224 Landtagskurier Ausgabe 4 | 2022 - Der Sächsische Landtag

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224 Landtagskurier Ausgabe 4 | 2022 - Der Sächsische Landtag
Landtagskurier
                                                                            Ausgabe 4 |
                                                                            2022

                                                                                4 22
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Begrenzung von          Feierstunde anlässlich   Sachsen und Nieder­
Mietpreissteigerungen   des 30. Jubiläums der    österreich feiern
Thema im Landtag        Sächsischen Verfassung   30-jährige Partnerschaft
224 Landtagskurier Ausgabe 4 | 2022 - Der Sächsische Landtag
EDITORIAL                                                                                                        I N H A LT

                                                                                                                                          PLENUM

                                                                          51. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                          Eine Frage des Respekts
                                                                          Landtag diskutiert Bedeutung der Mindestlohnerhöhung
                                                                          für Sachsen............................................................................................................................................ 4
                                                                          51. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                          Bekenntnis zur Spitzenforschung
                                                                          Zukünftige Innovationen benötigen solide
                                                                          finanzielle Ausstattung.............................................................................................................. 5
                                                                          52. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                          Corona-Impfung diskutiert
                                                                          AfD-Fraktion kritisiert einrichtungsbezogene Impfpflicht.....................6
                                                                          52. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                          Schulschließung als schlechtes Signal
                                                       Foto: S. Giersch   Gemeinderat Neukieritzsch beschloss im April
                                                                          das Ende der Grundschule Deutzen............................................................................ 7
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,                                          52. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                          Leerstand hier, Wohnungs­knappheit dort
die vergangenen Wochen standen ganz im Zeichen der Sächsischen            Wohnungsmärkte in Sachsen ringen mit u
Verfassung. Unser »sächsisches Grundgesetz« besteht mittlerweile          nterschiedlichen Problemen................................................................................................8
seit 30 Jahren. Damals haben kluge Frauen und Männer den politischen      Hintergrundinformationen zur
Willen unseres Volkes in Worte gefasst und daraus die Fundamente          Mietpreisbremse für Dresdenund Leipzig.........................................................10
einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Sachsen ge­
gossen. Vom sogenannten »Gohrischen Entwurf« bis zur feierlichen                                                                    PA R L A M E N T
Unterzeichnung der Verfassung am 27. Mai 1992 vergingen weniger
als zwei Jahre. Unter allen neu gegründeten Bundesländern waren           Stärkere Anstrengungen beim Frauenschutz
                                                                          Europäisches Vorhaben will Betroffene besser unterstützen.........11
wir Sachsen die Schnellsten. Beflügelt vom Geist des Aufbruchs in
der Friedlichen Revolution von 1989 entstand etwas, das Anerken­          Laufende Gesetzgebung......................................................................................................12
nung verdient, auf das wir stolz sein dürfen und das weithin ge­
schätzt wird. Unsere Verfassung genießt überaus großes Vertrauen.                                                                    AKTUELLES
Diese Wertschätzung beruht auf ihrem modernen und stabilen, ge­
radezu robusten Charakter. Sie ist im besten Wortsinn krisenbe­           Eine bewährte Verfassung mit Zukunft
                                                                          Feierstunde anlässlich des 30. Jahrestages der
währt, wie wir es in der jüngeren Vergangenheit erleben konnten.
                                                                          Sächsischen Verfassung....................................................................................................... 14
   In meiner Rede zum Verfassungsjubiläum am 18. Mai 2022 habe
ich deutlich gemacht, dass die Verfassung die Klammer um das ge­          Silbernes Jubiläum
sellschaftliche Leben im Freistaat Sachsen bildet. Sie steht ganz         Sächsische Verfassungsmedaille wird
praktisch für den Grundkonsens innerhalb der Gesellschaft. Nur            seit 25 Jahren verliehen......................................................................................................... 16
wenn verbindliche Spielregeln vorliegen, ist auch für alle nachvoll­      30 Jahre Partnerschaft zwischen
ziehbar, was erlaubt ist und was nicht. Damit meine ich allerdings        Sachsen und Niederösterreich
nicht, dass bei politischen Entscheidungen fortwährende Einigkeit         Abgeordnetendelegation des österreichischen Bundeslandes
gelten muss. Ein Konsens im Grundsätzlichen ermöglicht geradezu erst      zu Gast in Sachsen..................................................................................................................... 18
den Dissens im Einzelnen. Der Wesenskern einer Demokratie, einer
freien Gesellschaft, ist die öffentliche Meinungsvielfalt und sogar                                                                        JUGEND
der Meinungsstreit.
                                                                          Gut organisiert durchs Schuljahr 2022/23
   Und noch etwas anderes halte ich für ausgesprochen wichtig:            Neuer Schülerkalender ist erschienen................................................................... 21
Die Sächsische Verfassung schafft einen weiten Raum für bürger­
schaftliches Engagement und ermutigt dazu, gesellschaftliche Ver­
                                                                                                                                   GESCHICHTE
antwortung zu übernehmen. Um besondere Verdienste in diesem
Bereich zu würdigen, habe ich in diesem Jahr wieder sechs Perso­          Walther Schieck – Verwalter auf Abruf
nen mit der Sächsischen Verfassungsmedaille ausgezeichnet.                Ministerpräsidenten und Landtag in der Zeit
   Begeben Sie sich also in diesem Heft auf Spurensuche und erfah­        von 1919 bis 1933 (Teil 7).................................................................................................... 22
ren Sie mehr über die Verfassung und ihr 30-jähriges Jubiläum. Ich
wünsche Ihnen dabei viel Freude.                                                                                                         SERVICE

                                                                          Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24

                 Dr. Matthias Rößler
                 Präsident des Sächsischen Landtags
                                                                          // Titel: Festveranstaltung »30 Jahre Sächsische Verfassung«
2                                                                         im Plenarsaal // Foto: S. Füssel
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PLENUM

                                Mindestlohn,
                           Forschungsmittel,
                            Mietpreisbremse

                                        Valentin Lippmann und Sören Voigt im Gespräch // Foto: S. Floss

// In der 51. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 1. Juni 2022 debattierte
das Parlament über Tariflöhne und die Forschungsfinanzierung in Sachsen.
Am Tag darauf standen in der 52. Sitzung unter anderem die einrichtungsbe­
zogene Impfpflicht, die Schulschließung in Deutzen sowie die Mietsituation
in den sächsischen Großstädten auf der Tagesordnung. //

                                                                                                     3
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PLENUM

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Eine Frage des Respekts
Landtag diskutiert Bedeutung                               51. Sitzung des Sächsischen Landtags
der Mindestlohnerhöhung für
Sachsen                                         // Am 3. Juni 2022 beschloss der Bundestag die Erhöhung des gesetzlichen Mindest­
                                                lohns zum 1. Oktober 2022. Bereits zwei Tage vorher, in der 51. Plenarsitzung des
                                                7. Säch­sischen Landtags, befasste sich das Parlament auf Antrag der SPD-Fraktion
                                                mit der ersten Aktuellen Debatte »Gute Arbeit für Sachsen: Tariflöhne für Fach­
                                                kräfte, 12 Euro Mindestlohn aus Respekt.« //

Positive Auswirkungen                           Verletzung der Tarifautonomie                            Kommission reformieren

Der Mindestlohn von 12 Euro sei das Min­        Seine Partei habe sich bereits 2017 für                  Gerhard Liebscher, BÜNDNISGRÜNE, warnte,
deste an Respekt und Anerkennung für harte      den Mindestlohn ausgesprochen, betonte                   dass aufgrund der sinkenden Tarifbindung
Arbeit, so Henning Homann, SPD. Insbeson­       Dr. Joachim Keiler, AfD. Es sei aber fraglich,           niedrige Lohnschichten abgehängt werden
dere für Menschen im Osten Deutschlands         ob die von der Bundesregierung angestoße­                könnten. Die Anhebung des Mindestlohns
und Frauen sei die Erhöhung ein wichtiger       ne Erhöhung der richtige Weg sei, da sie die             schütze zumindest heute vor Armut. Dennoch
Schritt. Auch wirtschaftlich bringe die Anhe­   Tarifautonomie verletze und vom gängigen                 müsse er zukünftig weiter ansteigen. Die
bung viel, da sie dabei helfe, im Wettbewerb    System der Festsetzung abweiche. Die Hans-­              Festlegung der Höhe solle auch weiter bei
um Fachkräfte der Zukunft zu bestehen.          Böckler-Stiftung prognostiziere zudem viele              den Sozialpartnern liegen, allerdings müssten
Ebenso wichtig sei, dass in möglichst vielen    Schließungen, beispielsweise in der Gastro­              die Mindestlohnkommission reformiert, die
Unternehmen Tariflöhne gelten würden, was       nomie. Letztlich sei auch fraglich, wie viel den         nachziehende Kopplung an die Tarifentwick­
sich wiederum positiv auf die Demokratie        Arbeitnehmern von der Anhebung übrig­                    lung abgeschafft und Kontrollen ausgeweitet
auswirke.                                       bleibe.                                                  werden.
   Natürlich befürworte man auch höhere             Nico Brünler, DIE LINKE, richtete den Fokus              Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin
Löhne, versicherte Jörg Kiesewetter, CDU. Al­   auf die Tariflöhne. Bei Tarifabschlüssen ge­             Dulig, SPD, begrüßte die Erhöhung des Min­
lerdings müsse beim Prozess der Gestaltung      he es nicht nur um Löhne, sondern auch um                destlohns. Sie habe etwas mit Respekt zu tun.
des Mindestlohns einiges verändert wer­         Arbeits- und Urlaubszeiten, Regelungen zum               Kein anderes Bundesland habe von der Ein­
den. Die Debatte gehöre nicht unbedingt ins     Arbeitsschutz und zur Altersvorsorge und                 führung des Mindestlohns 2015 so sehr pro­
Parlament, sondern in die Mindestlohnkom­       darum, Arbeit und Freizeit unter einen Hut               fitiert wie Sachsen. Mehr Tariflöhne seien auch
mission, in die Hände der Tarifpartner. Auch    zu bringen. Hier gebe es in Sachsen noch viel            weiterhin ein Ziel. Sachsen brauche eine
sei es falsch, dass die Erhöhung des Stun­      Aufholbedarf, die Tarifbindung sei zu nied­              stärkere Sozialpartnerschaft. Förderprogram­
denlohns immer zu einem höheren Monats­         rig. Der Freistaat könne selbst etwas dagegen            me werde man daran koppeln, inwieweit
einkommen führe. Es müsse also sicherge­        tun, unter anderem durch ein Vergabege­                  Tarife gezahlt werden. Zudem wolle man das
stellt werden, dass die Erhöhung bei den        setz, das tarifliche Mindeststandards be­                Vergaberecht novellieren und den Gesetzent­
Betroffenen ankomme.                            rücksichtige.                                            wurf in diesem Jahr in den Landtag einbringen.

// Henning Homann                                                      // Dr. Joachim Keiler // Fotos: S. Floss

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PLENUM

                      51. Sitzung des Sächsischen Landtags                                                                           Foto: S. Floss
                                                                                              Dr. Daniel Thieme

 Bekenntnis zur Spitzenforschung
                          Zukünftige Innovationen benötigen solide finanzielle Ausstattung

                        // Die zweite Aktuelle Debatte der 51. Sitzung des Sächsischen Landtags am 1. Juni 2022
                        befasste sich mit dem Antrag der CDU-Fraktion »Forschungsland Sachsen: Inno­
                        vationsstandort aus Tradition«. Im Freistaat befinden sich vier Universitäten, fünf
                        Hochschulen für angewandte Wissenschaften und über 50 öffentlich finanzierte
                        außeruniversitäre Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. //

Internationalisierung                            Arbeitsbedingungen                                Öffentliche Forschung
voranbringen                                     verbessern                                        wichtig

Sachsen sei ein Forschungs- und Wissen­          Anna Gorskih, DIE LINKE, kritisierte, dass        Was die Forschungsfinanzierung der Hoch­
schaftsstandort auf Spitzenniveau, betonte       Forschung ohne Drittmittel heute kaum             schu­len angehe, liege Sachsen im bundes­
Oliver Fritzsche, CDU. Besondere Stärken         noch möglich sei. Der Anteil der staatlichen      weiten Vergleich auf Platz eins, so Sabine
lägen hierzulande traditionell im MINT-Be­       Grundlagenfinanzierung habe in den ver­           Friedel, SPD. Das sei wichtig, da dem Frei­
reich. Der Freistaat sei gemeinsam mit dem       gangenen Jahrzehnten stetig abgenommen.           staat größere Forschungs- und Entwicklungs­
Bund verpflichtet, die Forschungseinrichtun­     Ebenfalls verbesserungswürdig seien die           standorte der Industrie fehlten. Die öffentli­
gen entsprechend ihrer Aufgaben zu finan­        Arbeitsbedingungen in der Forschung. Eine         chen Forschungsmittel dienten besonders
zieren. Auch die Internationalisierung der       internationale Befragung unter 4 000 Dokto­       jenen Projekten für die kein Kapitalgeber
Hochschulen werde immer wichtiger. Sachsen       randen habe ergeben, dass sich die Hälfte         vor­handen sei. Sie verdienten es dennoch,
sei zudem auf stärkere Zuwanderung ange­         überlastet fühle, ein Drittel zeigte sich sogar   in die Praxis umgesetzt zu werden, da sie das
wiesen, um seine Innovationskraft zu erhalten.   gefährdet, psychisch zu erkranken.                Gemeinwohl förderten.
   Dr. Rolf Weigand, AfD, gab zu bedenken,          Dr. Claudia Maicher, BÜNDNISGRÜNE,                Das hohe Niveau der Forschungslandschaft
dass knapp 60 Prozent der Wissenschaftler        lobte die hohe Dichte an außeruniversitären       in Sachsen müsse weiter verstetigt werden,
mit befristeten Verträgen arbeiteten. Das        Forschungseinrichtungen und eine vielfältig       so Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow,
führe zu Frustration und Ernüchterung, weil      aufgestellte Hochschullandschaft in Sachsen.      CDU. Die Investitionen in diesem Bereich
bereits während eines laufenden Projekts         Sie mache den Freistaat für Forscher aus aller    sollten nicht stagnieren, sondern weiter an­
daran gedacht werden müsse, einen neuen          Welt attraktiv. Eine gelebte Willkommens- und     gehoben werden. Sachsen stehe in starker
Förderantrag zu schreiben. Seine Fraktion        Integrationskultur sei dennoch unverzichtbar.     nationaler und internationaler Konkurrenz,
wolle außerdem den Transfer von der For­         Um die Herausforderungen der Gegenwart            besonders in Zukunftsfeldern wie Quanten­
schung in die Wirtschaft stärken. Dazu solle     zu bestehen, müsse neben der naturwissen­         computing oder künstliche Intelligenz. In
die Gründerförderung an sächsischen Uni­         schaftlichen auch die geisteswissenschaftli­      diesem Umfeld müsse auch die Weiterent­
versitäten verstetigt werden.                    che Forschung gestärkt werden.                    wicklung des Forschungsstandortes gelingen.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                                   5
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// Ivo Teichmann

           Corona-Impfung diskutiert
                                                                                                                            Marvin Liebig

                                            AfD-Fraktion kritisiert einrichtungsbezogene Impfpflicht

// Zu Beginn der 52. Sitzung des Sächsischen Landtags am 2. Juni stand die erste                            gegen schwere Krankheitsverläufe helfen
Aktuelle Debatte mit dem Titel »Impfen bis der Arzt kommt … Geschädigte unter­                              würden. Sie verhinderten demnach neben
                                                                                                            Todesfällen auch die Überlastung der Inten­
stützen, Impfpflicht im Gesundheitswesen stoppen!« auf der Tagesordnung. Sie                                sivstationen. Nebenwirkungen seien im Ver­
wurde von der AfD-Fraktion beantragt. //                                                                    gleich zu anderen Impfungen deutlich gerin­
                                                                                                            ger und würden ebenso wie die Impferfolge
                                                                                                            wissenschaftlich überprüft.
Kurskorrektur gefordert                                    Wissenschaft berücksichtigen

Ivo Teichmann, AfD, eröffnete die Debatte mit              Statt sich fachpolitisch breiter zu befassen,    Grenzen der Freiheit achten
der Feststellung, dass die Einführung der                  nehme sich die AfD dieselben populisti­
einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch                    schen Themen immer wieder vor und schüre         Sabine Friedel, SPD, stimmte zu und betonte,
den Bund unter anderen Umständen erfolgt                   Angst, kritisierte Susanne Schaper, DIE LINKE.   dass es regelmäßige Untersuchungen des
sei, als momentan vorherrschen würden.                     Zwar sei auch ihre Fraktion der einrichtungs­    Paul-Ehrlich-Instituts zu Impfnebenwirkungen
Daher gelte es, eine Kurskorrektur vorzuneh­               bezogenen Impfpflicht gegenüber skeptisch –      gebe. In Bezug auf die einrichtungsbezogene
men. Dass die Regierungsparteien dazu                      nach der Devise: alle oder keiner. Dennoch       Impfpflicht sei klar, dass die Entscheidung
nicht bereit seien, habe eine verheerende                  helfe die von wissenschaftlichen Erkennt­        der Beschäftigten im Gesundheitswesen frei­
Wirkung an der Basis. Beim Pflegepersonal                  nissen gestützte Impfung mit Blick auf die       willig erfolgen müsse, die eigene Freiheit aber
führe das Gefühl, unter Druck gesetzt zu                   noch nicht überwundene Pandemie, zukünftig       dort ende, wo anderen Schaden zugefügt
werden, zu massiver Verunsicherung und                     mögliche Einschränkungen zu vermeiden.           werde. Keine Pflegekraft müsse sich impfen
Enttäuschung.                                                 Dem stimmte Kathleen Kuhfuß, BÜNDNIS­         lassen – allerdings könne sie infolgedessen
   Die AfD erwecke den Eindruck, dass die                  GRÜNE, zu. Die Mehrheit der Wissenschaftler      nicht mehr unmittelbar am Patienten arbeiten.
Medizin schlimmer sei als das Gift, entgeg­                sei davon überzeugt, dass Corona-Impfungen          Sozialministerin Petra Köpping, SPD, be­
nete Alexander Dierks, CDU. Dabei falle das                                                                 tonte, dass die Impfung zwar nicht vor An­
Verhältnis zwischen unerwünschten Wirkun­                                                                   steckung, dafür aber vor schweren Erkran­
gen des Impfstoffs und den Folgen von Corona-­                                                              kungen schütze. Gesundheitseinrichtungen,
Infektionen massiv positiv zugunsten des                                                                    in denen eine große Skepsis gegenüber der
Impfstoffs aus. Auch wenn sich die Umset­                                                                   Impfung herrsche, sollten die empfohlenen
zung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht                                                                  Beratungsangebote nutzen. Trotz der gel­
schwierig gestalte, habe die Impfung einen                                                                  tenden Impfpflicht für Pflege- und Kranken­
immensen Beitrag dazu geleistet, die Lage                                                                   hauspersonal stehe die Versorgungssicher­
im Gesundheitswesen zu entspannen.                                                                          heit im Vordergrund.

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                                                                                                                                                  ˚
                   // Kathleen Kuhfuß // Fotos: S. Floss
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// Die Fraktion DIE LINKE
nahm den Internationalen
Kindertag zum Anlass,
um in der zweiten Aktuellen
Debatte am 2. Juni mit dem
Titel »Kinder brauchen
Rechte, gute Bildung und
eine Schule, die Laune
macht: Das Aus für die
Grundschule Deutzen macht
schlechte Laune!« über die
Folgen der Schulschließung
und Kinderrechte allgemein
zu diskutieren. //

               Marvin Liebig
                                                                                            52. Sitzung des Sächsischen Landtags

Schulschließung als schlechtes Signal
         Gemeinderat Neukieritzsch beschloss im April das Ende der Grundschule Deutzen

                                                ger, also der Kommunen. Nun habe die             sowie der neuen, sogenannten Oberschule+
                                                Gemeinde in ihrer kommunalen Selbstver­          erweitert worden. Auch für den Standort
                                                waltung die Schließung der Schule verfügt.       Deutzen sei dieses Konzept im Sinne der
                                                Dies gelte es zu respektieren. Der Freistaat     Kinder denkbar.
                                                unterstütze die Kommunen bereits mit er­
                                                heblichen Haushaltsmitteln beim Bau und
                                                der Sanierung. Die Gemeinden müssten             Gebrochenes Versprechen
                                                sich verstärkt untereinander abstimmen.
                                                                                                 Nach Meinung von Sabine Friedel, SPD, sei
                                                                                                 Deutzen ein Beispiel für ein gescheitertes
                                                Mehr Fördermittel                                Versprechen des Staates. Das Schulschlie­
// Anna Gorskih // Fotos: S. Floss              für Kommunen                                     ßungsmoratorium von 2013, das klare Be­
                                                                                                 dingungen für den Erhalt eines Standortes
                                                Bei der Auseinandersetzung um die Schul­         formulierte, sei durch die ausgebliebene
Kinderrechte ins Grundgesetz                    schließung in Deutzen gehe es vor allem ums      Bereitstellung von Fördermitteln zur Sanie­
                                                Geld, kritisierte Roland Ulbrich, AfD. Die be­   rung des Schulgebäudes gebrochen worden.
Der Internationale Kindertag am 1. Juni rücke   troffenen Schüler und das jahrgangsüber­         Es müssten zukünftig deutlich mehr Förder­
die Bedürfnisse und Rechte von Kindern in       greifende Bildungskonzept spielten offenbar      mittel ausgegeben werden. Zudem dürften
das öffentliche Bewusstsein, eröffnete Anna     keine Rolle. Um Schulschließungen zu ver­        Schulstandorte nicht gegeneinander ausge­
Gorskih, DIE LINKE, die Debatte. Kinderrechte   meiden, müssten die Kommunen dringend            spielt werden.
müssten besonderen Schutz erhalten, etwa        mit mehr Fördermitteln ausgestattet werden.         Der Debattentitel hätte eine breitere
durch die Aufnahme in das Grund­gesetz.         Jedoch sei gerade dann kein Geld da, wenn        Debatte nach sich ziehen müssen, befand
Die schlechte Bildungsinfrastruktur führe       es um die Belange der Kinder, also um die        Kultusminister Christian Piwarz, CDU. Statt­
zur Schließung von Schulen im ländlichen        Zukunft des Landes, gehe.                        dessen habe man sich auf den Fall Deutzen
Raum wie in Deutzen. Dass dies passiere,           Ihre Partei wolle Schulen, in denen zu­       fokussiert. Man wolle kleine und kleinste
obwohl es das in Sachsen nicht mehr geben       kunftsweisendes, jahrgangs- und fachüber­        Schulen grundsätzlich erhalten, wenn das
dürfte, sei ein fatales Signal für Kinder und   greifendes Lernen möglich sei, betonte           von den örtlichen Entscheidungsträgern ge­
Eltern.                                         Christin Melcher, BÜNDNISGRÜNE. Kinder           wünscht sei. Es gebe ein klares Bekenntnis
   Holger Gasse, CDU, stimmte zu, dass          sollten mitentscheiden und ihre Perspekti­       zu einem möglichen Oberschulstandort
Kinder Rechte und gute Bildung bräuchten.       ven stärker einbringen dürfen. Der Rahmen        Deutzen. Der Freistaat stehe bereit, diesen
Allerdings seien Bau, Sanierung und Unter­      dafür sei mit der Schulgesetznovelle 2017        mit den gegebenen Fördermaßnahmen zu
haltung von Schulen Aufgaben der Schulträ­      und der Einführung der Gemeinschaftsschule       unterstützen.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                             7
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                      Leerstand hier,
        Dr. Daniel Thieme

                  Wohnungs­knappheit dort
                          Wohnungsmärkte in Sachsen ringen mit unterschiedlichen Problemen

       BÜNDNISGRÜNE:                     // Die dritte Aktuelle Debatte der 52. Sitzung des 7. Sächsischen      gangenen Jahren weiter gestie­
       Gravierende Unter­                Landtags am 2. Juni 2022 setzten die BÜNDNISGRÜNEN auf                 gen. Der Wohnungsleerstand
       schiede zwischen                                                                                         in beiden Städten befinde sich
                                         die Tagesordnung. Der Titel lautete: »Jetzt handeln! Mieterinnen
       Stadt und Land                                                                                           auf einem extrem niedrigen
                                         und Mieter in angespannten Wohnungsmärkten in Sachsen                  Niveau. Um dieser Entwicklung
       In Sachsen wohnten verhältnis­    stärker schützen«. Ein Grund für die Debatte war der Beschluss         entgegenzuwirken, gelte bereits
       mäßig viele Menschen zur Miete,   der sächsischen Staatsregierung, eine Mietpreisbremse für              seit längerem eine Preisbremse
       leitete Thomas Löser, BÜNDNIS­                                                                           bei den Bestandsmieten. Er­
                                         Dresden und Leipzig einzuführen (siehe Hintergrund S. 10). //
       GRÜNE, zu Beginn ein. Die Be­                                                                            gänzend habe die Sächsische
       dingungen, unter denen man                                                                               Staatsregierung jüngst be­
       eine Wohnung anmieten könne,      kämpften Hauseigentümer mit         Leipzig und Dresden einen an­      schlossen, dass bei Neuver­
       unterschieden sich zwischen       hohen Leerständen. Die Mieten       gespannten Wohnungsmarkt auf.      mietungen der Preis maximal
       Stadt und Land deutlich. In       seien günstig. Im Gegensatz         Dort seien die Mieten überdurch­   zehn Prozent über dem vergleich­
       den Klein- und Mittelstädten      dazu wiesen die großen Städte       schnittlich hoch und in den ver­   baren Mietniveau liegen dürfe.

// Oliver Fritzsche           // Thomas Thumm             // Juliane Nagel               // Thomas Löser              // Albrecht Pallas // Fotos: S. Floss

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                                                                                                                                           ˚
224 Landtagskurier Ausgabe 4 | 2022 - Der Sächsische Landtag
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CDU: Eingriff in                      ten. Dafür bedürfe es letztlich
die Grundrechte                       auch privater In­vestoren, die
                                      bereits jetzt stark unter kaum
Oliver Fritzsche, CDU, setzte         zu ertragenden Kosten und                     »Wir müssen uns
einen etwas anderen Schwer­           Bürokratie litten. Die Woh­
                                                                                    genau anschauen,
punkt. Für ihn griffen gesetz­liche   nungskonzerne hätten wieder­
Instrumente wie beispielsweise        um genug Juristen, um sich
                                                                                    ob die Instrumente
Kappungsgrenzen oder Miet­            Schlupflöcher in der Mietpreis­               zukunftsfähig sind.«
preisbremsen unterschiedlich          bremse zu suchen und ihre
stark und doch unmittelbar in die     Profite zu sichern. Die AfD-Frak­
Grundrechte der Immobilien­           tion fordere aus diesem Grund
eigentümer ein. Zur Mietpreis­        erstens die Wohnungsgenos­
bremse habe das Bundesver­            senschaften im Freistaat zu
fassungsgericht entschieden,          stärken, zweitens die Wohn­
dass diese unter bestimmten           geldförderung für die sozial
Umständen, beispielsweise             Schwächsten spürbar zu erhö­
bei einem angespannten Woh­           hen und drittens den Erwerb
nungsmarkt, angewendet wer­           von Wohneigentum zum Schutz
                                                                                            52. Sitzung des Sächsischen Landtags
den könne. Ob diese Voraus­           vor Altersarmut zu begünstigen.
                                                                                                        // Thomas Schmidt
setzungen allerdings vorlägen,
darüber gebe es unterschied­
liche Auffassungen. Bei einer         DIE LINKE: Sozialer
Sachkundigenanhörung im               Frieden bedroht                     SPD: Bedarfsgerechter               Staatsregierung: Fehl­
Landtag sahen etwa die sächsi­                                            bauen                               wirkungen verhindern
schen Wohnungsgenossen­               Für Juliane Nagel, DIE LINKE,
schaften diese Situation nicht        komme die Mietpreisbremse für       In den Großstädten Dresden          Thomas Schmidt, Staatsminis­
für ganz Sachsen als gegeben          Leipzig und Dresden hingegen        und Leipzig stiegen die Miet­       ter für Regionalentwicklung,
an. In den Großstädten, noch          anderthalb Jahre zu spät. Sie       preise seit Jahren, während die     CDU, wies darauf hin, dass die
dazu in besonders beliebten           wies darauf hin, dass ihre Ein­     Gehaltsentwicklung nicht hin­       Staatsregierung auf die ange­
Stadtteilen und bei bestimmten        führung im Koalitionsvertrag        terherkomme, betonte Albrecht       spannte Lage der Wohnungs­
Wohnungsgrößen, könne sich            für das Jahr 2021 vorgesehen        Pallas, SPD. In Dresden sei         märkte mit mehreren Instrumen­
die Lage aber auch anders             war. Diese Zeit hätte genutzt       ein Viertel aller Arbeitnehmer,     ten reagiert habe. So seien die
darstellen. Das bedeute dann          werden können, um Mieterin­         von denen viele im Niedriglohn­     Verordnung zu Kappungsgren­
jedoch nicht automatisch,             nen und Mieter der zwei be­         bereich arbeiteten, von der         zen verlängert und die Miet­
dass Eingriffe, wie beispiels­        troffenen Städte Dresden und        schwierigen Wohnungssituation       preisbremse in Kraft gesetzt
weise eine Mietpreisbremse,           Leipzig vor drastischen Neuver­     betroffen. Familien mit mehre­      worden. Schmidt warnte aller­
gerechtfertigt seien. Wenn die        tragsmieten zumindest im            ren Kindern würden ebenfalls        dings auch vor unbeabsichtig­
Mietpreis­bremse in Sachsen           Bestand zu schützen. Durch          keine ausreichend große und         ten Fehlwirkungen der staatli­
nun eingeführt werde, müsse           das geplante Gesetz würde die       bezahlbare Wohnung mehr fin­        chen Regulierung. Für wirk­same
mit Klagen dagegen gerechnet          Miete zukünftig auf zehn Pro­       den oder vom Umzug absehen,         Eingriffe in bestimmte Abläufe,
werden.                               zent über dem ortsüblichen          weil sie Angst vor zu hohen         auch in den Wohnungsmarkt,
                                      Niveau begrenzt. Im Vorfeld         Mieten hätten. Es müsse daher       seien immer umfassende Be­
                                      hätten Vertreter der Städte aus     bedarfsorientierter gebaut wer­     trachtungen notwendig. Neben
AfD: Private Vermieter                Dresden und Leipzig argumen­        den. Dazu könnten vor allem         den Neubauten in den großen
nicht benachteiligen                  tiert, dass es ein relevanter An­   gemeinwohlorientierte Woh­          Städten müsse sich auch die
                                      teil an Menschen schwer habe,       nungsbauunternehmen beitra­         Attraktivität in den ländlichen
Die geplante Mietpreisbremse          überhaupt noch eine bezahl­         gen. Wohnungsbauprojekte, die       Regionen erhöhen. Dazu gehör­
für die Wohnungsmärkte in             bare Wohnung zu finden. Vor         teilweise im Luxusbereich an­       ten Angebote wie Homeoffice
Dresden und Leipzig führe kein        diesem Hintergrund bedrohe          gesiedelt seien und vor allem       und Co-Working-­Spaces, auch
Stück weiter, kritisierte Thomas      die jüngste Ankündigung             durch private Investoren voran­     für Verwaltungsarbeitsplätze.
Thumm, AfD. Sie benachteilige         des Wohnungsunternehmens            getrieben würden, bräuchte          Das Staatsministerium habe
vielmehr private Vermieter, die       Vonovia, die Mieten an­gesichts     es hingegen nicht. In der Frage,    ein Projekt namens »Home­
an langfristigen Mietverhältnis­      der Inflation erheblich zu erhö­    ob die Begründung der Verord­       TownOffice« gestartet. Es er­
sen interessiert seien, in der        hen, den sozialen Frieden im        nung zur Mietpreisbegrenzung        mögliche den Beschäftigten,
Regel ein freund­liches Mitein­       Land. Diesen börsen­notierten       rechtssicher sei, vertraue er auf   in ihrer Region zu wohnen und
ander zu ihren Mietern pflegten       Unternehmen und Finanzfonds         die Expertise im sächsischen        zu arbeiten und nur an Behör­
und qualitativ hochwertigen           dürfe man den Wohnungsmarkt         Ministerium für Regionalent­        dentagen an ihren eigentlichen
Wohnraum zur Verfügung stell­         in Sachsen nicht überlassen.        wicklung, endete Pallas.            Arbeitsplatz gehen zu müssen.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                             9
         ˚
224 Landtagskurier Ausgabe 4 | 2022 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

                      Hintergrundinformationen
                   zur Mietpreisbremse für Dresden
                             und Leipzig
                                  // Das sächsische Kabinett hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2022
                                  die Mietpreisbegrenzungsverordnung beschlossen. Für die
Maximal zehn Prozent              Städte Dresden und Leipzig tritt mit der Veröffentlichung der
                                                                                                             Kappungsgrenze bis zum
über Vergleichsmiete                                                                                         30. Juni 2025 verlängert. Mieten
                                  Verordnung im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt                     in bestehenden Mietverhältnis­
Nach Inkrafttreten der Verord­    die sogenannte Mietpreisbremse in Kraft. //                                sen dürfen demnach in Dresden
nung dürfen in den beiden                                                                                    und Leipzig innerhalb von drei
Städten die zu Beginn eines                                                                                  Jahren nur um maximal 15 Pro­
neuen Mietverhältnisses verein­   Wohnungsmärkten überdurch­         Bedingungen besonders gefähr­           zent angehoben werden. Auch
barten Mieten maximal zehn        schnittliche Steigerungen der      det ist. Dort gilt dann die Miet­       diese Regelung war im Koaliti­
Prozent über der ortsüblichen     Mietpreise bei Neuvermietun­       preisbremse. Als 14. Bundes­            onsvertrag vereinbart worden.
Vergleichsmiete liegen. Die       gen verhindern.                    land macht Sachsen nun von
für eine Wohnung geltende            Das Bürgerliche Gesetzbuch      dieser Möglichkeit Gebrauch.
ortsübliche Vergleichsmiete er­   (§ 556 d) bietet den Landesre­     Lediglich Sachsen-­Anhalt und           Stetiger Anstieg
gibt sich aus dem Mietspiegel     gierungen die Möglichkeit, per     das Saarland haben die Miet­
der jeweiligen Stadt. Die Ein­    Rechtsverordnung befristet         preisbremse bislang nicht ein­          Die im Rahmen des Mikrozen­sus
führung der sogenannten Miet­     bis zum Ende des Jahres 2025       geführt. Schleswig-­Holstein            in den Jahren 2010, 2014 und
preisbremse war im Jahr 2019      Gebiete mit angespannten Woh­      schaffte sie im Jahr 2019 wieder        2018 zur Wohnsituation in
im Koalitionsvertrag zwischen     nungsmärkten zu bestimmen, in      ab.                                     Sachsen erhobenen Daten zei­
CDU, BÜNDNISGRÜNEN und            denen die ausreichende Versor­        Bereits im Juni 2020 hatte           gen, dass die durchschnittli­
SPD vereinbart worden. Die Re­    gung der Bevölkerung mit Miet­     das sächsische Kabinett die             chen Nettokaltmieten je Quad­
gelung soll auf angespannten      wohnungen zu angemessenen          Regelung zur abgesenkten                ratmeter in allen Landkreisen,
                                                                                                             kreisfreien Städten und im Land
                                                                                                             insgesamt im Vergleichszeitraum
DURCHSCHNITTLICHE NETTOKALTMIETE IN EURO JE QUADRATMETER
IN SÄCHSISCHEN LANDKREISEN UND KREISFREIEN STÄDTEN                                                           teilweise stark angestiegen
                                                                                                             sind. So erhöhte sich beispiels­
                Euro 3,0   3,5     4,0       4,5       5,0         5,5       6,0         6,5           7,0   weise der Quadratmeterpreis
      Dresden, Stadt                                                                                         in Dresden von 5,75 Euro im
                                                                                                             Jahr 2014 auf 6,50 Euro im Jahr
       Leipzig, Stadt
                                                                                                             2018 – eine Steigerung von
Sächsische Schweiz-
      Osterzgebirge                                                                                          rund 13 Prozent. Im Vergleich
     Sachsen gesamt
                                                                                                             zum Jahr 2010 ist der Preis in
                                                                                                             Dresden bis 2018 sogar um
             Meißen                                                                                          knapp 23 Prozent gestiegen.
              Leipzig                                                                                            In Leipzig fällt der Anstieg
                                                                                                             im Vergleich zu 2014 mit rund
     Chemnitz, Stadt
                                                                                                             elf Prozent zwar etwas modera­
                                                                                                2010
        Nordsachsen                                                                             2014         ter aus, dennoch sind die
                                                                                                2018         durchschnittlichen Mieten in
       Mittelsachsen
                                                                                                             der Stadt die zweithöchsten
            Zwickau                                                                                          in Sachsen. Lediglich im Land­
            Bautzen
                                                                                                             kreis Görlitz, wo die Netto­
                                                                                                             kaltmieten im Freistaat am
      Erzgebirgskreis
                                                                                                             geringsten sind, sank der
       Vogtlandkreis                                                                                         Quadratmeterpreis zwischen
                                                                                                             2014 und 2018 um knapp
              Görlitz
                                                                                                             drei Prozent, von 4,62 Euro
                                                               Daten: Mikrozensus-Zusatzerhebung Wohnen      auf 4,50 Euro.

10                                                                                                                          Ausgabe 4 2022
                                                                                                                                     ˚
PA R L A M E N T

Fotos: M. Rietschel
                                                                                                              Janina Wackernagel

Stärkere Anstrengungen
beim Frauenschutz                                                                                    Europäisches Vorhaben will
                                                                                                     Betroffene besser unterstützen

// Der Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung ließ sich                         hin, dass Sachsen bei der Versor­
am 18. Mai 2022 zu einer Drucksache berichten, die Aspekte der Gleichstellung, Strafverfol­                        gung mit Fach­beratungs­stel­len
                                                                                                                   für Gewalt­betroffene deutsch­
gung und europäische Belange gleichermaßen beinhaltet. In der öffentlichen Anhörung
                                                                                                                   landweit ein Schlusslicht sei.
aufgerufen war eine geplante EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und                                 Anne Roth, Referentin für
häuslicher Gewalt. //                                                                                              Netzpolitik, lobte, dass in der
                                                                                                                   Richtlinie ein größerer Fokus
                                    von Gewalt, von denen Frauen          stelle gegen häusliche Gewalt            auf Cybergewalt gelegt werden
                                    besonders stark betroffen sind,       Radebeul ist die derzeitige              soll. Ihrer Erfahrung nach
                                    wirksamer werden.                     Strafverfolgung von Taten im             werden vermehrt technische
                                       Kaja Deller, Verein für Juristi­   Bereich häuslicher Gewalt aus­           Möglichkeiten zur Ausübung
                                    sche Menschenrechtsarbeit in          baufähig. Es gebe zum Teil               von Kontrolle, Stalking oder
                                    Deutschland, wies darauf hin,         enorm lange Wartezeiten und              Verleumdungen von Frauen
                                    dass im Jahr 2020 in Sachsen          die Befragung von Opfern werde           genutzt. Politische Vorhaben
                                    9 232 Fälle von häuslicher            nicht immer von geschultem               gegen Möglichkeiten der Ano­
                                    Gewalt erfasst wurden. Die            Personal durchgeführt. Die Be­           nymität im Internet wertete sie
// Marko Schiemann                  Dunkelziffer sei jedoch viel          weissicherung bei sexualisier­           als verfehlt. Stattdessen müsse
                                    höher. Die EU-Richtlinie könne        ter Gewalt werde in Sachsen              die Strafverfolgung im Internet
Schätzungen zufolge ist ein         die Länder dazu verpflichten,         mit einem Modell­projekt voran­          ausgebaut werden. Drohungen
Drittel der Frauen in der EU von    Meldeverfahren sicherer und           getrieben, müsse aber weiter             würden häufig mit vollem Klar­
Gewalt betroffen. Mehr als jede     leichter zugänglich zu gestal­        ausgebaut werden. Prof. Dr.              namen gepostet, da sich die
fünfte Frau hat häusliche Gewalt    ten, sodass mehr Taten zur An­        Heinz-Jürgen Voß von der Hoch­           Verfasser in Sicherheit wägten.
und etwa ein Drittel hat sexuelle   zeige gebracht würden. Sophie         schule Merseburg wies darauf                Die Drucksache wird in den
Belästigung an ihrem Arbeits­       Wetendorf, Fachberaterin aus                                                   kommenden Wochen in den
platz erlebt. Im Internet ist die   Böhlen, sprach sich vor allem                                                  mitberatenden Ausschüssen für
Anstiftung zu Gewalt gegen          für die in der Richtlinie vor­                                                 Soziales und Inneres in öffent­
                                                                              ZUM NACHLESEN

Frauen ein wachsendes Problem.      gesehene Fortbildungspflicht                              Wortprotokoll        licher Sitzung abschließend
                                                                                               Öffentliche
Mit dem von der EU vorgelegten      für Fachpersonal aus.                                      Anhörung
                                                                                                                   beraten. Die Termine sind im
Vorschlag soll die Strafverfol­        Laut Maria Dabrunz von der                                                  Sitzungskalender online ein­
gung gegen bestimmte Formen         Beratungs- und Interventions­                                                  sehbar.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                                    11
         ˚
PA R L A M E N T

                                                                                                                                   Rüdiger Soster

LAUFENDE GESETZGEBUNG
 TITEL | EINBRINGER                             ERLÄUTERUNG                                                             STATUS

 Gesetz über das Verbot der                     Zur Bekämpfung von örtlichem Wohnraummangel                             Öffentliche Anhörung im Aus­
 Zweckentfremdung von Wohnraum                  sollen Kommunen ermächtigt werden, die                                  schuss für Regionalentwicklung
 im Freistaat Sachsen (SächsZwG),               Umnutzung von Wohnraum zu anderen Zwecken                               am 20. Mai 2022
 7/8495 | DIE LINKE                             unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen.

 Erstes Gesetz zur Änderung des                 Mit den Änderungen sollen die Rahmenbedingungen                         Öffentliche Anhörung im
 Gesetzes über die Errichtung                   zur Fortsetzung des geförderten Glasfaserausbaus in                     Haushalts- und Finanzausschuss
 eines Sondervermögens                          Sachsen geschaffen werden.                                              am 18. Mai 2022
 »Fonds für digitale Teilhabe
 und schnelles Internet«,
 7/9581 | CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD

 Gesetz zur Verbesserung der                    Der ÖPNV soll Vorrang gegenüber dem motorisierten                       1. Beratung sowie Überweisung
 Mobilität mit öffentlichen Ver­                Individualverkehr erhalten und kostengünstiger                          an den Ausschuss für Wirtschaft,
 kehrsmitteln im Freistaat Sachsen              werden. Ein Mindestbedientakt sieht vor, verlässlichere                 Arbeit und Verkehr (ffd.), den Aus­
 (ÖPNV-für-alle-Gesetz),                        Verbindungen in allen sächsischen Gemeinden zu                          schuss für Inneres und Sport und
 7/9942 | DIE LINKE                             schaffen.                                                               den Haushalts- und Finanzausschuss
                                                                                                                        am 2. Juni 2022

ABGESCHLOSSENE GESETZGEBUNG
 TITEL | EINBRINGER                             ERLÄUTERUNG                                                             STATUS
 Gesetz zur Umsetzung der                       Mit dem Gesetzentwurf ist geplant, den Studiengang                      angenommen
 Ausbildungsoffensive an der                    Digitale Verwaltung nach seiner Einführung im Jahr
 Hochschule Meißen (FH) und                     2020 dauerhaft einzurichten und die Organisations­
 Fortbildungszentrum,                           struktur anzupassen.
 7/6655 | Staatsregierung

 Viertes Gesetz zur Änderung                    Das Änderungsvorhaben regelt die Holzbauförderung,                      angenommen
 der Sächsischen Bauordnung,                    Mindestabstände von Windkraftanlagen, den 5G-Netz­
 7/8836 | Staatsregierung                       ausbau sowie weitere Anpassungen zur Unterstützung
                                                der Energiewende.

 Zweites Gesetz zur Änderung                    In Reaktion auf die Covid-19-Pandemie soll es                           angenommen
 des Sächsischen Hochschul­                     möglich werden, die Befristungsdauer akademischen
 freiheitsgesetzes,                             Personals und die Regelstudienzeit zu verlängern
 7/9596 | CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD                sowie Prüfungen digital durchzuführen.
                                                                                                                                                              Grafik: Jezper / Adobe Stock

 Die »Laufende Gesetzgebung« zeigt den Fortschritt in aktuellen Gesetzgebungsverfahren des Sächsischen Landtags an. Unter
 »Abgeschlossene Gesetzgebung« sind angenommene und abgelehnte Gesetzentwürfe aufgeführt. Stand: 1. Juni 2022.

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                                                                                                                                                     ˚
AKTUELLES

                                1992 – 2022:
                         30 Jahre Sächsische
                                  Verfassung

                                     // Feierstunde zum 30. Verfassungsjubiläum im Plenarsaal // Foto: S. Füssel

                 // Als erstes der fünf neuen Bundesländer gab sich Sachsen
                 im Jahre 1992 eine eigene Landesverfassung. Seit der feierlichen
                 Unterzeichnung durch Landtagspräsident Erich Iltgen und
                 Ministerpräsident Prof. Dr. Kurt Biedenkopf begründet dieses
                 Dokument die freiheitlich-demokratische Ordnung in Sachsen.
                 Auch die Verfassungsmedaille, die erstmals vor 25 Jahren ver­
                 liehen wurde, stand diesmal ganz im Zeichen des Jubiläums. //

Ausgabe 4 2022                                                                                               13
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AKTUELLES

                                                                                               Redaktion

     Eine bewährte Verfassung
     mit Zukunft                                                 Feierstunde anlässlich des 30. Jahrestages
                                                                 der Sächsischen Verfassung

                                                                        // Mit einer Feierstunde »30 Jahre Sächsische Verfassung,
                                                                        Verfassung geben – Verfassung leben« erinnerte der Landtag
                                                                        am 18. Mai 2022 an die Verabschiedung der Verfassung des
                                                                        Freistaates Sachsen am 26. Mai 1992. Mehr als 250 geladene
                                                                        Gäste verfolgten die Festveranstaltung im Plenarsaal, die einen
                                                                        Bogen von der Entstehung im Parlament bis zur heute geleb­
                                                                        ten Verfassungsrealität spannte. //

// Dr. Matthias Rößler             // Michael Kretschmer

                                                                        »Freistaat ist Gegenentwurf zur Diktatur«

Von der Entstehung zur gelebten                                         »Die Sächsische Verfassung ist das Fundament unserer Demokratie
Verfassungsrealität                                                     im Freistaat. Wir sehen überall in der Welt, dass unsere Freiheit,
                                                                        unsere Demokratie und unser starker Rechtsstaat eben nicht selbst­
Sachsen besitzt eine lange Tradition als Verfassungsstaat. Bereits      verständlich sind. Mutige Sachsen haben diese Rechte 1989 erkämpft,
vor über 190 Jahren handelten die sächsischen Stände gegenüber          und kluge Frauen und Männer haben diese Verfassung entworfen,
dem König grundlegende Vereinbarungen über die politische Ord­          die bis heute fast unverändert besteht«, betonte der Landtagspräsi­
nung aus. Die aktuelle Verfassung des Freistaates Sachsen besteht       dent zu Beginn. Darauf könne man stolz sein. Die Verfassung werde
mittlerweile seit 30 Jahren. Sie entstand nach der Friedlichen Revo­    von den Sachsen gelebt. Das zeige sich immer wieder durch ein
lution und der Wiedergründung des Freistaates Sachsen. Anlässlich       vielfältiges bürgerschaftliches Engagement. Ganz aktuell werde es
des Jubiläums würdigten Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler           etwa bei der Hilfe für die geflüchteten Ukrainer sichtbar.
und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ihre Bedeu­              Rößler erinnerte zugleich daran, dass die Verfassung das Funda­
tung. Danach erzählten der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Hans von       ment der Demokratie sei: »Nur, wenn gemeinsame Spielregeln vor­
Mangoldt und der damalige Landtagsabgeordnete Dr. Martin Böttger,       liegen, ist auch klar, was erlaubt ist und was nicht. Der Wesenskern
wie die Verfassung des Freistaates Sachsen in der Zeit von 1990 bis     einer Demokratie, einer freien Gesellschaft, ist die öffentliche Mei­
1992 erarbeitet wurde. Anja Poller und Prof. Dr. Hans-Jürgen Hardtke    nungsvielfalt und sogar der Meinungsstreit.«
berichteten im dritten Teil der Veranstaltung aus der Perspektive der      Nach der Friedlichen Revolution sollte der wiedergegründete
Zivilgesellschaft.                                                      Freistaat »ein Gegenentwurf zur Diktatur sein, seine Rechtfertigung

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                                                                                                                                     ˚
AKTUELLES

// Anja Poller                     // Dr. Martin Böttger und Prof. Dr. Hans von Mangoldt im Gespräch           // Prof. Dr. Hans-Jürgen Hardtke //
                                   // Links oben: Künstlerische Umrahmung durch die Landesbühnen Sachsen       Fotos: S. Füssel

darauf beruhen, nie wieder Menschen im Namen des Staates zu                 wesen, dass Sachsen an­gesichts der bevorstehenden Wiederverei­
demütigen, ihnen Menschenwürde und politische Freiheiten abzu­              nigung eine Verfassung brauche.
sprechen«, betonte Rößler. »Deshalb gab sich Sachsen einen eigenen              Verfassungsrechtler von Mangoldt aus Baden-­Württemberg war
Grundrechtsteil, den so nur wenige deutsche Länderverfassungen              Berater bei der Ausarbeitung der Verfassung: »Diese Verfassung hat
haben.«                                                                     eine Zukunft«, sagte er am Rande der Feierstunde.
                                                                                »Das war eine schöne Atmosphäre damals«, erinnert sich Bürger­
                                                                            rechtler Dr. Martin Böttger. Wichtig war Böttger, der später für
»Stresstest für politisches Gemeinwesen«                                    BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN in den Landtag einzog, vor allem die Volks­
                                                                            ge­setz­gebung. Im August 1990 lagen schließlich zwei Verfassungs­
In den vergangenen beiden Jahren sei das politische Gemeinwesen             entwürfe vor, der sogenannte »Gohrische Entwurf« setzte sich durch.
durch die Pandemie einem enormen Stresstest ausgesetzt gewesen,             Am 26. Mai 1992 verabschiedete der Sächsische Landtag – als erstes
sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Es sei der Staatsregie­         Parlament in den neuen Bundesländern – seine Landesverfassung.
rung schwergefallen, die verfassungsmäßig verbriefte Freiheit ein­          »Ich würde heute einige wenige Dinge ändern. Insgesamt haben wir
zuschränken, dennoch: »Die Mehrheit der Menschen beteiligte sich            unsere Sache, glaube ich, richtig gut gemacht«, so Böttger heute.
sehr ernst an der Debatte und trug in aller Freiheit die Maßnahmen
zum Schutz des eigenen und anderer Menschenleben mit.« Für ihn
sei das ein gutes Zeichen. Es zeige, dass die Verfassung als verbind­       Verfassung aus Sicht der Bürgergesellschaft
licher Bezugspunkt anerkannt sei, so Kretschmer weiter.
   Der Ministerpräsident erinnerte überdies daran, dass die Sächsi­         Im dritten Teil der Festveranstaltung sprachen Anja Poller, die Ge­
sche Verfassung der freie Willensakt des Volkes gewesen sei. Die            schäftsstellenleiterin der Bürgerstiftung für Chemnitz, und Prof. Dr.
Abstimmung über ihr Inkrafttreten entsprach keinem festgelegten             Hans-Jürgen Hardtke vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz.
Formalismus. Vielmehr zeigte sich in der Verfassungsgebung die              Poller berichtete von ihrer Arbeit, sie berät und unterstützt Vereine
Souveränität der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates.                    und Initiativen. Aus ihrer Sicht könne sie sagen, dass auch während
                                                                            der Corona-Pandemie Vereinsleben stattgefunden habe. Es sei sogar
                                                                            einiges neu entstanden. Das bürgerschaftliche Engagement sei wei­
Anfänge in Gohrisch                                                         terhin stark, wenn auch vielleicht in anderen Formen als noch vor
                                                                            zehn Jahren. Prof. Dr. Hardtke teilte diese Einschätzung. Er erlebe,
Verfassungsrechtler Prof. Dr. Hans von Mangoldt und Bürgerrechtler          wie sich seit einiger Zeit wieder mehr Jugendliche für den Natur­
Dr. Martin Böttger nahmen das Publikum noch einmal mit auf eine             schutz interessierten. Für den sächsischen Heimatschutzverein sei
Zeitreise zu den An­­fängen der heutigen Verfassung in Gohrisch             es förder­lich, dass die Sächsische Verfassung ausdrücklich die na­
(Sächsische Schweiz). Schnell sei allen damals Beteiligten klar ge­         türlichen Lebensgrundlagen als übergeordnetes Staatsziel schütze.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                                       15
         ˚
AKTUELLES

Fotos: M. Rietschel

                                    Redaktion

        Silbernes Jubiläum
                                                   Sächsische Verfassungsmedaille wird seit 25 Jahren verliehen

Die in Silber geprägte Verfas­           // Am 11. Juni 2022 würdigte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler verdiente Personen, die
sungsmedaille feierte in                 sich in besonderer Weise für die freiheitlich-demokratische Entwicklung im Freistaat Sach­
diesem Jahr ein besonderes
Jubiläum. Seit 25 Jahren werden
                                         sen engagieren. Insgesamt sechs Frauen und Männer erhielten in diesem Jahr die Sächsische
mit der Ehrung besondere Ver­            Verfassungsmedaille. Sie ist neben dem Sächsischen Verdienstorden die wichtigste staat­
dienste um die Werte der Säch­           liche Auszeichnung, die in Sachsen verliehen wird. //
sischen Verfassung gewürdigt.
Wie bereits in den Vorjahren,
fand die Verleihung im Dresdner           Vor der feierlichen Verleihung   für das mutige Eintreten der
Ständehaus statt. Das Gebäude             erinnerte Landtags­präsident     Bürgerinnen und Bürger für Frei­
besitzt eine lange Parlaments­            Dr. Matthias Rößler in seiner    heit, Demokratie und politische
tradition. Von 1907 bis 1933              Ansprache an den Stiftungs­      Selbstbestimmung. Sie sym­
tagte an diesem Ort der sächsi­           gedanken der Verfassungsme­      bolisiere ebenso die gelebten
sche Landtag.                             daille. Die Auszeichnung stehe   Werte der Sächsischen Verfas­
                                                                           sung von 1992.
                                                                              »Das Dokument mit seinen
// Katharina Meyer und Edna Brox, Landesjugendorchester Sachsen
                                                                           122 Artikeln war von Beginn
                                                                           an als ein Gegenentwurf zu den
                                                                           beiden Diktaturen auf deut­        // Dr. Matthias Rößler
                                                                           schem Boden gedacht. Nie
                                                                           wieder sollten Menschen im
                                                                           Namen des Staates gedemütigt       »Sie haben bewiesen, dass
                                                                           oder ihnen grund­legende politi­   unsere Verfassungswerte nicht
                                                                           sche Rechte und Freiheiten ab­     nur auf dem Papier bestehen,
                                                                           gesprochen werden«, so Rößler.     sondern inmitten der Gesell­
                                                                              Der Landtagspräsident dankte    schaft, die eine aktive Bürger­
                                                                           den anwesenden Preisträgerin­      gesellschaft ist, ihre Wirkung
                                                                           nen und Preisträgern für ihr       entfalteten.«
                                                                           beispielhaftes Engagement:

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                                                                                                                                           ˚
AKTUELLES

                                                                         SÄCHSISCHE VERFASSUNGSMEDAILLE
                                                                         Die Sächsische Verfassungsmedaille besteht aus Silber. Auf der Vorder­
                                                                         seite trägt sie das sächsische Wappen sowie die Inschrift »Sächsische
                                                                         Verfassung – 26. Mai 1997 – Für besondere Verdienste«. Rückseitig

DIE PREISTRÄGERINNEN UND
                                                                         erinnern fünf brennende Kerzen sowie der Ausspruch »Wir sind das Volk«
                                                                         an die Friedliche Revolution.

PREISTRÄGER 2022

 Die Unternehmensberaterin            Der Organist und Dirigent          Der Geschäftsführer der »Mühle        Der Verwaltungsfachmann
 BÄRBEL KEMPER aus Lieb­stadt         ALBRECHT KOCH wird als eine        mit Herz«, DR. THOMAS ROLLE           MIKE RUCKH war 28 Jahre lang
 führt auf dem Landgut Kemper &       der prägendsten Persönlichkei­     aus Grünhainichen im Erzgebirge,      Oberbürgermeister der Stadt
 Schlomski etwa 100 Hektar Wald       ten der Kirchenmusik in Sachsen    meistert mit seinem Familienun­       Sebnitz und steht für eine starke
 und Grünland nach ökologischen       ausgezeichnet. Der Musiker         ternehmen den Spagat zwischen         kommunale Selbstverwaltung
 Grundsätzen mit einem beson­         aus Freiberg ist Präsident der     Tradition und Moderne, zwischen       in Sachsen. In seiner Amtszeit
 ders artenreichen Biotop-Ver­        Gottfried-Silbermann-Gesell­       wirtschaft­lichem Erfolg und          gestaltete er den wirtschaftlich
 bund. Ihr Projekt Bienenwald         schaft und künstlerischer Leiter   ökologischer Nachhaltigkeit vor­      schwierigen Aufbau in den
 wurde 2020 im Rahmen der             der international renommierten     bildlich. Dr. Thomas Rolle wird       1990er-Jahren, bewältigte mehrere
 UN-Dekade Biologische Vielfalt       Silbermann-Tage. Er wird zudem     zudem für sein Engagement für         große Krisen und machte sich
 ausgezeichnet. Gemeinsam mit         für seine musika­lische Arbeit     die erz­gebirgischen Stollen­         insbesondere um die grenz­
 Schulen vermittelt sie Jugend­       mit Kindern und Jugendlichen       bäcker und das Weihnachtsland         überschreitende Zusammen­
 lichen mit konkreten Einsätzen       ausgezeichnet.                     Erzgebirge ausgezeichnet.             arbeit mit Tschechien verdient.
 und Projekten Naturschutz und
 Nachhaltigkeit.

                                      Kulturfunktionäre und Kunst­                                             Sammel- und Unterschriftenaktion
                                      begeisterte in der Oberlausitz.                                          geriet dank 100 000 Unterstützern
                                      Seit 30 Jahren gehört Sabine                                             zum gewaltigen Protest gegen die
                                      Schubert mit dem Ernst-                                                  Umweltzerstörung der DDR. Als
                                      Rietschel-­­Kulturring, dem Ge­                                          Regierungspräsident von Leipzig
                                      burtshaus von Ernst Rietschel                                            setzte sich Steinbach ab 1991 für
                                      und seit zehn Jahren mit der                                             die Rekultivierung des Leipziger
                                      Ostsächsischen Kunsthalle                                                Neuseen­landes ein. Zudem un­
 SABINE SCHUBERT, Vorsitzen­          zum Stadtbild. Dafür erhielt       Mit »Eine Mark für Espenhain«         terstützte er von 2016 bis 2022
 de des Ernst-Rietschel-­Kultur­      sie 2021 die renommierte           glückte WALTER CHRISTIAN              den sächsischen Naturschutz als
 rings e. V. in Pulsnitz, verbindet   Maecenas-Ehrung.                   STEINBACH aus Rötha 1988 et­          Kuratoriums­vorsitzender der Stif­
 höchst engagiert Kulturschaffende,                                      was Undenkbares: Die illegale         tung Wald für Sachsen.

Ausgabe 4 2022                                                                                                                                 17
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AKTUELLES

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30 Jahre Partnerschaft zwischen
Sachsen und Niederösterreich
Abgeordnetendelegation des österreichischen Bundeslandes zu Gast in Sachsen

                                           // Vom 23. bis 25. Mai 2022 besuchte eine Delegation des Landtags von Niederösterreich unter
                                           Leitung ihres Landtagspräsidenten Mag. Karl Wilfing den Freistaat Sachsen und den Sächsi­
                                           schen Landtag. Die Landesparlamente verbindet seit 30 Jahren eine Partnerschaft, die vom
                                           fortdauernden Erfahrungsaustausch geprägt ist. Sachsens Parlamentspräsident Dr. Matthias
                                           Rößler sowie mehrere sächsische Landtagsabgeordnete begleiteten die Gäste. Zwei hochkarätig
                                           besetzte Gespräche zu den Themen »Katastrophenschutz« und »Tourismus« sowie eine Fest­
                                           sitzung zum 30-jährigen Bestehen der Kooperation standen im Mittelpunkt des Besuchs. //

Seit 30 Jahren tauschen sich                                                                                                        Niederösterreich und dem
die Landtage von Niederöster­                                                                                                       Sächsischen Landtag« auf
reich und Sachsen zu aktuellen                                                                                                      Schloss Eckberg – der protokol­
Themen aus. 1992 vom damali­                                                                                                        larische Höhepunkt des Be­
gen sächsischen Landtagspräsi­                                                                                                      suchsprogramms.
denten Erich Iltgen und seinem                                                                                                          »Beide Bundesländer sind
niederösterreichischen Amts­                                                                                                        ähnlich groß, Sachsen hat je­
kollegen Franz Romeder ins                                                                                                          doch mehr als doppelt so viele
Leben gerufen, intensivierte                                                                                                        Einwohner wie Niederöster­
Parlamentspräsident Dr. Matthias                                                                                                    reich«, stellte Rößler den Bezug
Rößler die Partnerschaft ab                                                                                                         zwischen den beiden Regionen
2012 nach einer zwischenzeit­                                                                                                       her. »Insofern stehen wir in
lichen längeren Pause wieder.              // Begrüßung im Plenarsaal // Foto: Landtag                                              vielen Bereichen vor ähnlichen
Wechselseitige Besuche im                                                                                                           Herausforderungen und können
Zweijahresrhythmus und zahl­               »Wir können                                   »sein« Haus und den Plenarsaal             voneinander lernen«, ergänzte
reiche persönliche Kontakte auf            voneinander lernen«                           zeigen zu können. Am Abend                 sein Amtskollege aus Nieder­
politischer wie gesellschaftli­                                                          des ersten Besuchstages trafen             österreich, Mag. Karl Wilfing.
cher Ebene prägen die Bezie­               Und so freute sich der Präsident              sich Vertreter beider Landespar­           So zum Beispiel beim Katastro­
hung seither.                              des Sächsischen Landtags                      lamente zu einer Festsitzung               phenschutz, wo sich die Part­
                                           sichtlich, die Delegation in                  anlässlich »30 Jahre Partner­              nerschaft in der Vergangenheit
                                           Dresden zu begrüßen und ihr                   schaft zwischen dem Landtag                bereits bezahlt gemacht habe.

// Stadtrundgang in Dresden // Foto: Landtag                                             // Besuch des Dresdner Ständehauses // Foto: S. Floss

18                                                                                                                                                 Ausgabe 4 2022
                                                                                                                                                            ˚
AKTUELLES

Katastrophenschutz:
»Wir müssen mehr
Menschen für das
Ehrenamt gewinnen«

»Die Zahl der Naturkatastrophen
nimmt zu: der Waldbrand des
Jahrhunderts in Niederöster­
reich, die großen Flutkatastro­
phen an der Elbe wie an der
Donau. Wir müssen unbedingt
noch mehr Menschen für das
Ehrenamt gewinnen, vor allem
im Katastrophenschutz«, kons­
tatierte Landtagspräsident
Dr. Matthias Rößler. Dabei müsse    // Die Delegationen von Niederösterreich und Sachsen vor Schloss Eckberg // Foto: S. Floss
man ganz früh ansetzen, idea­
lerweise bereits bei Kindern        Dienstunfällen und vor allem                 Im Ernstfall werden daraus                  und Vizepräsident des dortigen
und Jugendlichen bzw. in der        bei der Wertschätzung künftig                Fragen wie »Wessen Hochwasser               Zivilschutzverbandes, verwies
Schule, war sich die Gesprächs­     noch mehr getan werden.                      ist das denn jetzt?«, in denen              u. a. auf die »SAFETY-Tour«,
runde im Ständehaus einig.                                                       Zuständigkeitsdiskussionen                  eine landesweite Sicherheits­
   Abgeordnete beider Land­                                                      wertvolle, im Zweifel lebens­               aktion an allen Schulen des
tage tauschten sich hier mit        »Wessen Hochwasser                           rettende Zeit kosten können,                Landes, die Kinder spielerisch
Thomas Rechentin, Amtschef im       ist das denn jetzt?«                         brachte es Sachsens DRK-Chef                an den Zivilschutz heranführe
Sächsischen Staatsministerium                                                    Rüdiger Unger mit Blick auf das             und sehr erfolgreich laufe.
des Innern, sowie den Landes­       Vonseiten der Verbände wurde                 Ahr-Hochwasser in Nordrhein-­               Identifiziert worden sei das
spitzen der hiesigen Rettungs­      unisono angemahnt, Zuständig­                Westfalen 2021 auf den Punkt.               Thema hierzulande ebenfalls,
dienste DRK, Johanniter-Unfall-­    keiten für die praktische Hilfe                  Was die Rekrutierung von                hakte Sachsens Landesfeuer­
Hilfe, Landesfeuerwehrverband       vor Ort bereits abseits der Akut­            ehrenamtlichen Helfern und                  wehrchef Andreas Rümpel ein
und THW aus. Eigentlich fehle       situation zu klären. So sei es               Nachwuchs angeht, scheint                   und be­richtete, dass beispiels­
am Tisch noch die Bundeswehr,       bürokratisch und juristisch sehr             der Blick nach Niederösterreich             weise die Brandschutzerzie­
die ebenfalls zur »sächsischen      kompliziert, wenn etwa mehrere               lohnenswert, gibt es dort im                hung demnächst im Rahmen
Sicherheitsfamilie« gehöre,         Hilfsdienste aus Effizienzgrün­              Vergleich zu Sachsen doch                   der Ganz­tagsangebote an
befanden die geladenen Ge­          den eine gemeinsame Fahr­                    mehr als doppelt so viele Frei­             sächsischen Schulen offeriert
sprächspartner gleich zum           zeughalle nutzen, skizzierten                willige bei der Feuerwehr und               werde.
Auftakt.                            die Gesprächspartner das                     im Rettungs­wesen. Bernhard                     Man wolle auch bei künftigen
   »Das Thema Bevölkerungs­         Dilemma an einer noch eher                   Heinreichs­berger, Abgeordneter             Einsatzszenarien eng kooperie­
schutz ist sehr präsent in unse­    harmlosen Frage.                             des Landtags Niederösterreich               ren. »Wir haben die Sachsen
rer politischen Agenda«, eröff­
nete Rechentin den Austausch        // Fachgespräch im Ständehaus in Dresden // Foto: O. Killig
und verwies auf die geplante
Novellierung des Gesetzes über
den Brandschutz, Rettungs­
dienst und Katastrophenschutz
(SächsBRKG), die Notwendig­
keit, die technische Ausstat­
tung auf einem modernen
Stand zu halten, sowie die rund
107 Millionen Euro an Landes­
mitteln, die im aktuellen Doppel­
haushalt in den Bevölkerungs­
schutz fließen werden. »Noch
wichtiger seien aber die Men­
schen.« Hier könne z. B. bei der
Unterstützung von Helfern nach

Ausgabe 4 2022                                                                                                                                            19
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