jahre)

                                                                        Heizungsanlage
       Heizung                alte Heizungsanlage                                                             20                 10 %
                                                                         neuster Stand

                                                                       Sonnenkollektoren
                                   nicht vorhanden                                                            20               100 %
                                                                         (Warmwasser)

                                                                         kontrollierte
       Lüftung                     nicht vorhanden                                                            20               100 %
                                                                       Wohnungslüftung

                          nicht gedämmte Fassade,                      Kompaktdämmung
       Fassade                                                                                            25–30            55–60 %
                           renovierungsbedürftig                          (Isolation)

    Quelle: Auszug aus Erb, 2012

2     Der Vermieter darf die Hälfte des hypothekarischen Referenz-            Der hypothekarische Referenzzinssatz basiert auf dem durch-
      zinssatzes inklusive Risikoaufschlag von 0,5 Prozent ansetzen.          schnittlichen Zinssatz, der von Banken für Hypotheken angesetzt
                                                                              wird.

                                                                                                                                           9
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Vermieter im Klagefall auch nachweisen muss
(Schweizer MV, o. J.). Faktoren wie Inflation und
steigende Betriebskosten sind wesentlich häu-
figer die Treiber für Mietsteigerungen
(Schweizer MV, 2008).

Im Endeffekt hat der Vermieter in der Schweiz
eine viel stärkere Garantie, dass seine Investi-
tion sich rentiert. Im Gegensatz zur Situation
des deutschen Vermieters friert die moderni-
sierungsbedingte Mietsteigerung in der
Schweiz nicht die Miete ein, bis sie von einer
lokalen Vergleichsmiete eingeholt wird. Der
Vermieter kann die Miete weiterhin steigern,
wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt
sind. Da diese Faktoren im Allgemeinen nicht
von der Modernisierung beeinflusst werden,
ergibt sich auch kein zusätzliches Risiko. Wei-
terhin ist die Mietsteigerung direkt an den Nut-
zen der Modernisierung gekoppelt. Der Um-
stand, dass der Vermieter im Streitfall seinen
Ertrag offenlegen muss, fungiert in der Schweiz
als zusätzliches Instrument gegen ungerecht-
fertigte Mieterhöhungen.

Im Großen und Ganzen ist der gesetzliche Rah-
men für energetische Modernisierungsmaß-
nahmen in der Schweiz deutlich verlässlicher
und sichert dem Vermieter eine auskömmliche
Rendite für sinnvolle Investitionen zu. Gleich-
zeitig schützen diese Regelungen auch die Mie-
ter, da sie wenig Spielraum für Missbrauch bie-
ten und ein wirkungsvoller
Kontrollmechanismus vorhanden ist.

                                                                                10
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

4 Umstellung des Mietmarkts                                             Der schwedische Warmmietenmarkt ist in Eu-
  auf Warmmieten                                                        ropa einzigartig. Der Vermieter übernimmt im
                                                                        Allgemeinen die Heiz- und Warmwasserkosten,
Der schwedische Warmmietenmarkt                                         welche durch die vertraglich vereinbarte Miete
                                                                        gedeckt sind (NEEAP Schweden, 2017). Die An-
In den Jahren seit 2000 war Schweden sehr er-                           reize im schwedischen Mietmarkt lösen einen
folgreich darin, die CO2-Emissionen im Gebäu-                           Großteil des Vermieter-Mieter-Dilemmas:
desektor zu senken. Bei den privaten Haushal-                           Wenn der Vermieter die Wohnung saniert, dann
ten sanken die Emissionen in diesem Zeitraum                            kommt der Nutzen ihm selbst in Form von ge-
um 95 Prozent und im Gewerbe-, Handels- und                             sparten Heizkosten zugute. Auf der anderen
Dienstleistungssektor (GHD) um 70 Prozent, wie                          Seite werden Sanierungsmaßnahmen, die den
Abbildung 2 illustriert. Schweden zeigt, dass                           Energieverbrauch senken, nicht zum Anlass für
ambitionierter Klimaschutz im Gebäudebereich                            Mieterhöhungen genommen (SIR, 2016). Dies
sozial verträglich möglich ist, wenn die Anreize                        setzt einen starken Anreiz, wirtschaftliche Mo-
zielgerecht gesetzt werden.                                             dernisierungsmaßnahmen umzusetzen, ohne
Die Ausgangslage für energetische Sanierung in                          den Mieter zusätzlich zu belasten.
Schweden unterscheidet sich zu der in
Deutschland in zwei Kernpunkten:                                        Die Wirtschaftlichkeit wird verstärkt durch die
                                                                        CO2-Steuer, die deutlich über den Beträgen
→ Der Mietmarkt basiert auf Warmmieten.                                 liegt, welche in Deutschland als Fixpreis für den
→ Es existiert eine CO2-Steuer, die aktuell 114                         Zertifikatehandel bis 2025 vorgesehen sind.
  Euro pro Tonne C02 beträgt (Government                                Dadurch, dass der Vermieter nicht nur seine
  Offices of Sweden, 2019).                                             Brennstoffkosten, sondern auch seine CO2-

  Abbildung 2: Entwicklung der CO2-Emissionen im schwedischen Gebäudesektor 2000–2015

                                 4,0

                                 3,5
        CO2-Emissionen [Mio t]

                                 3,0
                                                                                                      -70 %
                                 2,5

                                 2,0

                                 1,5
                                       -95%
                                 1,0

                                 0,5

                                 0,0
                                    2000      2002   2004   2006         2008       2010      2012       2014

                                                            Haushalte        GHD

  Quelle: Agora Energiewende basierend auf EU Kommission, 2018b

                                                                                                                        11
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Steuerzahlungen reduzieren kann, ergibt sich           Laut EED sind die Mitgliedsstaaten angehalten
eine zielgerichtete Anreizstruktur: Durch eine         dies umzusetzen, soweit „technisch machbar,
verbesserte Dämmung kann er Heizkosten ge-             finanziell vertretbar und im Vergleich zu den
nerell einsparen. Setzt er auf CO2-freie Techno-       potenziellen Energieeinsparungen angemessen“
logien, so vermeidet er zusätzlich hohe Steuer-        (EU Kommission, 2018a). Da der schwedische
zahlungen. Da die Steuer weiter steigt, sind           Mietmarkt schon immer auf Warmmieten ba-
auch Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll, deren          siert hat, konnte eine Umstellung auf eine indi-
Kosten heute noch nicht komplett durch die             viduelle Verbrauchsabrechnung bisher mit ei-
Brennstoffkosten- und Steuerersparnisse ge-            nem Hinweis auf Mehrkosten vermieden
deckt sind.                                            werden (Linder und Eliasson, 2016). Eine Neu-
                                                       einführung in Deutschland würde somit eine
Gleichzeitig kann es einen gegenläufigen Effekt        Anpassung der EED voraussetzen.
dadurch geben, dass die Mieter monatlich le-
diglich Pauschalbeträge für das Heizen bezah-
len. Diese orientieren sich nicht daran, wie viel      Warmmieten mit Temperaturfeedback
sie geheizt haben. Grundsätzlich entfällt somit
der Anreiz, sparsam zu sein. Während es in             Ein weiterer Ansatz versucht, beide Anreize zu
Einzelfällen zu verschwenderischem Verhalten           kombinieren, sodass der Vermieter von einer
kommen mag (wie Heizen bei offenem Fenster),           Sanierung profitiert, während der Mieter
bedeutet dies in der Praxis vermutlich, dass die       gleichzeitig die Möglichkeit hat, seine Heizkos-
allermeisten Mieter auf Komfortniveau heizen.          ten durch sparsames Heizen weiter zu reduzie-
Die beiden Faktoren müssen gegeneinander ab-           ren. Ein solches Konzept wurde von der Ge-
gewogen werden: Auf der einen Seite liegt das          meinsamen Forschungsstelle der Europäischen
Potenzial für den Klimaschutz darin, dass Ver-         Kommission diskutiert: Vermieter und Mieter
mieter vermehrt ihre Immobilien sanieren. Dies         einigen sich vertraglich beispielsweise auf eine
muss der potenziellen Einsparung durch gemä-           Raumtemperatur, die während der Wintermo-
ßigteres Heizen gegenübergestellt werden. In           nate garantiert wird. Entscheidet sich der Mie-
Anbetracht der großen CO2-Einsparungen, die            ter, über diese Temperatur hinaus zu heizen, so
Schweden im Gebäudebereich erzielt hat (Ab-            bezahlt er die zusätzlichen Heizkosten. Ver-
bildung 2), scheint es auf den ersten Blick deut-      braucht er weniger, so bekommt er die einge-
lich effektiver zu sein, stimmige Anreize für den      sparten Kosten vom Vermieter erstattet (JRC,
Vermieter zu schaffen.                                 2017). Der Warmwasserverbrauch könnte hin-
                                                       gegen individuell abgerechnet werden, wie dies
Allerdings zeigt eine juristische Kurzeinschät-        auch schon heute der Fall in Deutschland ist.
zung im Auftrag von Agora Energiewende, dass
eine reine Umstellung des Mietmarkts auf               Der Unterschied zur heutigen Verbrauchsab-
Warmmieten in Deutschland mit geltendem                rechnung liegt darin, dass dem Vermieter meh-
EU-Recht nicht vereinbar wäre: Ein Rechtsgut-          rere Optionen offenstehen, wie er die Wohnung
achten von Becker Büttner Held kommt zu die-           auf Temperatur bringen kann. Wenn es sich
ser Schlussfolgerung, da eine reine Umstellung         rentiert, kann er durch eine energetische Sanie-
auf Warmmieten die Regularien zur individuel-          rung Heizkosten einsparen. Da die Warmmiete
len Verbrauchserfassung nicht erfüllt, die in der      die gleiche bleibt, während die Heizkosten sin-
Energieeffizienz-Richtlinie (EED) vorgesehen           ken, erhöht sich die Marge des Vermieters, ohne
sind (Becker Büttner Held, 2020).                      dass der Mieter höhere Mietkosten zu tragen

                                                                                                     12
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

hat. Gleichzeitig bleibt der Anreiz für den Mie-
ter, sparsamer zu heizen, da er dann einen Teil
der entrichteten Miete am Jahresende zurück-
erhalten würde.

Laut (Becker Büttner Held, 2020) ist so ein Mo-
dell auch im Sinne der EED, die Maßnahmen zur
Auflösung des Mieter-Vermieter Dilemmas ex-
plizit fordert. Um eine Vereinbarkeit mit der
EED zu gewährleisten, müsste bei der Ausge-
staltung jedoch darauf geachtet werden, dass
die realen Verbräuche erfasst werden und die
Grundlage der Heizkostenabrechnung bilden
(Becker Büttner Held, 2020). Dies könnte
dadurch erfolgen, dass man die Verbräuche mit
bestimmten Innentemperaturen abgleicht und
die Zahlungen dementsprechend koppelt. Da die
EED gewisse Freiräume lässt, wie die Heizkos-
ten berechnet werden (Becker Büttner Held,
2020), kann eine Temperaturbestimmung über
den Verbrauch sowie eine Anpassung der Ver-
bräuche im Sanierungsfall eine EED-konforme
Ausgestaltung darstellen. Der Mieter zahlt in
diesem Fall für eine bestimmte Referenztempe-
ratur in seiner Wohnung, die unter „normalem“
Heizverhalten erreicht wird. Da der Abgleich
über diese Verbräuche erfolgt, ist auch der Ver-
mieter davor geschützt, dass beispielsweise die
Innenraumtemperatur durch offene Fenster ge-
senkt wird.

                                                                                13
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

5 Quo vadis? Handlungsoptionen für                     ließe. Denn der Spielraum, um mit dem Moder-
  die deutsche Diskussion                              nisieren von Mietwohnungen Rendite zu er-
                                                       wirtschaften, wird im Vergleich zum bestehen-
Die Sanierungsanreize im deutschen Mietmarkt           den Rechtsrahmen reduziert.
sind gegenwärtig nicht auf das Erreichen der
Klimaziele ausgerichtet, da sie weder auf Ener-        Ein Nachteil bleibt, dass die Umlage nicht an das
gieeinsparung noch auf Emissionsreduktion ab-          Zinsniveau gekoppelt ist, sodass eine Leitzins-
zielen, sondern einzig die Modernisierungskos-         änderung eine Anpassung der Rahmenbedin-
ten in Betracht ziehen. Der CO2-                       gungen erfordern würde. Mit Blick darauf, dass
Zertifikatehandel wird daran nicht viel ändern,        die Höhe der Modernisierungsumlage seit ihrer
da die anfallenden Kosten wahrscheinlich primär        Einführung 1974 im Jahre 2019 zum ersten Mal
den Mieter belasten und der Vermieter von einer        angepasst wurde, kann bezweifelt werden, ob
Reduktion der Heizkosten nicht direkt profitiert.      eine Anpassung in Zukunft regelmäßig erfolgen
Die angespannte Situation auf den Mietmärkten          wird. Hier könnte man sich am Schweizer Mo-
schmälert die Attraktivität effektiven Klima-          dell orientieren, welches die Mieterhöhung an
schutzes weiter. Eine Neuausrichtung der Rah-          einen Referenzzins 3 koppelt.
menbedingen und Anreize für den Mietmarkt ist
somit notwendig, um Klimaschutz und Sozial-            Auch anderweitig könnte das Schweizer Modell
verträglichkeit zu vereinen (siehe Tabelle 3).         ein Ansatz sein, das aktuelle System sinnvoll
                                                       weiterzuentwickeln: Die direkte Bindung an die
Das Drittelmodell ist in der Lage, die Situation       Wertsteigerung des Objekts ist ein nachvoll-
auf dem deutschen Mietmarkt zu entschärfen             ziehbares Kriterium, welches auf dem Nutzen
und gleichzeitig die Investitionssicherheit für        der Modernisierung basiert, anstatt auf reinen
Vermieter zu erhöhen. Der Mieter hingegen              Investitionskosten, wie es gegenwärtig in
wird durch das Absenken der Modernisie-                Deutschland der Fall ist. Der Vermieter hat eine
rungsumlage besser vor hohen Mietaufschlägen           höhere Investitionssicherheit, da ihm eine aus-
geschützt, hat aber keine direkte Rückversiche-        kömmliche Rendite zugesichert wird und zu-
rung, dass er tatsächlich Heizkosten spart, denn       künftige Mieterhöhungen nicht von der Mo-
die Umlage bleibt entkoppelt von einer Redu-           dernisierung gefährdet werden.
zierung des Energieverbrauchs oder der CO2-
Emissionen.                                            Die Mietaufschläge direkt an der Wertsteige-
                                                       rung auszurichten, ist andererseits zunächst
Es ist allerdings nicht klar, ob dadurch mehr Sa-      mit großem Mehraufwand verbunden. In der
nierungen auf dem Mietmarkt erfolgen. Sollte           Schweiz existiert das System bereits seit Län-
die aktuell niedrige Sanierungsrate eine Folge         gerem, und es gibt eine Vielzahl von Gerichts-
des Risikos sein, dass Mieter Härtefälle geltend       urteilen, die einem Vermieter eine recht solide
machen und der Vermieter insofern die Sanie-           Bemessungsgrundlage dafür geben, welchen
rungskosten nicht umlegen kann, so könnte das          Maßnahmen wie viel Wert zugeschrieben wer-
Drittelmodell einen Beitrag dazu leisten, die Sa-      den kann.
nierungsrate zu steigern. Sind energetische Sa-
nierungen für Vermieter aktuell finanziell nicht       Gleichzeitig hat der Vermieter im Schweizer
attraktiv genug, so ist fraglich, ob sich deren        Modell immer noch keinen direkten Gewinn
Attraktivität durch das Drittelmodell steigern         von eingesparter Energie und eingesparten

3   Hypothekarischer Referenzzins, siehe Kapitel 3

                                                                                                      14
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Emissionen, sondern nur indirekt über die Er-                               Deutlich weiter würde eine Umstellung des
höhung der Miete. Diese Erhöhung ist nicht an                               Mietmarkts auf Warmmieten gehen. Kombi-
energetische Maßnahmen gekoppelt, sondern                                   niert mit wirkungsvollen CO2-Preisen, staatli-
kann auch wegen anderer wertsteigernder                                     cher Förderung und verpflichtenden Sanie-
Maßnahmen angesetzt werden. Darüber hinaus                                  rungsfahrplänen kann dies ein
gelten im Schweizer Mietmarkt sehr weitrei-                                 vielversprechender Schritt zur Erreichung der
chende Regeln, wie viel Gewinn mit Mietwoh-                                 Klimaziele im Gebäudesektor sein. Da in diesem
nungen überhaupt erzielt werden darf. Dies ist                              Fall der Vermieter von den eingesparten Heiz-
auch der Sozialverträglichkeit und der Transpa-                             kosten profitiert, entsteht ein starker Anreiz,
renz zuträglich, da der Vermieter im Streitfall                             sämtliche wirtschaftlichen Potenziale auszu-
vor Gericht seine Wirtschaftlichkeitsrechnung                               schöpfen. Perspektivisch ansteigende CO2-
offenlegen muss.                                                            Preise verstärken diesen Effekt weiter und sor-

 Tabelle 3: Vergleich der verschiedenen Mietrechtsmodelle

                                                                                                                         Warmmieten
                                 Aktuelle                                                            Schwedi-
                                                          Drittel-            Schweizer                                      mit
                                 deutsche                                                          scher Warm-
                                                          modell                Modell                                   Verbrauchs-
                                Rechtslage                                                         mietenmarkt
                                                                                                                          Feedback
      Klimaschutz-
      anreiz für                        -                     -                     ±*                     +                      +
      Vermieter
      Klimaschutz-
      anreiz für                       +                      +                     +                      -                      +
      Mieter
      Warmmieten-
      neutral
                                        -                     ±                      -                     +                      +

      Investitions-
                                        -                     +                     +                     ±**                   ±**
      sicherheit
      Robust gegen
      wechselnde                        -                    -***                 +****                    +                      +
      Zinspolitik
      vereinbar mit
                                       +                      +                     +                      -                      +
      Europarecht

 * Energie- und CO2-Einsparungen können indirekt in den Mehrwert einfließen, der der Maßnahme zugeschrieben wird.
 ** Die Aussicht auf steigende Heizkosten, beispielsweise durch eine langfristig ansteigende CO2-Steuer, erhöht die Investitionssicherheit.
 Ohne dieses Element hängt die Entscheidung davon ab, wie der Vermieter die langfristige Entwicklung der Brennstoffkosten einschätzt.
 *** Das Drittelmodell passt die Modernisierungsumlage an das aktuelle Zinsniveau an, ohne eine Rückkopplung. Veränderungen im Zinsni-

 veau könnten demnach wieder zu Schieflagen führen.
 **** Das Schweizer Modell ist an den hypothekarischen Referenzzins gekoppelt ist, der Schwankungen im Zinsniveau reflektiert.

                                                                                                                                              15
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

gen dafür, dass Investitionen sinnvoll darge-             zukommen, haben diese einen ansteigenden
stellt werden können, die vor dem Hintergrund             Anreiz, ambitionierte energetische Maß-
der aktuellen Kostensituation noch nicht kom-             nahmen durchzuführen.
plett gedeckt sind. Auch wenn der grundsätzli-         3. Ein Kostendelta zwischen dem, was wirt-
che Anreiz des Mieters wegfällt, sparsam zu               schaftlich ist, und dem Zielniveau wird
heizen, scheint dieser Effekt die erhöhte An-             dennoch auf absehbare Zeit bestehen blei-
reizwirkung beim Vermieter nicht annähernd                ben. Wegen der langen Investitionszyklen
zu kompensieren. Die in Schweden erzielten                im Gebäudebereich, sollte dennoch direkt
CO2-Einsparungen im Gebäudesektor sprechen                auf Zielniveau saniert werden. Die Diffe-
diesbezüglich für sich. Allerdings ist die Ein-           renzkosten, die von Wohnungswirtschaft
führung eines reinen Warmmietenmarkts nicht               und Mieterbund auf 14 bis 25 Milliarden
mit geltenden EU-Richtlinien zur individuellen            Euro jährlich geschätzt werden (DMB et al.,
Verbrauchsabrechnung vereinbar (Becker                    2019), müssen durch eine attraktive staat-
Büttner Held, 2020).                                      liche Förderung ausgeglichen werden, denn
                                                          Klimaschutz ist im gesamtgesellschaftlichen
Um die effizienten Sanierungsanreize eines                Interesse.
Warmmietensystems in Deutschland zu schaf-             4. Das letzte Element sind verpflichtende, in-
fen, schlagen wir die Einführung von Warm-                dividuelle Sanierungsfahrpläne für jedes
mieten mit Temperaturfeedback vor. Zum einen              Gebäude (ifeu et al., 2018). Nicht nur kommt
integriert diese Regelung den Klimaschutzan-              die Möglichkeit, schrittweise zu sanieren,
reiz für den Mieter in ein Warmmietensystem.              kleineren Gebäudebesitzern entgegen, denn
Zum anderen wäre eine Ausgestaltung, die die              die zeitliche Streuung der Maßnahmen ist
Anforderungen an die individuelle Ver-                    weniger kapitalintensiv als eine Komplett-
brauchserfassung und -abrechnung erfüllt,                 sanierung. Dadurch, dass für jedes Gebäude
auch mit dem Europäischen Rechtsrahmen ver-               ein verpflichtendes Gesamtkonzept erstellt
einbar (Becker Büttner Held, 2020).                       wird, dessen CO2-Emissionen stückweise
                                                          auf null zu senken, stellen wir sicher, dass
                                                          das Ziel Klimaneutralität im Gebäudebe-
Warmmieten im Vierklang der Wärmewende                    stand bis spätestens 2050 erreicht wird.

1. Warmmieten sorgen dafür, dass die wirt-
   schaftlichen Potenziale im Mietmarkt geho-
   ben werden, indem sie die Kosten-Nutzen-
   Rechnung der Vermieter der von Eigen-
   heimbesitzern angleicht. Um die Klimaziele
   zu erreichen, müssen sie von weiteren Maß-
   nahmen flankiert werden, denn das Zielni-
   veau ist aktuell nicht wirtschaftlich.
2. Die Kombination mit einer ansteigenden
   CO2-Bepreisung, beispielsweise durch die
   Verknappung von Emissionszertifikaten,
   sorgt dafür, dass nach und nach mehr ener-
   getische Maßnahmen wirtschaftlich wer-
   den. Da durch Warmmieten die Kostener-
   sparnisse direkt den Vermietern

                                                                                                    16
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?

Literatur

Agora Verkehrswende, Agora Energiewende                Kägi, W., Giaquinto, K., Gassmann, F.,
(2019): Klimaschutz auf Kurs bringen Impressum         Dellenbach, S., Graf, P. (2015): Energetische
                                                       Sanierung – Auswirkungen auf Mietzinsen
Becker Büttner Held (2020): Vereinbarkeit des
„Referenztermperatur-Modells“ mit den                  Kholodin, K., Michelsen, C. (2014): The market
Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie (EED).         value of energy efficiency in buildings and the
Im Auftrag von Agora Energiewende                      mode of tenure

Bundesregierung (2019): Eckpunkte für das              Linder, K., Eliasson, M. (2016): Ensure energy
Klimaschutzprogramm 2030, S. 1–23                      directives lead to real and effective energy savings

DMB et al. (2019): Abschätzung des                     NEEAP Schweden (2017): Sweden’s Fourth
Zuschussbedarfs zur Erreichung des Klimaziels          National Energy Efficiency Action Plan, S. 202
2030 für Wohngebäude, speziell für vermietete
Wohnungen bei warmmietenneutraler                      Reutter, L., von Wangenheim, G. (2019):
Mieterhöhung nach                                      Subsidies for Landlords = Higher Rents for
Modernisierungsmaßnahmen, S. 6–8                       Tenants 2015, S. 1–21

EU-Kommission (2018a): Energy Efficiency               Schweizer MV (2008): Mietzinserhöhung : Die
Directive 2018, S. 210–230                             einzelnen Begründungen. S. 1–9

EU-Kommission (2018b): JRC-IDEES –                     Schweizer MV (o. J.): Orts- und
Integrated Database of the European Energy             Quartierüblichkeit.
System (2000–2015)                                     https://www.mieterverband.ch/mv/mietrecht-
                                                       beratung/ratgeber-
Government Offices of Sweden (2019):                   mietrecht/glossar.html#Orts-
Sweden’s carbon tax.                                   +und+Quartierueblichkeit
https://www.government.se/government-
policy/taxes-and-tariffs/swedens-carbon-               Schweizerischer MV (2005): Paritätische
tax/ (zugegriffen 07.02.19)                            Lebensdauer-Tabelle: Bewertung von
                                                       Einrichtungen in Wohn- und Geschäftsräumen.
ifeu (2019): Sozialer Klimaschutz in                   Mietrechtspraxis/mp, Verlag
Mietwohnungen
                                                       SIR (2016): Gutachten zum Recht der
ifeu et al. (2018): Wert der Effizienz im              energetischen Sanierung und zu
Gebäudesektor in Zeiten der Sektorenkopplung.          Wertvermehrenden Verbesserungen im
Studie im Auftrag von Agora Energiewende               Mietrecht in Deutschland, Frankreich, Italien,
                                                       Österreich, Schweden, Spanien und im
JRC (2017): Overcoming the split incentive             Vereinigten Königreich (England)
barrier in the building sector : Unlocking the
energy efficiency potential in the rental &
multifamily sectors.
https://doi.org/10.2790/912494

                                                                                                          17
190/06-I-2020/DE

 Wie gelingt uns die Energiewende? Welche
 konkreten Gesetze, Vorgaben und Maßnah-
 men sind notwendig, um die Energiewende
 zum Erfolg zu führen? Agora Energiewende
 will den Boden bereiten, damit Deutschland
 in den kommenden Jahren die Weichen
 richtig stellt. Wir verstehen uns als Denk- und
 Politiklabor, in ­dessen ­Mittelpunkt der Dia-
 log mit den ­relevanten energiepolitischen
­Akteuren steht.

                Unter diesem QR-Code steht
                diese Publikation als PDF zum
                Download zur Verfügung.

Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-energiewende.de
info@agora-energiewende.de

Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
Sie können auch lesen