HEIMAT WESTFALEN - PERSPEKTIVEN FÜR JUNGES ENGAGEMENT WHB - TAGUNGSREIHE 2019 - WESTFÄLISCHER HEIMATBUND
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i n hal t 3 Editorial WANDERN IM MÜNSTERLAND PERSPEKTIVEN FÜR JUNGES ENGAGEMENT – 39 WHB-Wanderung im Emsdettener Venn zum Tag WHB-TAGUNGSREIHE 2019 des Wanderns am 14. Mai 2019 4 SILKE EILERS SERVICEBÜRO WHB Heimat für Kinder und Jugendliche – Chancen gestalten 40 Mitgliedschaft im WHB – Mitgliedergewinnung und Beiträge und Impulse setzen. Tagungsreihe in Kooperation von WHB und Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung NRW“ WHB-PROJEKTE 42 „Heimat für alle“ – WHB legt Projekt zum Engagement 12 BERNHARD ANZALONE UND AKTEURE für Integration auf Nachwuchs fördern und qualifizieren – Erfahrungsberichte junger Engagierter WHB-seminare im Freiwilligen Sozialen Jahr in der Denkmalpflege 44 Aktuelle Fortbildungen des WHB 20 BERND BRAUNERT UND SILVIA SCHILDE TAGUNGEN UND VERANSTALTUNGEN Gemeinsam in kulturelle Bildung investieren – Kindern 45 Jahreshauptversammlung des Heimatbundes Siegerland- und Jugendlichen regionale Lernräume eröffnen. Wittgenstein e. V. am 20. Mai 2019 in der Wasserburg Hainchen Eine Kooperation des Heimatvereins Gemen e. V. und der Jodocus Nünning Gesamtschule in Borken engagiert vor ort 46 Heimatmacher-Praxisbeispiele aus Ihrer Arbeit 28 JUNGES ENGAGEMENT Jannik Welp – Mitglied im Jugendbeirat und „Provinzheld“ NACHRICHTEN UND NOTIZEN der Stadt Lengerich 50 Erweiterung des Bestands in der Bibliothek der deutschen Heimatzeitschriften 30 MEINE HEIMAT WESTFALEN Michael Eckhoff, Hagen DANK UND ANERKENNUNG 51 Kreis Steinfurt verleiht Brauchtumspreis 2018 Foren und Unterstützernetzwerk an Rita Volkmer 31 Neustrukturierung der WHB-Fachstellen: 52 Willi Garth feierte seinen 80. Geburtstag Unterstützernetzwerk, Foren und runde Tische 53 Josef Reding vollendete das 90. Lebensjahr 54 Ulrich Pieper zum 80. Geburtstag NEUE MITGLIEDER IM WHB 55 Nachruf Heinrich Mendelin 34 Gemeinsam für Westönnen e. V., Werl-Westönnen NEUERSCHEINUNGEN AUS GESCHÄFTSSTELLE UND GREMIEN 56 Heimat. Geschichte eines Missverständnisses 35 Personelle Erweiterung des Rottendorf-Ausschusses 56 Lengerich. Entdeckt von Kindern und Erwachsenen im WHB 57 Entdecke die Kultur des Bauens 36 Besuch von Vertretern des WHB beim Heimatbund 57 Ein schöner Land! Aufgaben von Kulturpolitik und Bestwig am 16. April 2019 Kulturarbeit im Strukturwandel ländlicher Räume 37 WHB-Geschäftsführerin Dr. Silke Eilers ist Mitglied in der Historischen Kommission für Westfalen Buchbesprechungen 37 Bücher, Bücher, Bücher – heimatkundliche Literatur 58 Kreis Gütersloh. 55 Fundstücke, die Geschichte erzählen kostenlos abzugeben 38 Neue Projektmitarbeiterin in der WHB-Geschäftsstelle 38 Kathrin Kobialka verlässt den WHB Heimat Westfalen ISSN 2569-2178 / 32. Jahrgang, Ausgabe 3/2019 Herausgeber: Westfälischer Heimatbund e. V. · Kaiser-Wilhelm-Ring 3 · 48145 Münster. Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Silke Eilers Telefon: 0251 203810 - 0 · Fax: 0251 203810 - 29 E-Mail: whb@whb.nrw · Internet: www.whb.nrw Schriftleitung: Dr. Silke Eilers Redaktion: Dr. Silke Eilers, Frauke Hoffschulte, Christiane Liedtke, Sarah Pfeil Layout: Gaby Bonn, Münster Druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH, Hamm Für namentlich gezeichnete Beiträge sind die Verfasser persönlich verantwortlich. Diese Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember. Gefördert von: Titelbild: Gemeinschaftsarbeit der Schülerinnen Greta und Leni der Klasse 7F der Jodocus Nünning Gesamtschule im Rahmen des Projektes „Annäherungen – Jüdisches Leben in Gemen“ unter Leitung der Kunstlehrerinnen Sibylle Borgemeister und Christa Nienhaus-Rekers. Foto/ Jodocus Nünning Gesamtschule
e d i t o r i al J unge Menschen für ihr örtliches Umfeld zu interessieren ist eine zentrale Aufgabe für Heimatakteure. Denn – sie sind die zukünfti- gen Heimatgestalter. Indem ich mich mit Natur und Kultur vertraut mache, erfahre ich nicht nur etwas über die Ge- schichte meines Ortes, sondern ich lerne auch ge- genwärtige Herausforderungen und die Vielfalt der Gesellschaft kennen. Die lokale Beschäftigung mit Foto/ Greta Schüttemeyer Heimat ermöglicht vielschichtige Zugänge zur globalen Welt, im besten Falle führt sie zu einer aktiven Mitgestaltung des Umfeldes mit Blick auf die Erfordernisse der Gegenwart. Der WHB möchte Perspektiven für junges Engagement in der Heimatarbeit entwickeln. Heimat geht uns alle an – ob jung oder alt. Doch wie können gerade junge Menschen dafür gewonnen werden? Welche Rahmenbedingungen und Netzwerke sind erforderlich? Welche guten Beispiele gibt es bereits in der Region? Das sind die Aspekte, aus welchen wir Impulse für eine erfolgreiche Jugendarbeit gewinnen möchten. Dafür kooperieren wir mit kompetenten Partnern wie etwa der Arbeitsstelle „Kul- turelle Bildung NRW“ und Bildungspartner NRW. Ausgabe 3/2019 der Heimat Westfalen widmet sich in ihrem Schwerpunkt dem Auftakt der Fach- tagungsreihe unseres Themenjahres „Heimat für Kinder und Jugendliche“. Dabei werden auch exem- plarisch zwei der präsentierten Projekte – die Jugendbauhütte NRW-Westfalen sowie die Kooperation zwischen dem Heimatverein Gemen und der Jodocus Nünning Gesamtschule in Borken – näher vorge- stellt. In der Rubrik „Junges Engagement“ erläutert Jannik Welp, was ihn dazu bewogen hat, sich im Kreis Steinfurt als „Provinzheld“ politisch zu engagieren. Auf unseren Serviceseiten stellen wir Ihnen u. a. das neue WHB-Projekt „Heimat für alle – Heimatver- eine als Brückenbauer für Integration“ vor. Das Thema beschäftigt uns bereits seit längerem; mit dem Vorhaben möchten wir verstärkt an einer Sicherung und Professionalisierung der Strukturen arbeiten. Zudem geben wir Ihnen einen Überblick über die Umstrukturierung der Fachstellen des WHB – durchaus eine Zäsur in der Geschichte des Verbandes, aber Gelegenheit für einen Neustart. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesbezüglich dem WHB und seinen Mitgliedern künftig im Unterstützer- netzwerk oder in einem der neuen Foren Ihre Expertise ehrenamtlich zur Verfügung stellen würden. Sie sind mit Ihrem Wissen herzlich willkommen! Sprechen Sie mich gerne dazu an. Herzliche Grüße Ihre Dr. Silke Eilers Geschäftsführerin des WHB HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 3
Junges Engagement Heimat für Kinder und Jugendliche – Chancen gestalten und Impulse setzen Tagungsreihe in Kooperation von WHB und Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung NRW“ von Silke Eilers Die Tagung regte zum Austausch an und zeigte Praxisbeispiele sowie Perspektiven für junges Engagement in der Heimatarbeit auf. Foto/ Greta Schüttemeyer 4 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 W as bedeutet Heimat für Kinder und Ju- Auftaktveranstaltung in Münster gendliche heute? Wie kann man sie un- terstützen, sich Heimat zu erschließen Gemeinsam werden drei Fachtagungen in Westfalen und diese im besten Falle mitzugestalten? Wie – je eine in jedem Regierungsbezirk – durchgeführt. bleiben junge Menschen der Region langfristig verbun- Diese Veranstaltungen zeigen anhand von unter- den? Diesen Fragen stellt sich der Westfälische Heimat- schiedlichen Impulsen und Praxisbeispielen Mög- bund e. V. (WHB) mit seinem diesjährigen Themenjahr. lichkeiten für junges Engagement auf. Wie müssen Formate konzipiert sein, damit sie bei Kindern und Jugendlichen auf Interesse stoßen? Wie Zum Auftakt am 8. April im LWL-Landeshaus in Mün- gelingt eine nachhaltige Vernetzung von Angeboten ster diskutierten rund 100 Teilnehmende aus der kultureller Bildung zwischen Schulen und Vereinen? Heimat- und Kulturszene über Herausforderungen Zudem steht die Nachwuchsgewinnung für Vereine im und Chancen für junge Heimatgestalterinnen und Blickpunkt. Wir stellen dabei die Arbeit an Strukturen -gestalter. in den Vordergrund. Dafür kooperiert der Westfälische In seinem Grußwort hob WHB-Vorsitzender Mat- Heimatbund mit kompetenten Partnern. Dazu gehört thias Löb hervor, dass es aus seiner Sicht die zentra- neben Bildungspartner NRW auch die Arbeitsstelle „Kul- le Aufgabe für Heimatverbände und -vereine sei, die turelle Bildung NRW“. Begeisterungsfähigkeit junger Menschen anzuspre- Ziel des WHB-Themenjahres ist es, einerseits funk- chen. „Es gilt schon früh, bei jungen Menschen ei- tionierende und übertragbare Formate abzuleiten. An- nen Blick für die besonderen Merkmale ihres Dorfes, dererseits geht es um den Abbau von Hemmschwellen, ihres Stadtteils und ihrer Landschaft zu wecken. Für denn noch nicht alle Akteure sind in der Jugendarbeit das, was ich kenne und schätze, bin ich eher bereit aktiv beziehungsweise erfolgreich. Vielfach ist der Wil- mich einzusetzen. Kinder und Jugendliche, die wir le vorhanden, jedoch fehlt mitunter ein entsprechen- heute erreichen, kommen später vielleicht auch der Anknüpfungspunkt und auch der Mut aufeinander wieder in die Region zurück“, erläuterte Löb. „Wir zuzugehen. Hier möchte der Westfälische Heimatbund möchten gemeinsam mit den Akteuren vor Ort und gerne Hilfestellung für die tägliche Arbeit leisten und im starken Partnern Perspektiven für junges Engage- besten Falle konkrete Aktivitäten anregen. ment in der Heimatarbeit entwickeln.“ HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 5
Junges Engagement Die Gesprächspartner erläuterten den Anwesenden ihre spezifischen Erfahrungen und Empfehlungen. Andreas Weinhold, von Hause Lehrer für Geschichte und Englisch, hat 16 Jahre an nordrhein-westfälischen Gesamtschulen unterrichtet und weitreichende Er- fahrungen im Bereich Lehrerfortbildung. In der Ge- schäftsstelle von Bildungspartner NRW koordiniert er die Kooperationen zwischen Schulen und Gedenk- und Erinnerungsstätten in NRW. Für ihn hat regionales, auf die nahe Umgebung bezogenes Lernen einen hohen Stel- lenwert. Zwar sei der Heimatbegriff aus den heutigen Lehrplänen der Schulen verschwunden, da er die für pädagogisch-didaktische Konzepte erforderliche Schärfe vermissen lasse. Gleichwohl verbänden sich mit vielen Heimatakteuren attraktive Lernangebote für Schulen: ortsgeschichtliche oder Natur- und Umweltbildungs- angebote im Sachunterricht der Grundschulen etwa, lokal- und regionalgeschichtliche Ergänzungen zur „Wir möchten gemeinsam mit den Akteuren vor Ort und starken überregionalen Geschichte des Schulbuches oder eine Partnern Perspektiven für junges Engagement in der Heimatarbeit Mitgestaltung der kommunalen Geschichts- und Erinne- entwickeln“, so Löb. rungskultur durch Schülerinnen und Schüler. Foto/ Greta Schüttemeyer Die Leiterin der Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung Analogien und Unterschiede von NRW“, Brigitte Schorn, beschrieb in ihrem Grußwort Regionen können durch Praxisbezug Jugendliche als Schlüsselpersonen, wenn es um die Zu- erfahrbar werden kunft der ländlichen Räume geht. „Sie sind vital, über- nehmen gern Verantwortung, haben Ideen. Doch wenn „Weder Vergangenheit noch Gegenwart sind an allen man ihnen keine ‚Ermöglichungsstrukturen‘ bietet, be- Orten gleich. Um Analogien und Unterschiede zwischen steht die Gefahr, dass sie ihrem Dorf, ihrer Region so mehr oder weniger weit entfernt gelegenen Regionen schnell wie möglich den Rücken kehren. Jugendliche erschließen zu können, bedürfen Schülerinnen und brauchen Unterstützer, die ihnen Gestaltungsmacht Schüler einer Auseinandersetzung mit den kulturel- einräumen, die ihnen Zeit und Raum geben, eigene len, historischen oder natürlichen Merkmalen ihres Ideen umzusetzen.“ Nahraumes“, so Weinhold. Gute Lernangebote seien ge- genüber Kindern und Jugendlichen mit und ohne Zu- wanderungsgeschichte gleichermaßen anschlussfähig. Gesprächsrunde „Junges Engagement In einer von Migration und Mobilität geprägten Gesell- – aber wie?“ schaft sollten die Lernangebote der Heimatakteure die Diversität heutiger Lerngruppen jedoch immer berück- In einem Eröffnungsgespräch diskutierte WHB-Ge- sichtigen. schäftsführerin Dr. Silke Eilers mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung NRW“, Zu den besonderen Qualitäten außerschulischer Lernan- von Bildungspartner NRW, lagfa NRW und des Projektes gebote von Heimatakteuren führte Andreas Weinhold „Provinzhelden“ aus dem Kreis Steinfurt über Rahmen- aus: „Lernangebote der Heimatakteure sind besonders bedingungen und Faktoren für gelingendes Kinder- und wirksam, wenn sie Schülerinnen und Schüler zur Jugendengagement. aktiven Teilhabe an kulturellen, historischen oder öko- 6 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 logischen Projekten einladen.“ Vielfach fehle es jedoch an dem „Gewusst wie“. Angebote der Heimatakteure seien umso attraktiver für Schulen, je stärker sie an deren institutionellen Voraussetzungen und Erwar- tungen sowie den Lehrplaninhalten ausgerichtet seien. Hier machte Weinhold auch noch einmal auf die neue Handreichung von Bildungspartner NRW in Koopera- tion mit dem Westfälischen Heimatbund aufmerksam. Die stellvertretende Leiterin der Arbeitsstelle „Kul- turelle Bildung NRW“, Gisela Wibbing, blickt auf Erfahrungen als Schulleiterin einer Realschule im Re- gierungsbezirk Detmold zurück. Sie weiß, Beteiligung Dr. Silke Eilers und Brigitte Schorn nutzten die Zeit für den Dialog ist kein Selbstläufer. Hierfür sind aus ihrer Sicht Gele- mit den Gästen. genheiten, Anregungen und auch Begleitung erforder- Foto/ Greta Schüttemeyer lich. In der Realschule hat Wibbing seinerzeit einen Ansatz mit einem verbindlichen Format und festen Strukturen erprobt, um junge Menschen bewusst an dorf an der Friedrich-Albert-Lange-Gesamtschule in So- Engagement heranzuführen. lingen eine gleichnamige AG gegründet. Jugendliche erkennen, Projekte sollen Dreieck Schule – wie erfüllend Ehrenamt sein kann Kultur – Ehrenamt verknüpfen In welchem Bereich sie ehrenamtlich tätig werden, Zweck ist es, junge Menschen mit einem kulturellen Eh- konnten sie frei wählen: ob z. B. in einem Museum, renamt bekannt zu machen und zur Teilhabe anzure- beim Kinderschutzbund, in einer biologischen Station gen. „Das Projekt verbindet das Dreieck Schule – Kultur oder in einer Senioreneinrichtung. Es gab sowohl in – Verein, indem es durch die Förderung eines regel- der Schule als auch in der jeweiligen Einrichtung feste mäßigen kulturellen Ehrenamtes in den Solinger Kul- Betreuerinnen und Betreuer, die in regelmäßigem Aus- tureinrichtungen eine Vernetzung und Identifikation tausch miteinander, aber auch mit den Schülerinnen zwischen Jugendlichen und den Kultureinrichtungen und Schülern standen. „In einem zweiten Schritt ist schafft“, brachte es Wibbing auf den Punkt. Die Durch- es dann häufig so, dass die Ehrenamtlichen auch wei- führung an der Schule wird von der Jugendbeauftragten terhin in der Einrichtung tätig sind, da sie dort eine des Vereines betreut. Am Ende der regulären Durchfüh- ‚Heimat‘ gefunden haben und erkennen konnten, wie rung erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat, das für erfüllend so eine ehrenamtliche Tätigkeit sein kann“, die berufliche Perspektive einen Nutzen haben kann. so das Fazit von Gisela Wibbing. Auf die Frage nach Anschlussmöglichkeiten erklärte Die Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung NRW“ begleitet Wibbing: „Überall dort, wo Heimatvereine eine interes- verschiedene Projekte im Bereich kulturelle Bildung. sante thematische Anknüpfung bieten, in der Jugendli- Als einen durchaus übertragbaren „Piloten“ stell- che mitgestalten können und man ihnen Verantwortung te Wibbing mit einem Blick über die westfälischen überträgt, bestehen Anknüpfungspunkte. Gleichzeitig Grenzen ein Projekt aus Solingen vor. Das Jugendpro- sind feste Strukturen und Ansprechpersonen sowie über- jekt „Youth 4 Culture – Spende Deine Zeit!“ wurde schaubare Zeiträume wichtig.“ Zur Zusammenarbeit mit im September 2017 vom Solinger Ehrenamt für Schulen sei die Kommunikation mit den entsprechenden Kultur e. V. initiiert. Im Schuljahr 2018/2019 hat sich Fachlehrkräften und die Festlegung thematischer Eck- dann mit Unterstützung der Bezirksregierung Düssel- punkte sinnvoll. Zudem sollten auch die Jugendlichen HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 7
Junges Engagement Referentinnen und Referenten erläuterten den Zuhörern gelungene Praxisbeispiele. Foto/ Greta Schüttemeyer ten, dass junge Menschen sich nicht weni- ger engagieren als ältere. Dennoch sei die Wahrnehmung, besonders im klassischen Ehrenamt, oft eine andere. „Ein Erklä- rungsansatz könnte sein, dass Jugendli- partizipativ Dinge mitentscheiden können. Mittels ei- che oft Engagements bevorzugen, die zeitlich flexibel ner festen Kooperationsvereinbarung erreiche man in und eher projektorientiert sind.“ Mit Kindern, Jugend- der Schule, aber auch im Heimatverein ein verlässliches lichen und jungen Studenten sollen nun in drei Ent- Miteinander. Inhaltlich und strukturell sollten sich diese wicklungsprojekten Ansätze für junges Engagement Konzepte dann ebenso im Schulprogramm wiederfinden getestet werden. „Ziel ist es, Handlungsempfehlungen und für die nachfolgenden Jahrgänge verbindlich sein. zu erarbeiten und im kommenden Jahr auszurollen. Gleiches gelte für Angebote beziehungsweise Kooperatio- Zugleich möchten wir mit Freiwilligenagenturen dar- nen, die im Ganztag wirken. an arbeiten, wie man (klassisches) Ehrenamt für junges Engagement öffnen kann und gegebenenfalls umge- Das Thema Jugendengagement beschäftigt in diesem stalten sollte.“ Jahr auch die Landesarbeitsgemeinschaft Freiwilligen- agenturen in Nordrhein-Westfalen (lagfa NRW) in einem Als ein gutes Beispiel aus der Praxis benannte Stephanie besonderen Schwerpunkt, wie die Vorsitzende Stepha- Krause u. a. die Bielefelder Freiwilligenagentur, welche nie Krause berichtete. Die Landesarbeitsgemeinschaft seit Jahren erfolgreich das Projekt YOUNGagement be- der Freiwilligenagenturen in Nordrhein-Westfalen ist treibt. Hier werden Schnuppererfahrungen für Kinder ein verbandsübergreifendes Fachforum für Freiwilli- und Jugendliche zwischen 14 und 23 Jahren geboten. genarbeit. Die lagfa NRW hat im Dezember 2018 mit einer Veranstaltung in Düsseldorf den Startschuss zu ei- nem von der Landesregierung geförderten Projekt zum Schulen können Engagement- Thema Jugendengagement gegeben. Erlebnisse initiieren Weitere Projekte liegen im Bereich des Service-Learn- Jugendliche bevorzugen ings. Dabei werden Jugendliche an der Schule etwa flexible Engagements durch Engagement-Erlebnisse in Form von Sozial- praktika erreicht. „Dabei sollte man immer genau Zum Hintergrund der Initiative „Kim macht’s“ stellte schauen, wie freiwillig das Engagement in einem Krause dar, dass alle Umfragen und Erhebungen zeig- Praktikum sein kann“, so Krause. Jugendliche und 8 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 junge Erwachsene haben vielfach durchaus Inter- Kommunalpolitische Entwicklungen esse, sich gesellschaftlich einzubringen. Es mangelt und Entscheidungen auf Jugendebene jedoch nicht selten an Zeit und passenden Gegeben- heiten. Was tun? Dazu Krause: „Sich selbst hinter- anstoSSen fragen: Wenn wir davon ausgehen, dass Jugendliche sich einbringen wollen, dann scheinen Hemmnisse Aus jeder kreisangehörigen Gemeinde können junge ja in den bestehenden Angeboten und Strukturen zu Frauen und Männer zwischen 16 und 22 Jahren aktiv wer- liegen. Wie müssen sich also Vereine und Verbände den. Sie setzen sich für die Belange von jungen Menschen aufstellen, um für junge Engagierte interessant zu auf Gemeindeebene ein und motivieren auch andere sein? Welche Aufgabenfelder geben wir ab? Welche Jugendliche zur Beteiligung. Echterhoff ist sich sicher: zeitlichen Voraussetzungen sind gegeben, welche „Damit tragen sie zu einer Belebung des ländlichen könnte man neu aushandeln? Welche Mitsprache- Raums bei.“ Die möglichen Themen der „Provinzhelden“ möglichkeiten bieten wir neuen jungen Mitstrei- sind vielfältig und reichen etwa von einem Jugendparla- tern? So ein Schritt ist nie leicht, besonders nicht ment über einen Nachtbus oder eine Skaterbahn. in Vereinen mit einer langen Tradition. Aber wenn Für eine erfolgreiche Kommunikation ihrer Anliegen junge Menschen sich nicht für den eigenen Verein etwa in die kommunalen Gremien erfolgt eine Quali- interessieren, muss man sich auch mal Fragen stel- fizierung der Teilnehmenden. Ein Training vermittelt len und vielleicht den Mut zu neuen Wegen (mit un- Kompetenzen und Tipps, um die jungen Akteurinnen gewissem Ausgang) finden.“ und Akteure für ihre Aufgabe und öffentlichen Auftritte fit zu machen. „Die Jugendlichen lernen, ihre eigenen Recherchen im Vorfeld der Tagung, etwa bei der Ser- Ideen und Meinungen zu vertreten. Nur, wenn Jugend- vicestelle für Kinder- und Jugendbeteiligung NRW liche früh lernen, sich für ihre Ansichten einzusetzen, beim LWL, haben ergeben, dass in Westfalen durch- werden sie sich auch im Erwachsenenalter einbringen“, aus ein breites Spektrum an unterschiedlichsten For- ist Echterhoff überzeugt. Auch die Ansprechpersonen men des Kinder- und Jugendengagements vorhanden der „Provinzhelden“ aus den Verwaltungen, Jugendzen- ist. Dazu zählt das Projekt „Provinzhelden. Mitreden. tren und Jugendverbänden der Kommunen lernen in Mitentscheiden. Mitgestalten“ des Kreises Steinfurt, Veranstaltungen, wie sie die jungen Menschen passge- in welchem junge Menschen die Zukunft in ihren nau unterstützen und in demokratische Prozesse ein- Orten mitentwickeln und sich in kommunalpoliti- binden können. sche Entscheidungen einbringen sollen. Iris Echter- In der Rubrik „Junges Engagement – der WHB fragt hoff vom Jugendamt des Kreises Steinfurt und Jannik nach“ erklärt uns Jannik Welp, „Provinzheld“ in Lenge- Welp, „Provinzheld“ in Lengerich, schilderten das aus rich, ausführlich wie es für die Jugendlichen ist, so aktiv LEADER- und Kreismitteln finanzierte Projekt. in neue Gestaltungsprozesse eingebunden zu sein. Zwischen den Foren gab es Zeit, um miteinander ins Gespräch zu In der Schlussrunde standen konkrete Empfehlungen kommen. im Fokus. Gisela Wibbing benannte hier drei wesent- Foto/ Greta Schüttemeyer liche Gelingensbedingungen für junges Engagement: HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 9
Junges Engagement „Jugendliche brauchen Unterstüt- zer, die ihnen Gestaltungsmacht einräumen, die ihnen Zeit und Raum geben, eigene Ideen umzusetzen“, so die einhellige Meinung der Referenten und Akteure. Foto/ Greta Schüttemeyer „In einem ersten Schritt sollten in Kooperation mit Schu- historisch-politische Bildung zu vernetzen. Hierzu wird len, dem Ganztag, einer Jugendeinrichtung oder auch der Aufbau kommunaler Kooperationen zwischen je- einer Kita Projekte entwickelt werden, die die jungen weils einer Schule und einem Lernort in den 11 Städten Menschen mitgestalten können, um ihnen so erst ein- und Gemeinden des Kreises gefördert. Ziel ist es, Schüle- mal einen Einstieg zu ermöglichen.“ Zweitens ist eine rinnen und Schüler dabei zu unterstützen, Fragen nach gute Betreuung und Begleitung zu Beginn notwendig, dem Wandel der eigenen Lebenswelt zu stellen, um sie damit auch ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelt werden mit Hilfe von Zeitzeugnissen für sich zu beantworten. kann. Drittens sollte den jungen Menschen Gelegenheit Bernhard Anzalone sowie 14 junge Akteurinnen und gegeben werden, ihre Fähigkeiten einbringen zu können. Akteure der Jugendbauhütte NRW-Westfalen mit Sitz in Diese sollten anerkannt und wertgeschätzt werden.“ Soest gaben einen lebendigen Einblick in das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege (dazu auch ein aus- Das Thema Jugendengagement treibt viele Protagonis- führlicher Beitrag in der aktuellen Ausgabe). ten und Akteure in den unterschiedlichsten Bereichen um. Jeder versucht für sich den passenden Weg zu fin- Wie man mit „Europa in Westfalen“ westfälische Bau- den. Gerade durch Vernetzung und Abstimmung kann denkmale entdecken kann, veranschaulichten Studentin gemeinsam mehr erreicht werden. Jana Tempelmeier von der Westfälischen Wilhelms-Uni- Zu möglichen Schnittstellen für WHB und Freiwil- versität Münster und Oliver Karnau, Mitarbeiter in der ligenagenturen empfahl Stephanie Krause, dass mehr LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur. Im Heimatakteure ihre Angebote auch über die Freiwilligen- Kulturerbejahr 2018 hat die LWL-Denkmalpflege das agenturen kommunizieren. Der Kontakt zur nächsten Projekt „Europa in Westfalen“ durchgeführt. Partner vor Freiwilligenagentur könne über die lagfa hergestellt Ort waren u. a. ehrenamtlich getragene außerschulische werden. Zudem könnten lagfa und WHB gemeinsam die Lernorte. Wie kann ein scheinbar sperriges Thema wie in diesem Jahr gesammelten Erfahrungen reflektieren, Europa anschaulich vermittelt werden? Was kann ande- um miteinander gute Konzepte zu entwickeln. ren mit auf den Weg gegeben werden, die sich einbrin- gen möchten oder Ähnliches planen? Diskussionsforen Jana Tempelmeier und Oliver Karnau beleuchteten die einzelnen Pro- jektpartnerschaften und gaben ergänzende Tipps zur Durchführung. Im Anschluss ging es in insgesamt sechs Diskussi- Foto/ Greta Schüttemeyer onsforen in die konkrete Arbeit. In drei Runden am Vormittag wurden günstigen Strukturen für junges Engagement nachgespürt. Rouven Hallwaß von der Universität Siegen stellte das noch junge Netzwerk „Bil- dungslandschaft Siegen-Wittgenstein“ vor. Dieses hat sich auf den Weg gemacht, Lernangebote an außerschu- lischen Lernorten zu entwickeln und flächendeckend Lernorte, Schulen, private Träger und Universität für die 10 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 D as Projekt „Denk‘ mal europäisch in Münster!“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurde exemplarisch als konkrete Möglichkeit der Vermittlung und Präsentation vorgestellt. Nachmittags ging es um gute Beispiele aus der Hei- matarbeit vor Ort. Hier berichteten Silvia Schilde von der Jodocus Nünning Gesamtschule in Borken sowie Dr. Bernd Braunert, Heimatverein Gemen e. V., über ihre gemeinsame Kooperation (vgl. dazu den Beitrag in die- Ulrike Steinkrüger und Catharina Kähler sprachen sich für die inter- ser Ausgabe). disziplinäre Zusammenarbeit von Institutionen aus, um nachhaltige Angebote für Jugendliche zu entwickeln. Das Gemeinschaftsvorhaben eines neuen Schulwan- Foto/ Greta Schüttemeyer derweges in Nottuln-Darup präsentierten Ulrike Stein- krüger, Leiterin des Fachbereichs Wandern im WHB, und Catharina Kähler vom Naturschutzzentrum Kreis Coesfeld. Raus in die Natur und die Umgebung spielerisch erkunden — das ist das Ziel des geplanten Schulwanderweges rund um Nottuln-Darup, der als Gemeinschaftsprojekt zwischen Westfälischem Hei- matbund e. V., Naturschutzzentrum Kreis Coesfeld e. V. (Alter Hof Schoppmann), Biologischem Zentrum Kreis Coesfeld e. V. in Lüdinghausen, Heimatverein Darup e. V., örtlicher und regionaler Touristik sowie freiberuflichen Schulwanderführerinnen und -führern entsteht. Ein Kunst- und Kreativprojekt aus Lüdenscheid, das jugendliche Identität in den Mittelpunkt gerückt hat, stellten Ulrike Tütemann, freie Mitarbeiterin der Mu- seen der Stadt Lüdenscheid, und Künstler sowie Co- Ulrike Tütemann und Tom Groll berichteten von den künstlerischen Kurator des Projektes Tom Groll vor. „HOME — There is Herangehensweisen der Jugendlichen. no Place like Lüdenscheid“ spiegelte die Positionen von Foto/ Greta Schüttemeyer Jugendlichen aus Lüdenscheid zum Begriff Heimat wi- der. Kunstschaffende und Kreative aus der Region hatten INF O sich 2017 mit rund 200 Jugendlichen dem schwierigen Gefühl Heimat genähert. Jugendlichen wurde in den Die Ergebnisse der drei Fachtagungen – 8. April in Ausstellungsräumen Platz für Kreativität und Indivi- Münster, 29. Mai in Siegen und 30. Oktober in Bielefeld – dualität geboten. Die Ergebnisse der Workshops wie werden in einer Dokumentation zusammengefasst. Fotografien, Projektionen, Graffiti, Videos, Skulpturen, Street-Art, Tanz-Theater und Poetry-Slam wurden in ei- Alle drei Veranstaltungen beleuchten anhand von ner Ausstellung zusammengefasst. unterschiedlichen Impulsen und Praxisbeispielen die eingangs genannten Fragestellungen und zeigen Perspek- Zum Abschluss der Tagung wurde noch einmal im Ple- tiven für junges Engagement in der Heimatarbeit auf. num Resümee gezogen und ein Ausblick auf die weite- ren Veranstaltungen gegeben. Die Ergebnisse der drei Wir laden Sie herzlich zur Abschlussveranstaltung Fachtage werden ausgewertet und in einer Dokumenta- am 30. Oktober 2019 in Bielefeld ein. tion zusammengefasst. Nähere Informationen folgen. HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 11
Junges Engagement Freiwillige der Jugendbauhütte Westfalen bei einem Arbeitseinsatz auf Schloss Senden Foto/ Roland Rossner/ Deutsche Stiftung Denkmalschutz 12 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 Nachwuchs fördern und qualifizieren – Erfahrungsberichte junger Engagierter im Freiwilligen Sozialen Jahr in der Denkmalpflege von Bernhard Anzalone sowie Akteurinnen und Akteuren W er nicht gleich nach der Schule eine mehr- Kultur, Sport, Politik und Integration. Doch wer weiß jährige Ausbildung beginnen oder in ei- schon, dass es auch Stellen in der Denkmalpflege gibt? nem Studium durchstarten möchte, ohne Träger für Freiwilligendienste im Denkmalschutz sind zu wissen, ob er die richtige Wahl getroffen hat, kann die Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmal- sich vorerst freiwillig engagieren und ausprobieren. schutz. Durch eine „Lernpause“ nach der Schulzeit und Frei- Eine von diesen bundesweit 14 Jugendbauhütten be- raum zur Orientierung können junge Menschen neue findet sich in Westfalen mit Sitz in Soest. In den Einsatz- Perspektiven gewinnen, eigene Stärken und Interessen stellen lernen Jugendliche auf ganz vielfältige Weise, überprüfen und kennenlernen. Sie erfahren einen wie spannend Denkmalpflege ist und was Mann und längerfristigen Einblick in den Arbeitsalltag unter- Frau dort alles machen können. schiedlichster Berufsfelder und haben damit vielen Hochschulabsolventen einiges an praktischer Erfah- rung voraus. Erfahrungsberichte junger Freiwilliger Freiwilliges Engagement ist eine Bereicherung für alle Einen kleinen Ausschnitt, wie abwechslungsreich, auf- Beteiligten. Hier kann man eigene Interessen und Stär- regend und bunt der Alltag der jungen Denkmalpfle- ken einbringen sowie entdecken, welche Talente, Po- ger ist, zeigen im Folgenden die Freiwilligen der ijgd tentiale und Begabungen in einem stecken. Zugleich Jugendbauhütte NRW-Westfalen: profitiert die Gesellschaft von diesem Einsatz im Bun- desfreiwilligendienst (BFD) oder Freiwilligen Sozialen • Meike Rövekamp für die Untere Denkmalbehörde Jahr (FSJ). der Stadt Soest • Joline Diekneite und Karlotta Lämmel für die LWL- Archäologie für Westfalen im Referat für Mittelalter Vielfältige Einsatzbereiche und Neuzeitarchäologie in Münster für Freiwillige • Aaron Osterloh für das LWL-Römermuseum in Haltern am See Die Einsatzbereiche im FSJ bzw. BFD sind vielfältig und • Mona Baumgart und Leonie Simon für das LWL- umfassend. Es gibt sie neben dem sozialen Bereich und Freilichtmuseum Detmold dem Umwelt- und Naturschutz inzwischen auch in • Kilian Ziebarth für Schloss Senden e. V. HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 13
Junges Engagement Meike Rövekamp – Untere Denkmalbehörde Soest m ein Name ist Meike Rövekamp und ich absolviere cke, Besonderheiten und Veränderungen fotografisch mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Unteren festzuhalten. Zudem unterstütze ich die Mitarbeiter der Denkmalbehörde der Stadt Soest. Für mich stand Denkmalbehörde allgemein. Das ist sehr vielfältig und schon lange fest, dass ich nach dem Abitur erst einmal ein reicht über das Aufnehmen von Anträgen, über die Vor- Jahr „Pause“ machen möchte. Deshalb suchte ich nach ei- bereitung von Vorträgen bis zum Gestalten von Infopla- nem Angebot, mich während katen für den Tag des offenen eines Freiwilligen Sozialen Denkmals. Einen großen Teil Jahres mit Geschichte und nimmt Recherche ein. Hierfür Architektur zu beschäftigen, lese ich wissenschaftliche Auf- mit anderen Jugendlichen sätze, studiere aber auch über auszutauschen und auf die einhundert Jahre alte Baupläne. Zukunft vorzubereiten – und Oft bin ich auch alleine in der natürlich mich selbst besser Altstadt unterwegs, um Fotos zu kennenzulernen. machen. Durch Internetrecher- An meiner Einsatzstelle ge- chen bin ich dann auf das fällt mir besonders die stän- Freiwillige Soziale Jahr in dige Abwechslung. Die Arbeit der Denkmalpf lege gesto- ist sehr vielfältig und bietet ßen. Die Mischung aus der immer neue Erfahrungen. Mal Arbeit in einer Einsatzstelle recherchiert man im Büro, mal und den Praxisseminaren begutachtet man einen jahr- mit den anderen Freiwilligen hundertealten Dachstuhl einer fand ich sofort sehr reizvoll, Kirche in über 20 Metern Höhe, Meike Rövekamp bei der Arbeit im Steinseminar und so habe ich mich auf ei- und mal erforscht man mit Foto/ JBH nen Platz beworben. einem Bauforscher in einem In der Unteren Denkmalbehörde Soest sind die eigentlich einheitlich aussehenden Haus die Verände- Aufgaben sehr vielfältig. In Soest stehen bereits über 600 rungen im Laufe von 400 Jahren. Gebäude unter Denkmalschutz und die gesamte Altstadt Bei meiner Arbeit wird mir viel Freiraum gelassen, ist ein sogenannter Denkmalbereich. Dennoch werden trotzdem gibt es unter den Kollegen und in der Jugend- immer wieder Gebäude besichtigt und bei Feststellung bauhütte immer jemanden, an den ich mich bei Fragen des Denkmalwertes als Baudenkmal eingetragen. Bei den wenden kann. Der Zusammenhalt in der Jugendbauhüt- Baudenkmälern berät die Denkmalbehörde die Eigentü- te gefällt mir ebenfalls gut. Es ist spannend, mehr über mer und begleitet Bauvorhaben. Die Beratungen finden die Einsatzstellen der anderen Freiwilligen zu erfahren häufig im Rathaus statt. Den Eigentümern wird erklärt, und es macht großen Spaß, mit ihnen zusammen zu was es bedeutet, ein Baudenkmal zu besitzen, welche Um- arbeiten. Egal ob beim Behauen eines Steins, dem Bau bauten möglich sind, welche Fördermaßnahmen es gibt eines Holzordners oder den Arbeiten auf Schloss Senden, und welche Materialien für die bereits verbauten Subs- zusammen schafft man alles besser. tanzen am verträglichsten sind. Oft werden die Denkmä- Nach meinem FSJ möchte ich Architektur und Denk- ler auf Ortsterminen besichtigt. Das kann ein Bauernhof, malpflege studieren, um dann wieder in einer Denkmal- ein barockes Palais oder auch mal eine Kirche sein. Auf behörde zu arbeiten. Das FSJ hat mir geholfen, mir bei diesen Ortsterminen ist es meine Aufgabe, die Eindrü- meinem Berufswunsch sicher zu werden. 14 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 Joline Diekneite und Karlotta Lämmel – LWL-Archäologie für Westfalen w ir sind Karlotta Lämmel (20) und Joline Ausgrabungen wurden uns sofort wichtige Aufgaben Diekneite (19) und machen unser FSJ in der zugeteilt, sodass wir viel über die archäologische Feld- LWL-Archäologie für Westfalen im Referat für arbeit lernen konnten und inzwischen auch selbststän- Mittelalter und Neuzeitarchäologie in Münster. Wir ha- dig Aufgaben übernehmen können. Das Tolle ist, dass ben uns für das FSJ in der Denkmalpflege entschieden, wir sehr viele verschiedene Grabungen sehen: So waren weil wir nach der Schule nicht direkt in die Uni wollten wir schon im Kloster Wedinghausen in Arnsberg, wo und sind durch Zufall auf das Angebot der Jugendbau- wir ein Skelett freilegen konnten. Dies hatte sogar eine hütte gestoßen. Dies hat uns sehr angesprochen, weil Grabbeilage. Außerdem hatten wir im letzten Jahr die wir uns schon länger für Geschichte und speziell für Möglichkeit, bei einer Ausgrabung von einem Erschie- Archäologie interessiert haben. ßungsplatz aus dem Zweiten Weltkrieg in Warstein zu helfen. Dabei legten wir das Hab und Gut der erschos- Die LWL-Archäologie ist in Westfalen die zuständige senen Zwangsarbeiter frei. Für uns persönlich war das Fachbehörde für Bodendenkmäler. Das heißt, Bauvor- natürlich eine ganz besondere Erfahrung. Außerordent- haben werden mittels Stellungnahmen „beauflagt“, lich aufregend ist es, wenn wir mittelalterliche Münzen um zu evaluieren, ob eine Ausgrabung vor Baubeginn oder z. B. einen Ring finden. vonnöten ist oder aber z. B. baubegleitende Archäologie ausreichend ist. Das Referat Mittelalter und Neuzeit be- Uns macht die Arbeit insgesamt sehr viel Spaß, weil wir fasst sich mit der Umsetzung der Grabungen oder Bau- großes Mitbestimmungsrecht haben und auf unsere begleitungen und betreut Grabungsfirmen. Wünsche eingegangen wird. Uns wird die Möglichkeit gegeben, praktische Erfahrungen zu sammeln und viel Wir als FSJ’lerinnen werden größtenteils auf Grabungen zu lernen. Dadurch haben wir den Beruf des Archäologen als Helferinnen eingesetzt. Dort graben, fotografieren hautnah mitbekommen, was uns beide in unserem Be- und zeichnen wir die Befunde und helfen bei der Fund- rufswunsch – Archäologinnen zu werden – bestärkt hat. dokumentation. Im Innendienst waschen wir Funde, digitalisieren Zeichnungen, erstellen Pläne und helfen Für uns beide war das FSJ in der Denkmalpflege sehr be- generell bei der Grabungsnachbearbeitung. Auf den reichernd und auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Joline Diekneite (links) und Karlotta Lämmel (rechts) beim Einzeichnen einer Grabungsstelle Foto/ LWL HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 15
Junges Engagement Aaron Osterloh bei der Kleiderprobe: „Kettenhemden kratzen kaum.“ Foto/ LWL Aaron Osterloh – LWL-Römermuseum in Haltern am See S alvete! Mein Name ist Aaron Osterloh und meine macht. Natürlich gibt es auch „Saure-Gurken-Jobs“. Mein Einsatzstelle das LWL-Römermuseum in Haltern Ziel war es, Erfahrungen zu sammeln und zwar so viele am See. „Einsatzstelle? Bist du beim Bund oder ein wie möglich, und das habe ich. Superheld?“ Diese oder ähnliche Fragen könnten sich auf- Mein persönliches Highlight: das Projekt „Römer für drängen. Doch die Wahrheit ist, ich bin ein bisschen von Aliso“. 25 Freiwillige haben in monatelanger Handarbeit beidem. Ich absolviere einen Bundesfreiwilligendienst. eine eigene Grundausrüstung eines römischen Legionärs Nach meinem Abitur wusste ich, wie so viele andere in gefertigt. Das Ganze gipfelte dann in der Wiedereröff- meinem Alter (zumindest hoffe ich das), nicht so wirk- nung des Außengeländes des Museums, wo wir, natürlich lich, wie es mit mir weitergehen soll. Direkt studieren in unserer eigenen Ausrüstung, eine kleine „Musterung“ wollte ich noch nicht, ich hätte ja noch nicht einmal ge- durchliefen und zusammen mit zwei römischen Reenact- wusst was. Für mich stand nur fest: irgendetwas mit Ge- ment-Gruppen das Lagerleben der Legionäre zeigten. schichte. So googelte ich im Internet, was ich denn nun Auch abseits der Einsatzstelle macht so ein BFD bzw. machen könnte, und stieß dabei zufällig auf die Seite der FSJ viel Spaß; gemeint sind die Seminare. Wo sonst kann Jugendbauhütte. Ein Freiwilliges Soziales Jahr, das wäre man noch mehr Erfahrungen sammeln? Denn mal ab- doch etwas. Nach einigem Hin und Her entschied ich gesehen von den handwerklichen Fertigkeiten, z. B. bei mich dann dafür. Ich sitze hier jetzt gerade in meinem der Steinbildhauerei oder Intarsien-Arbeit, sind doch ge- Büro im Museum und schreibe diesen Text, und ich kann rade die sozialen Erfahrungen in so einem Freiwilligen nur sagen: Ich würde die Zeit meines BFD nicht missen Sozialen Jahr unabdingbar. wollen. Leider neigt sich mein BFD langsam dem Ende zu, doch Wenn man mich fragt, was denn meine Aufgaben hier auch nach meiner Zeit im Museum werde ich immer mal im Museum sind, antworte ich meist scherzend: Ich bin wieder da sein. Denn ich habe hier nicht nur neue und „Mädchen für alles“. Doch so abwegig ist das eigentlich wichtige Erfahrungen sammeln können, sondern auch nicht, ich bin in alles involviert, von Organisatorischem ein neues Hobby gefunden: nach diesem Jahr wird ein über Museumspädagogik bis hin zu Handreichungen für „Legionär“ das Museum verlassen, Geschichte studieren, den Hausmeister. und sein Wissen und seine Erfahrungen weitergeben. Es gibt jeden Tag etwas anderes zu tun und ich müsste Abschließend kann ich wohl nur noch sagen: „Jugend- lügen, wenn ich sagen würde, dass alles einen Mordsspaß liche aller Schulen, bewerbt euch!“ 16 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 Leonie Simon und Mona Baumgart – LWL-Freilichtmuseum Detmold Wir sind Leonie Simon (19) und Mona Baumgart (19) und wir leisten unser FSJ Denkmalpflege im LWL-Freilichtmuseum in Detmold. Leonie Simon (links) und Mona Baumgart (rechts) verputzen ein Sichtfachwerk mit Lehmputz. Foto/ LWL F ür uns beide war relativ früh klar, dass wir nach dem Unser Aufgabenbereich im Museum ist sehr vielfältig. Abitur gerne ein Orientierungsjahr machen wollten. Wir helfen hauptsächlich den Handwerkern (Maurern, Als wir von der Jugendbauhütte gehört haben, waren Zimmerleuten und Tischlern), zum Beispiel beim Ver- wir beide direkt angesprochen von dieser etwas anderen putzen der Gefache des Münsterländer Gräftenhofes Art des Freiwilligen Sozialen Jahres und haben uns über wie auch bei der Herstellung der neuen Fenster für den unseren Platz im Freilichtmuseum sehr gefreut. Hof. HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 17
Junges Engagement Ich, Mona, werde nach dem FSJ eine Ausbildung als Bau- unterschiedlichsten Aufgabenbereiche der Gebäude- als zeichnerin anfangen und kann im Freilichtmuseum auch Möbelrestauratoren zu bekommen. schon einen Einblick in den Beruf erlangen. Und ich, Leonie, interessiere mich sehr für die Restau- Des Weiteren haben wir immer die Möglichkeit, Wün- rierung von Stein und Holz und plane, mich beruflich sche zu äußern, wie beispielsweise auch mal in der auch in diese Richtung zu entwickeln. Daher ist das Frei- Schmiede oder Töpferei mitzuarbeiten, was gerne er- lichtmuseum perfekt für mich, um einen Einblick in die füllt wurde. Kilian Ziebarth – Schloss Senden e. V. M ein Name ist Kilian Ziebarth und ich unter- stütze im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres in der Denkmalpflege den Schloss Sen- den e. V. bei seiner Arbeit rund um die Restaurierung und den Erhalt des Schlosses Senden, einem denkmal- geschützten Wasserschloss im Münsterland. Nach dem Abitur war für mich schon relativ klar, dass ich beruflich in Richtung Architektur gehen möchte. Anstatt allerdings von der Schule direkt auf die Uni zu wechseln, wollte ich lieber erst einmal praktisch arbei- ten. Über einen Flyer der Berufsberatung an meiner ehemaligen Schule wurde ich auf die Möglichkeit auf- merksam, ein FSJ im Bereich Denkmalpflege zu absolvie- ren und erfuhr, dass sich ein solcher Freiwilligendienst auch als Vorbereitung auf ein Architekturstudium eignet. Das Schloss Senden hat eine mehr als 500-jährige Geschichte hinter sich, in der es auf vielfältige Art und Kilian begutachtet den Linolschnitt einer Teilnehmerin in dem von Weise genutzt und immer wieder umgebaut wurde. ihm angeleiteten Workshop. Nachdem es als Herrschaftssitz für das Adelsgeschlecht Foto/ Claudia Ehlert Droste zu Senden ausgedient hatte, wurde es Mitte des letzten Jahrhunderts von einem Unternehmer aus Senden e. V. gegründet wurde, der sich seitdem der Si- Münster erworben und zu einem Handelsinternat um- cherung und der denkmalgerechten Restaurierung des gebaut. Dabei wurde stark und mit wenig Rücksicht in Schlosses widmet und eine neue Nutzung des Sendener die historische Bausubstanz eingegriffen. Neben einem Wahrzeichens für die Öffentlichkeit anstrebt. Internat war Schloss Senden außerdem schon Senioren- residenz, Hotel, Restaurant und Café und beherbergte Da Schloss Senden e. V. mit nur wenig Personal auskom- einen Klarissen-Orden und sogenannte Displaced Per- men muss, bin ich in so gut wie alle Arbeitsbereiche sons nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit Ende der 1990er- involviert. So kümmere ich mich beispielsweise um Öf- Jahre stand das Schloss Senden weitgehend leer und fentlichkeitsarbeit, das heißt, die Verwaltung des Inter- war dem Verfall überlassen, bis 2015 der Verein Schloss netauftritts und der Social-Media-Kanäle des Schlosses 18 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 oder das Erarbeiten und Verteilen von Werbeflyern und INF O -plakaten für Veranstaltungen. Auf diesen Veranstaltun- gen verkaufe ich aber auch Kaffee und Kuchen an unse- Vor 20 Jahren wurde die erste Jugendbauhütte re Gäste. Wichtiger Bestandteil der Arbeit des Vereins der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gegründet. ist das Stellen von Förderanträgen bei Gemeinde, Kreis, Mittlerweile gibt es deutschlandweit 14 Jugendbauhütten, Land und Bund sowie Stiftungen wie der Deutschen in denen Jugendliche ein Freiwilliges Soziales Jahr Stiftung Denkmalschutz, um die Kosten bewältigen zu in der Denkmalpflege absolvieren können. können, die die Restaurierung und die Nutzung des Die Jugendbauhütte NRW-Westfalen ist ein Projekt Schlosses mit sich bringen. Auch an dieser Aufgabe bin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft ich beteiligt und konnte sogar schon selbst erfolgreich der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd), Anträge stellen und so zum Beispiel erst kürzlich einen gefördert durch das Land NRW und den Landschafts- Linoldruck-Workshop für Kinder am Schloss durchführen. verband Westfalen-Lippe (LWL). Zur Arbeit am Schloss kommen die Jugendbauhütten- Einsatzstellen gibt es z. B. in Archiven, bei Restauratoren Seminare, bei denen alle Freiwilligen der Jugendbau- im Handwerk, in der Archäologie, in Museen und hütte Westfalen zusammen tätig werden. Obwohl zwei Planungsbüros. Die Einsatzstellen sind westfalenweit dieser Seminare auf Schloss Senden stattfinden, sind verteilt. Ergänzt wird die Arbeit in den Einsatzstellen durch sie noch einmal eine Abwechslung zum sonstigen FSJ- sechs Seminarwochen, in denen Grundlagen der Denkmal- „Alltag“. Während man dann Sandstein behaut, Intar- pflege theoretisch und praktisch vermittelt werden. sien legt oder das Schloss von neuzeitlichen Einbauten oder Wildbewuchs befreit, kann man sich nicht nur gut Für den BFD bzw. das FSJ Denkmalpflege können sich mit anderen Freiwilligen austauschen, sondern lernt Jugendliche ab 17 Jahren bewerben. auch einiges über Denkmalpflege und Handwerk. Und Fragen zum BFD/FSJ Denkmalpflege und Informationen zur zwar ganz ohne Frontalunterricht. Jugendbauhütte Westfalen können an Bernhard Anzalone gerichtet werden: Durch mein FSJ habe ich einen Einblick in den Bereich Denkmalpflege bekommen, der meine Begeisterung für Bernhard Anzalone Architektur gefestigt und meinem Interesse an einem ijgd Internationale Jugendgemeinschaftsdienste Studium in diesem Bereich eine neue Motivationsquelle Jugendbauhütte Westfalen gegeben hat. Ulrichertor 4 · 59494 Soest 02921 981 – 55 55 Die Freiwilligen berichten den Zuhörern der Tagung „Heimat für https://www.denkmalschutz.de/aktuelles.html und Kinder und Jugendliche“ von ihren Tätigkeiten. https://www.ijgd.de/ Foto/ Greta Schüttemeyer HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 19
Junges Engagement Gemeinschaftsarbeit der Schüle- rinnen Greta und Leni der Klasse 7F der Jodocus Nünning Gesamt- schule im Rahmen des Projektes „Annäherungen – Jüdisches Leben in Gemen“ unter Leitung der Kunst- lehrerinnen Sibylle Borgemeister und Christa Nienhaus-Rekers. Foto/ Jodocus Nünning Gesamtschule Gemeinsam in kulturelle Bildung investieren – Kindern und Jugendlichen regionale Lernräume eröffnen Eine Kooperation des Heimatvereins Gemen e. V. und der Jodocus Nünning Gesamtschule in Borken von Bernd Braunert und Silvia Schilde 20 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
WHB - Tagungsreihe 2019 Zwei Akteure für eine Idee an Kinder und Jugendliche gerichtete Arbeit an, die gemeinsam mit den entsprechenden Bildungseinrich- K ulturelle Bildung will Kindern und Jugendlichen tungen erfolgen kann. Der Ortsteil Gemen verfügt über Raum geben, vielfältige kulturelle Kontexte für mehrere Kindergärten, die Cordula Grundschule Gemen sich zu entdecken und sie befähigen, sich aktiv sowie mit der Montessori-Gesamtschule Borken e. V. und und nachhaltig selbst einzubringen und Kultur als eine der Jodocus Nünning Gesamtschule auch über zwei wei- ureigene individuelle und kollektive Ressource zu be- terführende Schulen. greifen. Diese Leitlinie auch in lokalen Bildungsangebo- ten zu beheimaten, dafür braucht es Akteure. Priorität bei der Durchführung von Kooperationen hat die Vermittlung von lokalen kulturellen Bezügen, die Weitergabe von Ortskenntnissen sowie geschichtlichen Kooperationspartner Heimatverein Kontexten – immer mit Blick auf den Gegenwartsbezug. Gemen Unter der Voraussetzung der Demokratiebildung so- Der zunächst 1953 ins Leben gerufene Heimatverein Ge- wie im Interesse der Förderung von Humanität und men ging von 1959 bis 1989 im Heimatverein Borken kultureller Kompetenz, die partizipatives und dekon- auf, bis sich 1989 aus einer zuvor entstandenen Arbeits- struktives Lernen zur Auseinandersetzung mit einem gruppe erneut ein Heimatverein für den Ortsteil Gemen vielschichtigen Heimatbegriff ermöglichen sollen, gründete. kristallisierte sich die Jodocus Nünning Gesamtschule Dieser existiert bis heute und hat seit 1993 im von als erster möglicher Partner heraus. Die Ziele des Hei- der Stadt Borken zur Verfügung gestellten Ackerbürger- matvereins, die Vorgaben des Schulgesetzes sowie die haus Grave sein Domizil. Der Heimatverein Gemen zählt über „Priorität bei der Durchführung von Kooperationen hat die Vermitt- 400 Mitglieder. Seine Aufgaben liegen in der lung von lokalen kulturellen Bezügen, die Weitergabe von Ortskennt- Heimatpf lege, Heimatkunde nissen sowie geschichtlichen Kontexten – immer mit Blick auf den und im Naturschutz sowie in Gegenwartsbezug.“ der Pf lege von Bräuchen und der plattdeutschen Sprache. Die Umsetzung dieser schulinternen programmatischen Leitlinien der Jodocus Aufgaben erfolgt durch Veranstaltungen wie „Nijaar Nünning Gesamtschule bildeten die Basis für diese erste afwinnen“, Winterwanderungen, Ausrichtung des Kooperation. Osterfeuers, Gesprächsabende, Themen-Radtouren und andere Veranstaltungen. Außerdem wurden bisher sie- ben heimatkundliche Veröffentlichungen publiziert, Kooperationspartner Jodocus u. a. die 2010 in Zusammenarbeit mit der Montessori- Nünning Gesamtschule Gesamtschule Borken e. V. erstellte Broschüre „Auf den Spuren jüdischen Lebens in Gemen – Ein Rundgang“. Die Jodocus Nünning Gesamtschule im westmünsterlän- dischen Borken ist eine sechszügige Gesamtschule im Neben der Wahrung dieser traditionellen Veranstaltun- Aufbau. Fast 1.000 Schülerinnen und Schüler besuchen gen sucht der Heimatverein nach neuen und moder- zurzeit diese weiterführende Schule, die ihren Stand- neren Wegen, um die Satzungszwecke zu erfüllen. Im ort im Stadtteil Gemen hat. Im kommenden Schuljahr kulturellen Bereich spiegelt sich das durch Abende mit startet die gymnasiale Oberstufe vierzügig in die Ein- dem „Hörtheater Lauschsalon“ oder dem 2018 erstmals führungsphase. veranstalteten „Spökenkiekerabend“ wider. Begleitet werden die Kinder und Jugendlichen der Auch zur zeitgemäßen Umsetzung der Vermitt- Jodocus Nünning Gesamtschule von einem Team enga- lung von Heimatkultur wurde nach neuen Wegen und gierter Lehrkräfte und pädagogischer Mitarbeiterinnen Möglichkeiten gesucht. Hier bietet sich eine speziell und Mitarbeiter, das sich einer schulprogrammatischen HEIMAT WESTFALEN – 3/2019 / 21
Junges Engagement Schüler der Jodocus Nünning Schule bei der Gruppenarbeit Foto/ Jodocus Nünning Gesamtschule Profilbildung in den Bereichen Kultur, Europa (Euregio) Dafür stehen beispielhaft die folgenden Projekte: und Sport verpflichtet hat und in diesen Feldern ihren Kinderrechteprojekt (Jg. 6), Teilnahme an Juniorwahlen Schülern besondere Lernräume für den nachhaltigen (Jg. 7–Q2), Leseprojekt „Und im Fenster der Himmel. Erwerb von Kompetenzen anbieten will. Auf den Spuren von Annie (Johanna Reiss) und Sini“ Diese Profilschärfung ist derzeit noch im Aufbau be- mit Exkursion nach Winterswijk/NL (Jg. 6), Teilnahme griffen, die Vernetzung mit außerschulischen Partnern am Anne Frank Tag vorbereitet durch das SOR-Team sowie die Verknüpfung von Bildungsprozessen mit Per- der JNG (Jg. 7/8), Projekt „Zweitzeugen“ mit Besuch der sönlichkeitsbildung, Partizipation und Peer Learning Zeitzeugin Eva Weyl und des Lernortes Humberghaus lassen jedoch das konzeptionelle Leitbild der Schule in Dingden (Jg. 10), geplanter Projektkurs zum Erinne- deutlich hervortreten. rungsdiskurs und Gedenkstättenfahrt (Q1). Die Jodocus Nünning Gesamtschule versteht kultu- relle Bildung als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen Die Ausbildung individueller Resilienz gegenüber An- des Schullebens. Im Blick auf diesen Entwicklungs- tisemitismus und Rassismus sowie das Wissen darum, schwerpunkt sind zwei markante Säulen zu benennen. dass das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft auf Zum einen nehmen eine nachhaltig angelegte Demo- mündigen Akteuren basiert – diese beiden Faktoren sind kratiebildung und Erinnerungskultur einen zentralen unverzichtbar für die Gestaltung einer werteorientier- Platz ein. ten, humanen Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft. 22 / HEIMAT WESTFALEN – 3/2019
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