Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub - Münsteraner Vereine in der Pandemie
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> Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub Münsteraner Vereine in der Pandemie
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 2 1. Münsters Zivilgesellschaft in der Corona-Pandemie 2 1.1 Zum Stand der Forschung 3 1.2 Bildung und Kultur im Fokus 5 2. Methode 6 2.1 Vorgehen: Stichprobenziehung und Interviews 6 2.2 Sample: Welche Vereine wurden untersucht? 7 2.3 Methodendiskussion 9 3. Ergebnisse 9 3.1 Auswirkungen der Pandemie auf die Vereinsarbeit 10 3.2 Auswirkungen der Pandemie auf die Finanzierung von Vereinen 13 3.3 Positionen der Vereinsvorstände 16 4. Fazit und Handlungsempfehlungen 19 4.1 Handlungsempfehlungen für die Kommunalpolitik 19 4.2 Handlungsempfehlungen für Vereine in Münster 20 Literatur 21
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 2 Zusammenfassung Die Studie präsentiert die Ergebnisse einer qualitativen, nicht-repräsentativen Inter- viewerhebung mit 39 Münsteraner Vereinen aus den Tätigkeitsfeldern Bildung und Kultur, die im Juni 2021 von Studierenden des Instituts für Politikwissenschaft ge- führt wurden. Ein Teil der untersuchten Vereine ist in eine Corona-Starre gefallen. Diese Vereine mussten ihre Angebote im Lockdown fast vollständig einstellen. Dies betrifft vor al- lem Vereine in der Kulturlandschaft. In einer anderen Gruppe haben die Corona-Einschränkungen einen Digitalisierungs- schub ausgelöst: Insbesondere Bildungsvereine haben sich bemüht, ihre Angebote auf den Online-Betrieb umzustellen. Die Auswirkungen der Pandemie betreffen die befragten Vereine sehr verschieden: Vereine, die ausschließlich durch ehrenamtliches Engagement getragen werden, sind von der Krise weitaus weniger betroffen als Vereine, die hauptamtliches Perso- nal beschäftigen oder andere Fixkosten haben. Die Mitgliederzahlen der befragten Vereine sind in der Pandemie weitgehend stabil geblieben und damit auch die wichtigen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. Es gab kaum Austritte, allerdings auch kaum Neueintritte. Die Einnahmen aus Spenden sind in den meisten Vereinen gleichgeblieben, in man- chen sogar gestiegen. Vereine mit Fixkosten haben davon profitiert, dass die öffentliche Förderung auch ohne Erbringung von Leistungen aufrechtgehalten wurde. Nur zwei der 39 befragten Vorstände sehen ihre Vereine in einer existentiellen Not- lage, die große Mehrheit sieht sich glimpflich aus der Krise kommen. Die Vereine unterstützen die meisten Maßnahmen der Politik zur Pandemiebekämp- fung und es besteht im Großteil der befragten Vereine Optimismus, dass eine Rück- kehr zur Vereinsarbeit wie vor der Krise möglich sein wird. Errungenschaften der Digitalisierung wie hybride Vorstandssitzungen wollen die Vereine auch nach der Pandemie weiter nutzen. Es besteht unter den befragten Ver- einen allerdings weitreichende Einigkeit, dass das Vereinsleben vom sozialen Aus- tausch der Mitglieder in Präsenz lebt. Alle befragten Vereine sehnen sich nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen. 1. Münsters Zivilgesellschaft in der Corona-Pandemie Ende März 2020 wurde in Deutschland das erste Mal ein Lockdown verhängt. Seitdem be- findet sich das Land in einer pandemischen Lage und die Krise ist auch ein gutes Jahr spä- ter noch lange nicht beendet, wenngleich sich durch Impffortschritte und Teststrategien mittlerweile eine Besserung der Situation abzeichnet. Die Auswirkungen auf das öffentli- che Leben und die Zivilgesellschaft sind jedoch nach wie vor gravierend und in ihrer gan- zen Tragweite noch nicht abzusehen.
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 3 Zunächst belegt die Pandemie eindrucksvoll, wie wertvoll eine vitale Zivilgesellschaft für die Bewältigung von Ausnahmesituationen in Demokratien ist. Bürgerinnen und Bürger organisierten Einkaufshilfen für Menschen in Quarantäne, richteten Sorgentelefone ein, solidarisierten sich mit den Schwachen und Hilfsbedürftigen und offenbarten einmal mehr ihr immenses Innovationspotential. Wie bereits in der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 schlug hierzulande mit der Corona-Pandemie zweifellos eine Sternstunde der Zivilgesell- schaft (Grande/Hutter 2020). Zugleich wird aber auch offenkundig, dass die weitreichenden Restriktionen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Zivilgesellschaft verheerende Schäden anrichteten. Veranstaltungen aller Art konnten nicht mehr stattfinden, bürgerschaftliches Engagement wurde vielerorts stark reduziert. Zahlreiche Vereine, Projekte und Initiativen befürchteten existentielle Nöte und angesichts der vom Corona-Virus ausgehenden Gefahr schränkte der Staat zeitweise elementare Grundrechte wie die Demonstrations- und Vereinigungs- freiheit in ihrem Wesenskern ein. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens, das für die Eindämmung der Virusausbreitung zwingend erforderlich ist, führt drastisch vor Augen, dass der Zugang zum öffentlichen Raum und das Leben in Gemeinschaft für das Engage- ment der Menschen unverzichtbar sind. Ohne öffentliches Zusammenkommen ist Zivilge- sellschaft dauerhaft nicht denkbar. Aber wie gravierend sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die lokale Zivilge- sellschaft in Münster wirklich? Wie sehr sind Vereine in den Tätigkeitsfeldern Bildung und Kultur seit Beginn der Pandemie durch den gesellschaftlichen Lockdown in ihrer Arbeit eingeschränkt und möglicherweise in existenzielle Gefahr geraten? Und welche Forderun- gen und Wünsche formulieren Repräsentantinnen und Repräsentanten der lokalen Zivil- gesellschaft in Münster an die Politik? Diesen Fragen ging ein forschungspraktisches Seminar im Sommersemester 2021 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster nach. Unter Leitung von PD Dr. Matthias Freise und Jana Priemer entwickelten die Studierenden Sina-Luisa Brandt, Julia Bücker, Fabian Christmann, Sophie-Marie Epstein, Johannes Ewers, María Del Carmen Flo- res Domínguez, Julia Frech, Lukas Holin, Katharina Inger, Justin Kleier, Anna Maria Lien- kamp, Doreen Müller, Clemens Niclasen, Annemarie Paul, Simon Peletz, Leon Schwandt, Julia Reisch, Dana Terhaag und Fabienne Toholt ein Forschungsdesign und befragten 39 Münsteraner Vereine aus dem Kultur- und Bildungsbereich nach ihren Erfahrungen in der Corona-Pandemie. Ziel der Studie war es, zunächst zu erfassen, ob und ggf. inwieweit Vereine Schaden genommen haben. Darüber hinaus stellte sich das Seminar die Aufgabe, Handlungsempfehlungen für zivilgesellschaftliche Organisationen und die Politik zu for- mulieren. 1.1 Zum Stand der Forschung Die Auswirkungen der Pandemie auf die Zivilgesellschaft in Deutschland waren in den vergangenen Monaten Gegenstand einiger Studien. Die umfangreichste Datensammlung wurde von dem Berliner Think Tank Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) zusammengetragen.
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 4 ZiviZ befragt in seinem Engagement-Barometer alle drei Monate Führungskräfte von Ver- bänden, Infrastruktureinrichtungen der Zivilgesellschaft und ausgewählten großen Verei- nen und reichert die Analyse um Ergebnisse einer qualitativen Fragebogenerhebung an.1 Im Policy-Paper aus dem Mai dieses Jahres werden zentrale Ergebnisse präsentiert. ZiviZ stellt fest, dass vor allem solche zivilgesellschaftlichen Organisationen unter den Ein- schränkungen des öffentlichen Lebens zu leiden haben, die ihre Mittel selbst erwirtschaf- ten, beispielsweise durch den Verkauf von Eintrittskarten oder Teilnahmegebühren für Kurse, Seminare und Workshops. Hingegen sind Vereine, die sich vorranging oder aus- schließlich auf das bürgerschaftliche Engagement ihrer Mitglieder stützen besser durch die Krise gekommen: Stammen die Einnahmen der Organisationen vorrangig aus Mit- gliedsbeiträgen und Spenden und haben sie zudem keine oder nur geringe fixe Ausgaben, kommen sie bislang gut durch die Krise. Da auch bezahltes Personal Kosten verursacht, fürchten Organisationen, die hauptamtliches Personal beschäftigen häufiger um ihre Exis- tenz, als rein ehrenamtlich betriebene Organisationen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie keine nennenswerte öffentliche Förderung erhalten, sondern von den Beiträgen ihrer Mitglieder oder selbsterwirtschaften Mitteln abhängig sind. Dies ist insbesondere bei Sport-, Kultur- und Bildungsorganisationen der Fall. In Hinblick auf die Engagementbindung stellt ZiviZ ein Stadt-Land-Gefälle fest. Vor allem in kleinen Gemeinden klagten die befragten Organisationen über das Problem, Engage- ment in und nach der Pandemie aufrechtzuerhalten und gaben an, dass ihre Tätigkeiten zwingend vom Zusammenkommen ihrer Mitglieder in Präsenz abhängig sind. Hier wird er- sichtlich, dass Vereine auf dem Land eine noch viel größere sozialintegrative Funktion für ihre Mitglieder erfüllen, die sich nicht ohne Weiteres in den Online-Betrieb überführen lässt (Hof et al. 2021). Der Verlust von regelmäßig aktiven Mitgliedern in der Pandemie beschränkt sich gemäß ZiviZ-Studie nicht auf den ländlichen Raum, sondern ist auch ein Problem in den (großen) Städten. Bereits vor der Pandemie zeigten Untersuchungen, dass die langfristige Mitglie- derbindung für Vereine zunehmend zu einer Herausforderung wird (Zimmer/Priller 2021: 300). Dieser Trend hat sich im Lockdown offenbar weiter verschärft: Ein Fünftel der von ZiviZ befragten Organisationen gehen davon aus, dass sie nach dem Ende der Pandemie ihre Aktivitäten nicht mehr in dem Maße wieder aufnehmen oder fortsetzen können wie vor dem Lockdown (Hof et al. 2021: 5). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Deutsche Olympische Sportbund mit einer Er- hebung, in der die Mitgliederentwicklung in den Sportvereinen untersucht wurde (DOSB 2021). Sportvereine machen in Deutschland traditionell den größten Anteil an der Vereins- landschaft aus (Primer et al. 2018: 16). Im Laufe des Jahres 2020 verloren die Sportvereine in Deutschland von ihren ursprünglich 24 Millionen Mitgliedern etwa eine Million. Zudem beklagen sie, dass die ohnehin übliche Mitgliederfluktuation nicht durch Neueintritte 1 Die Ergebnisse der Befragung sowie die Methoden des Engagement-Barometers sind übersichtlich aufbereitet hier abrufbar: https://stifterverband.shinyapps.io/Engagement-Barometer/ (Stand: 09.07.2021)
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 5 ausgeglichen werden kann. Insbesondere im Kinder- und Jugendbereich verzeichnen die meisten Sportvereine einen starken Mitgliederrückgang (DOSB 2021: 1). Die bisherige Forschung unterstreicht, dass „Öffentlichkeit das Lebenselixier zivilgesell- schaftliche Aktivitäten“ ist, doch das öffentliche Leben der Zivilgesellschaft wurde kom- plett eingeschränkt (Klein 2020: 115). Im Lockdown mussten Vereine landauf, landab prü- fen und entscheiden, ob sie ihre Aktivitäten in eine Art Winterschlaf versetzen oder auf di- gitalen Betrieb umstellen und zumindest Teile des Vereinslebens online anbieten. Tahmaz (2021: 347) zeigt auf Grundlage einer weiteren ZiviZ-Erhebung vom März 2021, dass durch die Pandemie in vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Digitalisierungsschub ausgelöst wurde, der zugleich mit großen Herausforderungen einherging: mangelndes Know-How der Engagierten, fehlende Hardware, unzureichende Netzabdeckung, Daten- schutzfragen und das Problem, erfolgreiche analoge Angebote in ein akzeptables Digital- angebot zu überführen, sind nur einige der Herausforderungen, vor denen der Großteil der Zivilgesellschaft in der Pandemie stand. In Hinblick auf die Spendenbereitschaft sind die Ergebnisse der Forschung weniger pes- simistisch. Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung für den Deutschen Spen- denrat (2021) zeigt sogar, dass sich die Bürgerinnen und Bürger 2020 spendabler zeigten als im Vorjahr. Rund 3,3 Milliarden Euro überwiesen die deutschen Haushalte seit Beginn der Pandemie für gemeinnützige Zwecke. Ein Großteil der Spenden ging dabei – wie be- reits in den Vorjahren – an humanitäre Vereine und Organisationen der Entwicklungszu- sammenarbeit. Deutliche Zuwächse des Spendenvolumen gab es aber auch bei Tier- schutzorganisationen, Umweltverbänden und Kultureinrichtungen, was als ein Indikator dafür gesehen werden kann, dass sich die Bürgerinnen und Bürger der prekären Lage in den zivilgesellschaftlichen Organisationen durchaus bewusst sind und ihre Vereine unter- stützen (Deutscher Spendenrat 2021). Aufbauend auf dem Stand der Forschung sollte mit dem Lehrforschungsprojekt am Institut für Politikwissenschaft untersucht werden, inwieweit sich die Ergebnisse vorangegange- ner Erhebungen für die Stadt Münster im Bereich der Bildungs- und Kulturvereine repro- duzieren und durch eine qualitative Interviewbefragung vertiefen lassen. 1.2 Bildung und Kultur im Fokus Die vorliegende Studie fokussiert auf Münsteraner Vereine, denn Vereine sind nicht nur das Rückgrat der Zivilgesellschaft, sie machen auch den größten Teil der Organisationen der Zivilgesellschaft aus – sowohl in ganz Deutschland (Priemer et al. 2019: 8-15) als auch in Münster (Zimmer 2007: 93). Dominiert wird das Vereinswesen in Deutschland nach wie vor von Sport- und Kulturvereinen, Freizeit- und Geselligkeitsvereinen sowie von den Ver- einen der Handlungsfelder Bildung und Soziale Dienste. Zusammen machen sie fast zwei Drittel aller Vereine in Deutschland aus (Priemer et al. 2017:16), ganz ähnlich wie in Müns- ter (Zimmer 2007: 95 f.). Wie überall in Deutschland ist der Sport in Münster das größte Handlungsfeld, allerdings zeichnet sich die Schul- und Universitätsstadt mit ihren zahlreichen Forschungseinrich-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 6 tungen und weiterführenden Schulen durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Bildungsvereinen aus, darunter zahlreiche Fördervereine von Bildungseinrichtungen, aber auch viele Bildungsträger werden in Münster von Vereinen getragen. Insgesamt bezeich- nen sich rund 15 % der gut 5.400 im Vereinsregister am Amtsgericht Münster geführten Vereine als Bildungsvereine. Allerdings ist Bildung ein Querschnittsthema und viele Vereine nennen sie als eines von mehreren Tätigkeitsfeldern. So kann sich ein Sportverein, der Angebote für Jugendliche vorhält, durchaus auch als Bildungsverein verstehen. Im Kulturbereich zeichnet sich ein ähnliches Bild: Auch hier weist Münster als Oberzentrum mit einer überdurchschnittlich hoch gebildeten Bevölkerung im deutschlandweiten Vergleich einen relativ großen Anteil an Kulturvereinen auf. Auch in diesem Bereich geben viele Vereine an, sich in den Tätig- keitsfeldern Bildung und Kultur gleichermaßen zu verorten (ebd.). Bildung und Kultur sind einerseits Tätigkeitsfelder, die in der Münsteraner Vereinsland- schaft besonders verbreitet sind. Zugleich gibt es bislang nur wenige Erkenntnisse hin- sichtlich des Einflusses der Corona-Pandemie auf genau diese Handlungsfelder. Darüber hinaus handelt es sich bei beiden Handlungsfeldern um Vereinsbereiche, deren Aktivitä- ten besonders stark auf Aktivitäten im öffentlichen Raum angewiesen sind, sodass hier starke Einschränkungen auf das Vereinsleben zu erwarten waren. Deshalb entschied sich das Forschungsseminar dazu, diesen Teilbereich der Münsteraner Vereinslandschaft zu fokussieren und zu untersuchen, wie gut es den Kultur- und Bildungsvereinen in Münster gelungen ist, mit den krisenbedingten Einschränkungen umzugehen und ob – ähnlich wie im gesamtdeutschen Raum – eine langfristige Gefährdung der Münsteraner Vereine zu er- warten ist. 2. Methode Die Befragung fand im Juni 2021 statt. Um möglichst präzise auf die Situation einzelner Vereine eingehen zu können, wurde ein qualitativer Zugang für die Befragung gewählt. Es wurden leitfragengestützte Interviews mit insgesamt 39 Vereinen mit Hauptsitz in Münster geführt, die sich eindeutig als Bildungs- und/oder Kulturvereine identifizieren lassen. Die Stichprobe bestand aus 22 Bildungsvereinen und 17 Kulturvereinen. Bei den Bildungs- vereinen wurden beispielsweise Fördervereine für Bildungseinrichtungen und Verbände von Lehrerinnen und Lehrern, sowie Kindertageseinrichtungen untersucht. Als Beispiel für Kulturvereine können Karnevalsvereine, Musikvereine, Fördervereine für Museen und für andere Kultureinrichtungen angeführt werden. 2.1 Vorgehen: Stichprobenziehung und Interviews Datenbasis der Stichprobenziehung war das Vereinsregister Münster, das im Gemeinsa- men Registerportal der Länder unter den entsprechenden Suchkriterien (Bundesland Nordrhein-Westfahlen, Registergericht Münster) eingesehen werden kann. Aktuell werden dort 5.400 eingetragene Vereine mit Hauptsitz in Münster geführt, aus denen die Studie- renden insgesamt etwa 80 Vereine mit Kultur- oder Bildungsbezug auswählten. Die Aus-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 7 wahl wurde auf jene Vereine beschränkt, für die über eine Webrecherche Kontaktdaten ermittelt werden konnten. Die Kontaktaufnahme erfolgte per E-Mail oder per Telefon. Die meist 30 bis 60-minütigen Interviews selbst wurden via Videodienst Zoom, in Einzelfällen telefonisch geführt und aufgezeichnet. Weniger als die Hälfte aller kontaktierten Vereine erklärte sich für ein Inter- view bereit. Die Interviews wurden anhand von qualitativen Leitfragen durchgeführt. Dazu wurde der Leitfragen in die fünf Bereiche ‘Fragen zu Gründungsjahr, Größe und Vereinsar- beit’, ‘Bürgerschaftliches Engagement & Zielverwirklichung’, ‘Finanzierung’ und ‘Meinun- gen und Einschätzungen‘ eingeteilt. Die Auswertung der Interviews erfolgte stufenweise. Zunächst wurde jedes Interview ein- zeln in einem standardisierten Auswertungsbogen erfasst. Im weiteren Verlauf wurden zu den einzelnen Handlungsfeldern mehrere Synopsen gebildet, sodass Vergleiche zwischen den verschiedenen Auswertungen getätigt werden konnten und Aussagen bezüglich der Vereinsentwicklung in Münster, auch im Hinblick auf die aufgestellten Hypothesen, wäh- rend der Corona-Pandemie getroffen werden konnten. 2.2 Sample: Welche Vereine wurden untersucht? Die befragten Vereine aus Münster wiesen eine hohe Spannweite ihrer Gründungsjahre auf. Während manche Vereine, die bereits im 19. Jahrhundert gegründet wurden, auf eine lange Historie zurückblicken können, sind andere noch nicht lange aktiv. Der jüngste be- fragte Verein wurde im Jahr 2020 gegründet, also kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Insgesamt zeigt sich bei beiden Handlungsfeldern jedoch, dass mindestens jeder dritte Verein nach 2000 gegründet wurde. Der größte Teil der befragten Vereine weist den Status der Gemeinnützigkeit auf. Dies trifft sowohl auf die befragten Bildungsvereine als auch auf die Kulturvereine zu. Hinsichtlich der Mitgliederzahl ist die Bandbreite in den Vereinen sehr hoch. Sie schwankt zwischen 8 und 13.000 Personen im Bildungsbereich und 313 im Kulturbereich. Die meis- ten interviewten Vereine sind jedoch kleine Vereine mit weniger als 100 Mitgliedern. Nur fünf der untersuchten Vereine haben 500 oder mehr Mitglieder, von denen alle dem Be- reich Bildung zuzuordnen sind. Zur Zahl der freiwillig Engagierten konnten immerhin sechs Vereine keine Angaben ma- chen. In einem Verein sind ausschließlich bezahlte Beschäftige tätig. In allen anderen Vereinen sind Engagierte tätig, wobei die Spannbreite auch hier mit 2 bis maximal 88 En- gagierten hoch ist. Der Mittelwert liegt jedoch bei 17 (Bildung) bzw. 24 Engagierten (Kul- tur). Die meisten befragten Vereine sind rein ehrenamtliche aktiv. Etwa die Hälfte der interview- ten Vereine beschäftigt bezahltes Personal, allerdings meist nur auf Honorarbasis bzw. als geringfügig Beschäftigte oder im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes. Nur acht der Vereine beschäftigen mehr als eine Person. Mit einer Ausnahme fallen diese alle in den Bildungsbereich. Insgesamt ist der Bildungsbereich damit stärker professionalisiert als der Kulturbereich. Eine der Bildungsorganisationen beschäftigt sogar 17 Personen, was jedoch eine Ausnahme ist.
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 8 Tabelle 1: Befragungsstatistik Bildung Kultur N 22 17 Gründungsjahr Mittelwert 1986 1986 Ältester 1871 1931 Jüngster 2017 2020 Gemeinnützigkeit 20 16 Mitglieder Mittelwert 823 110 > 100 7 8 >300 5 1 Max. 13.000 313 Engagierte (regelm.) Mittelwert 17 24 > 10 9 6 Max. 88 75 Bezahltes Personal Mittelwert 2,3 0,93 Max. 18 9 Einnahmen Mittelwert 170.809 43.417 >10.000 Euro 11 4 Max. 1,5 Mio. 300.000 Heterogen zeigt sich auch die finanzielle Situation der befragten Vereine: Die Höhe der Einnahmen variiert stark. Während sich bei Bildungsvereinen bei den Einnahmen eine Spannweite von 750 Euro bis 1,5 Millionen Euro ergibt, zeigt sich bei Kulturvereinen eine Spannweite von 450 Euro bis 300.000 Euro. Die Einnahmen der Bildungsvereine sind di- verser und höher als die der Kulturvereine. Mögliche Gründe können in den Funktionen der Vereine und der staatlichen, kommunalen oder unternehmerischen Unterstützung
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 9 aufgeführt werden. Vereine, die im Vergleich hohe Einnahmen generieren können, be- schäftigen tendenziell (mehr) bezahltes Personal. 2.3 Methodendiskussion: Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse? Die befragten Vereine entsprechen dem Bild, das aus der allgemeinen Forschungsliteratur über Vereine in Deutschland sowie in Münster bekannt ist: Meist handelt es sich um klei- ne bis mittelgroße Vereine, die überwiegend von ehrenamtlichem Engagement getragen werden und auf eher geringe finanzielle Ressourcen zurückgreifen können. Hauptamtlich- keit, also bezahlte Beschäftigung, spielt nur eine geringfügige Rolle, im Bereich Bildung etwas mehr als bei den Kulturvereinen (vgl. Zimmer 2007). Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass die Befragung keineswegs repräsentativ für die ge- samte Münsteraner Vereinslandschaft ist. Bei der Auswahl des Samples wurde zwar Wert daraufgelegt, dass die Auswahl zufällig und über die gesamte Bandbreite der im Vereins- register eingetragenen Vereine erfolgte. Dennoch ist von einem erheblichen Bias auszu- gehen, der sich insbesondere aus dem methodischen Zugang und der Antwortbereitschaft besonders digital affiner bzw. besonders erfolgreicher Vereine ergeben haben dürfte. Denn etwa jeder zweite kontaktierte Verein, reagierte nicht auf die Anfrage. Es bleibt somit offen, ob jene Vereine, zu denen kein Kontakt hergestellt werden konnte, kein Interesse an der Befragung hatten, ob die Kontaktdaten nicht mehr aktuell waren und die Anfragen somit ins Leere liefen oder ob die Vereine schlicht nicht mehr existierten. Wenn die Verei- ne nicht mehr existieren, kann das Corona-bedingte Ursachen haben, muss es aber nicht. Außerdem ist davon auszugehen, dass digital-affine Vereine der Befragung offener ge- genüberstanden, als etwa jene, die erstens nicht gut via E-Mail zu erreichen waren oder gegenüber einer Befragung, die nicht persönlich stattfinden konnte, eher skeptisch ge- genüberstehen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die vorliegenden Ergebnisse nicht repräsentativ für die Münsteraner Vereinslandschaft zu bewerten sind. Um abschließend zu analysieren, wie die Münsteraner Vereine die Corona-Pandemie überstanden haben, welche Vereine es geschafft haben, erfolgreich durch die Krise zu kommen und welche nicht, vor allem aber, an welche Bedingungen Erfolg oder Misserfolg gebunden waren, müssten weitere Studien durchgeführt werden. Insbesondere jene Vereine, die heute nicht mehr aktiv sind oder sich aufgelöst haben, müssten in solche Studien stärker einge- bunden werden. Dennoch vermitteln die vorliegenden Ergebnisse einen guten Eindruck, wie und mit wel- chen Strategien es – zumindest einem Teil der Vereine – in Münster gelungen ist, sich auch im Krisenmodus zu bewähren und ihre Aktivitäten zumindest teilweise aufrechtzuer- halten. 3. Ergebnisse Die Interviews mit den Münsteraner Vereinsvorständen fokussierten drei Themenfelder: (1) Die Auswirkungen der Pandemie auf die Vereinsarbeit, (2) die Auswirkungen der Pande-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 10 mie auf die Finanzierung der Vereine und (3) die Zufriedenheit der Vereinsvorstände mit den Pandemiemaßnahmen und ihre Forderungen an die Politik. In der folgenden Präsenta- tion werden die Interviews nach diesen Themenfeldern ausgewertet. 3.1 Auswirkungen der Pandemie auf die Vereinsarbeit Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit Münsteraner Vereine wurden drei Bereiche unterschieden: Aktivitäten, bürgerschaftliches Engagement in den Vereinen und Mitgliederentwicklung. Die differenzierte Analyse verdeutlicht sowohl eine große Bandbreite als auch Trends. Veränderungen der Vereinsaktivitäten Die wohl gravierendste Veränderung bei den Vereinsaktivitäten ist die Digitalisierung der Vereinsarbeit. Ein Verein aus dem Bildungsbereich beschrieb die Pandemie beispielswei- se als „Brandbeschleuniger für das Digitale“. In vielen Vereinen wurden digitale Angebote kurzfristig ausgebaut und die Dynamik der Pandemie forderte ein hohes Maß an Kreativi- tät und Flexibilität. Die Verlagerung in den digitalen Raum betraf drei unterschiedliche Be- reiche der Vereinsaktivitäten: Kommunikation, vereinsinterne und vereinsexterne Arbeit. „Es gab einen Digitalisierungsschub! Das hat uns was abverlangt, aber wir haben uns reingegeben – sowohl organisatorisch, inhaltlich als auch technisch.“ (Interview mit einem Bildungsverein) Bei nahezu allen untersuchten Vereinen nahm die Kommunikation über digitale Messan- gerdienst wie WhatsApp zu bzw. wurde pandemiebedingt etabliert. Die Kommunikation diente der Kontaktpflege sowie dem Austausch zu Inhalten. Vereinzelt wurde in den Inter- views gezielt von mehr telefonischer Beratung gesprochen. In der Betrachtung der Vereinsaktivitäten wird hier zwischen vereinsinterner und vereins- externer Arbeit unterschieden. Unter „vereinsintern“ werden Versammlungen, Vereinsko- ordination und -alltag von Mitgliedern und bürgerschaftlich Engagierten verstanden. Als vereinsexterne Arbeit werden die Interaktion mit und Veranstaltungsangebote für Bürge- rinnen und Bürger bezeichnet, welche ein Verein anbietet. Der Grad der Einschränkung von Vereinsaktivitäten wurde durch allgemeine Faktoren beeinflusst, wie das Level von Professionalität auf Seiten des Vereins, der Familienstand und insbesondre das Alter so- wohl von Vereinsmitgliedern als auch von partizipierenden Bürgerinnen und Bürgern. Ein erhöhter Austausch mit politischen Instanzen konnte primär im Bildungsbereich im Fall eines Lehrervereins verzeichnet werden. Sowohl im Bildungs- als auch im Kulturbereich berichteten fast alle Vereine von einer ver- einsinternen Digitalisierung. Im Zuge des Lockdowns zur Eindämmung der COVID-19- Pandemie konnten keine Mitgliederversammlungen oder Vorstandssitzungen in Präsenz stattfinden. Diese spielten sich, soweit es technisch möglich war, über Videoplattformen wie Zoom oder Microsoft Teams ab. Diese wurden vor allem für offizielle Vereinssitzungen, aber teils auch für inoffizielle Treffen wie Spieleabende genutzt. Die vereinsexterne Arbeit ist differenzierter zu betrachten. Untersuchte Münsteraner Ver- eine, welche dem Bildungsbereich zugeordnet werden, berichteten verstärkt von digitali-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 11 sierten Angeboten. Es fand ein Transfer von Angeboten aus der Präsenz ins Digitale statt. Eine Ausnahme stellten zwei Fördervereine von Kindertagesstätten dar, welche in Notbe- trieb gingen und kein digitales vereinsexternes Angebot ausbauten. Einige andere Vereine boten im Zuge der Lockerung von Pandemieeinschränkungen, soweit möglich, diverse Hybridveranstaltungen (= Mischung aus Präsenz und Digitalem wie Live-Übertragungen) an. Es gab jedoch auch skeptischere Stimmen: „Ich glaube, dass diese Technik nicht alles ersetzen kann.“ (Interview mit einem Bildungsverein) Infolgedessen mussten Projekte und teils das komplette Angebot eingestellt werden. An dieser Stelle wird die große Bandbreite der Haltung und des Umgangs mit dem pande- miebedingten Digitalisierungsschub deutlich. Bei der Betrachtung der untersuchten Münsteraner Vereine des Kultursektors wird deut- lich, dass digitale Instrumente meist nur eingeschränkt genutzt werden konnten, da viele auf regelmäßige soziale Treffen in Präsenz angewiesen sind. Bei einigen Vereinen wurden nur noch „die normalen geschäftsmäßigen Tätigkeiten, die eine Satzung einem Verein vorschreibt“, durchgeführt. Durch die starke Verlagerung in ein reines Fortexistieren ohne Vereinsaktivität, die über Formalie hinausgeht, ergibt sich für viele Kulturvereine eine gro- ße Planungsunsicherheit für die Zukunft, insbesondere für Vereine, die auf größere Kultur- veranstaltungen hinarbeiten oder diese organisieren. Exemplarisch für stark eingeschränkte Vereine sind die mit musikalischem Schwerpunkt. Diese und ähnliche Vereine sind neben der Arbeit vor Ort und in Präsenz auch auf ehren- amtliche Arbeit ausgelegt. Folglich waren die Hauptaktivitäten dieser Vereine während der Lockdowns in fast allen Fällen nicht mehr möglich. Die limitierte Arbeit im Digitalen lag teilweise in zu wenig technischen Kenntnissen begründet oder daran, dass die digitalen Mittel zur Zielverwirklichung der Vereine teilweise nicht geeignet waren. Vereinzelt wurde als Erklärung angebracht, dass sich der digitale Kontakt aufgrund des Alters der Mitglieder nicht anbot. Auf der anderen Seite konnten je nach Vereinsaktivität jedoch auch neue, digitale Ange- bote geschaffen oder der Kontakt aufrechterhalten werden. Die Vereine, die auf digitale Kanäle ausweichen konnten, planen diese Aktivität in Ergänzung zu traditionellen Tätig- keiten vor Ort zumindest in Grundzügen weiterzuführen und die neu gewonnen digitalen Möglichkeiten weiterhin auszuschöpfen. Zudem kam es zu einem Anstieg der Arbeitsbe- reitschaft bei Vereinen, die nicht auf regelmäßige Treffen in Präsenz angewiesen waren und bei denen die Hauptarbeit von Festangestellten übernommen wurde. Die Themen- schwerpunkte haben sich dazu analog zur veränderten Arbeit verlagert. Vereinzelte Aus- nahmen durch digitale Veranstaltungen oder spontane Outdoor-Veranstaltungen im Sommer 2020 haben zumindest vereinzelt ein Fortführen der Vereinstätigkeit ermöglicht. Für die vereinsexterne Arbeit von Kulturvereinen bot die Digitalisierung somit zwar Alterna- tiven, allerdings waren diese meist ungenügend. Die Durchführung von Aktivitäten war oft erschwert, da diese auf aktive Partizipation in Präsenz aufbauen. Oft wurde die Arbeit da- her eingestellt und kein Online-Betrieb durchgeführt. Bildung und Kultur ist gemein, dass während des Lockdowns Aktivitäten vor Ort reduziert und meist komplett eingestellt werden mussten. Sobald es wieder möglich war, kam es
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 12 zwischen oder nach den Lockdowns überwiegend zur Wiederaufnahme der Präsenzveran- staltungen in kleineren Gruppen mit Hygienekonzepten. Ansonsten fanden die Angebote vorwiegend über digitale (Video-)Plattformen statt. Neben digitalisierten Angeboten wur- den in beiden Bereichen zudem vergleichsweise wenig komplett neue Angebote geschaf- fen (Bildung 6/22, Kultur 4/17). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Pandemie zu einer Digitalisierung der Kommunikation sowie von vereinsinterner und -externer Aktivitäten nahezu aller Vereine jedoch in unterschiedlichem Ausmaß führte. Einfluss auf das bürgerschaftliche Engagement Die Studie zeigt, dass die Pandemie im Bereich der Bildungsvereine z. T sehr unterschied- liche Auswirkungen hat. Die befragten Vereine berichten von einer stabilen Engagement- bereitschaft, schwacher Rückläufigkeit, einem vereinzelten Wegfall der Engagement- Tätigkeiten vor Ort bis hin zur kompletten Einstellung der Aktivitäten. Dennoch spielen auch pandemieunabhängige Faktoren mit in die Ergebnisse der Engagementbereitschaft hinein. Das jeweilige Beschäftigungsverhältnis der Beteiligten in Bildungsvereinen wirkt sich po- sitiv sowie negativ auf das Engagement aus. So zeigt sich, dass sich temporär Aktive ten- denziell eher weniger in der Pandemiezeit engagieren. Hauptamtliche arbeiten gleichblei- bend weiter. Diese Gruppe berichtet ebenfalls von einer Zunahme der Verantwortung. Der Wegfall der Ehrenamtlichen muss von den hauptamtlichen Mitgliedern aufgefangen wer- den. Das Engagement von Vorstandsmitgliedern, auch wenn diese ehrenamtlich tätig sind, bleibt ebenfalls annähernd gleichbleibend. Ähnlich verhält es sich im Bereich der Kultur. In etwa einem Drittel der befragten Vereine minimierte sich das Engagement stark und die Aktivitäten beschränken sich auf die Vor- standsarbeit. Ein Großteil der Vereine konnte auf eine stabile Bereitschaft zur Mitwirkung setzen. Dennoch gibt es in einzelnen Kulturvereinen Motivationslöcher. Hier zeigen die Vereine optimistische Zukunftsprognosen für eine Verbesserung nach der Pandemiezeit. Die Zahl der Engagierten ist größtenteils stabil geblieben und das Engagement hat nicht unter den Pandemiefolgen gelitten. Allerdings werden in allen Interviews der Wille und die Hoffnung betont, wieder in die „Normalität“ zurückkehren zu können. Mitgliederentwicklung während der Pandemie Die Mitgliederentwicklung zeigt sich im Bereich Kultur insgesamt stabil. Die Kulturvereine konnten im Wesentlichen keine neuen Mitglieder gewinnen. Dies ist unter anderem dem geschuldet, dass die Akquise neuer Mitglieder durch die Corona-Pandemie (zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen) gehemmt wurde. Coronabedingte Abgänge wurden al- lerdings auch nicht verzeichnet. Es zeigte sich jedoch, dass die Partizipation von Vereins- mitgliedern bei Online-Veranstaltungen mit zunehmender Dauer der Pandemie rückläufig ist und sich ein Ermüdungseffekt einstellt. Im Bildungssektor zeigte sich ein differenziertes Bild: Viele Vereine berichteten von stag- nierenden Mitgliederzahlen, andere wiederum konnten leichte bis starke Mitgliederzu-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 13 wächse verzeichnen. Diese Entwicklung lässt sich teils auf von manchen Vereinen wäh- rend der Corona-Pandemie aktualisierte und modernisierte Internetauftritte zurückführen. Ungewöhnliche Entwicklungen hinsichtlich Vereinsaustritten gab es nicht. Hat ein Verein Mitglieder verloren, so waren diese Abgänge nicht coronabedingt, sondern entsprachen der durchschnittlichen Fluktuation des Vereins. Zukunftsaussichten Im Bereich Bildung sieht der Großteil der befragten Vereinsvorstände das neu geschaffe- nen digitale Online-Angebot als Chance für die Zukunft des Vereins. Allerdings wird hier betont, dass dies lediglich ergänzend zu Präsenzveranstaltungen, beispielsweise in hyb- rider Form, erfolgen könnte. Einer der Bildungsvereine berichtete sogar, dass der Zwang zur Nutzung digitaler Kommunikationswege zu einer Verbesserung der überregionalen Zu- sammenarbeit führte. Die Mehrzahl der befragten Vereine im Bereich Kultur sehen keine besonderen Folgen durch die Pandemie. Zwar werden Online-Lösungen im Allgemeinen in Form von hybriden Veranstaltungen in Betracht gezogen, vorwiegend für Vorstands- oder Mitgliedersitzun- gen, allerdings wird dies nicht als alleinige Möglichkeit anerkannt. Größtenteils erwarten Kulturvereine eine Rückkehr zu den gewohnten Vereinsaktivitäten, sobald dies wieder möglich ist. Lediglich einer von siebzehn untersuchten Kulturvereinen betont, dass das kulturelle Leben mit dem Eintreten der Pandemie nachhaltig verändert wurde. Dieser Ver- ein betont, dass die Menschen dauerhaft mit der Pandemie leben werden müssen und somit vermehrt auf Online- sowie Outdoorveranstaltungen gesetzt werden muss. Die Vereine beider Bereiche ‒ Kultur sowie Bildung ‒ sehen somit die durch die Pandemie geschaffenen Alternativen als Chance, sind sich aber auch einig, dass das Vereinsleben Präsenz benötigt. „Diese Technik kann nicht alles ersetzen. Wir werden auf jeden Fall wieder Veranstaltungen vor Ort brauchen; das wird sich nicht erset- zen lassen durch Zoom-Treffen. Das Treffen sozialer Kontakte fehlt.“ (Interview mit einem Bildungsverein) 3.2 Auswirkungen der Pandemie auf die Finanzierung von Vereinen Die Interviews fokussierten neben inhaltlichen Veränderungen der Arbeit der Vereine auf die Frage nach den Auswirkungen der Pandemie auf die finanzielle Situation. Finanzielle Ressourcen sind, neben der Bereitschaft, dass sich Menschen freiwillig und unentgeltlich engagieren, eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit von Vereinen, auch wenn die meis- ten Vereine aufgrund ihres Tätigkeitsprofils mit geringen finanziellen Ressourcen aus- kommen. Typische Einnahmequellen sind vor allem Mitgliedsbeiträge, Spenden und öf- fentliche Fördermittel aber auch Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten (wirtschaftli- cher Geschäftsbetrieb), wie etwa durch Einnahmen bei Veranstaltungen. Dies bestätigt sich auch bei den untersuchten Vereinen: Der überwiegende Teil der befragten Vereine hat jährliche Einnahmen von weniger als 10.000 Euro. Relevant sind stabile und größere fi- nanziellen Ressourcen vor allem bei jenen Vereinen, die davon Personal finanzieren müs-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 14 sen, was vor allem einen größeren Bildungsverein mit einem umfangreichen Weiterbil- dungsangebot betrifft, ansonsten aber sowohl im Bildungs- als auch im Kulturbereich eher die Ausnahme ist. Denn in der Regel reichen die finanziellen Ressourcen gerade für ein bis zwei meist Teilzeitbeschäftigte (vgl. Abschnitt 2.2). Daher lag die Vermutung nahe, dass gerade diese Vereine mit fest angestelltem Personal und daher hohen regelmäßigen Fixkosten eher zu den Verlierern der Pandemie gehören würden. Diese Annahme bestätigte sich nur bedingt. Einzelne Vereine mit festem Personal erlitten zwar Einbußen bei den Einnahmen. Doch bei den meisten stellte sie sich offenbar nicht als existenzbedrohend dar, auch wenn Personal z. T. in Kurzarbeit geschickt werden musste. Für einige Bildungsvereine, die ihre Angebote weitestgehend digital anbieten konnten, stellte sich die Situation besser dar, als vermutet. Durch die Umstellung auf ein digitales Angebot konnten einerseits Kosten gespart werden (Reisekosten für Dozentinnen und Dozenten, Veranstaltungsräume, u.ä.), so dass hier mitunter Einnahmeeinbußen aus- geglichen wurden und die Gehälter weiterhin gezahlt werden konnten. Die meisten der befragten Vereine scheinen, wenn auch zum Teil mit erheblichen Ein- schränkungen und Einbußen, finanziell einigermaßen unbeschadet durch die Pandemie zu kommen. Insbesondere bei den Bildungsvereinen zeigte sich hinsichtlich der Einnah- meentwicklung ein eher positives Bild. Bei der Hälfte der Bildungsvereine konnten die Einnahmen stabil gehalten werden. Bei der anderen Hälfte hielten sich jene mit gestiege- nen Einnahmen und jene, bei denen die Einnahmen rückläufig waren, die Waage. Mehr- einnahmen ergaben sich vor allem durch eine gestiegene Spendenbereitschaft, durch zu- sätzliche öffentliche Mittel bzw. durch weitergezahlte öffentliche Mittel und dadurch, dass es weniger Ausgaben zu bewältigen gab, da ein Teil der Angebote entfallen musste und somit Kosten wegfielen. Nicht ganz so positiv sieht es bei den Kulturvereinen aus. Keiner der Kulturvereine berich- tet von gestiegenen Einnahmen. Die Einnahmen sind bei den meisten Kulturvereinen ge- sunken. Doch da die meisten Kulturvereine durch die Coronabeschränkungen auch keine Veranstaltungen anbieten konnten, fielen meist auch kaum Kosten an, da sich Veranstal- tungen i.d.R. durch Eintrittsgelder selbst tragen. So hatten zwar fast alle Kulturvereine fi- nanzielle Einbußen, doch durch die „Zwangspause“ der meisten Vereine und durch meist stabile öffentliche Förderungen bestand für die Mehrzahl der Vereine keine existenz- bedrohende Lage. Insgesamt berichten nur zwei Vereine – jeweils einer aus den Bereichen Kultur und Bildung – dass sie durch die Coronapandemie in ihrer Existenz bedroht sind und nicht wissen, wie es zukünftig weiter gehen wird. Insgesamt sind drei Aspekte hervorzuheben, die offenbar dazu beigetragen haben, dass Vereine bislang mehr oder weniger unbeschadet durch die Pandemie gekommen sind. Unabhängig davon, ob es sich um Bildungs- oder Kulturvereine handelt sind stabile Mit- gliederzahlen, geringe Ausgaben durch die „Zwangspause“, öffentliche Unterstützungen und eine erfolgreiche Umstellung auf ein digitales Angebot wichtige Faktoren für den wei- teren Bestand der Vereine. Hervorzuheben sind die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, denn diese sind auch wäh- rend der Pandemie überwiegend stabil geblieben. Mitgliedsbeiträge spielen generell eine entscheidende Rolle im Finanzierungsgefüge von Vereinen. Daher hat es sich für die Ver- eine, sowohl im Kultur- als auch im Bildungsbereich, als günstig erwiesen, dass es kaum
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 15 Rückgänge bei den Mitgliedszahlen gegeben hat. Wenn es Rückgänge gab, dann waren sie nicht pandemiebedingt, sondern der „ganz normalen Entwicklung“ geschuldet. Einige Vereine im Bildungsbereich berichten sogar trotz Pandemie – oder möglicherweise auch wegen der Pandemie – von Neuzugängen unter den Mitgliedern, so dass dieser Einnah- meanteil gestiegen ist. Ein Bildungsverein berichtet sogar von so vielen Neumitgliedern, dass sich deren Aufnahme kaum bewältigen lässt. Die durch die Kontaktbeschränkungen erzwungene „Zwangspause“ führte bei einigen Vereinen zum Erliegen der meisten Finanzströme, besonders im Kulturbereich. Durch Corona bedingte Kontaktbeschränkungen mussten vor allem kulturelle und gesellige Ver- anstaltungen und Aktionen abgesagt, oder verschoben werden. Aber auch bei den Verei- nen im Bildungsbereich fielen Veranstaltungen und Fahrten weg, weshalb aufkommende finanzielle Ausfälle durch den Wegfall der ursprünglich geplanten Aktivitäten kompensiert werden konnten und sich Einnahmen und Ausgaben die Waage hielten – immer vorausge- setzt, dass die Vereine keine regelmäßigen Fixkosten (neben Personal z.B. Räumlichkei- ten) zu bestreiten hatten. Vereine, die Fixkosten zu tragen haben und dabei auf Spenden und Einnahmen aus Veranstaltungen angewiesen sind von der Pandemie deutlich schwe- rer getroffen. “Wir hatten zwar weniger an Veranstaltungstätigkeit, aber das ist eher ein kulturelles und ideelles Problem bei uns, weniger ein ma- terielles.” (Interview mit einem Kulturverein) Hervorzuheben ist, dass es einigen – insbesondere Bildungsvereinen – offenbar beson- ders gut gelungen ist, ihre Angebote auf digitale Formate umzustellen, so dass sie nur wenige Einschränkungen bei ihren Angeboten und damit auch nur wenig Einschränkungen bei ihren Einnahmen hatten. So gelang es etwa einem größeren Bildungsanbieter fast alle (Weiter)Bildungsangebote online aufrecht zu erhalten. Etwas schwieriger stellte sich die Situation für jene Vereine dar, deren Veranstaltungen und ähnliche Aktivitäten des wirt- schaftlichen Geschäftsbetriebs andere Bereiche des Vereinslebens finanzieren. Schwie- rigkeiten bestehen vor allem dann, wenn sich die Aktivitäten nicht einfach in den digitalen Raum verlegen lassen. Insbesondere Schulfördervereine und Fördervereine anderer Bil- dungseinrichtungen nehmen einen Teil ihrer finanziellen Ressourcen über Sommerfeste oder Weihnachtsbasare und ähnliche Veranstaltungen ein. Derartige Veranstaltungen Einnahmen fielen bei allen befragten Fördervereinen weg, ebenso wie bei allen befragten Kulturvereinen. Coronahilfen im engeren Sinne spielten unter den befragten Vereinen kaum eine Rolle bei der Kompensation finanzieller Ausfälle. Dennoch erhielten einige wenige Vereine öffentli- che Unterstützungen. Kulturvereine wurden häufiger von der Stadt und der Politik finan- ziert als Bildungsvereine. Bund und Land unterstützen die Kulturvereine durch Fördergel- der, die weiterhin gezahlt wurden oder mit Soforthilfen, die beantragt werden konnten. Gleichzeitig bezogen jene Bildungsvereine, die schon vor der Pandemie Förderungen in Anspruch genommen haben, diese auch während der Pandemie ohne größere Einschrän- kungen. Insgesamt lässt sich schlussfolgern: Je professioneller aufgestellt ein Verein ist, desto e- her ist er von der Pandemie betroffen, es sei denn, es gelingt ihm seine Angebote in den digitalen Raum zu verlagern. Denn die finanziellen Ressourcen für festangestelltes Perso-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 16 nal müssen erst mal generiert werden. Andere Vereine, die mit ihren Aktivitäten – und damit auch mit ihren Kosten vorübergehend pausieren können und auch sonst keine Fix- kosten zu stemmen haben, sind offenbar gut durch die Krise gekommen. Je breiter die Einnahmequellen eines Vereins aufgestellt waren, desto stabiler war dessen Lage wäh- rend der Pandemie. Es zeigte sich also – entgegen aller Erwartungen –, dass die Pande- mie für die meisten der befragten Vereine nicht zu einer existenziellen Krise geführt hat. Auch wenn es Veränderungen gegeben hat, so gehen die meisten der befragten Vereine davon aus, dass sich nach Ende der Pandemie die Aktivitäten und damit für viele auch die Einnahmen wieder wie vorher entwickeln werden. „Sobald wieder etwas stattfindet, da werden die Leute, das hoffe ich zumindest, in Scharen auf uns zuströmen.“ (Interview mit einem Kulturverein) Jedoch muss hier einschränkend darauf hingewiesen werden, dass dieses Bild nicht re- präsentativ für alle Vereine in Münster gelten kann. Denn, wie in Abschnitt 2.3 bereits hin- gewiesen, dürften sich gerade jene Vereine, die sich aufgelöst haben oder sich in Auflö- sung befinden, eher der Befragung entzogen haben als Vereine, die gut durch die Krise gekommen sind. 3.3 Positionen der Vereinsvorstände Die Interviews thematisierten auch die persönlichen Einschätzungen der befragten Ver- einsvorstände für die Zeit nach der Pandemie und ihre Positionen zu den Maßnahmen der Politik. Dabei zeigte sich eine große Bandbreite: Einer Gruppe von Befragten, die einen Di- gitalisierungsschub in der Vereinsarbeit prognostizieren steht eine etwa gleich große An- zahl von Vereinen gegenüber, die nach der Pandemie eine Rückkehr zur überwiegend ana- logen Vereinsarbeit vermutet. Die Zufriedenheit der Befragten mit der Politik ist generell sehr hoch, geförderte Vereine äußerten aber auch Unmut über bürokratische Hürden. Erwartungen für die Zeit nach der Pandemie In der Gruppe der befragten Bildungsvereine waren sich die Befragten einig, dass die Pan- demie zumindest langfristig keine negativen Auswirkungen auf ihre Arbeit haben werde. Vielmehr habe die Krise zu einem Digitalisierungsschub geführt und vielerorts die Angst vor den neuen Technologieren überwunden. „Es gab einen Digitalisierungsschub. Das hat uns was abverlangt, aber wir haben uns reingegeben – sowohl organisatorisch, inhalt- lich als auch technisch. Davon wird etwas bleiben.“ (Interview mit einem Bildungsverein) Die Mehrheit der befragten Vorstände in Bildungsvereine gab an, weiterhin Veranstaltun- gen und Aktivitäten als Hybridmodell fortführen zu wollen und digitale/hybride Arbeits- formen (z.B. überregionale Arbeit, digitale Kommunikation) anzubieten. Allerdings wird auch in der Großstadt Münster ersichtlich: Vereinsleben fußt auf dem so- zialen Miteinander und das ist überwiegend auf Face-to-Face Kontakte und Gemeinschaft angewiesen. Online-Lösungen können dazu beitragen, Vereinsarbeit effizienter und flexib-
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 17 ler zu gestalten, etwa im Hybrid-Modus durchgeführte Mitgliederversammlungen. Den- noch gehen die meisten befragten Vereine davon aus, dass die etablierten Veranstaltun- gen zukünftig, wie vor der Pandemie, wieder persönlich stattfinden, da digitale Veranstal- tungen nicht in allen Fällen eine Alternative zu Präsenzveranstaltungen seien. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass zum Großteil wieder zu den alten Gewohnheiten zurückgekehrt wird, aber die neuen Mittel werden auch genutzt.“ (Interview mit einem Karnevalsverein) Auch die befragten Kulturvereine befürchten grundsätzlich keine langfristigen Auswirkun- gen auf die Arbeit ihrer Organisationen. Sie gehen davon aus, dass das Vereinsleben nach Ende der Pandemie zurück zur alten Normalität kehren kann und erwarten eine recht schnelle Erholung, allerdings nicht unbedingt für die gesamte Münsteraner Vereinsland- schaft. So wurde mehrfach die Sorge geäußert, dass durchaus eine Ausdünnung des An- gebotes in der Stadt erfolgen könne. Einzelne befragte Vereine, die ihr Angebot stark zu- rückfahren mussten, bewerten die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre aktuelle Arbeit in der Krise jedoch als stark negativ. Das gilt beispielsweise für musizierende Grup- pen und solche, die Kulturveranstaltungen mit (semi-)professionellen Künstlerinnen und Künstlern organisieren, setzen die Hygieneauflagen und Veranstaltungsverbote stark zu. Einige Vereine, die finanzielle Einbußen zu verzeichnen haben, werden damit auch nach der Krise noch zu kämpfen haben. Lediglich einer der untersuchten Vereine sieht die Pan- demie als dauerhaften Zustand, was das kulturelle Leben in Münster langfristig verändern werde und verstärkt mit Online- oder Outdoor-Veranstaltungen einhergehen müsse. Einschätzungen zur Mitgliederentwicklung In Hinblick auf die Mitgliederentwicklung zeigt die Befragung ebenfalls ein gespaltenes Bild. Während einige Vereine in Zukunft mit weniger Engagement ihrer Mitglieder rechnen, sind andere Befragte optimistischer, insbesondere in den Kulturvereinen, wo teilweise ei- ne größere Motivation nach dem Ende der Pandemie erwartet wird. Auch hoffen einige Be- fragte auf eine größere Wertschätzung der Kultur, von der ihre Vereine profitieren könnten. Zugleich sehen insbesondere Kulturvereine aber auch die Notwenigkeit, sich inhaltlich kri- tisch zu hinterfragen und ggf. neu aufzustellen. Dazu zähle auch die aktive Ansprache von jungen Menschen, die der Vereinsarbeit sonst verloren gingen. „In Zukunft müssen wir mehr an gesellschaftlicher Relevanz zei- gen.“ (Interview mit einem Kulturverein) Zufriedenheit mit der Politik Schließlich wurden die Vereinsvorstände auch noch ihrer Zufriedenheit mit der Politik be- fragt. In der Gruppe der untersuchten Bildungsvereine zeigte sich diesbezüglich eine sehr große Bandbreite der Antworten. In Vereinen, die wenig bis geringe laufende Kosten ha- ben und deshalb keine finanzielle Unterstützung benötigen und diese auch nicht anstre- ben, fiel die Haltung neutral aus. Dies gilt bei diesen Vereinen dann oft auch für die kon- taktbeschränkenden Maßnahmen. Diese wurden akzeptiert und weder positiv noch nega- tiv bewertet.
Zwischen Coronastarre und Digitalisierungsschub: Münsteraner Vereine in der Pandemie 18 „Klar, wir sind unzufrieden mit der Situation im Verein selbst, weil wir Events nicht durchführen können, wie wir es gerne machen wür- den, aber wir können die Entscheidungen nachvollziehen. Und ja, das müssen wir dann als Verein akzeptieren und hoffen dann ein- fach auf bessere Zeiten, in denen wir dann wieder größere Events machen können.“ (Interview mit einem Bildungsverein) Generell zweifelt keiner der befragten Bildungsvereine, auch nicht solche, die ansonsten unzufrieden mit der Politik waren, an der sachlichen Notwendigkeit der Kontaktbeschrän- kungen während der Hochphase der Pandemie. Vereine, die mit der Politik zufrieden waren, waren dies vor allem, weil sie während der Pandemie ohnehin existente Förderungen weiter erhalten haben oder weitere Fördergelder beantragen konnten. So stellte ein befragter Vorstand heraus, dass er sich gerade als kleiner Verein „auf Händen getragen“ gefühlt habe. Andere Vereine waren von der Betreuung durch die Politik jedoch sehr enttäuscht. Dabei wurde vor allem eine generelle Frustration mit der Bürokratie, die mit der Beantragung von Fördergeldern verbunden ist, als Grund genannt. Die Arbeitsintensität sei dabei auch durch die teils sehr kurzfristig beschlossenen Vorgaben und Einschränkungen gestiegen, da man sich schnell anpassen musste, um weiterarbeiten zu können. Allerdings betonten die befragten Vereine, dass es hierbei nicht um die Einschränkungen selbst ging, diese wurden vielmehr der Pandemie zugeschrieben und nicht der Politik. Einige kleine Weiter- bildungsvereine, fühlten sich im Stich gelassen und übergangen. Bei solchen Vereinen, die sich in existentiellen Nöten befanden, förderte fehlende Unterstützung die Unzufrie- denheit. Sie nannten als Grund besonders die fehlende Erfahrung mit der Praxis der Ver- eine von Seiten der Politik, was deren Beurteilung ihrer Bedürfnisse wohl erschwert habe. Die befragten Kulturvereine zeigten sich im Interview insgesamt etwas zufriedener mit der Politik. Grundsätzlich sehen sie die Priorität bei der finanziellen Unterstützung in der Pan- demie nicht in der finanziellen Unterstützung der Kulturvereine. Deshalb zeigen die meis- ten Vereine Verständnis für den Umgang der Politik mit der komplizierten und unvorher- sehbaren Lage und die damit verbundenen Herausforderungen. Die befragten Kulturvereine zeigen sich insgesamt eher zufrieden mit der Unterstützung der unterschiedlichen politischen Ebenen und sehen die Finanzierungsangebote allge- mein als ausreichend an. Insbesondere die Kommunikation mit der Stadt Münster wird als positiv wahrgenommen: Viele der befragten Vereine berichten von unbürokratischer Hilfe und enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung und der lokalen Politik. Dennoch kritisie- ren einige die Komplexität und Ausschüttung von Förderanträgen, die teilweise als zu komplex wahrgenommen und spät ausgezahlt wurden. Diese Kritik äußern insbesondere die Vereine, die auf direkte Unterstützung der Politik angewiesen waren. „Der Wille ist da, aber die Umsetzung war mangelhaft.“ (Interview mit einem Karnevalsverein) Teilweise wünschten sich die befragten Vereine auch vereinsschärfere Lösungen, etwa um durch außergewöhnliche und alternative Proben das Vereinsleben aufrechthalten zu kön- nen (etwa Singen auf Abstand draußen, was im Lockdown nicht möglich war).
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