2017 Klima- und Energiefonds
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
AUSTRIAN CLIMATE RESEARCH PROGRAMME in E S S E NC E BERICHTE ZUR KLIMAFOLGENFORSCHUNG 2017 w w w.klimafonds.gv.at
Inhalt 05 COSIMA Im Zentrum des Projekts steht die Analyse sozialer Praktiken zur Klimaschonung und -anpassung in gemeinschaftsorientierten Nachhaltigkeitsinitiativen. Ziel des Projekts ist es, herauszufinden, unter welchen Bedingungen erfolgreiche Praktiken entstehen und sich als soziale Innovationen stabilisieren können. 15 VOICE Infolge des Klimawandels stehen Einsatzorganisationen vor neuen Herausforderungen. VOICE erstellte eine umfassende Bewertung der sozialen, ökonomischen und organisatorischen Einflussfaktoren auf Freiwilligenarbeit im Katastrophenmanagement und leitete daraus Maßnahmen ab. 25 BottomUp:Floods Das Ziel der BottomUp:Floods-Studie ist die Untersuchung von Best-Practice-Bürgerinitiativen in und außerhalb Europas, um diese für Österreich als Ergänzung zu den traditionellen Top-down-Ansätzen nutzbar zu machen. 31 TransWind TransWind untersucht in einem partizipativen und integrativen Forschungsansatz, wie verschiedene Ausbauszenarien für Windenergie durch gesellschaftliche Gruppen beurteilt werden. 38 Alle geförderten Projekte im Überblick 40 Bisherige Ausgaben von „ACRP in essence“ 1
Im Rahmen von Klimaschutz und Klimawandel- Vorwort anpassung ist Partizipation ein wichtiges Instrument, um durch die breite Beteiligung vieler AkteurInnen die Wissensgrundlage zu stärken und für das Problem zu sensibilisieren. Als Alpenland ist Österreich stärker vom Klima- Wirksame und nachhaltige Maßnahmen sind oft mit wandel betroffen als der europäische Durchschnitt. komplexen Entscheidungen verbunden, da die Folgen Durch die kleinräumige Struktur und topografisch und Risiken in ihrem ganzen Umfang schwer abzu- unterschiedliche Gegebenheiten können sich Klima- schätzen sind. Für eine effektive Umsetzung kann wandelfolgen regional unterscheiden. Es ist daher die Einbindung unterschiedlicher AkteurInnen ein wichtig, regional und lokal angepasste Maßnahmen wichtiger Bestandteil sein. Unter der Einbeziehung im Klimaschutz und der Klimawandelanpassung verschiedener Stakeholder und der Bevölkerung kann zu setzen. regionales Knowhow, Bedürfnisse, Sichtweisen oder Erfahrungen aus der Praxis in die Maßnahmenpla- nung mitein-fließen und eine breite Expertise schaffen. Die vorgestellten Projekte bilden eine Wissensbasis zum Thema Partizipation im Klimaschutz und der Klimawandelanpassung. Sie wurden im Rahmen des Förderprogrammes „Austrian Climate Research Programme (ACRP)“ des Klima- und Energiefonds unterstützt. Seit 2007 wurden vom Klima- und Ener- giefonds insgesamt 191 ACRP-Projekte gefördert, die die wissenschaftliche Grundlage für Klimawandel- anpassungsmaßnahmen darstellen. Ingmar Höbarth Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Geschäftsführer Ihr Klima- und Energiefonds Team 2 3
COSIMA COSIMA Projektleitung Governing Community-Based Social Innovation for Climate Change Mitigation and Adaption Dr. Willi Haas, Dr. Daniel Hausknost Alpen-Adria Universität, Institut für Soziale Ökologie Weitere AutorInnen: Sabine Hielscher, Nikolai Jacobi, Iris Kunze, Michaela Leitner, Sylvia Mandl, Martina Schäfer Beteiligte Institutionen • Zentrum Technik und Gesellschaft, Berlin „Die Analyse soll zeigen, über welche Handlungs- Über den Fokus Alltagspraktiken den • Universität für Bodenkultur Wien, gW/N Center for global change and sustainability optionen lokale Initiativen verfügen, beziehungs- Handlungsraum für Klimaschutz erhöhen • Österreichisches Institut für nachhaltige Entwicklung weise, welche Rahmenbedingungen solche Initiativen benötigen, um ihren Beitrag zur Der jüngste Bericht des Weltklimarates der Vereinten Erreichung der Klimaziele leisten zu können.“ Nationen (IPCC) betont erneut die Dringlichkeit einer grundlegenden und umfassenden Transition Gute Gründe für das Projekt industrialisierter Gesellschaften hin zu einer Low- Carbon-Gesellschaft. • Eine effektive Klimapolitik muss neben internationalen Vereinbarungen auch auf lokale Initiativen setzen. Angesichts des sich schnell schließenden Zeitfensters • Ansätze im Klimaschutz beschäftigen sich selten mit konkreten Veränderungs- zur Einhaltung des 2-Grad-Zieles haben politische möglichkeiten für Alltagspraktiken. AkterInnen erkannt, dass eine effektive Klimapolitik • Analyse der Gestaltungsmöglichkeiten von soziopolitischen und materiellen Rahmen- nicht allein auf internationale Vereinbarungen, etwa bedingungen für diese Praktiken, sodass Low-Carbon-Praktiken stärker Verbreitung finden zur Emissionskontrolle, sondern auch auf lokale und carbonintensive Praktiken reduziert werden. Initiativen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche setzen muss. Während technische Lösungsansätze dominieren, um klimaschädliche Auswirkungen zu minimieren, bleiben jene Ansätze selten, die konkre- te Veränderungsmöglichkeiten für Alltagspraktiken unter die Lupe nehmen. Genau an dieser Stelle setzen die Analysen des Projekts COSIMA an. 4 5
COSIMA In einem partizipativ geführten Forschungsprojekt Projektziele kommen engagierte BewohnerInnen von Ökodörfern und PionierInnen aus Klimagemeinden zu Wort. Den inhaltlichen Schwerpunkt des Projekts COSIMA bildete die Analyse sozialer Alltagspraktiken n io „Die Leute verstehen diese Rechnung [langfristiger zur Klimaschonung und -anpassung lokaler Nach- t uk od Einsparung durch Klimaschutz] nicht, sagen nur, haltigkeitsinitiativen. pr Re Abstimmung dass kein Geld da ist…“, meint eine TeilnehmerIn bei einem der Workshops des Projekts. „Man muss ins Es ging darum herauszufinden, wie die soziopoliti- BOTTOM-UP- System eingreifen. Es braucht etwas auf Bundesebene, schen und materiellen Rahmenbedingungen für diese POLITIK INITIATIVEN das gelungene Beispiele verbreitet und an die Bevöl- Praktiken günstig gestaltet werden können, sodass Gestaltung von Ökodörfer kerung weitergibt. Wir sollten fragen: was können Low-Carbon-Praktiken stärker Verbreitung finden Rahmenbedingungen entwicklen für Praktiken Initiativen für die Gemeinden tun…“, sagt eine andere und carbonintensive Praktiken reduziert werden. Das Praktiken Teilnehmerin – und tatsächlich: In den letzten Jahren interdisziplinäre Projektteam analysierte Maßnahmen VERTIK ALE TIEFE haben Regierungen begonnen, die Bedeutung lokaler aus Ökodörfern und Klimagemeinden unter Einbe- Initiativen für den Klimaschutz sowie die Pionier- ziehung ihrer RepräsentantInnen, um daraus den Abstimmung arbeit, die diese leisten, anzuerkennen. Auf nationaler Optionenraum für weitreichende Veränderungen zu und internationaler Ebene wird versucht, gelungene vergrößern. Außerdem bestand ein wissenschaftlicher Beispiele solcher Initiativen bekannt zu machen und Mehrwert darin, durch die Untersuchung der gesetz- zu ihrer Verbreitung beizutragen. ten Maßnahmen, eine Typologie von praxistheoreti- TOP-DOWN- schen Interventionsmodi empirisch zu überprüfen und Vergrößerung INITIATIVEN Das vom österreichischen Klima- und Energiefonds weiterzuentwickeln, welche als Analysewerkzeug für Klimagemeinden finanzierte Projekt COSIMA untersucht auf trans- weitere Projekte dieser Art verwendet werden kann disziplinäre und partizipative Weise lokale, und somit einen Beitrag zur Verbreitung und Aner- gemeindebasierte Top-down- und Bottom-up- kennung sozialwissenschaftlich basierter Klima- und Initiativen zur Klimaschonung und -anpassung in Nachhaltigkeitsforschung leistet. Österreich und Deutschland. HORIZONTALE REICHWEITE Theoretischer Hintergrund Der theoretische Hintergrund der Analyse der kli- marelevanten Alltagspraktiken im Projekt COSIMA Abb. 1 beruht auf der Praxistheorie. Entgegen der Hand- Wirksamkeit und Verbreitung von Maßnahmen lungs- sowie der Systemtheorie, bei welchen individu- Die vertikale Tiefe beschreibt die Klimawirkung, während die horizontale Reichweite die Verbreitung der elles Verhalten, beziehungsweise soziale Systeme im Maßnahmen beschreiben. Zentrum stehen, bilden soziale Praktiken den Analyse- gegenstand der Praxistheorie. 6 7
COSIMA Eine Praktik wird hier zum einen als das Ausführen Die für COSIMA ausgewählten Initiativen umfassten: einer (Alltags-)handlung, zum anderen aber auch als ein Muster kombinierter Ausführungen solcher Hand- ·· Das Ökodorf POMALI in Wölbing/NÖ, lungen verstanden. ·· das Dorf Lebensraum in Gänserndorf bei Wien, Maßnahmen (Alltagspraktiken) ·· das Ökodorf Sieben Linden in Beetzendorf/D, EinwohnerInnen Praktiken bestehen aus verschiedenen Elementen: ·· die Klimagemeinde Laxenburg/NÖ, Ausdehnung Material, Bedeutung und Kompetenz. ·· die Ökoregion Kaindorf/Stmk und Ernährung Vertiefung Mobilität Wohnen Laut Theorie kann mittels dreier Interventionstypen ·· die Klimaregion Beeskow in Deutschland. politische Organisationsstruktur eingegriffen werden (re-crafting, substituting and interlocking), wodurch eine Praktik entstehen, sich Vollversammlung mit RätInnen Sieben verändern oder auflösen kann. Beim re-crafting einer Ökodörfer sind selbst initiierte intentionale Gemein- 140 und Untergruppen (genos- Linden Praktik werden ihre Elemente teilweise klimafreund- schaften, in denen sich Menschen zusammenfinden, sensch. Gemeinschaftsbesitz) lich verändert, die Praktik bleibt aber funktional die ihr Leben gemeinschaftlich nachhaltiger gestalten ÖKODORF GERING HOCH Verein mit bedarfsbezogenen gleich. Beispiele dafür sind verbesserte Automobil- wollen. Somit werden auch klimarelevante Handlun- Lebensraum 80 Arbeitsgruppen technologie sowie das Heizen mit Pellets statt Heizöl. gen wie Essen, Mobilität und Wohnen gestaltbar. Die Substituting beschreibt das Ersetzen klimaschädlicher Einsparung von Ressourcen und Emissionen wird Soziokratische Struktur mit Pomali 80 Arbeitskreisen und koord. durch klimafreundliche Praktiken, wie beispielsweise über Prozesse der Kollektivierung ermöglicht. Bei- Leitungskreis Autofahren durch Radfahren. Beim Interventions- spiele dafür sind etwa gemeinschaftliches Kochen und typus des interlocking werden klimaschädliche Essen, die kollektive Besorgung nachhaltig produzier- Verein mit Gemeindever- Kaindorf 6.200 treterInnen und engagierten Praktiken obsolet gemacht indem das Zusammen- ter Lebensmittel (Food-Coop) sowie gemeinsamer Au- KLIMAGEMEINDE BürgerInnen (AG) wirken verschiedener anderer Praktiken verändert tobesitz (car-pooling). Solche Mechanismen sind zwar wird. Durch Vergemeinschaftungsprozesse können prinzipiell auch außerhalb von Ökodörfern umsetzbar GERING HOCH Repräsentative Demokratie in Laxenburg 2.700 Heimarbeit, flexible Arbeitszeiten, oder gemeinsames – die soziale und materielle Struktur der Ökodörfer Gemeindestrukturen Einkaufen und Kochen zu einem verringerten Mo- erleichtert jedoch ihre Organisation. bilitätsbedürfnis führen und somit den Besitz eines Repräsentative Demokratie in Beeskow 38.500 eigenen Autos obsolet machen. Im Klimaschutz aktive Gemeinden haben das Ziel, Gemeindestrukturen ihren BewohnerInnen die Wahl nachhaltiger Alternati- ven zu ermöglichen und zu nachhaltigem Handeln zu Partizipative Forschung in gemeinschafts- motivieren. Der Optionenraum gestaltet sich jedoch orientierten Nachhaltigkeitsinitiativen anders als in Ökodörfern. So können Gemeinden die Lebensstile ihrer BewohnerInnen weniger stark be- Vor diesem Hintergrund wurden sechs lokale einflussen und fokussieren daher auf das Begünstigen Initiativen (Ökodörfer und Klimagemeinden) und Bewerben von klimafreundlicheren Angeboten. Abb. 2 untersucht, ihre jeweiligen Klimaschutzmaß- Da GemeindebewohnerInnen ihr Leben in getrennten Maßnahmen: Ökodörfer/Klimagemeinden nahmen eingeordnet und nach ihrem Wirkungs- Haushalten organisieren, sind gemeinschaftliche Zu- potenzial auf Alltagspraktiken diskutiert. gänge wie gemeinsames Kochen und Essen kaum zu 8 9
COSIMA verwirklichen. In den meisten untersuchten Gemein- die Veränderung des Zusammenwirkens unterschiedli- den ist die Organisation der klimaschutzbezogenen cher Praktiken (interlocking) und auf die Substitution Aktivitäten vor allem top-down bzw. zentral gesteuert (substitution) klimaschädlicher durch klimafreund- (z. B. Information und Beratung, sowie Anreiz- liche Praktiken. Dabei setzen sie sich selber Regeln schaffung). und schaffen infrastrukturelle Bedingungen, die auch die Reduktion klimaschädlicher Alltagspraktiken Das COSIMA Projektteam tauschte sich mit Verant- zum Ziel hat (z. B. keine Privatautos innerhalb des 1 wortlichen und BewohnerInnen in Form von Inter- Ökodorfs, ausschließlich vegetarische oder vegane views, Telefonaten und Workshops mit dem Ziel aus, Gerichte in der Gemeinschaftsküche). klimarelevante Maßnahmen und ihre potenziellen Wirkungen auf Alltagspraktiken für die Konsum- Eine der zentralen Erkenntnisse aus der Analyse ist, kategorien Mobilität, Ernährung und Wohnen zu dass die klimarelevanten Maßnahmen der Ökodörfer erfassen. Aufgrund der so gewonnenen Informationen besonders umfassend sind. Dies ist eng mit der kollek- wurden Praktiken in Hinblick auf die praxistheoreti- tiven Organisationstruktur der Ökodörfer verknüpft: schen Interventionsmodi analysiert. In Analyse- und Konsens unter den BewohnerInnen hinsichtlich der 2 Initiativenworkshops wurden Unterschiede, Gemein- Umsetzung einer nachhaltigeren Lebensweise existiert samkeiten sowie Herausforderungen der jeweiligen bereits, ebenso wie Governance-Strukturen, die diese Initiativentypen diskutiert. Zum Projektabschluss Umsetzung erleichtern. Gleichzeitig sind die Maßnah- wurde ein Stakeholderworkshop mit VertreterInnen men der Ökodörfer stark limitiert in ihrer Wirkungs- aller Initiativen, sowie aus Lokalpolitik, Verwaltung, breite, d.h. sie betreffen nur eine geringe Anzahl an Wirtschaft und NGOs abgehalten, in dem gemeinsam Menschen. über gelungene Beispiele reflektiert und Politikemp- fehlungen erarbeitet wurden. Die meisten Maßnahmen in Ökodörfern werden im Bereich Wohnen gesetzt. Abb. 1 Hier kommt es durch nachhaltige Wohngebäude zu Einsparungen im Ergebnisse und Politikempfehlungen Energie- und Materialverbrauch. Im Bereich Ernäh- 3 rung können Ökodörfer durch gemeinsame Beschaf- Die Analysen zeigen eine Tendenz der Klimagemein- fung, Kochen, Essen und teilweise durch eigenen den eher auf den „Umbau“ bestehender Praktiken ökologischen Landbau oder Gärtnern, Treibhausgase (re-crafting) sowie auf die Stärkung von Alternativen einsparen. Dazu kommt, dass in allen Ökodörfern (substitution) zu setzen – ohne die Notwendigkeit gemeinschaftlich vegan, oder zumindest vegetarisch klimaschädlicher Praktiken selbst infrage zu stellen gekocht wird, was wiederum zu Einsparungen führt. Abb. 3 oder diese aktiv zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist Im Bereich Mobilität sind Ökodörfer oft mit der Ausgewählte Ökodörfer die Förderung von Radwegen, während gleichzeitig Herausforderung konfrontiert, dass sie auf günsti- 1. Ökodorf POMALI in Wölbing/NÖ, 2. Dorf Lebensraum in Gänserndorf bei Wien, 3. Ökodorf Sieben Linden in Beetzendorf/D kaum Anreize geschaffen werden, das Autofahren gen Baugrund angewiesen sind, dieser aber über eine selbst zu reduzieren. Ökodörfer setzen tendenziell auf schlechte öffentliche Verkehrsanbindung verfügt. 10 11
COSIMA Gleichzeitig können sie aber Mobilitätsprobleme Der Vergleich dieser beiden so unterschiedlichen gemeinschaftlich lösen, z. B. durch gemeinsamen Besitz Typen von Initiativen zeigt einerseits, dass sowohl von Autos oder E-Bikes. Zusätzlich können sie durch Ökodörfer als auch Klimagemeinden spannende großzügige Gemeinschaftsräume zur Freizeitgestaltung Experimentierräume für Maßnahmen sind, die zur vor Ort oder kollektives Essen den Mobilitätsbedarf Nachahmung einladen, aber weist auch darauf hin, verringern (interlocking). wie voraussetzungsvoll die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Etablierung von Low-Carbon- 2 Klimagemeinden, sind durch geringe vertikale Tiefe Initiativen auf lokaler Ebene sind. einerseits und große horizontale Reichweite ande- rerseits ausgezeichnet. Ihre Maßnahmen haben also Andererseits könnten auch sogenannte Hybrid- eine geringere Klimawirkung, finden aber größere strukturen große Vorteile bringen, wenn Ökodörfer, Verbreitung, da sie wesentlich mehr Menschen betref- als Initiativen mit Maßnahmen großer Eingriffstiefe, fen als in Ökodörfern. Die meisten Maßnahmen in mit (Klima-)Gemeinden, die Maßnahmen großer Klimagemeinden finden durch Förderungen im Bereich Wirkungsbreite umsetzen können, kombiniert werden. Wohnen statt, hier überwiegt die klimafreundliche So könnte das Engagement und die Erfahrung von Sanierung gemeindeeigener Gebäude. In der Kategorie Ökodörfern genutzt werden, um Alltagspraktiken zu Mobilität ist der (Aus-)Bau von Radwegen eine belieb- entwickeln, die auch für breitere Bevölkerungskreise te Strategie das Radfahren zu fördern, ohne direkt zur attraktiv werden. 1 Reduktion des Autoverkehrs beizutragen. Abb. 2 Abb. 1 Interessant sind Beispiele für Interventionen des Typs interlocking einiger Gemeinden: So haben die Klima- regionen Beeskow und Kaindorf ihren Stadt- bzw. 3 Dorfkern deutlich attraktiver gemacht, etwa durch nachhaltige Sanierung von Gebäuden und die Revitali- sierung eines Kinos. In der Gemeinde Laxenburg etwa, wurde ein neuer Badeteich angelegt. Diese Maßnah- men werden von den Gemeinden nicht als Klimamaß- nahmen eingestuft, haben jedoch durch die herbeige- führte Mobilitätsreduktion, positive klimabezogene Auswirkungen (interlocking-Effekt). Abb. 4 Ausgewählte Klimegemeinden 1. Klimaregion Beeskow/D, 2. Ökoregion Kaindorf/Stmk, 3. Klimagemeinde Laxenburg/NÖ Willi Haas, Daniel Hausknost 12 13
VOICE VOICE Projektleitung Freiwilligenarbeit im Katastrophenschutz – Herausforderungen durch den Klimawandel Dr. Sebastian Seebauer Universität Graz, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel Weitere AutorInnen: Clemens Liehr, Maria Balas, Natalie Glas, Birgit Bednar-Friedl Beteiligte Institutionen • Umweltbundesamt GmbH • riocom, Ingenieurbüro für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft • Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung Einsatzorganisationen mit ihrer großen Anzahl Herangehensweise an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern bilden das Rückgrat des Katastrophenmanagements Das Projekt VOICE baute auf mehreren empirischen Gute Gründe für das Projekt in Österreich. Methodenschritten auf: Aus Einsatzdatenbanken, Niederschlagsdaten und Klimaszenarien wurde • Der Trend zu häufigeren und intensiveren extremen Wettereignissen wird sich in Zukunft Der Klimawandel stellt diese Organisationen, im abgeschätzt, wie sich die Häufigkeit von Einsätzen fortsetzen. In der Folge ist eine Zunahme von Großeinsätzen von ehrenamtlichen Einsatz- Zusammenspiel mit sozioökonomischen Trends, vor von Blaulichtorganisationen durch den Klimawandel kräften bei niederschlagsbedingten Naturkatastrophen vor allem in den Sommermonaten neue Herausforderungen. VOICE erstellte eine um- verändern würde. Volkswirtschaftliche Kosten und möglich, die die heutigen Einsatzkapazitäten überfordern könnten. fassende Bewertung der sozialen, ökonomischen und Nutzen von Freiwilligenarbeit wurden qualitativ • Die Bewertung ökonomischer und sozialer Effekte verdeutlicht den materiellen und organisatorischen Einflussfaktoren auf Freiwilligenar- dargestellt und finanziell bewertet. Umfragen unter immateriellen Nutzen der Freiwilligenarbeit und kann dazu beitragen, den Stellenwert von beit im Katastrophenmanagement und leitete daraus Haushalten in hochwassergefährdeten Gebieten ehrenamtlichen Einsatzkräften im Naturgefahrenmanagement zu optimieren. Maßnahmen ab, wie Sozialkapital und Anpassungs- erhoben Risikowahrnehmung und Vertrauen in ver- • Ehrenamtliche Einsatzkräfte sind das Rückgrat des Katastrophenschutzes in Österreich. kapazitäten auf lokaler und regionaler Ebene gestärkt schiedene AkteurInnen in der Risikokommunikation. Die Aufrechterhaltung des ehrenamtlichen Engagements ist eine wesentliche Voraus- werden könnten. Ein wesentliches Element in der Gemeinsam mit einem umfassenden Literaturreview setzung, das hohe Schutzniveau trotz Klimawandel und weiteren Herausforderungen Projektarbeit war die Anwendung partizipativer Me- über Politikinstrumente und von Good-Practice- zukünftig gewährleisten zu können. thoden, um das Wissen von Fachleuten aus der Praxis Beispielen flossen diese Ergebnisse direkt in einen in das Projekt zu integrieren. Beteiligungs-Prozess mit VertreterInnen der ver- schiedenen Institutionen in Katastrophenschutz und Naturgefahrenmanagement ein. 14 15
VOICE Veränderung der Häufigkeit von nicht in Investitionsentscheidungen von Schutzmaß- Hochwassereinsätzen durch den Klimawandel nahmen ein. Analysen von Einsatzstatistiken und DJF: Dezember, Jänner, Februar MAM: März, April, Mai Kostenbewertungen liegen meist nur für größere JJA: Juni, Juli, August Ausgehend von Einsatzzahlen und meteorologischen Ereignisse, wie etwa das Hochwasser 2005, vor. Da- SON: September, Oktober, November Indikatoren zu Hochwasserereignissen im Zeitraum rüber hinaus gestaltet sich die ökonomische Bewer- 2006 bis 2013 in den Bundesländern Steiermark, tung der Freiwilligenarbeit als schwierig. Den Kosten Niederösterreich und Vorarlberg wurde abgeschätzt, für Einsatz-infrastruktur, Einsatzstunden oder dem wie sich die Häufigkeit von Großeinsätzen durch die Verdienstentgang bei Ausrückung während regulärer Auswirkungen des Klimawandels für die Periode von Arbeitszeiten stehen schwer bewertbare Kostenminde- 2021 bis 2050 verändern könnte. Als Großeinsätze rungen und andere Vorteile gegenüber: zum Beispiel werden Einsätze mit mehr als 300 Einsatz-Personen- geringere Schadenskosten, weniger Aufwand für Auf- stunden verstanden. räumarbeiten, stärkerer sozialer Zusammenhalt oder der Gewinn an Sicherheitsgefühl für die Der bereits beobachtete Trend zu häufigeren und Bevölkerung. intensiveren Extremereignissen wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Infolgedessen wird es häufiger zu In VOICE erfolgte daher erstmalig eine finanzielle Großeinsätzen freiwilliger Einsatzkräfte bei Stark- Abschätzung von Kosten und Nutzen aus Freiwilli- niederschlägen kommen, wobei dieser Trend ent- genarbeit im Katastrophenschutz für Österreich. scheidend von der zukünftigen Siedlungsentwicklung Basierend auf einer fiktiven Entlohnung von Einsatz- abhängt. Für den Zeitraum 2021 bis 2050 beträgt die stunden ergibt sich eine Kosteneinsparung von 0,22 Wahrscheinlichkeit von Großeinsätzen bei nieder- bis 1,09 Milliarden Euro pro Jahr, der volkswirt- schlagsbedingten Naturkatastrophen in den Sommer- schaftliche Nutzen von Gesundheitseffekten liegt zwi- monaten (Juni, Juli, August) 24 bis 29 Prozent – das schen 40 und 320 Millionen Euro jährlich, der Nutzen ist eine Zunahme um bis zu drei Prozent gegenüber aus entstehendem Sozialkapital liegt im Durchschnitt dem Referenzzeitraum 1981 bis 2010. Diese Zunahme bei 1,9 Milliarden Euro pro Jahr. vgl.Bachner et al. 2016 unterliegt allerdings hohen Unsicherheiten. 2021-2050 verglichen mit 1981-2010 Abb. 1 Auf Basis einer Befragung wurde zudem die Zahlungs- bereitschaft der Bevölkerung für die Aufrechterhal- tung des Freiwilligensystems in Höhe von 400 Millio- Volkswirtschaftliche Kosten und Nutzen nen Euro pro Jahr und mehr ermittelt. vgl.Bachner et al. 2016 durch die Leistung von ehrenamtlichen Der aggregierte Nutzen aus Freiwilligenarbeit ist Abb. 1 Einsatzorganisationen demnach durchaus groß und übersteigt die aktuellen Zunahme der jährlichen Wahrscheinlichkeit von Großeinsätzen freiwilliger Einsatzkräfte jährlichen Ausgaben für Feuerwehren bei weitem. bei Starkniederschlägen (Änderung in Prozentpunkten) Die Leistungen der Einsatzorganisationen im Kata- (585 Millionen Euro im Jahr 2013; Statistik Austria, 2015) Quelle: Damm et al. (2014, S. 13); weiße Bundesländer: keine Daten verfügbar strophenfall werden aufgrund fehlender Daten bis dato noch zu wenig bewertet und fließen daher meist 16 17
VOICE Wahrnehmung von freiwilligen Partizipative Entwicklung von Hauptberufliche Einsatzkräfte sind... Einsatzkräften in der Bevölkerung Handlungsempfehlungen Kein Unterschied Ehrenamtliche Einsatzkräfte sind... Ehrenamtliche Einsatzkräfte nehmen in der Bevölke- Die aktive Einbindung der Zielgruppe für die Ent- rung einen hohen Stellenwert ein. Die Hauptmotive wicklung von praxistauglichen Maßnahmen zur lang- sich in Einsatzorganisationen zu engagieren sind der fristigen Absicherung der Freiwilligenarbeit war ein Wunsch anderen zu helfen, das Gemeinschaftserlebnis wesentliches Element im Projekt. Die Vorteile und der in den Einsatzorganisationen, der Erwerb und Einsatz Nutzen einer breiten Beteiligung sind vielfach doku- von technisch praktischen Kompetenzen sowie der mentiert. So fließen einerseits verschiedene Sichtwei- Erlebnischarakter. Eine „Belohnung“ für freiwilli- sen, Interessen und Bedürfnisse sowie Erfahrungen aus ges Engagement sollte daher auf Anreize wie soziale der Praxis in die Entwicklung von Maßnahmen ein. Anerkennung setzen. Bei monetären Entschädigungen Zusätzlich liegt der Nutzen einer breiten Beteiligung 90 % 80 % besteht das Risiko, dass der finanzielle Anreiz die in ausgewogeneren Lösungen, einer höheren Akzep- 70 % oben erwähnten Motivationen verdrängt. Das Enga- tanz und Identifikation mit notwendigen Maßnahmen 60 % gement in ehrenamtlichen Katastrophenhilfs- und Ret- und dadurch weniger Konflikten bei der Umsetzung. 50 % tungsdiensten ist seit mehr als 15 Jahren unverändert 40 % hoch, es zeigt sich aber ein Trend zu unregelmäßigem, Zentrales Element des Beteiligungsprozesses war die 30 % seltenerem Engagement. Dies kann die zukünftige Durchführung von fünf Workshops in den Bundes- 20 % 10 % Einsatzbereitschaft von geschulten Einsatzkräften, ländern Vorarlberg, Steiermark und Niederösterreich. insbesondere in entlegenen Regionen, gefährden. So konnte das Wissen und die Erfahrung von etwa Ehrenamtliche Einsatzkräfte werden als besser mit re- 100 Entscheidungs- und HandlungsträgerInnen r r at a m ra n r le ge ge r t le rt ut el ve na lli di gionalen Gegebenheiten vertraut und als kostengüns- aus Einsatzorganisationen, Wirtschaft, Politik und n s er zo on ür bi n io E i el l si i te e g w hn es tiger im Vergleich zu hauptberuflichen Einsatzkräften Verwaltung nutzbar gemacht werden. In interaktiver ns he it r sc of ue er m pr ra eingeschätzt. Abb. 2 Das zeigt sich bei Befragungen in Form wurden anhand unterschiedlicher Methoden n d er rt so ss ve Be be Gemeinden, die unmittelbar von Hochwasserereig- die bereits heute bestehenden Herausforderungen nissen betroffen waren. Eine zu dominante Rolle von diskutiert und notwendige Maßnahmen festgehalten. ehrenamtlichen Einsatzkräften kann sich aber auch Um den Blick von heute auf die zukünftigen Her- nachteilig auswirken: Wenn sich hochwassergefähr- ausforderungen für die Freiwilligenarbeit richten zu dete Haushalte zu sehr darauf verlassen, dass sie im können, wurden verschiedene Zukunftsszenarien, wie Notfall soziale Unterstützung erhalten, kann das ihre z. B. ‚Neues Stadtviertel‘, ‚Pensionistendorf‘, ‚Bio-Tou- Motivation für Eigenvorsorge unterwandern. rismusdorf 2030‘ etc. entwickelt. Die bereits identi- Babcicky & Seebauer, 2016 fizierten Maßnahmen konnten so auf ihre Zukunfts- Abb. 2 tauglichkeit geprüft und bei Bedarf angepasst werden. Vergleich hauptberuflicher und ehrenamtlicher Einsatzkräfte In die abschließende Diskussion waren nationale wie Quelle: Balas et al. (2015, S. 9) internationale ExpertInnen und AkteurInnen aus allen relevanten Bereichen eingebunden. Abb. 3 18 19
VOICE Parallel zu den Workshops wurden im Rahmen von ·· Einsatzkräfte stärker ins Risikomanagement Bewusstseinsbildung -> über Gemeindegrenzen wissenschaftlichen Untersuchungen Befragungen in einbinden Eigene Bevölkerung Politik hinweg kooperieren unterschiedlichen Gemeinden und Regionen durch- ·· Eigenvorsorge stärken Szenario erarbeiten (konkret) Technische Sicherung: Kosten–Nutzen-Rechnung geführt, deren Ergebnisse ebenfalls in diese Hand- ·· Prävention bundesweit einheitlich in den Finanzielle Abhängigkeit lungsempfehlungen eingeflossen sind. Auch hier war gesetzlichen Materien verankern das Ziel, die Perspektiven möglichst vieler betroffe- ·· Professionelles Personalmanagement in • Viele SaisonarbeiterInnen ner BürgerInnen, Organisationen und Institutionen Einsatzorganisationen etablieren Freiwilligenengagement: • Zersiedelte Gemeinde • Im Winter ausreichende Versorgung einzubringen, um die Robustheit und die Relevanz der ·· Zukünftige Bedingungen, wie demografische • Im Sommer Mindestversorgung Maßnahmen bzw. Handlungsempfehlungen für die Entwicklung oder klimatische Veränderungen, in • Im Regelbetrieb und Überlastung • Im Katastrophenfall (Schutz der Praxis zu verstärken. Die verschiedenen Blickwinkel, rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Freiwilli- Gemeinde im Tourismusgebiet TouristInnen, keine Einbindung der Sai- Interessen und Bedürfnisse sowie unterschiedliches gengesetz, Arbeitsrecht und Pensionsrecht) berück- sonarbeitskräfte) • Sommer 4.000 (inkl. Tourismus) • Winter 400 (-100 seit 2010) Wissen, Erfahrungen aus der Praxis und breit ge- sichtigen, um die Attraktivität und Wertschätzung streute Expertise haben dafür einen wichtigen Beitrag für ehrenamtliches Engagement weiter zu erhöhen zB. Planneralm geleistet. (z. B. durch tlw. Anerkennung der geleisteten Ein- -> Ausfliegen EntscheidungsträgerInnen satzstunden für die Pensionsberechnung) vor Ort ·· Neue Ausbildungskonzepte entwickeln Politisch: Prioritäten setzen -> finanzielle Mittel Maßnahmen für die Praxis ·· Feuerwehrfreundliche Unternehmen in öffentlichen • Sommertourismus boomt! • Rückläufiger Wintertourismus Ausschreibungen begünstigen Die partizipativ erarbeiteten Maßnahmen sind im ·· Freiwillige im Katastrophenschutz österreichweit Analyse der Ist-Situation Tourismusdorf -> Hot Spots Bericht „Freiwilligenengagement in der Zukunft“ verstärkt vernetzen Ortsplan veröffentlicht und stellen eine umfangreiche Samm- Begehung gemeinsam mit Feuerwehr lung für verschiedene Zielgruppen dar. Balas et al. 2015 Beispiel Schladming: WLV-Maß- Schlussfolgerungen für die Anpassungspraxis nahmenpaket für WM 2012 Sie richten sich an Einsatzorganisationen, Gemeinden, Gefahrenzonenplan Gefahren: -> keine neuen Nutzungen im Gefah- Politik und Verwaltung, Unternehmen und die breite Die Projektergebnisse, die aus einem umfassenden Be- renbereich Konjunkturprogramm: • Steigende Anzahl an Hochwasserereig- Bevölkerung. Sie adressieren so sämtliche AkteurIn- teiligungsprozess entstanden sind, unterstreichen die -> Problem: Objekte im Gefahrenzo- nissen und Naturkatastrophen Ganzjährig Jobs sichern nenbereich nen, die bei der Bewältigung von Katastrophen ge- Vorteile eines stärker integrierten Hochwasser-Risiko- Bewerb: Sanierung von • Hoher Flächenbedarf und Schutz des ➢ Kommunikation Wildbächen -> Vorsorge Landschaftsbildes für Tourismus (Flä- fordert sind. Um die aufgelisteten konkreten Schritte managements, das vorrangig auf soziale Strukturen ➢ nicht auf Eigenvorsorge setzen vor Verklausung. Beispiel: chenwidmung aufgeweicht) Gemeinde Garsen greifbarer zu machen, sind Good-Practice-Beispiele auf Gemeindeebene sowie auf AkteurInnen neben der FW- und LW-Nutzung • Unvollständiger baulicher Schutz vor ->PRÄVENTION Naturgefahren sowohl aus dem In- als auch dem Ausland angeführt. öffentlichen Verwaltung setzt. Freiwilligen Einsatz- kräften wird höheres Vertrauen und höhere Kompe- Als prioritär wurden von den eingebundenen Akteu- tenz zugeschrieben als BürgermeisterInnen oder den Abb. 3 rInnen folgende Maßnahmen bewertet, um freiwillige unmittelbaren NachbarInnen. Kommunikation mit Im Workshop wurde u.a. das Szenario ‚Tourismusdorf‘ diskutiert und mit notwendigen Maßnahmen Einsatzorganisationen auf zukünftige Anforderungen und durch Freiwillige kann die Risikowahrnehmung ergänzt. Diese Rückmeldungen wurden zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen herangezogen. auszurichten und ihre zentrale Rolle im Katastrophen- erhöhen sowie dem Verleugnen von realen Risiken schutz sicherzustellen: entgegenwirken. 20 21
VOICE Referenzen: Klimawandel-Anpassungsstrategien sollten die zent- Babcicky, P., Seebauer, S. (2016, online rale Rolle von freiwilligen Einsatzorganisationen für first), The two faces of social capital den sozialen Zusammenhalt in österreichischen Ge- in private flood mitigation: Opposing meinden aufgreifen und nutzen. Stakeholder fordern effects on risk perception, self efficacy ein höheres Gefahrenbewusstsein und den forcierten and coping capacity. Journal of Risk Aufbau von lokalen Anpassungskapazitäten, da das Research, 1-21. doi:10.1080/13669877.2 aktuelle System des Katastrophenschutzes an die 016.1147489. Grenzen seiner Ressourcen stoßen wird, wenn das Bachner, G., Seebauer, S., Pfurtschel- derzeitige Schutzniveau auch in Zukunft gewährleistet ler, C., Brucker, A. (2016), Assessing the werden soll. Ökonomische Schätzwerte des Nutzens benefits of organized voluntary emer- von Freiwilligenarbeit könnten in Kosten-Nutzen- gency services – concepts and evidence Bewertungen von z. B. baulichen Schutzmaßnahmen from flood protection in Austria. einfließen. Disaster Prevention and Management, 25(3), 298-313. doi:10.1108/DPM-09- 2015-0203. Einsatzkräfte sollten stärker in die Naturgefahren- Risikoanalyse und -prävention (z.B. bei der Erarbei- Balas, M., Glas, N., Seebauer, S., Liehr, tung von Katastrophenschutzplänen) eingebunden C., Pfurtscheller, C., Fordinal, I., Babci- werden. Zugleich wird ein Bedarf nach gesetzlichen/ cky, P. (2015), Freiwilligenengagement regulatorischen Grundlagen für verstärkte Aufklä- in der Zukunft! Maßnahmen für die langfristige Absicherung der Freiwil- rungsarbeit und Eigenvorsorge durch Bevölkerung ligenarbeit im Katastrophenschutz, und Unternehmen gesehen. Umweltbundesamt Report REP-0529, ISBN 978-3-99004-340-0. Damm, A. (2014), Climate change and natural disaster relief: A statistical analysis of large-scale operations of volunteer firemen and precipitation patterns, VOICE-WP-02. Seebauer, S., Babcicky, P. (in print), Trust and the communication of flood risks: Comparing the roles of local Abb. 4 governments, volunteers in emergency Chief Philip Stittleburg hat als Vorsitzender des National Volunteer Fire Council der USA services and neighbors. Journal of am Abschlussworkshop teilgenommen und sein Wissen eingebracht. Flood Risk Management. © US-Botschaft Wien/Roland Fuchs Sebastian Seebauer 22 23
BottomUp:Floods BottomUp:Floods Projektleitung Das Potenzial von Bürgerinitiativen im Hochwassermanagement MMag. Thomas Thaler, PhD Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Alpine Naturgefahren Beteiligte Institutionen • alpS – Zentrum für Klimawandel Bürgerinitiativen im • Universität Graz, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel Naturgefahrenmanagement • Joanneum Research, LIFE – Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft Bürgerinitiativen spielen im 21. Jahrhundert eine zunehmende Rolle innerhalb der Politik. Dies führt häufig zu Herausforderungen und Konflikten für die Gute Gründe für das Projekt öffentliche Verwaltung, wie z.B. Stuttgart 21 zeigte. Insbesondere die aktuelle Agenda im Naturgefahren- • Bürgerinitiativen spielen eine immer bedeutsamere Rolle im Bereich Naturgefahren- management, aber auch in anderen gesellschaftlichen management und sind Teil der öffentlichen Debatte. Bereichen wie beispielsweise in jenem der Verbreitung • Regionale Anpassungsstrategien erfordern einen Dialog zwischen allen beteiligten von alternativen Energien, strebt eine verstärkte Betei- AkteurInnen. Insbesondere Gesellschaft und Politik sind gefragt, eine erforderliche ligung von privaten AkteurInnen an. Im Allgemeinen Neuausrichtung der Verantwortlichkeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten entstehen Bürgerinitiativen häufig aus Frustration mit AkteurInnen zu definieren. der aktuellen Politik, vor allem nach einem katastro- • Das Projekt zeigt Organisationsformen und Aufgabenbereiche von Bürgerinitiativen auf, phalen Hochwasserereignis. Dabei reichen Bürgerin- um diese besser in regionale Anpassungsstrategien einbinden zu können. itiativen von oppositionellen Protestbewegungen bis hin zu Selbsthilfebewegungen, die eine aktive Rolle im Katastrophenfall und beim Wiederaufbau spielen. Häufig kommen sich dabei Bürgerinitiativen und die öffentliche Verwaltung im Naturgefahrenmanagement in die Quere, vor allem wenn die BürgerInnen eine raschere Errichtung oder andere bauliche Umsetzung von Hochwasserschutz fordern. 24 25
BottomUp:Floods Dabei treten Bürgerinitiativen häufig als Protest- Gibt es auch gute Beispiele für bewegung auf und treten in Opposition zu den Bürgerinitiativen? AP 6: Management und Koordinierung Vorhaben der öffentlichen Verwaltung. Alternative Fakten und Narrative über die Ursachen von Hoch- Ja, die gibt es. Ein solches Beispiel stellt Cockermouth AP 4: Synthese wasserereignissen treffen auf planerische und ingeni- in Großbritannien dar, das im Rahmen des Projekts AP 2: Bereitschaft Entwicklung und Validierung eurtechnische Expertise. Auf der anderen Seite sehen BottomUp:Floods untersucht wurde. Cockermouth Bottom-up-Bürgerinitiativen eines Handbuchs zu unterstützen in Österreich wir im Zuge des Wandels – von der Gefahrenabwehr spielt deshalb eine interessante Rolle, da im Zuge 1. Erkenntnisse für den Nut- AP 1: Umfrage über hin zum Risikomanagement – dass das Spektrum des des Hochwasserereignisses vom 19. November 2009 zen und die Umsetzung von weltweite Erfahrungen Bottom-up-Bürgerinitiativen Naturgefahrenmanagements weit breiter verstanden mehr als 90 Prozent der Stadt betroffen waren, die und vielversprechende im Hochwasserrisikomanage- Ansätze ment wird. Neben dem Kampf gegen die Natur steht das Bevölkerung sich wegen des Ereignisses massiv für AP 3: Gesellschaftliches 2. Bedeutung für nationale und Potenzial für Bottom-up- Leben mit Naturgefahren und das Akzeptieren von Hochwassermanagement interessierte und sich aktiv internationale Entscheidungs- Initiativen in Österreich trägerInnen Restrisiken in alpinen Siedlungsräumen. Der Schwer- an der Planung der Schutzmaßnahmen beteiligte. Des 3.Anwenderhandbuch punkt des Naturgefahrenmanagements im 21. Jahr- Weiteren organisierte die Bürgerinitiative knapp 1,1 hundert liegt auf einem sicheren Leben mit der Natur, Million Pfund um die Finanzierungslücke des Gesamt- AP 5: Disseminierung und Kommunikationsstrategie wobei dies den aktiven Teil der Bevölkerung betrifft. projekts zu finanzieren. Dabei wurde u. a. auch die Gemeindesteuer für einige Jahre erhöht. Neben den freiwilligen Bürgerinitiativen gibt es auch Abb. 1 institutionalisierte Initiativen, wie z. B. die Flutschutz- Dieses Engagement seitens der Bevölkerung stellte Projektstruktur BottomUp:Floods gemeinschaften in der Hafen City Hamburg, wo die aber auch die öffentliche Verwaltung (in diesem Fall lokale Bevölkerung durch eine Verordnung des Stadt- die Environment Agency) vor schwierige Herausforde- senats verpflichtet wurde, bauliche Schutzmaßnahmen rungen, da sie das geplante Schutzmaßnahmenkonzept an ihren Wohngebäuden einzurichten, zu warten und teilweise zugunsten der Bürgerinitiative verändern im Hochwasserfall in Betrieb zu nehmen. Während musste. Dies führte einerseits zu einem Kostenmehr- selbstorganisierte Bürgerinitiativen von einer hohen aufwand, anderseits wurde das Rollenverständnis der Nähe zu ihren Heimatgemeinschaften profitieren, öffentlichen Verwaltung stark infrage gestellt. Die sind von der Gesetzgebung verpflichtete Bürgeriniti- öffentliche Verwaltung trat nun nicht mehr nur als ativen besser in bestehende institutionelle Strukturen Planerin von Schutzmaßnahmen auf, sondern musste eingebettet. In diesem Zusammenhang sieht auch die vermehrt Managementaufgaben übernehmen. Das öffentliche Verwaltung eine zunehmende Rolle der Aufgabenspektrum wurde erweitert z. B. im Bereich Bevölkerung, wie sich auch in vielen Beispielen quer der Meditation um zwischen den verschiedenen Inter- durch Europa zeigt. Das Ziel der BottomUp:Floods- essen in der Bevölkerung einen Ausgleich zu schaffen, Studie ist die Untersuchung von Best-Practice-Bür- eine verstärkte Kommunikation mit der Bürgerinitia- Abb. 2 gerinitiativen in und außerhalb Europas, um diese tive herbeizuführen, Konflikte innerhalb der Bevölke- Alpinarium in Galtür für Österreich als Ergänzung zu den traditionellen rung zu lösen, Marketingaktivitäten für das Projekt zu © Sven Fuchs Top-down-Ansätzen nutzbar zu machen. betreiben sowie Seminaren und Workshops abzuhal- Abb. 1 ten, um neue BürgerInnen für das Projekt aktiv zu 26 27
BottomUp:Floods gewinnen. Dadurch wurde ihre Rolle als Hydrologin Welche Rolle verfolgen Bürgerinitiativen im Initiativen auf ihre Protestmotivation beschränken, nen BürgerInnen repräsentiert. Darüber hinaus muss und Planerin vermehrt in den Hintergrund gedrängt. Hochwassermanagement? führt dies häufig nur zu Konflikten mit den Behörden. auch die Frage gestellt werden, wie sich Bürgerinitia- Stattdessen müssen sich Bürgerinitiativen – wie die tiven mit anderen Gruppierungen auf regionaler und Ein weiteres positives Beispiel stellt die Erstellung des Unsere Ergebnisse zeigen, dass Bürgerinitiativen in Ergebnisse zeigen – Fachwissen bzw. die technische nationaler Ebene vernetzen können, um Erfahrungen Alpinariums in Galtür (Tirol) dar, bei dem das Ergeb- sämtlichen Phasen (Prävention, Katastrophenmana- Sprache im Naturgefahrenmanagement aneignen, um und Wissen auszutauschen oder um gemeinsam stär- nis die Errichtung des multifunktionalen Lawinen- gement sowie Wiederaufbau) des Risikomanagements auf Augenhöhe mit der öffentlichen Hand diskutieren keren politischen Druck entwickeln zu können. schutzdammes war. aktiv sind und häufig frühere Rollen der öffentlichen und gemeinsam planen zu können. Im Gegenzug muss Abb. 2 Hand übernehmen, die die Behörden nicht (oder nicht auch die Behörde ihre paternalistische Denkweise auf- Schlussendlich sollten die Potenziale von Bürgerini- mehr) bereit bzw. in der Lage sind, zu erfüllen. Die geben und ihre politische Toolbox vom technischen tiativen im Bereich des Naturgefahrenmanagements Vielfalt der Aktivitäten und Konstellationen, die ein Know-how zu sozialen und organisatorischen Innova- nicht überschätzt werden. Nur in seltenen Idealfällen Screening von 70 Bürgerinitiativen aus Nordamerika, tionen erweitern. Wenn beide Seiten ihre traditionellen können frühere Aufgaben der öffentlichen Hand Europa und Australien aufgezeigt hat, spricht für die Positionen überdenken, können gegenseitiger Respekt vollverantwortlich von den BürgerInnen übernommen hohe Flexibilität der Bürgerinitiativen als Instrument und gemeinsame Sprache die Bühne für die gegenseitig werden. Bürgerinitiativen sind nicht notwendigerweise innerhalb des Naturgefahrenmanagements. Bürgerini- vorteilhafte Zusammenarbeit bei der Katastrophen- effizienter als herkömmliche zentralisierte Institutio- tiativen scheinen bemerkenswert agil in der Dauer und vorsorge und dem Management bilden. Das Beispiel nen, wenn sie lediglich als Lobbyorganisationen tätig dem Umfang ihres Engagements zu sein, besonders von Cockermouth zeigt eben genau diese Flexibilität, sind um EntscheidungsträgerInnen zu beeinflussen, wenn es sich um selbstorganisierte Gruppen handelt. da beide Seiten ihre Mission nach dem Erleben eines anstatt neue Ideen einzubringen oder wenn sie sich Einerseits entwickeln sich Bürgerinitiativen sehr rasch Hochwasserereignisses iterativ verändert hatten. nur für ihre lokalen Herausforderungen im Bereich ohne größeren bürokratischen Aufwand, aber ander- Naturgefahrenmanagement interessieren ohne die seits sind sie meist nur für einen begrenzten Zeitraum regionale Ebene einzubeziehen. Problematisch wird es, aktiv und lösen sich, sobald sie ihre Ziele erreicht Bürgerinitiative: Und alles wird gut? wenn die Bürgerinitiativen sich überwiegend mit den haben, schnell wieder auf. Bürgerinitiativen können Interessen der lokalen Eliten beschäftigen und diese ihre Ziele sehr rasch und leicht neu ausrichten, wenn Unabhängig von ihrem Wert für das Naturgefahren- vorantreiben, aber nicht jene Haushalte vertreten, die sich die lokalen Bedürfnisse verändern oder zuvor management, besteht in der Praxis das Risiko, dass durch die Auswirkungen von Hochwasserereignissen stille Bevölkerungssegmente ihre Stimme plötzlich Bürgerinitiativen parallele politische Strukturen schaf- am stärksten betroffen sind. erheben. Jedoch sind Bürgerinitiativen häufig durch fen, die nicht demokratisch legitimiert sind. Einzelne die institutionellen Rahmenbedingungen in ihrem Führungspersonen können als Entscheidungsträge- Es bleibt weiterhin eine zentrale Herausforderung für Handlungsspektrum stark eingeschränkt. rInnen auftreten, ohne von gewählten VertreterInnen die öffentliche Verwaltung, in jedem konkreten Fall geleitet, kontrolliert und zur Rechenschaft gezogen abzuwägen, ob die Verlagerung der Verantwortung Die breite Palette der Aktivitäten der Bürgerinitiativen zu werden. Insbesondere auf lokaler Ebene wird die auf lokale Gemeinschaften oder die Vertiefung von kann auch gleichzeitig eine Inspiration für Risiko- Führungsrolle häufig von regionalen, eloquenten Top-down-Verfahren zu einem besseren Verhältnis management bieten, die nach innovativen Möglich- Eliten übernommen, da sie über die notwendigen zwischen Kosten, Inklusion, Rechenschaftspflicht und keiten suchen um BürgerInnen besser in das Naturge- Ressourcen, Fähigkeiten und Netzwerke verfügen. Die Risikominderung führt. fahrenmanagement einzubinden. Allerdings müssen öffentliche Verwaltung sollte daher sensibel darauf dabei auch die Bürgerinitiativen ihr traditionelles achten, ob die HauptakteurInnen einer Bürgerinitia- Selbstverständnis überdenken. Wenn sich diese tive tatsächlich auch die stille Mehrheit aller betroffe- Thomas Thaler 28 29
TransWind TransWind Projektleitung Ein partizipativer transdisziplinärer Projektansatz zur Bewertung der sozialen Akzeptanz von Mag. Patrick Scherhaufer Windkraftanlagen in Österreich Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik Projektpartner • Universität für Bodenkultur Wien, Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (Stefan Höltinger, Johannes Schmidt) Das Erreichen ambitionierter Klimaziele nach 2020 Haustür) oder den Einflüssen auf das Landschaftsbild • Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Landschaftsentwicklung erfordert den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. erklärt werden. Die Akzeptanz ist vielmehr von einem (Boris Salak, Thomas Schauppenlehner) Windenergie gilt aufgrund hoher Kosteneffizienz im komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren abhängig, Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien und gro- die sich auf individuelle Präferenzen und gesellschaft- ßer Verfügbarkeit als eine der wichtigsten Technolo- liche Wertvorstellungen stützen. gien zur Erreichung einer CO2-armen Stromprodukti- Gute Gründe für das Projekt on. Der Ausbau ist jedoch mit Konflikten verbunden: Im Rahmen eines transdisziplinären Forschungsan- Technische und ökonomische Restriktionen treffen satzes wurde das Konzept der „Sozialen Akzeptanz“ • TransWind lieferte einen Informationsgewinn hinsichtlich der Unsicherheiten und Bedürfnis- auf soziale, politische und ökologische Herausfor- aufgegriffen, um verschiedene Faktoren der Akzep- se von Stakeholdern und deren Relevanz für Entscheidungsprozesse. derungen. Das Projekt TransWind hat sich daher tanz von Windenergie in Österreich zu identifizieren • Neue Ansätze der Kommunikation in Planungsprozessen und interaktive Visualisierungs- mit den Gründen der Annahme (Akzeptanz) und und zu bewerten. Nationale Entwicklungsziele und techniken für Kommunikationsprozesse wurden entwickelt und getestet. Ablehnung (Nicht-Akzeptanz) der Windkrafttechnik Potenziale wurden mithilfe von SchlüsselakteurIn- • Durch den partizipativen Forschungsprozess wurde die Handlungsfähigkeit der Zusammen- beschäftigt. nen in einer eigens dafür gebildeten Referenzgruppe arbeit zwischen Wissenschaft und Praxis gewährleistet. erörtert. Die Mitglieder dieser 27 Organisationen Umfragen belegen, dass die Windkraft ein sehr positi- umfassenden Referenzgruppe nahmen an qualitativen ves Image in der Bevölkerung genießt. Konkrete Pro- Interviews, partizipativen Workshops und einer Grup- jektvorhaben sind jedoch häufig mit lokalen Wider- pendiskussion teil. Basierend auf einem partizipativen ständen konfrontiert. Die Akzeptanz oder Ablehnung Modellierungsansatz konnten Stromgestehungskosten von Windkraftanlagen kann darüber hinaus nicht berechnet werden. Auf lokaler Ebene wurden Fallstu- einfach durch einzelne Kriterien, wie Kosten-Nutzen- diengemeinden herangezogen und mithilfe von Inter- Analyse, der Planungs- und Umsetzungsstrategie der views, Fokusgruppen und einem eigens entwickelten BetreiberInnen, der Anzahl der Anlagen, den durch Visualisierungsparcours Aspekte lokaler Akzeptanz die Anlagen verursachten Lärm, dem Artenschutz, von Windenergieanlagen untersucht. dem Not-In-My-Backyard-Effekt (Nicht vor meiner 30 31
TransWind Durch die Synthese qualitativer, quantitativer und par- sierungsparcours entwickelt und in vier der sechs tizipativer Forschungsmethoden konnte der inter- und Fallstudiengemeinden getestet. Der Parcours bestand transdisziplinäre Charakter des Projekts gesichert und im Wesentlichen aus vier Teilen: neue, praxisrelevante Ergebnisse generiert werden. Der konzeptuelle Rahmen von TransWind verfolgte ·· Detaillierte Einführung in ein fiktives aber das Ziel, in einem systematischen Ansatz die Pers- realitätsnahes Windparkszenario auf dem pektiven des Projektteams mit den Präferenzen und Gemeindegebiet (Karten, Plakate) Wahrnehmungen von Stakeholdern und Betroffenen ·· Erleben visueller Aspekte durch den fiktiven zusammen zu führen. Der Bewertungsprozess wurde Windpark mit Hilfe verschiedener 3D-Visualisie- durch eine räumliche Modellierung unterstützt, wel- rungstechniken: che optimale Standorte für Windturbinen in Abhän- a) statische 3D-Bilder als Diashow gigkeit der Verteilung der Windressourcen berechnete. b) 3D-Modell zum Durchwandern Abb. 2 LCOE (Euro/MWh) Stellungnahmen aus der Referenzgruppe wurden zu c) VR-Cardboard-Brille für immersive Stereovideos einem Kriterienkatalog zusammengefasst, welcher drei ·· Bewertung der Visualisierungstechniken mittels Flächenszenarien (Min, Med und Max) für potenzielle Fragebogen Standorte von Windturbinen in Österreich definierte. ·· Fokusgruppendiskussionen, die die Visualisierun- Ein viertes Szenario zeigte das Windenergiepotenzial, gen als zentralen Reiz zur Diskussion der Vor- und welches sich aus der Anwendung der von den öster- Nachteile der Windenergie verwendeten reichischen Bundesländern definierten Eignungszonen ergibt. Für alle potenziellen Standorte wurden Strom- Der Test zeigte, dass der geplante Eingriff in die gestehungskoten – die Levelized Cost of Electricity Landschaft mithilfe der Visualisierungstechniken (LCOE) – errechnet und Angebotskurven für Wind- entsprechend und ausreichend kommuniziert werden energie für jedes der Flächenszenarien entwickelt. kann. In Sachen Handhabung wurde die Diashow von Wie Abb. 1 zeigt, können im Minimum-Szenario maxi- den ProbandInnen am besten bewertet, weil sie auch Windenergie (TWh) mal 3,5 TWh an Windenergie bei sehr hohen Kosten für technikferne Personen leicht zu bedienen und zu von 96 bis 243€MWh-1 erzeugt werden. Im Medi- verstehen war. Das interaktive 3D-Modell bekam wie- um- und Maximum-Szenario könnte der derzeitige derum im Bereich der Qualität und Glaubwürdigkeit Windenergieanteil zu Kosten von rund 95€MWh-1, der Visualisierungen die höchsten Noten. Attraktiv selbst bei einem Anstieg des Endverbrauchs, erhöht war hier vor allem die freie Standortwahl, die auch werden. Die Modellierungsresultate dienten auch als das Betrachten ganz persönlicher Sichtachsen erlaub- Grundlage für die Auswahl der Fallstudien. te. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Abb. 1 visuellen Einflüsse nach wie vor entscheidend für die Angebotskurven für Windenergie für die drei Flächenvarianten (Min, Med, Max) und die bereits ausgewiesenen Eignungs- und Vorrangzonen der Bundesländer (Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark). Um verschiedene Planungsstrategien und Standort- Akzeptanz der lokalen Bevölkerung sind. Vor allem in Die vertikalen (grauen) Flächen zeigen die notwendige Windenergieproduktion, um einen optionen von Windrädern in einem gemeinsamen Regionen mit attraktiven Natur- und Kulturlandschaf- (1) 10%- bzw. einen (2) 20%-Anteil am Endverbrauch von Elektrizität zu erreichen. Diskussionsprozess mit Betroffenen und Entschei- ten spielt die Ästhetik und Identität der Landschaft dungsträgerInnen zu erörtern, wurde ein Visuali- eine wichtige Rolle. 32 33
Sie können auch lesen