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UniPress*                                                          A pr il 2 0 2 1   180

Planetenforschung

                              Was ist da draussen …?

Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern   Schwerpunkt
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… und wie finden wir es heraus?
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MADE IN SWITZERLAND

                                                Als 1995 Michel Major und Didier Queloz von der Universität Genf den ersten
                                                    Exoplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist, entdeckten,
                                                 lösten sie damit eine Revolution in der Astronomie aus. Seither wurden so
                                                  grosse Fortschritte erzielt, dass die Ära der Entdeckungen nun durch eine
                                                 Epoche der Bestimmung der physikalischen und chemischen Eigenschaften
                                                 abgelöst wird. So widmet sich der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS)
                                                     PlanetS seit 2014 in interdisziplinären Projekten der Erforschung des
                                                Ursprungs und der Entwicklung von Planeten sowie deren Charakterisierung.

                                                          Bern                                      Zürich
                                      Seit der Beteiligung an der                                   Partnerinstitutionen im NFS
                                     ersten Mondlandung 1969                                        PlanetS sind auch die ETH
                                     nimmt die Universität Bern                                     Zürich und die Universität
                                     an Weltraummissionen von                                       Zürich. Wissenschaftlerinnen
                                      Organisationen wie NASA,                                      und Wissenschaftler aus den
                                   ESA, ROSCOSMOS oder JAXA                                         Bereichen Astrophysik,
                                        teil. Sie leitet momentan                                   Datenverarbeitung und
                                   gemeinsam mit der Universi-                                      Erdwissenschaften leiten
                                   tät Genf die CHEOPS-Mission                                      Projekte und leisten wichtige
                                   der Europäischen Weltraum-                                       Beiträge zur Forschung im
                                               organisation (ESA).                                  Rahmen des NFS PlanetS.
                                                                                                    Zudem ist die ETH an der
                                          Zudem sind die Berner                                     Instrumentierung für diverse
                                      Forschenden an der Welt­                                      Observatorien und Welt-
                                       spitze mit dabei, wenn es                                    raummissionen weltweit
                                   etwa um Modelle und Simu-                                        führend beteiligt.
                                   lationen zur Entstehung und
                                      Entwicklung von Planeten
                                       geht. 2014 wurde der Uni
                                     Bern der NFS PlanetS zuge-
                                        sprochen, den sie seither
                                   gemeinsam mit der Uni Genf
                                                           leitet.
                       Genf
      Mit der Entdeckung des
  ersten Exoplaneten positio-
     nierte sich die Universität
  Genf als eine der führenden
         Institutionen auf dem
 Gebiet. Das führte beispiels-
weise 2003 zum Bau und der
Installation des Spektrografen
   HARPS auf dem 3,6-Meter-
   Teleskop der ESO in La Silla
         unter Genfer Leitung.

Darauf folgte das ESPRESSO-
    Instrument auf dem ESO-
      Teleskop VLT in Paranal.
   Ebenfalls in Genf befindet
 sich das «Science Operation
Center» der CHEOPS-Mission.
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Teleskope und Instrumente
Ins All spähen

Mithilfe von astronomischen
Beobachtungen mit Telesko-
pen am Boden und im Welt-
raum und mit Instrumenten
an Bord von Weltraumson-
                                             Am Computer
den werden neue Erkennt-
nisse zu Planeten in unserem                 Modellieren und
Sonnensystem und darüber
hinaus gewonnen. Dank der                    simulieren                           Im Labor
Auswertung und Kombination
verschiedener Daten können
                                                                                  Gesteinsproben
Fragen beantwortet werden                    Astronomische Beobach-               analysieren
über die Grösse, die Dichte,                 tungen werden theoretisch
die Masse und die Beschaffen-                interpretiert mit Modellen
heit von Planeten. Von                       und Simulationen am                  Auch im Labor beschäftigen
besonderem Interesse sind                    Computer. Damit können               sich Forschende unter ande-
die Atmosphären.                             Erkenntnisse gewonnen                rem mit der Frage, was es
                                             werden über die vielfältigen         braucht, damit ein bewohn-
                                             chemischen und physika-              barer Planet entstehen kann.
                                             lischen Prozesse, die bei der        Mit Analysen von Gesteins-
                                             Entstehung und der Entwick-          proben von Asteroiden,
                                             lung von Planeten ablaufen.          Kometen und Meteoriten
                                             So beispielsweise zur                wollen sie mehr über unser
                                             Akkretion, das heisst dem            eigenes und andere Sonnen-
                                             Wachstum des Kerns eines             systeme erfahren und
                                             Planeten.                            Hinweise auf den Ursprung
                                                                                  des Lebens auf der Erde
                                                                                  finden.

                            Forschungsbereiche
           Der NFS PlanetS ist in die folgenden Forschungsbereiche gegliedert:
       Frühe Stadien der Planetenentstehung / Architektur von Planetensystemen,
           ihre Entstehung und Entwicklung / Atmosphären, Oberflächen und
        das Innere von Planeten / Bestimmung der Bewohnbarkeit von Planeten.
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Qualität ist das Produkt
               deiner

                                                                                                      zum Detail.

                                                                                                           Tuana Savrim,
                                                                                                         DevOps Engineer

                                                                          #FeelFreeToWorkDifferently

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Biosignatur                  Planet
                                                                           Ein Molekül, beispiels-      Ein Himmelskörper, der
                                                                           weise in der Atmosphäre      nicht selbst leuchtet und
                                                                           eines Exoplaneten, das       der einen Stern umkreist.
                                                                           als wissen­schaftlicher      Er ist gross genug, um
                                                                           Hinweis für die Existenz     durch die eigene
                                                                           von Leben in der Gegen-      Schwerkraft eine Kugel-
                                                                           wart oder Vergangenheit      form zu bilden und hat
                                                                           gewertet wird.               alle kleineren Objekte
                                                                                                        in seiner Nachbarschaft
                                                                                                        «eingefangen».

                                                                                                        Sonnensystem

                                                                 Glossar
                                                                                                        Besteht aus der Sonne
                                                                                                        und den durch ihre
                                                                                                        Anziehungskraft sie
PLANETENFORSCHUNG
                                                                                                        umkreisenden Planeten,
                                                                                                        Kleinkörpern wie
                                                                                                        Kometen, Asteroiden
Woher kommen wir? Wie ist das Universum entstanden?                        Exoplanet                    und Meteoroiden sowie
Gibt es Leben auf anderen Planeten in unserem Sonnen-                      Planet, der ausserhalb       der Gesamtheit aller
                                                                           unseres Sonnensystems        Gas- und Staubteilchen.
system oder darüber hinaus? Wie sind die Planeten
                                                                           um einen anderen Stern
entstanden, wie haben sie sich entwickelt?                                 als die Sonne kreist.
   Blickt man nachts in den Sternenhimmel, sind dies                                                    Stern
                                                                                                        Ein leuchtender
Fragen, die sich viele Menschen stellen. Antworten darauf
                                                                           Galaxie                      kosmischer Körper aus
zu finden, hat mit dem Drang nach Wissen zu tun und                        Ansammlung von bis zu        heissem Gas, der durch
mit der Neugier des Menschen, die Welt, in der er lebt,                    mehreren 100 Milliarden      Kernfusion Energie
besser zu verstehen. Einigen mag Weltraumforschung unnütz                  Sternen und Wolken           freisetzt. Die Sonne ist
vorkommen, auch in Anbetracht des Zustands unseres                         aus Gas und Staub.           der Stern, der der Erde
                                                                           Geschätzt wird, dass es      am nächsten ist und
Heimatplaneten. Nein, für uns Menschen gibt es keinen
                                                                           rund 50 Milliarden           das Zentrum unseres
«Planet B».                                                                Galaxien im sichtbaren       Sonnensystems bildet.
   Jedoch lehren uns Erkenntnisse über die Grundvoraus-                    Universum gibt.
setzungen von Leben und über andere Planeten auch
                                                                                                        Spektrograf
viel über die Erde und wie wir sie und ihre Ressourcen, von                Gasriese                     Ein optisches Instrument,
denen wir leben, besser schützen können. Kommt hinzu,                      Auch Gasplanet genannt.      das Licht in seine
dass sich aus der Grundlagenforschung immer wieder                         Riesenplanet, der über-      verschiedenen Farben
ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten und Erkenntnisse                         wiegend aus leichten         (auch Spektrum
ergeben, die zum Teil sogar unser Leben verändern                          Gasen wie Wasserstoff        genannt) zerlegt und
                                                                           und Helium besteht.          mittels Detektoren
können.                                                                                                 aufzeichnet.

Wir haben mit einem Astrophysiker gesprochen, der einen                    Habitable Zone
                                                                           Bereich um einen Stern,      Spiegelteleskop
Schwarm von Teleskopen ins Weltall schicken will, einer
                                                                           in dem es auf einem          Ein Teleskop, das ein Bild
Geochemikerin, die im Labor Meteoriten analysiert, drei                    Planeten weder zu heiss      dadurch erzeugt, dass
jungen Frauen, die auf dem besten Weg sind, Karriere zu                    noch zu kalt ist, als dass   Licht durch einen Hohl-
machen im Bereich der Exoplanetenforschung, einem                          Wasser dauerhaft in flüs-    spiegel reflektiert wird.
Ingenieur, der soeben ein Labor eingerichtet hat, wo Instru-               siger Form vorkommen
                                                                           könnte. Gilt als Voraus-
mente für Weltraummissionen entwickelt und getestet                                                     Terrestrischer Planet
                                                                           setzung für erdähnliches
werden können. Sie alle haben eines gemeinsam: sie sind                                                 Erdähnlicher Himmels-
                                                                           Leben.
Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS                                                      körper, der eine feste
                                                                                                        Oberfläche aufweist, der
PlanetS. Exzellente Forschende arbeiten interdisziplinär
                                                                                                        durch die eigene Schwer­
und über verschiedene Institutionen hinweg an Projekten,                                                kraft eine Kugelform hat
es werden junge Talente ausgebildet und gefördert – für                                                 und vor allem aus Gestein
den Arbeitsmarkt oder eine Karriere in der Wissenschaft.                                                besteht (deswegen auch
Und nicht zuletzt gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit                                             Gesteinsplanet genannt).
der Industrie, es findet ein regelmässiger Technologietransfer
statt und es werden Startups gegründet.

Einige von Ihnen werden vielleicht staunen: Die Schweiz                    Milchstrasse
ist tatsächlich eine Weltraumnation, und der NFS PlanetS                   Die Galaxie, in der sich
                                                                           die Erde befindet. Sie hat
leistet einen wesentlichen Beitrag dazu. Indem man sich
                                                                           die Form einer flachen
in unserem kleinen Land zusammentut und Synergien                          Scheibe und beherbergt
schafft, sind wir wettbewerbsfähig – auf der Welt und im                   Hunderte Milliarden
Weltraum.                                                                  Sterne und die sie um-
                                                                                                        Transit
                                                                           kreisenden Exoplaneten.
                                                                                                        Das Vorbeiziehen
Wir wünschen Ihnen eine inspirierende und                                                               eines Himmelskörpers
lehrreiche Lektüre.                                                                                     vor einem anderen,
                                                                                                        grösseren Objekt.
Brigit Bucher und Timm Eugster

                                                                                                        UniPress   180/2021        5
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Über 2700 Kinderzeichnungen wurden
                                                              ausgelost, tausendmal verkleinert und auf
                                                              zwei Titanplatten eingraviert. Sie fliegen
                                                              nun mit dem CHEOPS-Satelliten durchs All.

                                                              PLANETENFORSCHUNG

                                                         2    Bildtafel – Made in Switzerland

                                                         5    Glossar
     FORSCHUNG UND RUBRIKEN
                                                         8    Willy Benz: «Man muss Geduld haben und
                                                              hartnäckig bleiben»
                                                              Interview: Barbara Vonarburg
     Forschung
                                                        11    PlanetS – Meilensteine
38   Berner Forschende an der Corona-Front
     Von Nathalie Matter                             13, 17   Statements

40   Vizerektor Daniel Candinas – «Damit das            14    Köpfe und Karrieren
     Wissen aus der Pandemie nicht verloren geht»             Von Nadine Affram
     Interview: Nathalie Matter
                                                        18    Bildtafel – Weltraumteleskop CHEOPS
42   Der Okmok und der Klimaschock im Alten Rom
     Von Timm Eugster                                   20    Das Zukunftslabor
                                                              Von Nicola von Greyerz

     Rubriken                                           21    Quiz: Mars oder Erde?

 5   Editorial                                          22    Bildtafel – Geburt eines Planeten

44   Gespräch                                           24    Mit Steinen zur Erkenntnis
     Lukas Bärfuss – Der Wahnsinn der Anderen                 Von Kaspar Meuli
     Von Roland Fischer
                                                        26    Faszination Exoplanet
48   Begegnung                                                Von Brigit Bucher
     Linh und Kasimir: «Wir haben nichts gespielt»
     Von Raoul Wanger                                   32    Weltraumtechnik im Operationssaal
                                                              Von Ori Schipper
50   Meinung
     Corona- und Klimapolitik gleichen sich an          34    Wissenschaft begeistert
     Von Isabelle Stadelmann-Steffen

51   Bücher

52   Impressum

                                                                                                  UniPress   180/2021   7
UNIPRESS* - UNIVERSITÄT BERN
«Man muss Geduld haben
und hartnäckig bleiben»
Die Entdeckung des ersten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems
1995 hat der Planetenforschung und der Suche nach erdähnlichen Planeten
enormen Schub verliehen. Mit dem Nationalen Forschungsschwerpunkt
(NFS) PlanetS, der Forschende der Universitäten Bern, Genf und Zürich sowie
der ETH Zürich verbindet, ist die Schweiz an der Weltspitze mit dabei.
Direktor Willy Benz zum Stand der Dinge und was als Nächstes kommt.

Interview: Barbara Vonarburg

Sie erhielten den Zuschlag für den NFS          «CHaracterizing ExOPlanet Satellite».         aber nicht auf dem gleichen. Bern ist
PlanetS im Jahr 2014. Klappte es auf            Obwohl unser NFS-Vorschlag abgelehnt          führend in der Weltraumforschung mit
Anhieb, vom Bund Forschungsgelder für           wurde, erhielt er genügend Aufmerksam-        Satelliten, Genf in den bodengestützten
ein astronomisches Programm zu                  keit, sodass wir in der Folge eine Mach­      Beobachtungen. Wir sind keine Konkur-
erhalten?                                       barkeitsstudie zu CHEOPS durchführen          renten, sondern Freunde, die hervorragend
   Willy Benz: Keineswegs. Nachdem ich          konnten, die vom Bund und der RUAG als        zusammenarbeiten.
1997 als Professor an die Universität Bern      Industrievertretung finanziert wurde.
gekommen war, nahmen wir bereits an der         2012 erhielten wir von der europäischen       Wie hat sich die Exoplaneten-Forschung
Ausschreibung der ersten Generation von         Weltraumorganisation ESA den Zuschlag         im Laufe der Zeit entwickelt?
Nationalen Forschungsschwerpunkten im           für das Satellitenprojekt. Zudem hatte die       Am Anfang war es wichtig, dass die
Jahr 2000 teil, in Absprache mit meinem         Universität Bern ein Jahr zuvor das «Center   Entdeckung von Mayor und Queloz bestä-
ehemaligen Doktorvater Michel Mayor in          for Space and Habitability» (CSH)             tigt wurde. Inzwischen kennt man über
Genf, jedoch ohne Erfolg. Bern erhielt          gegründet. Dies zeigte, wie aktuell und       4000 Exoplaneten, und der Trend geht seit
damals den Zuschlag für die beiden NFS          wichtig unsere Forschung ist.                 einiger Zeit in Richtung Charakterisierung.
Klima und Nord-Süd. Für die Planetenfor-                                                      Man möchte wissen, wie diese Planeten
schung war es noch zu früh. Erst fünf Jahre     Die Universitäten Bern und Genf sind          aussehen, also wie gross und schwer sie sind,
zuvor hatten Mayor und sein Doktorand           Heiminstitutionen des NFS PlanetS, die        welches ihre mittlere Dichte ist, ob sie eine
Didier Queloz den ersten Exoplaneten bei        Universität Zürich und die ETH Zürich         Atmosphäre haben, wie diese zusammen-
einem sonnenähnlichen Stern aufgespürt,         sind Partner. Warum befinden sich             gesetzt ist und schlussendlich, ob es Hin­weise
und diese Entdeckung war damals noch            Direktion und Administration an der           für Leben gibt.
nicht völlig unbestritten.                      Universität Bern?
                                                   Als wir uns im Jahr 2000 erstmals für      Wie kann man solche Details über
Sie versuchten es aber erneut.                  einen NFS bewarben, sagte Michel Mayor        Objekte herausfinden, die Lichtjahre
   Ja, 2010 probierte ich es zusammen mit       zu mir: «Mach du das.» So übernahm ich,       von uns entfernt sind?
Didier Queloz – auch damals vergeblich.         und es blieb dabei. Die Universitäten Genf       Die ersten Exoplaneten entdeckten die
Erst 2014 klappte es. Man sieht: Man muss       und Bern ergänzen sich perfekt. Beide         Astronomen, indem sie nachwiesen, dass
Geduld haben, hartnäckig bleiben und darf       zählen zur Weltspitze auf ihrem Gebiet,       sich die Muttersterne periodisch auf uns zu-
nie aufgeben. So kommt man ans Ziel.                                                          und von uns wegbewegen, weil sich Stern
                                                                                              und Planet unter Einwirkung der Gravitation
Was gab beim dritten Anlauf den                                                               um ihren gemeinsamen Schwerpunkt
Ausschlag für Ihren Erfolg?                                                                   drehen. Diese Technik heisst Radialge-
    Die Entscheidung, wofür das Geld inves­     «Auf einem Exoplaneten                        schwindigkeitsmethode. Daraus lassen sich
tiert wird, ist eine wissenschaftspolitische,                                                 die Planetenmasse und einige Bahnele-
die beim Staatssekretariat für Bildung,         regnet es Eisen, weil es                      mente bestimmen.
Forschung und Innovation SBFI liegt. Wir                                                         Zieht ein Planet direkt vor seinem Mutter-
hatten im Jahr 2010 erstmals CHEOPS ins         dort so heiss ist.»                           stern vorbei, kommt es zu einer Verdunkelung.
Spiel gebracht – einen Schweizer Satelliten                                                   Diese sogenannte Transitmethode liefert
zur Beobachtung von Exoplaneten, den            Willy Benz                                    den Planetenradius und ebenfalls einige

8   UniPress 180/2021                                           Schwerpunkt
«Schlussendlich möchten wir wissen, ob es Hinweise für Leben gibt auf diesen Planeten», sagt Willy Benz,
          Direktor des NFS PlanetS, «nur leider können wir nicht hingehen und nachschauen.»

                                             Schwerpunkt                                       UniPress    180/2021   9
Bahnelemente. Kennt man Masse und                Planeten, neben etwas sehr Hellem, dem
                                Radius, kann man daraus die mittlere             Stern, sehen kann. Dies ist das A und O der
                                Dichte bestimmen und abschätzen, ob das          künftigen Instrumente für das Riesentele-
                                Objekt ein Metallball, ein Gesteins- oder        skop ELT der Europäischen Südsternwarte
                                Gasplanet ist, so wie in unserem Sonnensys­      ESO. Das ELT hat einen Spiegeldurchmesser
                                t­em Merkur, Erde und Jupiter.                   von 39 Metern und wird zurzeit in Chile
                                                                                 gebaut. Der NFS PlanetS hat es geschafft, bei
                                War deshalb der Bau von                          der Konstruktion von zwei Instrumenten
                                CHEOPS so wichtig?                               beteiligt zu sein; sie heissen METIS und
                                   Ja. Mit CHEOPS wollen wir den Radius          HIRES. Vielleicht wird es uns gelingen, noch
                                von Planeten ermitteln, für die wir bereits      an einem dritten beteiligt zu sein. Damit
                                die Masse kennen. Das ist uns gelungen.          haben wir auch die Schweizer Beteiligung
                                Ende Januar 2021 konnten wir einen beson-        an den Beobachtungen und Auswertungen
                                ders schönen Erfolg vermelden. Wir haben         gesichert.
                                ein bekanntes Exoplanetensystem verfolgt
                                und herausgefunden, dass dieses nicht drei,      Wie kann man herausfinden,
                                sondern sechs Planeten beherbergt. Das           ob es auf einem dieser Exoplaneten
                                Merkwürdige: Die Planeten sind sehr unter-       Leben gibt?
                                schiedlich. Zudem befinden sich die Bahnen           Leider können wir nicht hingehen und
                                von fünf der Planeten in einem harmo-            nachschauen. Unsere einzige Möglichkeit
                                nischen Rhythmus; wir sprechen von Reso-         ist das klassische Werkzeug der Astronomie
                                nanz. Während beispielsweise der zweit­          – die Spektroskopie, also die Zerlegung des
                                innerste Planet 18 Umläufe macht, absolviert     eingefangenen Lichts in ein Band mit
Prof. Dr. Willy Benz ist        der dritte neun Umläufe und der äusserste        dunklen Linien, die Aufschluss über vorhan-
Professor für Physik und        drei.                                            dene Elemente und Moleküle geben. Aber
Astrophysik an der Univer-                                                       noch wissen wir nicht, wie man eine ein-
sität Bern und Direktor des     Warum ist die Entdeckung von Planeten-           deutige Biosignatur erkennt, also wie man
Nationalen Forschungs-          systemen besonders interessant?                  in diesem «Fingerabdruck» des Lichts die
schwerpunkts PlanetS. Von          Alle diese Planeten sind aus der gleichen     Spuren von Leben erkennt. Wir müssen also
2018 bis 2020 leitete er den    ursprünglichen Staub- und Gasscheibe             noch viel lernen, bevor wir anhand
ESO-Rat, das Führungsgre-       entstanden. Das heisst, wenn wir Modelle         bestimmter Linien im Spektrum eindeutig
mium der Europäischen           zur Planetenentstehung entwickeln,               sagen können: Da sitzt jemand und raucht
Südsternwarte. Mitte 2022       müssen diese erklären können, wie es zu          eine Zigarre.
wird er in den Ruhestand        solch unterschiedlichen Zusammenset-
treten. In seiner Forschung     zungen kommen konnte und warum die               Für die erste Phase des NFS PlanetS
beschäftigte er sich seit den   Positionen in Resonanz sind. Diese Dinge         von 2014 bis 2017 stellte der
1980er-Jahren mit Planeten      sind hochinteressant.                            Schweizerische Nationalfonds 17,6 Milli-
innerhalb und ausserhalb                                                         onen Franken zur Verfügung, für die
des Sonnensystems.              Wie kann man neben der Dichte                    zweite Phase von 2018 bis 2021 sind es
                                noch mehr über einen Exoplaneten                 fast 19 Millionen Franken. Wie wurde
                                herausfinden?                                    das Geld verteilt?
                                   Wir untersuchen die Atmosphäre der               Am Anfang diskutierten wir in einer
                                Planeten und konnten hier ebenfalls schon        Gruppe, wie man den Kuchen am besten
                                schöne Erfolge vermelden. So fanden              verteilen soll, sodass nicht Einzelne, sondern
                                Forschende des NFS PlanetS heraus, dass es       die Wissenschaft als Ganzes optimal
                                auf einem Exoplaneten Eisen regnet, weil         profitiert. In der ersten Phase unterstützten
                                es dort so heiss ist – eine faszinierende        wir grössere Projekte an den verschiedenen
                                Vorstellung, auch wenn man eigentlich            Institutionen. In der zweiten Phase zerstü-
                                Wasserregen finden möchte, also einen            ckelten wir die grossen Projekte in kleinere,
                                Exoplaneten, welcher der Erde gleicht.
                                Aber dies ist ein erster Schritt, auf den noch
                                viele weitere folgen müssen.                     «Wir müssen noch viel
                                Was ist die Schwierigkeit bei                    lernen, bevor wir
                                diesen Beobachtungen?
                                   Das Problem besteht darin, dass der           sagen können: Da sitzt
                                Lichtunterschied zwischen Stern und Planet
                                so gross ist und der Planet von uns aus          jemand und raucht eine
                                gesehen sehr nahe beim Stern steht. Man
                                muss ein Instrument mit einer grossen            Zigarre.»
                                Kontrastmöglichkeit und hoher Auflösung
                                haben, damit man etwas Dunkles, den              Willy Benz

10   UniPress 180/2021                           Schwerpunkt
2014 2016 2018                                                                                             2019 2021
Meilensteine

               Start des NFS PlanetS      Bundesrat zu Besuch                                                             Nobelpreis                    Nachwuchs
               Der Nationale              Zum Auftakt seiner                                                              Für ihre Entdeckung           übernimmt
               Forschungsschwer-          alljährlichen Schulreise                                                        eines Exoplaneten, der        Jungforschende
               punkt (NFS) PlanetS        besuchte der Gesamt-                                                            einen sonnenähn-              glänzen beim Gewinn
               wurde im Juni 2014         bundesrat im Juli 2016                                                          lichen Stern umkreist,        von hochkompetitiven
               vom Schweizerischen        die Weltraumforschen-                                                           wurden Michel Mayor           Projekten. Die über-
               Nationalfonds lanciert.    den an der Universität                                                          und Didier Queloz             wältigende Mehrheit
               Ziel ist die Erforschung   Bern und informierte       Zweite Phase von PlanetS                             2019 mit dem                  der Forschungsprojekte
               von Ursprung und           sich über die laufenden    Nach der erfolgreichen ersten Vierjahresperiode      Physiknobelpreis              innerhalb von PlanetS
               Entwicklung von            Weltraumprojekte,          erhielt PlanetS vom Schweizerischen National-        geehrt. Zur Verleihung        wird jetzt von jungen
               Planeten sowie deren       darunter die Mars­         fonds die Fördermittel für weitere vier Jahre. Die   am 10. Dezember 2019          Wissenschaftlern und
               Charakterisierung          kamera CaSSIS und den      zweite Phase begann am 1. Juni 2018.                 in Stockholm waren            Wissenschaftlerinnen
               mithilfe von astrono-      Zusammenbau des                                                                 auch die NFS-Wissen-          geleitet, wobei über
               mischen Beobach-           CHEOPS-Satelliten in                                                            schaftler Stéphane            30 Prozent von ihnen
               tungen, Raumfahrtmis-      einem eigens dafür                                                              Udry, Francesco Pepe          durch hart umkämpfte
               sionen, Arbeiten im        gebauten Reinraum.                                                              und Willy Benz einge-         externe Zuschüsse

                                                                     2019
               Labor und theoretischen                                                                                    laden.                        finanziert werden.
               Modellierungen.

                                          2017                                                                            2020
               2015                       Nachwuchstreffen
                                          Im September 2017
                                          trafen sich die Dokto-
                                          rierenden und Postdocs
                                          des NFS erstmals zu
                                          einer selbst organisier-                                                                                      Einzigartiges
                                          ten, dreitägigen Konfe-                                                                                       Planetensystem
                                          renz. Die Treffen                                                                                             PlanetS-Forschende
                                          namens JURA (Junior                                                                                           entdeckten im Januar
                                          Researchers’ Assembly)                                                          METIS besteht                 2020 ein System aus
                                          sind ein Instrument der                                                         Designtest                    sechs Exoplaneten mit
               Erste General­
                                          Nachwuchsförderung,        Start von CHEOPS                                     Der Spektrograf METIS         sehr unterschiedlicher
               versammlung
                                          die zu den Aufgaben        Am 18. Dezember 2019 startete der CHEOPS-            ist eines der Instru-         Zusammensetzung.
               Ende Januar 2015
                                          des NFS zählt.             Satellit von Kourou, Französisch-Guyana, aus zu      mente für das ESO-            Fünf der Planeten
               trafen sich über 100
                                                                     seiner Umlaufbahn um die Erde. CHEOPS ist eine       Riesenteleskop ELT, das       umkreisen ihren Stern
               NFS-Mitglieder aus
                                                                     gemeinsame Mission der Europäischen Welt-            2025 in Betrieb gehen         in einem ungewöhn-
               Bern, Genf und Zürich
                                                                     raumorganisation (ESA) und der Schweiz unter der     soll. METIS wird von          lichen Rhythmus. Die
               erstmals zur General-
                                          Erstes Licht für           Leitung der Universität Bern in Zusammenarbeit       einem Konsortium              Entdeckung gelang
               versammlung in
                                          ESPRESSO                   mit der Universität Genf. Der NFS PlanetS organi-    gebaut, zu dem die            aufgrund von Daten
               Anzère, Kanton Wallis,
                                          Im Dezember 2017           siert und finanziert einen Grossteil der wissen-     ETH Zürich in Zusam-          des CHEOPS-Satelliten
               um ihre Projekte und
                                          machte am Riesentele-      schaftlichen Nutzung von CHEOPS.                     menarbeit mit PlanetS         sowie des ESPRESSO-
               Ziele vorzustellen und
                                          skop VLT der Europä-                                                            gehört. Im Sommer             Spektrografen und
               sich gegenseitig
                                          ischen Südsternwarte                                                            2020 hat das Instrument       weiterer Instrumente.
               kennenzulernen.
                                          ESO in Chile ein Instru-                                                        seine vorläufige Design­-
                                          ment seine ersten                                                               prüfung bestanden.
                                          Beobachtungen, das
                                          unter der Leitung
                                          des Observatoriums
                                          der Universität Genf
                                          gebaut wurde: das
                                          hochauflösende Spek-
                                          trometer namens
                                          ESPRESSO.

                                                                                                                                                      UniPress   180/2021   11
die von jüngeren Wissenschaftlern und               gestellt haben, aber natürlich reicht es nicht
                                        Wissenschaftlerinnen getragen werden.               für alle. In gewissem Masse ist es auch
                                        Und wir lancierten neue Forschungsinitia-           gut so, die Universität darf kein schwarzes
                                        tiven, die verschiedene Institutionen               Loch für kluge Menschen sein, das wäre
                                        gemeinsam realisieren.                              eine Katastrophe für die Gesellschaft. Aber
                                           Als Direktor von PlanetS habe ich immer          heute erhält kaum jemand eine Astro-
                                        versucht, die Zusammenarbeit zwischen               nomie-Professur vor dem 35. Altersjahr.
                                        Forschenden zu fördern, um Synergien zu             Das erschwert vor allem für Frauen eine
                                        ermöglichen. Das ist gut gelungen, heute            entsprechende Karriere.
                                        arbeiten fast alle in Teams, die keine Instituts-
                                        grenze mehr kennen.                                 Wie steht es generell um
                                                                                            die Frauenförderung?
Netzwerke für Spitzenforschung          Ist die schweizweite Zusammen­-                        Im NFS PlanetS haben wir versucht,
Mit seinen Nationalen Forschungs-       arbeit der Forschenden das Erfolgs­                 Frauen zu fördern und auch einiges
schwerpunkten (NFS) fördert der         rezept des NFS?                                     erreicht. Leider gibt es aber immer noch zu
Schweizerische Nationalfonds (SNF)          Ja, solche Kooperationen zwischen Genf,         wenige, die man fördern kann. Schon in
die Forschung zu Themen von strate-     Bern und Zürich gab es vorher nicht. Als            der Mittelschule und später an der Uni gibt
gischer Bedeutung für die Zukunft       ich Doktorand war, haben sich die verschie-         es viel weniger Frauen als Männer, die
der schweizerischen Wissenschaft,       denen Institutionen voneinander distanziert.        sich für Physik interessieren. Deshalb haben
Wirtschaft und Gesellschaft. Ein NFS    Jeder hatte sein «Gärtli» und man half sich         wir mit verschiedenen Aktivitäten im
muss neben der Heiminstitution über     gegenseitig nicht viel. Das ist jetzt komplett      Rahmen des NFS versucht, Kinder und
ein Netzwerk von Teams aus der          anders. Bei uns gibt es echte Zusammenar-           Jugendliche – insbesondere Mädchen und
ganzen Schweiz verfügen.                beit. Wir haben die Schweizer Astronomie            junge Frauen – zu erreichen und für die
                                        im Gebiet Planetenphysik zusammenge-                Astronomie zu begeistern.
Dabei soll nicht nur international      bracht und setzen auch gemeinsam Priori-
sichtbare Spitzenforschung betrieben    täten, wenn es um den Bau von grösseren             Was ist für die dritte Phase des NFS
werden, sondern auch besonderes         Instrumenten geht.                                  von 2022 bis 2025 geplant?
Gewicht auf Wissens- und Technolo-                                                             Eine der Hauptprioritäten ist die Beteili-
gietransfer sowie Ausbildung und        Wie nützlich war es, dass die                       gung an der Entwicklung eines weiteren
Gleichstellung gelegt werden. Die       Planetenforscher Michel Mayor und                   Instruments für das ELT – «Planetary
Fördermittel des SNF sind jeweils für   Didier Queloz 2019 mit dem                          Camera and Spectrograph», kurz PCS.
eine vierjährige Betriebsphase          Nobelpreis ausgezeichnet wurden?                    Damit soll es möglich werden, Bilder von
bestimmt. Die NFS-Laufzeit beträgt         Es war fantastisch. Der Nobelpreis machte        erdähnlichen Exoplaneten zu machen.
maximal zwölf Jahre. Seit 2001          unsere Forschung bei einem breiten Publikum         Direkte Aufnahmen von Exoplaneten gibt
wurden insgesamt 36 NFS errichtet.      bekannt. Lange Zeit kannte ich keinen               es zwar bereits, doch dabei handelt es
                                        Nobelpreisträger, nun sind sie überall: Brian       sich um junge, heisse Riesenplaneten, die
                                        Schmidt, Nobelpreisträger 2011, war mein            ihren Stern in grosser Entfernung
                                        Student, und ich konnte ihn für den PlanetS-        umkreisen.
                                        Beirat gewinnen. Zu diesem zählt auch
                                        Michel Mayor. Und Didier Queloz ist Vorsit-         Sie werden die Leitung des
                                        zender des CHEOPS-Wissenschaftsteams.               NFS PlanetS am Ende der zweiten
                                                                                            Phase abgeben. Wer übernimmt
                                        Wie sieht es bei der Förderung der                  die letzte Phase?
                                        jungen Forschenden aus?                                 Ab 1. Juni 2022 wird Professor Nicolas
                                           Bei der Nachwuchsförderung wird in der           Thomas Direktor des NFS PlanetS sein.
                                        Schweiz nicht genug getan. Mit den uns              Er ist seit 2003 Professor an der Universität
                                        zur Verfügung stehenden Mitteln können              Bern und hat 2015 bereits meine Nach-
                                        wir zwar Doktorierende und Postdocs                 folge als Leiter des Physikalischen Instituts
                                        finanzieren, aber keine permanenten                 angetreten. Nicolas Thomas ist ein hervor-
                                        Stellen. Die Universitäten Bern und Genf            ragender Wissenschaftler. Er hat viel
                                        haben uns stark geholfen, indem sie uns             Erfahrung in der Weltraumforschung und
                                        einige permanente Stellen zur Verfügung             arbeitet als Spezialist für Fernerkundungs-
                                                                                            instrumente häufig mit den Weltraumor-
                                                                                            ganisationen ESA und NASA zusammen.
                                                                                                Er hat auch am Anfang bei CHEOPS
                                        «Wir sind keine                                     mitgeholfen, und dank ihm konnte an der
                                                                                            Universität Bern die Marskamera CaSSIS
                                        Konkurrenten, sondern                               gebaut werden, die spektakuläre, farbige
                                                                                            3-D-Bilder der Planetenoberfläche liefert,
                                        Freunde.»                                           aber auch das Laseraltimeter BELA, das mit
                                                                                            der ESA-Sonde BepiColombo auf dem Weg
                                        Willy Benz                                          zum Merkur ist. Und jetzt ist er an der

12   UniPress 180/2021                                    Schwerpunkt
«Weltraumforschung
                                                                                         hat eine über
Planung von Missionen zum Jupiter und                                                    50-jährige Tradition
dessen Monden sowie zu einem weiteren                                                    an der Universität

                                                 Statements
Kometen beteiligt.                                                                       Bern. Sie bildet einen
                                                                                         integralen Bestand-
Wie wird es nach dem Ende des NFS                                                        teil des universitären
PlanetS im Jahr 2026 weitergehen?                                                        strategischen
   Wir planen ein Schweizer Institut für                      «Der Erfolg des NFS
                                                                                         Themenschwer-
Planetenforschung mit dem Namen «Swiss                        PlanetS ist wirklich
                                                                                         punkts «Materie und
Institute of Planetary Sciences», kurz SIPS.                  erstaunlich. Vor
                                                                                         Universum» und
Wir haben aber nicht vor, ein Gebäude zu                      sechs Jahren hätte
                                                                                         wird zusätzlich durch
erstellen. SIPS wird wie PlanetS ein Zusam-                   ich mir nie träumen
                                                                                         das Center for Space
menschluss der Schweizer Institutionen                        lassen, dass es eine
                                                                                         and Habitability
sein, die auf diesem Gebiet forschen. Das                     so fantastische
                                                                                         (CSH) unterstützt.
Institut soll aber eine rechtliche Identität                  Synergie zwischen
haben, beispielsweise als Stiftung.                           den verschiedenen,
                                                                                         Der Nationale
                                                              in der Schweiz
Wer wird SIPS finanzieren?                                                               Forschungsschwer-
                                                              arbeitenden
    Wir hoffen, dass sich die Hochschulen                                                punkt PlanetS ist
                                                              Forschungsgruppen
wesentlich an SIPS beteiligen werden, wie                                                eine Auszeichnung
                                                              gibt.»
sie dies bei PlanetS getan haben. Zudem                                                  unserer langjährigen
werden bereits jetzt über 30 Prozent unserer                  Michel Mayor               Forschung in diesem
Projekte durch Drittmittel finanziert. Wir                    Nobelpreisträger           Bereich.»
haben hochwertige und sehr umkämpfte                          und Mitglied des Beirats
                                                              des NFS PlanetS            Christian Leumann
Fördermittel erhalten: ERC Grants des Euro-
                                                                                         Rektor der
päischen Forschungsrats sowie Eccellenza-                                                Universität Bern
Professuren des Nationalfonds. Und dann
haben wir noch unsere beiden Nobelpreis-
träger Michel Mayor und Didier Queloz. Sie
haben zugesagt, dass sie uns helfen werden,                   «Forschungs­
Geldgeber für SIPS zu finden.                                 schwerpunkte des
                                                              Bundes sind wich-
Warum ist es wichtig, dass SIPS                               tige Bekenntnisse
zustande kommt?                                               der öffentlichen
   Das Gebiet der Planetenforschung ist so                    Hand, auch damit
dynamisch und kompetitiv, dass es für eine                    Wissenschaft und
einzelne Universität immer schwieriger                        Wirtschaft noch
wird, federführend zu bleiben. Die Projekte                   besser zusammen-
sind einfach zu kompliziert, zu teuer, zu                     finden können.              «PlanetS behandelt
gross, zu umkämpft. Die einzige Chance für                                                die interessantesten
die Schweiz, weiterhin an der Spitze dabei                    Im Kanton Bern gibt         Fragen im Bereich
zu sein, ist diese Bündelung der unter-                                                   der Exoplaneten mit
                                                              es eine Reihe von
schiedlichen Kompetenzen an den verschie-
                                                              technologieorien-           innovativer,
denen Hochschulen und eine höchst effizi-
                                                              tierten hochspeziali-       multi­disziplinärer
ente Nutzung der Ressourcen.
                                                              sierten Zulieferbe-         Forschung. Es freut
   SIPS soll zudem den jüngeren Forschenden
den Zugang zu einer international angese-
                                                              trieben, die zielgenau      mich besonders,
henen Organisation mit entsprechenden                         den industriellen           dass das Programm
Profilierungs- und Netzwerkmöglichkeiten                      Anwendungen der             brillante junge
gewährleisten. Man ist besser, wenn man in                    Weltraumforschung           Forschende anzieht,
einer Topgruppe arbeiten kann. Mit SIPS                       dienen. PlanetS             vor allem auch
möchten wir die Erfolgsgeschichte des NFS                     passt damit hervor-         Frauen, und dass die
PlanetS weiterführen.                                         ragend in unsere            Zahl der Professo-
                                                              Wissenschafts- und          rinnen zunimmt.»
                                                              Unternehmens­
                                                                                          Ewine van Dishoeck
                                                              landschaft.»                Präsidentin der
Weitere Informationen                                                                     Internationalen Astrono-
und Bestellung Newsletter:                                    Christoph Ammann
                                                                                          mischen Union
                                                              Regierungsrat und
www.nccr-planets.ch
                                                              Wirtschaftsdirektor des
                                                              Kantons Bern
Kontakt
Prof. Dr. Willy Benz, Physikalisches Institut,
willy.benz@space.unibe.ch

                                                                                          UniPress   180/2021   13
Köpfe und
Karrieren
Nachwuchsforschenden bietet der NFS PlanetS
vielfältige Möglichkeiten zur Profilierung und
Vernetzung in einem dynamischen Forschungs­
gebiet – gerade auch jungen Frauen.

Interviews: Nadine Affram

14   UniPress 180/2021                           Schwerpunkt
«Kein
                                           wie auch meine gesellschaftliche Rolle   Simon Müller
                                           als (Nachwuchs-)Wissenschaftlerin.       Institut für computergestützte

Nachteil,
                                                                                    Wissenschaften, Universität Zürich
                                           Wie ist die Situation bezüglich          Geboren 1986 in der Schweiz
                                           Gleichstellung und «Diversity» in
eine Frau                                  Ihrem Bereich?
                                           Wenn ich mich in meinem Büro             Worum geht es in Ihrer
zu sein …»                                 umschaue, sind alle Doktorierenden
                                           Frauen. Schaue ich aber auf die
                                                                                    Doktorarbeit?
                                                                                    Mein Hauptforschungsinteresse gilt
                                           Postdocs, dann sehe ich dort nur         der theoretischen Untersuchung, wie
                                           Männer. Wir kommen aus mindestens        sich das Innere von Riesenplaneten
                                           sieben Ländern und sprechen fünf         vom Moment ihrer Geburt bis heute
                                           verschiedene Sprachen. Ich denke,        entwickelt. Riesenplaneten sind nicht
                                           dies ist ein typisches Bild in diesem    statisch. Da sie hauptsächlich aus
                                           Forschungsgebiet: Einerseits sind wir    Wasserstoff und Heliumgas bestehen,
                                           sehr international aufgestellt – was     kühlen sie ab und ziehen sich mit
                                           die Diversität der Geschlechter anbe-    zunehmendem Alter zusammen,
                                           langt, fällt aber schon sehr auf, wie    und ihre innere Struktur ändert sich.
                                           stark der Frauenanteil sinkt, je höher   Um zu verstehen, wie das genau
                                           man in der wissenschaftlichen            passiert, verwende ich numerische
                                           Karriere steigt.                         Modelle, mit denen ich ihre Entwick-
                                                                                    lung über Milliarden von Jahren
                                           Haben Sie Ideen für                      verfolgen kann.
                                           Verbesserungen?
                                           Ich schätze die Anstrengungen, die       Was fasziniert Sie an
                                           in unserem Bereich und in der            Ihrer Forschung?
                                           Wissenschaft allgemein unter-            Wir leben in einem aufregenden Zeit-
                                           nommen werden, um die Gleichstel-        alter, um Riesenplaneten zu studieren:
Andrea Guzmán Mesa                         lung und die Vielfalt zu fördern, aber   Wir entdecken eine beispiellose
Doktorandin am Physikalischen              Menschen mit unterschiedlichem           Anzahl von Riesen-Exoplaneten und
Institut, Universität Bern                 Hintergrund anzustellen, wird allein     stellen fest, dass sie sehr unter-
Geboren 1993 in Kolumbien                  das Problem nicht lösen: Es braucht      schiedlich sind. Gleichzeitig versu-
                                           auch Räume, in denen sie gedeihen,       chen wir immer noch, die Messungen
                                           sich austauschen und sich aktiv          der Gravitationsfelder von Jupiter
Worum geht es in Ihrer                     in unseren Institutionen einbringen      und Saturn zu verstehen. Die Mission
Doktorarbeit?                              können.                                  «Juno» zum Jupiter hat unser
Ich untersuche simulierte Atmo-                                                     Verständnis der Art und Weise, wie
s­phärendaten von neptunähnlichen                                                   das Jupiterinnere aussieht, grund­
Planeten, die von einer digitalen                                                   legend verändert. Die Messungen
Nachbildung des zukünftigen James                                                   zeigen, dass Jupiter keinen kleinen,
Webb Space Telescope stammen.
Das Ziel ist, den Informationsgehalt
                                           «Ein                                     kompakten Kern hat, sondern einen,
                                                                                    der eher unscharfe Grenzen hat
verschiedener Instrumentenmodi
zu untersuchen.
                                           aufregendes                              und sich weiter in die Gashülle
                                                                                    hinein erstreckt.
    Dafür wende ich eine interessante
und neuartige Maschinenlerntechnik         Zeitalter …»                             Warum ist das wichtig?
an. Im zweiten Teil meiner Arbeit                                                   Dies hat grosse Auswirkungen auf
untersuche ich die chemische Vielfalt                                               unser Verständnis, wie sich nicht nur
der Atmosphären und des Inneren                                                     Jupiter, sondern auch Riesenplaneten
dieser Sub-Neptun-Planeten.                                                         im Allgemeinen gebildet haben.
                                                                                    Da man annimmt, dass Gasriesen
Welche Ratschläge würden Sie                                                        Indikatoren von protoplanetaren
Ihrem jüngeren Ich geben,                                                           Scheiben – dem Geburtsort von
um dorthin zu gelangen, wo                                                          Planeten – sind, ermöglicht uns das
Sie heute sind?                                                                     Verständnis der Entstehung und
Dass es kein Nachteil ist, eine Frau zu                                             Entwicklung von Riesenplaneten ein
sein mit einem anderen kulturellen                                                  besseres Verständnis der Geschichte
Hintergrund als viele hier. Ich verstehe                                            unseres Sonnensystems.
dies als Stärken in allen Lebensbe-
reichen, insbesondere in der Wissen-                                                Sie sind Teil des NFS PlanetS –was
schaft. Sie haben mich dazu gebracht,                                               sind die Vorteile der Arbeit
Wissenschaft und Forschung aus einer                                                in einem grossen Projekt?
anderen Perspektive zu betrachten –                                                 PlanetS bringt eine grosse Vielfalt
                                                                                    von Menschen und Forschungsinte-

                                            Schwerpunkt                                           UniPress   180/2021    15
«Bleib einfach
                                                                                    oder atmosphärische Dynamik im
                                                                                    weiteren Sinne – können wir Exopla-
                                                                                    neten nicht wirklich verstehen.
                                         dran …»                                    Sie sind Teil des NFS PlanetS – was
                                                                                    sind die Vorteile der Arbeit in
                                         Julia Seidel                               einem grossen Projekt?
                                         Département d’Astronomie,                  Viele Kooperationen sind auf PlanetS
                                         Université de Genève                       zurückzuführen, und es überrascht
                                         Geboren 1992 in Deutschland                mich immer wieder, wie lebendig
                                                                                    das Feld der Exoplanetenforschung
                                         Worum geht es in Ihrer                     in der Schweiz ist, etwa mit Vortrags-
                                         Doktorarbeit?                              reihen und Workshops. Neben der
                                         Ich untersuche die atmosphärische          Wissenschaft geht es auch um
                                         Dynamik von Exoplaneten. Dazu              Vernetzung, was ich als Doktorandin
                                         analysiere ich zunächst Transitdaten       besonders hilfreich finde.
                                         dieser Planeten, um nach aufgelösten
                                         Spektrallinien in hoher Auflösung zu       Welche Ratschläge würden Sie
                                         suchen. Unter einem Transit versteht       Ihrem jüngeren Ich geben,
                                         man den Durchgang eines Himmels-           um dorthin zu gelangen, wo
                                         körpers vor der Scheibe eines grös-        Sie jetzt sind?
                                         seren Objekts. In einem nächsten           Ausdauer ist wichtiger, als die Dinge
                                         Schritt modelliere ich die Spektrallini-   beim ersten Versuch richtig zu
                                         enformen unter der Annahme, dass           machen: Bleib einfach dran, egal wie
                                         sie durch Doppler-Verschiebungen,          frustrierend es ist. Und ein grosses
                                         die von Winden herrühren, verzerrt         Dankeschön an mein jüngeres Ich,
                                         wurden. Mir gefällt an dieser Arbeit       dass ich immer ein Laborjournal
                                         besonders, dass sie an der Schnitt-        geführt habe. Jetzt, am Ende meiner
                                         stelle zwischen Beobachtung und            Doktorarbeit, wäre ich ohne meine
                                         Theorie angesiedelt ist, sodass sie        alten Notizen verloren.
                                         Einschränkungen für anspruchsvollere
                                         Modelle liefern kann und wirklich
                                         einen Rahmen für das Verständnis von
Fortsetzung von Seite 15                 Winden bietet. Denn ohne Winde –

ressen zusammen. Es ist grossartig,
als Theoretiker mit Beobachterinnen
und Beobachtern sprechen zu
können und zu erfahren, welche
                                                                                    «… eine
Informa­tionen sie von unseren
Modellen brauchen, um ihre Missi-
                                                                                    grossartige
onen zu planen. Dies stärkt nicht
nur die Wissenschaft, die wir                                                       Erfahrung»
betreiben, sondern es macht auch
viel Spass, neue Dinge zu lernen.                                                   Miriam Rüfenacht
                                                                                    Institut für Geochemie und
Warum wollten Sie Wissen-                                                           Petrologie, ETH Zürich
schaftler in Ihrem Forschungs­                                                      Geboren 1991 in der Schweiz
gebiet werden?
Ich war ein ziemlicher Spätzünder,
es dauerte etwas, bis ich wusste,                                                   Worum geht es in Ihrer
dass ich in die Wissenschaft gehen                                                  Doktorarbeit?
will. Inspiriert haben mich die vielen                                              Ich bin Doktorierende auf dem Gebiet
populärwissenschaftlichen Bücher,                                                   der Kosmochemie und arbeite mit
die ich mit Anfang 20 verschlungen                                                  Meteoritenproben. Das Ziel meines
habe. Insbesondere jene von Carl                                                    Projekts ist es, Titan aus Meteoriten-
Sagan haben mich nachhaltig beein-                                                  gestein und/oder aus einzelnen
druckt. Deshalb wollte ich auch                                                     Komponenten dieser Gesteine zu
zu Planeten forschen: Wir leben auf                                                 isolieren und die sogenannten
einem und sie sind im Universum                                                     nukleosynthetischen Isotopenzusam-
allgegenwärtig. Dennoch verstehen                                                   mensetzungen des Titans zu messen.
wir so wenig, wie sie entstanden                                                    Damit untersuche ich genetische
sind und wie sie sich entwickeln.                                                   Beziehungen zwischen planetaren

16   UniPress 180/2021                      Schwerpunkt
«Der NFS PlanetS ist
Materialien und erhalte Informati-                                                ein einzigartiges
onen über Prozesse, die in der proto-                                             Abenteuer, welches
planetaren Scheibe – eine Scheibe                                                 Forschung, Bildung

                                          Statements
aus Gas und Staub, die einen jungen                                               und Innovation
Stern umgibt – stattgefunden haben.                                               verbindet. So sind
                                                                                  wir von der Universi-
Was machen Sie an einem                                                           tät Genf stolz darauf,
normalen Arbeitstag?                                   «Die Nationalen                                         «Die Planetenfor-
                                                                                  die Leitung dieses
Es gibt Tage, da arbeite ich den                       Forschungsschwer-                                       schung in der
                                                                                  NFS mit unseren
ganzen Tag im Labor, oft aber ist es                   punkte (NFS) sind als                                   Schweiz und an der
                                                                                  Kollegen der Univer-
eine Kombination aus Laborarbeit                       etabliertes Instru-                                     Universität Bern ist
                                                                                  sität Bern zu teilen.»
und Arbeit am Computer. Hier verar-                    ment des Bundes zur                                     in vielen Gebieten
beite und analysiere ich Messdaten                     Förderung der              Yves Flückiger               weltweit führend.
aus dem Labor mit dem Ziel, diese in                   Schweizer Spitzen-         Rektor der
                                                                                  Universität Genf
einem Bericht im wissenschaftlichen                    forschung insgesamt                                     Ob das die Analyse
Kontext zu präsentieren und zu                         eine Erfolgsge-                                         der Bausteine
diskutieren.                                           schichte mit interna-                                   des Sonnensystems
                                                       tionaler Ausstrah-                                      betrifft oder die
Wie ist die Situation der                              lung. Der NFS                                           heutigen und künfti-
Gleichstellung in Ihrem Bereich?
                                                       PlanetS schreibt                                        gen Beobachtungen
In unserer Kosmochemie-Gruppe an
                                                       dazu ein wichtiges                                      von Mars und
der ETH ist die Gleichberechtigung
                                                       Kapitel: Er trägt                                       Merkur aus einer
der Geschlechter schon weit fortge-
                                                       wesentlich zu einem                                     Umlaufbahn oder
schritten. Aus meiner Perspektive –
ich bin Mutter eines 2-jährigen
                                                       besseren Verständnis                                    auch die Erforschung
Kindes – hatte ich grossartige Erfah-                  des Ursprungs, der                                      von Exoplaneten
rungen gemacht, als ich mein Kind                      Entwicklung und der                                     ausserhalb des
während meines Doktoratsstudiums                       Eigenschaften von                                       Sonnensystems,
bekam. Meine Professorin gab mir                       Planeten bei.»                                          spielt die Schweiz in
die Zeit, die ich brauchte, um mich                                                                            Beobachtungen,
neu zu organisieren. Sie ermöglichte
                                                       Martina Hirayama           «CHEOPS ist eine             Theorie und Modell-
                                                       Staatssekrektärin
es mir, mein Arbeitspensum so zu                                                  ganz besondere               entwicklung ganz
                                                       für Bildung, Forschung
reduzieren, dass ich mein Familien-                    und Innovation             Mission zur Beobach-         vorne mit.»
und Berufsleben ideal kombinieren                                                 tung und Charakteri-
kann. Ich weiss aber, dass es viel                                                sierung von Exopla-          Thomas Zurbuchen
                                                                                                               Wissenschaftsdirektor
schwieriger sein kann, wenn es über                                               neten. Sie zeigt
                                                                                                               der NASA und Alumnus
das Doktoratsstudium hinausgeht.                                                  einmal mehr, wie             der Universität Bern
                                                                                  wenig wir über unser
Haben Sie Ideen für                                    «Das PlanetS-Team
                                                                                  Universum wissen
Verbesserungen?                                        zeigt eine beeindru-
                                                                                  und wie inspirierend
Meiner Meinung nach ist es die                         ckende Tiefe und
                                                                                  die Wissenschaft ist,
klassische Struktur einer wissenschaft-                Breite und hat die
                                                                                  die auf Neugier
lichen Karriere, die die Kombination                   Schweiz bei der
                                                                                  basiert und weit über
von Familie und Beruf schwierig                        Suche nach neuen
                                                                                  den finanziellen
macht. Die befristeten und oft kurzen                  Welten rund um
                                                                                  ‹Return on Invest-
Verträge erfordern ein hohes Mass                      andere Sterne in
                                                                                  ment› hinausgeht.
an Flexibilität von Seiten der Familie.                vielen entschei-
Die Kurzfristigkeit der Verträge                       denden Bereichen
erschwert auch eine Teilzeitbeschäf-                                              Neugierde ist der
                                                       an die vorderste
tigung, was wiederum die Verein­                                                  stärkste Antrieb der
                                                       Forschungsfront
barkeit von Beruf und Familie heraus-                                             Menschheit und
                                                       katapultiert.»
fordernd macht. Aus meiner Sicht                                                  bahnt den Weg in
sind dies wichtige Punkte, die es zu                   Lisa Kaltenegger           die Zukunft.»
berücksichtigen gilt, um For-                          Direktorin des
                                                       Carl Sagan Institute der   Jan Wörner
schenden, Eltern und insbesondere
                                                       Cornell University, USA    Ehemaliger Generaldirektor
Frauen und Müttern die Möglichkeit                                                der Europäischen
zu geben, während der Kinder­                                                     Weltraum­organisation ESA
erziehungszeit mit einem Bein in
der Wissenschaft zu bleiben. So
können sie ihre Arbeit engagiert fort-
setzen und schliesslich wieder mit
voller Kraft in ihren Beruf zurückzu-
kehren.

                                                             Schwerpunkt                                         UniPress   180/2021   17
W E LT R A U M T E L E S K O P
                                                                          CHEOPS

                                                   CHEOPS ist eine gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumorganisa-
                                                      tion (ESA) und der Schweiz, unter der Leitung der Universität Bern in
                                                   Zusammenarbeit mit der Universität Genf. CHEOPS steht für CHaracterising
                                                   ExOPlanet Satellite. Das Weltraumteleskop misst Helligkeitsveränderungen
                                                         eines Sterns, wenn ein Exoplanet vor diesem Stern vorbeizieht.

                                                    Daraus lässt sich die Grösse des Planeten ableiten und mit bereits vorhan-
                                                   denen Daten die Dichte bestimmen. So erhält man wichtige Informationen
                                                  über diese Planeten – zum Beispiel, ob sie überwiegend felsig sind, aus Gasen
                                                    bestehen oder ob sich auf ihnen tiefe Ozeane befinden. Dies wiederum ist
                                                  ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen, ob auf einem Planeten lebensfreund-
                                                                           liche Bedingungen herrschen.

                           Zuschlag der ESA
                 2012 erhält das Schweizer Weltraumprojekt
                   CHEOPS den Zuschlag der ESA. Anfang
                 April 2014 unterzeichnen Daniel Neuensch-
                     wander, damaliger Abteilungsleiter
                Raumfahrt beim Bund, und Willy Benz dessen
                  Ernennung zum «Principal Investigator».
                    Somit ist Benz verantwortlich für die
                   Ausführung, das Management und die
                        wissenschaftliche Auswertung
       2012                      der Mission.

                                                     Bau des CHEOPS-Labors
                                              An der Universität Bern wird ein neues Labor
                                                gebaut mit einer schweizweit einmaligen
                                              Kalibrations- und Vakuumkammer: Darin wird
                                                  das CHEOPS-Weltraumteleskop unter
                                     2015
                                               Weltraumbedingungen zusammengebaut,
                                                           geprüft und geeicht.
                                                                                                           Bundesrat zu Besuch
                                                                                                      Im August 2018 kommt der komplett
                                                                                                    zusammengebaute Satellit in die Schweiz,
                                                                                                     um bei der RUAG Space in Zürich einen
                                                                                                    Rütteltest zu bestehen. Willy Benz erklärt
                                                                                                      Bundesrat Johann Schneider-Ammann
                                                                          2016                      die Details des Satelliten. Die Titanplatten
                                                                                                       mit den Kinderzeichnungen werden
                                                                                                             vom Bundesrat feierlich
                                                                                                                     enthüllt.

                                                                                                                       2018

                      Zeichnungen im Weltall
                     Im Rahmen einer Zeichnungsaktion
                  reichen 2016 Tausende von Kindern eine
               Zeichnung zum Thema Universum ein. Daraus
                    werden 2748 Zeichnungen ausgelost,
                 tausendmal verkleinert und an der Berner
                    Fachhochschule in Burgdorf auf zwei
                Titanplatten eingraviert, die schliesslich auf
                             CHEOPS montiert
                                 werden.

18   UniPress 180/2021                                           Schwerpunkt
Achtung Schrott
          Weltraumschrott bedroht zunehmend
         Raketen, die internationale Raumstation
           und Satelliten. Anfang Oktober 2020
            musste auch das Weltraumteleskop
          CHEOPS wegen eines Trümmerteils ein
             Ausweichmanöver durchführen.
        Kollidiert ein Teil von nur 1 cm Durchmes-
        ser mit einem anderen Objekt, so wird die
           Energie einer explodierenden Hand­
                    granate freigesetzt.

    Erfolgreicher Raketenstart
  CHEOPS tritt am Mittwoch, 18. Dezember
2019, an Bord einer Sojus-Fregat-Rakete vom
  Europäischen Weltraumbahnhof Kourou,
 Französisch-Guyana, seine Reise ins Weltall
an. Seither umkreist CHEOPS die Erde inner-
  halb von ungefähr anderthalb Stunden in
 einer Höhe von 700 Kilometern entlang der
             Tag-Nacht-Grenze.

                   2019                              2021

                                                                              Einzigartiges
                                                                        Planetensystem gefunden
                                                                     CHEOPS entdeckt sechs Planeten, die den
                                                                    Stern TOI-178 umkreisen. Fünf der Planeten
                                                                     befinden sich trotz sehr unterschiedlicher
                                                                   Zusammensetzungen in einem harmonischen
                                                                       Rhythmus – ein Novum. Die Meldung
                                                                   stösst im Januar 2021 auf ein breites interna-
                                                                               tionales Medienecho.

                                                     Schwerpunkt                            UniPress   180/2021     19
Claudio Zimmermann (links) und Nicolas Thomas testen die Optik                                «Cleopatra» besteht aus einer Vakuum-
einer Kamera im neuen Labor am ExWi.                                                          kammer, in der die Kameras unter Weltraum­
                                                                                              bedingungen getestet werden können.

Das Zukunftslabor
Das neue «Detector Lab» der Universität Bern wird
Forschenden ideale Voraussetzungen bieten, Weltraum-
instrumente selbst zu entwickeln und zu testen:
ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für die Schweizer
Beteiligung an zukünftigen Missionen.

Von Nicola von Greyerz

Das Bauen von Weltraumexperimenten hat           CaSSIS-Instruments. Wenn ein neues             richtige Person gefunden. Er ist jemand,
in Bern bekanntlich eine lange Tradition.        Instrument entworfen wird, muss man            der bis ins letzte Detail ganz genau wissen
Stand in den vergangenen Jahrzehnten vor         immer auch an Testgeräte für das Instru-       will, wie etwas funktioniert.»
allem die Massenspektrometrie im Zentrum,        ment denken. Die Wissenschaft definiert,
werden heute immer häufiger optische             was mit einem Instrument gemessen              «Cleopatra», die versierte
Beobachtungsinstrumente gebaut. Das wohl         werden soll, und übergibt diese Vorgaben       Zehnkämpferin
bekannteste Beispiel dafür ist die Kamera        dem technischen Personal, das dafür die        «Als ich im Sommer 2018 den Auftrag
CaSSIS, die seit vielen Monaten atemberau-       nötigen Gerätschaften entwickelt. Auf der      erhielt, eine Testvorrichtung für optische
bende Bilder der Marsoberfläche zur              Basis dieser Einrichtungen können die          Geräte zu entwickeln, stellte ich mir ein
Erde schickt. Dieses Ziel zu erreichen hat den   Instrumente entworfen, gebaut und getestet     mobiles Gerät vor, um in den verschiedenen
Berner Forschenden jedoch einiges abver-         werden. «Mit dem Detector Lab planen wir       Labors Kameras zu testen», erzählt Claudio
langt: Immer wieder mussten Änderungen           nun eine projektunabhängige Infra-             Zimmermann, Elektroingenieur am Physika-
am Design des Instruments vorgenommen            struktur», sagt Thomas. «Und in Claudio        lischen Institut und Projektleiter des
werden. Dies, weil man bei der Entwicklung       Zimmermann haben wir dafür genau die           Detector Labs. Das führte ihn zum Namen
der Detektoren und Kameraelektronik von                                                         «Cleopatra», der für «Clean-Optical-Trolly-
externen Partnern und Laboreinrichtungen                                                        and-TV-Chamber» stand. Im Laufe der
abhängig war. «Damit wir weiterhin wett-                                                        Entwicklung wurden die gewünschten
bewerbsfähig bleiben, muss technisches           Weltraumforschung                              Anforderungen jedoch immer komplexer
Know-how längerfristig inhouse angesiedelt                                                      und damit auch die Testvorrichtung immer
werden», meint Nicolas Thomas, geschäfts-        kann nur im Verbund                            grösser, sodass es eine fixe Installation
führender Direktor der Physikalischen                                                           brauchte. In einer entlegenen Ecke des
Instituts und Principal Investigator des         erfolgreich sein.                              Gebäudes für Exakte Wissenschaften (ExWi)

20   UniPress 180/2021                                          Schwerpunkt
der Universität Bern fand Zimmermann
einen Raum, in dem er «Cleopatra» nun
einen fixen Platz geben kann. Mit «Cleo-
                                                                 Mars oder Erde?
patra» werden in Zukunft nicht nur Kameras                     Erkennen Sie, ob ein Bild die Oberfläche des
gebaut und getestet, die Bilder im sicht-                 Mars oder der Erde zeigt? Ein Quiz, bei dem auch Welt-
baren Bereich des Lichtes erstellen, sondern                      raumforschende ins Grübeln kommen!
auch solche, die Aufnahmen im Infrarot-
bereich erzeugen. Gerade dieser Bereich
wird in der Weltraumforschung immer
wichtiger. Antoine Pommerol arbeitet zum
Beispiel mit sogenannter Spectro-Polarime-
trie, die Instrumente voraussetzt, die

                                                  Quiz
sowohl sichtbares Licht wie auch solches im
nahen Infrarotbereich erkennen können.
Er interessiert sich dafür, wie lebende Orga-
nismen – sogenannte Biomarker – auf
planetaren Oberflächen erkannt und                         1                                                                         2
charakterisiert werden können.
    Die hochauflösende Kamera CoCa, die
im Rahmen der ESA-Mission «Comet
Interceptor» 2029 in den Weltraum starten
soll, wird solche Bilder von einem vorbei­
fliegenden Kometen machen. Aber auch
Thomas Schildknecht, Direktor des Obser-
vatoriums Zimmerwald, das von der Erde
aus sehr erfolgreich Weltraumschrott
detektiert, wird seine Kameras zukünftig im                3                                                                         4
Detector Lab weiterentwickeln können.

Infrastruktur für neues
Schweizer Flaggschiff
Im Frühling 2021 werden alle Einzelteile
von «Cleopatra» geliefert und verbaut sein.
Dann geht es ans Testen und Kalibrieren.
Zimmermann geht davon aus, dass das Lab
Anfang des kommenden Jahres für die                        5                                                                         6
Wissenschaft voll einsatzfähig sein wird. Das
Detector Lab wird eine wichtige Rolle
spielen in der Planung eines neuen Flagg-                 wurde.                    Insel im südlichen            Kräfte im Innern der
schiffs für die Berner Weltraumforschung                  Magma gebildet            Geografie der Heard-          baren tektonischen
nach Auslauf des Nationalen Forschungs-                   geprägt, der aus          nisches Massiv, das die       dem man die unsicht-
schwerpunktes PlanetS. Darum wird es auch                 körnigem Granit           Big Ben ist ein vulka-        bekannt als ein Ort, an
teilweise mit Geldern finanziert, welche die
                                                          ist von hartem und        4 = Erde                      geologische Ikone und
                                                          Park (Kalifornien)                                      (Arizona) ist eine
Universität Bern für den NFS PlanetS gespro-              Der Yosemite National     tur deutlich zu machen.       Der Grand Canyon
chen hat. Fernziel ist dabei die Gründung                 6 = Erde                  die Oberflächenstruk-         2 = Erde
eines Schweizerischen Instituts für Planeten-                                       teils eingefärbt, um
wissenschaften in Zusammenarbeit mit                      aufgenommen.              delle. Die Bilder werden     beteiligt.
anderen Universitäten. Moderne Forschungs­
                                                          tern und wurde 2003       digitale Geländemo-          ter (MRO) der NASA
                                                          von rund drei Kilome-     Stereoansichten und          Reconnaissance Orbi-
infrastruktur ist immer geteilte Infrastruktur,           einem Durchmesser         Mars. Sie liefert 3-D-       HiRISE auf dem Mars
weil so hochkomplexe Forschungsfelder                     zeigt ein Gebiet mit      Mineralien auf dem           europäische Uni an
wie die Weltraumforschung nur im Verbund                  sehr alt ist. Das Bild    trieren die Vielfalt der     tät Bern ist als einzige
erfolgreich sein können.                                  rigste wahrscheinlich     merkmalen und illus-         geweckt. Die Universi-
    Neben dem Testinstrument «Cleopatra»
                                                          von denen die nied-       artigen Oberflächen-         grosses Interesse
                                                          Schichten strukturiert,   Ansichten von eigen-         der Rinnenbildung hat
soll zudem auch die Expertise im Bau der                  deutlich in viele         Universität Bern zeigen      saisonalem Frost bei
Kamera-Elektronik weiter ausgebaut werden.                Das Gestein erscheint     der Kamera CaSSIS der        Die mögliche Rolle von
«So werden wir in Zukunft die ganze                       Hügel auf dem Mars.       Hochauflösende Bilder        aufgenommen wurden.
wissenschaftliche Wertschöpfungskette in                  5 = Mars                  3 = Mars                     Science Experiment)
den eigenen Händen haben», sagt Claudio
                                                                                                                 Resolution Imaging

Zimmermann: «Das ist ein riesiger Wett­
                                                         Meer hinabführen.          fläche vertikal hebt.        2006 von HiRISE (High
                                                         die vom Big Ben zum        wenn sich die Erdober-       Mars, die erstmals
bewerbsvorteil.»                                         14 grosse Gletscher,       einschneiden kann,           der Südhalbkugel des
                                                         bedeckt, darunter          nur dann einen Canyon        Krater-Rinnen auf
                                                         des Bergs ist von Eis      heute, dass ein Fluss        1 = Mars
Kontakt
                                                         niert. Ein grosser Teil    Geologen/-innen wissen
                                                         Indischen Ozean domi-      Erde erahnen kann.                        Lösungen
Claudio Zimmermann, NFS PlanetS,
claudio.zimmermann@space.unibe.ch

                                                  Schwerpunkt                                                  UniPress   180/2021       21
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