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* Lukas Bärfuss über den Wahnsinn der Anderen – 44 * Linh, Kasimir und die 3500 Studieninteressierten – 48 * Berner Forschende an der Corona-Front – 38 UniPress* A pr il 2 0 2 1 180 Planetenforschung Was ist da draussen …? Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Schwerpunkt
MADE IN SWITZERLAND Als 1995 Michel Major und Didier Queloz von der Universität Genf den ersten Exoplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist, entdeckten, lösten sie damit eine Revolution in der Astronomie aus. Seither wurden so grosse Fortschritte erzielt, dass die Ära der Entdeckungen nun durch eine Epoche der Bestimmung der physikalischen und chemischen Eigenschaften abgelöst wird. So widmet sich der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS seit 2014 in interdisziplinären Projekten der Erforschung des Ursprungs und der Entwicklung von Planeten sowie deren Charakterisierung. Bern Zürich Seit der Beteiligung an der Partnerinstitutionen im NFS ersten Mondlandung 1969 PlanetS sind auch die ETH nimmt die Universität Bern Zürich und die Universität an Weltraummissionen von Zürich. Wissenschaftlerinnen Organisationen wie NASA, und Wissenschaftler aus den ESA, ROSCOSMOS oder JAXA Bereichen Astrophysik, teil. Sie leitet momentan Datenverarbeitung und gemeinsam mit der Universi- Erdwissenschaften leiten tät Genf die CHEOPS-Mission Projekte und leisten wichtige der Europäischen Weltraum- Beiträge zur Forschung im organisation (ESA). Rahmen des NFS PlanetS. Zudem ist die ETH an der Zudem sind die Berner Instrumentierung für diverse Forschenden an der Welt Observatorien und Welt- spitze mit dabei, wenn es raummissionen weltweit etwa um Modelle und Simu- führend beteiligt. lationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht. 2014 wurde der Uni Bern der NFS PlanetS zuge- sprochen, den sie seither gemeinsam mit der Uni Genf leitet. Genf Mit der Entdeckung des ersten Exoplaneten positio- nierte sich die Universität Genf als eine der führenden Institutionen auf dem Gebiet. Das führte beispiels- weise 2003 zum Bau und der Installation des Spektrografen HARPS auf dem 3,6-Meter- Teleskop der ESO in La Silla unter Genfer Leitung. Darauf folgte das ESPRESSO- Instrument auf dem ESO- Teleskop VLT in Paranal. Ebenfalls in Genf befindet sich das «Science Operation Center» der CHEOPS-Mission.
Teleskope und Instrumente Ins All spähen Mithilfe von astronomischen Beobachtungen mit Telesko- pen am Boden und im Welt- raum und mit Instrumenten an Bord von Weltraumson- Am Computer den werden neue Erkennt- nisse zu Planeten in unserem Modellieren und Sonnensystem und darüber hinaus gewonnen. Dank der simulieren Im Labor Auswertung und Kombination verschiedener Daten können Gesteinsproben Fragen beantwortet werden Astronomische Beobach- analysieren über die Grösse, die Dichte, tungen werden theoretisch die Masse und die Beschaffen- interpretiert mit Modellen heit von Planeten. Von und Simulationen am Auch im Labor beschäftigen besonderem Interesse sind Computer. Damit können sich Forschende unter ande- die Atmosphären. Erkenntnisse gewonnen rem mit der Frage, was es werden über die vielfältigen braucht, damit ein bewohn- chemischen und physika- barer Planet entstehen kann. lischen Prozesse, die bei der Mit Analysen von Gesteins- Entstehung und der Entwick- proben von Asteroiden, lung von Planeten ablaufen. Kometen und Meteoriten So beispielsweise zur wollen sie mehr über unser Akkretion, das heisst dem eigenes und andere Sonnen- Wachstum des Kerns eines systeme erfahren und Planeten. Hinweise auf den Ursprung des Lebens auf der Erde finden. Forschungsbereiche Der NFS PlanetS ist in die folgenden Forschungsbereiche gegliedert: Frühe Stadien der Planetenentstehung / Architektur von Planetensystemen, ihre Entstehung und Entwicklung / Atmosphären, Oberflächen und das Innere von Planeten / Bestimmung der Bewohnbarkeit von Planeten.
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Biosignatur Planet Ein Molekül, beispiels- Ein Himmelskörper, der weise in der Atmosphäre nicht selbst leuchtet und eines Exoplaneten, das der einen Stern umkreist. als wissenschaftlicher Er ist gross genug, um Hinweis für die Existenz durch die eigene von Leben in der Gegen- Schwerkraft eine Kugel- wart oder Vergangenheit form zu bilden und hat gewertet wird. alle kleineren Objekte in seiner Nachbarschaft «eingefangen». Sonnensystem Glossar Besteht aus der Sonne und den durch ihre Anziehungskraft sie PLANETENFORSCHUNG umkreisenden Planeten, Kleinkörpern wie Kometen, Asteroiden Woher kommen wir? Wie ist das Universum entstanden? Exoplanet und Meteoroiden sowie Gibt es Leben auf anderen Planeten in unserem Sonnen- Planet, der ausserhalb der Gesamtheit aller unseres Sonnensystems Gas- und Staubteilchen. system oder darüber hinaus? Wie sind die Planeten um einen anderen Stern entstanden, wie haben sie sich entwickelt? als die Sonne kreist. Blickt man nachts in den Sternenhimmel, sind dies Stern Ein leuchtender Fragen, die sich viele Menschen stellen. Antworten darauf Galaxie kosmischer Körper aus zu finden, hat mit dem Drang nach Wissen zu tun und Ansammlung von bis zu heissem Gas, der durch mit der Neugier des Menschen, die Welt, in der er lebt, mehreren 100 Milliarden Kernfusion Energie besser zu verstehen. Einigen mag Weltraumforschung unnütz Sternen und Wolken freisetzt. Die Sonne ist vorkommen, auch in Anbetracht des Zustands unseres aus Gas und Staub. der Stern, der der Erde Geschätzt wird, dass es am nächsten ist und Heimatplaneten. Nein, für uns Menschen gibt es keinen rund 50 Milliarden das Zentrum unseres «Planet B». Galaxien im sichtbaren Sonnensystems bildet. Jedoch lehren uns Erkenntnisse über die Grundvoraus- Universum gibt. setzungen von Leben und über andere Planeten auch Spektrograf viel über die Erde und wie wir sie und ihre Ressourcen, von Gasriese Ein optisches Instrument, denen wir leben, besser schützen können. Kommt hinzu, Auch Gasplanet genannt. das Licht in seine dass sich aus der Grundlagenforschung immer wieder Riesenplanet, der über- verschiedenen Farben ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten und Erkenntnisse wiegend aus leichten (auch Spektrum ergeben, die zum Teil sogar unser Leben verändern Gasen wie Wasserstoff genannt) zerlegt und und Helium besteht. mittels Detektoren können. aufzeichnet. Wir haben mit einem Astrophysiker gesprochen, der einen Habitable Zone Bereich um einen Stern, Spiegelteleskop Schwarm von Teleskopen ins Weltall schicken will, einer in dem es auf einem Ein Teleskop, das ein Bild Geochemikerin, die im Labor Meteoriten analysiert, drei Planeten weder zu heiss dadurch erzeugt, dass jungen Frauen, die auf dem besten Weg sind, Karriere zu noch zu kalt ist, als dass Licht durch einen Hohl- machen im Bereich der Exoplanetenforschung, einem Wasser dauerhaft in flüs- spiegel reflektiert wird. Ingenieur, der soeben ein Labor eingerichtet hat, wo Instru- siger Form vorkommen könnte. Gilt als Voraus- mente für Weltraummissionen entwickelt und getestet Terrestrischer Planet setzung für erdähnliches werden können. Sie alle haben eines gemeinsam: sie sind Erdähnlicher Himmels- Leben. Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS körper, der eine feste Oberfläche aufweist, der PlanetS. Exzellente Forschende arbeiten interdisziplinär durch die eigene Schwer und über verschiedene Institutionen hinweg an Projekten, kraft eine Kugelform hat es werden junge Talente ausgebildet und gefördert – für und vor allem aus Gestein den Arbeitsmarkt oder eine Karriere in der Wissenschaft. besteht (deswegen auch Und nicht zuletzt gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit Gesteinsplanet genannt). der Industrie, es findet ein regelmässiger Technologietransfer statt und es werden Startups gegründet. Einige von Ihnen werden vielleicht staunen: Die Schweiz Milchstrasse ist tatsächlich eine Weltraumnation, und der NFS PlanetS Die Galaxie, in der sich die Erde befindet. Sie hat leistet einen wesentlichen Beitrag dazu. Indem man sich die Form einer flachen in unserem kleinen Land zusammentut und Synergien Scheibe und beherbergt schafft, sind wir wettbewerbsfähig – auf der Welt und im Hunderte Milliarden Weltraum. Sterne und die sie um- Transit kreisenden Exoplaneten. Das Vorbeiziehen Wir wünschen Ihnen eine inspirierende und eines Himmelskörpers lehrreiche Lektüre. vor einem anderen, grösseren Objekt. Brigit Bucher und Timm Eugster UniPress 180/2021 5
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Über 2700 Kinderzeichnungen wurden ausgelost, tausendmal verkleinert und auf zwei Titanplatten eingraviert. Sie fliegen nun mit dem CHEOPS-Satelliten durchs All. PLANETENFORSCHUNG 2 Bildtafel – Made in Switzerland 5 Glossar FORSCHUNG UND RUBRIKEN 8 Willy Benz: «Man muss Geduld haben und hartnäckig bleiben» Interview: Barbara Vonarburg Forschung 11 PlanetS – Meilensteine 38 Berner Forschende an der Corona-Front Von Nathalie Matter 13, 17 Statements 40 Vizerektor Daniel Candinas – «Damit das 14 Köpfe und Karrieren Wissen aus der Pandemie nicht verloren geht» Von Nadine Affram Interview: Nathalie Matter 18 Bildtafel – Weltraumteleskop CHEOPS 42 Der Okmok und der Klimaschock im Alten Rom Von Timm Eugster 20 Das Zukunftslabor Von Nicola von Greyerz Rubriken 21 Quiz: Mars oder Erde? 5 Editorial 22 Bildtafel – Geburt eines Planeten 44 Gespräch 24 Mit Steinen zur Erkenntnis Lukas Bärfuss – Der Wahnsinn der Anderen Von Kaspar Meuli Von Roland Fischer 26 Faszination Exoplanet 48 Begegnung Von Brigit Bucher Linh und Kasimir: «Wir haben nichts gespielt» Von Raoul Wanger 32 Weltraumtechnik im Operationssaal Von Ori Schipper 50 Meinung Corona- und Klimapolitik gleichen sich an 34 Wissenschaft begeistert Von Isabelle Stadelmann-Steffen 51 Bücher 52 Impressum UniPress 180/2021 7
«Man muss Geduld haben und hartnäckig bleiben» Die Entdeckung des ersten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems 1995 hat der Planetenforschung und der Suche nach erdähnlichen Planeten enormen Schub verliehen. Mit dem Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS, der Forschende der Universitäten Bern, Genf und Zürich sowie der ETH Zürich verbindet, ist die Schweiz an der Weltspitze mit dabei. Direktor Willy Benz zum Stand der Dinge und was als Nächstes kommt. Interview: Barbara Vonarburg Sie erhielten den Zuschlag für den NFS «CHaracterizing ExOPlanet Satellite». aber nicht auf dem gleichen. Bern ist PlanetS im Jahr 2014. Klappte es auf Obwohl unser NFS-Vorschlag abgelehnt führend in der Weltraumforschung mit Anhieb, vom Bund Forschungsgelder für wurde, erhielt er genügend Aufmerksam- Satelliten, Genf in den bodengestützten ein astronomisches Programm zu keit, sodass wir in der Folge eine Mach Beobachtungen. Wir sind keine Konkur- erhalten? barkeitsstudie zu CHEOPS durchführen renten, sondern Freunde, die hervorragend Willy Benz: Keineswegs. Nachdem ich konnten, die vom Bund und der RUAG als zusammenarbeiten. 1997 als Professor an die Universität Bern Industrievertretung finanziert wurde. gekommen war, nahmen wir bereits an der 2012 erhielten wir von der europäischen Wie hat sich die Exoplaneten-Forschung Ausschreibung der ersten Generation von Weltraumorganisation ESA den Zuschlag im Laufe der Zeit entwickelt? Nationalen Forschungsschwerpunkten im für das Satellitenprojekt. Zudem hatte die Am Anfang war es wichtig, dass die Jahr 2000 teil, in Absprache mit meinem Universität Bern ein Jahr zuvor das «Center Entdeckung von Mayor und Queloz bestä- ehemaligen Doktorvater Michel Mayor in for Space and Habitability» (CSH) tigt wurde. Inzwischen kennt man über Genf, jedoch ohne Erfolg. Bern erhielt gegründet. Dies zeigte, wie aktuell und 4000 Exoplaneten, und der Trend geht seit damals den Zuschlag für die beiden NFS wichtig unsere Forschung ist. einiger Zeit in Richtung Charakterisierung. Klima und Nord-Süd. Für die Planetenfor- Man möchte wissen, wie diese Planeten schung war es noch zu früh. Erst fünf Jahre Die Universitäten Bern und Genf sind aussehen, also wie gross und schwer sie sind, zuvor hatten Mayor und sein Doktorand Heiminstitutionen des NFS PlanetS, die welches ihre mittlere Dichte ist, ob sie eine Didier Queloz den ersten Exoplaneten bei Universität Zürich und die ETH Zürich Atmosphäre haben, wie diese zusammen- einem sonnenähnlichen Stern aufgespürt, sind Partner. Warum befinden sich gesetzt ist und schlussendlich, ob es Hinweise und diese Entdeckung war damals noch Direktion und Administration an der für Leben gibt. nicht völlig unbestritten. Universität Bern? Als wir uns im Jahr 2000 erstmals für Wie kann man solche Details über Sie versuchten es aber erneut. einen NFS bewarben, sagte Michel Mayor Objekte herausfinden, die Lichtjahre Ja, 2010 probierte ich es zusammen mit zu mir: «Mach du das.» So übernahm ich, von uns entfernt sind? Didier Queloz – auch damals vergeblich. und es blieb dabei. Die Universitäten Genf Die ersten Exoplaneten entdeckten die Erst 2014 klappte es. Man sieht: Man muss und Bern ergänzen sich perfekt. Beide Astronomen, indem sie nachwiesen, dass Geduld haben, hartnäckig bleiben und darf zählen zur Weltspitze auf ihrem Gebiet, sich die Muttersterne periodisch auf uns zu- nie aufgeben. So kommt man ans Ziel. und von uns wegbewegen, weil sich Stern und Planet unter Einwirkung der Gravitation Was gab beim dritten Anlauf den um ihren gemeinsamen Schwerpunkt Ausschlag für Ihren Erfolg? drehen. Diese Technik heisst Radialge- Die Entscheidung, wofür das Geld inves «Auf einem Exoplaneten schwindigkeitsmethode. Daraus lassen sich tiert wird, ist eine wissenschaftspolitische, die Planetenmasse und einige Bahnele- die beim Staatssekretariat für Bildung, regnet es Eisen, weil es mente bestimmen. Forschung und Innovation SBFI liegt. Wir Zieht ein Planet direkt vor seinem Mutter- hatten im Jahr 2010 erstmals CHEOPS ins dort so heiss ist.» stern vorbei, kommt es zu einer Verdunkelung. Spiel gebracht – einen Schweizer Satelliten Diese sogenannte Transitmethode liefert zur Beobachtung von Exoplaneten, den Willy Benz den Planetenradius und ebenfalls einige 8 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
«Schlussendlich möchten wir wissen, ob es Hinweise für Leben gibt auf diesen Planeten», sagt Willy Benz, Direktor des NFS PlanetS, «nur leider können wir nicht hingehen und nachschauen.» Schwerpunkt UniPress 180/2021 9
Bahnelemente. Kennt man Masse und Planeten, neben etwas sehr Hellem, dem Radius, kann man daraus die mittlere Stern, sehen kann. Dies ist das A und O der Dichte bestimmen und abschätzen, ob das künftigen Instrumente für das Riesentele- Objekt ein Metallball, ein Gesteins- oder skop ELT der Europäischen Südsternwarte Gasplanet ist, so wie in unserem Sonnensys ESO. Das ELT hat einen Spiegeldurchmesser tem Merkur, Erde und Jupiter. von 39 Metern und wird zurzeit in Chile gebaut. Der NFS PlanetS hat es geschafft, bei War deshalb der Bau von der Konstruktion von zwei Instrumenten CHEOPS so wichtig? beteiligt zu sein; sie heissen METIS und Ja. Mit CHEOPS wollen wir den Radius HIRES. Vielleicht wird es uns gelingen, noch von Planeten ermitteln, für die wir bereits an einem dritten beteiligt zu sein. Damit die Masse kennen. Das ist uns gelungen. haben wir auch die Schweizer Beteiligung Ende Januar 2021 konnten wir einen beson- an den Beobachtungen und Auswertungen ders schönen Erfolg vermelden. Wir haben gesichert. ein bekanntes Exoplanetensystem verfolgt und herausgefunden, dass dieses nicht drei, Wie kann man herausfinden, sondern sechs Planeten beherbergt. Das ob es auf einem dieser Exoplaneten Merkwürdige: Die Planeten sind sehr unter- Leben gibt? schiedlich. Zudem befinden sich die Bahnen Leider können wir nicht hingehen und von fünf der Planeten in einem harmo- nachschauen. Unsere einzige Möglichkeit nischen Rhythmus; wir sprechen von Reso- ist das klassische Werkzeug der Astronomie nanz. Während beispielsweise der zweit – die Spektroskopie, also die Zerlegung des innerste Planet 18 Umläufe macht, absolviert eingefangenen Lichts in ein Band mit Prof. Dr. Willy Benz ist der dritte neun Umläufe und der äusserste dunklen Linien, die Aufschluss über vorhan- Professor für Physik und drei. dene Elemente und Moleküle geben. Aber Astrophysik an der Univer- noch wissen wir nicht, wie man eine ein- sität Bern und Direktor des Warum ist die Entdeckung von Planeten- deutige Biosignatur erkennt, also wie man Nationalen Forschungs- systemen besonders interessant? in diesem «Fingerabdruck» des Lichts die schwerpunkts PlanetS. Von Alle diese Planeten sind aus der gleichen Spuren von Leben erkennt. Wir müssen also 2018 bis 2020 leitete er den ursprünglichen Staub- und Gasscheibe noch viel lernen, bevor wir anhand ESO-Rat, das Führungsgre- entstanden. Das heisst, wenn wir Modelle bestimmter Linien im Spektrum eindeutig mium der Europäischen zur Planetenentstehung entwickeln, sagen können: Da sitzt jemand und raucht Südsternwarte. Mitte 2022 müssen diese erklären können, wie es zu eine Zigarre. wird er in den Ruhestand solch unterschiedlichen Zusammenset- treten. In seiner Forschung zungen kommen konnte und warum die Für die erste Phase des NFS PlanetS beschäftigte er sich seit den Positionen in Resonanz sind. Diese Dinge von 2014 bis 2017 stellte der 1980er-Jahren mit Planeten sind hochinteressant. Schweizerische Nationalfonds 17,6 Milli- innerhalb und ausserhalb onen Franken zur Verfügung, für die des Sonnensystems. Wie kann man neben der Dichte zweite Phase von 2018 bis 2021 sind es noch mehr über einen Exoplaneten fast 19 Millionen Franken. Wie wurde herausfinden? das Geld verteilt? Wir untersuchen die Atmosphäre der Am Anfang diskutierten wir in einer Planeten und konnten hier ebenfalls schon Gruppe, wie man den Kuchen am besten schöne Erfolge vermelden. So fanden verteilen soll, sodass nicht Einzelne, sondern Forschende des NFS PlanetS heraus, dass es die Wissenschaft als Ganzes optimal auf einem Exoplaneten Eisen regnet, weil profitiert. In der ersten Phase unterstützten es dort so heiss ist – eine faszinierende wir grössere Projekte an den verschiedenen Vorstellung, auch wenn man eigentlich Institutionen. In der zweiten Phase zerstü- Wasserregen finden möchte, also einen ckelten wir die grossen Projekte in kleinere, Exoplaneten, welcher der Erde gleicht. Aber dies ist ein erster Schritt, auf den noch viele weitere folgen müssen. «Wir müssen noch viel Was ist die Schwierigkeit bei lernen, bevor wir diesen Beobachtungen? Das Problem besteht darin, dass der sagen können: Da sitzt Lichtunterschied zwischen Stern und Planet so gross ist und der Planet von uns aus jemand und raucht eine gesehen sehr nahe beim Stern steht. Man muss ein Instrument mit einer grossen Zigarre.» Kontrastmöglichkeit und hoher Auflösung haben, damit man etwas Dunkles, den Willy Benz 10 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
2014 2016 2018 2019 2021 Meilensteine Start des NFS PlanetS Bundesrat zu Besuch Nobelpreis Nachwuchs Der Nationale Zum Auftakt seiner Für ihre Entdeckung übernimmt Forschungsschwer- alljährlichen Schulreise eines Exoplaneten, der Jungforschende punkt (NFS) PlanetS besuchte der Gesamt- einen sonnenähn- glänzen beim Gewinn wurde im Juni 2014 bundesrat im Juli 2016 lichen Stern umkreist, von hochkompetitiven vom Schweizerischen die Weltraumforschen- wurden Michel Mayor Projekten. Die über- Nationalfonds lanciert. den an der Universität und Didier Queloz wältigende Mehrheit Ziel ist die Erforschung Bern und informierte Zweite Phase von PlanetS 2019 mit dem der Forschungsprojekte von Ursprung und sich über die laufenden Nach der erfolgreichen ersten Vierjahresperiode Physiknobelpreis innerhalb von PlanetS Entwicklung von Weltraumprojekte, erhielt PlanetS vom Schweizerischen National- geehrt. Zur Verleihung wird jetzt von jungen Planeten sowie deren darunter die Mars fonds die Fördermittel für weitere vier Jahre. Die am 10. Dezember 2019 Wissenschaftlern und Charakterisierung kamera CaSSIS und den zweite Phase begann am 1. Juni 2018. in Stockholm waren Wissenschaftlerinnen mithilfe von astrono- Zusammenbau des auch die NFS-Wissen- geleitet, wobei über mischen Beobach- CHEOPS-Satelliten in schaftler Stéphane 30 Prozent von ihnen tungen, Raumfahrtmis- einem eigens dafür Udry, Francesco Pepe durch hart umkämpfte sionen, Arbeiten im gebauten Reinraum. und Willy Benz einge- externe Zuschüsse 2019 Labor und theoretischen laden. finanziert werden. Modellierungen. 2017 2020 2015 Nachwuchstreffen Im September 2017 trafen sich die Dokto- rierenden und Postdocs des NFS erstmals zu einer selbst organisier- Einzigartiges ten, dreitägigen Konfe- Planetensystem renz. Die Treffen PlanetS-Forschende namens JURA (Junior entdeckten im Januar Researchers’ Assembly) METIS besteht 2020 ein System aus sind ein Instrument der Designtest sechs Exoplaneten mit Erste General Nachwuchsförderung, Start von CHEOPS Der Spektrograf METIS sehr unterschiedlicher versammlung die zu den Aufgaben Am 18. Dezember 2019 startete der CHEOPS- ist eines der Instru- Zusammensetzung. Ende Januar 2015 des NFS zählt. Satellit von Kourou, Französisch-Guyana, aus zu mente für das ESO- Fünf der Planeten trafen sich über 100 seiner Umlaufbahn um die Erde. CHEOPS ist eine Riesenteleskop ELT, das umkreisen ihren Stern NFS-Mitglieder aus gemeinsame Mission der Europäischen Welt- 2025 in Betrieb gehen in einem ungewöhn- Bern, Genf und Zürich raumorganisation (ESA) und der Schweiz unter der soll. METIS wird von lichen Rhythmus. Die erstmals zur General- Erstes Licht für Leitung der Universität Bern in Zusammenarbeit einem Konsortium Entdeckung gelang versammlung in ESPRESSO mit der Universität Genf. Der NFS PlanetS organi- gebaut, zu dem die aufgrund von Daten Anzère, Kanton Wallis, Im Dezember 2017 siert und finanziert einen Grossteil der wissen- ETH Zürich in Zusam- des CHEOPS-Satelliten um ihre Projekte und machte am Riesentele- schaftlichen Nutzung von CHEOPS. menarbeit mit PlanetS sowie des ESPRESSO- Ziele vorzustellen und skop VLT der Europä- gehört. Im Sommer Spektrografen und sich gegenseitig ischen Südsternwarte 2020 hat das Instrument weiterer Instrumente. kennenzulernen. ESO in Chile ein Instru- seine vorläufige Design- ment seine ersten prüfung bestanden. Beobachtungen, das unter der Leitung des Observatoriums der Universität Genf gebaut wurde: das hochauflösende Spek- trometer namens ESPRESSO. UniPress 180/2021 11
die von jüngeren Wissenschaftlern und gestellt haben, aber natürlich reicht es nicht Wissenschaftlerinnen getragen werden. für alle. In gewissem Masse ist es auch Und wir lancierten neue Forschungsinitia- gut so, die Universität darf kein schwarzes tiven, die verschiedene Institutionen Loch für kluge Menschen sein, das wäre gemeinsam realisieren. eine Katastrophe für die Gesellschaft. Aber Als Direktor von PlanetS habe ich immer heute erhält kaum jemand eine Astro- versucht, die Zusammenarbeit zwischen nomie-Professur vor dem 35. Altersjahr. Forschenden zu fördern, um Synergien zu Das erschwert vor allem für Frauen eine ermöglichen. Das ist gut gelungen, heute entsprechende Karriere. arbeiten fast alle in Teams, die keine Instituts- grenze mehr kennen. Wie steht es generell um die Frauenförderung? Netzwerke für Spitzenforschung Ist die schweizweite Zusammen- Im NFS PlanetS haben wir versucht, Mit seinen Nationalen Forschungs- arbeit der Forschenden das Erfolgs Frauen zu fördern und auch einiges schwerpunkten (NFS) fördert der rezept des NFS? erreicht. Leider gibt es aber immer noch zu Schweizerische Nationalfonds (SNF) Ja, solche Kooperationen zwischen Genf, wenige, die man fördern kann. Schon in die Forschung zu Themen von strate- Bern und Zürich gab es vorher nicht. Als der Mittelschule und später an der Uni gibt gischer Bedeutung für die Zukunft ich Doktorand war, haben sich die verschie- es viel weniger Frauen als Männer, die der schweizerischen Wissenschaft, denen Institutionen voneinander distanziert. sich für Physik interessieren. Deshalb haben Wirtschaft und Gesellschaft. Ein NFS Jeder hatte sein «Gärtli» und man half sich wir mit verschiedenen Aktivitäten im muss neben der Heiminstitution über gegenseitig nicht viel. Das ist jetzt komplett Rahmen des NFS versucht, Kinder und ein Netzwerk von Teams aus der anders. Bei uns gibt es echte Zusammenar- Jugendliche – insbesondere Mädchen und ganzen Schweiz verfügen. beit. Wir haben die Schweizer Astronomie junge Frauen – zu erreichen und für die im Gebiet Planetenphysik zusammenge- Astronomie zu begeistern. Dabei soll nicht nur international bracht und setzen auch gemeinsam Priori- sichtbare Spitzenforschung betrieben täten, wenn es um den Bau von grösseren Was ist für die dritte Phase des NFS werden, sondern auch besonderes Instrumenten geht. von 2022 bis 2025 geplant? Gewicht auf Wissens- und Technolo- Eine der Hauptprioritäten ist die Beteili- gietransfer sowie Ausbildung und Wie nützlich war es, dass die gung an der Entwicklung eines weiteren Gleichstellung gelegt werden. Die Planetenforscher Michel Mayor und Instruments für das ELT – «Planetary Fördermittel des SNF sind jeweils für Didier Queloz 2019 mit dem Camera and Spectrograph», kurz PCS. eine vierjährige Betriebsphase Nobelpreis ausgezeichnet wurden? Damit soll es möglich werden, Bilder von bestimmt. Die NFS-Laufzeit beträgt Es war fantastisch. Der Nobelpreis machte erdähnlichen Exoplaneten zu machen. maximal zwölf Jahre. Seit 2001 unsere Forschung bei einem breiten Publikum Direkte Aufnahmen von Exoplaneten gibt wurden insgesamt 36 NFS errichtet. bekannt. Lange Zeit kannte ich keinen es zwar bereits, doch dabei handelt es Nobelpreisträger, nun sind sie überall: Brian sich um junge, heisse Riesenplaneten, die Schmidt, Nobelpreisträger 2011, war mein ihren Stern in grosser Entfernung Student, und ich konnte ihn für den PlanetS- umkreisen. Beirat gewinnen. Zu diesem zählt auch Michel Mayor. Und Didier Queloz ist Vorsit- Sie werden die Leitung des zender des CHEOPS-Wissenschaftsteams. NFS PlanetS am Ende der zweiten Phase abgeben. Wer übernimmt Wie sieht es bei der Förderung der die letzte Phase? jungen Forschenden aus? Ab 1. Juni 2022 wird Professor Nicolas Bei der Nachwuchsförderung wird in der Thomas Direktor des NFS PlanetS sein. Schweiz nicht genug getan. Mit den uns Er ist seit 2003 Professor an der Universität zur Verfügung stehenden Mitteln können Bern und hat 2015 bereits meine Nach- wir zwar Doktorierende und Postdocs folge als Leiter des Physikalischen Instituts finanzieren, aber keine permanenten angetreten. Nicolas Thomas ist ein hervor- Stellen. Die Universitäten Bern und Genf ragender Wissenschaftler. Er hat viel haben uns stark geholfen, indem sie uns Erfahrung in der Weltraumforschung und einige permanente Stellen zur Verfügung arbeitet als Spezialist für Fernerkundungs- instrumente häufig mit den Weltraumor- ganisationen ESA und NASA zusammen. Er hat auch am Anfang bei CHEOPS «Wir sind keine mitgeholfen, und dank ihm konnte an der Universität Bern die Marskamera CaSSIS Konkurrenten, sondern gebaut werden, die spektakuläre, farbige 3-D-Bilder der Planetenoberfläche liefert, Freunde.» aber auch das Laseraltimeter BELA, das mit der ESA-Sonde BepiColombo auf dem Weg Willy Benz zum Merkur ist. Und jetzt ist er an der 12 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
«Weltraumforschung hat eine über Planung von Missionen zum Jupiter und 50-jährige Tradition dessen Monden sowie zu einem weiteren an der Universität Statements Kometen beteiligt. Bern. Sie bildet einen integralen Bestand- Wie wird es nach dem Ende des NFS teil des universitären PlanetS im Jahr 2026 weitergehen? strategischen Wir planen ein Schweizer Institut für «Der Erfolg des NFS Themenschwer- Planetenforschung mit dem Namen «Swiss PlanetS ist wirklich punkts «Materie und Institute of Planetary Sciences», kurz SIPS. erstaunlich. Vor Universum» und Wir haben aber nicht vor, ein Gebäude zu sechs Jahren hätte wird zusätzlich durch erstellen. SIPS wird wie PlanetS ein Zusam- ich mir nie träumen das Center for Space menschluss der Schweizer Institutionen lassen, dass es eine and Habitability sein, die auf diesem Gebiet forschen. Das so fantastische (CSH) unterstützt. Institut soll aber eine rechtliche Identität Synergie zwischen haben, beispielsweise als Stiftung. den verschiedenen, Der Nationale in der Schweiz Wer wird SIPS finanzieren? Forschungsschwer- arbeitenden Wir hoffen, dass sich die Hochschulen punkt PlanetS ist Forschungsgruppen wesentlich an SIPS beteiligen werden, wie eine Auszeichnung gibt.» sie dies bei PlanetS getan haben. Zudem unserer langjährigen werden bereits jetzt über 30 Prozent unserer Michel Mayor Forschung in diesem Projekte durch Drittmittel finanziert. Wir Nobelpreisträger Bereich.» haben hochwertige und sehr umkämpfte und Mitglied des Beirats des NFS PlanetS Christian Leumann Fördermittel erhalten: ERC Grants des Euro- Rektor der päischen Forschungsrats sowie Eccellenza- Universität Bern Professuren des Nationalfonds. Und dann haben wir noch unsere beiden Nobelpreis- träger Michel Mayor und Didier Queloz. Sie haben zugesagt, dass sie uns helfen werden, «Forschungs Geldgeber für SIPS zu finden. schwerpunkte des Bundes sind wich- Warum ist es wichtig, dass SIPS tige Bekenntnisse zustande kommt? der öffentlichen Das Gebiet der Planetenforschung ist so Hand, auch damit dynamisch und kompetitiv, dass es für eine Wissenschaft und einzelne Universität immer schwieriger Wirtschaft noch wird, federführend zu bleiben. Die Projekte besser zusammen- sind einfach zu kompliziert, zu teuer, zu finden können. «PlanetS behandelt gross, zu umkämpft. Die einzige Chance für die interessantesten die Schweiz, weiterhin an der Spitze dabei Im Kanton Bern gibt Fragen im Bereich zu sein, ist diese Bündelung der unter- der Exoplaneten mit es eine Reihe von schiedlichen Kompetenzen an den verschie- technologieorien- innovativer, denen Hochschulen und eine höchst effizi- tierten hochspeziali- multidisziplinärer ente Nutzung der Ressourcen. sierten Zulieferbe- Forschung. Es freut SIPS soll zudem den jüngeren Forschenden den Zugang zu einer international angese- trieben, die zielgenau mich besonders, henen Organisation mit entsprechenden den industriellen dass das Programm Profilierungs- und Netzwerkmöglichkeiten Anwendungen der brillante junge gewährleisten. Man ist besser, wenn man in Weltraumforschung Forschende anzieht, einer Topgruppe arbeiten kann. Mit SIPS dienen. PlanetS vor allem auch möchten wir die Erfolgsgeschichte des NFS passt damit hervor- Frauen, und dass die PlanetS weiterführen. ragend in unsere Zahl der Professo- Wissenschafts- und rinnen zunimmt.» Unternehmens Ewine van Dishoeck landschaft.» Präsidentin der Weitere Informationen Internationalen Astrono- und Bestellung Newsletter: Christoph Ammann mischen Union Regierungsrat und www.nccr-planets.ch Wirtschaftsdirektor des Kantons Bern Kontakt Prof. Dr. Willy Benz, Physikalisches Institut, willy.benz@space.unibe.ch UniPress 180/2021 13
Köpfe und Karrieren Nachwuchsforschenden bietet der NFS PlanetS vielfältige Möglichkeiten zur Profilierung und Vernetzung in einem dynamischen Forschungs gebiet – gerade auch jungen Frauen. Interviews: Nadine Affram 14 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
«Kein wie auch meine gesellschaftliche Rolle Simon Müller als (Nachwuchs-)Wissenschaftlerin. Institut für computergestützte Nachteil, Wissenschaften, Universität Zürich Wie ist die Situation bezüglich Geboren 1986 in der Schweiz Gleichstellung und «Diversity» in eine Frau Ihrem Bereich? Wenn ich mich in meinem Büro Worum geht es in Ihrer zu sein …» umschaue, sind alle Doktorierenden Frauen. Schaue ich aber auf die Doktorarbeit? Mein Hauptforschungsinteresse gilt Postdocs, dann sehe ich dort nur der theoretischen Untersuchung, wie Männer. Wir kommen aus mindestens sich das Innere von Riesenplaneten sieben Ländern und sprechen fünf vom Moment ihrer Geburt bis heute verschiedene Sprachen. Ich denke, entwickelt. Riesenplaneten sind nicht dies ist ein typisches Bild in diesem statisch. Da sie hauptsächlich aus Forschungsgebiet: Einerseits sind wir Wasserstoff und Heliumgas bestehen, sehr international aufgestellt – was kühlen sie ab und ziehen sich mit die Diversität der Geschlechter anbe- zunehmendem Alter zusammen, langt, fällt aber schon sehr auf, wie und ihre innere Struktur ändert sich. stark der Frauenanteil sinkt, je höher Um zu verstehen, wie das genau man in der wissenschaftlichen passiert, verwende ich numerische Karriere steigt. Modelle, mit denen ich ihre Entwick- lung über Milliarden von Jahren Haben Sie Ideen für verfolgen kann. Verbesserungen? Ich schätze die Anstrengungen, die Was fasziniert Sie an in unserem Bereich und in der Ihrer Forschung? Wissenschaft allgemein unter- Wir leben in einem aufregenden Zeit- nommen werden, um die Gleichstel- alter, um Riesenplaneten zu studieren: Andrea Guzmán Mesa lung und die Vielfalt zu fördern, aber Wir entdecken eine beispiellose Doktorandin am Physikalischen Menschen mit unterschiedlichem Anzahl von Riesen-Exoplaneten und Institut, Universität Bern Hintergrund anzustellen, wird allein stellen fest, dass sie sehr unter- Geboren 1993 in Kolumbien das Problem nicht lösen: Es braucht schiedlich sind. Gleichzeitig versu- auch Räume, in denen sie gedeihen, chen wir immer noch, die Messungen sich austauschen und sich aktiv der Gravitationsfelder von Jupiter Worum geht es in Ihrer in unseren Institutionen einbringen und Saturn zu verstehen. Die Mission Doktorarbeit? können. «Juno» zum Jupiter hat unser Ich untersuche simulierte Atmo- Verständnis der Art und Weise, wie sphärendaten von neptunähnlichen das Jupiterinnere aussieht, grund Planeten, die von einer digitalen legend verändert. Die Messungen Nachbildung des zukünftigen James zeigen, dass Jupiter keinen kleinen, Webb Space Telescope stammen. Das Ziel ist, den Informationsgehalt «Ein kompakten Kern hat, sondern einen, der eher unscharfe Grenzen hat verschiedener Instrumentenmodi zu untersuchen. aufregendes und sich weiter in die Gashülle hinein erstreckt. Dafür wende ich eine interessante und neuartige Maschinenlerntechnik Zeitalter …» Warum ist das wichtig? an. Im zweiten Teil meiner Arbeit Dies hat grosse Auswirkungen auf untersuche ich die chemische Vielfalt unser Verständnis, wie sich nicht nur der Atmosphären und des Inneren Jupiter, sondern auch Riesenplaneten dieser Sub-Neptun-Planeten. im Allgemeinen gebildet haben. Da man annimmt, dass Gasriesen Welche Ratschläge würden Sie Indikatoren von protoplanetaren Ihrem jüngeren Ich geben, Scheiben – dem Geburtsort von um dorthin zu gelangen, wo Planeten – sind, ermöglicht uns das Sie heute sind? Verständnis der Entstehung und Dass es kein Nachteil ist, eine Frau zu Entwicklung von Riesenplaneten ein sein mit einem anderen kulturellen besseres Verständnis der Geschichte Hintergrund als viele hier. Ich verstehe unseres Sonnensystems. dies als Stärken in allen Lebensbe- reichen, insbesondere in der Wissen- Sie sind Teil des NFS PlanetS –was schaft. Sie haben mich dazu gebracht, sind die Vorteile der Arbeit Wissenschaft und Forschung aus einer in einem grossen Projekt? anderen Perspektive zu betrachten – PlanetS bringt eine grosse Vielfalt von Menschen und Forschungsinte- Schwerpunkt UniPress 180/2021 15
«Bleib einfach oder atmosphärische Dynamik im weiteren Sinne – können wir Exopla- neten nicht wirklich verstehen. dran …» Sie sind Teil des NFS PlanetS – was sind die Vorteile der Arbeit in Julia Seidel einem grossen Projekt? Département d’Astronomie, Viele Kooperationen sind auf PlanetS Université de Genève zurückzuführen, und es überrascht Geboren 1992 in Deutschland mich immer wieder, wie lebendig das Feld der Exoplanetenforschung Worum geht es in Ihrer in der Schweiz ist, etwa mit Vortrags- Doktorarbeit? reihen und Workshops. Neben der Ich untersuche die atmosphärische Wissenschaft geht es auch um Dynamik von Exoplaneten. Dazu Vernetzung, was ich als Doktorandin analysiere ich zunächst Transitdaten besonders hilfreich finde. dieser Planeten, um nach aufgelösten Spektrallinien in hoher Auflösung zu Welche Ratschläge würden Sie suchen. Unter einem Transit versteht Ihrem jüngeren Ich geben, man den Durchgang eines Himmels- um dorthin zu gelangen, wo körpers vor der Scheibe eines grös- Sie jetzt sind? seren Objekts. In einem nächsten Ausdauer ist wichtiger, als die Dinge Schritt modelliere ich die Spektrallini- beim ersten Versuch richtig zu enformen unter der Annahme, dass machen: Bleib einfach dran, egal wie sie durch Doppler-Verschiebungen, frustrierend es ist. Und ein grosses die von Winden herrühren, verzerrt Dankeschön an mein jüngeres Ich, wurden. Mir gefällt an dieser Arbeit dass ich immer ein Laborjournal besonders, dass sie an der Schnitt- geführt habe. Jetzt, am Ende meiner stelle zwischen Beobachtung und Doktorarbeit, wäre ich ohne meine Theorie angesiedelt ist, sodass sie alten Notizen verloren. Einschränkungen für anspruchsvollere Modelle liefern kann und wirklich einen Rahmen für das Verständnis von Fortsetzung von Seite 15 Winden bietet. Denn ohne Winde – ressen zusammen. Es ist grossartig, als Theoretiker mit Beobachterinnen und Beobachtern sprechen zu können und zu erfahren, welche «… eine Informationen sie von unseren Modellen brauchen, um ihre Missi- grossartige onen zu planen. Dies stärkt nicht nur die Wissenschaft, die wir Erfahrung» betreiben, sondern es macht auch viel Spass, neue Dinge zu lernen. Miriam Rüfenacht Institut für Geochemie und Warum wollten Sie Wissen- Petrologie, ETH Zürich schaftler in Ihrem Forschungs Geboren 1991 in der Schweiz gebiet werden? Ich war ein ziemlicher Spätzünder, es dauerte etwas, bis ich wusste, Worum geht es in Ihrer dass ich in die Wissenschaft gehen Doktorarbeit? will. Inspiriert haben mich die vielen Ich bin Doktorierende auf dem Gebiet populärwissenschaftlichen Bücher, der Kosmochemie und arbeite mit die ich mit Anfang 20 verschlungen Meteoritenproben. Das Ziel meines habe. Insbesondere jene von Carl Projekts ist es, Titan aus Meteoriten- Sagan haben mich nachhaltig beein- gestein und/oder aus einzelnen druckt. Deshalb wollte ich auch Komponenten dieser Gesteine zu zu Planeten forschen: Wir leben auf isolieren und die sogenannten einem und sie sind im Universum nukleosynthetischen Isotopenzusam- allgegenwärtig. Dennoch verstehen mensetzungen des Titans zu messen. wir so wenig, wie sie entstanden Damit untersuche ich genetische sind und wie sie sich entwickeln. Beziehungen zwischen planetaren 16 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
«Der NFS PlanetS ist Materialien und erhalte Informati- ein einzigartiges onen über Prozesse, die in der proto- Abenteuer, welches planetaren Scheibe – eine Scheibe Forschung, Bildung Statements aus Gas und Staub, die einen jungen und Innovation Stern umgibt – stattgefunden haben. verbindet. So sind wir von der Universi- Was machen Sie an einem tät Genf stolz darauf, normalen Arbeitstag? «Die Nationalen «Die Planetenfor- die Leitung dieses Es gibt Tage, da arbeite ich den Forschungsschwer- schung in der NFS mit unseren ganzen Tag im Labor, oft aber ist es punkte (NFS) sind als Schweiz und an der Kollegen der Univer- eine Kombination aus Laborarbeit etabliertes Instru- Universität Bern ist sität Bern zu teilen.» und Arbeit am Computer. Hier verar- ment des Bundes zur in vielen Gebieten beite und analysiere ich Messdaten Förderung der Yves Flückiger weltweit führend. aus dem Labor mit dem Ziel, diese in Schweizer Spitzen- Rektor der Universität Genf einem Bericht im wissenschaftlichen forschung insgesamt Ob das die Analyse Kontext zu präsentieren und zu eine Erfolgsge- der Bausteine diskutieren. schichte mit interna- des Sonnensystems tionaler Ausstrah- betrifft oder die Wie ist die Situation der lung. Der NFS heutigen und künfti- Gleichstellung in Ihrem Bereich? PlanetS schreibt gen Beobachtungen In unserer Kosmochemie-Gruppe an dazu ein wichtiges von Mars und der ETH ist die Gleichberechtigung Kapitel: Er trägt Merkur aus einer der Geschlechter schon weit fortge- wesentlich zu einem Umlaufbahn oder schritten. Aus meiner Perspektive – ich bin Mutter eines 2-jährigen besseren Verständnis auch die Erforschung Kindes – hatte ich grossartige Erfah- des Ursprungs, der von Exoplaneten rungen gemacht, als ich mein Kind Entwicklung und der ausserhalb des während meines Doktoratsstudiums Eigenschaften von Sonnensystems, bekam. Meine Professorin gab mir Planeten bei.» spielt die Schweiz in die Zeit, die ich brauchte, um mich Beobachtungen, neu zu organisieren. Sie ermöglichte Martina Hirayama «CHEOPS ist eine Theorie und Modell- Staatssekrektärin es mir, mein Arbeitspensum so zu ganz besondere entwicklung ganz für Bildung, Forschung reduzieren, dass ich mein Familien- und Innovation Mission zur Beobach- vorne mit.» und Berufsleben ideal kombinieren tung und Charakteri- kann. Ich weiss aber, dass es viel sierung von Exopla- Thomas Zurbuchen Wissenschaftsdirektor schwieriger sein kann, wenn es über neten. Sie zeigt der NASA und Alumnus das Doktoratsstudium hinausgeht. einmal mehr, wie der Universität Bern wenig wir über unser Haben Sie Ideen für «Das PlanetS-Team Universum wissen Verbesserungen? zeigt eine beeindru- und wie inspirierend Meiner Meinung nach ist es die ckende Tiefe und die Wissenschaft ist, klassische Struktur einer wissenschaft- Breite und hat die die auf Neugier lichen Karriere, die die Kombination Schweiz bei der basiert und weit über von Familie und Beruf schwierig Suche nach neuen den finanziellen macht. Die befristeten und oft kurzen Welten rund um ‹Return on Invest- Verträge erfordern ein hohes Mass andere Sterne in ment› hinausgeht. an Flexibilität von Seiten der Familie. vielen entschei- Die Kurzfristigkeit der Verträge denden Bereichen erschwert auch eine Teilzeitbeschäf- Neugierde ist der an die vorderste tigung, was wiederum die Verein stärkste Antrieb der Forschungsfront barkeit von Beruf und Familie heraus- Menschheit und katapultiert.» fordernd macht. Aus meiner Sicht bahnt den Weg in sind dies wichtige Punkte, die es zu Lisa Kaltenegger die Zukunft.» berücksichtigen gilt, um For- Direktorin des Carl Sagan Institute der Jan Wörner schenden, Eltern und insbesondere Cornell University, USA Ehemaliger Generaldirektor Frauen und Müttern die Möglichkeit der Europäischen zu geben, während der Kinder Weltraumorganisation ESA erziehungszeit mit einem Bein in der Wissenschaft zu bleiben. So können sie ihre Arbeit engagiert fort- setzen und schliesslich wieder mit voller Kraft in ihren Beruf zurückzu- kehren. Schwerpunkt UniPress 180/2021 17
W E LT R A U M T E L E S K O P CHEOPS CHEOPS ist eine gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumorganisa- tion (ESA) und der Schweiz, unter der Leitung der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Universität Genf. CHEOPS steht für CHaracterising ExOPlanet Satellite. Das Weltraumteleskop misst Helligkeitsveränderungen eines Sterns, wenn ein Exoplanet vor diesem Stern vorbeizieht. Daraus lässt sich die Grösse des Planeten ableiten und mit bereits vorhan- denen Daten die Dichte bestimmen. So erhält man wichtige Informationen über diese Planeten – zum Beispiel, ob sie überwiegend felsig sind, aus Gasen bestehen oder ob sich auf ihnen tiefe Ozeane befinden. Dies wiederum ist ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen, ob auf einem Planeten lebensfreund- liche Bedingungen herrschen. Zuschlag der ESA 2012 erhält das Schweizer Weltraumprojekt CHEOPS den Zuschlag der ESA. Anfang April 2014 unterzeichnen Daniel Neuensch- wander, damaliger Abteilungsleiter Raumfahrt beim Bund, und Willy Benz dessen Ernennung zum «Principal Investigator». Somit ist Benz verantwortlich für die Ausführung, das Management und die wissenschaftliche Auswertung 2012 der Mission. Bau des CHEOPS-Labors An der Universität Bern wird ein neues Labor gebaut mit einer schweizweit einmaligen Kalibrations- und Vakuumkammer: Darin wird das CHEOPS-Weltraumteleskop unter 2015 Weltraumbedingungen zusammengebaut, geprüft und geeicht. Bundesrat zu Besuch Im August 2018 kommt der komplett zusammengebaute Satellit in die Schweiz, um bei der RUAG Space in Zürich einen Rütteltest zu bestehen. Willy Benz erklärt Bundesrat Johann Schneider-Ammann 2016 die Details des Satelliten. Die Titanplatten mit den Kinderzeichnungen werden vom Bundesrat feierlich enthüllt. 2018 Zeichnungen im Weltall Im Rahmen einer Zeichnungsaktion reichen 2016 Tausende von Kindern eine Zeichnung zum Thema Universum ein. Daraus werden 2748 Zeichnungen ausgelost, tausendmal verkleinert und an der Berner Fachhochschule in Burgdorf auf zwei Titanplatten eingraviert, die schliesslich auf CHEOPS montiert werden. 18 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
Achtung Schrott Weltraumschrott bedroht zunehmend Raketen, die internationale Raumstation und Satelliten. Anfang Oktober 2020 musste auch das Weltraumteleskop CHEOPS wegen eines Trümmerteils ein Ausweichmanöver durchführen. Kollidiert ein Teil von nur 1 cm Durchmes- ser mit einem anderen Objekt, so wird die Energie einer explodierenden Hand granate freigesetzt. Erfolgreicher Raketenstart CHEOPS tritt am Mittwoch, 18. Dezember 2019, an Bord einer Sojus-Fregat-Rakete vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch-Guyana, seine Reise ins Weltall an. Seither umkreist CHEOPS die Erde inner- halb von ungefähr anderthalb Stunden in einer Höhe von 700 Kilometern entlang der Tag-Nacht-Grenze. 2019 2021 Einzigartiges Planetensystem gefunden CHEOPS entdeckt sechs Planeten, die den Stern TOI-178 umkreisen. Fünf der Planeten befinden sich trotz sehr unterschiedlicher Zusammensetzungen in einem harmonischen Rhythmus – ein Novum. Die Meldung stösst im Januar 2021 auf ein breites interna- tionales Medienecho. Schwerpunkt UniPress 180/2021 19
Claudio Zimmermann (links) und Nicolas Thomas testen die Optik «Cleopatra» besteht aus einer Vakuum- einer Kamera im neuen Labor am ExWi. kammer, in der die Kameras unter Weltraum bedingungen getestet werden können. Das Zukunftslabor Das neue «Detector Lab» der Universität Bern wird Forschenden ideale Voraussetzungen bieten, Weltraum- instrumente selbst zu entwickeln und zu testen: ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für die Schweizer Beteiligung an zukünftigen Missionen. Von Nicola von Greyerz Das Bauen von Weltraumexperimenten hat CaSSIS-Instruments. Wenn ein neues richtige Person gefunden. Er ist jemand, in Bern bekanntlich eine lange Tradition. Instrument entworfen wird, muss man der bis ins letzte Detail ganz genau wissen Stand in den vergangenen Jahrzehnten vor immer auch an Testgeräte für das Instru- will, wie etwas funktioniert.» allem die Massenspektrometrie im Zentrum, ment denken. Die Wissenschaft definiert, werden heute immer häufiger optische was mit einem Instrument gemessen «Cleopatra», die versierte Beobachtungsinstrumente gebaut. Das wohl werden soll, und übergibt diese Vorgaben Zehnkämpferin bekannteste Beispiel dafür ist die Kamera dem technischen Personal, das dafür die «Als ich im Sommer 2018 den Auftrag CaSSIS, die seit vielen Monaten atemberau- nötigen Gerätschaften entwickelt. Auf der erhielt, eine Testvorrichtung für optische bende Bilder der Marsoberfläche zur Basis dieser Einrichtungen können die Geräte zu entwickeln, stellte ich mir ein Erde schickt. Dieses Ziel zu erreichen hat den Instrumente entworfen, gebaut und getestet mobiles Gerät vor, um in den verschiedenen Berner Forschenden jedoch einiges abver- werden. «Mit dem Detector Lab planen wir Labors Kameras zu testen», erzählt Claudio langt: Immer wieder mussten Änderungen nun eine projektunabhängige Infra- Zimmermann, Elektroingenieur am Physika- am Design des Instruments vorgenommen struktur», sagt Thomas. «Und in Claudio lischen Institut und Projektleiter des werden. Dies, weil man bei der Entwicklung Zimmermann haben wir dafür genau die Detector Labs. Das führte ihn zum Namen der Detektoren und Kameraelektronik von «Cleopatra», der für «Clean-Optical-Trolly- externen Partnern und Laboreinrichtungen and-TV-Chamber» stand. Im Laufe der abhängig war. «Damit wir weiterhin wett- Entwicklung wurden die gewünschten bewerbsfähig bleiben, muss technisches Weltraumforschung Anforderungen jedoch immer komplexer Know-how längerfristig inhouse angesiedelt und damit auch die Testvorrichtung immer werden», meint Nicolas Thomas, geschäfts- kann nur im Verbund grösser, sodass es eine fixe Installation führender Direktor der Physikalischen brauchte. In einer entlegenen Ecke des Instituts und Principal Investigator des erfolgreich sein. Gebäudes für Exakte Wissenschaften (ExWi) 20 UniPress 180/2021 Schwerpunkt
der Universität Bern fand Zimmermann einen Raum, in dem er «Cleopatra» nun einen fixen Platz geben kann. Mit «Cleo- Mars oder Erde? patra» werden in Zukunft nicht nur Kameras Erkennen Sie, ob ein Bild die Oberfläche des gebaut und getestet, die Bilder im sicht- Mars oder der Erde zeigt? Ein Quiz, bei dem auch Welt- baren Bereich des Lichtes erstellen, sondern raumforschende ins Grübeln kommen! auch solche, die Aufnahmen im Infrarot- bereich erzeugen. Gerade dieser Bereich wird in der Weltraumforschung immer wichtiger. Antoine Pommerol arbeitet zum Beispiel mit sogenannter Spectro-Polarime- trie, die Instrumente voraussetzt, die Quiz sowohl sichtbares Licht wie auch solches im nahen Infrarotbereich erkennen können. Er interessiert sich dafür, wie lebende Orga- nismen – sogenannte Biomarker – auf planetaren Oberflächen erkannt und 1 2 charakterisiert werden können. Die hochauflösende Kamera CoCa, die im Rahmen der ESA-Mission «Comet Interceptor» 2029 in den Weltraum starten soll, wird solche Bilder von einem vorbei fliegenden Kometen machen. Aber auch Thomas Schildknecht, Direktor des Obser- vatoriums Zimmerwald, das von der Erde aus sehr erfolgreich Weltraumschrott detektiert, wird seine Kameras zukünftig im 3 4 Detector Lab weiterentwickeln können. Infrastruktur für neues Schweizer Flaggschiff Im Frühling 2021 werden alle Einzelteile von «Cleopatra» geliefert und verbaut sein. Dann geht es ans Testen und Kalibrieren. Zimmermann geht davon aus, dass das Lab Anfang des kommenden Jahres für die 5 6 Wissenschaft voll einsatzfähig sein wird. Das Detector Lab wird eine wichtige Rolle spielen in der Planung eines neuen Flagg- wurde. Insel im südlichen Kräfte im Innern der schiffs für die Berner Weltraumforschung Magma gebildet Geografie der Heard- baren tektonischen nach Auslauf des Nationalen Forschungs- geprägt, der aus nisches Massiv, das die dem man die unsicht- schwerpunktes PlanetS. Darum wird es auch körnigem Granit Big Ben ist ein vulka- bekannt als ein Ort, an teilweise mit Geldern finanziert, welche die ist von hartem und 4 = Erde geologische Ikone und Park (Kalifornien) (Arizona) ist eine Universität Bern für den NFS PlanetS gespro- Der Yosemite National tur deutlich zu machen. Der Grand Canyon chen hat. Fernziel ist dabei die Gründung 6 = Erde die Oberflächenstruk- 2 = Erde eines Schweizerischen Instituts für Planeten- teils eingefärbt, um wissenschaften in Zusammenarbeit mit aufgenommen. delle. Die Bilder werden beteiligt. anderen Universitäten. Moderne Forschungs tern und wurde 2003 digitale Geländemo- ter (MRO) der NASA von rund drei Kilome- Stereoansichten und Reconnaissance Orbi- infrastruktur ist immer geteilte Infrastruktur, einem Durchmesser Mars. Sie liefert 3-D- HiRISE auf dem Mars weil so hochkomplexe Forschungsfelder zeigt ein Gebiet mit Mineralien auf dem europäische Uni an wie die Weltraumforschung nur im Verbund sehr alt ist. Das Bild trieren die Vielfalt der tät Bern ist als einzige erfolgreich sein können. rigste wahrscheinlich merkmalen und illus- geweckt. Die Universi- Neben dem Testinstrument «Cleopatra» von denen die nied- artigen Oberflächen- grosses Interesse Schichten strukturiert, Ansichten von eigen- der Rinnenbildung hat soll zudem auch die Expertise im Bau der deutlich in viele Universität Bern zeigen saisonalem Frost bei Kamera-Elektronik weiter ausgebaut werden. Das Gestein erscheint der Kamera CaSSIS der Die mögliche Rolle von «So werden wir in Zukunft die ganze Hügel auf dem Mars. Hochauflösende Bilder aufgenommen wurden. wissenschaftliche Wertschöpfungskette in 5 = Mars 3 = Mars Science Experiment) den eigenen Händen haben», sagt Claudio Resolution Imaging Zimmermann: «Das ist ein riesiger Wett Meer hinabführen. fläche vertikal hebt. 2006 von HiRISE (High die vom Big Ben zum wenn sich die Erdober- Mars, die erstmals bewerbsvorteil.» 14 grosse Gletscher, einschneiden kann, der Südhalbkugel des bedeckt, darunter nur dann einen Canyon Krater-Rinnen auf des Bergs ist von Eis heute, dass ein Fluss 1 = Mars Kontakt niert. Ein grosser Teil Geologen/-innen wissen Indischen Ozean domi- Erde erahnen kann. Lösungen Claudio Zimmermann, NFS PlanetS, claudio.zimmermann@space.unibe.ch Schwerpunkt UniPress 180/2021 21
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