Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? - IMPULS
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Wie passen Mieter- schutz und Klimaschutz unter einen Hut? IMPRESSUM IMPULS Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? ERSTELLT VON Agora Energiewende Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin T +49 (0)30 700 14 35-000 F +49 (0)30 700 14 35-129 www.agora-energiewende.de info@agora-energiewende.de IN KOOPERATION MIT Universität Kassel Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Nora-Platiel-Straße 4 34127 Kassel PROJEKTLEITUNG Georg Thomaßen georg.thomassen@agora-energiewende.de AUTOREN Georg Thomaßen (Agora Energiewende) Leo Reutter (Universität Kassel) Unter diesem QR-Code steht Alexandra Langenheld (Agora Energiewende) diese Publikation als PDF zum Matthias Deutsch (Agora Energiewende) Download zur Verfügung. Bitte zitieren als: Titelbild: Borut Trdina/iStock Agora Energiewende und Universität Kassel (2020): Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 190/06-I-2020/DE Version 1.0, Oktober 2020 www.agora-energiewende.de
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Liebe Leserin, lieber Leser, verschiedene Alternativen untersucht: Ansätze aus anderen europäischen Ländern, Konzepte die Modernisierungsumlage hat sich in den letz- der EU-Kommission sowie aus der aktuellen ten Jahren zu einem kontroversen Thema entwi- deutschen Diskussion. ckelt. Sie wurde als ein Grund ausgemacht für die stark ansteigenden Mieten in vielen deutschen Zentral für sozial verträglichen Klimaschutz in Ballungsgebieten. Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel Mietwohnungen ist das Prinzip der Warmmie- der Bundesregierung, spätestens bis 2050 einen tenneutralität. Diese Publikation legt konkrete klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Vorschläge dazu vor, wie dieses Prinzip in Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn der deutsches Recht überführt werden kann. vermietete Bestand komplett saniert wird, ohne zu sozialen Verwerfungen zu führen. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Ihr sozial verträglicher und effizienter Klimaschutz Dr. Patrick Graichen auf dem Mietmarkt aussehen kann, haben wir Direktor Agora Energiewende Ergebnisse auf einen Blick: Die aktuelle Regulierung energetischer Sanierung von Mietwohngebäuden ist schlecht für Klima und Mieten. Die geltende Modernisierungsumlage belohnt in ers- 1 ter Linie, wie teuer eine Sanierung war, und nicht wie effektiv. Und der ab 2021 in Kraft tretende CO2-Preis auf Gas und Heizöl setzt keine Sanierungsanreize, denn er ist für Hauseigentümer ein Durchlaufposten und erhöht allein die Mietnebenkosten. Andere Länder machen vor, dass effektiver Klimaschutz in Gebäuden möglich ist, wenn die Anreize stimmen. So sind die Emissionen schwedischer Haushalte seit 2 2000 um 95 Prozent gesunken. Ein wesentlicher Grund ist das Konzept der Warm- mieten verbunden mit hohen CO2-Preisen, sodass Hauseigentümer hohe Anreize für Effizienzinvestitionen haben. Warmmieten mit Temperaturfeedback können das Vermieter-Mieter-Dilemma auflö- sen. Ein neues juristisches Gutachten zeigt: Auch in Deutschland kann eine Regu- 3 lierung implementiert werden, die auf Warmmieten basiert und so zielgerichtete Energieeffizienzanreize für beide – Mieter und Vermieter – schafft. Der Schlüssel zur Wärmewende im Mietsektor liegt in der Kombination von vier Ele- menten: stetig steigenden CO2-Preisen, Warmmieten, staatlicher Förderung und ver- pflichtenden Sanierungsfahrplänen. Steigende CO2-Preise erhöhen die Anreize zur 4 Sanierung. Warmmieten sorgen dafür, dass diese Anreize beim richtigen Adressaten landen. Staatliche Förderung schließt das verbleibende Kostendelta zwischen Wirt- schaftlichkeit und Zielniveau. Und verpflichtende Sanierungsfahrpläne sorgen da- für, dass jedes Haus spätestens bis 2050 klimaneutral wird. 2
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? INHALT 1 Energetische Sanierung auf dem deutschen Mietmarkt ..................................... 4 2 Das Drittelmodell: Weiterentwicklung und Neukalibrierung des aktuellen Systems ........... 7 3 Das Schweizer Modell: Ausrichtung der Umlage an der Wertsteigerung durch die Modernisierung ............................................................ 9 4 Umstellung des Mietmarkts auf Warmmieten ..........................................................11 5 Quo vadis? Handlungsoptionen für die deutsche Diskussion ......................................... 14 Literatur ................................................................................. 17 3
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 1 Energetische Sanierung auf dem zwei Aspekte: zum einen, inwiefern die Ansätze deutschen Mietmarkt die Mieter vor finanzieller Überforderung schützen können. Und zum anderen, inwiefern Der Mietmarkt in Deutschland basiert im Allge- diese Optionen die Attraktivität energetischer meinen auf Kaltmieten 1. Dies bedeutet, dass der Sanierungen für Vermieter erhöhen. Mieter die anfallenden Heizkosten trägt, was zum Vermieter-Mieter-Dilemma führt: Wäh- rend der Vermieter für die Kosten einer energe- Modernisierungsumlage tischen Sanierung aufkommt, profitiert zu- nächst nur der Mieter durch reduzierte Wenn ein Vermieter an einer Wohnung Moder- Heizkosten. Mieter hingegen können ihre Heiz- nisierungsmaßnahmen vornimmt, so kann er kosten nur durch eine Verbrauchsreduktion einen festen Prozentsatz der Investitionskosten beeinflussen, denn auf die Heizungsart und den auf die Jahresmiete umlegen. Im Januar 2019 ist Wärmebedarf der Wohnung haben sie keinen das Mietanpassungsgesetz (MietAnpG) in Kraft direkten Einfluss. getreten, welches diesen Prozentsatz von elf auf acht Prozent reduziert. Außerdem darf die Er- Um dennoch Anreize für Modernisierungen zu höhung der monatlichen Miete innerhalb von schaffen, hat der Gesetzgeber die Modernisie- sechs Jahren 2 EUR/m2 nicht überschreiten, rungsumlage eingeführt, die erlaubt, die Kosten wenn die Kaltmiete vor der Modernisierung einer Modernisierung durch eine anteilige Er- weniger als 7 EUR/m2 betrug. Darüber erhöht höhung der Kaltmiete auf den Mieter umzule- sich die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen gen. Im Fall eines Mieterwechsels, kann die hö- auf 3 EUR/m2. here Attraktivität der Wohnung auf dem Wohnungsmarkt sowie die Befreiung von der Im Anschluss an die Mieterhöhung kann der Mietpreisbremse im Falle einer Vollsanierung Vermieter die Miete so lange nicht mehr erhö- auf Neubauniveau ein Anreiz für Modernisie- hen, bis sie von der ortsüblichen Vergleichs- rungsmaßnahmen sein. miete eingeholt wurde. Deshalb gilt: Nur wenn die zusätzlichen Einnahmen durch die Moder- Wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Po- nisierung (im Vergleich zu einer schrittweisen tenziale für den Klimaschutz auf dem Mietwoh- Anhebung der Miete basierend auf der Ent- nungsmarkt zu heben, versagen diese Anreize wicklung der Vergleichsmiete) die Modernisie- aktuell. Denn ihre Wirkung ist nicht auf Klima- rungskosten übersteigen, ist die Investition schutz ausgerichtet. Darüber hinaus werden sie rentabel (siehe Abbildung 1). gerade in Märkten mit Wohnungsknappheit ausgehebelt. In diesem Impulspapier wollen wir deshalb auf- zeigen, welche Handlungsoptionen für den Mietmarkt existieren und diskutiert werden. Wir wollen erörtern, inwiefern diese Klima- schutz und Mieterschutz zusammenbringen können. Das Hauptaugenmerk legen wir auf 1 Ausnahmen gelten beispielsweise für Studentenwohnheime und Niedrigenergiehäuser 4
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? durch die Mieterhöhung. Vermieter, die ener- Abbildung 1: Zusammenhang zwischen den getisch sanieren möchten, haben durch die im Mehreinnahmen durch eine Modernisierung MietAnpG beschlossenen Anpassungen wiede- im Vergleich zur ortsüblichen Vergleichsmiete rum weniger finanziellen Spielraum. Miethöhe Modernisierungen in angespannten Mietmärk- ten und die Mietpreisbremse Miete nach Modernisierung Zusätzlich dazu, dass eine vorgenommene ener- Modernisierungsumlage getische Sanierung den Vermieter ermächtigt, die Kaltmiete über die Modernisierungsumlage anzuheben, erhöht sie auch die Attraktivität der Wohnung auf dem Markt. Theoretisch gibt es Mieter mit einer erhöhten Bereitschaft, für Wohnungen mit einer besseren energetischen Qualität mehr zu zahlen. Praktisch ist der Miet- Ausgangs- miete markt in vielen städtischen Gebieten kaum mehr in der Lage, hinsichtlich energetischer Zeit Qualität lenkend zu wirken. Denn Wohnungen sind dermaßen nachgefragt, dass viele Mieter es Quelle: Reutter und von Wangenheim, 2019 sich nicht erlauben können, auf den energeti- schen Zustand der Wohnung zu achten und diese bei hohem Heizbedarf nicht anzumieten. In Mietmärkten hingegen, auf denen wenig Hinsichtlich der Anreizwirkung für energeti- Druck lastet, sind potenzielle Mieter im Allge- sche Modernisierungen fehlt es der aktuellen meinen nicht bereit, viel für Wohnraum zu zah- Ausgestaltung an Treffsicherheit. Zum einen len. Die erhöhte Miete infolge einer Moderni- zielt sie nicht explizit auf Klimaschutz ab: Ver- sierung kann hier sogar abschreckend auf neue mieter können nicht nur Klimaschutzmaßnah- Mieter wirken. men auf die Miete umlegen, sondern beispiels- weise auch die Sanierung von Bädern oder das Die einzige Lenkungswirkung, die sich in die- Anbringen von Balkonen oder Fahrstühlen. sen Märkten durch die aktuelle Rechtslage Diese Maßnahmen stehen somit in direkter ergibt, ist unbeabsichtigt und kann zu sozial be- Konkurrenz zu energetischen Maßnahmen, da denklichen Entwicklungen führen: Das geltende sie den finanziellen Spielraum reduzieren. Im Recht sieht eine Vollmodernisierung auf Neu- Fall von energetischen Sanierungen richtet sich bauniveau als Möglichkeit vor, um die Miet- die Höhe der Modernisierungsumlage nicht preisbremse außer Kraft zu setzen und so die nach der Qualität der vorgenommenen Maß- Miete bei der Neuvermietung mehr als zehn nahmen, der durch sie eingesparten Energie- Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichs- mengen und -kosten, sondern lediglich nach miete anzusetzen. Ihre Anwendung hat einigen der Höhe der Investitionen. Somit gibt es keine Wohnungsunternehmen den Vorwurf einge- direkte Beziehung zwischen dem Betrag, den bracht, sie würden Modernisierungen gezielt der Mieter durch vermiedene Heizkosten ein- nutzen, um Mieter „herauszumodernisieren“, sparen kann, und der zusätzlichen Belastung um anschließend die Wohnung zu einer Miete 5
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? deutlich oberhalb der Vergleichsmiete auf dem reagieren. Für den Vermieter hingegen erhöht Markt anbieten zu können. Denn laut einer Stu- sich der Anreiz zu sanieren im besten Falle ge- die des ifeu Instituts erhöht eine korrekt vorge- ringfügig. Er profitiert nicht von niedrigeren nommene energetische Sanierungsmaßnahme Heizkosten, und Mieterhöhungen aufgrund von die Miete im Allgemeinen nur um 1,20 bis 2 Modernisierungsmaßnahmen sind nicht direkt EUR/m2 (ifeu, 2019). an CO2-Einsparungen oder an die Reduktion des Energieverbrauchs gekoppelt. In vielen Auch wegen dieser Entwicklung, hat sich in der Mietmärkten kann er seine Ausgangsposition öffentlichen Wahrnehmung teilweise das Bild im Werben um neue Mieter auch nicht merklich festgesetzt, dass Klimaschutz und bezahlbares verbessern, denn die Zahlungsbereitschaft für Bauen und Wohnen nicht vereinbar wären und energieeffiziente Wohnungen auf Mieterseite energetische Gebäudesanierungen gar zu sozia- ist gering (Kholodin und Michelsen, 2014). Die len Verwerfungen führten. Einführung einer CO2-Bepreisung kann daher die bestehenden Missstände auf dem Woh- Wie eine sozial verträgliche Wohnungspolitik nungsmarkt weiter verschärfen und droht, zu aussehen kann, wird weitreichend debattiert. In sozialen Verwerfungen zu führen (Agora Berlin hat dies dazu geführt, dass die Enteig- Verkehrswende und Agora Energiewende, nung großer Immobiliengesellschaften offen 2019). Wohl auch deshalb hat die Bundesregie- diskutiert wird und der Senat ein Landesgesetz rung sich darauf verständigt zu prüfen, inwie- verabschiedet hat, welches die Mieten für fünf fern es Vermietern gestattet sein soll, die ge- Jahre auf dem heutigen Stand einfriert. Die Ent- samten CO2-Kosten auf den Mieter umzulegen wicklung strahlt auch ins restliche Bundesge- (Bundesregierung, 2019). biet aus und schafft ein Klima, welches der Um- setzung von Sanierungsmaßnahmen Dabei geht es auch anders: In den folgenden Ka- unzuträglich ist. Der Klimaschutz droht darüber piteln vergleichen wir alternative Hand- ins Abseits zu geraten. lungsoptionen, die darauf abzielen, das beste- hende Dilemma auf dem Mietmarkt aufzulösen. Hierfür diskutieren wir Vorschläge von Ver- Einführung einer CO2-Bepreisung bänden und der Europäischen Kommission so- im aktuellen Mietmarkt wie zwei bestehende Regulierungsansätze aus anderen europäischen Staaten. Die von der Bundesregierung mit dem Klima- schutzpaket beschlossene Einführung eines CO2-Zertifikatehandels zielt darauf ab, die At- traktivität von klimafreundlichen Technologien im direkten Vergleich zu fossilen Alternativen zu erhöhen, indem man den CO2-Ausstoß be- preist. Abgesehen von dem bislang unambitio- nierten Fixpreis in den Jahren bis 2025, welcher das Investitionsverhalten kaum beeinflussen wird, versagt diese Logik auf dem Mietmarkt aktuell. Denn die CO2-Kosten würden lediglich die Nebenkosten für den Mieter erhöhen. Der Mieter hat jedoch keine adäquate Möglichkeit, etwa durch Sanierungsmaßnahmen, darauf zu 6
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 2 Das Drittelmodell: Weiterentwicklung der Staat die Differenz zwischen alter und und Neukalibrierung des aktuellen neuer Bruttowarmmiete übernehmen. Dies Systems schafft Investitionssicherheit für die Ver- mieter, während sozial schwachen Mietern Der vielleicht prominenteste Vorschlag, der ak- Warmmietenneutralität garantiert wird. tuell in der deutschen Diskussion kursiert, ist → Absenkung der Modernisierungsumlage das Drittelmodell, zuerst vorgeschlagen von auf 1,5 Prozent: Als die Modernisierungs- BUND, Mieterbund und dem Deutschen Natur- umlage eingeführt wurde, lag der Marktzins schutzring. Ein konkret ausgearbeiteter Vor- bei etwa 8 und nicht wie heute bei unter 1 schlag zur Kalibrierung wurde von (ifeu, 2019) Prozent. Die damalige Höhe der Modernisie- im Auftrag des BUND vorgelegt. rungsumlage von 11 Prozent entsprach somit einer Rendite von etwa 3 Prozent für den Die Bezeichnung als Drittelmodell soll zunächst Vermieter. Durch eine Absenkung der Mo- verdeutlichen, dass es drei Interessensparteien dernisierungsumlage auf 1,5 Prozent sowie gibt, unter denen die Kosten für energetische der oben genannten Anpassung, dass der Sanierungen aufgeteilt werden müssen: Dazu Vermieter Fördermittel nicht mehr auf die gehören selbstverständlich Mieter und Vermie- Miete anrechnen muss, soll der Vermieter ter als direkt Betroffene, aber eben auch der das gleiche Renditenniveau für Modernisie- Staat. Denn Klimaschutz ist eine Gesellschafts- rungsmaßnahmen erreichen wie bei der aufgabe und die Allgemeinheit hat ein Interesse Einführung der Umlage (ifeu, 2019). daran, die Emissionen im Gebäudesektor mög- lichst schnell und effektiv zu senken. Diese drei Maßnahmen sollen zum einen garan- tieren, dass energetische Sanierungen nur in Das Drittelmodell propagiert nicht die paritäti- einem sozial verträglichen Rahmen ablaufen sche Aufteilung der Kosten auf die drei Par- können: Tabelle 1 zeigt die Mietveränderungen teien, sondern vielmehr eine Anpassung und im Falle einer energetischen Modernisierung. Neujustierung des aktuellen regulatorischen Im Modernisierungsfall würde sich die Warm- Rahmens, der diese drei Parteien in die Pflicht miete demnach nicht erhöhen. Gleichzeitig re- nimmt. Ganz konkret setzt sich diese Neujus- duzieren die Maßnahmen das Risiko für Ver- tierung aus den folgenden drei Kernpunkten mieter, denn Härtefallregelungen führen nicht zusammen: mehr zu einer Reduzierung der Rendite, da der Staat einspringt. Die Anpassung der Fördermit- → Zielgerichtete Fördermaßnahmen: Nur kli- tel führt darüber hinaus dazu, dass nur klima- mazielkonforme Sanierungen sollen geför- zielkonforme Maßnahmen gefördert werden. dert werden. Dies würde bedeuten, dass die Förderung für die Effizienzhäuser mit den Da das Drittelmodell die bestehenden Rahmen- Standards 85 bis 115 gestrichen wird, wäh- bedingungen an die aktuelle Zinslage anpasst, rend sich in gleichem Maße die Förderung besteht allerdings auch die Gefahr, dass eine der Effizienzhäuser 55 und 70 erhöht. Au- Leitzinsänderung wieder zu einer suboptimalen ßerdem soll der Vermieter die Förderung in Systemkalibrierung führt. Zukunft nicht mehr auf die Mieterhöhung anrechnen müssen. → Abfangen von Härtefällen: Um die Attrakti- vität von Sanierungen auch in den Fällen zu steigern, in denen ein Härtefall vorliegt, soll 7
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Tabelle 1: Miete vor und nach der Modernisierung, beispielhaft berechnet für verschiedene Miet- marktarchetypen im aktuellen System sowie nach der Anpassung Bestehende Instrumente Angepasste Instrumente vor nach vor nach Modernisierung Modernisierung Modernisierung Modernisierung wachsender 7,21 EUR/m 2 7,71 EUR/m 2 7,21 EUR/m 2 7,15 EUR/m 2 Markt konstant wohlhabender 8,33 EUR/m 2 8,48 EUR/m 2 8,33 EUR/m 2 8,33 EUR/m 2 Markt schrumpfender 5,27 EUR/m 2 5,25 EUR/m 2 5,27 EUR/m 2 5,19 EUR/m 2 Markt Quelle: ifeu, 2019 8
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 3 Das Schweizer Modell: Ausrichtung Berücksichtigung des hypothekarischen Refe- der Umlage an der Wertsteigerung renzzinses 2. Zusätzlich darf der Vermieter eine durch die Modernisierung Unterhaltspauschale aufschlagen, welche mög- liche Wartungs- und Reparaturkosten abde- Auch in der Schweiz darf der Vermieter die cken soll (Kägi u. a., 2015). Außerdem gibt es Miete im Fall einer Modernisierung erhöhen. eine CO2-Abgabe auf Heizstoffe, deren soziale Der maximal zulässige Betrag ergibt sich in be- Auswirkungen über eine pauschale Rückver- stehenden Mietverhältnissen daraus, wie sehr teilung abgefedert wird. der Wert der Wohnung durch die Maßnahme steigt. Werterhaltende Maßnahmen dürfen Im Gegensatz zu Deutschland sind Mieterhö- nicht angerechnet werden. Um den Mehrwert hungen in der Schweiz deutlich weniger ab- einer Maßnahme zu bestimmen, kann der Ver- hängig von den ortsüblichen Vergleichsmieten. mieter auf detaillierte Auflistungen zurückgrei- Zwar gibt es die Möglichkeit, die Miete anzuhe- fen, die auf vergangenen Rechtsurteilen basie- ben, indem man auf die Mietpreise vergleichba- ren (bspw. Schweizerischer MV, 2005). rer Wohnungen und örtlicher Nähe verweist. Der Vermieter ist hier jedoch in der Beweis- Beispielhafte Werte sind in Tabelle 2 angegeben. pflicht. Darüber hinaus hat die Schweiz die Der Mietaufschlag ergibt sich aus der Annuität Höhe der Miete daran gekoppelt, dass keine des Mehrwerts über die Lebensdauer unter der übermäßigen Renditen erzielt werden, was der Tabelle 2: Mehrwert und Lebensdauer beispielhafter Modernisierungsmaßnahmen Bauteil alt Bauteil neu Lebensdauer Mehrwert (Jahre) Heizungsanlage Heizung alte Heizungsanlage 20 10 % neuster Stand Sonnenkollektoren nicht vorhanden 20 100 % (Warmwasser) kontrollierte Lüftung nicht vorhanden 20 100 % Wohnungslüftung nicht gedämmte Fassade, Kompaktdämmung Fassade 25–30 55–60 % renovierungsbedürftig (Isolation) Quelle: Auszug aus Erb, 2012 2 Der Vermieter darf die Hälfte des hypothekarischen Referenz- Der hypothekarische Referenzzinssatz basiert auf dem durch- zinssatzes inklusive Risikoaufschlag von 0,5 Prozent ansetzen. schnittlichen Zinssatz, der von Banken für Hypotheken angesetzt wird. 9
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Vermieter im Klagefall auch nachweisen muss (Schweizer MV, o. J.). Faktoren wie Inflation und steigende Betriebskosten sind wesentlich häu- figer die Treiber für Mietsteigerungen (Schweizer MV, 2008). Im Endeffekt hat der Vermieter in der Schweiz eine viel stärkere Garantie, dass seine Investi- tion sich rentiert. Im Gegensatz zur Situation des deutschen Vermieters friert die moderni- sierungsbedingte Mietsteigerung in der Schweiz nicht die Miete ein, bis sie von einer lokalen Vergleichsmiete eingeholt wird. Der Vermieter kann die Miete weiterhin steigern, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind. Da diese Faktoren im Allgemeinen nicht von der Modernisierung beeinflusst werden, ergibt sich auch kein zusätzliches Risiko. Wei- terhin ist die Mietsteigerung direkt an den Nut- zen der Modernisierung gekoppelt. Der Um- stand, dass der Vermieter im Streitfall seinen Ertrag offenlegen muss, fungiert in der Schweiz als zusätzliches Instrument gegen ungerecht- fertigte Mieterhöhungen. Im Großen und Ganzen ist der gesetzliche Rah- men für energetische Modernisierungsmaß- nahmen in der Schweiz deutlich verlässlicher und sichert dem Vermieter eine auskömmliche Rendite für sinnvolle Investitionen zu. Gleich- zeitig schützen diese Regelungen auch die Mie- ter, da sie wenig Spielraum für Missbrauch bie- ten und ein wirkungsvoller Kontrollmechanismus vorhanden ist. 10
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 4 Umstellung des Mietmarkts Der schwedische Warmmietenmarkt ist in Eu- auf Warmmieten ropa einzigartig. Der Vermieter übernimmt im Allgemeinen die Heiz- und Warmwasserkosten, Der schwedische Warmmietenmarkt welche durch die vertraglich vereinbarte Miete gedeckt sind (NEEAP Schweden, 2017). Die An- In den Jahren seit 2000 war Schweden sehr er- reize im schwedischen Mietmarkt lösen einen folgreich darin, die CO2-Emissionen im Gebäu- Großteil des Vermieter-Mieter-Dilemmas: desektor zu senken. Bei den privaten Haushal- Wenn der Vermieter die Wohnung saniert, dann ten sanken die Emissionen in diesem Zeitraum kommt der Nutzen ihm selbst in Form von ge- um 95 Prozent und im Gewerbe-, Handels- und sparten Heizkosten zugute. Auf der anderen Dienstleistungssektor (GHD) um 70 Prozent, wie Seite werden Sanierungsmaßnahmen, die den Abbildung 2 illustriert. Schweden zeigt, dass Energieverbrauch senken, nicht zum Anlass für ambitionierter Klimaschutz im Gebäudebereich Mieterhöhungen genommen (SIR, 2016). Dies sozial verträglich möglich ist, wenn die Anreize setzt einen starken Anreiz, wirtschaftliche Mo- zielgerecht gesetzt werden. dernisierungsmaßnahmen umzusetzen, ohne Die Ausgangslage für energetische Sanierung in den Mieter zusätzlich zu belasten. Schweden unterscheidet sich zu der in Deutschland in zwei Kernpunkten: Die Wirtschaftlichkeit wird verstärkt durch die CO2-Steuer, die deutlich über den Beträgen → Der Mietmarkt basiert auf Warmmieten. liegt, welche in Deutschland als Fixpreis für den → Es existiert eine CO2-Steuer, die aktuell 114 Zertifikatehandel bis 2025 vorgesehen sind. Euro pro Tonne C02 beträgt (Government Dadurch, dass der Vermieter nicht nur seine Offices of Sweden, 2019). Brennstoffkosten, sondern auch seine CO2- Abbildung 2: Entwicklung der CO2-Emissionen im schwedischen Gebäudesektor 2000–2015 4,0 3,5 CO2-Emissionen [Mio t] 3,0 -70 % 2,5 2,0 1,5 -95% 1,0 0,5 0,0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Haushalte GHD Quelle: Agora Energiewende basierend auf EU Kommission, 2018b 11
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Steuerzahlungen reduzieren kann, ergibt sich Laut EED sind die Mitgliedsstaaten angehalten eine zielgerichtete Anreizstruktur: Durch eine dies umzusetzen, soweit „technisch machbar, verbesserte Dämmung kann er Heizkosten ge- finanziell vertretbar und im Vergleich zu den nerell einsparen. Setzt er auf CO2-freie Techno- potenziellen Energieeinsparungen angemessen“ logien, so vermeidet er zusätzlich hohe Steuer- (EU Kommission, 2018a). Da der schwedische zahlungen. Da die Steuer weiter steigt, sind Mietmarkt schon immer auf Warmmieten ba- auch Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll, deren siert hat, konnte eine Umstellung auf eine indi- Kosten heute noch nicht komplett durch die viduelle Verbrauchsabrechnung bisher mit ei- Brennstoffkosten- und Steuerersparnisse ge- nem Hinweis auf Mehrkosten vermieden deckt sind. werden (Linder und Eliasson, 2016). Eine Neu- einführung in Deutschland würde somit eine Gleichzeitig kann es einen gegenläufigen Effekt Anpassung der EED voraussetzen. dadurch geben, dass die Mieter monatlich le- diglich Pauschalbeträge für das Heizen bezah- len. Diese orientieren sich nicht daran, wie viel Warmmieten mit Temperaturfeedback sie geheizt haben. Grundsätzlich entfällt somit der Anreiz, sparsam zu sein. Während es in Ein weiterer Ansatz versucht, beide Anreize zu Einzelfällen zu verschwenderischem Verhalten kombinieren, sodass der Vermieter von einer kommen mag (wie Heizen bei offenem Fenster), Sanierung profitiert, während der Mieter bedeutet dies in der Praxis vermutlich, dass die gleichzeitig die Möglichkeit hat, seine Heizkos- allermeisten Mieter auf Komfortniveau heizen. ten durch sparsames Heizen weiter zu reduzie- Die beiden Faktoren müssen gegeneinander ab- ren. Ein solches Konzept wurde von der Ge- gewogen werden: Auf der einen Seite liegt das meinsamen Forschungsstelle der Europäischen Potenzial für den Klimaschutz darin, dass Ver- Kommission diskutiert: Vermieter und Mieter mieter vermehrt ihre Immobilien sanieren. Dies einigen sich vertraglich beispielsweise auf eine muss der potenziellen Einsparung durch gemä- Raumtemperatur, die während der Wintermo- ßigteres Heizen gegenübergestellt werden. In nate garantiert wird. Entscheidet sich der Mie- Anbetracht der großen CO2-Einsparungen, die ter, über diese Temperatur hinaus zu heizen, so Schweden im Gebäudebereich erzielt hat (Ab- bezahlt er die zusätzlichen Heizkosten. Ver- bildung 2), scheint es auf den ersten Blick deut- braucht er weniger, so bekommt er die einge- lich effektiver zu sein, stimmige Anreize für den sparten Kosten vom Vermieter erstattet (JRC, Vermieter zu schaffen. 2017). Der Warmwasserverbrauch könnte hin- gegen individuell abgerechnet werden, wie dies Allerdings zeigt eine juristische Kurzeinschät- auch schon heute der Fall in Deutschland ist. zung im Auftrag von Agora Energiewende, dass eine reine Umstellung des Mietmarkts auf Der Unterschied zur heutigen Verbrauchsab- Warmmieten in Deutschland mit geltendem rechnung liegt darin, dass dem Vermieter meh- EU-Recht nicht vereinbar wäre: Ein Rechtsgut- rere Optionen offenstehen, wie er die Wohnung achten von Becker Büttner Held kommt zu die- auf Temperatur bringen kann. Wenn es sich ser Schlussfolgerung, da eine reine Umstellung rentiert, kann er durch eine energetische Sanie- auf Warmmieten die Regularien zur individuel- rung Heizkosten einsparen. Da die Warmmiete len Verbrauchserfassung nicht erfüllt, die in der die gleiche bleibt, während die Heizkosten sin- Energieeffizienz-Richtlinie (EED) vorgesehen ken, erhöht sich die Marge des Vermieters, ohne sind (Becker Büttner Held, 2020). dass der Mieter höhere Mietkosten zu tragen 12
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? hat. Gleichzeitig bleibt der Anreiz für den Mie- ter, sparsamer zu heizen, da er dann einen Teil der entrichteten Miete am Jahresende zurück- erhalten würde. Laut (Becker Büttner Held, 2020) ist so ein Mo- dell auch im Sinne der EED, die Maßnahmen zur Auflösung des Mieter-Vermieter Dilemmas ex- plizit fordert. Um eine Vereinbarkeit mit der EED zu gewährleisten, müsste bei der Ausge- staltung jedoch darauf geachtet werden, dass die realen Verbräuche erfasst werden und die Grundlage der Heizkostenabrechnung bilden (Becker Büttner Held, 2020). Dies könnte dadurch erfolgen, dass man die Verbräuche mit bestimmten Innentemperaturen abgleicht und die Zahlungen dementsprechend koppelt. Da die EED gewisse Freiräume lässt, wie die Heizkos- ten berechnet werden (Becker Büttner Held, 2020), kann eine Temperaturbestimmung über den Verbrauch sowie eine Anpassung der Ver- bräuche im Sanierungsfall eine EED-konforme Ausgestaltung darstellen. Der Mieter zahlt in diesem Fall für eine bestimmte Referenztempe- ratur in seiner Wohnung, die unter „normalem“ Heizverhalten erreicht wird. Da der Abgleich über diese Verbräuche erfolgt, ist auch der Ver- mieter davor geschützt, dass beispielsweise die Innenraumtemperatur durch offene Fenster ge- senkt wird. 13
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? 5 Quo vadis? Handlungsoptionen für ließe. Denn der Spielraum, um mit dem Moder- die deutsche Diskussion nisieren von Mietwohnungen Rendite zu er- wirtschaften, wird im Vergleich zum bestehen- Die Sanierungsanreize im deutschen Mietmarkt den Rechtsrahmen reduziert. sind gegenwärtig nicht auf das Erreichen der Klimaziele ausgerichtet, da sie weder auf Ener- Ein Nachteil bleibt, dass die Umlage nicht an das gieeinsparung noch auf Emissionsreduktion ab- Zinsniveau gekoppelt ist, sodass eine Leitzins- zielen, sondern einzig die Modernisierungskos- änderung eine Anpassung der Rahmenbedin- ten in Betracht ziehen. Der CO2- gungen erfordern würde. Mit Blick darauf, dass Zertifikatehandel wird daran nicht viel ändern, die Höhe der Modernisierungsumlage seit ihrer da die anfallenden Kosten wahrscheinlich primär Einführung 1974 im Jahre 2019 zum ersten Mal den Mieter belasten und der Vermieter von einer angepasst wurde, kann bezweifelt werden, ob Reduktion der Heizkosten nicht direkt profitiert. eine Anpassung in Zukunft regelmäßig erfolgen Die angespannte Situation auf den Mietmärkten wird. Hier könnte man sich am Schweizer Mo- schmälert die Attraktivität effektiven Klima- dell orientieren, welches die Mieterhöhung an schutzes weiter. Eine Neuausrichtung der Rah- einen Referenzzins 3 koppelt. menbedingen und Anreize für den Mietmarkt ist somit notwendig, um Klimaschutz und Sozial- Auch anderweitig könnte das Schweizer Modell verträglichkeit zu vereinen (siehe Tabelle 3). ein Ansatz sein, das aktuelle System sinnvoll weiterzuentwickeln: Die direkte Bindung an die Das Drittelmodell ist in der Lage, die Situation Wertsteigerung des Objekts ist ein nachvoll- auf dem deutschen Mietmarkt zu entschärfen ziehbares Kriterium, welches auf dem Nutzen und gleichzeitig die Investitionssicherheit für der Modernisierung basiert, anstatt auf reinen Vermieter zu erhöhen. Der Mieter hingegen Investitionskosten, wie es gegenwärtig in wird durch das Absenken der Modernisie- Deutschland der Fall ist. Der Vermieter hat eine rungsumlage besser vor hohen Mietaufschlägen höhere Investitionssicherheit, da ihm eine aus- geschützt, hat aber keine direkte Rückversiche- kömmliche Rendite zugesichert wird und zu- rung, dass er tatsächlich Heizkosten spart, denn künftige Mieterhöhungen nicht von der Mo- die Umlage bleibt entkoppelt von einer Redu- dernisierung gefährdet werden. zierung des Energieverbrauchs oder der CO2- Emissionen. Die Mietaufschläge direkt an der Wertsteige- rung auszurichten, ist andererseits zunächst Es ist allerdings nicht klar, ob dadurch mehr Sa- mit großem Mehraufwand verbunden. In der nierungen auf dem Mietmarkt erfolgen. Sollte Schweiz existiert das System bereits seit Län- die aktuell niedrige Sanierungsrate eine Folge gerem, und es gibt eine Vielzahl von Gerichts- des Risikos sein, dass Mieter Härtefälle geltend urteilen, die einem Vermieter eine recht solide machen und der Vermieter insofern die Sanie- Bemessungsgrundlage dafür geben, welchen rungskosten nicht umlegen kann, so könnte das Maßnahmen wie viel Wert zugeschrieben wer- Drittelmodell einen Beitrag dazu leisten, die Sa- den kann. nierungsrate zu steigern. Sind energetische Sa- nierungen für Vermieter aktuell finanziell nicht Gleichzeitig hat der Vermieter im Schweizer attraktiv genug, so ist fraglich, ob sich deren Modell immer noch keinen direkten Gewinn Attraktivität durch das Drittelmodell steigern von eingesparter Energie und eingesparten 3 Hypothekarischer Referenzzins, siehe Kapitel 3 14
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Emissionen, sondern nur indirekt über die Er- Deutlich weiter würde eine Umstellung des höhung der Miete. Diese Erhöhung ist nicht an Mietmarkts auf Warmmieten gehen. Kombi- energetische Maßnahmen gekoppelt, sondern niert mit wirkungsvollen CO2-Preisen, staatli- kann auch wegen anderer wertsteigernder cher Förderung und verpflichtenden Sanie- Maßnahmen angesetzt werden. Darüber hinaus rungsfahrplänen kann dies ein gelten im Schweizer Mietmarkt sehr weitrei- vielversprechender Schritt zur Erreichung der chende Regeln, wie viel Gewinn mit Mietwoh- Klimaziele im Gebäudesektor sein. Da in diesem nungen überhaupt erzielt werden darf. Dies ist Fall der Vermieter von den eingesparten Heiz- auch der Sozialverträglichkeit und der Transpa- kosten profitiert, entsteht ein starker Anreiz, renz zuträglich, da der Vermieter im Streitfall sämtliche wirtschaftlichen Potenziale auszu- vor Gericht seine Wirtschaftlichkeitsrechnung schöpfen. Perspektivisch ansteigende CO2- offenlegen muss. Preise verstärken diesen Effekt weiter und sor- Tabelle 3: Vergleich der verschiedenen Mietrechtsmodelle Warmmieten Aktuelle Schwedi- Drittel- Schweizer mit deutsche scher Warm- modell Modell Verbrauchs- Rechtslage mietenmarkt Feedback Klimaschutz- anreiz für - - ±* + + Vermieter Klimaschutz- anreiz für + + + - + Mieter Warmmieten- neutral - ± - + + Investitions- - + + ±** ±** sicherheit Robust gegen wechselnde - -*** +**** + + Zinspolitik vereinbar mit + + + - + Europarecht * Energie- und CO2-Einsparungen können indirekt in den Mehrwert einfließen, der der Maßnahme zugeschrieben wird. ** Die Aussicht auf steigende Heizkosten, beispielsweise durch eine langfristig ansteigende CO2-Steuer, erhöht die Investitionssicherheit. Ohne dieses Element hängt die Entscheidung davon ab, wie der Vermieter die langfristige Entwicklung der Brennstoffkosten einschätzt. *** Das Drittelmodell passt die Modernisierungsumlage an das aktuelle Zinsniveau an, ohne eine Rückkopplung. Veränderungen im Zinsni- veau könnten demnach wieder zu Schieflagen führen. **** Das Schweizer Modell ist an den hypothekarischen Referenzzins gekoppelt ist, der Schwankungen im Zinsniveau reflektiert. 15
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? gen dafür, dass Investitionen sinnvoll darge- zukommen, haben diese einen ansteigenden stellt werden können, die vor dem Hintergrund Anreiz, ambitionierte energetische Maß- der aktuellen Kostensituation noch nicht kom- nahmen durchzuführen. plett gedeckt sind. Auch wenn der grundsätzli- 3. Ein Kostendelta zwischen dem, was wirt- che Anreiz des Mieters wegfällt, sparsam zu schaftlich ist, und dem Zielniveau wird heizen, scheint dieser Effekt die erhöhte An- dennoch auf absehbare Zeit bestehen blei- reizwirkung beim Vermieter nicht annähernd ben. Wegen der langen Investitionszyklen zu kompensieren. Die in Schweden erzielten im Gebäudebereich, sollte dennoch direkt CO2-Einsparungen im Gebäudesektor sprechen auf Zielniveau saniert werden. Die Diffe- diesbezüglich für sich. Allerdings ist die Ein- renzkosten, die von Wohnungswirtschaft führung eines reinen Warmmietenmarkts nicht und Mieterbund auf 14 bis 25 Milliarden mit geltenden EU-Richtlinien zur individuellen Euro jährlich geschätzt werden (DMB et al., Verbrauchsabrechnung vereinbar (Becker 2019), müssen durch eine attraktive staat- Büttner Held, 2020). liche Förderung ausgeglichen werden, denn Klimaschutz ist im gesamtgesellschaftlichen Um die effizienten Sanierungsanreize eines Interesse. Warmmietensystems in Deutschland zu schaf- 4. Das letzte Element sind verpflichtende, in- fen, schlagen wir die Einführung von Warm- dividuelle Sanierungsfahrpläne für jedes mieten mit Temperaturfeedback vor. Zum einen Gebäude (ifeu et al., 2018). Nicht nur kommt integriert diese Regelung den Klimaschutzan- die Möglichkeit, schrittweise zu sanieren, reiz für den Mieter in ein Warmmietensystem. kleineren Gebäudebesitzern entgegen, denn Zum anderen wäre eine Ausgestaltung, die die die zeitliche Streuung der Maßnahmen ist Anforderungen an die individuelle Ver- weniger kapitalintensiv als eine Komplett- brauchserfassung und -abrechnung erfüllt, sanierung. Dadurch, dass für jedes Gebäude auch mit dem Europäischen Rechtsrahmen ver- ein verpflichtendes Gesamtkonzept erstellt einbar (Becker Büttner Held, 2020). wird, dessen CO2-Emissionen stückweise auf null zu senken, stellen wir sicher, dass das Ziel Klimaneutralität im Gebäudebe- Warmmieten im Vierklang der Wärmewende stand bis spätestens 2050 erreicht wird. 1. Warmmieten sorgen dafür, dass die wirt- schaftlichen Potenziale im Mietmarkt geho- ben werden, indem sie die Kosten-Nutzen- Rechnung der Vermieter der von Eigen- heimbesitzern angleicht. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen sie von weiteren Maß- nahmen flankiert werden, denn das Zielni- veau ist aktuell nicht wirtschaftlich. 2. Die Kombination mit einer ansteigenden CO2-Bepreisung, beispielsweise durch die Verknappung von Emissionszertifikaten, sorgt dafür, dass nach und nach mehr ener- getische Maßnahmen wirtschaftlich wer- den. Da durch Warmmieten die Kostener- sparnisse direkt den Vermietern 16
Agora Energiewende | Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut? Literatur Agora Verkehrswende, Agora Energiewende Kägi, W., Giaquinto, K., Gassmann, F., (2019): Klimaschutz auf Kurs bringen Impressum Dellenbach, S., Graf, P. (2015): Energetische Sanierung – Auswirkungen auf Mietzinsen Becker Büttner Held (2020): Vereinbarkeit des „Referenztermperatur-Modells“ mit den Kholodin, K., Michelsen, C. (2014): The market Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie (EED). value of energy efficiency in buildings and the Im Auftrag von Agora Energiewende mode of tenure Bundesregierung (2019): Eckpunkte für das Linder, K., Eliasson, M. (2016): Ensure energy Klimaschutzprogramm 2030, S. 1–23 directives lead to real and effective energy savings DMB et al. (2019): Abschätzung des NEEAP Schweden (2017): Sweden’s Fourth Zuschussbedarfs zur Erreichung des Klimaziels National Energy Efficiency Action Plan, S. 202 2030 für Wohngebäude, speziell für vermietete Wohnungen bei warmmietenneutraler Reutter, L., von Wangenheim, G. (2019): Mieterhöhung nach Subsidies for Landlords = Higher Rents for Modernisierungsmaßnahmen, S. 6–8 Tenants 2015, S. 1–21 EU-Kommission (2018a): Energy Efficiency Schweizer MV (2008): Mietzinserhöhung : Die Directive 2018, S. 210–230 einzelnen Begründungen. S. 1–9 EU-Kommission (2018b): JRC-IDEES – Schweizer MV (o. J.): Orts- und Integrated Database of the European Energy Quartierüblichkeit. System (2000–2015) https://www.mieterverband.ch/mv/mietrecht- beratung/ratgeber- Government Offices of Sweden (2019): mietrecht/glossar.html#Orts- Sweden’s carbon tax. +und+Quartierueblichkeit https://www.government.se/government- policy/taxes-and-tariffs/swedens-carbon- Schweizerischer MV (2005): Paritätische tax/ (zugegriffen 07.02.19) Lebensdauer-Tabelle: Bewertung von Einrichtungen in Wohn- und Geschäftsräumen. ifeu (2019): Sozialer Klimaschutz in Mietrechtspraxis/mp, Verlag Mietwohnungen SIR (2016): Gutachten zum Recht der ifeu et al. (2018): Wert der Effizienz im energetischen Sanierung und zu Gebäudesektor in Zeiten der Sektorenkopplung. Wertvermehrenden Verbesserungen im Studie im Auftrag von Agora Energiewende Mietrecht in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden, Spanien und im JRC (2017): Overcoming the split incentive Vereinigten Königreich (England) barrier in the building sector : Unlocking the energy efficiency potential in the rental & multifamily sectors. https://doi.org/10.2790/912494 17
190/06-I-2020/DE Wie gelingt uns die Energiewende? Welche konkreten Gesetze, Vorgaben und Maßnah- men sind notwendig, um die Energiewende zum Erfolg zu führen? Agora Energiewende will den Boden bereiten, damit Deutschland in den kommenden Jahren die Weichen richtig stellt. Wir verstehen uns als Denk- und Politiklabor, in dessen Mittelpunkt der Dia- log mit den relevanten energiepolitischen Akteuren steht. Unter diesem QR-Code steht diese Publikation als PDF zum Download zur Verfügung. Agora Energiewende Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin T +49 (0)30 700 14 35-000 F +49 (0)30 700 14 35-129 www.agora-energiewende.de info@agora-energiewende.de Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
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