20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen

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20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
20 Jahre Ökostrom Schweiz
20 Jahre Perspektiven schaffen

Wie aus einer Gruppe    «Am Anfang bekam ich einen Ordner»:
                        Geschäftsführer Stefan Mutzner blickt
«genialer Bastler»      zurück – Seite 10

ein wichtiger Fach­-    Die wichtigsten Meilensteine von Ökostrom
verband im Sektor der   Schweiz auf einen Blick – Seite 12

erneuerbaren Energien   Die kleinste und die grösste Biogasanlage
wurde.                  im Porträt – Seite 16
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Impressum
Auflage
450 Exemplare

Text, Redaktion
Ökostrom Schweiz

Bilder
Titelbild: Nadine Baumgartner; Seite 4: Shutterstock; Seite 5: Victor Anspach;
Seite 6: Hanspeter Neukomm; Seite 7: Andy Kollegger; Seite 8 Puure TV;
Seite 9 oben: Nadine Baumgartner; Seite 9 unten: Familie Wartmann;
Seite 10: Andy Kollegger; Seite 11: Biogas Altishofen GmbH;
Seite 16: Nadine Baumgartner; Seite 17: BKW; Seite 20: Simon Bolli;
Seite 21: la liberté; Seite 22: FahrBiogas; Seite 23: Shutterstock

Grafik
Bruno Kreis, Winterthur

Druck
Vögeli AG, Langnau im Emmental

© 2020

            TM

                    Höchster Standard für Ökoeffektivität.
                    Cradle to Cradle Certified™-Druckprodukte hergestellt
                    durch die Vögeli AG. Bindung ausgenommen.

                    Cradle to Cradle Certified™ is a certification mark licensed by
                    the Cradle to Cradle Products Innovation Institute.
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Seit 20 Jahren
Inhalt                                 Wegbereiter

                                  4
Wie die Landwirtschaft zum
Biogas kam: Die Geschichte der
Gewinnung von Biogas
                                       «Und dann hat es mir den Ärmel rein­
                                       gezogen» – wie viele unserer Mitglieder
                                       verwenden diese Redewendung, wenn
                                   6
Von der IG Biostrom zu
Ökostrom Schweiz:                      sie davon erzählen, wie sie zum Biogas
Die Gründungsgeschichte                gekommen sind.

                                   8
«Die ökologischen Heraus­              Die Faszination von diesem Verfahren, das aus «Abfall»
forderungen anpacken»:                 Energie erzeugt, ist nachhaltig. Wer sich länger mit dem
Interview mit dem ehemaligen           Biogasprozess befasst, steht einer Fülle an Aspekten
Präsidenten Otto Wartmann              gegenüber. Angefangen bei der Biologie, der Arbeit der
                                       Mikroorganismen: Sie sind es nämlich, die die Haupt-
                                       arbeit leisten bei der Herstellung von Methan. Weiter

                                  10
«Am Anfang bekam ich einen             zur Technik: Nur mit Interesse an der Mechanik und
Ordner»: Geschäftsleitungs­            Technologie der Biogasanlage selber, ist der Betrieb zu
vorsitzender Stefan Mutzner            bewältigen. Und schliesslich die Rahmenbedingungen:
blickt zurück                          Die Entwicklungen in der Klima- und Energiepolitik ha-
                                       ben einen grossen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit

                                  12
Die Entwicklung von Ökostrom           der Biogasanlagen.
Schweiz: Infografik mit den
wichtigsten Meilensteinen              Ökostrom Schweiz ist in den letzten 20 Jahren von der
                                       Ein-Mann-Geschäftsführung und 10 Mitgliedern zu
                                       einem Betrieb in KMU-Grösse herangewachsen. Der

                                  14
Ökostrom Schweiz heute:
                                       Fachverband landwirtschaftliches Biogas beschäftigt
Das sind wir, das machen wir
                                       Spezialisten in fünf Geschäftsbereichen an drei Stand-
                                       orten in der Schweiz. Rund 160 Anlagen sind Mitglied,
                                       die 102 Aktiven produzierten gesamt 135 GWh Strom

                                  16
Von klein bis gross:                   im Jahr 2019. Zudem reduzierten sie im 2018 mehr als
Zwei Porträts der kleinsten und        82’000 Tonnen CO 2e. In den nächsten 1 bis 3 Jahren
der grössten Mitglieds-Anlagen         werden weitere 40 bis 50 landwirtschaftliche Biogas-
                                       anlagen in Betrieb gehen und die Strom- und Wärme-

                                  18
                                       produktion wie auch die Klimaschutzleistung werden
Realitäts-Check:
                                       sich erhöhen. Und auch die Energievermarktung erlebt
Vorurteile zu Biogas und
                                       grosse Veränderungen. Dafür wappnen wir uns mit un-
die Realität
                                       serer Tochtergesellschaft Fleco Power.

                                  20
Methan als Treibstoff:                 Ökostrom Schweiz gibt auch in den nächsten 20 Jahren
Charles Millo baut eine                Vollgas, um diese geniale Energiequelle voran zu brin-
Biogas-Tankstelle                      gen und damit die Welt klimafreundlicher zu gestalten.

                                  22
Es hat sich viel getan:
Präsident Michael Müller
zum Jubiläum

                                       Michael Müller

                                  23
Landwirte werden zu                    Präsident Ökostrom Schweiz
Klimawirten: Die Vision
der Geschäftsleitung

                                                                                             3
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Wie die Landwirtschaft
zum Biogas kam

In der Landwirtschaft wuchs das                           In der Zeit des 2. Weltkriegs waren der Treibstoff und
Interesse an Biogasanlagen in erster                      die Lebensmittel zwischenzeitlich knapp. Daher wurde
                                                          wieder auf Gasmotoren zurückgegriffen. Während der
Linie aufgrund des hochwertigen
                                                          Anbauschlacht wurden in selbstgebastelten Gruben
Düngers als Endprodukt. Erst später                       sämtliche organischen Abfälle vergärt, um damit effek-
war die Stromproduktion wichtigster                       tiven Dünger zu erhalten. Die Steigerung der Ernte war
Antrieb für die Investition in diese                      damals der wichtigste Grund für den Bau einer Biogas-
                                                          anlage.
Technologie.

D
                                                          Schweiz war ein Biogas-Mekka
       ie Idee, Energie aus Biogas zu gewinnen stammt     Ein erster genialer Biogas-Tüftler in der Landwirtschaft,
       von den Engländern. 1859 startete in Bombay        der landwirtschaftliches Biogas als Energieträger nutz-
       ein Engländer eine erste Biogas-Versuchsanla-      te, war der Schweinemäster Horisberger in Unter-
ge in einem Krankenhaus. Das erzeugte Biogas wur-         stammheim ZH. Er hat mit dem Biogas aus der Schwei-
de zuerst ausschliesslich zur Beleuchtung und später      negülle, das er in einem umgenutzten Gülleloch unter
auch zum Betrieb eines Gasmotors mit angeschlosse-        dem Stall vergären liess, einen Brenner betrieben um
nem Generator zur Stromerzeugung genutzt.                 das Haus zu heizen.

Dünger aus Vergärungsprodukten war                        Die Idee, Biogas aus Hofdünger zu gewinnen, griff um
der Schlüssel                                             sich. In so mancher Ecke des Landes wirkten Pioniere
In den 1930-ern hatten einige grosse Städte in Europa,    ohne grosse Beachtung der Öffentlichkeit und entwi-
so auch Zürich, eigene Biogasanlagen und speisten die     ckelten immer neue Systeme, die sicherer wurden und
Strassenbeleuchtung mit dem Gas. Die Anlagen waren        effizienter in der Produktion. 1981 konnte Strom aus
jedoch sehr störanfällig und unsicher. Der Erdöl-Boom     landwirtschaftlichen Biogasanlagen erstmals ins Netz
führte dazu, dass Biogas für viele Jahrzehnte als Ener-   eingespiesen werden. Wohlbemerkt nur dank einer klei-
gieträger aufs Nebengleis verfrachtet wurde.              nen List: Die Netzbetreiber drängten auf die Vertrags-
                                                          erneuerung über die Strommastsetzung auf Landwirt-
                                                          schaftsland. Der St. Galler Bauernverband handelte
                                                          damals unter der Leitung vom Wissenschaftler Arthur
                                                          Wellinger dafür die Möglichkeit aus, Biogas ins Netz ein-
                                                          zuspeisen. Die Netzbetreiber willigten ein. Zwar nur zu
Kartoffelernte auf dem Sechseläutenplätz in Zürich.       einem Sackgeld von 2 Rappen pro kWh, aber damit war
                                                          der Weg ins Schweizer Stromnetz geebnet.

                                                          In den Peak-Zeiten Ende der 80er Jahren gab es in der
                                                          Schweiz mehr Biogasanlagen als zur gleichen Zeit im
                                                          ganzen Rest von Europa, ungefähr 150 Anlagen. Wohl
                                                          gemerkt ganz ohne Subventionen vom Bund, wäh-
                                                          rend die Anlagen in den EU-Ländern stark staatlich
                                                          unterstützt waren. «Gerade weil in der Schweiz aber
                                                          die Entwicklung aus der Praxis kam – eine klassische
                                                          Bottom-Up-Bewegung – war mehr Konsequenz in der
                                                          Durchführung und Erhaltung spürbar», so kommen-
                                                          tiert der Biogas-Experte und heutige Vizepräsident von
                                                          Biomasse Suisse, Arthur Wellinger, diese Entwicklung.
                                                          Viele der Kleinst-Anlagen waren aber immer noch ex-
                                                          perimenteller Natur, und wurden spätestens bei der
                                                          Übergabe des Betriebs an die nächste Generation wie-

4
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
«       Dank den Anstrengungen von Ökostrom Schweiz

                                                                                            »
              konnten die Betriebskosten landwirtschaftlicher
                     Anlagen enorm gesenkt werden.
                                    Arthur Wellinger, Vizepräsident Biomasse Suisse

der stillgelegt. Ohne diese Erfahrungen jedoch, wäre
die Technologie nie so weit, wie sie heute ist.

Schritt für Schritt in neue Technologien
1980 war der Rundbau noch extrem teuer, deshalb
kamen die Pioniere auf Lösungen wie zum Beispiel ein
Hexagon. Oft wurden aber auch einfach alte Güllegru-
ben zu Biogasanlagen umfunktioniert.

In den Folgejahren haben sich zwei Standard-Verfahren
herauskristallisiert:
 	Vergärung im doppelwandigen Silo, einem Futtersilo
   nachempfunden. Räss und Huber (Futtersilo-
   Produzenten) haben diesen Bau standardmässig
   angeboten.
 	Vergärung unter Boden in der Güllegrube mit
   Trennwand, beheizt mit im Boden einbetonierten
   Bodenheizungen, Biolley vom LBA war der Anbieter.
                                                            Eine Pionieranlage der Agrar- und Energiegemeinschaft
Dann wurde der Rundbau erschwinglich, und gerade            Waldhof in Thayngen (SH).
in der Landwirtschaft hat sich der Standard mit den
runden Behältern etabliert. Die endgültige Revolution
brachte der gemeinsam mit den deutschen Kollegen
entwickelte (in einem Ping-Pong des Erfahrungsaus-          Spezialisierungen ermöglichten eine immer bessere
tausches) Kunststoffballon als Abdeckung.                   Wirtschaftlichkeit. Co-Substrate gewannen in den Folge-
                                                            jahren an Bedeutung, um die Kapazität zu steigern. Bald
Politik erkennt das Potenzial                               experimentierten die landwirtschaftlichen Biogasanla-
Anfang der 90er wurde die erste vom «Biogas Projekt»        genbetreiber mit Grüngut von Strassenrändern, ebenso
in Tänikon entwickelte Gasaufbereitungs-Anlage auf          mit anderen organischen Reststoffen und Abfällen. Die
der Kompogas-Anlage in Rümlang gebaut. Das erste            Erfahrungen zeigten, dass die «Fütterung» der Anlage
Energie-Gesetz, das am 1. Januar 1999 in Kraft getre-       nach ganz spezifischen Regeln erfolgen sollte.
ten ist, brachte weiteren Schwung in die Praxis. Investi-
tionen in Biogasanlagen erhielten Anreize und so stieg      Als Plattform für das Sammeln dieses Fachwissens, und
die Anzahl Biogasanlagen in der Schweiz kontinuierlich      zur Vertretung der Interessen der landwirtschaftlichen
wieder an.                                                  Biogasanlagen-Betreiber, war die Gründung der Ge-
                                                            nossenschaft Ökostrom Schweiz der Weg, der die Mit-
Landwirtschaftliche Anlagen fokussierten sich, gerade       glieder in die Zukunft führte.
seit der Einführung der Mehrkostenvergütung (1996) –
dem Vorläufer der Kostendeckenden Einspeisevergü-
tung (KEV) – auf die Stromproduktion. Die Infrastruktur
für die Stromeinspeisung war und ist weit mehr ausge-
baut als für die Gaseinspeisung.

                                                                                                                    5
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Von der IG Biostrom
zu Ökostrom Schweiz

In den Anfangsjahren konzentrierten                         zeitlich auf 15 Rappen pro Kilowattstunde gesenkt wer-
sich die Hauptaktivitäten auf die Ver­                      den, um den Absatz zu steigern. Und damit gelang das
                                                            Vorhaben: Die gesamte Produktionsmenge aller 10 Mit-
marktung von Grünstromzertifikaten.
                                                            glieder konnte vermarktet werden.

D
        ie ersten Aktivitäten der Ökostrom-Vermark-         Die Genossenschaft Ökostrom Schweiz
        tung wickelte Thomas Böhni unter dem Na-            wird geboren
        men seines eigenen Büros «Böhni Energie und         Aus der IG Biostrom wurde gegen Ende der 1990er
Umwelt GmbH» ab. 1994 entstand daraus, zusammen             Jahre Ökostrom Schweiz. Der Beschluss, eine Genos-
mit 10 Anlagenbetreibern, die «Biostrom Interessenge-       senschaft zu gründen, erfolgte im Dezember 2000.
meinschaft». Mit der «Aktion Biostrom für alle» starte-     Dann musste es schnell gehen. Auf den letzten Drücker
ten erste Vermarktungsaktivitäten zu einem Preis von        konnte Thomas Böhni ein Protokoll der Gründungsver-
30 Rp/kWh. Per Ende 2000 konnte eine Bezugsmenge            sammlung beim Handelsregisteramt einreichen. Grün-
von 425’000 kWh verbucht werden. Das Angebot war            dungsdatum gemäss Register ist der 12.12.2000. Der
aber dreimal so hoch. Die 10 Anlagen, die damals über       Zweck der Genossenschaft lautete: «Vertriebsorganisa-
Böhni vermarkteten, produzierten 1,5 Mio. kWh. Der          tion für Strom aus erneuerbaren Energiequellen». Als
Preis für den ökologischen Mehrwert musste zwischen-        Gründungsmitglieder aufgeführt waren Thomas Böhni,

Noch bevor Ökostrom Schweiz geboren war, starteten die späteren Genossenschafter eine erfolgreiche Marketingaktion.

6
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Diese mobile Anlage von Hanspeter Neukomm hat schon manchem Interessierten Biogas näher gebracht.

Gaby Heyder, Jakob Schmid, Andreas Boschung, Hans           Städte auf Tournee. Auch die direkte Kundenakquise per
Flach, Filipp Grass und Hanspeter Neukomm. Letzterer        Telefon ist im BFE-Bericht dokumentiert. Konzentriert
wurde interimistisch zum ersten Genossenschaftsprä-         haben sich die Akquisetätigkeiten auf Gewerbe- und
sident gewählt.                                             Grosskunden. Energieversorger stellten sich damals
                                                            noch auf den Standpunkt, dass der ökologische Mehr-
TÜV-Zertifizierung ermöglicht                               wert mit der Abnahme des physischen Stroms abgegol-
An der ersten Generalversammlung vom 16. Januar             ten sei. Der Stand der Ökostrombezüger präsentierte
2001 in Frauenfeld wurde das Gründungsprotokoll ge-         sich per 15.11.2001 wie folgt:
nehmigt und der Interimspräsident Hanspeter Neu-
komm wurde ordentlicher Präsident, Thomas Böhni             	33 Haushaltungen (Anteil 4 %)
Geschäftsführer. Es wurden an dieser ersten GV fol-         	4 Gemeinden, Kirchen und Genossenschaften
gende neue Mitglieder aufgenommen: Armin Burg-                (Anteil 5 %)
dorfer, Otto Wartmann, Reto Grossenbacher, Klaus            	4 Gewerbe- und Industriekunden (Anteil 17 %)
Wittwer, Urs Wittwer und Josef Häfliger. Der Verkauf        	2 Energieversorgungsunternehmen (Anteil 74 %)
der Ökostromzertifikate stieg an. Bereits früh war aber
auch ein intensiver Austausch der Anlagenbetreiber ein
wichtiges Anliegen. Zusammen entwickelte man Opti-
mierungsmöglichkeiten. Beispielsweise steuerte Öko-
strom Schweiz die TÜV-Zertifizierung aller Mitglieder.

Tournee in Schweizer Städten
Über die umfangreichen Aktivitäten in der Aufbauphase
legt ein Bericht an das Bundesamt für Energie detailliert
Zeugnis ab. An der OLMA 2000 wurde eine mobile Bio-
gasanlage aufgebaut und betrieben, mit dieser Klein-
Biogasanlage ging es dann in verschiedene Schweizer

                                                                                                                7
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
«Wir helfen mit, die ökologischen
Herausforderungen anzupacken»

Otto Wartmann war von der ersten GV                         wollte mich dafür einsetzen, dass die Genossenschaft
an engagiertes Mitglied bei Ökostrom                        politisches Gewicht erhält und den Weg ebnen kann,
                                                            damit die Biogasanlagen den Platz in der politischen
Schweiz und prägte von 2004 bis
                                                            und gesellschaftlichen Wahrnehmung erhalten, die für
2014 10 Jahre lang als Präsident die                        den Aufbau einer ökonomisch interessanten Branche
Entwicklung des Fachverbands.                               notwendig war.

Wodurch charakterisiert sich ein typischer                  Was waren in den Anfängen die grössten
Biogasanlagenbetreiber?                                     Herausforderungen?
Wir sind Tüftler und voller Ideen und haben ein Flair für   Wir wollten die Grundlagen schaffen, damit unsere Mit-
Technik. Wir schauen über den Tellerrand und denken         glieder ihre Anlagen wirtschaftlich betreiben und den
deshalb immer schon etwas weiter. Wir scheuen das           ökologischen Mehrwert am Markt verkaufen können.
Risiko nicht. Wir haben eine dicke Haut und Geduld,         Als Stefan Mutzner die Geschäftsführung übernahm,
weshalb wir mit immer neuen Anforderungen aus den           waren wir uns einig, dass diese junge Branche ein ge-
Schweizer Amtsstuben und der eingesetzten Vollzieher        ordnetes und gesundes Wachstum braucht. Wir woll-
umgehen können.                                             ten eine ausufernde, unseres Erachtens ungesunde,
                                                            Goldgräberstimmung wie in Deutschland verhindern.
Was war der Grund für das frühe Engagement
im Vorstand und als Präsident von Ökostrom                  Eine weitere wichtige Aufgabe war, genügend Co-Subs-
Schweiz?                                                    trate für alle Anlagen zu finden, die Nachfrage war we-
In den Anfängen der Genossenschaft Ökostrom                 sentlich höher als das verfügbare Angebot.
Schweiz war bei den damaligen Pionieren sehr viel Auf-
bruchstimmung, Enthusiasmus und Herzblut vorhan-            Auf dem politischen Parket wollten wir aus der Basisbe-
den, aber nicht alle sahen die Entwicklung voraus, die      wegung eine starke Stimme für die Biogasproduktion
der nachhaltigen Energieproduktion bevorstand. Ich          machen. Wir wollten, dass die Biogasanlagen im Besitz

Die Anlage der Familie Wartmann auf dem Holzhof wurde 2019 erweitert.

8
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
Otto und Claudia Wartmann haben schon in jungen Jahren das Potenzial von Biogas erkannt.

und unter der Hoheit der Landwirte bleiben und diese       gen voraussehen kann. Sie muss im politischen Alltag
nicht als «Vertragsproduzenten» zu billigen Arbeitskräf-   die Ohren offen haben und dafür sorgen, dass unsere
ten der Stromkonzerne werden.                              Rahmenbedingungen gut bleiben.

Was macht Sie rückblickend besonders stolz?                Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Die Zusammenarbeit im Vorstand war grossartig. Alle        Es gibt noch Luft nach oben! Vielleicht werden wir in
behielten immer das Ganze im Auge und stellten die         zwanzig Jahren sagen, dass aus dem Mittelgewicht Bio-
Eigeninteressen zurück. Ich bin immer wieder beein-        gas als Energieträger ein Schwergewicht geworden ist.
druckt, was in den zwanzig Jahren alles erreicht wur-      Die Welt steht vor enormen ökologischen Herausforde-
de. Ganz besonders möchte ich aber die Vorreiterrolle      rungen und die Jugend fängt an, für ihre «Welt der Zu-
im Bereich des CO 2 Zertifikat-Handels erwähnen. Viele     kunft» zu kämpfen. Wir werden aber mit unserem En-
grosse Energieversorger arbeiteten daran, aber als ers-    gagement und Knowhow mithelfen, die Probleme, die
te hat unsere Genossenschaft 2009 das BAFU-Zertifi-        wir und unsere drei Vorgängergenerationen angeteigt
kat für das erste Bündel erhalten.                         haben, zu lösen.

Dass wir heute eine funktionierende Biomassekoordinati-
on haben, und mit dem Aufbau des virtuellen Kraftwerks
Vorreiter sind, macht mich ebenfalls stolz und zeigt mir
auch, dass wir die besten Leute in unseren Büros haben.

Was hätte man rückblickend vielleicht besser
machen können?
Ich glaube, dass Stefan Mutzner mit seinem Team im-
mer das Optimum herausgeholt hat. Dem Vorstand
und dem ganzen Team gehört ein riesiges Dankeschön.
Die Krone in der Geschichte der Genossenschaft ist,
dass das Ganze ohne Fremdkapital aufgebaut wurde.

Warum braucht es Ökostrom Schweiz?
Weil die Entwicklung immer weiter geht. Wir Anlagen-
betreiber sind mit unseren Anlagen und den Land-
wirtschafts- oder Gewerbebetrieben dahinter stark
engagiert. Wir brauchen eine Genossenschaft, die den       Die Söhne Florian, Richi und Otti sind auch stolz
Radar noch viel weiter eingestellt hat und Entwicklun-     auf den Erfolg der Biogasanlage.

                                                                                                               9
20 Jahre Ökostrom Schweiz - 20 Jahre Perspektiven schaffen
«Am Anfang bekam ich
einen Ordner»

Stefan Mutzner war von 2005 bis 2018                   für Aufgaben wahrnimmt. Die Thematik der landwirt-
Geschäftsführer von Ökostrom Schweiz                   schaftlichen Energieproduktion hat mich sofort ange-
                                                       sprochen und die offene Person und die Visionen von
und amtet seit 2019 als Vorsitzender
                                                       Otto überzeugten mich.
der Geschäftsleitung. Zum Jubiläum
blickt er zurück:                                      Dank Strategie zum Geschäftsführer

«
                                                       Ich musste nicht lange überlegen und habe tags dar-
     Als Anfangs 2005 mein Telefon klingelte und ein   auf das Angebot des Mandats von 40 % angenommen.
     mir bis dahin unbekannter Otto Wartmann mir       Gleich anschliessend haben Otto und ich ein Strategie-
     das Angebot der Geschäftsführung von Öko-         papier erstellt und aufgezeigt wohin sich die Genossen-
strom Schweiz machte, vereinbarten wir spontan am      schaft entwickeln soll und welche Aufgaben schrittwei-
nächsten Abend ein Treffen bei ihm zuhause. Am Stu-    se anzugehen sind. Die strategische Neuausrichtung
bentisch erläuterte mir Otto, was die Genossenschaft   beinhaltete vor allem, dass die Genossenschaft von der
                                                       ursprünglichen Vertriebsorganisation für Grünstrom-
                                                       zertifikate zu einem Fachverband für landwirtschaftli-
                                                       che Biogasanlagen wird. Dazu gehörten auch politische
                                                       Arbeit und das Finden von neuen Marktaktivitäten. Ich
                                                       durfte dem damaligen Vorstand das Konzept präsen-
                                                       tieren und wurde letztlich als Geschäftsführer gewählt.

                                                       Ein Ordner als Grundlage
                                                       Ich bekam einen Bundesordner, welcher Verkaufsver-
                                                       träge über die Menge von zirka 2 GWh ökologischen
                                                       Mehrwert beinhaltete, und startete ins Abenteuer. Als
                                                       erste Massnahme ging es darum, die Verkaufsmengen
                                                       der Grünstromzertifikate weiter zu erhöhen. Die ewz
                                                       waren gerade daran für die Privatkunden ein «Default-
                                                       produkt» mit erneuerbaren Energien aufzubauen. Das
                                                       heisst, ein Stromkunde bezieht automatisch Grün-
                                                       strom. Wenn er dies nicht will, muss der Kunde aktiv
                                                       werden und das Grundangebot künden. Nach langen
                                                       Verhandlungen mit ewz resultierte ein Liefervertrag
                                                       über ca. 10 GWh. Damit steigerten wir den Absatz um
                                                       das Fünffache.

                                                       Die Schnellsten beim Klimaschutz
                                                       Mit diesen Verkaufsverträgen verbesserte sich nicht
                                                       nur die wirtschaftliche Situation der Mitglieder son-
                                                       dern auch der Geschäftsstelle schlagartig. Der Grund-
                                                       stein für eine Weiterentwicklung war gelegt – wir
                                                       konnten Mitarbeiter einstellen. Fortan haben wir ge-
                                                       meinsam laufend Projekte in Angriff genommen: 2006
                                                       bauten wir eine schweizweite Biomassekoordination
                                                       auf, in Zusammenarbeit mit Klaus und Regina Wittwer,
                                                       die grosse Erfahrungen darin hatten weil sie bereits
                                                       eine Koordinationsfunktion der Anlagen in der Region

10                                                                                                               2006
                                                                                                                   10
Bern wahrgenommen hatten. 2008 befassten wir uns           zeichnen konnten, ist sicherlich, dass unser Vorschlag
       das erste Mal mit der Umsetzung eines virtuellen Kraft-    des Landwirtschaftsbonus 2008 in die Energieverord-
       werks (heute Fleco Power). Im gleichen Jahr stiegen wir    nung aufgenommen wurde. Damit wurden landwirt-
       auch in den Klimaschutz ein. Wir waren schnell: Am         schaftliche Biogasanlagen, die mehrheitlich Hofdünger
       gleichen Tag, als die Vollzugsweisung für Schweizer        verarbeiten, wirtschaftlich. Die Wirtschaftlichkeit und
       Klimaschutzprojekte publiziert wurde, haben wir beim       Planungssicherheit ist jetzt wieder aktuell: In einigen
       Bundesamt für Umwelt eine Projektskizze für Biogas-        Jahren wird bei den ersten Mitgliedern der Liefervertrag
       anlagen eingereicht.                                       im Rahmen des Einspeisevergütungssystem auslaufen.
                                                                  Gerade deshalb haben wir die politischen Aktivitäten
       Zusammen Herausforderungen bewältigt                       für eine Einspeisenachfolgelösung intensiviert.»
       Unsere Arbeit wurde belohnt mit laufendem Zuwachs                                                                      2019
       von Mitgliedern. Die ersten Höcks – welche wir 2006 lan-   Stefan Mutzner,                                              135
       cierten – liess sich kaum ein Mitglied entgehen. Es war    Vorsitzender der Geschäftsleitung
       damals eine kleine eingeschworene Gruppe von rund                                                               2018
       30 Personen. Die Vorschriften rund um Biogas änder-                                                              120
       ten in den letzten Jahren laufend, die Biogasproduktion
                                                                                                            2017
       ist direkt oder indirekt mit mehr als 20 Gesetzes- oder                                               109
       Verordnungsgrundlagen oder mit deren Vollzugshilfen
       konfrontiert. Auch die technischen und administrativen                                     2016
                                                                                                    99
       Anforderungen stiegen. Alle diese Themen wurden in
       Höcks, und in Grund- und Weiterbildungen den Mitglie-
                                                                                       2015
       dern weitergegeben. Den grössten Erfolg, den wir ver-                             87

                                                                            2014
                                                                              69
                                                                  2013
                                                                    61

                                                       2012
                                                         43

                                             2011
                                 2010          32
                                   30
                      2009
                        24
           2008                                                    Stromproduktion in GWh
2007         16
  13                                                                    2007 bis 2020
Meilensteine in 20 Jahren Ökostrom
     2000       2001        2002    2003   2004          2005         2006           2007          2008          2009        20

 Gründung Ökostrom Schweiz                              Start politische                          Gründung Büro
 mit 10 Mitgliedern                                     Interessenvertretung                      Romandie
 Dezember 2000

                                                Start Aus- und Weiter­b ildung                    Start Projekt
     Vermarktung ökologischer                   und Höcks                                         virtuelles Kraftwerk
     Mehrwert für Strom

                                                                   Start Bereich
                                                                   Biomasse-Koordination
               TÜV-Zertifizierung
               für Biogasstrom

                                                     Fördermittel-Vertrag                 Registrierung Bündel I
                                                     mit BiomasseEnergie                  Erstes Projekt der Schweiz
                                                     (Vorgängerprogramm von               (CO 2 -Reduktionen)
                                                     EnergieSchweiz)

                                                                                              Einführung KEV
                                                     Vertrag Grossabnahme                     Landwirtschaftsbonus
                                                     von Ökostrom                             bei 80 % Hofdüngereinsatz

                                                                                                           40’113        37’377

                                                                                             31’940

                                                         Koordinierte
                                                         Biomasse                                               88          89
                                                                                                  86
                                                         in Tonnen               16’281
                                                                                    66

                                                                     48
 Anzahl Mitglieder
                                                        26
                           12       13     15
 10            11

12
2020
                                                                                                  20-Jahr-Jubiläum
                                                                                                 und neuer Auftritt

10       2011         2012       2013       2014        2015       2016        2017          2018           2019            2020

         Mitgründung                                   Gründung                           Pilotprojekte
         AgroCleanTech                                 Fleco Power AG                     Gaseinspeisung (VSG)

         Erster Verkauf         Start Benchmarking-                           Registrierung Gold Standard
         CO 2 -Reduktionen      Projekt                                       Neues Label für die CO 2 -Zertifizierung

                                                                        Vertrag Klik für CO 2 -
              Start Marktentwicklung/                                   Reduktionsbescheinigungen
                                                                                                                  80’000 *
              Forschung

                                                                                                      74’871

                                        64’646
                                                                                       62’706
                                                               61’556

                             55’202
                                                   55’644
                                                                          55’299

                 42’502

     36’400

                                                                                                                         162 *
                                                                                                         156
                                                                                           144
                                                                             139
                                                                 124

                                                      107
                                           97
        87           89         93
                                                                                                                                    * Schätzungen

                                                                                                                                    13
Marktentwicklung                                           Politik und Beteiligungen
     und Forschung
                                                                Mit Stellungnahmen und Aufklärung im direkten
                                                                Kontakt bringt sich Ökostrom Schweiz laufend in
     Ökostrom Schweiz führt eigene Forschungs- und
                                                                die politischen Debatten ein. Die Weichenstellungen
     Entwicklungsprojekte durch und begleitet Projekte
                                                                sollten so gelegt werden, dass Landwirte zu Klima-
     von externen Partnern. Auch die Beobachtung von
                                                                und Energiewirten werden können. Hierfür ist ein
     Entwicklungen am Markt sowie der Chancen und
                                                                griffiges CO 2 -Gesetz, ein Einspeisevergütungs-System
     Risiken der Biogas­produktion gehören zu den
                                                                für strom- und gaseinspeisende Biomasseanlagen
     Aufgaben. Wir arbeiten entlang der gesamten Wert­
                                                                und auch eine Agrarpolitik notwendig, welche land-
     schöpfungs­kette. Dazu gehören wichtige Arbeits-
                                                                wirtschaftliche Biogasanlagen unterstützt und den
     und Entscheidungsgrundlagen wie im Projekt
                                                                Einsatz von Vergärungsprodukten fördert.
     Benchmarking Biogas als auch sehr praxis­orientierte
     Projekte wie die Umsetzung von ersten Biogastank-
     stellen. Den dritten Schwerpunkt bildet die Aus- und
     Weiter­bildung unserer Mitglieder.

     Klimaschutz

     Die Reduktion von Methan- und CO 2 -Emissionen
     durch die energetische Nutzung von Hofdüngern
     und organischen Reststoffen in Biogasanlagen
     ist die derzeit wichtigste Klimaschutzmassnahme in
     der Schweizer Landwirtschaft. Ökostrom Schweiz
     entwickelt und führt Klimaschutz­projekte und
     Programme nach verschiedenen nationalen und
     internationalen Standards für seine Mitglieder
     durch und vermarktet die resultierenden CO 2e-
     Reduktionen.

     Dienstleistungen

     Ökostrom Schweiz bietet Gemeinden, Gewerbe- und
     Industriebetrieben nachhaltige regionale Entsorgungs­
     lösungen für organische Reststoffe an und garantiert
     die Rückverfolgbarkeit der Stoffflüsse. Ökostrom
     Schweiz koordiniert und verteilt die organischen Rest-
     stoffe auf die landwirtschaftlichen Biogasanlagen.
     Eine umfangreiche Analytik in akkreditierten Labors
                                                                Bureau Suisse Romande
     gewährleistet die Produkte­sicherheit.
                                                                Als national tätiger Fachverband ist Ökostrom Schweiz
     Von der Planung über den optimalen Betrieb bis zur         auch in der französischsprachigen Schweiz mit einer
     Störungsbehebung leisten wir Beratung für unsere           Geschäftsstelle vertreten und bietet sämtliche Dienst-
     Mitglieder. Ob auf strategischer, technischer, betriebs-   leistungen und Geschäfte mit Spezialisten auch in der
     wirtschaftlicher oder juristischer Ebene. Laboranaly-      Romandie an. Um die Dienstleistungen zugunsten der
     sen ermöglichen eine fundierte Biologieberatung.           Mitglieder zu erweitern wurden, neben der Biologiebe-
     Zudem vermarktet Ökostrom Schweiz gebündelt die            ratung, weitere praxisorientierte Aktivitäten wie zum
     Grünstromzertifikate.                                      Beispiel die Machbarkeitsstudie aufgebaut.

14
Ökostrom Schweiz –
Das sind wir, das machen wir

Ökostrom Schweiz ist der Fachverband landwirtschaftliches Biogas. Die genossen-
­schaftlich organisierte Branchen­organisation der landwirtschaftlichen Biogas-
 produzenten bietet ihren Mitgliedern diverse Leistungen rund um Biogas an.

Die Tätigkeiten von Ökostrom Schweiz                          Das Team von Ökostrom Schweiz unterstützt somit
auf einen Blick:                                              die landwirtschaftlichen Biogasanlagenbetreiber und
 	Klimaschutz: Projektentwicklung, Monitoring und            Interessierte vom Bau der Anlage, über den Betrieb
   Vermarktung von CO2e-Reduktionen                           derselben bis zur Vermarktung des Stromes und ande-
 	Koordination organischer Reststoffe, Gesamt­lösungen       rer Produkte. Ein Grundanliegen von Ökostrom Schweiz
   für Industrie und Gemeinden, Verteilung auf                besteht darin, dass die Landwirte ihre Rolle wahrneh-
   Biogasanlagen                                              men und einen wichtigen Beitrag zu den Energie- und
 	Aus- und Weiterbildung für landwirtschaftliche             den Klimazielen der Schweiz leisten können.
   Anlagenbetreiber
 	Marktentwicklung und Forschung
 	Politische Interessenvertretung
 	Vermarktung von Ökostrom vom Bauernhof

Die Tochtergesellschaft von Ökostrom Schweiz, Fleco
Power, hat 2015 den Auftrag erhalten, Chancen und Her-
ausforderungen der Energiestrategie 2050 frühzeitig zu
erkennen und Lösungen zugunsten der unabhängigen
erneuerbaren Energieproduzenten aufzubauen.

Fleco Power tritt als «Grossskraft» auf und bietet als Sys-
temdienstleister Tertiär- und Sekundärregelenergie an.
Das Virtuelle Kraftwerk ist seit anfangs 2016 rund um
die Uhr zur Lieferung von ökologischer Regelenergie im
Einsatz.

Dazu organisiert Fleco Power die gebündelte Direktver-        tung via Fleco Power entschieden. Fleco Power ist somit
marktung von erneuerbarem Strom. Bestehende grös-             der grösste unabhängige Direktvermarkter.
sere Anlagen und auch kleinere, neu in Betrieb gehende
Anlagen, müssen seit 2020 ihren Strom selbst am Markt         Fleco Power bietet für Stromkunden, die heute schon
verkaufen. Fleco Power beschränkt sich in ihren Aufga-        freie Lieferantenwahl haben, den gebündelten Strom-
ben nicht nur auf die zirka hundert Biogasanlagen von         einkauf. Künftig bereitet sich Fleco Power auf die voll-
Ökostorm Schweiz, sondern vermarktet den Strom für            ständige Marktliberalisierung vor und sucht dabei die
alle dezentralen unabhängigen Energieproduzenten. So          Chancen für erneuerbare Energieproduzenten.
haben sich bereits mehr als 220 PV-Anlagen-, Windkraft-
und Kleinwasserkraftwerksbetreiber für die Vermark-           Stefan Mutzner, Verwaltungsratspräsident Fleco Power

                                                                                                                     15
Von Klein bis Gross –
zwei Mitgliedanlagen im Porträt

Die Kleinste: Biogasanlage Hari, Reichenbach BE

D
       ie kleinste landwirtschaftliche Biogasanlage der   unbändiger Euphorie über die Energiegewinnung aus
       Schweiz ist zugleich eine der ältesten. Sie ist    Mist und Gülle. «Mir ist nicht wichtig, wieviel Milch oder
       komplett unter Boden. Nur das schwarze Kis-        Fleisch eine Kuh abwirft – Hauptsache sie macht Mist»,
sen neben dem Miststock, das sich mit Gas füllt, wenn     sagt er gerade heraus. Es tue ihm fast weh, wenn er all
die Produktion höher ist als der Verbrauch im Block-      die ungenutzten Ressourcen auf den üblichen Misthau-
heizkraftwerk, deutet auf die Anlage im Untergrund hin.   fen und Güllegruben sehe.

Betriebsleiter Niklaus Hari war in den 80er-Jahren mit-   Die ersten 10 Jahre lief die Biogasanlage von Niklaus Hari
ten im Umbau des Bauernhauses, und im Zuge dessen         ausschliesslich mit Gülle und Mist. Im Sommer, wenn
auf der Suche nach einer sparsamen Heiztechnologie,       das Vieh auf die Alp ging, liess er die Anlage auslaufen
die er möglichst aus eigenen Ressourcen speisen konn-     und legte sie still bis im Herbst. Mitte der 90er-Jahre kam
te. Ein Bekannter hatte sich im Zusammenhang mit De-      dann die Verwendung von Co-Substraten dazu. Diese
ponien mit Biogas auseinandergesetzt und entwickelte      Neuerung steigerte die Gasproduktion dermassen, dass
mit Niklaus Hari zusammen den Prototyp einer Biogas-      er nicht mehr wusste, wohin damit. Nach dem ersten
anlage für seinen Betrieb. 1986 startete der Landwirt     Frühling, in dem er im Haus die Fenster dauernd offen
vom «Quh-Hof» im schönen Ort Reichenbach (BE) in die      haben musste, um die Wärme zu vernichten, legte sich
Biogasproduktion.                                         Hari ein Blockheizkraftwerk zu und stieg in die Strom-
                                                          produktion ein. Er konnte den Strom der BKW verkau-
Selber gezeichnet mit Bleistift und Massstab und dann     fen, zum gleichen Preis wie er davor bezogen hatte.
mit einfachsten Materialien umgesetzt, war Niklaus
Hari am Ende selber erstaunt, dass die Anlage auf An-          Betriebsspiegel Quh-Hof,
hieb funktionierte. Der Händler, der ihm die Gasbren-          Reichenbach BE
ner für die Heizung verkaufte, sicherte sich noch ab,
                                                               Betriebszweige: Mutterkühe für Fleischproduktion
dass er mit Biogas keine Erfahrung habe und nach dem
                                                               Tierbestand: 20 Mutterkühe mit Kälbern, 3 Schafe, 2 Esel
Verkauf lieber nichts mehr damit zu tun haben wolle.           LN: 18.5 ha
Von der Güllegrube führte eine Leitung direkt in eine          Inbetriebnahme ( Jahr): 1986
Art Gasballon, damals noch im Boden.                           Verarbeitete Menge Biomasse: 900 t
                                                               Installierte Leistung BGA: 16 kW
                                                               Jährliche Stromproduktion Netto: 75’000 kWh
Niklaus Hari musste mit vielen Rückschlägen umgehen            Nutzung Abwärme: Heizen von zwei Häusern, Warmwasser
bei seiner Pionierarbeit. Alle steckte er aber weg dank        Klimaschutzleistung: Reduktion von 30 t CO 2 e/Jahr*

                                                          Das hat sich notabene stark verändert. Stark verän-
                                                          dert hat sich auch die Anlage selber. Dank einem selbst
                                                          entwickelten Labyrinth-Vergärer, wird die Gärmasse in
                                                          Niklaus Haris Anlage möglichst wenig durchmischt,
                                                          wenn sie durchläuft. Nach wie vor ist seine Biogasanla-
                                                          ge eine lohnende Investition. Und Niklaus Haris Feuer
                                                          für die Biogasproduktion ist ungebremst.

                                                          * S chätzung auf Datenbasis 2018 (exkl. allfällige Substitution fossiler
                                                             Brennstoffe durch BHKW-Abwärme)

16
Die Grösste: Biogasanlage Wyss,
Ittigen BE

N
       icht die Energieproduktion stand zu Beginn im
       Fokus von Peter Wyss, sondern ein Geruchs-
       problem. Und zwar fielen aus der eigenen Muni-
mast grosse Mengen von Mist und Gülle an. Der Betrieb
der Familie Wyss ist umgeben von grossen Wohnüber-
bauungen. Auf der Suche nach Lösungen stiess Peter
Wyss auch auf die Variante der Fermentation in einer
Biogasanlage. Je mehr er sich mit dieser Variante aus-
einandersetzte, umso mehr wurde ihm klar, dass eine
Biogasanlage nicht nur die Nasen der Nachbarn schont,
sondern auch ein zukunftsträchtiger Betriebszweig ist.
Er nahm das Projekt in der Folge in Angriff.

Zu dieser Zeit, wie sprechen vom Jahr 2002, war die         verarbeiten. Und Substrat gab es zu dieser Zeit reichlich.
Raumplanung noch nicht auf Biogasanlagen vorberei-          «Wir verarbeiteten zeitweise bis zu 50 % Co-Substrate
tet. Dies führte dazu, dass das Bewilligungsverfahren       in der Biogasanlage», lässt der Betriebsleiter wissen.
satte 3 Jahre in Anspruch nahm und vor allem aus der        Und gerechnet habe es sich auch ohne KEV, denn mit
Klärung von raumplanerischen Fragen bestand. «Als           den 15 Rappen aus der Mehrkostenfinanzierung, den
wir an einem Punkt nicht mehr weiterkamen, haben wir        Entsorgungserlösen und den Erlösen aus dem Verkauf
Bundesrat Moritz Leuenberger eingeschaltet», erinnert       der Grünstromzertifikate via Ökostrom Schweiz waren
sich Peter Wyss. Dann kam wieder Bewegung in die Sa-        die Erträge gut und das quasi im freien Markt. «Und wir
che. Leuenberger war später dann sogar einmal auf der       hatten einen äusserst geringen Eigenverbrauch», merkt
Anlage zu Besuch.                                           Peter Wyss an. Kein Wunder, es war praktisch alles me-
                                                            chanisch und musste von Hand verstellt werden.
Im Selbstbau erstellt
Die eigentlichen Anlagen gab es nicht einfach «ab Stan-     Bis 80 Führungen pro Jahr
ge» zu kaufen. Wyss liess sich von einem unabhängigen       Die späteren Anpassungen führten sukzessive zu mehr
Planungsbüro beraten. Genesis war damals erst im Auf-       Leistung und zu einem höheren Automatisierungsgrad.
bau. «Genesis gab uns einen Ordner ab, darauf stand:        Heute sind 750 kW installiert, woraus eine Strompro-
Selbstbauanleitung für eine Biogasanlage», erinnert sich    duktion von bis zu 6 GWh resultiert. Die Abwärme des
Peter Wyss. Mit dieser Anleitung ging Wyss an die Um-       BHKW wird unter anderem zur Beheizung des nahe ge-
setzung. Ausser die Fundationen und die elektrischen        legenen Wohnquartiers verwendet. Als ein Erfolgsge-
Installationen hat Wyss alles selber gemacht. «Das hat-     heimnis sieht Peter Wyss die Verarbeitung von reichlich
te den grossen Vorteil, dass wir unsere Anlage bestens      verfügbarem Pferdemist und den Einsatz eines Quers-
kannten und genau wussten, wie etwas funktioniert und       tromzerspanners zur Zerkleinerung, übrigens dem
weshalb etwas allenfalls nicht funktioniert.» Entstanden    ersten in der Schweiz. Da viele Feststoffe verarbeitet
ist eine denkbar einfache Anlage mit einem Fermenter        werden, wurden im Laufe der Zeit auch gedeckte Lager-
mit 400 m3 Fassungsvermögen und einem Nachgärer.            möglichkeiten geschaffen, was die Dimensionen der An-
Die Anlage lief zu Beginn nicht sehr effizient, aber das    lage zusätzlich vergrössert hat. Die Anlage von Wyss ist
musste sie auch nicht. Ziel war vorab, das Substrat zu      auch für einen Besuch äusserst attraktiv. Davon wollten
                                                            sich zeitweise bis 80 Gruppen pro Jahr vergewissern.

    Betriebsspiegel Landwirtschaftsbetrieb
                                                            Der Zukunft blickt Peter Wyss grundsätzlich positiv
    und Lohnunternehmung Wyss,
                                                            entgegen. Es erträgt durchaus noch einige Anlagen in
    Ittigen BE
                                                            der Schweiz, sofern es gelingt, eine gemeinschaftliche
    Betriebszweige: Munimast, Lohnunternehmung              Biomassestrategie zu verfolgen. Es braucht zwingend
    Tierbestand: 200 Mastmuni
                                                            ein Miteinander. Kurzfristige Erfolge eines Einzelnen,
    LN: 30 ha
    Inbetriebnahme ( Jahr): 2005                            haben in letzter Konsequenz aber negative Effekte für
    Verarbeitete Menge Biomasse: 40’000 t                   alle, ist Peter Wyss überzeugt.
    Installierte Leistung BGA: 750 kW
    Jährliche Stromproduktion Netto: 5.1 GWh
    Nutzung Abwärme: 350 Wohnungen Warmwasser und
    Heizung, Holztrocknung                                  * S chätzung auf Datenbasis 2016 (exkl. allfällige Substitution fossiler
    Klimaschutzleistung: Reduktion von 600 t CO 2 e/Jahr*      Brennstoffe durch BHKW-Abwärme)

                                                                                                                                        17
Vorurteile vs. Realität

 Biogasanlagen haben ein unter­schiedliches, aber
 laufend besseres Image. Hier sind die gängigsten
 Vorurteile und die Realität:

«Biogasanlagen verursachen Verkehr»

  VO R U R T E I L                      R E A L I TÄT

  Es wird behauptet, dass der Betrieb   Realität ist, dass dort, wo Biogasanlagen gebaut
  einer Biogasanlage zu mehr            werden, auch schon vorher Landwirtschaft betrieben
  Verkehrs­aufkommen führt.             wurde und landwirtschaftlicher Verkehr stattfand.
                                        Dennoch nimmt die Intensität an manchen Stand­-
                                        orten durch den Betrieb der Biogasanlage zu. Eine
                                        stattliche Anzahl Biogasanlagen­b etreiber haben
                                        um den Transport zu reduzieren Lösungen gefunden
                                        und die Nachbarbetriebe liefern die Gülle per
                                        unterirdische Leitungen.

«Biogasanlagen verschwenden Nahrungsmittel»

  VO R U R T E I L                      R E A L I TÄT

  Energiepflanzen wie Mais werden       In der Schweiz werden keine Feldfrüchte für die
  extra für die Biogasproduktion        energetische Verwertung in Biogas­anlagen angebaut.
  angebaut und verur­sachen damit       Es gilt das Prinzip: Erst Teller, dann Trog, dann Tank.
  Nahrungsmittelkonkurrenz.             Nur biogene Abfälle, die nicht mehr in der
                                        menschlichen oder tierischen Nahrung verwendet
                                        werden können, dürfen in Biogas­anlagen verwertet
                                        werden.

 18
«Biogasanlagen stinken»

     VO R U R T E I L                     R E A L I TÄT

     Biogasanlagen stinken und            Hofdünger gelangen in ein geschlossenes System,
     Vergärungsprodukte bereiten          dadurch reduzieren sich die Geruchsemissionen
     Probleme.                            im Vergleich zur herkömmlichen Güllelagerung.
                                          Dank dem Vergärungsprozess wird die Gärgülle
                                          geruchsneutraler. Gleichzeitig erhöht sich die Pflan-
                                          zenverfügbarkeit des in Vergärungsprodukten
                                          enthaltenen Stickstoffes und die Stickstoff­e ffizienz
                                          kann bei sachgerechter Ausbringung erhöht werden.
                                          Dank dem höheren Nährstoffgehalt der Vergärungs-
                                          produkte können Handelsdünger ersetzt werden.
                                          Langfristig haben Vergärungsprodukte im Vergleich
                                          zu Handelsdünger einen positiven Effekt auf den
                                          Humusaufbau.

«Biogasanlagen sind teuer»

  VO R U R T E I L                     R E A L I TÄT

  Biogasanlagen sind keine sinnvolle   Ursprünglich war Biogas die günstigste Technologie.
  erneuerbare Energie­quelle, weil     Unter anderem durch viele neue technische und
  die Produktion im Gegensatz zur      administrative Auflagen in den letzten Jahren ist sie
  Photovoltaik viel zu teuer ist.      tatsächlich eine der teureren Technologien. Aber
                                       sie sind ihren Preis wert: Biogasanlagen produzieren
                                       im Gegensatz zu Photovoltaik, Wind und usw.
                                       witterungsunabhängig, liefern Band­energie und
                                       können flexibel produzieren und sind so eine ideale
                                       Ergänzung zu den anderen Erneuerbaren. Sie
                                       leisten einen grossen Beitrag an den Klimaschutz
                                       und produzieren wertvolle Natur­dünger. Für die
                                       Energiewende braucht es alle Technologien, alle
                                       haben ihre Vor- und Nachteile.

                                                                                               19
«Der Anteil von Methan als
Treibstoff wird steigen»

Charles Millo ist Biogasproduzent, hat             Herr Millo, Sie sind 2013 zusammen mit Ihrem
eine Gärtnerei in Vernier bei Genf und             Nachbarn, dem Landwirt Marc Zeller, in die
                                                   Biogasproduktion eingestiegen. Was war damals
eine Blumenladenkette. Bald wird er
                                                   der Grund für diese Investition?
eine der ersten Biogas-Tankstellen in              Meine Urmotivation für die Biogasanlage war, dass ich
der Schweiz bauen.                                 meine Gewächshäuser nachhaltiger beheizen wollte.
                                                   Ich habe damals verschiedenste Technologien geprüft.
                                                   Die Biogasanlage bot sich an, weil sie nicht nur Wärme
                                                   sondern auch Strom liefert. Die Gewächshäuser meiner
                                                   Gärtnerei sind zur Hauptsache mit der Abwärme der An-
                                                   lage beheizt. Wir hätten aber damals nie daran gedacht,
                                                   dass wir einmal eine Biogas-Tankstelle bauen würden.

                                                   Wie und wann kam es, dass Sie nun das Biogas
                                                   aus Ihrer Anlage aufbereiten und über eine
                                                   eigene Tankstelle als Treibstoff nutzen?
                                                   Im März 2018 habe ich Sibylle Berger vom Verein Fahr-
                                                   Biogas am Genfer Autosalon kennengelernt. In der
                                                   Folge bin ich mit ihr, sowie Victor Anspach und Ronan
                                                   Bourse von Ökostrom Schweiz, direkt eine konkrete
                                                   Planung angegangen. Ökostrom Schweiz unterstützt
                                                   mich bei der Wahl des richtigen Tankstellen-Moduls
                                                   und -Systems, sowie bei der Abklärung aller raumpla-
                                                   nerischen und gesetzlichen Auflagen.

                                                   Wie passt eine solche Tankstelle in Ihren Betrieb?
                                                   Wofür wird sie genutzt werden?
                                                   Mein Ziel ist es, komplett geschlossene Kreisläufe in
                                                   meinem Betrieb zu haben. Strom und Heizung sind fast
                                                   schon 100 % erneuerbar. Die Bewässerung wird zum
                                                   Teil aus Regewassertanks gespiesen. Ausserdem haben
                                                   wir gerade bei den Tulpen ein System, das die Wieder-
                                                   verwendung des Wassers ermöglicht. Das drainierte
                                                   Wasser wird mit einer Ozondesinfektion gereinigt und
                                                   kann so erneut genutzt werden, was den Wasserver-
                                                   brauch um 90 % senkt. Dass wir unsere Transporter für
                                                   die Blumenlieferungen künftig mit eigenem Methan an-
                                                   treiben, ist ein logischer Schritt auf diesem Weg, total
                                                   erneuerbar zu werden.

                                                   Wie ist die Umsetzung geplant?
                                                   Im Sommer schaffe ich den ersten gasbetriebenen
                                                   Lieferwagen an. Innert vier Jahren möchten wir alle 13
                                                   Fahrzeuge der Gärtnerei – auch das Privatauto – mit
                                                   CNG-Fahrzeugen ersetzen. Miteigentümer der Bio-
                                                   gasanlage, Marc Zeller, überlegt sich die Anschaffung
Charles Millo und Marc Zeller tanken bald Methan   eines CNG-Traktors. Der Bau der Tankstelle ist auf den
von der eigenen Tankstelle.                        Herbst 2021 geplant.

20
Was bedeutet die Nutzung von Methan aus
eigener Quelle für Ihre Fahrzeuge für das
Betriebsergebnis? Sinken dann die Einnahmen
vom Strom, dafür aber auch die Kosten für
den Transport?
Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren
die Produktion um 25 % erhöhen können. Die Gastank-
stelle wird voraussichtlich zirka 10 % des Biogases aus
unserer Anlage abziehen. Die Stromproduktion sinkt
also nicht. Wir schätzen dass die Transportkosten
um 10 % pro Jahr sinken, wenn der Benzinpreis gleich
bleibt. Der Preis pro Kilometer ist sicher besser – die
Initial-Investitionen sind aber mitgerechnet, wenn wir
10 % Kostenreduktion für den Transport rechnen.

Was glauben Sie, welche Rolle wird die Biogas­
produktion in 20 Jahren in der Schweiz spielen?
Die Energie wird immer diverser in Zukunft. Dabei wird
der Anteil Biogas insgesamt ansteigen. Und zwar in allen
Formen: Gaseinspeisung, Stromproduktion und Treib-
stoff. Auch für Wasserstoff sehe ich grosses Potenzial.
Für unseren Betrieb ist die Biogas-Tankstelle ein erster
Schritt, der nächste Schritt wird eine Power-to-Gas-
Einrichtung sein. Damit können wir dann auch Energie                          Im Herbst 2019 ist die erste reine Biogas-Tankstelle der
speichern. Es ist ein absolutes Muss, dass künftig ein-                       Schweiz direkt bei einer Biogasanlage in Frutigen (BE)
zelbetrieblich und gesamtwirtschaftlich nachhaltiger                          eröffnet worden.
mit Ressourcen umgegangen wird. Biogasanlagen sind
auf vielen Ebenen gut dafür geeignet.

    Betriebsspiegel Biogaz Mandement, Vernier
    Betriebszweige Hof Marc Zeller: Milchwirtschaft, Ackerbau, Biogas
    Tierbestand Hof Marc Zeller: 100 Milchkühe, 140 Rinder und Kälber
    LN Hof Marc Zeller: 117 ha
    Inbetriebnahme Biogasanlage: 2013
    Verarbeitete Menge Biomasse/ Jahr: 18’000 t
    Installierte Leistung: 440 kW
    Jährliche Stromproduktion Netto: ~3’000’000 kWh
    Nutzung Abwärme: Gewächshäuser
    Klimaschutzleistung: Reduktion von 500 t CO 2 e *

    * S chätzung auf Datenbasis 2015 (exkl. allfällige Substitution fossiler Brennstoffe durch BHKW-Abwärme)

                                                                                                                                         21
«Immer neue Lösungen»

Biobauer Michael Müller betont die
Vielschichtigkeit von Biogasanlagen.
Er ist seit 2014 Präsident von
Ökostrom Schweiz und betreibt seine
Biogasanlage in Eschlikon TG.

«
      Als ich begann, mich für Biogas zu interessieren,
      kam ich direkt mit Ökostrom Schweiz in Kontakt.
      Denn dort fand ich Know-how und Ansprechpart-
ner auf allen Ebenen. Als ich 2006 beigetreten bin, war
ÖS praktisch noch eine «one-man show», geführt von
Stefan Mutzner, der Mann für Alles. Die Biogashöcks
waren jeweils sehr familiär und die Anzahl der Mitglie-
der überschaubar. Jeder kannte jeden. Was mich bis
heute fasziniert, war und ist die Offenheit vieler An-
lagenbetreiber die über Ihre Erfahrungen und Fehler
sprechen. Davon durfte ich für die Planung und den
Bau meiner Anlage stark profitieren. Auch heute noch
ist dieser Erfahrungsaustausch gross, sofern er von
Neumitgliedern auch aktiv gesucht wird.

Seit 2012 bin ich Mitglied des Vorstandes und seit 2014
Präsident von Ökostrom Schweiz und widme mich die-
ser spannenden Aufgabe. Die Zusammenarbeit mit den
Vorstandkollegen und der Geschäftsführung ist eine
grosse Bereicherung.

In den ersten Jahren meiner Amtszeit als Präsident        2008 starteten. Wir waren der Zeit voraus und die ge-
waren die Traktandenlisten der Vorstandssitzungen         setzlichen Grundlagen wurden nicht so umgesetzt wie
kürzer und die Themen weniger komplex. In der Zwi-        ursprünglich politisch angedacht. Deshalb mussten wir
schenzeit werden sie immer länger und die Themen mit      dieses Projekt fürs Erste wieder sistieren. Dann aber,
denen wir uns im Vorstand auseinander setzen – und        als die Gesetzesgrundlagen geschaffen wurden, reak-
darüber entscheiden müssen – zunehmend vielschich-        tivierten wir das Projekt und setzten es um. So wurde
tiger. Seit 2005 bin ich zudem Verwaltungsratsmitglied    2015 die Tochterfirma «Fleco Power AG» gegründet.
von Fleco Power und vertrete die Anliegen der Biogas-
produzenten und der landwirtschaftlichen Energiepro-      Die Biogasproduktion ist ein Mehrfrontenkrieg. Scheint
duzenten.                                                 an einer Front der Abschluss von Lösungen vor der
                                                          Türe, geht es bereits an einer anderen Front wieder
Wir führen sporadisch Vorstandsworkshops durch, an        weiter. Langeweile kommt deshalb nie auf. Und so kann
welchen wir uns zu Zukunftsthemen vertieft beschäf-       es durchaus mal vorkommen, dass Zukunftsprojekte
tigen und die strategischen Stossrichtungen unserer       depriorisiert werden müssen auf Grund anderer Ak-
Genossenschaft festlegen. Bei unseren strategischen       tualitäten.
Entscheiden steht immer an erster Stelle, dass wir den
Mitgliedern zusätzlichen Nutzen bringen, die Wirt-        Es kommen noch viele Herausforderungen auf uns zu,
schaftlichkeit der Anlagenbetreiber verbessern und als    im Energiebereich bspw. zeichnen sich mit der vollstän-
Produzentenorganisation unabhängig agieren.               digen Marktliberalisierung grosse Herausforderung ab.
                                                          Wir packen sie an und nutzen die Chancen!»
Ich erinnere mich noch gut, als wir den Aufbau eines
virtuellen Kraftwerkes für die erneuerbaren Energien      Michael Müller, Präsident

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«Landwirte werden Energie-
und Klimawirte»

Ökostrom Schweiz ist gewachsen.                            ist wichtig, dass für die Biogas-, Stromproduktion und
Vom Ein-Mann-Betrieb zum Fach­                             die Klimaschutzleistungen der Landwirte eine Markt-
                                                           bündelung durch eine eigene Organisation erfolgt. Nur
verband mit vielen Spezialisten und
                                                           so kann eine Direktlieferung ohne Zwischenhandel er-
einer vierköpfigen Geschäftsleitung.                       folgen und nur so bleibt ein möglichst hoher Anteil der
Gemeinsam schaffen wir Zukunft:                            Wertschöpfung bei den Landwirten.

«
     Unsere Vision für 2040 sind energieautarke und        Die Landwirte werden nicht nur zu Energiewirten
     fossilfreie Landwirtschaftsbetriebe. Die Landwirte    (Strom, Wärme, Treibstoffe) sondern auch zu Klimawir-
     betreiben Traktoren, ihre Autos und auch Nutz-        ten. Sie werden einen grossen Beitrag an die Strompro-
fahrzeuge entweder mit Biogas oder Strom. Betriebs-        duktion, an die Klimaschutzzielerreichung und einen
fremde Fahrzeuge tanken an den landwirtschaftlichen        Beitrag zur Treibstoffversorgung der Schweiz leisten.
Biogas- oder Stromtankstellen. Ökostrom Schweiz oder       Das Potenzial ist da: Hofdünger, Sonne, Wind, Geother-
Fleco Power hat eine ‹landwirtschaftliche Tankkarte› um-   mie und Wasser.
gesetzt, welche es Kunden ermöglicht ihre Fahrzeuge an
allen landwirtschaftlichen Biogas- oder Stromtankstel-     Zudem wünschen wir uns, dass die Mitglieder unserem
len der Schweiz zu tanken. Die Tankabrechnungen er-        Fachverband treu bleiben und den Nutzen der Bünde-
folgen zentral. Das betriebseigene Holz wird vermehrt      lung sehen. Damit unsere Organisation die Interessen
energetisch genutzt und die Landwirte sind Wärmeliefe-     der Mitglieder weiterhin vertreten kann.»
ranten für private Haushalte und Industriebetriebe.
                                                           Die Geschäftsleitung
Des Weiteren vermarktet Fleco Power die von Land-          Stefan Mutzner (Vorsitzender der Geschäftsleitung),
wirten produzierte Energie sowohl an Endkunden als          Jürg Messerli, Fabienne Thomas und Victor Anspach.
auch gebündelt an alle anderen relevanten Märkte. Es       (v.l.n.r.)

                                                                                                                 23
Ökostrom Schweiz
Technoparkstrasse 2
8406 Winterthur

info@oekostromschweiz.ch
www.oekostromschweiz.ch
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