221 Landtagskurier Ausgabe 1 | 2022 - Der Sächsische Landtag
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Landtagskurier Ausgabe 1 | 2022 1 22 Seite 12: Seite 15: Seite 22: Öffentliche Anhörung Gedenken an Holocaust- Max Heldt und der zur Provenienzforschung Opfer in der Gedenkstätte sächsische Landtag zur Zeit in sächsischen Museen Großschweidnitz der Weimarer Republik
EDITORIAL I N H A LT PLENUM 44. Sitzung des Sächsischen Landtags Geschichtsstunde in Finanzpolitik Aktuelle Preissteigerungen rufen historische Erinnerungen wach........................................................................................................................ 4 44. Sitzung des Sächsischen Landtags Aufregung im Revier Verteilung der Fördergelder für den Strukturwandel sorgt für Unzufriedenheit ....................................................................................................... 5 45. Sitzung des Sächsischen Landtags Regionales Denken mit Mehrwert Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung stärkt die Wirtschaft vor Ort.................................................................................................6 45. Sitzung des Sächsischen Landtags Foto: S. Giersch Gesundheit ist Vertrauenssache Medizinische Versorgung in Sachsen soll verbessert werden ....................................................................................................................... 7 Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, 45. Sitzung des Sächsischen Landtags die ersten beiden Monate des Jahres sind bei uns in der Regel kalt Grüner Kraftstoff für die Zukunft und karg. Die Bäume tragen kein Laub, der Himmel zeigt sich grau in E-Fuels tragen zu klimafreundlicher Mobilität bei........................................8 grau. Diese Stimmung habe ich vorgefunden, als ich am 27. Januar Hintergrundinformationen zu E-Fuels ................................................................... 10 gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer 44. Sitzung des Sächsischen Landtags der Opfer des Nationalsozialismus gedachte. Auf dem Gelände der Keine Entwarnung, aber maßvolle Lockerungen Gedenkstätte Großschweidnitz erlebte ich angesichts der vielen Landtag debattiert weitere Schritte in der Corona-Pandemie........11 Menschen, die in der einstigen Heil- und Pflegeanstalt ermordet und auf dem Friedhofsgelände ihre letzte Ruhe fanden, eine traurige Stille. PA R L A M E N T Die Euthanasie-Verbrechen von Großschweidnitz führen uns vor Augen, zu welchen Untaten Menschen im Abgrund ihres Herzens fähig sind. Sächsische Sammlungen auf dem Prüfstand Das verübte Leid und das Schicksal der Opfer halten uns zum Ge- Sachkundige informieren über den Stand der Provenienzforschung in Sachsen................................................................................ 12 denken und Nachdenken an. Über menschenverachtende Worte und Hass im Internet oder auf der Straße können wir nicht hinwegsehen. Laufende Gesetzgebung....................................................................................................... 14 Wenn sich manche Gegner der Corona-Maßnahmen heute gelbe Judensterne anstecken, dann verhöhnen sie das Schicksal der Mil- AKTUELLES lionen Juden, die unter den Nationalsozialisten leiden und sterben Gedenken an den Gräbern mussten. So etwas ist aufgrund der deutschen Geschichte und un- Landtag und Staatsregierung erinnern an die Opfer serer Grundwerte nicht hinnehmbar. Die Menschenwürde ist und des Nationalsozialismus...................................................................................................... 16 bleibt das höchste Gut unseres Gemeinwesens. Vor diesem Hinter- Spritze im Parlament grund sehe ich es auch als ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die Landtag sichert mit eigenen Impfungen Gedenkstätte Großschweidnitz dank großen Engagements zu einem die Arbeitsfähigkeit .................................................................................................................. 18 würdigen und eindrucksvollen Ort der Erinnerungskultur in Sachsen geworden ist. Der Landtagskurier informiert darüber in der vorlie- JUGEND genden Ausgabe. Welchen Wert politische Stabilität für eine Demokratie hat, kann Politiker persönlich man an der Zeit der Weimarer Republik ablesen. Um diese wechsel- Was Abgeordnete über ihren Beruf denken..................................................... 20 volle Epoche in Sachsen noch besser verstehen zu können, stellt der GESCHICHTE Landtagskurier seit dem vergangenen Jahr die sächsischen Minister präsidenten in der Zeit zwischen 1919 und 1933 vor. Den mittlerweile Max Heldt – Im Dienst der Großen Koalition fünften Text dieser Serie, der diesmal die Biografie von Max Heldt Ministerpräsidenten und Landtag in der Zeit beleuchtet, empfehle ich Ihnen auf diesem Wege recht herzlich. von 1919 bis 1933 (Teil 5).................................................................................................... 22 SERVICE Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24 Dr. Matthias Rößler Präsident des Sächsischen Landtags 2 // Titel: Außengelände der Gedenkstätte Großschweidnitz // Foto: P. Sosnowski
PLENUM Von Preisentwicklung bis synthetische Kraftstoffe Foto: O. Killig // In der 44. Sitzung am 9. Februar 2022 debattierte der 7. Sächsische Landtag den aktuellen Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pande- mie, den Anstieg der Inflation und die Verteilung der Strukturhilfen in den sächsischen Kohlerevieren. In seiner 45. Sitzung am 10. Februar 2022 befasste sich das Plenum mit regionalen Lebensmitteln, der Zu- kunft der medizinischen Versorgung sowie Kraftstoffen aus erneuer- baren Energien, sogenannten E-Fuels. // 3
PLENUM 44. Sitzung des Sächsischen Landtags // André Barth // Foto: S. Floss Dr. Daniel Thieme Geschichtsstunde in Finanzpolitik Aktuelle Preissteigerungen rufen historische Erinnerungen wach // Die erste Aktuelle Debatte der 44. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 9. Februar 2022 befasste sich mit dem Thema »99 Jahre nach der Hyperinflation – Haben die Regierungen und die Zentralbanken immer noch nichts gelernt?«. Der Antrag wurde von der AfD-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt. // Reserven sind aufgebraucht Preissteigerungen bei Keine Panik verbreiten Vorprodukten Die Inflationsrate habe im Dezember bei Der Debattentitel der AfD sei absurd, fand 5,3 Prozent gelegen und verzeichne damit Nico Brünler, DIE LINKE, sah ebenfalls keine Dirk Panter, SPD, deutliche Worte. Angst den höchsten Anstieg seit 50 Jahren, hob Parallelen zwischen der Hyperinflation von macherei bringe nichts ein, vielmehr müsse André Barth, AfD, an. Höhere Preise würden 1923 und heute. In der Geschichte der Bun- es eine sachliche Auseinandersetzung geben. die finanzielle Situation bei einem Teil der desrepublik habe die Inflationsrate schon Vielen Menschen bereiteten die steigenden Bevölkerung weiter verschärfen. Ihre Reser- häufiger über fünf Prozent gelegen, etwa in Preise, speziell die hohen Energiekosten, zu ven seien nach zwei Jahren Pandemie auf- den 1970er-Jahren. Man sehe im Moment vor nehmend Sorgen. Darum müsse man sich küm gebraucht. Daher solle sich der sächsische allem eine Verteuerung der Vorprodukte, be- mern. Seit der Einführung des Euro habe die Finanzminister dafür einsetzen, dass die dingt durch Lieferketten-Schwierigkeiten im durchschnittliche Preissteigerung in Deutsch Bundesregierung gegensteuere und die Mehr Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. land 1,4 Prozent betragen. Zu Zeiten der wertsteuer deutlich herabsetze. Ansonsten Außerdem gebe es außergewöhnliche Preis- D-Mark seien es über drei Prozent gewesen. drohe eine Hyperinflation wie im Jahre 1923. anstiege bei Energie und Lebensmitteln. Hartmut Vorjohann, Staatsminister der Eine Inflation von 5 Prozent sei keine Hyper Gerhard Liebscher, BÜNDNISGRÜNE, er- Finanzen, CDU, erklärte, das Lernen aus der inflation, entgegnete darauf Georg-Ludwig klärte, die Weltwirtschaft habe mit der Corona- Geschichte sei zweifellos hilfreich. Aus den von Breitenbuch, CDU, seinem Vorredner. Pandemie einen Schock erlebt, auf den eine historischen Verwerfungen des 20. Jahrhun- Eine solche Angst dürfe man nicht an die außerordentliche Verknappung des Ange- derts habe man gelernt, indem etwa unab- Wand malen. Dennoch müsse der Freistaat bots folgte. Vergleichbar sei die heutige hängige Finanzinstitutionen wie die Europä- Sachsen die Entwicklungen mit Blick auf Situation am ehesten mit der Ölpreiskrise ische Zentralbank entstanden seien. Zu den den kommenden Doppelhaushalt aufmerk- der 1970er-Jahre. Bei der momentanen Infla historischen Lehren gehöre ebenso die Not- sam verfolgen. Angeheizt werde die Infla tionsrate werde zu wenig beachtet, dass die wendigkeit einer soliden Haushaltspolitik. tion durch die neue Bundesregierung. Die Preise im Jahr 2020 unterdurchschnittlich Wenn die Belastungen aus der Corona- Erhöhung des Mindestlohns treibe die Preis- niedrig gewesen seien. Gegensteuern solle Pandemie ausliefen, müsse Sachsen zu den spirale ebenso nach oben wie die Energie- man nicht mit Geldpolitik, sondern eher mit regulären Fiskalregeln zurückkehren. wende. Sozialpolitik. 4 Ausgabe 1 2022 ˚
PLENUM Dr. Daniel Thieme Aufregung im Revier Verteilung der Fördergelder für den Strukturwandel sorgt für Unzufriedenheit 44. Sitzung des Sächsischen Landtags // »Geld? Alle. Strategie? Keine. Beteiligung? Fehlanzeige. Chance auf Strukturwandel für die Lausitz vertan. Danke für gar nichts, Herr Schmidt!«, lautete die zweite Aktuelle Debatte am 9. Februar 2022. Sie wurde von der Fraktion DIE LINKE beantragt. // Keine ausreichende Mitsprache Regionale Identität erhalten Projekte warten auf Umsetzung Der Strukturwandel biete im Grunde genom- Thomas Thumm, AfD, kritisierte, dass die Es dürfe nichts für gescheitert erklärt wer- men den Stoff für eine Erfolgsgeschichte, be Kohlepolitik im Freistaat zu bürokratisch, den, ehe es überhaupt irgendeine Wirkung gann Antonia Mertsching, DIE LINKE. Nun aber bürgerfern und hochgradig intransparent entfalte, warnte auch Volkmar Winkler, SPD. mache sich Frustration in den Revieren breit. sei. Die Staatsregierung schwärme von For- Das werde diesem großen Transformations- Regionale Strukturen seien zerstört worden schungseinrichtungen und Innovationszen prozess nicht gerecht. Die Gelder seien nicht und Akteure vor Ort haben ihre Motivation tren. Doch wie sie die notwendigen Wert- aufgebraucht, sondern lediglich gebunden. verloren. De facto entscheide die Sächsische schöpfungsketten, Arbeiter und Handwerker Sachsen habe bereits eine Vielzahl von Pro- Agentur für Strukturentwicklung, welche in der Lausitz halten wolle, könne sie nicht jekten angemeldet und warte auf deren Um- Projekte qualifiziert würden. Die Regionalen beantworten. Es müsse vor allem dafür ge- setzung. Man wolle damit den Freistaat als Begleitausschüsse seien hingegen ein Feigen sorgt werden, dass die regionale Identität führenden Standort in der Elektromobilität, blatt ohne gleichberechtigte Stimmenver- nicht verloren gehe. Außerdem dürfe es keinen der Wasserstoffwirtschaft sowie der Mikro- hältnisse. vorgezogenen Kohleausstieg geben. elektronik etablieren. Die meisten Projekte fänden vor allem in Thomas Löser, BÜNDNISGRÜNE, gab zu Mit Populismus könne man keinen Struk- den Revieren, also vor den Toren der Kommu bedenken, dass der Strukturwandel gesamt- turwandel durchführen, nahm Regionalminis- nen statt, so Dr. Stephan Meyer, CDU. Deshalb gesellschaftliche Anstrengungen erfordere. ter Thomas Schmidt, CDU, auf den Debatten sei es vollkommen nachvollziehbar, dass Bei aller berechtigter Kritik dürfe es nicht titel Bezug. Es gebe selbstverständlich eine die Regionalen Begleitausschüsse mit kom- passieren, dass er schon zu Beginn negativ Strategie, die mit Zielen und vielen Hand munalen Vertretern dort stimmberechtigt besetzt und schlechtgeredet werde. Wenn lungsfeldern untersetzt sei. Sachsen habe seien. Die Begleitausschüsse wiederum be- der Kohleausstieg bis 2038 gelingen solle, dies als erstes Bundesland auf die Beine stünden aus einer Vielfalt gesellschaftlicher müsse das Geld schneller in die Reviere flie- gestellt. Thomas Schmidt reagierte überdies Gruppen, die sich auch inhaltlich einbringen ßen. Notwendig sei ebenso mehr Transpa- auf Kritik an mangelnder Transparenz: Er könnten. Insgesamt habe das Lausitzer Re- renz seitens des Regionalministeriums und habe in jeder Ausschusssitzung über den vier 946 Millionen Euro an Bundeshilfen zur der Begleitausschüsse. Strukturwandel berichtet und Fragelisten Verfügung. mündlich oder auch schriftlich beantwortet. // Antonia Mertsching // Foto: S. Floss Ausgabe 1 2022 5 ˚
PLENUM Regionales Denken mit Mehrwert Dr. Daniel Thieme 45. Sitzung des Sächsischen Landtags // Volkmar Zschocke Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung stärkt // In seiner 45. Sitzung debattierte der 7. Sächsische Landtag am 10. Februar 2022 die Wirtschaft vor Ort über das Thema »Lebensmittel aus Sachsen: Regionalwert schaffen, Land und Stadt verbinden, gesunde Esskultur fördern.« Die Aktuelle Debatte wurde von der Bauern unter Druck Fraktion BÜNDNISGRÜNE beantragt. // Die Landwirtschaft stehe unter dem enormen schwert. Riesige Windräder und Solaranla- wirtschaft oder bei den Saisonarbeitskräf- Druck, für Billigpreise zu produzieren und gen vernichteten Lebensräume und mach- ten auseinanderzusetzen. Diejenigen, die gleichzeitig gestiegene Umwelt- und Tier- ten wertvolles Ackerland für Generationen produzierten und verkauften, erwarteten ei- wohlanforderungen zu erfüllen, so Volkmar unbrauchbar. Der notwendige Einsatz von ne angemessene Entlohnung. Dies halte die Zschocke, BÜNDNISGRÜNE. Ein Ausweg aus Dünge- und Pflanzenschutzmitteln werde Landwirte in der Region. der Misere sei es, neue Strukturen für regio- ebenso eingeschränkt. Wenn man weiterhin Regionale Wertschöpfung in der Land- nale Verarbeitung und Vermarktung aufzu- über Lebensmittel aus Sachsen reden wolle, wirtschaft stärke den ländlichen Raum, bauen. Indem Lebensmittel aus Sachsen vor müsse der Zugang zu modernen Betriebs- stimmte Landwirtschaftsminister Wolfram Ort weiterverarbeitet und verwendet würden, mitteln möglich bleiben. Günther, BÜNDNISGRÜNE, zu. Dieses Anlie- entstünde ein gesellschaftlicher Mehrwert, Antonia Mertsching, DIE LINKE, wies auf gen sei mit weiteren Aufgaben verbunden, der größer sei als die rein wirtschaftliche Wert bestehende Schwierigkeiten bei regionalen wie beispielsweise Umweltzielen, tierge- schöpfung. Lebensmitteln hin. So würde zwar eine rechter Haltung und verlässlichen Einkom- Es sei bisher unklar, was mit dem Begriff Mehrheit der Verbraucher behaupten, Pro- mensperspektiven in der Landwirtschaft. »Regionalität« genau gemeint sei, merkte dukte der Region zu kaufen, tatsächlich tun Ein Wachstumsthema sei der Ökolandbau, Ines Springer, CDU, an. Wenn von Regionen würden dies aber letztlich nur 20 Prozent. wobei der Schwerpunkt noch stärker auf re- gesprochen werde, müsse man sich darüber Gründe für diese Zurückhaltung seien die gionalen Bio-Produkten liegen solle. verständigen, ob damit beispielsweise nur die höheren Preise, vor allem aber die Alltags Vorstadt von Dresden, Sachsen oder andern tauglichkeit und die Zeit. Hinzu komme die // Ines Springer // Fotos: O. Killig falls ganz Deutschland gemeint sei. In der Anspruchshaltung, es müsse alles zu jeder Abwägung verschiedener landwirtschaftli- Zeit zur Verfügung stehen. cher Produktionsformen setzte sich ihre Fraktion dafür ein, alle gleich zu behandeln. Bio-Produkte seien genauso wertvoll wie Ländliche Räume stärken konventionell erzeugte Lebensmittel. Juliane Pfeil, SPD, betonte, dass regionale Werte auch über ganz kleine innovative Ideen Einschränkungen reduzieren geschaffen würden. Beispiele dafür seien unter anderem Hofläden, die in ländlichen Nach Ansicht von Jörg Dornau, AfD, werde Gebieten Versorgungslücken stopften. Zu den Bauern eine regionale und auskömmliche Regionalwerten gehöre auch, sich intensi- Versorgung der Bevölkerung immer mehr er- ver mit den Lohnverhältnissen in der Land- 6 Ausgabe 1 2022 ˚
PLENUM 45. Sitzung des Sächsischen Landtags // Simone Lang, Susanne Schaper // Fotos: O. Killig Dr. Daniel Thieme Gesundheit ist Vertrauenssache Medizinische Versorgung in Sachsen soll verbessert werden // In der zweiten Aktuellen Debatte der 45. Sitzung des Sächsischen Landtags diese Ansprüche der aktuellen Situation noch thematisierte die SPD-Fraktion unter dem Titel »Die Menschen im Mittelpunkt: gerecht würden. Der Fachkräftemangel sei lan- ge bekannt. Die Pflege-Enquetekommission Das Gesundheitssystem von morgen sicher, modern und leistungsfähig gestalten« habe bereits Empfehlungen gegeben. Die die Zukunft der Gesundheitspolitik in Sachsen. // Koalition müsse nun endlich handeln. Menschen an erster Stelle Menschen in den Mittelpunkt. Auch in der Innovationen angekündigt Pflege sei digitale Unterstützung denkbar. Schlagzeilen über Personal- und Fachärzte- Die Menschen interessierten sich beim The- mangel sowie Krankenhausschließungen ma Gesundheit vor allem für Fragen, die die ließen aktuell am Vertrauen in das Gesund- Eklatante Versorgungsprobleme praktische Versorgung beträfen, so Kathleen heitssystem zweifeln, fand eingangs Simone Kuhfuß, BÜNDNISGRÜNE. Im Koalitionsver- Lang, SPD. Zu den Herausforderungen ge- Im Moment könne bei der Gesundheitspoli- trag seien dazu viele Innovationen angekün- hörten die demografische Entwicklung und tik nicht vom Gestalten gesprochen werden, digt worden, beispielsweise Gesundheits- die unterschiedliche Versorgung zwischen warf Frank Schaufel, AfD, ein. In Sachsen seien zentren im ländlichen Raum, Praxisnetze Städten und ländlichen Regionen. Das Ziel Mitte des letzten Jahres 434,5 Vertrags- oder mobile Angebote. Regionen außerhalb müsse es sein, für alle Menschen in Sachsen arztstellen unbesetzt gewesen. In der Pflege Sachsens, die ebenfalls vom Strukturwan- die besten medizinischen Bedingungen zu zeichneten sich eklatante Versorgungspro- del betroffen seien, zeigten, dass die Ideen gewährleisten. Im Mittelpunkt stehe der bleme ab. Deutschlandweit fehlten bereits funktionierten. Mensch, nicht der Profit. heute 200 000 Arbeitskräfte. Der Investitions Die Staatsministerin für Soziales und Gesell Daniela Kuge, CDU, gab zu Bedenken, stau in den sächsischen Krankenhäusern schaftlichen Zusammenhalt, Petra Köpping, dass eine umfassende Gesundheitsversor- betrage 350 Millionen Euro, dennoch seien SPD, hob hervor, dass eines der ersten Pro- gung auch ökonomische Stärke benötige. Es reguläre Investitionsmittel in der Corona- jekte dieser Legislatur die Abschaffung des brauche ein System, das auf die gesundheit Pandemie gekürzt worden. Schulgeldes für Gesundheitsberufe gewesen lichen Probleme der Menschen individuell Susanne Schaper, DIE LINKE, wies auf die sei. Bei der Arztgewinnung setze man auf eingehe und innovative Lösungsansätze Erwartungen der Patienten hin. Sie wünsch- Hausarztstipendien, das Medizinstudienpro schaffe. Durch Internetmedizin, Online-Be- ten sich eine zeitnahe, verständliche, empa- gramm in Ungarn sowie die Landarztquote. ratung, E-Arztbesuche oder elektronische thische und den aktuellen medizinischen Den Pflegebereich fördere man unter anderem Patientenakten werde die medizinische Ver- Erkenntnissen folgende medizinische Gesund mit Strukturhilfen und Pflegekoordinatoren sorgung effektiver und stelle dennoch den heitsversorgung. Es sei allerdings fraglich, ob für eine vernetzte Beratung vor Ort. Ausgabe 1 2022 7 ˚
PLENUM // Auf Antrag der CDU-Fraktion befasste sich der Sächsische Landtag mit regenerativen Energien. »Auch mit E-Fuels zur Klimawende – alle rele- vanten Antriebstechnologien im Verkehr sinnvoll einsetzen!« lautete die dritte Aktuelle Debatte der 45. Plenarsitzung am 10. Februar 2022. // // Andreas Nowak // Timo Schreyer // Marco Böhme // Dr. Daniel Gerber // Hennig Homann // Fotos: O. Killig 45. Sitzung des Sächsischen Landtags Dr. Daniel Thieme Grüner Kraftstoff für die Zukunft E-Fuels tragen zu klimafreundlicher Mobilität bei CDU: Energieeffizienz und bei Windkraftanlagen 32 Pro heit stehe, stellte Timo Schreyer, könnten. Ihre weitere Erforschung im Ganzen betrachten zent. In anderen Regionen liege AfD, klar. So dürfe man auch und Entwicklung müsse in den sie mitunter deutlich höher. So den Dieselmotor nicht abschaf- Strukturwandelregionen wie der In der Debatte sprach zuerst erreichten Fotovoltaikanlagen fen, sondern im Interesse der Oberlausitz und in den auto Andreas Nowak, CDU. Er ging in Nordafrika 94 Prozent Effizi- Bürger und der kleinen und mobilverbundenen Regionen wie zunächst auf die Kritik ein, enz, Windkraftanlagen immer- mittelständischen Betriebe wei- Südwestsachsen angesiedelt E-Fuels hätten gegenüber ande- hin 56 Prozent. Man müsse das terentwickeln. Gleiches gelte werden. ren Energieträgern eine geringere Problem folglich global betrach- für Benzinmotoren: Anstatt ihre Effizienz. In diesem Vergleich ten. An E-Fuels führe kein Weg Nutzungskosten durch Steuern dürfe allerdings nicht aus- vorbei, zumal sie sich anders und Abgaben künstlich in die LINKE: Keine Alternative schließlich der Wirkungsgrad als der Strom für Batteriefahr- Höhe zu treiben, sollten sie zur Elektrifizierung des Motors betrachtet werden, zeuge auch über weite Strecken effizienter gemacht werden. so der Abgeordnete. Vielmehr transportieren ließen. Grundsätzlich spreche sich die E-Fuels, also Kraftstoffe, die nicht komme es auf die technische AfD-Fraktion für E-Fuels als eine aus Erdöl, sondern aus künst Gesamteffizienz des Kraftstoffes Antriebstechnologie unter vielen lichen Alternativen erzeugt an. Maßgeblich für die Erzeu- AfD: Technologieoffen- aus, da synthetische Kraftstoffe würden, seien von der Idee her gung von erneuerbaren Energien heit statt Verbote nicht nur sauber, sondern auch eine gute Sache, befand Marco seien die Volllaststunden, also ressourcenschonend eingesetzt Böhme, DIE LINKE. Es stelle die Auslastung einer Anlage zur Seine Fraktion sei die einzige im werden könnten. Ihre Verwen- sich jedoch die Frage, woher Stromgewinnung. In Deutschland Landtag, die keine bestimmte dung hänge jedoch davon ab, die alternativen Rohstoffe stam- betrage die Energieeffizienz bei Antriebsart verbieten wolle, ob sie in Zukunft ökonomisch men sollten. Zwar sei es denk- Fotovoltaikanlagen 39 Prozent sondern für Technologieoffen- sinnvoll verwendet werden bar, E-Fuels aus Wasserstoff 8 Ausgabe 1 2022 ˚
PLENUM herzustellen. Dafür benötige auf Nachhaltigkeit und Wirt- man allerdings Wasserstoff aus schaftlichkeit geprüft werden. erneuerbaren Energien, deren Alle seriösen Studien kämen Ausbau die CDU in Sachsen bis- zum Ergebnis, dass die direkte lang massiv blockiere. Selbst Elektrifizierung in den aller- wenn mehr grüner Strom zur meisten Fällen gegenüber dem »Unterschiedliche Verfügung stünde, sollte er Umweg über Wasserstoff und Transportbedürfnisse besser für den direkten Ver- synthetische Kraftstoffe vorzu- werden auch in brauch eingesetzt werden. Die ziehen sei. Das gelte sowohl Zukunft unter- Elektrifizierung müsse, dort wo für die Umweltbilanz und den es möglich sei, Vorrang haben. gesamten Lebenszyklus als schiedliche Ein E-Auto habe einen fünfmal auch im Hinblick auf die Kos- Lösungen geringeren Stromverbrauch, als ten. Bei der Herstellung von erfordern.« wenn erst synthetische Kraft- E-Fuels ergebe sich ein sehr stoffe hergestellt würden. Noch hoher Effizienzverlust, da besser wäre es, das Auto ganz mehrfach Energie umgewandelt weglassen zu können und den werden müsse. Im Individual ÖPNV auszubauen. Dann wären verkehr haben sie daher nichts die Menschen auch weniger zu suchen. auf das Auto angewiesen, als sie es heute seien. 45. Sitzung des Sächsischen Landtags SPD: Umbau der // Martin Dulig Industrie fördern BÜNDNISGRÜNE: Ungeeignet für den Henning Homann, SPD, vertrat Individualverkehr ebenfalls die Ansicht, dass bauen. Man dürfe diese Auf Staatsregierung: E-Fuels im Vergleich zu batterie- gabe nicht auf andere Länder Schwerpunkt auf Der Verkehrssektor mache elektrischen Pkw die schlechtere abwälzen, sondern müsse es Elektromobilität 20 Prozent der CO2-Emissionen in Option darstellten. Das bedeute schon selbst erledigen. Es sei Deutschland aus, so Dr. Daniel aber nicht, dass die dahinter- ein Fehler, bei der Mobilität Martin Dulig, Staatsminister für Gerber, BÜNDNISGRÜNE. Im stehende Technologie nicht weiterzumachen wie bisher, Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Jahrzehnt vor Corona haben sie sinnvoll sei. Man werde synthe- nur eben mit Wasserstoff oder SPD, warnte davor, die Debatte um sieben Prozent zugelegt. tische Kraftstoffe benötigen, um E-Fuels. Die Veränderungen zu einseitig zu führen. Nur über Um die gesetzlich verankerten den klimaneutralen Umbau des müssten tiefer ansetzen. Es E-Fuels zu reden, sei zu kurz Klimaschutzziele zu erreichen, Verkehrssystems und der Indus- erfordere politische Unter gesprungen. Die Kraftstoffe brauche es bis 2030 jedoch trie zu organisieren. Das schlie- stützung, dass Sachsen ein In- erzeugten beim Verbrennungs- eine Halbierung der aktuellen ße auch ihren wahrscheinlichen dustrieland der Zukunft bleibe. motor genauso viel CO2 wie Emissionen im Verkehrssektor. Einsatz in der Luft- und Seefahrt Man habe jetzt die Chance, In- Diesel und Benzin. Ihre Herstel- Dafür müssten alle Bereiche ein. Wenn man E-Fuels fördern dustrien anzusiedeln und einen lung ergebe nur dann ökologisch der Mobilität betrachtet und wolle, sei alles dafür zu tun, die eigenen »Vorsprung Ost« zu Sinn, wenn das CO2 aus der verschiedene Antriebskonzepte erneuerbaren Energien auszu- generieren. Atmosphäre genommen werde. Für die Mobilitätswende bleibe dennoch der Elektroantrieb die erste Wahl. Er sei in der Anwen- dung CO2-neutral und überdies leise. Sachsen fahre mit dem Thema Elektromobilität bislang sehr gut, auch wenn nach wie vor ein hoher Ausbaubedarf bei der Ladeinfrastruktur bestehe. Die Technologie schreite weiter voran, etwa in der Batterietech- nologie. Feststoffbatterien oder gar lithiumfreie Calcium-Ionen- Batterien würden künftig eben- falls alltagstauglich. In den nächsten Jahren werde jedes vierte in Europa produzierte Elektroauto aus Sachsen kommen. Ausgabe 1 2022 9 ˚
PLENUM Hintergrundinformationen zu E-Fuels Foto: alexanderuhrin/ Dr. Daniel Thieme stock.adobe.com // Der Weg in die Zukunft der Mobilität dürfte vielspurig verlaufen. Synthetische Kraftstoffe können dazu beitragen, die klimaschädlichen Abgase von Fahrzeugen mit Verbren Klimaneutraler nungs motor zu reduzieren. Sie haben vor allem dort ihr Kraftstoff Potenzial, wo Batteriespeichertechnik an ihre Grenzen stößt. // www.tu-freiberg.de/ forschung/ synthetische-und- Synthetische Kraftstoffe – auch biogene-kraftstoffe E-Fuels genannt – werden im Gegensatz zu Benzin und Diesel Wasser und regenerativ er sie ebenfalls zum Einsatz kom- nicht aus Erdöl, sondern mit zeugter Strom benötigt. Im men – also dort, wo Batterien hilfe von erneuerbarem Strom sogenannten Fischer-Tropsch- voraussichtlich auch in naher und CO2 gewonnen. Sie können Verfahren wird der Wasserstoff Zukunft nicht die herkömmli- Kompetenz in Sachsen in Verbrennungsmotoren durch aus der Atmosphäre chen Antriebe ersetzen werden. eigenständig verwendet oder entnommenes CO2 zu einem E-Fuels lassen sich, ähnlich wie Sachsen verfügt bereits seit konventionellen Kraftstoffen flüssigen Kraftstoff synthetisiert andere Kraftstoffe, über lange vielen Jahren über hohe Kompe- beigemischt werden. E-Fuels (Power-to-Liquid-Verfahren). Distanzen kostengünstig trans- tenzen im Bereich der syntheti- verbrennen nahezu rußfrei und Das CO2 kann ebenso aus In- portieren und in sehr großem schen Kraftstoffe. So ent emittieren damit deutlich weni- dustrieprozessen, wie der Maßstab stationär speichern. wickelte beispielsweise die ger klimaschädliches Kohlendi- Stahlproduktion abgefangen Trotz ihrer hohen Energie- Chemieanlagenbau Chemnitz oxid (CO2) und fast keinen werden. dichte ist die Effizienz von GmbH einen Prozess zur Erzeu- Feinstaub oder Stickstoffoxid. E-Fuels deutlich geringer als gung von synthetischem Benzin Ihre CO2-Bilanz ist nahezu beim Batterieantrieb. Auch lie- nur aus Kohlendioxid, Strom neutral, da nur so viel CO2 Interessante gen die Herstellungskosten der- und Wasser. Eine Demonstrati- ausgestoßen wird, wie für ihre Einsatzbereiche zeit noch deutlich höher als bei onsanlage ist seit längerem an Produktion notwendig ist. Benzin oder Diesel. Es besteht der TU Bergakademie Freiberg Für die Herstellung von Für den Einsatz von E-Fuels also weiterhin viel Forschungs in Betrieb. In Dresden befindet E-Fuels kommen verschiedene müssen Autos nur wenig umge- bedarf, vor allem im Hinblick sich mit der Firma Sunfire ein Ausgangsprodukte in Frage. baut werden. In Schiffen, Flug- auf ihre Herstellung im großen weltweit führendes Elektrolyse- Vor allem aber werden CO2, zeugen oder Lastwagen können Maßstab. Unternehmen. 10 Ausgabe 1 2022 ˚
PLENUM // In der 44. Sitzung des Sächsischen Landtags am 9. Februar 2022 berichtete die Sächsische Staatsregierung über die Corona-Pandemie in Sachsen. Sie warnte vor übereilten Lockerungen sowie der verhältnismäßig geringen Impfquote in Sachsen. Im bundesweiten Vergleich waren die Infektions- zahlen Anfang Februar noch immer niedrig. // Foto: S. Floss 44. Sitzung des Sächsischen Landtags Keine Entwarnung, aber maßvolle Lockerungen Dr. Daniel Thieme Landtag debattiert weitere Schritte in der Corona-Pandemie Impfinfrastruktur ausbauen Auf den Herbst vorbereiten Lebenssituationen berücksichtigen Sozialministerin Petra Köpping, SPD, führte Auch bei der Omikron-Variante des Corona- aus, dass die 7-Tage-Inzidenz in Sachsen zu- virus schütze eine Impfung noch signifikant Lucie Hammecke, BÜNDNISGRÜNE, führte letzt deutlich gestiegen sei. Daher wolle sie vor Ansteckungen und Übertragungen, so eine Studie an, nach der Menschen, die in die Impfinfrastruktur weiter ausbauen, um die Alexander Dierks, CDU. Allerdings sei die Impf sozial benachteiligten Regionen leben, häu- Impfquote unter Erwachsenen und Kindern quote in Sachsen bisher noch zu niedrig, figer an Corona erkrankten als anderswo. zu steigern. Oliver Schenk, CDU, Chef der weshalb im Freistaat auch verhältnismäßig Ärmere Menschen seien oft weniger ge- Staatskanzlei, warnte davor, die Virusvari- mehr Menschen an einer Corona-Infektion schützt auf Arbeit; in sozial benachteiligten ante Omikron zu unterschätzen. Das zeigten gestorben seien. Mit Blick auf den Sommer Vierteln gebe es weniger Test- und Impfzen- beispielsweise jüngste Meldungen aus Israel. und den nächsten Herbst brauche es daher tren. Man müsse daher das Handeln in der Dennoch müsse es maßvolle Lockerungen weitere Anstrengungen, um die Zahl der Pandemie, etwa bei der Steuerung von Impf geben, schließlich trage jeder Einzelne auch geimpften Bürger weiter zu erhöhen. kampagnen, mehr differenzieren und unter- selbst Verantwortung. Es könne noch keine Entwarnung in der schiedliche Lebenssituationen stärker be- Jörg Urban, AfD, kritisierte, dass die Pandemie geben, betonte Susanne Schaper, rücksichtigen. Corona-Politik der Staatsregierung keinen DIE LINKE. Vor allem seien gegenwärtig wie- Simone Lang, SPD, warnte davor, die be- quantifizierbaren Nutzen mehr vorweise. der viele Schülerinnen und Schüler von In- stehenden Einschränkungen voreilig aufzu- 2G- oder 3G-Einschränkungen hätten sich fektionen betroffen. In anderen Bereichen heben. Das Ziel müsse es sein, die Welle so als fast wirkungslos erwiesen. Der Schutz drohe aufgrund stark steigender Quaran schnell wie möglich zu beenden und nicht durch Impfungen sei geringer als ursprüng- täne-Anordnungen übermäßige Personal unnötig in die Länge zu ziehen. In Sachsen lich versprochen, trotzdem solle es bald ei- knappheit. Die einrichtungsbezogene Impf- gebe es sehr viele über 60-Jährige, die noch ne einrichtungsbezogene Impfpflicht geben. pflicht im Gesundheitsbereich verunsichere nicht geimpft seien. Als Gesellschaft habe Damit würden viele Pflegekräfte und Ärzte geimpfte und ungeimpfte Beschäftigte in man den Anspruch, diejenigen zu schützen, ins berufliche Abseits befördert. Zahlreiche Pflegeeinrichtungen und deren Arbeitgeber die besonders gefährdet seien. Gleichzeitig Länder stuften Corona inzwischen ähnlich wie gleichermaßen. nehme man die negativen Folgen der Kon- eine Grippe ein. Diesen Weg müsse nun taktbeschränkungen wahr und ringe weiter auch Deutschland gehen. um die richtigen Lösungen. Ausgabe 1 2022 11 ˚
PA R L A M E N T Janina Wackernagel Sächsische Sammlungen auf dem Prüfstand Sachkundige informieren über den Stand der Provenienzforschung in Sachsen // Ausstellung »Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre // Der Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD »Provenienzforschung im Frei- Herkunft«, 2018/19 // © Forschung, Staatliche staat Sachsen weiterentwickeln – wissenschaftliche Aufarbeitung in sächsischen Museen, Kunstsammlungen Dresden, Bibliotheken und Kunstsammlungen sicherstellen« wurde am 24. Januar 2022 im Kulturaus- Foto: Barbara Bechter schuss angehört. Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Forschung in diesem Themen- bereich auszubauen. // Identifikation mit kommunalen Den Abgeordneten des Kultur- werden konnten, deren Privat- entsprechender Projekte sei Einrichtungen und der außer- ausschusses wurde während besitz 1942 enteignet worden daher enorm wichtig und müsse schulischen Bildungsarbeit, so der Anhörung mit anschau war. Bis dato habe man nicht verstetigt werden. Es diene Dr. Robert Langer, Leiter der lichen Beispielen berichtet, wirklich gewusst, ob es in den schließlich der Aufarbeitung Sächsischen Landesfachstelle welche Erfolge die sächsische kommunalen Bibliotheken der Geschichte, aber auch der für Bibliotheken. Provenienzforschung der ver- Sachsens überhaupt NS-Raub- gangenen Jahre mittlerweile gut gibt. Bibliothekare haben Foto: M. Rietschel vorzuweisen hat – aber auch, seinerzeit systematisch Leih wie viel Arbeit noch vor den zettel über die Namensetiket- Forschern liegt. ten geklebt, um deren Herkunft zu verdecken. Das Projekt in Bautzen sei Unentdeckte Schätze aber eine Ausnahme, denn im und NS-Raubgut ländlichen Raum gebe es keine in kommunalen Fachexpertise, um die Altbe- Sammlungen stände in kommunalen Biblio- theken systematisch zu unter- Da ist die Stadtbibliothek in suchen. Kleinere und mittlere Bautzen, in der in zwei For- Museen hätten, wenn über- schungsprojekten Teile der haupt, höchstens einen fest Büchersammlung der jüdischen angestellten Mitarbeiter, der Familie Tietz (Begründer der sich gezielt um die Sammlung Hertie-Warenhäuser) entdeckt kümmern könne. Die Arbeit 12 Ausgabe 1 2022 ˚
PA R L A M E N T Gemessen am Kulturgutentzug in der Sowjeti- gemeldet. Davon habe man Gesamtbestand ist schen Besatzungszone müsse bisher aber nur 61 Bücher an ZUM NACHLESEN Wortprotokoll noch viel zu tun weiter aufgeklärt werden. Für Erbengemeinschaften o. ä. Öffentliche Objekte, die DDR-Ausreisenden zurückgeben können. Es wurde Anhörung Die Generaldirektorin der SKD, entzogen wurden, müsse stärker eindrücklich darauf hingewiesen, Prof. Dr. Marion Ackermann, sensibilisiert werden und auch dass Rückgaben, sogenannte ging in ihrem Vortrag auf das das sehr große Themenfeld Restitutionen, nicht nur sehr viel Projekt »DAPHNE« ein. Man Kolonialismus bringe für sächsi- Rechercheaufwand, sondern werde in absehbarer Zeit nicht sche Museen fast jeder Größe auch moralisches und ethisches damit »fertig sein«, Kulturgut weiteren Aufarbeitungsbedarf Fingerspitzengefühl im Umgang aus sächsischen Sammlungen mit sich. Zu all diesen Aspekten mit Hinterbliebenen, sowie star- an seine rechtmäßigen Besitzer gebe es in den großen Bestän- ken juristischen Sachverstand zurückzugeben. Zugleich machte den sächsischer Sammlungen bräuchten. Wenn es immer nur Zudem gebe es durchaus auch sie darauf aufmerksam, dass noch sehr viel zu tun. zeitlich befristete Projektstellen Überlassungsvereinbarungen mit gebe, könne es eben auch keine Nachkommen. Damit könnten kontinuierlichen Ansprechpart- Objekte in Sammlungen verblei- DAPHNE ner geben, die notwendige ben und ihre eigene Geschichte Expertise würde ständig wieder bereichern. Die Provenienzfor- Projekt der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden abfließen. schung diene dazu, Werke für (SKD) seit 2008, um deren Bestand aus mehreren Sammlungen wiederzugewinnen. Millionen Objekten zu erfassen und zu bewerten. Dr. Jasper von Richthofen be- Die sächsische Software-Firma Robotron hat dafür Rückgaben, aber richtete dazu aus den Görlitzer eigens eine Datenbank entwickelt, die mittlerweile auch Rückgewinne Sammlungen für Geschichte deutschlandweit in Museen zum Einsatz kommt. und Kultur: Etwa 80 Prozent Es wurden in der Anhörung auch der Bestände der einstigen Befürchtungen entkräftet, mit Städtischen Kunstsammlungen WASHINGTONER ERKLÄRUNG Restitutionen würden womöglich Görlitz würden als Kriegsverluste sächsische Museen leergeräumt. gelten. Davon könnten sich Internationale Übereinkunft von 1998, in der Grund- Dem sei offenkundig nicht so. heute zahlreiche Stücke uner- sätze festgelegt wurden, wie mit Kunstwerken umgegan Es habe einzelne, sehr berech- kannt in polnischen Museen gen wird, die von den Nationalsozialisten beschlag- tigte Rückgaben gegeben. Ab- befinden. Daher wolle er mit nahmt und bislang nicht zurückerstattet wurden. Die gesehen davon müsse man sich polnischen Einrichtungen ein konkrete Umsetzung obliegt den für Museen und Biblio gut überlegen, ob man ernsthaft gemeinsames Forschungspro- theken zuständigen Ministerien oder Landkreisen. mit Stolz ein Kunstwerk aus jekt anstoßen. Hierbei betrete stellen wolle, das einem nach man aber kulturpolitisches Recht und Moral gar nicht zu- Neuland, warb er bei den PROVENIENZFORSCHUNG stehe, weil es einst geraubt Ausschussmitgliedern um ent- oder abgepresst worden sei. sprechende Unterstützung. Fachrichtung, die erforscht, wie Gemälde, Plastiken, Bücher, Schmuck, menschliche Gebeine etc. in eine Sammlung gekommen sind. So kann man feststellen, wie legitim frühere Eigentumswechsel abgelaufen sind, aber auch die Authentizität von Objekten gewährleis- ten oder den Wert von Sammlungen bestimmen. SACHKUNDIGE: Prof. Dr. Marion Ackermann >> Generaldirektorin der SKD auch sächsische Museen Weiterhin berichteten Sachkun- Kulturgüter verloren hätten, dige von Rückgaben menschli- >> Leiter Forschung und Ausstellungen so dass mit DAPHNE auch cher Gebeine und Mumienteile Dr. Friedrich von Bose der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen Rückgewinnungen möglich aus den Staatlichen Ethnogra- geworden seien. phischen Sammlungen Sachsen Dr. Meike Hoffmann >> Provenienzforscherin FU Berlin Prof. Dr. Gilbert Lupfer von an Hawaii und Australien. Man >> Leiterin der Abteilung Handschriften, der Stiftung Deutsches Zentrum sei derzeit in weiteren Gesprä- Jana Kocourek Alte Drucke und Landeskunde der SLUB Dresden Kulturgutverluste wies darauf chen mit Neuseeland, Namibia >> Leiter der Sächsischen Landesfachstelle hin, dass das Projekt für den und Tansania. In der Sächsischen Dr. Robert Langer für Bibliotheken Freistaat Sachsen auch deshalb Landesbibliothek – Staats- und eine langfristige Aufgabe sei, Universitätsbibliothek Dresden >> V orstand der Stiftung Deutsches Zentrum Prof. Dr. Gilbert Lupfer Kulturgutverluste weil neben der Untersuchung (SLUB) habe man im letzten von NS-Raubgut neue Bereiche Projekt zu NS-Raubgut 543 Bü- Dr. Jasper von Richthofen >> Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur und Direktor des Sächsischen Museumsbundes hinzugekommen seien: Der cher an die Lost-Art-Datenbank Ausgabe 1 2022 13 ˚
PA R L A M E N T Rüdiger Soster LAUFENDE GESETZGEBUNG TITEL | EINBRINGER ERLÄUTERUNG STATUS Gesetz über das Verbot der Zweck Zur Bekämpfung von örtlichem Wohnraummangel sollen 1. Beratung sowie Überweisung an den entfremdung von Wohnraum im Freistaat Kommunen ermächtigt werden, die Umnutzung von Wohnraum Ausschuss für Regionalentwicklung (ffd.) und Sachsen (SächsZwG), zu anderen Zwecken unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. den Ausschuss für Inneres und Sport 7/8495 | DIE LINKE am 10. Februar 2022 Zweites Gesetz zur Änderung des Ausfüh- Der Gesetzentwurf sieht Zuständigkeitsregelungen vor für die Überweisung an den Ausschuss für Energie, rungsgesetzes zum Bundes-Immissions- Marktüberwachung bestimmter Verbrennungsmotoren sowie für Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (ffd.) schutzgesetz und zum Benzinbleigesetz, die Erstellung von Lärmkarten für Hauptverkehrsstraßen. sowie den Haushalts- und Finanzausschuss 7/8514 | Staatsregierung am 22. Dezember 2021 Gesetz zur Einführung des Gesetzes Mit dem geplanten Gesetz soll ein Anspruch auf Zugang zu allen Überweisung an den Ausschuss für Verfassung über die Transparenz von Informationen relevanten Informationen des Freistaates Sachsen geschaffen und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung im Freistaat Sachsen, werden. Bestimmte Informationen müssen zudem von Amts wegen (ffd.) sowie den Haushalts- und Finanzausschuss 7/8517 | Staatsregierung auf einer Online-Transparenzplattform veröffentlicht werden. am 22. Dezember 2021 Gesetz zur Änderung des Das Normsetzungsverfahren dient der Änderung und Ergänzung Überweisung an den Ausschuss für Soziales Heilberufezuständigkeitsgesetzes, der Zuständigkeiten für den Vollzug des Berufsrechts der und Gesellschaftlichen Zusammenhalt 7/8730 | Staatsregierung akademischen Heilberufe und der Gesundheitsfachberufe sowie am 6. Januar 2022 der arzneimittel- und apothekenrechtlichen Vorschriften. Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Der Gesetzentwurf bezweckt, den Änderungsstaatsvertrag in Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Änderung medienrechtlicher Staatsverträge, Landesrecht zu überführen. Dieser stärkt barrierefreie Medien Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus 7/8749 | Staatsregierung angebote und enthält Anpassungen im Bereich des Jugendschutzes. am 11. Januar 2022 Erstes Gesetz zur Änderung des Sächsi- Die Möglichkeit zur Umschichtung von Ausgaben soll von Überweisung an den Haushalts- und schen Coronabewältigungsfondsgesetzes, derzeit 15 Prozent auf 35 Prozent angehoben werden. Der Aus Finanzausschuss am 19. Januar 2022 7/8829 | CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD gaberahmen für coronabedingte Ausgaben erhöhte sich damit von 2.875 Mio. Euro auf insgesamt bis zu 3.375 Mio. Euro. Viertes Gesetz zur Änderung der Das Änderungsvorhaben regelt die Holzbauförderung, Mindest- Überweisung an den Ausschuss für Sächsischen Bauordnung, abstände von Windkraftanlagen, den 5G-Netzausbau sowie Regionalentwicklung am 20. Januar 2022 7/8836 | Staatsregierung weitere Anpassungen zur Unterstützung der Energiewende. Erstes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Mit dem Gesetzentwurf soll die Verwendung von Mitteln des Überweisung an den Haushalts- und Coronabewältigungsfondsgesetzes Corona-Bewältigungsfonds für konjunkturpolitische Maßnahmen Finanzausschuss am 24. Januar 2022 7/8866 | AfD ausgeschlossen werden. Auch eine Erhöhung des Ausgaberah- mens von 15 Prozent auf 35 Prozent der nicht verbrauchten Mittel ist vorgesehen. ABGESCHLOSSENE GESETZGEBUNG TITEL | EINBRINGER ERLÄUTERUNG STATUS Drittes Gesetz zur Fortentwicklung Das Gesetz erweitert die Bürgerbeteiligung an kommunalpoliti- angenommen des Kommunalrechts, schen Entscheidungen. Zudem können Bürgermeister nun auch 7/7991 | Staatsregierung in Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern hauptamtlich beschäftigt werden. Ehemalige ehrenamtliche Bürgermeister erhalten einen pauschalen Ehrensold. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie Das Gesetz regelt verwaltungsorganisatorische Vorgaben im angenommen EU 2018/2001 des Europäischen Parla- sächsischen Wasser- und Immissionsrecht, die der Umsetzung ments und des Rates vom 11. Dezember der Richtlinie (EU) 2018/2001 dienen. 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, 7/8343 | CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD Sächsisches Gesetz zur Beamte und Richter erhalten, entsprechend den Tarif angenommen Grafik: Jezper / Adobe Stock Corona-Sonderzahlung, beschäftigten, zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung auf 7/8828 | CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD Grund der Corona-Krise eine einmalige Sonderzahlung. Die »Laufende Gesetzgebung« zeigt den Fortschritt in aktuellen Gesetzgebungsverfahren des Sächsischen Landtags an. Unter »Abgeschlossene Gesetzgebung« sind angenommene und abgelehnte Gesetzentwürfe aufgeführt. Stand: 17. Februar 2022. 14 Ausgabe 1 2022 ˚
AKTUELLES »Der Abgrund menschlichen Handelns« Foto: P. Sosnowski // Am diesjährigen Gedenktag für die Opfer des National sozialismus erinnerte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler gemeinsam mit Ministerpräsident Michael Kretschmer an die Euthanasie-Verbrechen in Großschweidnitz. // 15
AKTUELLES Dr. Daniel Thieme Gedenken an den Gräbern Landtag und Staatsregierung erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus // Am 27. Januar 2022 legten Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler und Ministerpräsident Michael Kretschmer gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenk- stätten, Dr. Markus Pieper, sowie Bürgermeister Jons Anders in der Gedenkstätte Groß- Bildung und Erinnerung schweidnitz Kränze nieder. Die Erste Vizepräsidentin des Landtags, Andrea Dombois, nahm Am Jahrestag der Befreiung des an einer Veranstaltung an der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden teil. // Konzentrationslagers Auschwitz erinnerte der Sächsische auf dem Kriegsgräberfriedhof gemeinsame Aufgabe dafür ermordet.« Es liege nun in Landtag gemeinsam mit der der Gemeinde Großschweidnitz zu sorgen, dass sich dieses unserer Verantwortung, das Sächsischen Staatsregierung an statt. Unrecht nicht wiederholt. An historische Bewusstsein zu die Opfer des Nationalsozialis- Der sächsische Minister einem Ort wie Großschweidnitz bewahren und das Wissen von mus. Das Gedenken fand präsident, Michael Kretschmer, wird das Gedenken sehr kon- Generation zu Generation wei- diesmal nicht im Plenarsaal, betonte: »Der heutige Tag ist kret. Über 5 000 Frauen, Männer terzugeben. Dafür brauche es sondern in einem kleinen Kreis eine Mahnung. Es ist unsere und Kinder wurden allein hier Bildung und Orte der Erinnerung, // Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler spricht zu den Anwesenden // Fotos: P. Sosnowski 16 Ausgabe 1 2022 ˚
AKTUELLES so Michael Kretschmer. Er fügte schweidnitz wurden damals in an, dass mit der Überführung in Massengräbern verscharrt. Aus die Trägerschaft der Stiftung dieser Dunkelheit heraus erhebt Sächsische Gedenkstätten der sich heute der Auftrag zur Erin- Betrieb der Gedenkstätte Groß- nerung. Es gilt, das Schicksal schweidnitz nun dauerhaft gesi- der Opfer zu ehren und vor dem chert sei. Vergessen zu schützen.« Dr. Markus Pieper, Geschäfts führer der Stiftung Sächsische Abgrund menschlichen Gedenkstätten, hob das in Groß- Handelns schweidnitz geleistete bürger- schaftliche Engagement heraus. Landtagspräsident Dr. Matthias Ohne dieses wäre die Übernahme Rößler mahnte in seiner Rede, in die Trägerschaft der Gedenk- der 27. Januar lasse uns in das stättenstiftung nicht möglich dunkle Nichts blicken, zu dem gewesen. Bei einem anschlie- Menschen im Abgrund ihres ßenden Rundgang entlang der Herzens fähig seien. Er sei zu- auf dem Friedhof aufgestellten gleich ein immerwährender Auf- Namenstafeln wies Dr. Maria trag, den Opfern des National- Fiebrandt vom Verein Gedenk- // Landtagsvizepräsidentin sozialismus Ehre zu erweisen, stätte Großschweidnitz darauf Andrea Dombois erinnerte ihnen ihre Würde zurückzuge- hin, wie wichtig es sei, sich mit am 27. Januar 2022 in Dresden vor der Gedenkstätte Münchner ben und ihr Andenken zu be- den einzelnen Lebensgeschich- Platz an die Opfer des National wahren. »Die Opfer von Groß- ten der Opfer zu beschäftigen. sozialismus. // Fotos: Landtag GEDENKSTÄTTE GROßSCHWEIDNITZ Mehr als 5 000 Euthanasie-Opfer Großschweidnitz die gezielte Mangelversorgung von Patienten, mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges dann ihre systematische Vernich Zwischen den grünen Hügeln der Oberlausitz liegt südlich der Stadt tung. Über 2 300 psychisch kranke, geistig behinderte und alte Men Löbau die Gemeinde Großschweidnitz. Der Ort ist schicksalhaft schen wurden zwischen Juli 1940 und August 1941 über die Anstalt verbunden mit dem dortigen Krankenhaus, dass 1912 als Königlich- Großschweidnitz in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein transpor- Sächsische Heil- und Pflegeanstalt gegründet wurde. Es verfügte tiert, wo sie in einer Gaskammer ermordet wurden (»Aktion T4«). In anfangs über 524 Betten. Die Kapazität wurde bereits zehn Jahre Großschweidnitz selbst starben durch Unterernährung, pflegerische später erweitert. Vernachlässigung und überdosierte Beruhigungsmittel bis 1945 Ab 1934 verfolgten die Nationalsozialisten das Ziel, psychisch insgesamt mehr als 5 000 Menschen. So hoch die Zahl der Opfer kranke Menschen, die als »minderwertig« galten, zu sterilisieren auch war, nur wenige Schuldige wurden nach Kriegsende belangt. und an der Fortpflanzung zu hindern. In der Folge gehörten Zwangs- Am Landgericht Dresden kam es 1947 zum »Euthanasie«-Prozess sterilisationen zum Alltag des Krankenhauses. Ab 1938 begann in gegen Ärzte und Pfleger aus Großschweidnitz. Foto: P. Sosnowski Aufgaben der Gedenkstätte Der ehemalige Anstaltsfriedhof ist heute ein Ort der Erinnerung und Bildung. Seit 2012 finden regelmäßig Veranstaltungen und Führun- gen statt. Wanderausstellungen informieren über Einzelaspekte der nationalsozialistischen Verbrechen. Auf dem Außengelände erin- nern Namenstafeln an jene Menschen, die damals würdelos begraben wurden. Ein Denkmal von Detlef Hermann lädt zum Gedenken an die Opfer der Krankenhausmorde ein. Außerdem gehört das ehemalige Pathologiegebäude mit Trauerhalle zum Friedhof. Um weiteren Raum für die Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit zu schaffen, baut die Gedenkstätte derzeit ein neues Gebäude. Es soll später einmal die Dauerausstellung aufnehmen. WWW.GEDENKSTAETTE-GROSSSCHWEIDNITZ.ORG 17
AKTUELLES // In den zurückliegenden zwei Jahren debattierte der Sächsische Landtag regelmäßig über den Umgang mit der Corona-Pandemie. Doch es wurde nicht nur geredet, son- dern mit Blick auf den Gesundheitsschutz auch gehandelt. Zu den bewährten Hygienemaßnahmen und Reihentes- tungen kam im Frühjahr 2021 erstmals das Angebot einer Corona-Schutzimpfung hinzu. // // Oben: Warteschlage für eine Impfung am Tag der offenen Tür 2021 im Sächsischen Landtag // Fotos: Landtag Spritze Die Redaktion ebenso tatkräftig wie Soldaten der Bundeswehr. Den reibungs- Landtag sichert mit eigenen losen und zügigen Ablauf inner- Impfungen die Arbeitsfähigkeit im Parlament halb des Hauses stellten die Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung sicher. Sie organisierten Impftermine, bereiteten Räume vor oder stellten PC- und Netz- werktechnik auf. Die Helfer konnten in mancher Hinsicht »Der Sächsische Landtag wird Impfangebot die Gefahr schwe- des Kantinenpersonals und des auf Erfahrungen zurückgreifen, zum Impfzentrum!« – Mit dieser rer Erkrankungen schnellst Reinigungsdienstes. die sie bei den Reihentestun- Schlagzeile kommentierte ein möglich verringern.« Das Deut- gen in den Monaten zuvor ge- sächsischer Radiosender am sche Rote Kreuz (DRK) setzte sammelt hatten. Morgen des 22. April 2021 die die Erst- und Zweitimpfungen Planung bis ins Detail Insgesamt erfuhr die Impf gerade angelaufene Impfaktion im Landtag federführend um. aktion im Frühjahr eine rundum im Landtagsgebäude. Dabei ging Einladungen erhielten nicht nur Hinter den Kulissen bedeutete positive Resonanz. Zahlreiche es den Organisatoren nicht um Abgeordnete und Mitglieder der die Impfaktion einen organisa- Abgeordnete lobten die profes- ein großes Medien-Echo. Vielmehr Staatsregierung, sondern ebenso torischen Kraftakt. Die Organi- sionelle Durchführung. An den war es notwendig, die Hand- alle Landtagsmitarbeiterinnen- sationen von DRK, Johannitern, sechs Impftagen des Jahres lungsfähigkeit des Parlaments und -mitarbeiter einschließlich Maltesern und THW halfen 2021 verabreichten die Ärzte inmitten der Corona-Pandemie 1 234 Impfungen. Hinzu kamen abzusichern. Der Landtag be- weitere 600 Immunisierungen fasste sich zu dieser Zeit mit am 2. und 3. Oktober für Be dem Haushaltsplan 2021/2022, sucher des Dresdner Stadtfes- seine Verabschiedung im Plenum tes sowie Anfang Januar für war spürbar herangerückt. impfwillige Bürger. Zu denjeni- Landtagspräsident Dr. Matthias gen, die kurzfristig eines der Rößler stellte damals klar: »Es Impfangebote im Landtag wahr- ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, nahmen, zählte am 6. Januar dass der Parlamentsbetrieb 2022 ein 92-jähriger Mann. Der weiterhin sichergestellt ist und rüstige Rentner ließ sich eine wir mit einem koordinierten Boosterimpfung verabreichen. 18
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