Zwischen WAHNSINN und MALLORCA - Komödie in drei Akten von Bernd Spehling - www.theaterkomoedien.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
www.theaterkomoedien.de Textauszug Zwischen WAHNSINN und MALLORCA Komödie in drei Akten von Bernd Spehling www.theaterkomoedien.de
2 Inhaltsabriss www.theaterkomoedien.de Sie meinen, einen Zustand zwischen Wahnsinn und Mallorca gibt es nicht? Nun, Gilbert’s Geschichte beginnt auch mit weit eindeutigeren Absichten. Schließlich will er seinen Ehestrapazen endgültig den Rücken kehren und den Rest seines Lebens in mediterraner und sonniger Atmosphäre genießen. - Ohne Frau Caroline! Dieser schenkt er kurzerhand ein Wochenende auf einer Beautyfarm, um in Seelenruhe auszuziehen und für immer nach Mallorca zu entschwinden. Die Abfahrt der Frau Gemahlin zur Beautyfarm und das Eintreffen der Umzugshandwerker bei Gilbert bleiben allerdings die einzigen Geschehnisse, die fortan in diesem Hause planmäßig passieren. So entpuppt sich eine vom hilfsbereiten Freund Peter mitgebrachte Anhalterin als eine wesentlich turbulentere Gestalt, wie zunächst angenommen. Eine solche Erscheinung passt – soviel sei verraten – ebenso wenig in’s Geschehen, wie eine leicht bekleidete Nachbarin, die sich aus ihrer eigenen Wohnung aussperrt und ebenfalls ausgerechnet bei Gilbert um Hilfe ersucht. So treffen nach und nach skurrile, frivole und sogar kriminelle Figuren ausgerechnet in Gilbert’s Wohnung ein, der dem tränenlachenden Publikum zeigt, wie er diese auch noch der plötzlich aufkreuzenden Schwiegermutter erklärt. Zu diesem Wahnsinn, nach Mallorca zu entfliehen, ist er dennoch wild entschlossen. Doch wo wird die Geschichte enden? Im Wahnsinn? Auf Mallorca? Oder vielleicht tatsächlich irgendwo dazwischen? - Sehen Sie selbst... Das Stück spielt in der Gegenwart Spieldauer ca. 110 Minuten
3 www.theaterkomoedien.de Die Personen: Gilbert Miller – Frustrierter Ehemann, der entschieden das Weite sucht. Caroline Miller – Dominante Ehegattin von Gilbert. Peter Ericson – Gilbert’s naiver, aber bester Freund. Jaqueline Touissant – Leicht bekleidete Nachbarin. Lena – Prostituierte mit entsprechender „Berufskleidung“. Zuweilen frech und nicht gerade auf den Mund gefallen. Angelo Stagioni – „Arbeitgeber“ von Lena. Spricht gebrochen deutsch mit italienischem Akzent. Er sollte entsprechend auffallend gekleidet sein mit einem Anzug, weit geöffnetem Oberhemd, Gel in den Haaren und vielen Halsketten. Ausgestattet ist er mit einem „Springmesser“. Klaus – Möbelpacker. Trägt eine Latzhose und kariertes Hemd. Robert – genannt „Roberta“ – Ein „etwas anderer Möbelpacker“. Trägt eine Latzhose und ein grellfarbenes Hemd (rosa oder silber glitzernd, auf jeden Fall besonders schrill). Seine Haare sind modisch frisiert und im Gesicht könnte er, nicht zu auffällig, damenhaft geschminkt sein. Er geht beschwingt und mit femininen Bewegungen. Penelope – Ebenfalls dominante und skeptische Schwiegermutter von Gilbert. Das Bühnenbild: Das Wohnzimmer von Gilbert und Caroline. Vorne links eine Tür zur Küche. Hinten links eine Tür zum Hauseingang. An der hinteren Wand links ein Fenster, rechts eine Vitrine. Dazwischen steht ein kleiner Tisch mit einem Radio und einem Telefon. Hinten rechts eine Tür zum Bad, vorne rechts eine Tür zum Schlafzimmer. Auf der Bühne vorne rechts ein Teewagen, auf dem verschiedene alkoholische und nichtalkoholische Getränke sowie entsprechende Gläser stehen. In der Mitte der Bühne ein Tisch, eine Couch und zwei Sessel. Vorne links stehen ein großer Koffer und ein kleiner Kosmetikkoffer.
4 1. Akt 1. Auftritt Caroline, Gilbert Noch bei geschlossenem Vorhang ertönt Musik, ein möglichst stimmungsvoller, möglichst aktueller Hit, der zunächst laut angespielt wird. Der Vorhang öffnet sich und auf dem Sofa sitzt Gilbert, eingehüllt in einer Wolldecke, so dass nur sein Kopf zu sehen ist. Im Mund steckt ein Fieberthermometer. Sein Gesichtsausdruck ist entsprechend mitleiderregend. Die Musik spielt weiter, wird allerdings, nachdem sich der Vorhang geöffnet hat, leiser und kommt jetzt aus dem Radio. Nach kurzer Zeit verstummt die Musik. Aus dem Radio ist ein Sprecher zu hören: Und nun das Wetter, powered by Gebrüder Dampfeisen – dem Heizdeckencenter für die ganze Familie: Ein aus dem Osten nahender Tiefausläufer beschert uns über’s Wochenende einen Orkanschneesturm, der sich gewaschen hat. Sollten Sie also eine Rodeltour planen, vergessen Sie nicht, Ihren Kindern ein Bügeleisen in die Jacke zu stecken, ansonsten könnte es sein, dass der Filmtitel „Vom Winde verweht“ für Ihre lieben Kleinen eine völlig neue Bedeutung erlangt. Die Straßen werden voraussichtlich völlig vereisen, sollten Sie also vorhaben, endlich den Besuch Ihrer Schwiegermutter zu realisieren, wäre jetzt die Gelegenheit, mit einer Einladung wenigstens den guten Willen zu zeigen. Für die frisch Verheirateten unter Ihnen: Die Temperaturen erreichen bis morgen Mittag Tiefstwerte von minus 20 Grad Celsius, für September des kommenden Jahres wird daher mit einem statistischen Anstieg der Geburtenrate um bis zu 20% gerechnet. Wir machen weiter mit Musik. (Musik spielt) Caroline kommt von hinten rechts, sie trägt einen langen offenen Mantel und einen Hut. Sie wirkt hektisch und schaltet das Radio aus: Also, Schatz, du glaubst wirklich, ich kann dich hier drei Tage lang allein lassen? Gilbert nickt. Caroline: Also, im Kühlschrank findest du für heute Filet, für Samstag Camembert und die Preiselbeere. Überlegt: Und Sonntag bin ich ja auch schon wieder zurück. Und wenn du von draußen rein kommst, tritt dir die Füße schön ab, oder weißt du etwa, wo der Staubsauger steht? Gilbert der damit zu tun hat, sich mit Ausnahme seines herausragenden Kopfes in seine Wolldecke zu hüllen, kann wegen seines Thermometers nur gestikulieren. Caroline: Na, siehst du, du weißt es nicht. - Und vergiss nicht, heute Abend die Haustür abzuschließen, du weißt, unten im Erdgeschoss wurde schon zweimal eingebrochen! Hast du dir gemerkt, wann du den Müll rausstellen musst? Gilbert gestikuliert.
5 Caroline: Natürlich hast du’s dir mal wieder nicht gemerkt. Gott sei Dank bin ich nur drei Tage weg und nicht drei Wochen. Ansonsten würdest du wahrscheinlich den Pizzaservice nebenan subventionieren und ich würde die Haustür vor lauter Pappschachteln nicht mehr aufbekommen. Samstag, Samstag musst du den Müll rausstellen, hörst du? Gilbert gestikuliert. Caroline: Ich sehe schon, am Besten ich schreib’ dir’s auf. Vielleicht ist es besser, ich rufe meine Mutter an, damit sie vorbeischaut und nach dem Rechten sieht. Was meinst du? Gilbert bekommt sichtlich Panik und schüttelt entsprechend verzweifelt den Kopf, währenddessen geht Caroline, die sein Kopfschütteln nicht bemerkt, nach hinten zum Telefon. Caroline: Ja, du hast recht, es ist wohl das Beste. Sie wählt. Gilbert gestikuliert Verzweiflung. Caroline in’s Telefon: Ja? Mutter? Ja, ich bin’s, Caroline. Ja, stell’ dir vor, es ist soweit, ich stehe schon in Hut und Mantel. Gilbert hat mir doch zum Geburtstag das Wochenende auf einer Beautyfarm geschenkt, davon hab ich dir doch erzählt. Erst hatte ich gedacht, ich könnte Gilbert mitnehmen, hab’ so gedacht ein bisschen Grundierung und Unterbodenschutz könnte ihm auch ganz gut tun, aber jetzt hat er sich wohl irgendwas eingefangen, vielleicht eine Grippe. Könntest du...?. – Was? Ja, das wollte ich gerade... Ja, ja, ja. Lass mich... wie? - Doch... Ja, ja... Ich wollte auch nur... Nein, nein, da brauchst du nicht alles... wie du meinst. – Welche Flaschen? Ach Maultaschen... Selbstgemacht ... Da muss ich ihn fragen. Zu Gilbert: Magst du Maultaschen? Gilbert gestikuliert völligen Ekel und schüttelt den Kopf. Caroline in’s Telefon: Ja, ich denke schon, vielleicht könntest du einige mehr mitbringen, dann kann ich sie einfrieren und brauche die ganze nächste Woche nicht kochen, wenn ich zurück bin. Gilbert kann’s sichtlich nicht fassen und seine Verzweiflung ist kaum noch zu überbieten. Caroline: Also gut, dann lass es dir gut gehen. Was? Ob er weiß, dass er Samstag den Müll rausstellen muss? Sieht zum zusehends mehr verzweifelnden Gilbert. Ich weiß nicht so recht. Kennst ihn ja. Tschüss. Legt auf: So, dann wollen wir mal sehen, ob du Fieber hast. Geht zu Gilbert, nimmt ihm sein Fieberthermometer aus dem Mund und sieht drauf. Hm, Fieber hast du jedenfalls nicht. Gilbert: Vielleicht ist es deshalb besonders ernst? Caroline: Ehemänner leben länger als Alleinstehende. Gilbert: Dafür sind Ehemänner eher bereit zu sterben.
6 Caroline: Hm, wie auch immer. Küsst ihn auf die Wange: Mach’s gut, mein Schatz, übermorgen bin ich wieder da und mache keine Dummheiten. Hörst du? Gilbert: Was könnte ich hier wohl für Dummheiten machen? Ich gehe gleich zurück in’s Bett und schlafe mich erst mal ordentlich aus. Caroline: Tu das. Wer schläft, sündigt nicht. - Ach, drei Tage auf einer Beautyfarm. Ich werde mich so richtig verwöhnen lassen. Peeling, Gesichtsmassage, Maniküre, alles schöne Dinge für meinen Teint. Also, dieses Jahr hast du dich zu meinem Geburtstag richtig in Unkosten gestürzt. Gilbert: Hoffentlich bringt’s was. Caroline: Bitte? Gilbert: Ich... ich meine... ich wollte sagen... hoffentlich bringt’s was. Erhole dich gut, wollte ich sagen. Caroline: Ach so, ja. Ich denke schon. Mach’s gut mein Schatz. Geht nach hinten links ab, was von Gilbert zunächst noch nicht registriert wird, daher redet er weiter. Gilbert leidend: Mache dir keine Sorgen wegen meiner Krankheit. Ich denke, die Schweißausbrüche werden sich bald legen. Kein Grund, sich den Spaß verderben zu lassen. Vielleicht gehe ich nachher noch in die Apotheke und hol’ mir Schmerzmittel oder vielleicht auch was zum Einschlafen. Sollte es tatsächlich rapide mit mir bergab gehen, dann habe ich mir aus der Zeitung schon mal den Notdienst herausgeschrieben, nur für den schlimmsten Fall. Mache dir also bitte nicht allzu große Sorgen, denn du weißt... Man hört die in’s Schloss fallende Haustür sehr laut. Danach hält Gilbert einen Moment verwundert inne. Nach einer kurzen Pause springt er entschlossen auf, seine Wolldecke wirft er zur Seite und zum Vorschein kommt seine Arbeitskleidung. Er trägt Jeans und ein Oberhemd mit bereits hochgekrempelten Ärmeln. Aus der Gesäßtasche zieht er einen Zollstock und beginnt die Vitrine auszumessen. Danach geht er nach vorne rechts ab und kommt kurz darauf mit einem Umzugskarton zurück, den er vorne links auf der Bühne abstellt. Danach klingelt das Telefon, er geht und nimmt den Hörer ab. Gilbert in’s Telefon: Peter. Er sieht auf die Uhr: Was ist los? Laut Zeitplan müsstest du in genau zwölf Minuten hier sein. - Du rufst aus dem Auto an? Du weißt, dass man während der Fahrt nicht telefonieren darf! - Straßenglätte? Umso schlimmer! Gilbert sieht aus dem Fenster: Ach du Schreck! Dann fahre bloß vorsichtig. Der Zeitplan muss exakt eingehalten werden, hörst du? - Sie ist gerade zur Tür raus. Die Möbelpacker kommen in (sieht auf die Uhr) 17 Minuten! Das Meiste ist schon verpackt, ohne dass sie was mitbekommen hat, sie ist einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Kartons stehen schon im Keller. In genau (sieht auf die Uhr) 29 Stunden, 27 Minuten und 13 Sekunden geht mein Flugzeug in die Freiheit, also beeil dich. - Hallo? Was ist? - Was soll das heißen, du siehst nichts mehr? - Hallo? - Peter? - Um Himmels Willen, jetzt melde dich doch! - Was soll das heißen, du hast eine ältere Dame auf deiner Motorhaube? - Schillerstraße? - Natürlich ist da ein Zebrastreifen. Bewegt sie sich noch? - Ah, sie demoliert dir mit
7 dem Handstock das Auto. Das ist gut. Sieh’ zu, dass du schnell herkommst und vor allem gesund, hörst du? Ich brauche dich hier! Ich mach schon mal ’ne Pulle auf. Als Erstes müssen wir auf mein neues Leben in der Sonne anstoßen. Bis gleich! Legt auf und geht nach vorne links ab. Kurz darauf kommt er mit einer Flasche Sekt und zwei Gläsern zurück, in die er einschenkt. Er stellt alles auf dem Wohnzimmertisch ab, als es an der Haustür klingelt. Er sieht auf die Uhr: Donnerwetter, das nenn’ ich einen fixen Burschen! Er geht nach hinten und ruft gut gelaunt in Richtung Haustür: Komm rein, die Haustür ist nicht abgeschlossen! Kurz darauf geht er zurück zu den Sektgläsern, auf dem Weg dorthin: Ich war schon sehr fleißig. 2. Auftritt Gilbert, Jaqueline Von hinten links kommt - von Gilbert unbemerkt - Jaqueline auf die Bühne. Sie trägt nur ein Negligee. Gilbert: Ich hoffe, du verzeihst mir die Unordnung, aber du weißt ja, wo gehobelt wird, fallen Späne. Nimmt die Sektgläser und steht damit mit dem Gesicht zum Publikum: Ach wie ich mich darauf gefreut habe. Solange habe ich mir diesen Tag vorgestellt und nun ist es endlich soweit. Endlich! Jaqueline: Ich weiß, ich hätte mich längst den anderen Nachbarn vorstellen sollen, aber ich hab’ selbst noch die Wohnung voller Kartons. Gilbert bleibt regungslos stehen, sieht sich dann vorsichtig um, entdeckt Jaqueline und erschrickt: Das kann nicht sein, ich hab’ doch gar nichts getrunken? Jaqueline: Entschuldigen Sie, die Tür war nicht abgeschlossen und weil Sie gerufen haben, bin ich reingekommen. Gilbert: Schon klar. Jaqueline: Sie müssen mir helfen, ich bin in einer großen Verlegenheit. Sicher wundern Sie sich, warum ich in diesem Aufzug hier herein platze? Gilbert: Ooch, na ja, ein bisschen schon. Jaqueline: Ich möchte mich zunächst vorstellen: Jaqueline Toussaint. Ich bin die neue Nachbarin von gegenüber. Gilbert: Verstehe. Jaqueline: Nun, ich habe gestern damit begonnen, einzuziehen. Die ganze Wohnung steht noch voller Kartons. Nur das Bett habe ich provisorisch aufgebaut. Es war die erste Nacht in meiner neuen Wohnung, wissen Sie? Gilbert sieht ungeduldig auf die Uhr. Jaqueline: Störe ich?
8 Gilbert: Nein, nein, erzählen Sie nur weiter. - Die erste Nacht... Jaqueline: ...in meiner neuen Wohnung, genau. Gerade war der Zeitungsjunge da. Er legt hier die Zeitung immer vor die Haustür. Ich wollte nachsehen, was das für ein Geräusch war, es ist alles noch so neu, alles kommt einem ungewöhnlich vor, wissen Sie? Gilbert: Sicher. Jaqueline: Nun ja, ich trat also vor die Tür und sah gerade noch den Zeitungsjungen runterflitzen. Also drehe ich mich um, weil ich noch nicht gefrühstückt habe, wissen Sie? Tja, und dann ist es passiert. - Peng! Gilbert entsetzt: Man hat auf Sie geschossen? Jaqueline lacht: Aber nein. Die Tür fiel ins Schloss und außen ist nur ein Knauf. Jetzt komme ich nicht mehr in meine Wohnung. Gilbert: Oh, das haben wir gleich, ich rufe den Schlüsseldienst, der wird Ihnen die Wohnung öffnen. Jaqueline: Nun ja, es ist Freitag, an einem Werktag dürfte das kein Problem sein. Sie sind sehr nett. Gilbert: Aber ich bitte Sie. - Möchten Sie Sekt? Jaqueline: Oh, sehr gern. Es ist nur... Auf nüchternen Magen vertrag’ ich das nicht, wissen Sie? Gilbert: Oh, das fehlende Frühstück. Kommen Sie, ich bringe Sie in die Küche. Da ist wenigstens noch etwas Geschirr. Den Rest habe ich schon in Kartons verfrachtet. Jaqueline: Kartons? Gilbert: Ach so, äh, ja, lange Geschichte. Am besten ist, ich zeige Ihnen die Küche und dann frühstücken Sie erst mal. Er geht nach vorne links ab und sie folgt ihm. Jaqueline: Sie sind zu liebenswürdig. Es klingelt. 3. Auftritt Gilbert, Peter Gilbert kommt aus der Küche und eilt zur Haustür. Kurz darauf kommt er mit Peter zurück. Peter trägt einen Mantel. Gilbert sieht auf die Uhr: Du bist drei Minuten hinter dem Zeitplan.
9 Peter: Hast du eigentlich auch unsere Toilettenzeiten genau geplant? Draußen stürmt und schneit es wie verrückt. Wenn das so weiter geht, dann läuft in ein paar Stunden gar nichts mehr. Gilbert sieht aus dem Fenster: Um Himmels Willen! Die Umzugsfirma! Gleich kommen die Möbelpacker, in (sieht auf die Uhr) 12 Minuten. Peter: Den Zebrastreifen vorhin hab’ ich nicht erkennen können. Hab’ so ’ne alte Schachtel glatt auf die Motorhaube genommen. Ist aber weiter nichts passiert. Gilbert: Bei deinem Fahrstil haben wir bald kein Problem mehr mit der Finanzierung der Rentenkasse. Peter: Ist sie schon weg? Gilbert: Wer? Peter: Na, Caroline, deine Frau wirst du doch wohl so schnell noch nicht vergessen haben? Gilbert: Klar, ist sie das. Gerade eben. Du glaubst nicht, wie ruhig mir hier alles plötzlich vorkommt. Ständig dieses Gequatsche von wegen „denk dran, dass du Samstag den Müll rausstellen musst“. - Ich kann es nicht mehr hören. Peter: Hast du eigentlich jemals den Müll runtergebracht? Gilbert: Ich? Nö. Peter: Warst du ihr im Haushalt nie behilflich? Gilbert: Klar, ich hab’ immer gesagt: „Schatz, die Tüten sind doch viel zu schwer für dich, geh’ doch dreimal“. Peter: Und du hast wirklich vor, dich endgültig zu verpieseln? Gilbert: Aber so was von endgültig. Ich hab’ die Schnauze voll. Die Frau führt mich direkt in die Hölle. Der Plan mit dem Wochenende in der Beautyfarm war genial. Es war deine Idee. Peter: Es sollte ein Scherz sein. Ich hätte nicht gedacht, dass du es ernsthaft tust. Gilbert: Morgen nehm’ ich die Maschine nach Palma de Mallorca und weg bin ich. Vergiss nicht, mir den Schlüssel für deine Finca zu geben. Peter: Keine Sorge. Aber es ist nur... Gilbert: Nur für den Übergang, bis ich dort ’ne Wohnung habe, klar. Oh Mann... Schwärmerisch: Ich werde mir einen ruhigen Job suchen und das Leben in der Sonne genießen. Auf Mallorca lebt man, weißt du? Keine Hektik, kein Stress, nur Leben. - Mein neues Leben! Ja, ab morgen, wenn ich in der Maschine sitze, ist
10 das der Auftakt meines Neubeginns. Ich werde meinen eigenen Fisch aus dem Meer fangen und in den Tag hineinleben. Peter: Ich weiß nicht. Die Umwelt ist doch überall belastet. Gestern erst hab’ ich eine Dose Sardinen geöffnet. - Alles war voller Öl und die Fische waren tot. Geht zum Fenster und sieht raus: Was wird aus Caroline? Gilbert: Die wird soviel zu erzählen haben, dass sie erst nach Stunden bemerkt, dass ich gar nicht mehr hier bin. Dann wird sie begreifen, was los ist und entsprechend hysterisch werden. Aber das gibt sich wieder. Sie wird sich schnell mit einem anderen trösten. Das Haus von Boris Becker auf Mallorca hat übrigens 20 Zimmer, zwei Tiefgaragen und drei Altglascontainer für die ganzen Nutella- Gläser. Peter sieht immer noch zum Fenster hinaus. Gilbert: Das mit dem Wetter geht schon in Ordnung. Das ist bald vorbei mit dem Schnee. Gut, dass Caroline für drei Wochen im Voraus eingekauft hat. Wusstest du, dass es schon Kühlschränke gibt, die sprechen können? Wenn die Dinger auch noch spülen und putzen könnten, würde ich mich fragen, wer da als Mann noch heiraten sollte. Peter: Übrigens, meine Finca auf Mallorca entspricht nicht so ganz den örtlichen Bauvorschriften, ich hoffe, es stört dich nicht. Gilbert: Heißt dass, dein Abwasserrohr geht nicht direkt ins Meer? Peter: Äh, da ist noch etwas. Gilbert: Jetzt sage nicht, du musst in einer halben Stunde schon wieder weg. Du wolltest mir beim Auszug helfen und das wird hier und heute erledigt. Schließlich habe ich nicht viele Kartons... Peter: Nein, nein, das ist es nicht. Klar helfe ich dir. Ich muss dir nur noch etwas erzählen. Ich hab’ da noch jemanden im... also am Auto. Gilbert: Liegt die alte Schachtel etwa immer noch auf deiner Motorhaube? Peter: Nein, nein, ich fuhr nach diesem kleinen Zwischenfall noch ein Stück und dann sah ich da so eine Frau. Sie stand inmitten des Unwetters an der Straße und es hat geschneit. Gilbert: Mir kommen die Tränen. Peter: Ich hielt also an und fragte sie, ob ich sie ein Stück mitnehmen kann, ich müsse in die Prinzenstraße Er lacht: Tja, was soll ich dir sagen, sie ist mitgekommen, sie hat anscheinend den gleichen Weg. Gilbert: Wo ist sie jetzt?
11 Peter: Sie musste sich nur noch Zigaretten holen. Ich habe ihr angeboten, mit raufzukommen auf eine Tasse Tee zum Aufwärmen. Du hast doch nichts dagegen? Gilbert nimmt sich ein Sektglas und trinkt: Na, dann Prost. Peter nimmt auch ein Glas: Danke, Prost! Trinkt. Gilbert: Sag’ mal, du weißt aber schon, dass ich bis morgen Mittag verschwunden sein muss? Um 14.15 Uhr fliegt mein Flugzeug nach Mallorca in die Freiheit. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Stellt das Glas ab: Also komm, im Schlafzimmer sind noch ein paar Sachen, die du in Kartons verpacken kannst während ich... Es klingelt. Peter: Das wird sie sein. Geht nach hinten links ab. Ich mache auf. Gilbert genervt: Oh, Mann, wenn das so weiter geht, hat mich meine Frau wieder in den Klauen und das Flugzeug fliegt ohne mich. 4. Auftritt Gilbert, Peter, Lena Peter kommt mit Lena zurück. Lena trägt einen langen Mantel und kaut Kaugummi. Peter: Darf ich vorstellen, das ist... Lena: Lena! Peter: Lena... Lena: Einfach Lena. Peter: Also das ist... Lacht verlegen: Einfach Lena. - Lena, das ist... Gilbert genervt: Einfach Gilbert! Freut mich. Lena lacht: Echt süß. Gilbert: Bitte? Lena: Wohnt ihr beiden hier zusammen? Peter: Oh, nein! Nein, nein! Das ist Gilberts Wohnung. Gilbert wohnt aber nicht mehr lange hier, er hat nämlich vor... Gilbert unterbricht: ...hier ein bisschen zu renovieren. Lena: So, so, renovieren. Sie zieht ihren Mantel aus und ihr eindeutiges Erscheinungsbild, insbesondere ihre „Berufskleidung“, tritt zutage. Gilbert und Peter sind sichtlich entsetzt und mustern die Überraschung. Ich geh’ schon mal in’s Bad. Wo geht es lang?
12 Gilbert dem das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben steht, deutet sprachlos auf die Tür hinten rechts. Lena: Ich hab’ gar nicht gewusst, dass wir zu dritt sind, aber ihr wisst hoffentlich, dass das extra kostet! Peter: Na, Sie scheinen mir ja gut drauf zu sein. Lena: Ich bin auch gut drunter, verlass dich drauf, Kleiner. Geht nach hinten rechts ab. Peter nach einer Pause zögerlich: W... Wow ! Gilbert leise: Halt die Klappe, du Idiot. Peter: Das ist ein Missverständnis. Draußen hat man das nicht so gesehen, da muss ich durch den Mantel irgendwie was übersehen haben. Gilbert: Du hast hier ’ne Prostituierte angeschleppt, ist dir das klar? Peter: Nee, ich glaub’, das ist sogar ’ne Nutte. Gilbert der sich wieder etwas gefangen hat: Sag’ mal, bist du eigentlich mit der Muffe gepufft? Ich bereite hier meinen Ausstieg vor, um auf Mallorca ein neues Leben zu beginnen, bitte meinen besten Freund um einen kleinen Gefallen, das Notdürftigste in ein paar Kartons zu verpacken, und du hast nichts Besseres zu tun als hier ’ne Orgie zu veranstalten. Peter: Das war ein Missverständnis, das musst du mir glauben. Sie stand am Straßenrand, es war kalt und... Gilbert: ...und da hast du gedacht: „Prima, ich leg’ sie einfach ins Bett und wärm uns beide etwas auf.“ Du bist ein echter Samariter! St. Paulis Antwort auf Mutter Theresa! Peter: Jetzt lass das doch. Gilbert: Bei dem, was wir hier vorhaben, ist das letzte, was wir gebrauchen können, Frauen, das hab’ ich doch gesagt! 5. Auftritt Gilbert, Peter, Jaqueline, Lena Jaqueline kommt aus der Küche: So, jetzt hab’ ich was im Magen und gegen ein Schlückchen Sekt nichts einzuwenden. Peter sieht Gilbert verständnislos an. Gilbert zu Peter: Ich kann das erklären.
13 Peter erstaunt: Sicher. Gilbert geht in die Küche. Jaqueline zu Peter: Jaqueline Toussaint, ich bin die neue Nachbarin. Peter musternd: Nee, is’ klar. Jaqueline: Und wer sind Sie? Peter sichtlich von Jaqueline beeindruckt: Das hab’ ich vergessen. Jaqueline: Bitte? Peter: Äh, Peter, Peter Ericson. Ich bin Gilberts Freund. Gilbert kommt mit einem dritten Sektglas aus der Küche: So, hier wäre dann also noch ein Gläschen für den ungebetenen... äh, unerwarteten Gast. Schenkt auch ihr ein. Prost allerseits. Alle drei trinken, währenddessen kommt Lena aus dem Bad zurück. Lena: Ach du Schreck. Zu viert? Das kostet noch mal extra. 100 die Stunde bei zwei Zusatzkunden, das macht 300. Sie zündet sich eine Zigarette an. Jaqueline: Guten Tag. Lena: Tag, Kleines. Gilbert sieht auf die Uhr: Die Möbelpacker müssten längst hier sein, schon seit 22 Minuten! Jaqueline zu Gilbert: Ich gehe in die Küche und spüle das Frühstücksgeschirr, schließlich habe ich Ihnen schon genügend Unannehmlichkeiten gemacht. Vielleicht rufen Sie inzwischen den Schlüsseldienst? Gilbert: Prima Idee! Lena: Schlüsseldienst? Fesseln kostet extra! Peter: Warum gehen Sie nicht mit in die Küche und helfen Jaqueline? Lena verrucht: Wenn es dir hilft, Kleiner. Du hast es echt faustdick hinter den Ohren. Zu Jaqueline: Arbeitest du auch für Angelo? Jaqueline geht in die Küche, Lena folgt ihr, beim Abgehen: Bitte? Lena: Verstehe, du arbeitest für jemand anderen. Lena und Jaqueline gehen in die Küche ab. Peter sieht Gilbert fragend an. Gilbert: Ich kann das erklären. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich und die Nachbarin...
14 Peter unterbricht: Sagen wir’s mal so: Ich komme hier herein, und du hältst mir eine Standpauke von wegen Frauen wären tabu. Dass ich hier versehentlich eine aus dem Rotlicht- oder was weiß ich was für einem Milieu anschleppe, ist dumm gelaufen. Aber dass du hier den Moralapostel spielst, während du dich mit deiner – sagen wir mal leicht bekleideten - Nachbarin aufwärmst, ist nun wirklich die Höhe. Gilbert: Sie ging vor die Tür und da hat es „Peng“ gemacht. Sie brauchte jemanden und weil der Zeitungsjunge schon weg war, ist sie halt zu mir gekommen. Peter völlig irritiert: Aha. Gilbert: Sie hat von außen nämlich nur einen Knauf. Deutet es mit einer Handbewegung an. Peter: Ich glaube, du... du erklärst mir alles später in Ruhe. Im Moment kann ich dir nämlich nicht ganz folgen. Gilbert: Du hast recht. Wir sollten den Schlüsseldienst anrufen. Peter: Ich denke, in dieser Gegend haben wir nicht allzu viel Auswahl. Der nächste Schlüsseldienst liegt - soweit ich weiß - rund 15 Kilometer entfernt. Wie hieß der Laden noch? Geht zum Telefon und sucht aus dem Telefonbuch die Nummer eines Schlüsseldienstes heraus. – Ah ja, genau, Firma Schulz und Sohn. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil sich die Firma direkt neben der Justizvollzugsanstalt niedergelassen hat. Er wählt. Gilbert: Sehr gut. Was ist? Geht jemand ran? Peter in’s Telefon: Ja? Sehr gut. Mein Name ist Peter Ericson. Ich rufe aus dem Hause Gilbert Miller an und... – bitte? Ja, dem Schriftsteller, von dem Sie bislang noch kein Buch im Handel gefunden haben. Sagen Sie, könnten Sie vielleicht jemanden schicken, der uns eine Haustür öffnet, es ist nämlich so, dass... Pause. Gilbert: Was ist, was sagt er? Peter zu Gilbert: Ob wir schon mal rausgeguckt hätten und dass das ein Wetter sei wie bei den olympischen Winterspielen. Gilbert: Sag ihm, meine leicht bekleidete Nachbarin schwirrt in meiner Wohnung rum und sie kommt nicht mehr in ihre Wohnung. Peter in’s Telefon: Seine leicht bekleidete..., ah Sie haben’s mitbekommen. Aha. Gilbert: Was ist, was sagt er? Peter zu Gilbert: Er sagt, du bist ein Glückspilz und wozu du den Schlüsseldienst dazu brauchst? Gilbert: Idiot!
15 Peter: Hören Sie, mein Kumpel ist in einer schwierigen Situation. Seine Frau kommt bald zurück und dann könnte für Sie neben unterlassener Hilfeleistung auch noch der Vorwurf einer quasi mittelbaren Körperverletzung dabei rauskommen, wenn Sie uns nicht helfen. Gilbert: Sehr gut. - Was sagt er? Peter: Aha! Zu Gilbert: Er sagt, er würde dir gerne die leicht bekleidete Nachbarin abnehmen, aber egal wie es kommt, Auto fahren ist bei dem Schneesturm lebensgefährlich. Gilbert: So ein Weichei! Peter in’s Telefon: Ja, danke. Er legt auf. Gilbert: Ich werd’ hier noch wahnsinnig. Peter: Beruhige dich, morgen um diese Zeit brichst du schon fast auf nach Mallorca. Gilbert: Ich soll mich beruhigen? Caroline hat auch noch ihre Mutter gebeten, mit einem Haufen Maultaschen hier aufzukreuzen und nach dem Rechten zu sehen. Peter: Au Backe! Wann kommt sie? Gilbert: Wenn ich Pech habe in fünf Minuten, wenn ich Glück habe in zwei Tagen, wenn ich bereits auf Mallorca bin. Peter: Penelope? Gilbert: Soweit ich weiß, hab’ ich nur eine Schwiegermutter, ja! Peter: Verstehe. Es klingelt: Also, das mit der Schwiegermutter war nicht abgemacht. Er will gehen: Tschüss! Gilbert: Nichts da! Er zieht ihn zurück: Das ziehen wir zusammen durch. Geht nach hinten links zur Haustür ab. 6. Auftritt Gilbert, Peter, Klaus Gilbert kommt kurz darauf mit dem Möbelpacker Klaus zurück. Gilbert: Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mich freue, dass Sie es sind. Er schüttelt ihm die Hand. Peter geht auch auf ihn zu und schüttelt ihm die Hand: Und ich erst. Klaus, der einen Werkzeugkasten trägt, zu Peter: Angenehm. Wir kennen uns noch nicht. Firma Nacht und Nebel Umzüge.
16 Peter: Bitte? Klaus: Nacht und Nebel Umzüge. So heißt unsere Firma. Mein Name ist Nacht und mein Partner heißt Nebel. Na ja, da dachten wir, der Name drängt sich quasi auf, was?! Haut Peter auf die Schulter, der dabei fast zusammenbricht. Peter: Wie originell. Klaus: Ich hab’ noch jemanden mitgebracht. Gilbert und Peter: Wen? Klaus stellt den Werkzeugkasten ab: Robert, meinen Kollegen, er ist noch unten am LKW, er kommt gleich. Ist ein Student, der aushilfsweise in unserer Firma arbeitet. Gilbert: Jedenfalls ist es ausgezeichnet, dass Sie da sind. Ich habe schon eine Menge Kartons vollgepackt, die im Keller bereit stehen. Sie müssen sie nur noch in Ihren LKW verladen. In der Zeit könnte Ihr Kollege vielleicht den Schlafzimmerschrank auseinander bauen. Zu Peter: Der gehört nämlich mir. Klaus: Okay, dann zeigen Sie mir erst mal die Kartons im Keller. Gilbert: Sehr gut, wenn Sie mir bitte folgen würden. Er will zur Haustür gehen, als es plötzlich klingelt. Gilbert bleibt wie versteinert stehen: Ob das... Peter: ...deine Schwiegermutter ist? Gilbert: Die hat ja wirklich nicht lange auf sich warten lassen. Geht nach hinten links ab. 7. Auftritt Gilbert, Peter, Klaus, Robert Gilbert kommt mit dem „etwas anderen Robert“ wieder, der in beschwingtem Gang und sichtlich femininen Bewegungen die Szene betritt. Robert: Tag’chen, Tag’chen, Tag’chen! Wenn ich gewusst hätte, dass das draußen so kalt ist, na da hätt’ ich mir doch ein Jäckchen übergezogen! Klaus: Jetzt komm’ Roberta, mach’ hier keinen Aufstand, wir haben zu tun. Im Schlafzimmer steht ein Kleiderschrank, den kannst du schon mal auseinander bauen. Ich verlade inzwischen die Kartons aus dem Keller in den LKW. Hopp, hopp, denk’ dran, ich bin für heute Abend verabredet. Robert: Du sollst nicht immer Roberta zu mir sagen. Außerdem glaub’ ich dir das mit deiner Verabredung eh’ nicht. So eine Gummipuppe lässt sich schließlich jederzeit aufblasen. Klaus: Idiot! Nimm’ den Werkzeugkasten und fang’ an.
17 Robert, der mit Mühe den Werkzeugkasten hebt und damit in’s Schlafzimmer verschwindet: Hach, ist der schwer. Wenn mir bei dem Schrank auch nur ein Fingernagel ruiniert wird, erklärst du das meiner Maniküre. Gilbert zu Klaus: Kommen Sie. Geht nach hinten links durch die Haustür ab und Klaus folgt ihm. Klaus: Bei meinem Kollegen brauchen Sie übrigens keine Angst zu haben, dass der Ihnen die Frau ausspannt. Lacht. Peter: Mir ist die ganze Aufregung auf die Blase geschlagen. Geht nach hinten rechts ab. 8. Auftritt Lena, Robert Lena kommt aus der Küche: Also, dass mit dem Geschirr abwaschen ist okay, aber die feudelt dem ja auch noch die ganze Küche, nee. – Das kostet extra. Robert kommt aus dem Schlafzimmer: Ooh. Tag’chen. Ich hörte eine Stimme, da war ich nicht sicher, ob jemand nach mir gerufen hat. Lena: Was willst’n du hier, Kleiner? Jetzt sag’ nicht, du machst auch noch mit. Robert: Wie? Glaubt zu verstehen: Ach so, ja, ja. Klar, was dachtest du denn? Lena: Dann sind wir ja zu fünft? Robert: Äh, gut möglich. Lacht. Lena: Das kostet extra. Robert: Machst du so was zum ersten Mal? Lena glaubt ihren Ohren nicht zu trauen: Wie bitte? Robert: Na ja, das mit dem Umziehen? Lena sieht an sich herunter: Das ist meine Berufskleidung. Über die Details können wir sicher später noch reden, aber andere Klamotten hab’ ich nicht mit. Robert: Was du nicht sagst. Also, ich find’ deine Klamotten richtig tuffig, du kannst so was tragen! Lena: Für wen arbeitest du? Robert: Nacht und Nebel. Lena: Hm, den Laden kenn’ ich nicht. Ist das ’ne Insider-Adresse? Robert überlegt: Könnte man so sagen.
18 Lena: Was verlangst du die Stunde? Robert: Keine Ahnung, das macht alles mein Chef. Lena: Bei mir macht Angelo, mein Chef, auch die Preise. Robert: Ich soll im Schlafzimmer einen Kleiderschrank auseinander bauen und hab’ Angst wegen meiner Nägel. Könntest du mir vielleicht behilflich sein? Lena: Klar! Ich möchte nur wissen, was die mit uns vorhaben. Eins steht jedenfalls fest: Billig wird das nicht. Robert: Ich zeig dir den Weg. Hach, find’ ich das tuffig. Er geht vor und Lena folgt ihm in’s Schlafzimmer. 9. Auftritt Peter, Gilbert, Robert, Lena Das Telefon klingelt. Peter kommt von hinten rechts auf die Bühne und hebt ab. Peter in’s Telefon: Hier bei... Oh, guten Tag. Ja, Gilbert erzählte davon. Nein, ich denke, das ist nicht mehr nötig, weil... Ja, lassen Sie mich nur... Ja, deshalb würde ich vorschlagen, dass Sie nicht... Ja. - Und... Haben Sie... Lassen Sie mich... Ich würde... Ja. - Wie Sie meinen. - Auf Wieder..., hallo? – Hm, aufgelegt. Hängt den Hörer ein. Danach betritt Gilbert von hinten links die Bühne. Gilbert: Oh, Mann, hoffentlich schaffen wir das rechtzeitig. Peter: Penelope hat angerufen. Gilbert: Bitte? Peter: Deine Schwiegermutter hat angerufen. Gilbert: Lass’ mich raten: Bei dem Sauwetter fährt sie nicht. Alles ist zugeschneit und sie kann nicht kommen. Peter: Machst du Witze? Sie übernachtet unterwegs und kommt morgen Vormittag. Gilbert entsetzt: Das geht nicht. Peter: Ihr das zu erzählen habe ich versucht, glaub mir. Gilbert: Das ist das Ende. Setzt sich fassungslos und verzweifelt auf das Sofa. Dann fängt er sich wieder und wirkt entschlossen: Aber nein. Das ist es nur, was diese Frauenallianz will. Aber da haben sie die Rechnung ohne Gilbert gemacht. Ich werde nach Mallorca verschwinden, da kannst du einen drauf lassen! Peter: Recht so. Wir müssen kämpfen.
19 Gilbert steht auf: Ja, kämpfen, so ausweglos kann gar keine Situation sein, als dass ich sie nicht meistern könnte! Aus dem Schlafzimmer hört man ein abwechselndes lautes Stöhnen von Lena und Robert. Robert: Ja, jetzt! Lena: Halt durch! Robert: Du musst festhalten! Lena: Mach ich doch! Robert: Gleich! Lena: Ja! Robert: Au, Waaaahnsinn! Lena: Ich kann nicht mehr! Man hört Lärm, als würde ein Schrank zusammenfallen. Peter und Gilbert hören dem Treiben fassungslos zu. Dann folgt einen Moment lang Stille. Robert, der einen Träger seiner Latzhose wieder schließt, als er aus dem Schlafzimmer tritt: Dabei ist mir glatt die Hose aufgegangen, von ganz allein. Lena kommt ebenfalls aus dem Schlafzimmer: Das kostet extra. Peter und Gilbert rufen zusammen in’s Publikum: Hiiiiilfe !!! Vorhang
20 2. Akt 1. Auftritt Peter, Gilbert Gilbert liegt mit einer Wolldecke zugedeckt und mit einem Pyjama bekleidet auf dem Sofa und schläft. Vorne links auf der Bühne stehen zwei Umzugskartons, hinten rechts auf der Bühne steht eine Trittleiter. Peter betritt gequält von hinten links die Szene, er bemerkt Gilbert nicht und stellt das Radio ein. Stimme aus dem Radio: Guten Morgen, guten Morgen liebe Freunde von Hit Radio Mega–Welle – dem Sender mit Spitzenprogramm auch bei miesem Empfang. Na? Ist das ein Scheißwetter? Ich sag’ Ihnen, noch nicht mal mein Hund wollte vor die Tür. Das ist auch gut so, denn bei dem Schnee hätt’ ich ihn wahrscheinlich mit viel Glück und ausreichend Verwesungsgeruch erst in ein paar Wochen wiedergefunden. Aber gestern, als ich nach meiner Frühschicht den Sender verlassen habe und voll Todesangst nach Hause schlittere, da seh’ ich doch, wie mir tatsächlich ein Umzugs-LKW entgegenkommt. Ich hab’ mich gefragt: „Gibt es tatsächlich Idioten, die bei dem Wetter ihr Umzugsgut transportieren oder ist das wieder so eine verrückte Wintertrendsportart aus Amerika?“ Na ja, ist ja auch egal Leute, das Leben ist bunt, hab’ ich recht? Jedenfalls sind inzwischen die Straßen weitestgehend geräumt und ich denke, morgen haben wir wieder fast normale Zustände. Jedenfalls, was die Straßenverhältnisse betrifft. Es geht weiter mit Musik... Aus dem Radio hört man das Lied von Gloria Gaynor „I Will Survive“ und Peter beginnt, dazu zu tanzen. Zuerst zögerlich, dann mit entsprechend rhythmischen Bewegungen. Nach einer Weile bemerkt er den sich langsam aufrichtenden und jetzt sitzenden Gilbert. Er hält inne, läuft dann schnell zum Radio und schaltet es ab. Peter: Guten Morgen. Gilbert genervt: Ja, genau. Peter: Hast du gut geschlafen? Gilbert: Geht so. Wenn man bis spät in die Nacht Kisten schleppt, kann man gar nicht anders als gut schlafen. Peter: Haben wirklich alle hier übernachtet? Gilbert: Na klar. Die Nachbarin, weil sie immer noch nicht in ihre Wohnung kommt und der Rest von denen konnte nicht mehr zurück, weil die Straßenverhältnisse noch zu chaotisch waren. Überlegt: Sag’ mal, die Lena könnten wir doch eigentlich bis an den Straßenrand bringen, da ist sie doch schließlich auch hergekommen. Dann wären wir wenigstens schon mal eine von diesen Gestalten los. Peter: Ich weiß nicht recht. Gilbert: Wo hast du eigentlich geschlafen?
21 Peter: Im Eingangsflur. Gilbert: Allein? Peter: Nö. Es war sehr dunkel, ich glaube Lena hat dort auch geschlafen. Ständig schmuste sie an mir herum. Heute Morgen bin ich in ihren Armen aufgewacht. 2. Auftritt Peter, Gilbert, Lena Lena kommt in einem Bademantel aus dem Schlafzimmer: Oh, Mann, was für eine Nacht. Setzt sich in einen Sessel. Peter wirkt sichtlich irritiert. Peter: Sie... Sie haben die ganze Nacht im Schlafzimmer zugebracht? Lena: Mit diesem Heini in Latzhose. – Jedenfalls hatte er zuerst noch eine Latzhose an. Mann, was für eine Nacht. Zu Gilbert: Ich weiß zwar nicht, wie lange wir noch weiter machen wollen, aber ich denke wir sollten über einen Vorschuss reden. Geht in die Küche ab: Aber zuerst koch’ ich uns mal einen Kaffee. Gilbert wird hektisch steht auf: Jetzt reicht’s. Sieht auf die Uhr: Es dauert nicht mehr lange, dann geht mein Flugzeug. Jeden Moment kann meine Schwiegermutter hier aufkreuzen und dann gute Nacht! Die wichtigsten Sachen sind verladen. Ich verschwinde jetzt zum Flughafen. Peter: Und ich? Er setzt sich auf’s Sofa. Gilbert: Du regelst den Rest. Wenn meine Schwiegermutter eintrifft, bin ich schon weg. Am besten, du erzählst ihr, ich wäre verschwunden. Dann musst du dir keine bohrenden Fragen anhören. Wer von nichts weiß, kann auch nicht viele Antworten auf nervtötende Fragen geben. Peter: Sag mal, warum muss es eigentlich Mallorca sein und nicht ein anderes Land, zum Beispiel... Überlegt: ...Holland? Gilbert: Holland? Landschaftlich nicht reizvoll. Holland ist so flach, dass sich die höchste Erhebung auf Linda de Mol befindet. 3. Auftritt Peter, Gilbert, Robert Robert kommt aus dem Hauseingang. Er trägt einen möglichst lustigen Schlafanzug und eine Augenbinde, die er auf der Stirn trägt. In der Hand hält er eine Damenkulturtasche: Hallöchen, Hallöchen, Hallöchen! Hach, was für eine Nacht. Setzt sich zu dem sichtlich schockierten Peter, der sofort etwas Abstand nimmt: Guten Morgen, mein Kleiner. Er streicht ihm über den Kopf: Du hast ganz schön geschnarcht. Peter empört: Ich bin nicht dein Kleiner!
22 Robert: Na, das hat sich aber heute Nacht ganz anders angehört, du Schlimmer. Er kichert: Hach, bist du tuffig. Er krault Peter, den der blanke Ekel packt, am Kinn. Peter verzweifelt: Oh, nein! Robert: Das muss dir nicht peinlich sein, ich erzähl’s ja nicht weiter, mein Gott. Peter: Da gibt’s nichts weiter zu erzählen! Robert kichert. Zu Gilbert: Ist er nicht süß, wenn er sich aufregt? Kitzelt Peter abwechselnd an Bauch und Kinn, Peter lacht gequält. Peter setzt sich etwas weiter weg: Lass das, oder seh’ ich vielleicht aus wie Klaus Wowereit? Robert: Und Humor hat er auch noch! Wie tuffig. Rückt näher. Gilbert: Also, ich geh’ jetzt erst mal in’s Bad. Danach verschwinde ich sofort, sonst lande ich anstatt auf Mallorca in der Klappsmühle. Geht nach hinten rechts ab. Peter: Lass mich nicht allein! Es klingelt: Ach du Scheiße. Da haben wir den Salat. Robert: Was ist? Peter: Die Schwiegermutter. Robert: Bitte? Peter: Äh, würdest du mir einen Gefallen tun? Robert lüstern: Jeden. Peter: Öffne die Haustür, ich geh’ schnell in’s Gästebad, eine Tür weiter. Das wird Gilbert’s Schwiegermutter sein, sie soll hier ein Momentchen warten. Er läuft nach hinten rechts ab. Robert: Ich kann doch so nicht an die Tür gehen, hey! Es klingelt wieder. Robert läuft panisch von einer Seite des Zimmers mit schwingenden Schritten in die andere. Schließlich entschließt er sich, die Tür zu öffnen. 4. Auftritt Robert, Angelo Er geht nach hinten links ab und kommt kurz darauf mit Angelo wieder. Robert: Wie eine Schwiegermutter sehen Sie nicht aus. Angelo: Si, Angelo Stagioni mein Name. Eine meiner... äh, Mitarbeiterinnen hatte hier in der Nähe zu tun und gesehen, wie Lena hier ist abgestiegen, comprende?
23 Robert: Heißen Sie wirklich Angelo Stagioni? Angelo: Si. Robert: Was für ein Zufall. Sind Sie der Erfinder der gleichnamigen Pizza? Angelo: Wenn du machst’e Witze über Angelo, ich’e mache dir Beton an Füße und schmeiß dich in Fluss, comprende? Robert schockiert: Hach, jetzt sei’n ’se doch nicht gleich so patzig. Man wird doch wohl mal fragen dürfen. Zum Publikum: So ein Stinkstiefel. Angelo: Also, hast du gesehen meine Lena? Robert eingeschnappt und entsprechend zickig: Gut möglich, wer weiß? Angelo: Ich’e kann auch anders. Holt aus seiner Hosentasche ein Springmesser heraus, die Klinge springt heraus und Robert erschrickt. Robert: Sagen Sie mal, sind Sie wahnsinnig? Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was mit diesen Mistdingern schon alles passiert ist? Er holt eine Nagelfeile aus der Tasche und beginnt sorgfältig die Finger zu maniküren. Angelo: Si. Also, wo ist Lena? Robert: Ich muss in’s Bad und mir auf den Schreck erst mal das Näschen pudern. Will nach hinten rechts abgehen, doch Angelo stellt sich ihm in den Weg. Robert ist nun sichtlich genervt und setzt sich auf’s Sofa: Hach, also gut, ich hab’ sie gesehen, aber das war gestern. Ich glaube nicht, dass sie heute noch hier ist. Angelo: Warst du Kunde von ihr? Robert: Seh’ ich so aus? Angelo sieht sich Robert genau an: No, eigentliche... nicht. Setzt sich auch auf’s Sofa und beginnt, demonstrativ die Fingernägel mit dem Messer zu maniküren. Dann werde ich hier sitzen und auf sie warten. Robert geht nach hinten rechts ab. 5. Auftritt Gilbert, Angelo Gilbert kommt von hinten rechts. Er trägt Urlaubskleidung, wie z.B. ein Hawaiihemd und einen Stroh-Hut. In der Hand hält er einen Koffer: So fertig! Als er Angelo bemerkt, bleibt er verdutzt stehen Wer sind Sie denn? Entnervt: Nein, sagen Sie nichts. – Sie haben sich aus Ihrer Wohnung ausgesperrt? Oder nein - Sie sind mit Ihrem Auto im Schnee stecken geblieben und möchten jetzt hier übernachten? Oder noch besser: Sie haben in der Bahnhofsmission gehört, dass ich hier gestern eine Obdachlosenunterkunft eröffnet habe? Oder nein - Man erzählt sich schon, dass man bei mir umsonst wohnen kann, wenn man nachweist, dass man sich daheim entweder ausgesperrt hat oder versehentlich mit einem Fremden mitgefahren ist?
24 Angelo: Ich nicht verstehe. Gilbert genervt: Was wollen Sie hier? Angelo: Ich bin Angelo Stagioni. Gilbert überlegt: Hm, haben Sie etwas mit diesen italienischen Nudeln zu tun? Angelo verärgert: Schnauze! Wo ist Lena? Gilbert geht ein Licht auf und das Entsetzen steigt ihm in’s Gesicht: Ach du Schreck! Sie sind Angelo? Angelo: Si. Gilbert: Na, Klasse. Zu sich: Dann haben wir jetzt auch noch die Mafia im Haus. Darauf hätte ich kommen müssen. Das fehlte mir ja noch in meiner Sammlung. Warum mach ich nicht gleich ein Schild an die Haustür „Wünschen Sie ein Stundenhotel, eine Schwuchtel, eine wandelnde Dessousvorführung oder ein Messer im Rücken? Bitte bei Gilbert klingeln!“ - Au man. Zu Angelo: Hören Sie, es ist mir egal, was und wen Sie suchen, aber ich muss jetzt weg! Will nach hinten links abgehen, doch Angelo stellt sich ihm mit dem Messer in den Weg. Andererseits, so eilig ist es vielleicht doch nicht. Er stellt den Koffer ab, danach fragt er scheinheilig: Wen, sagten Sie, suchen Sie? Angelo: Lena. Gilbert: Nie gehört. Angelo: Der Knabe eben sagte, sie sei gestern hier gewesen. Gilbert verunsichert: Ach, die Lena. Angelo: Si, die Lena. Gilbert: Die ist längst weg. Angelo: Wohin? 6. Auftritt Gilbert, Angelo, Jaqueline, Lena Jaqueline kommt im Bademantel aus der Küche gelaufen und wird wütend von Lena verfolgt. Lena: Dir mach ich Beine. Als sie Angelo sieht, bleibt sie regungslos stehen: Tag, Angelo. Angelo: Warum bist du nicht an deinem Arbeitsplatz? Und was du machst hier?
25 Lena: Stell dir vor... Deutet auf Jaqueline: Sie betreibt ihr Geschäft gegenüber, dabei ist das mein Bezirk. Jaqueline: Ich versteh’ kein Wort. Gilbert: Immer mit der Ruhe, da liegt ein Missverständnis vor, es ist nämlich so, dass sie nur zufällig hier... Angelo zu Lena: Hat er schon gezahlt? Gilbert entsetzt: Bitte? Angelo: Ob du schon gezahlt hast? Gilbert: Wofür denn? 7. Auftritt Gilbert, Angelo, Jaqueline, Lena, Klaus Klaus kommt verkatert – aber bekleidet - aus dem Schlafzimmer; er schließt einen Träger seiner Latzhose: Au, Mann, dieses Weib ist der Wahnsinn. Gilbert: Was soll das heißen? Klaus: Na ja, wir konnten gestern wegen des Schnees nicht weg. Da haben Lena und ich es uns gemütlich gemacht. Zuerst haben wir uns mit einem Film in Stimmung gebracht und dann... Lena unterbricht: Ein Film mit Inge Meysel, das war echt Hardcore! Gilbert: Oh, nein! Klaus: Na... Na ja, ich hab’ sie gesehen und gedacht, ob ich wohl zu weit gehe, wenn ich ihr zu nahe trete? Gilbert: Was zum Teufel soll das heißen? Klaus: Nun... Nun ja. Also, ich äh... hab mich vergessen und dann wiedergefunden und zwar... mit ihr... im Schlafzimmer. Angelo deutet auf Gilbert, zu Lena: Was schuldet er? Lena überlegt: Für alles - pauschal achthundert. Gilbert: Äh, einen Moment... Angelo hält die Hand auf. Gilbert: Das haben wir gleich. Geht zu Klaus und schiebt ihn Richtung Ausgang: Sie gehen in den Keller.
26 Klaus widerwillig: Aber die Kartons sind alle verladen. Gilbert: Dann gehen Sie in den Keller und warten weitere Instruktionen ab. Schiebt ihn weiter Richtung Ausgang. Klaus: Und was ist mit dem Frühstück? Gilbert: Später. Schiebt ihn zur Ausgangstür hinaus und kommt alleine wieder. Angelo: Frühstück ist eine gute Idee. Gilbert: Ja, genau, ausgezeichnet. Das Beste ist, ich mach’ Ihnen ein Frühstück, damit Sie sich ordentlich stärken können. Angelo: Nein. Bestimmend: Lena macht das Frühstück. Deutet auf Jaqueline: Du leistest mir Gesellschaft. Deutet auf Gilbert: Und du holst inzwischen die Kohle, sonst... Er deutet mit dem Daumen von einer Halsseite zur anderen und geht mit Lena und Jaqueline in die Küche. Gilbert: Wo soll ich 800 Euro hernehmen? Ich hab’ kein Geld im Haus. Lena: Hier um die Ecke ist ein hochmoderner Geldautomat. Man spricht ihn an, er erkennt deine Stimme und zahlt das Geld aus. Gilbert: So ein Quatsch. Wenn man hier einen Automaten anspricht, damit er Geld ausspuckt, nennt man das Ehemann. Angelo beim Abgehen: Egal. Besorge die Kohle, sonst... Er deutet den Hals an. Gilbert fasst sich sichtlich verängstigt an seinen Hals und schluckt: K... Klar. 8. Auftritt Gilbert, Peter Peter kommt von hinten rechts auf die Bühne: So. Sieht im Raum umher: Wo ist Penelope? Gilbert: Die ist nicht hier. Noch nicht. Aber ich muss sofort sehen, dass ich verschwinde, bevor sie hier ist. Ich lass’ mir meinen Plan nicht zunichte machen. Peter: Wer war denn das vorhin? Gilbert: Angelo Stagioni. Peter: Hm, heißen nicht auch die italienischen Dings... Überlegt: Möbel... oder nein... Pizza. – Pizza quattro Stagioni? Gilbert: Jedenfalls ist das „der“ Angelo. Der Chef von Lena, ein richtig übler Typ. Er hat ein Messer. Peter erschrocken: Wirklich?
27 Gilbert: Wenn ich es dir sage! Peter: Wo ist er jetzt? Gilbert: In der Küche und frühstückt. Peter geht entschlossen Richtung Haustür: Tschüss! Gilbert läuft ihm nach, stellt sich ihm in den Weg und schubst ihn zurück auf’s Sofa: Oh nein, nein, nein! Du hilfst mir jetzt schön raus aus dem Schlamassel. Schließlich hast du mir die Sache ja auch eingebrockt. Peter: Bist du verrückt? Der bringt uns alle um. Das geht wie bei Al Capone. Deutet ein Maschinengewehr an: Bumm, bumm, bumm - und alle sind hin. Gilbert: Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht, du Weichei. Peter: Weichei? Diese Typen gehen doch über Leichen. Du hättest den Film „Der Pate“ sehen sollen. Gilbert: Und das muss ich mir ausgerechnet von einem erwachsenen Mann sagen lassen, der sogar bei „Lassie“ und „Flipper“ noch Rotz und Wasser heult. Peter: Ich hab nicht geweint. Gilbert: Klar hast du geweint. Ich musste dir ein Erdbeer-Eis holen, sonst wär der ganze Abend gelaufen gewesen. Peter nimmt die Trittleiter und dreht sich damit, so dass er Gilbert, der sich rechtzeitig in Sicherheit bringt, fast damit trifft: Ich baue jetzt den Rest des Kleiderschranks auseinander. Geht mit Trittleiter ungeschickt in das Schlafzimmer ab. Gilbert setzt sich auf’s Sofa: Was mach ich nur? Wo soll ich 800 Euro her nehmen? Überlegt: Das ist die Idee. Läuft in’s Schlafzimmer und schubst Peter raus in’s Wohnzimmer, so dass er auf’s Sofa fällt und dort zum Sitzen kommt. Peter: Was ist denn jetzt schon wieder los? Gilbert: Ich hab’ nicht mehr viel Zeit. Sieht auf die Uhr: Heute Nachmittag geht mein Flieger und nichts wird mich aufhalten. Du hast mir Lena angeschleppt und du wirst mir Lena, mitsamt diesem Mafia-Heini, wieder vom Hals schaffen. Peter besorgt: P... Prima Idee. Und wie? Soll ich dem Mafia–Paten dazu bringen, mir sein Messer in den Rücken zu stoßen, dann ist er unbewaffnet und du kannst beide rausschmeißen? Gilbert: Ja! Peter: Waaaaas?
28 Gilbert überlegt und geht im Raum auf und ab: Nein, Unsinn. Er scheint im Milieu eine bekannte Größe zu sein, vor dem sich alle fürchten, richtig? Peter: Richtig. Gilbert: Er verschwindet nicht eher, bis er sein Geld hat, richtig? Peter: Richtig. Gilbert: Er scheint offenbar gewaltbereit zu sein, diesbezüglich haben wir ihm nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Außerdem sind wir überzeugte Pazifisten. In unserer Jugendzeit haben wir mit Gitarre im Schneidersitz und mit Räucherstäbchen da gesessen und Lieder von John Lennon gesungen. Da können wir heute nicht einfach hergehen und Mafiosos abmurksen, richtig? Peter: Richtig. Gilbert: Seine Geldforderung von 800 Euro können wir auch nicht erfüllen, also gibt es nur eine Lösung. Peter ängstlich: Nur, nur eine... Gilbert: ...Lösung, richtig. Peter: Richtig? Überlegt: So, so. Steht vorsichtig auf und geht zu Gilbert, er schüttelt ihm die Hand: Das ist brillant. Also, Gilbert, wie du das immer machst. Dieser scharfe Verstand, diese analytische Fähigkeit Probleme zu erkennen und dann spontane, praktische Lösungsvorschläge zu erarbeiten, das ist... Mir fehlen die Worte. Klopft Gilbert auf die Schulter: Mach weiter so, alter Junge. Du machst das schon. Will in das Schlafzimmer abgehen. Gilbert: Halt! Peter bleibt regungslos vor der Schlafzimmertür stehen: Hä? Gilbert: Ich hab’ einen Plan. Peter: Komm’ ich irgendwie, also direkt oder indirekt, in diesem Plan vor? Gilbert: Ja. Peter: Scheiße. Gilbert: Bitte? Peter: Scheiße noch mal, wie ich mich freue, meinem alten Kumpel wieder aus der Patsche zu helfen, wollt’ ich sagen. Er setzt sich wieder auf’s Sofa und Gilbert läuft auf und ab: Schieß los. Gilbert: Wir schlagen ihn mit seinen eigenen Waffen.
29 Peter: Okay. Steht auf und geht Richtung Küche. Gilbert: Wo willst du hin? Peter: Ich hole ein Küchenmesser. Gilbert: Quatsch, setz dich hin du Idiot. Wir schüchtern ihn ein. Peter: Wir schüchtern ihn ein? Gilbert: Richtig. Peter: Du meinst, wir machen ihm Angst? Gilbert: Du. Peter: Bitte? Gilbert: Du machst ihm Angst. Peter: Verstehe. Überlegt: Bevor du weiter redest, muss ich dir was gestehen. Gilbert: Was meinst du? Peter: Als ich dir neulich von meinen Karatestunden erzählt habe, du weißt schon, damals in den 70ern... das war geschwindelt. – So, jetzt ist es raus. Gilbert: Das hab’ ich dir eh’ nicht geglaubt. Wir ziehen das ganz anders auf. Er kennt dich noch gar nicht. Wir könnten dich ihm als alles mögliche unterjubeln. Wir müssten dir nur einen entsprechenden Gangsternamen aus der Unterwelt geben. Peter: Bist du bescheuert? Das nimmt er mir doch nie ab! Außerdem kennen die sich doch alle untereinander. Gilbert überlegt: Gut mitgedacht, deshalb erzählen wir ihm, du kommst irgendwie aus dem Ausland. Sagen wir... Überlegt: Aus Amerika. Peter: Aus Amerika. - Du hast ja nicht mehr alle Latten am Zaun. Gilbert: Wir nennen dich... Überlegt: Revolver Pepe. Peter: Ja, Klasse! Das macht ihm bestimmt Angst. Er krempelt einen Hemdärmel hoch: Auuu, sieh mal, allein der Name macht mir schon Gänsehaut! - Du hast wirklich nicht mehr alle Nadeln auf der Tanne. Gilbert: Natürlich müssen wir dich entsprechend ausstaffieren, mit einem entsprechenden Anzug und so weiter. Einen Revolver brauchst du natürlich auch, da hab’ ich so ein Schreckschussding im Schlafzimmer. Peter: Oh, nein.
Sie können auch lesen