1456 CAMPUS - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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Magazin der Universität Greifswald CAMPUS Ausgabe 13/April 2020 * 1456 Fokus Bioökonomie #Digitale Über Wissenschafts- Auslandsjahr Lehre kommunikation in Brasilien 1 Seite 19 Seite 26 Seite 34
Editorial Foto: Kilian Dorner Liebe Leser*innen, die Corona-Pandemie absorbiert gegenwärtig unsere ganze Kraft und Auf- merksamkeit. Der Semesterbeginn ist verschoben und das Sommersemes- ter kann zunächst nur mit digitalen Formaten beginnen. Veranstaltungen bis weit in den Sommer hinein sind abgesagt, nur vereinzelt bewegen sich noch Menschen auf dem Campus. Für eine Institution wie unsere Univer- sität, die ein Ort der sozialen Begegnung ist, bricht mit „social distancing“ eine existenzielle Grundlage weg. Die Mitglieder der Universität sind gegenwärtig mit großem und bewun- dernswertem Einsatz bemüht, zentrale Aufgaben in Lehre und Forschung weiterhin zu erfüllen und die grundlegende Funktionsfähigkeit der Universi- tät zu erhalten. Sie arbeiten unter erheblich beschwerten Bedingungen, mit denen sich die ganze Gesellschaft konfrontiert sieht, darunter geschlossene Schulen und Kindertagesstätten, Probleme bei der Pflege von Angehörigen und eingeschränkte Möglichkeiten der Mobilität. Unseren Studierenden brechen Arbeitsmöglichkeiten weg, ohne die sie ihr Studium nicht finanzie- ren können und unseren internationalen Studierenden fehlen notwendige Kontakte zur Integration. Das sind nur wenige Beispiele aus der Vielzahl an Anpassungsleistungen, die wir gegenwärtig erbringen müssen. Bei einigen Veränderungen wird uns schmerzhaft bewusst, dass wir uns in „normalen“ Zeiten viele Fesseln angelegt haben, die nun eine schnelle Anpassung behindern. Es wird zu den Lehren gehören, die wir aus der Co- rona-Pandemie ziehen sollten, auf unnötige Fesseln zu verzichten. Gesell- schaften mit einem hohen Kontrollbedürfnis, wie die unsrige es ist, neigen dazu, fehlende faktische Kontrolle über aktuelles und künftiges Geschehen durch zumindest „kognitive Kontrolle“ zu ersetzen: Wir wollen möglichst genau wissen, was geschehen wird, wir wünschen uns die Zukunft wie ein Planspiel, in dem wir das potenziell Künftige bereits in der Gegenwart erpro- ben können. Mit Ungewissheit können wir nicht gut umgehen, das lernen wir zu wenig. In dieser Ausnahmesituation tut es gut, sich an das Leben an unserer Uni- versität vor Corona zu erinnern: An spannende Forschung, attraktive Leh- re, Auszeichnungen und Erfolge, internationale Beziehungen, Reisen, neue Kolleg*innen. Die vorliegende Ausgabe von Campus 1456 berichtet von Themen, denen wir uns hoffentlich bald wieder mit voller Kraft und Freude widmen dürfen! Herzliche Grüße Ihre Johanna Weber | Rektorin 3
8 FOKUS: BIOÖKONOMIE Seite Panorama Lernen & Lehren 19 #Digitale Lehre an der 29 Zerstörung statt Sicherheit: 06 Aktuelles aus der Universität Universität Greifswald Universitätsgut im Zweiten Weltkrieg 20 Von Zulu-Kultur, Feldforschung 30 Molekulare Grundlagen Im Fokus und Safari – ein Reisetagebuch des Lebens 08 Fokus Bioökonomie 31 Wie Menschen Hochschulpolitik Erwartungen bilden Forschung 22 Erster Nachhaltigkeitsbericht 32 Auszeichnungen der Uni Greifswald erschienen und Preise 14 Forschungsprojekt untersucht Todesfälle bei Fluchtversuchen 23 Kurznachrichten über die Ostsee der Universität Internationales 16 Virtuelles Raum-Zeit-Modell der 24 Neue Gesichter 34 Auf Entdeckungstour in Brasilien historischen Metropole Nürnberg an der Universität 36 Internationale Partnerschaften 18 Krankenhäuser im im Profil – Staatliche Universität Tomsk ländlichen Raum Wissenschaft & Gesellschaft 26 Forschung im Elfenbeinturm war gestern 4
20 Inhalt 29 26 38 36 Campus & Unileben 37 News 38 Zapfenernte Liebe Leser*innen, im Uniforst das Redaktionsteam des aktuellen Campus-Magazins 40 Gut vernetzt in der Region – wurde kurz vor der Endkorrektur und dem Druck von den Nova Innovationscampus Konsequenzen der Corona-Krise überrascht. Wir haben uns dafür entschieden, das Heft trotzdem fertig- und im 41 Ein Bild – eine Geschichte Netz bereitzustellen. Leider sind einige Informationen zu geplanten Veranstaltungen inzwischen obsolet bzw. es ist 42 Fotogalerie unsicher, ob die Veranstaltungen noch durchgeführt wer- den können. Bitte informieren Sie sich deshalb weiterhin 44 Geschichten aus regelmäßig auf den Internetseiten der Universität über dem Heimathafen die aktuelle Situation. Wir bitten Sie um Verständnis und wünschen Ihnen viel Alumni & Karriere Freude bei der Lektüre. Bleiben Sie gesund. 46 Start-up NordOst Ihr Redaktionsteam von Campus 1456 47 ökohle – Nachhaltige Grillkohle aus Greifswald 48 Greifswalder Jurist auf Karrierekurs 5
Prorektor mit Eugen sche Meeresmuseum Stralsund und das Deutsche Münch-Preis ausgezeichnet Schifffahrtsmuseum Bremerhaven. Die 2019 ge- gründete DAM zählt nun 19 Mitgliedseinrichtungen. Ihr Ziel ist es, die gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, nachhaltig mit den Küsten, Meeren und Ozeanen umzugehen, lösungsorientierte For- schung zu betreiben und Wissen zu vermitteln. Die Universität Greifswald bringt ihre Expertise aus dem Küsteningenieurswesen und der Marinen Biotechno- logie in die Allianz ein. • Die Gewinner des Eugen Münch-Preises v.l.n.r.: Prof. Patrick Jahn, Dr. Matthias Gräser, Dr. Jan Pfister, Prof. Steffen Fleßa | Foto: Sylvia Willax Prof. Dr. Steffen Fleßa, Prorektor der Universität Greifswald sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allge- meine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheits- management, hat den Eugen Münch-Preis für in- novative Gesundheitsversorgung in der Kategorie Vertreter*innen der neuen DAM-Mitglieder und DAM-Vorstand Versorgungsforschung erhalten. Ausgezeichnet wur- Foto: DAM/Sinje Hasheider de seine Veröffentlichung „Economic efficiency ver- sus accessibility: Planing of the hospital landscape in rural regions using a linear model on the example of paediatric and obstetric wards in the northeast of Erneute DFG-Förderung für Germany”, die er in Zusammenarbeit mit Dr. Neelt- maritime Proteomforschung je van den Berg und Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann vom Institut für Community Medicine verfasste. Das Rechenmodell stellt dar, welche Auswirkungen das Zusammenlegen von Kliniken oder Fachabteilun- gen auf die Erreichbarkeit für die Bevölkerung sowie auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser hat. Entwickelt wurde es anhand der Standorte der Krankenhausversorgung in der Geburtshilfe und Pä- diatrie in Vorpommern-Greifswald. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird jährlich von der Stiftung Münch vergeben, die Wissenschaft, Forschung und Foto: I. Bakenhus/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, praxisnahe Arbeiten in der Gesundheitswirtschaft Bremen fördert. (s. auch Artikel S. 18) • Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat eine zweite Förderphase für die Forschungsgruppe Universität Greifswald in FOR 2406 „Proteogenomik des marinen Polysac- charid-Abbaus“ (POMPU) bewilligt. Die Universität die Deutsche Allianz Meeres- Greifswald und das Max-Planck-Institut für Marine forschung aufgenommen Mikrobiologie Bremen erforschen den bakteriellen Algenabbau in marinen Ökosystemen. Unter ande- Die Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM) hat rem bedingt durch die Klimaerwärmung treten ver- im Februar die Universität Greifswald sowie fünf mehrt massive Algenblüten auf, die von marinen weitere Mitglieder aufgenommen: das Forschungs- Bakterien schnell abgebaut werden. Dieser für den zentrum Küste, die Bundesanstalt für Geowissen- globalen Kohlenstoffkreislauf wichtige Prozess und schaften und Rohstoffe (BGR), das Bundesamt für vor allem die Polysaccharide, also die Mehrfach- Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das Deut- zuckerverbindungen, werden von der Forschungs- 6
Panorama gruppe POMPU untersucht. Dazu nehmen die For- Genomics of Microbes, dem Leibniz-Institut für schenden Meerwasserproben. Ihr Ziel ist, Genome Plasmaforschung und Technologie sowie dem Fried- und Proteine maritimer Bakteriengemeinschaften rich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems wird mit zu bestimmen und ihre Enzymfunktionen sowie An- dem neuen Institut die in Greifswald bereits beste- passungsmechanismen aufzuklären. Dadurch sol- hende Spitzenforschung ergänzt. In Anbetracht neu- len bisher weitgehend unbekannte Mechanismen er Herausforderungen für das Gesundheitssystem, erklärt werden, um die Funktion der Meere als „bio- insbesondere im Bereich der Infektionsforschung, logische Pumpe“ im Zeitalter der Klimaerwärmung soll das Institut als Außenstelle des Helmholtz-Zen- besser zu verstehen. (s. auch Artikel S. 12) • trums für Infektionsforschung in Braunschweig die Infektionsbiologie in Deutschland deutlich voran- bringen. Durch die Bundes- und Landesförderung wird außerdem „die Voraussetzung geschaffen, sich Jean-Monnet-Lehrstuhl im erfolgreich an nationalen Exzellenzforschungspro- Bereich Geld und Währung grammen zu beteiligen“, so die Prorektorin der Uni- versität, Prof. Dr. Katharina Riedel. • Prof. Dr. Joscha Beckmann von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät hat für die kom- Citizen Science Projekt mit menden drei Jahre einen Jean-Monnet-Lehrstuhl im Bereich Geld und Währung inne. Die Fördersumme UN-Dekade Biologische Vielfalt von 50.000 Euro wird für Forschung und Lehre ein- ausgezeichnet gesetzt, die Herausforderungen für Europa in Zeiten von Unsicherheit und Digitalisierung analysiert. So Das Citizen Science Projekt „F.U.N.“ (Forschung, Um- wird beispielsweise untersucht, welche Auswirkun- weltbildung und Naturschutz) wurde Ende Septem- gen der Brexit auf die Finanzwirtschaft hat. Die Eu- ber 2019 von der UN-Dekade Biologische Vielfalt als ropäische Kommission fördert mit den Jean-Mon- offizielles Projekt ausgezeichnet. Die Zusammen- net-Lehrstühlen weltweit qualitativ hochwertige arbeit des Lehrstuhls für Angewandte Zoologie der Lehre und Forschung zu Europa. Auch die Studieren- Universität Greifswald und des Naturparks Nossen- den profitieren direkt von dem Fördergeld: Sie konn- tiner/Schwinzer Heide bringt Bürger*innen am Bei- ten im Januar 2020 an einer kostenfreien Exkursion spiel der Fledermäuse nahe, was Naturforschung nach Frankfurt am Main zur Europäischen Zentral- und Naturschutz bedeuten. Sowohl vor Ort an der bank und zur Deutschen Bundesbank teilnehmen. • Citizen-Science-Station in Wooster Teerofen als auch online lädt das Projekt zur Partizipation ein. Die Auszeichnung der Vereinten Nationen soll dem Rückgang der Naturvielfalt entgegenwirken und den Fokus auf die Biodiversität und damit verbundene Chancen lenken. Der Greifswalder Oberbürgermeis- ter Dr. Stefan Fassbinder übergab die Auszeichnung an den Projektleiter Prof. Gerald Kerth und den Pro- Foto: Ole Kracht jektkoordinator Marcus Fritze, im Gegenzug erhielt er einen Fledermauskasten. • www.fledermausfun.de Erstes Helmholtz-Institut für Greifswald Zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts Greifs- wald unterstützen der Bund und das Land Meck- lenburg-Vorpommern die Etablierung eines neuen Helmholtz-Instituts für den Bereich der Infektions- forschung in Greifswald. Universität und Universi- tätsmedizin begrüßen diese Entscheidung nach- v.l.n.r.: Prof. Gerald Kerth, Dr. Stefan Fassbinder, Marcus Fritze drücklich. Zusätzlich zum Center for Functional Foto: Till Junker 7
Fokus Bioökonomie In Zeiten des Klimawandels, einer wachsenden Weltbevölkerung und eines dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt müssen die biologi- schen Ressourcen der Erde effizient und nachhaltig genutzt werden. Dieses Ziel verfolgt die Bioökonomie, indem sie die Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem einfordert. Zur Umsetzung hat das Bundeskabinett im Januar 2020 die „Nationale Bioökonomiestra- tegie“ beschlossen. Bis 2024 will die Bundesregierung 3,6 Milliarden Euro in den Ausbau der Bioökonomie investieren. Damit der biobasier- te Wandel gelingen kann, ist aber auch die Einbindung der Gesellschaft zwingend erforderlich. Vor diesem Hintergrund fördert das „Wissen- schaftsjahr 2020 – Bioökonomie“ den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft mit vielfältigen Diskussions- und Mitmachformaten. Bioökonomie ist auch ein neuer Schwerpunkt an der Universität Greifs- wald. Diese verfügt über umfangreiche Expertise in der Biotechnologie und Enzymkatalyse sowie bioökonomiebasierten Transformations- prozessen. Auch die Paludikultur spielt eine wichtige Rolle. Hierbei geht es um die landwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moore. An zahlreichen Instituten und Partnerinstituten wird Grundlagenfor- schung und anwendungsorientierte Forschung zum Thema betrieben. In Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen und Startups wer- den die Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt. Gebündelt werden die Aktivitäten im Bündnis Plant³ mit über 60 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. Ziel ist es, auf Basis der Bioökonomie einen regionalen Strukturwandel im nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern anzusto- ßen. Das Fokusthema stellt ausgewählte Visionen, Ideen und Projekte vor, die zu diesem Wandel beitragen. Von Julia Lammertz Foto: Till Junker 8
Im Fokus Plant³ – Bioökonomie für den Strukturwandel in Nordost- deutschland Im Gespräch mit Daniel Schiller, Bündnissprecher von Plant³ und Professor für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Universität Greifswald. Julia Lammertz: Plant³ ist eines von 20 Innovationsbünd- nissen, die sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren Foto: Kilian Dorner des BMBF aus über 100 Einreichungen durchsetzen konn- ten. Wofür steht Plant³? Daniel Schiller: Das Bündnis mit über 60 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft erarbeitet Strategien für die Veredelung von pflanzenbasierten Rohstoffen in Nordost- deutschland. Die Potenz Hoch 3 steht einerseits für die In- Plant³ wird geführt von der Universität Greifswald, der novationsfelder Land, Moor und Meer und andererseits für Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern und dem die Erhöhung der Wertschöpfung durch Wissen (Forschung), Wissenschafts- und Technologiepark Nord°Ost° Innovation (Unternehmen) und (strukturellen) Wandel unter (WITENO). Das BMBF fördert Plant³ im Programm Beachtung der sozialökologischen Nachhaltigkeit. „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ bis 2024 mit bis zu 15 Millionen Euro. Was will das Bündnis erreichen? Langfristiges Ziel von Plant³ ist, das östliche Mecklen- www.plant3.de burg-Vorpommern als führende Bioökonomie-Region zu eta- blieren und zugleich ein Vorbild für die nachhaltige Transfor- mation ländlicher Räume zu schaffen. Was passiert aktuell? Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten in der Umset- Bereits in der Konzeptphase von Plant³ gab es viele Projekt- zung einer nachhaltigen biobasierten Wirtschaftsform? Wie ideen. Die ersten sind zu Beginn des Jahres gestartet. Eine nehmen Sie die Skeptiker mit? Denkfabrik wird die Entwicklung neuer Wertschöpfungsket- Wirtschaftsmodelle in der Bioökonomie sind noch zu wenig ten wissenschaftlich begleiten und Impulse für die strategi- erprobt, d. h. es müssen Erfolgsmodelle geschaffen werden, sche Weiterentwicklung liefern. Das Projekt „Treibhaus“ wird um Vertrauen in ein biobasiertes Wirtschaftssystem zu er- u. a. Startups und etablierte Unternehmen dabei unterstüt- zeugen. Zugleich haben kleine Unternehmen im ländlichen zen, Innovationsprozesse zu optimieren. In den Innovations- Raum wenig Mittel für Innovationen. Es fehlt ihnen an Geld feldern Moor und Meer sind die ersten Forschungs- und Ent- und personellen Ressourcen, aber auch an Erfahrung. Unser wicklungsprojekte beantragt, weitere sind in Vorbereitung. Ziel ist daher auch, die Innovationsfähigkeit der Unterneh- Neben der Mitgliedergewinnung ist es überaus wichtig das men durch Vernetzung und Austausch sowie durch Weiter- Thema in die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu bildung in Form von Workshops oder Innovationsforen zu tragen. Große Unterstützung leistet hier das Wissenschafts- stärken. jahr 2020 – Bioökonomie. Es erzeugt eine große Dynamik für die Kommunikation des Themas und gibt uns insbesondere Was ist Ihre ganz persönliche Vision von Bioökonomie? die Möglichkeit, mit eigenen Veranstaltungen viele Syner- Der Wandel kann nur gelingen, wenn wirtschaftliche Poten- gien zu nutzen. Aktuell planen wir für das Wintersemester ziale und Ziele mit ökologischer Nachhaltigkeit verbunden eine Bioökonomie-Vortragsreihe im Krupp-Kolleg, deren fes- werden und dabei die Gesellschaft einbezogen wird. Dafür ter Bestandteil auch ein Bürgerforum ist. Und natürlich freu- müssen die Chancen, aber auch die Risiken der Bioökonomie en wir uns auf den BioÖkonomie-Podcast „FaktenSammler“ mit verschiedenen Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft, der Pressestelle. Politik und Gesellschaft diskutiert werden. • 9
Land und Bioökonomie Von Volker Beckmann Land ist eine Schlüsselressource der biobasierten Wirtschaft. Terrestrische Ökosysteme beherbergen über 80 % der weltweiten Biomasse. Eine Wirtschaft, die weitgehend auf fossile Energie- und Rohstoffquellen verzichten will, muss angesichts begrenzter Flächen neue Wege finden, biologische Ressourcen, Prozesse und Systeme produktiv und nachhaltig zu nutzen und innovativ zu erschließen. Weltweit werden aktuell etwa 37 % der Fläche landwirtschaftlich genutzt, mit steigender Tendenz. Davon sind ca. 70 % Weiden und 30 % Ackerland. Das Ackerland wird hauptsächlich zur Schilfernte in den Niederlanden | Foto: Sabine Wichmann Futtermittelproduktion verwendet. Neben der Nahrungsproduktion wird schaftslehre und Landschaftsökono- Erlebnis- und Lernorten im ländlichen eine wachsende Fläche für die Produk- mie, geleitet von Prof. Dr. Volker Beck- Raum. Neben wissenschaftlichen Po- tion von Energie und zur stofflichen mann, befasst sich mit der Ökonomie tenzialanalysen setzt das Projekt mit Nutzung gebraucht. Ebenfalls steigend und Politik der nachhaltigen Nutzung Stakeholder- und Szenarienworkshops sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, von Land und natürlichen Ressourcen sowie Pilotprojekten konkrete Impul- die weltweit jedoch nur 1,5 % der Land- sowie des Natur-, Umwelt und Klima- se für eine Stärkung der nachhaltigen fläche einnehmen. Nur noch 29 % der schutzes im regionalen, nationalen Bioökonomie in Vorpommern. terrestrischen Fläche sind Wälder mit und internationalen Rahmen. Ein For- unterschiedlicher Nutzungsintensität schungsschwerpunkt ist die Erschlie- Einen weiteren Forschungsschwer- und 32 % weitgehend ungenutzt. ßung von biobasierten Wertschöp- punkt stellt die nachhaltige Nutzung fungsketten in Stadt-Land-Kontexten. von Schilf dar. Nationale und interna- Bioökonomie, verkürzt verstanden als tionale Forschungsprojekte zur Öko- eine Ausdehnung und Intensivierung In Mecklenburg-Vorpommern erfolgt nomie der Schilfnutzung zeigen, dass der land-, forst- und fischereiwirtschaft- vorwiegend landwirtschaftliche Roh- die weltweit verbreitete Feuchtgebiets- lichen Nutzung, gerät zunehmend in stoffproduktion, während Verarbei- pflanze ein hohes Verwertungspoten- Konflikt mit Zielen des Natur-, Umwelt- tung und Veredlung außerhalb des zial besitzt. Neben der traditionellen und Klimaschutzes. Es kommt deshalb Bundeslandes geschieht. Das Projekt Nutzung zur Reetdachdeckung, zur darauf an, die Bioökonomie so zu ge- Vorpommern Connect (www.vorpom- Papierherstellung und als Baumaterial stalten, dass brachliegende Potenziale mern-connect.de) untersucht die Mög- sind auch neue Nutzungen wie die Her- genutzt, Produktivität umweltfreund- lichkeiten, biobasierte regionale Wert- stellung von Verbundplatten, Bioplas- lich erhöht und Zielkonflikte zwischen schöpfungsketten in Vorpommern zu tik und Heizpellets möglich. Besonders Schutz und Nutzung, zwischen Nah- stärken. Im Fokus stehen Produktion, relevant ist, dass die Nutzung kaum in rungsmittel-, Rohstoff- und Energieer- Verarbeitung und Vertrieb regiona- Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduk- zeugung aus landbasierter Biomasse ler Lebensmittel, die Verwertung von tion steht und oft mit Natur-, Umwelt- soweit wie möglich entschärft werden. Energiebiomasse aus wiedervernäss- und Klimaschutzzielen vereinbar ist. • Der Lehrstuhl für Allgemeine Volkswirt- ten Mooren und die Entwicklung von 10
Im Fokus alles optimal und ökonomisch effizient verläuft, untersucht das Verbundpro- Bioökonomie jekt BonaMoor. Bau- und Dämmstoffe aus Rohrkolben entwickelt das Unter- aus dem Moor nehmen Wetland Products in Kamp (Lk Von Nina Körner und Franziska Tanneberger Vorpommern-Greifswald). Zum Anbau von Rohrkolben forscht das Verbund- projekt Paludi-PRIMA, das 2019 eine 8 ha große Pilotfläche bei Neukalen (Lk Schilf, Rohrkolben, Torfmoose – an neuer Torf gebildet und Fläche erhalten. Mecklenburgische Seenplatte) angelegt nasse Bedingungen angepasste Moor- Und wiedervernässte Moore können hat. Wie Torfmoose kultiviert werden pflanzen können nachwachsende Roh- gleichzeitig für Land- oder Forstwirt- und einen nachwachsenden Ersatz für stoffe für Bau-, Heiz- oder Verpackungs- schaft genutzt werden. Diese Lösung den Torf im Erwerbsgartenbau liefern materialien, für Futter oder Torfersatz heißt Paludikultur. Das Greifswald Moor können, war Gegenstand mehrerer Pro- liefern. Sie sind daher im moorreichen Centrum (GMC) treibt die Entwicklung jekte der Universität Greifswald. Derzeit Norddeutschland ein Grundstoff für dieser vielversprechenden Form nach- beschäftigt sich das Verbundvorhaben die Bioökonomie. Allerdings sind hier haltiger Landnutzung in zahlreichen Mooszucht damit, das „Supermoos“ für die meisten Moore durch künstliche Forschungs- und Umsetzungsprojekten eine industrielle Substratherstellung zu Entwässerung für die land- oder forst- voran. finden. Als Ausgründung der Greifswal- wirtschaftliche Nutzung degradiert und der Forschungsprojekte hat 2018 die verursachen sehr hohe Treibhausgas- Ein traditionelles Beispiel ist die Nut- PaludiMed GmbH im Breesener Moor im emissionen. Obwohl entwässerte Moore zung von Schilf für Rohrdächer. Gerade Biosphärenreservat Schaalsee die euro- in ganz Deutschland nur 7 % der land- im ländlichen Raum entstehen heute paweit größte Anbaufläche für den in Eu- wirtschaftlichen Fläche ausmachen, aber auch neue Arbeitsplätze und inno- ropa gefährdeten und unter Naturschutz verursachen sie 37 % der Treibhausgas- vative Produkte: So versorgt in Malchin stehenden Sonnentau angelegt. Diesen emissionen der Landwirtschaft. (Lk Mecklenburgische Seenplatte) das kultiviert sie dort zur medizinischen und weltweit erste Heizwerk für Biomas- pharmazeutischen Verwendung. Die Ex- Nasse Moore und wiedervernässte Flä- se aus wiedervernässtem Niedermoor pertise der bisherigen Forschung und chen dagegen speichern Kohlenstoff über 500 Haushalte sowie kommu- das Potenzial der wirtschaftlichen Nut- und sind damit effektive Klimaschüt- nale Gebäude dezentral mit Wärme. zung von Mooren fließen ein in Plant³. zer. Statt zu degradieren wird auf ihnen Wie von der Ernte bis zur Verbrennung Dort ist die Paludikultur eine von drei Säulen, die durch innovative Forschung und Entwicklung zum biobasierten Strukturwandel in Nordostdeutschland beitragen soll. Verpackungen, Einweggeschirr, Laminat – damit diese und die oben genannten Produkte bioökonomisch durchstarten können, müssen politische und rechtli- che Rahmenbedingungen stark verbes- sert werden. Dafür kämpft das GMC zu- sammen mit Paludikultur-Unternehmen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. • www.greifswaldmoor.de www.moorwissen.de Rohrkolbensetzlinge zur Pflanzung auf der Pilotfläche des Paludi-PRIMA-Projektes bei Neukalen. | Foto: lensescape.org 11
Zucker aus dem Meer Von Thomas Schweder Unser Planet ist zu mehr als 70 % von satz für wegfallende Arbeitsplätze in der Wasser bedeckt. Daher ist es wenig ver- Küstenfischerei wurde dort ein Algen-ba- wunderlich, dass marine Ökosysteme sierter Wirtschaftszweig initiiert. Auch die maßgeblich unser Leben bestimmen. So Ostsee bietet hier Potenzial. Plant³ hat sind unsere Weltmeere nicht nur wichti- sich daher zum Ziel gesetzt, dieses bis- ge Wasserstraßen für den globalen Han- her ungenutzte Potenzial auszuschöpfen del, sondern liefern uns auch Nahrung, und regionale Konzepte zur nachhaltigen Energie und Rohstoffe, während unsere biotechnologischen Nutzung von Algen Küsten wichtige Naherholungsgebiete zu entwickeln. sind. Darüber hinaus produzieren die Meere schätzungsweise 70 % des ge- Marine Algen enthalten hochwertige samten Sauerstoffs auf unserem Globus. biotechnologisch relevante Zuckerver- Verantwortlich dafür sind marine Algen bindungen. Im Plant3-Verbundprojekt – vornehmlich mikroskopisch kleine Mik- „MarZucker“ liegt der Schwerpunkt auf roalgen, aber auch größere Makroalgen. diesen wertvollen marinen Zuckerver- Algen können vor allem in den nähr- bindungen. Greifswalder und Rostocker stoffreichen Küstenregionen der Ozea- Forschende der Biologie, Biochemie ne in massiven Blüten auftreten, wobei und Biotechnologie wollen Verfahren erhebliche Mengen an Biomasse produ- zur Kultivierung regional vorkommen- ziert werden. Solche Algenblüten werden der mariner Algen entwickeln, um damit durch anthropogenen Nährstoffeintrag langfristig in der Region Algenbiomasse (etwa Düngemittel aus der Landwirt- zu gewinnen. Für die zukünftige indus- schaft) und durch den Klimawandel wei- trielle Erschließung der wertvollen Al- ter verstärkt und können in touristisch genzucker sind neue Enzymverfahren genutzten Küstenregionen durch die erforderlich. Solche Verfahren werden Verunreinigung der Strände problema- in Kooperation mit dem regionalen Un- tisch sein. Das schnelle und anspruchs- ternehmen Enzymicals AG entwickelt. lose Wachstum dieser Algen bietet aber Wichtige Vorarbeiten für dieses ange- auch Chancen für neue Verwertungs- wandte Forschungsprojekt entstammen konzepte, denn Algen sind reich an wert- der DFG-geförderten Forschungsgruppe vollen Inhaltsstoffen wie beispielsweise POMPU (FOR 2406), die grundlegende Gel-bildenden Polysacchariden oder Mechanismen des marinen Polysaccha- ungesättigten Fettsäuren. Ihre Nutzung ridabbaus untersucht. Die Ergebnisse der als nachwachsende Biomasse-Ressource Grundlagenforschung sollen innerhalb für die Gewinnung von Inhaltsstoffen wie von Plant³ in Verwertungsstrategien und Zuckern und Fetten sowie als Grundlage praktische Anwendungen überführt wer- für alternative Nahrungs- und Futtermit- den. Denkbar ist der Einsatz der aus dem tel hat in den vergangenen Jahrzehnten Meer gewonnenen Algen-basierten und weltweit an Bedeutung gewonnen. Vor maßgeschneiderten Zucker als Feinche- allem in Frankreich konnte eine Vielzahl mikalien, als analytische Referenzche- neuer Nutzungsformen auf der Basis mikalien bzw. in der pharmazeutischen mariner Algen etabliert werden. Als Er- Industrie sowie als Präbiotika. • Foto oben: Das Mikrobiom der Algenblüte: Polysaccharid-abbauende Bakterien (grün) an der Kieselalge Chaetoceros sp. | Foto: I. Bakenhus/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen Foto links: Aus der Grünalge Ulva sp. kann das biotechnologisch interessante Polysaccharid Ulvan gewonnen werden | Foto: Thomas Wilfried 12
Im Fokus Wissen für die Ohren – Uni Greifswald ist Förderprojekt beim Wissenschaftsjahr 2020 Von Hannah Weißbrodt Flugzeugtreibstoff aus Algen, Turnschu- Wissenschaft angeregt werden. Inhalt- nachhaltigen Wirtschaftsweise mit sich he aus Pilzleder, Jacken aus künstlicher lich liegt der Fokus auf gesellschaftsre- bringt. Dabei ist das digitale Hörfor- Spinnenseide: Das sind schon heute levanten Zukunftsthemen. Vor diesem mat ideal, um Wissen auf Augenhöhe konkrete Anwendungen, die sich aus der Hintergrund fördert das BMBF jedes zu kommunizieren. Ob gemütlich auf Bioökonomieforschung entwickelt ha- Jahr innovative Projekte aus der Wissen- dem Sofa, auf dem Weg zur Arbeit oder ben, wie der Trailer zum Wissenschafts- schaftskommunikation. Die Presse- und beim Kochen, Podcasts können von jahr 2020 – Bioökonomie zeigt. Informationsstelle der Uni Greifswald überall gehört werden. Personen, die hat ein Konzept für eine Podcast-Reihe Podcasts hören, haben alle räumlichen Doch was sind die Wissenschaftsjahre zum Thema Bioökonomie eingereicht oder zeitlichen Freiheiten. Dies ist ein und welches Ziel wird mit ihnen ver- und wurde aus über 90 Projektideen großer Vorteil gegenüber klassischen folgt? Die Wissenschaftsjahre sind eine ausgewählt. Vermittlungsformaten. Die Hörerschaft gemeinsame Initiative des Bundesmi- kann die Inhalte des Podcasts außer- nisteriums für Bildung und Forschung Ziel des Podcasts „FaktenSammler“ ist dem aktiv mitgestalten. Über ein Kon- (BMBF) und Wissenschaft im Dialog es, allen Interessierten grundlegende taktformular, das auf der projekteige- (WiD). Sie werden seit dem Jahr 2000 und interessante Fakten zu diesem For- nen Website eingerichtet wird, können ausgerichtet. Als zentrales Element der schungs- und Innovationsfeld zu vermit- Fragen ebenso wie Kommentare formu- Wissenschaftskommunikation haben teln. Dazu werden sowohl Forschende liert werden. Diese fließen dann in die die Wissenschaftsjahre das Ziel, For- unserer Universität, als auch weitere weiteren Folgen mit ein. Es bleibt also schungsthemen allgemeinverständlich Akteure, z. B. aus der Wirtschaft, zu Wort spannend, welche der vielen Facetten durch Diskussions- und Mitmachfor- kommen. Der Podcast wird sowohl die der Bioökonomie in den acht Episoden mate in die Gesellschaft zu tragen und Chancen der Bioökonomie, als auch besonders in den Fokus rücken. • sichtbar zu machen. Damit soll der Dia- die großen Herausforderungen in den log und Austausch über Forschung und Blick nehmen, die der Wandel zu einer www.uni-greifswald.de/faktensammler PODCAST Der monatliche Bioökonomie- Podcast „FaktenSammler“ startet im Mai! Mehr zum Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie: www.wissenschaftsjahr.de #DasistBioökonomie Das FaktenSammler-Team v.l.n.r.: Jeannette Schütze, Hannah Weißbrodt, Jan Meßerschmidt (alle Presse- und Informationsstelle), Julia Lammertz (Zentrum für Forschungsförderung und Transfer) | Foto: Ole Kracht 13
Von Merete Peetz Forschungsprojekt untersucht Todesfälle bei Fluchtversuchen über die Ostsee Am 13. August 1961 gab es einen tiefen punkt für den „ungesetzlichen Grenz- und folgenreichen Einschnitt in der Ge- durchbruch“ war die Ostseeküste. War schichte der DDR. An diesem Tag wurde das enge Kontrollnetz an der Küste, die die DDR nach Westen hin abgeriegelt. ZEITZEUGENKONTAKT sogenannte „unsichtbare Mauer“ über- Dadurch wurde seine Bevölkerung zum wunden, bedeutete dies jedoch noch Verbleib in diesem Staat gezwungen. Um die Schicksale der Opfer nicht den Erfolg der Flucht. Die nächs- Wer das Land dennoch verlassen woll- nachzuzeichnen und sie dadurch te, viel riskantere Hürde war die Ostsee te, erlitt in der Regel Repressionen un- vor dem Vergessen zu bewahren, selber. Bis zur Bundesrepublik oder zur terschiedlichster Art. Der Wunsch nach werden beständig Zeitzeugen Südküste Dänemarks mussten mehrere freier Entfaltung veranlasste Einige sowie Angehörige gesucht, die Seemeilen überwunden werden. Dies dazu, aus der DDR zu fliehen. Die Flucht- mit persönlichen Erinnerungen geschah oft mit simplen Wasserfahr- wege waren vielfältig: Es wurden Tun- zur Aufarbeitung des Themas zeugen, welche die Küstenbewachung nel unter der Berliner Mauer gegraben, beitragen. nur schwer entdecken konnte. Solche durch streng überwachte Grenzgebiete Fluchthilfen hielten den Naturgewalten nach Westdeutschland hin wurde aus- Kontakt: der offenen See meist nicht stand. gebrochen und auch ein Urlaub in den merete.peetz@ mit der DDR befreundeten Ostblock- uni-greifswald.de; Nach dem bisherigen Kenntnisstand staaten war oft Beginn einer Flucht in Telefon 03834 420 3157 wagten etwa 5600 Personen diesen die westlichen Staaten. Ein weiterer, riskanten Fluchtweg. 80 % von ihnen bisher weniger erforschter Ausgangs- wurden bereits beim Versuch verhaf- Tagesrapport des Volkspolizeikreisamtes Bad Doberan | Quelle: Landesarchiv Greifswald Rep. 202, Bad Doberan, Nr. 16, ODH146/88, Blatt 3 14
Forschung tet, etwa 16 % ist die Flucht gelungen fältigen Archivlandschaft – vor allem in und mindestens 174 Menschen fanden den kleinen Archiven Mecklenburg-Vor- bei ihrem Fluchtversuch den Tod. Die pommerns – über Durchsichten von Leichen der Flüchtlinge wurden an die Sterbebüchern der küstennahen Stan- Strände zwischen Fehmarn, Rügen und desämter bis hin zu Anfragen nach Er- Dänemark gespült oder mit Fischernet- mittlungsakten bei der Staatsanwalt- Das Forschungsprojekt „Todesfälle zen aus dem Meer geborgen. schaft. Solche schriftlichen Quellen bei Fluchtversuchen über die Ost- sind häufig verwaltungstechnischer see“ ist Teil des Verbundprojektes Seit Anfang Juli 2019 untersucht ein Art. Sie verraten meist nur wenig über „Grenzregime. Todesfälle bei Forschungsteam am Institut für Politik- die Persönlichkeit und Motivationen Fluchtversuchen und Rechtsbeu- und Kommunikationswissenschaft un- der Betroffenen. Eine weitere wichtige gung gegen Ausreisewillige“, das ter der Leitung von Prof. Dr. Hubertus Quelle für das Projekt sind daher Zeit- gemeinsam mit der Freien Uni- Buchstein diese Todesfälle. Das Ziel des zeugen oder Angehörige. Sie können versität Berlin und der Universität Projektes ist es, die Schicksale der Op- über Vermisstenfälle berichten, die sich Potsdam durchgeführt wird. Es fer in einem biographischen Band nach- oft als Todesopfer erweisen. Zeitzeugen wird vom Bundesministerium für zuzeichnen und sie dadurch vor dem und Angehörige sind außerdem sehr Bildung und Forschung gefördert. Vergessen zu bewahren. Die Ermittlung wichtig, um den Lebensweg der Verun- Das Projekt läuft bis Oktober 2022. der Todesopfer ist sehr arbeitsintensiv. glückten zu rekonstruieren. • www.eiserner-vorhang.de Sie reicht von Recherchen in einer viel- Das Greifswalder Forschungsteam besteht aus Dr. Jenny Linek, Merete Peetz und Henning Hoch- stein sowie zwei studentischen Hilfskräften. 1966 im großen Belt, 1969 am Strand 1962 am Strand 2 Seemeilen südöstlich südlich von Vantore, DK von Prerow vom Leuchtturm „Hov Fyr“ Orte der Leichenbergung bei Fluchtversuchen tödlich verunglückter Personen (1961–1989). Karte: M. Peetz 2020. 15
Von Gerhard Weilandt Forschende entwickeln virtuelles Raum-Zeit-Modell der historischen Metropole Nürnberg Das Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifs- konnten die zerstörten Häuser vergleichsweise detailliert re- wald war in den Jahren 2016 bis 2018 in das Projekt TOPO- konstruiert werden. Auf eine farbige Rekonstruktion der Fas- RAZ – Topographie in Raum und Zeit eingebunden. Unter saden wurde bewusst verzichtet, da die Quellen dafür nicht der Leitung des Leibniz-Instituts FIZ Karlsruhe entwickelten ausreichen. Darüber hinaus sind nicht alle Häuser Nürnbergs Forschende aus verschiedenen Disziplinen ein virtuelles in Zeichnungen oder Fotos überliefert. Das betrifft insbeson- Raum-Zeit-Modell der historischen Metropole Nürnberg. dere die kleinen und engen Nebengassen. In diesen Fällen Dieses ist bislang national wie international ohne Vergleich. werden vereinfachte 3D-Modelle in TOPORAZ eingestellt, wobei immer die Möglichkeit besteht, bei neuen Funden die schlichten Fassaden durch präzisere Modelle zu ersetzen. Es gibt fünf Levels of Detail (LoD A-E) von einer einfachen, nur Am Beispiel des zentralen Platzes der Stadt Nürnberg – des die Kubatur anzeigenden Kiste in Grundstücksgröße bis zum Hauptmarkts – schufen die Forschenden erstmals wissen- detailliert ausgearbeiteten Modell mit Fassade, Nebengebäu- schaftlich fundierte 3D-Modelle in vier Zeitstufen vom Barock den und Innenhöfen. bis in die Gegenwart. Sie sind vollständig georeferenziert und mit einer Datenbank verknüpft, für die historische Quellen – Die an die 3D-Modelle angeschlossene Datenbank enthält alle Texte, Bilder und Karten – neu erschlossen und eingepflegt verfügbaren Quellen zu den Objekten (öffentliche Bauten, Pri- wurden. So wurde es möglich, die Entwicklung dieses Stadt- vathäuser, Plätze etc.) von den Anfängen der Überlieferung im raums von den Anfängen bis zur weitgehenden Zerstörung Mittelalter bis heute. Die Informationen betreffen auch deren der Altstadt im Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus zu do- Bewohnende und Nutzende, ihre familiären, beruflichen und kumentieren und anschaulich darzustellen. sozialen Verflechtungen. Die virtuelle Forschungsumgebung wird so zur Plattform für die Zusammenführung von hetero- Die digitale Rekonstruktion ist mit vielen Herausforderungen genen Forschungsdaten aller historischen Disziplinen. Sie un- konfrontiert, wenn man sie wissenschaftlich absichern und terstützt damit das vernetzte transdisziplinäre Arbeiten. Die nicht nur auf eine vage Anschaulichkeit reduzieren will. Von meisten in TOPORAZ enthaltenen Daten sollen unter freien den historischen Gebäuden des Hauptmarktes waren nur die Lizenzen zur Nachnutzung zur Verfügung stehen, eine zen- platzbeherrschende Frauenkirche und ein einzelnes Gebäude trale Voraussetzung für die Umsetzung einer Open-Science- als Ruinen erhalten. Sie reichten jedoch aus, einen verläss- Strategie, die erst eine breite Nutzung ermöglicht. Im März lichen Maßstab für die Dimensionen der anderen Gebäude 2020 ist das Nachfolgeprojekt TRANSRAZ (Laufzeit drei Jahre) zu liefern. Diese wurden auf der Basis von Zeichnungen und gestartet, in dem der Transfer von TOPORAZ in die breite An- Druckgrafiken seit dem 16. Jahrhundert und Fotografien des wendung erfolgt. 19. und frühen 20. Jahrhunderts rekonstruiert. Hinzu kamen Bauakten des 19. Jahrhunderts mit zahleichen Grundrissen Hier wird der innovative Ansatz erheblich erweitert. Die ge- und Aufrissen. Im Allgemeinen und insbesondere für den samte Altstadt Nürnbergs (ca. 3 000 Häuser, davon nur ca. 10 % Hauptmarkt ist die Quellenlage in Nürnberg exzellent – das bis heute erhalten) wird jetzt erfasst. Erst so können die Stadtarchiv verfügt über einen riesigen Fundus von mehre- übergreifenden Stadtstrukturen und die sozialen Netzwerke ren 10 000 historischen Fotos und 75 000 Bauakten. Deshalb Nürnbergs in den Blick treten. Dazu müssen – anders als im 16
Forschung Historische Fotografie des Nürnberger Haupt- marktes, ca. aus dem Jahre 1909 Quelle: Stadtarchiv Nürnberg A 47/II Nr. KS-132-11 Vorprojekt – Big-Data-Methoden zur (teil-)automatischen Die virtuelle Forschungsumgebung ermöglicht es, die Er- Quellenerschließung angewandt werden, womit das Projekt gebnisse wissenschaftlicher Forschung in anschaulicher eine neue Ausrichtung im Sinne Künstlicher Intelligenz er- Weise für interessierte Laien nutzbar zu machen und leistet hält. Ferner sollen die georeferenzierten Daten mit externen damit einen wichtigen Beitrag zum Erkenntnistransfer und Datenquellen (Archivportal-D, Druckwerke) verknüpft und zur Bildung. Grundsätzlich ist TRANSRAZ auf beliebige topo- somit Teil eines weltweiten Netzwerks werden. Geplant ist grafische Räume anwendbar und kann standardisierend für die Erweiterung um eine Beteiligungsplattform im Sinne von die raumbezogene Forschung wirken. Hieraus ergeben sich Citizen Science, etwa durch die Möglichkeit, private Fotos Perspektiven für die Nachhaltigkeit auch im außerakademi- oder Urkunden in das Modell einzustellen. schen Bereich. • Der Nürnberger Haupt- markt im 3D-Modell der Zeitstufe um 1910 Quelle: Toporaz/FIZ Karlsruhe 17
Von Steffen Fleßa zu reagieren, steigt mit der Häufigkeit des Eintritts derartiger Risiken und damit der Fallzahl. Dementsprechend Krankenhäuser zeigen die meisten – wenn auch nicht alle – Studien eine signifikante Korre- im ländlichen Raum lation von Volumen und Outcome der Behandlungen im Gesundheitswesen. Die Vorteile der Zentralisierung gehen mit einer schlechteren Erreichbarkeit Krankenhäuser leisten einen wichtigen nen einheitlichen Preis (G-DRG Entgelt) einher. Problematisch ist hierbei, dass Beitrag zur Gesundheitsversorgung der für einen bestimmten Fall unabhängig die Entscheidungssituation häufig Bevölkerung. Die Qualität der Leistun- von den Krankenhausspezifika vor- nicht transparent ist und Diskussio- gen sowie ein naher Standort stellen sieht, erhalten kleine und große bzw. nen nicht auf Basis von Fakten geführt deshalb für die Bevölkerung eine wich- städtische und ländliche Krankenhäu- werden. Der Lehrstuhl für Allgemeine tige Komponente ihrer Lebensqualität ser dasselbe Entgelt für dieselbe Leis- Betriebswirtschaftslehre und Gesund- dar. Wenn Fachabteilungen (z. B. Ge- tung. Damit sind die kleineren Häuser heitsmanagement der Uni Greifswald burtshilfe) oder ganze Krankenhäuser im ländlichen Raum systematisch unterstützt derartige Entscheidungen geschlossen werden, kommt es regel- benachteiligt und weisen ein höheres durch modellgestützte Analysen rati- mäßig zu Protesten und Bürgerinitia- Insolvenzrisiko auf. Eine Konzentration onaler. In Kooperation mit der Com- tiven, die für den Erhalt „ihres“ Kran- auf wenige Standorte in den Städten munity Medicine wurde etwa für die kenhauses kämpfen. Im Gegenzug zu ist eine logische Konsequenz der be- Pädiatrie und Geburtshilfe des Kreis- städtischen Ballungszentren, in denen stehenden Krankenhausfinanzierung. krankenhauses Wolgast ein Modell das Angebot an Krankenhausdienst- Weiterhin spricht der Übungseffekt für entwickelt, das sowohl die Kosten als leistungen kaum infrage gestellt wird, eine Konzentration auf wenige, größe- auch die Erreichbarkeit für verschiede- entwickelt sich bei der ländlichen Be- re Standorte. Häufig verrichtete Eingrif- ne Zentralisierungsalternativen trans- völkerung das subjektive Empfinden fe (z. B. eine Operation) führen zu einer parent darstellt. • einer Schlechterstellung. Reduktion der Arbeitszeit pro Prozess und damit der Stückkosten. Darüber Der Rückbau von Krankenhäusern hat hinaus impliziert eine höhere Fallzahl ökonomische und qualitative Gründe. in der Regel eine Verbesserung der LITERATUR Fixkostendegression, Größendegres- Qualität. Hierbei ist nicht nur die Qua- Fleßa, Steffen. „Kleinere sion und Verbundvorteile implizieren, lität des einzelnen Teilprozesses zu be- Krankenhäuser im ländlichen dass größere Krankenhäuser (gemes- achten, sondern vor allem die Qualität Raum“, Springer Books (2020). sen in Bettenzahl, Fallzahl, Case Mix) des Gesamtprozesses einschließlich geringere Fallkosten haben als kleine- aller Risiken. Die Fähigkeit, auf Kom- Die Abbildungen links zeigen re. Da die Krankenhausfinanzierung ei- plikationen angemessen professionell die Einzugssituation im Jahr 2014 sowie bei einer Kon- zentration auf den Standort Greifswald. Ausgangspunkt war ein jährlicher Gesamtverlust aller drei Krankenhäuser in der Pädiatrie und Geburtshilfe von 3,5 Mio. Euro. Durch die Kon- zentration kann der Verlust in einen Gewinn von 2 Mio. Euro gewandelt werden. Gleichzeitig steigt insbesondere für die Be- völkerung im östlichen Usedom die Distanz erheblich an. Pkw-Erreichbarkeit der Krankenhäuser im Kreis Vorpommern-Greifswald (Berg, Radicke et al. 2019). 18
Lernen & Lehren Von Jana Kiesendahl #Digitale Lehre an der Universität Greifswald „Was verbinden Sie mit Digitalisie- rung?“, fragten wir Greifswalder Leh- rende bei einem Workshop zu digita- ler Hochschullehre. Das Ergebnis war ebenso heterogen wie die Lebensbe- reiche, in denen uns Digitalisierung begegnet. Dennoch gab es vier Begrif- fe, die immer wieder genannt wurden: Flexibilität, Spaß, Interaktivität und Aufmerksamkeit. Digitale Lehrange- bote schaffen für alle Beteiligten eine örtliche und zeitliche Flexibilität. Sie bieten hervorragende Möglichkeiten, Interaktivität, Aufmerksamkeit und Foto: Julian Bota Spaß in die (digitale und analoge) Lehr- veranstaltung zu bringen und damit die Lernbereitschaft der Studierenden zu erhöhen, indem zum Beispiel Umfra- gen, Wordclouds oder Quizfragen digi- tal durchgeführt werden. talisierung in der Hochschullehre“ und Die Universität Greifswald hat sich der Hochschuldidaktik, können sich auf den (digitalen) Weg gemacht. Wir Noch immer aber kommen digitale Lehrende zu Themen wie Mobile Lear- sollten aber bedenken: Lehrende und Medien primär in Form von Power- ning, Moodle, E-Portfolios, Webinare, Studierende durchlaufen den digitalen Point-Folien zum Einsatz. Moodle wird Lehrvideos oder Urheberrecht in digi- Wandel gemeinsam. Sie testen, modi- kaum als umfangreiches Lernmanage- talen Lernmodulen fortbilden. fizieren, übernehmen oder verwerfen mentsystem für kollaborative Textar- digitale Lehr-Lern-Formate. Der Dialog beit, Abstimmungstools, interaktive Ganz neu ist das eTutor*innen-Pro- mit den Lernenden sollte in diesem Videos, animierte Timelines oder Tests gramm – ein Ausbildungsprogramm, Wandelprozess einen hohen Stellen- genutzt, sondern eher als „Handap- bei dem studentische Hilfskräfte (nach wert einnehmen und auch die Anerken- parat“ für Texte und Dateien. Es geht positiv beschiedenem Antrag) seit Fe- nung digitaler Prüfungsformate ein Ziel aber auch anders: Wir haben an der Uni bruar 2020 geschult und begleitet wer- sein, um zeitgemäß und dem Leitbild eine Reihe an Projekten und engagier- den, um Lehrende kompetent in ihrer der Universität getreu exzellente Lehre te Lehrende, die digitale Lehrszenarien digitalen Lehrpraxis zu unterstützen. anbieten zu können. • einsetzen (möchten). So werden aktu- Sie erwerben in Präsenz- und Online- ell acht Projekte „Digitale Lehre in MV“ modulen Kenntnisse zur Funktionswei- gefördert, die neben internationalen se von digitalen Lehr-Lern-Instrumen- Onlinekursen auch E-Portfolios, eine ten, zu deren didaktisch sinnvollem Weitere Informationen zu digitaler Tierbestimmungs-App, Spielumgebun- Einsatz sowie zur Begleitung individuel- Lehre sowie Best-Practice- gen und anderes entwickeln. ler und kollaborativer Lernprozesse mit Beispielen von Greifswalder digitalen Medien. Im Sommersemester Lehrenden Mit der 2019 gegründeten Workshop- 2020 schließt sich die Praxisphase an, www.uni-greifswald.de/ reihe „update_Lehre“, einer Koopera- in der die eTutor*innen ihre Lehrkraft in digitale-lehre tion des interstudies_2-Projekts „Digi- digitaler Lehre unterstützen. 19
Von Studierenden aus Greifswald und dem südlichen Afrika Von Zulu-Kultur, Feldforschung und Safari – ein Reisetagebuch Vom 5. bis 11. September 2019 orga- Paul eine Einführung in unser Untersu- rück zur Unterkunft. Teamwork bei der nisierte der Lehrstuhl für Physische chungsgebiet und wir besprechen den Arbeit mit großen Geräten ist wirklich Geographie der Universität Greifswald Plan für die kommenden Tage. unabdingbar. Es macht großen Spaß. gemeinsam mit der Universität Kwa- Zulu-Natal eine durch den DAAD geför- DAY DAY derte Sommerschule in Richards Bay, 2 5+6 Südafrika. Vier afrikanische und vier Mehr Regen! Die Zulu-Kultur ist ein fes- Unsere Gruppe erkundet heute den deutsche Studierende wurden dazu ter Bestandteil der südafrikanischen Mzingazi See nahe unserer Unterkunft. aus über 60 Bewerbungen ausgewählt. Geschichte. Um diese besser kennen- Mit Hilfe der lokalen Polizei beladen wir Ziel der Sommerschule war es, Studie- zulernen, fahren wir ins Shakaland, ei- unser Boot und fahren auf den See. Wir renden eine praktische Erfahrung in nem Zulu-Museumsdorf. Hier zeigt man nehmen mit verschiedenen Geräten Beprobungs- und Bohrtechniken zu er- uns die Traditionen der Zulu-Kultur und Proben des Seebodens und -wassers. möglichen. Diese Techniken werden oft ihre Kampftechniken. Im Eifer des Gefechts vergessen wir in den Geo- und Umweltwissenschaf- sogar die Mittagspause. An der tiefsten ten eingesetzt. Die Teilnehmenden be- Der Goedertrouw-Damm, unser nächs- Stelle des Sees platzieren wir eine Ket- kamen auch einen Einblick in die dorti- tes Ziel, dient als Süßwasserspeicher. te mit Temperatur-Loggern, die wir am ge Kultur. Alle gemeinsam haben einen Wir entscheiden uns, eine Probe für Folgetag wieder bergen. Wir wollen her- Blog über die Erlebnisse geschrieben. spätere Wasseranalysen zu nehmen ausfinden, ob der See unterschiedliche Hier eine gekürzte Fassung: und werden in das nötige Vorgehen Temperaturen in verschiedenen Was- eingeführt. Der Tag vergeht schnell. sertiefen hat. Aus den Aufzeichnungen DAY Zurück in Richards Bay packen wir die der Logger leiten wir ab, dass dies nicht 1 Mietwagen. Morgen beginnt die eigent- der Fall ist. Regen, es schüttet aus Eimern! Wir – liche Feldforschung. Wir sind sehr ge- drei Geographiestudierende aus Greifs- spannt. DAY wald: Caroline, Isabella und Marius, 7 unser Fotograf Magnus und Dr. Finn DAY Um fünf Uhr morgens genießen wir Viehberg – landen nach 20-stündiger 3+4 den Sonnenaufgang am Strand. Nach Reise bei strömendem Regen auf dem Strahlender Sonnenschein! Heute ist dem Frühstück packen wir alle Gerä- Flughafen von Durban. Hier treffen wir unser Ziel eine trocken gefallene Bucht te und Proben und fahren zum Fluss Eugene (Uni Kapstadt, Südafrika) und in der Nähe des Hafens von Richards uMhlatuze. Die Gegend dort ist stark Jeff (Copperbelt University, Sambia) Bay. Hier werden uns verschiedene vermüllt. Während eines kurzen Ar- und fahren nach Richards Bay – dem Bohrtechniken vorgestellt und es ge- beitseinsatzes sammeln wir vier Müll- Ziel unserer Reise. lingt uns einige Bohrkerne zu bergen. säcke voll! Anschließend besuchen wir Anschließend „sprechen“ wir die Ker- einen Mangrovensumpf im uMlalazi Dort erwarten uns Prof. Torsten Haber- ne an, das heißt wir bestimmen Far- Naturreservat. Wir sehen Affen, Zebras, zettl, Paul Mehlhorn (beide Dozenten be, Kalkgehalt und Organismen. Mit einen Bienenfresser und weitere be- der Uni Greifswald), Moteng (Uni Wit- Dr. Jemma Finch (Uni KwaZulu-Natal) eindruckende Tiere. Mit dieser kleinen watersrand, Südafrika) und Balemo- sammeln wir Pollenproben und be- Wildlife-Erfahrung endet unsere Som- geng (Okavango Research Institute, reiten diese auf (abends schauen wir merschule und wir fahren zurück nach Botswana). Nach einem kurzen Ken- uns diese unter dem Mikroskop an!). Durban, um unsere Flüge nach Hause nenlernen geben uns Torsten, Finn und Erschöpft aber zufrieden kehren wir zu- zu erwischen. • 20
Lernen & Lehren Die Studierenden neh- men die Koordinaten der Bohrung auf. Alle Fotos: Magnus Schult Nach Abschluss der Sommerschule bekamen alle Teilnehmenden ein Zertifikat. Den gesamten Blog und mehr Informationen zu Train-ME: geo.uni-greifswald.de/ trainme/ Die Sommerschule fand statt im Rahmen des derzeit in der Phy- sischen Geographie angesiedelten internationalen Projekts TRACES (Tracing Human and Climate impacts in South Africa). Dieses wird durch das BMBF gefördert. 21
Von Tiemo Timmermann CO2-Fußabdruck der Uni Greifswald Erster Nachhaltigkeitsbericht für 2016 (ohne UMG) der Uni Greifswald erschienen Nachhaltige Entwicklung braucht klare Nachhaltigkeitsgeographie wurden für Ziele, entschiedenes Handeln und eine die Jahre 2011 und 2016 arbeitsaufwen- ordentliche Portion Beharrlichkeit. Der dige Bilanzierungen erstellt, die eine erste Nachhaltigkeitsbericht der Univer- Vorstellung von der Größe des CO2-Fuß- sität, im Oktober 2019 erschienen, gibt abdrucks der Universität geben. Der er- einen systematischen, faktenreichen mittelte CO2-Fußabdruck berücksichtigt und anschaulichen Überblick zum ak- bisher den Primärenergieverbrauch für tuellen Stand der Nachhaltigkeit an der Wärme und Strom, Dienstreisen und Universität und schafft damit Orientie- Exkursionen sowie die Nutzung der rung für die nächsten Schritte. Fahrzeuge des Fuhrparks. Wärmeerzeu- gung und Flugreisen stellen die größten In rund 90 Forschungsprojekten sowie erfassten Quellen von CO2eq -Emissionen neun Studienprogrammen und einem dar. Sie stehen daher im Fokus einer Graduiertenkolleg setzt sich die Uni- Klimaschutzstrategie, die zurzeit an versität wissenschaftlich mit Prozessen der Universität erarbeitet wird. Weitere und Bedingungen nachhaltiger Trans- klimarelevante Emissionen (u. a. verur- formation auseinander oder entwickelt sacht durch Universitätsländereien, Be- nachhaltige Verfahren in angewandten schaffung, Gebäudemanagement, Ab- Projekten für den Transfer. Auch im fall) sowie die Universitätsmedizin (UMG) täglichen Campusmanagement und in bleiben bei der Bilanzierung derzeit der Universitätsverwaltung wird immer noch ausgeklammert; sie sollen im stärker auf nachhaltige Lösungen ge- nächsten Bericht einbezogen werden, setzt. Der Bericht listet hier Maßnahmen dessen Publikation 2021 geplant ist. • 3 641 auf, die zu beeindruckenden Ergebnis- sen führten. So konnte durch den Um- www.uni-greifswald.de/ stieg auf emissionsarmen Ökostrom die nachhaltigkeit CO2eq -Emissionen aus Strom und Wär- T O N N E N me bereits im Jahr 2012 schlagartig um t CO2-Äquivalente 64 % reduziert werden. Investitionen in 10000 Fähre & Bus stromsparende LED-Beleuchtung und Bahn 9000 moderne Lüftungstechnik verringerten = den Stromverbrauch der Zentralen Uni- versitätsbibliothek um 42 %. Auch beim Papierverbrauch sprechen die Zahlen 8000 7000 PKW/Kleinbus Flugzeug 6000 Erdgas für sich. Der Gesamtpapierverbrauch 2 611 TONNEN sinkt kontinuierlich und zugleich wächst 5000 Fernwärme Strom und Wärme der Anteil von Recyclingpapier. 4000 Strom 1 030 TONNEN Klimaschutz hat für die Universität 3000 Dienstreisen und Greifswald einen besonderen Stellen- 2000 Fuhrparknutzung wert, sie bekennt sich in ihrem Leitbild zum Ziel der CO2-Neutralität. Im For- 1000 CO2-Fußabdruck der Uni Greifswald in 2011 und 2016 (ohne UMG, Größte CO2eq-Emissionsquellen = schungsprojekt „CO2-neutrale Uni“ so- 0 jahresspezifische Emissionsfaktoren Wärmeerzeugung und Flugreisen wie durch zwei Masterarbeiten im Fach 2011 2016 nach Umweltbundesamt/ProBas) 22
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