280 Millionen - und danach? - Amazon S3

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Zeitschrift der Schweizer Filmbranche
          Nr. 518 | Juni 2020

                                                          280 Millionen –
                                                          und danach?

                                                                                     cinebulletin.ch
                                                          Ein Gespräch mit
                                                          Matthias Aebischer über
                                                          die Covid-19-Politik des
                                                          Landes und den Film

                                                          Dreharbeiten:
                                                          verschoben
                                                          Wie sich Produzenten
                                                          in der Krise zu helfen
                                                          versuchen. Und welche
                                                          Optionen offenstehen

                                                          Unser Kreativ-
                                                          Prekariat
                                                          Die Krise bietet
                                                          Gelegenheit, den Status
                                                          der «Intermittents» zu
                                                          überdenken

                                        cinebulletin.ch
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           N     L SCHA LPE
     R IEDE ICHAE RA VO
    F IE: M : PET
     REG HBUCH
      DRE

    FÜR DEN SCHWEIZER FILM
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Editorial

                                                                                                                                                       3

Auch Vorstandssitzungen von Cinébulletin finden in diesen Tagen im Internet statt.

                        Das Gesetz des Schwächeren

                                                                                                                                           Editorial
Einen Gesetzestext zu lesen ist (ausser vielleicht für Juristen)         dies könnte ein Ansatz für die Kulturbranche sein. Es geht
kein Vergnügen. Dennoch ist es hilfreich, um weit verbrei-               dabei nicht um eine Revolution, sondern nur darum, dass das
tete, aber falsche Vorstellungen zu korrigieren. So gibt es              Versprechen eingelöst und der Verfassungsartikel umgesetzt
zum Beispiel in der Schweiz einen Status für Berufstätige mit            wird. Darüber wurde bereits in der Finanzkrise 2008 disku-
«häufig wechselnden oder befristeten Anstellungen» – so die              tiert, doch die grossflächige Umsetzung wurde aus tech-
offizielle Übersetzung des französischen Ausdrucks «Intermit-            nischen Gründen für undurchführbar befunden. Vielleicht
tents». Die kurze Liste der Berufe, die laut Gesetz dazu zählen,         könnte man die Idee für einige Branchen wieder aufnehmen?
umfasst neben Künstlern und Technikern auch Journalisten.                    In der heutigen Zeit, wo die Digitalisierung – und die Pan-
Ich kenne wenige, die jetzt arbeitslos geworden sind und wis-            demie – den Arbeitsmarkt dramatisch verändern, muss man
sen, dass sie in der Verordnung der Arbeitslosenversicherung             sich fragen, ob eine strikte Trennung zwischen Angestellten
explizit erwähnt sind.                                                   und Selbständigen noch Sinn macht, und ob unsere Sozial-
    Die aktuelle Krise hat schmerzlich gezeigt, wie unüber-              versicherung für untypische Berufe und Arbeitsformen wie
sichtlich die Arbeitsformen in unserer Branche sind, welche              Arbeit auf Abruf, gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätigkei-
Schwierigkeiten die gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätig-               ten, Scheinselbständigkeit oder Home Office geeignet ist.
keiten birgt, und dass die Wahl des eigenen Status nicht                     Wenn wir die Professionalisierung des Schweizer Films
immer wirklich eine freie Wahl ist. Ein anerkannter Status für           weiter vorantreiben wollen, müssen wir nach dieser Krise
«Intermittents» oder gar eine gesonderte Regelung für Kul-               die sozialen Aspekte angehen. Professionelle Filmschaffende
turschaffende, die auch die Altersvorsorge mit einschliesst,             müssen den Arbeitgeber wechseln und sich weiterentwickeln
würde diese Berufsgruppe vom Image der Dauerarbeitslo-                   können, in schwierigen Zeiten vom sozialen Netz aufgefangen
sen befreien, das hartnäckig an ihr klebt. Die Politik und die           werden und Anspruch auf eine angemessene Rente haben.
Öffentlichkeit müssen verstehen, dass Kulturschaffende                   Sonst sind sie keine Profis, sondern Amateurinnen und Ama-
rechtlich erst als Berufstätige gelten, wenn sie vier bis fünf           teure, die ein brotloses Hobby betreiben – und das Filmschaf-
Monate pro Jahr Sozialversicherungsbeiträge leisten, dass sie            fen wäre eine Freizeitbeschäftigung.
aber trotzdem das ganze Jahr ihre Miete bezahlen müssen.                     Ein Gesetzestext ist nicht einfach eine mühselige Lek-
Wie die Krise gezeigt hat, müssen Wege gefunden werden,                  türe; er bringt zum Ausdruck, wie eine Gesellschaft orga-
dass diese Leute ihren Beruf überhaupt ausüben können.                   nisiert ist. Die Verfassung bildet die Grundlage unseres
    Eine weitere überraschende Erkenntnis: Die Bundesver-                Zusammenlebens. Jede Gesellschaft ist nur so stark wie
fassung sieht in Bezug auf die Arbeitslosenversicherung vor,             ihre schwächsten Glieder: jene, die sozial am schlechtesten
dass «Selbständigerwerbende sich freiwillig versichern kön-              abgesichert sind.
nen». In der Realität ist dies nicht so, denn weder das Gesetz
noch die Verordnung lassen eine solche Möglichkeit zu. Auch              Pascaline Sordet

                                                                Editorial
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Hinter jedem audiovisuellen Werk
    stehen Menschen.
    Wir schützen ihre Urheberrechte.
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    Wir unterstützen die Verbreitung Ihrer Werke
    und kümmern uns um faire Entschädigung.

                    Schweizerische Genossenschaft für        Verwaltung der Urheberrechte für
                    Urheberrechte an audiovisuellen Werken   Bühnen- und audiovisuelle Werke
                    Bern | 031 313 36 36                     Lausanne | 021 313 44 55
                    Lausanne | 021 323 59 44                 info@ssa.ch | www.ssa.ch
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Inhalt

Impressum                                 Inhalt                                                                                                                    5

Cinébulletin N° 518 / Juni 2020
Zeitschrift der Schweizer Film- und
Audiovisionsbranche

www.cinebulletin.ch
#cinebulletin

Herausgeber
Verein Cinébulletin

Verlagsleitung
Lucie Bader
Tel. 079 667 96 37
lucie.bader@cinebulletin.ch

Redaktion (Deutsche Schweiz)
Kathrin Halter, Co-Redaktorin
Dienerstrasse 7, 8004 Zürich
Tel. 043 366 89 93
kathrin.halter@cinebulletin.ch

Rédaction (Suisse romande)
                                          «Sekuritas» von Carmen Stadler, ab 23. Juli im Kino in der Deutschschweiz.

                                                                                                                                                           Inhalt
Pascaline Sordet, Corédactrice
Rue du Général-Dufour 16, 1204 Genève
Tél. 079 665 95 22
pascaline.sordet@cinebulletin.ch

Grafikdesign
                                          Editorial                                                Das Porträt / S. 15
Ramon Valle                               Das Gesetz des Schwächeren / S. 3                        Nicole Borgeat, Regisseurin
                                                                                                   und Drehbuchautorin
Übersetzungen                             Filmpolitik
Arnaud Enderlin, Nadia Pfeifer
Kari Sulc, Claudine Kallenberger          Matthias Aebischer, Präsident von                        Persönliches / S. 16
                                          Cinésuisse, über den politischen
Korrektur                                 Umgang mit der Krise / S. 6                              Gastkommentare
Mathias Knauer, Virginie Rossier
                                                                                                   Filmrelease per Streaming oder
                                          Nachfinanzierung                                         nur im Kino? / S. 17
Inserateannahme / Régie publicitaire      Mit welchem Geld sistierte
Beilagen / Encarts
                                          Dreharbeiten fortgesetzt werden                          Post-Skriptum / S. 18
Brigitte Meier
Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr)          können / S. 8
inserate@cinebulletin.ch
                                          Dreharbeiten
Abonnements und Adressänderungen
Brigitte Meier                            Zwei Fallbeispiele von Dreharbeiten, die
abo@cinebulletin.ch                       abgebrochen oder verschoben worden
Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr)          sind / S. 10
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Druck                                     Sozialversicherungen
Saint-Paul                                Über den prekären Status
                                          von Kulturschaffenden / S. 12
ISSN 1018-2098

Nachdruck von Texten nur mit
Genehmigung des Herausgebers und
mit Quellen­angabe gestattet .

Unterstützt von:
                                          HEFTNUMMER             ERSCHEINUNGSDATUM          RESERVATION INSERATE       Titelbild: «Coronal Surreal» von Anka
                                          519 Juli                           25. Juni                      5. Juni     Schmid. Aus der Serie «Lockdown
                                          520 August-September               31. Juli                      10. Juli    Collection» mit 33 Kurzfilmen, eine
                                          521 Oktober                       24. Sept                       4. Sept     Koproduktion von Frédéric Gonseth
                                                                                                                       Productions, Turnus Film, Cinedokke
                                          522 November-Dezember              13. Nov                       23. Okt
                                                                                                                       und SRF.

                                                                  Inhalt
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Filmpolitik

                                            « Wir wollen keine Show,
                                          Lobbyarbeit ist viel wichtiger »
                      Die Covid-Verordnung des Bundes hilft auch der Filmbranche. Doch genügen die dafür vorgesehenen Entschädigungen?
6                         Und welche Rolle nimmt in der Krise Cinésuisse ein? Ein Gespräch mit Cinésuisse-Präsident Matthias Aebischer.

                                                                             Das Gespräch führte Kathrin Halter

                                                                                                                            funktioniert – primär jene Kantone mit guter
                                                                                                                            Filmförderung wie Zürich, Bern oder Basel
                                                                                                                            und die welschen Kantone. Aber natürlich
                                                                                                                            sind nicht alle Kantone gleich gut aufgestellt.
                                                                                                                            Die Sektion Film beim BAK schaut da aber
                                                                                                                            genau hin, in Rücksprache mit Cinésuisse und
                                                                                                                            den Filmverbänden. Die Verordnung wird im
                                                                                                                            Wochenrhythmus überarbeitet, auch dank
                                                                                                                            Empfehlungen und Informationen von der
                                                                                                                            WBK (Kommission für Wissenschaft, Bildung
                                                                                                                            und Kultur) des Nationalrates, der ich ange-
                                                                                                                            höre. Wir haben regelmässig Kontakt mit dem
                                                                                                                            Bundesrat. Dieser will die Leute entschädi-
                                                                                                                            gen, die das Geld wirklich brauchen.

                                                                                                                            Die 280 Millionen Franken Soforthilfe und
                                                                                                                            Ausfallentschädigungen, die der Bund als
                                                                                                                            erste Tranche für zwei Monate bis Ende Mai
                                                                                                                            für den Kultursektor zur Verfügung stellt,
    Filmpolitik

                                                                                                                            wurde an der Sondersession soeben bewil-
                                                                                                                            ligt. Die SVP ist mit dem Versuch geschei-
                                                                                                                            tert, die Unterstützungsleistungen für den
                                                                                                                            Kulturbereich zu kürzen. Sind Sie erleich-
                                                                                                                            tert?
                                                                                                                                Die SVP will bei der Kultur immer kürzen.
                                                                                                                            Bei der letzten Kulturbotschaft wollte die
                                                                                                                            SVP mit dem Rasenmäher überall 10 Prozent
                                                                                                                            zurückstutzen. Also auch bei der Volkskultur,
                  Matthias Aebischer ist auch Präsident von Pro Velo Schweiz. © Matthias Aebischer                          beim Jodlerfest zum Beispiel. Dieses trotzige
                                                                                                                            Verhalten hat für mich nicht viel mit Politik zu
                                                                                                                            tun.
                  Die gesamtwirtschaftlichen Massnahmen                  Daraus resultieren diverse Schwierigkei-
                  des Bundes haben dem Film zu wenig                     ten. Wie sehen Sie diese Problematik?              Diese 280 Millionen für den Kultursektor
                  geholfen, denn viele Gesuche wurden                        Mit Ausnahme des Films ist die Kultur          dürften allerdings kaum reichen. Darf man
                  abgelehnt. Seit Mitte April können nun                 Sache der Kantone. Auch bei der Covid-Ver-         hier eine zweite Tranche erwarten?
                  auch Selbständigerwerbende eine Ent-                   ordnung Kultur zur Abfederung von Schäden              Unbedingt. Die WBK-Kommissionen
                  schädigung beantragen. Weshalb war die-                haben die Kantone den Lead, das ist nichts als     beider Räte erachten es als notwendig, die
                  ser Schritt so wichtig?                                logisch. Damit es nicht kompliziert wird, läuft    auf Ende Mai befristete Verordnung um vier
                      Bisher haben nur jene Unterstützung                auch beim Film die Registrierung und Abwick-       Monate zu verlängern und die Budgets anzu-
                  erhalten, die mit einem Berufsverbot belegt            lung über die Kantone, weil das in einer Krisen-   passen. Es geht dabei um Planungssicherheit.
                  wurden. Im Filmbereich gibt es ja sehr viele           situation erfahrungsgemäss rasch funktioniert.     Auf einen Betrag wollte man sich in der WBK
                  Selbständigerwerbende und Kleinstunter-                Kurzarbeit zum Beispiel ist in den Kantonen ein    jedoch noch nicht festlegen. Mitte Mai (nach
                  nehmer, die nur indirekt von den behörd-               eingespieltes System. Klar gibt es da Unter-       Redaktionsschluss) liegen die Ergebnisse einer
                  lichen Massnahmen betroffen sind. Dreh-                schiede von Kanton zu Kanton, aber für die         Evaluation vor, dann weiss man, ob die 280
                  buchautorinnen und -autoren, aber auch                 Koordination hat der Bund mit Suisse­culture ja    Millionen reichen oder nicht; danach kann
                  Filmtechniker oder etwa Produzenten von                eine nationale Stelle mandatiert.                  Geld für die nächsten Monate gesprochen
                  Filmmusik mit einem kleinen Studio, die                                                                   werden.
                  keine Aufträge mehr erhalten haben. Ihnen              Bei den kantonalen Kulturämtern gebe es
                  kann jetzt geholfen werden, insofern war               zum Teil zu wenig Sachkenntnis über die            Es gibt auch die Forderung, den Filmkredit
                  diese letzte Massnahme sehr entscheidend.              spezifischen Arbeitsbedingungen beim               zu erhöhen, um die Mehrkosten aufzufan-
                                                                         Film, hört man. Und die Ämter sind perso-          gen. Was halten Sie davon?
                  Für den Film ist laut der Bundesverfassung             nell teils unterdotiert für die Aufgaben.              Da bin ich nicht dafür, wegen Corona den
                  primär der Bund zuständig, die Kantone                    Ich muss da etwas widersprechen, es gibt        Filmkredit zu erhöhen. Die Kulturbotschaft
                  sekundär. Gegenwärtig ist es umgekehrt.                Kantone, die sehr gut wissen, wie der Film         gilt für vier Jahre. Man kann nicht wegen einer

                                                                                          Filmpolitik
280 Millionen - und danach? - Amazon S3
Filmpolitik

“
      Die Kulturbotschaft gilt für vier Jahre. Man kann nicht
      wegen einer vorübergehenden Krise den Filmkredit
      erhöhen. Die Auswirkungen der Krise müssen über eine
      Sonderfinanzierung laufen.                                                                                                                                            7

      Matthias Aebischer

      vorübergehenden Krise den Kredit erhöhen.          Braucht es jetzt, jenseits von Verbands-               Gut. Dennoch ist noch schwer absehbar
      Die Auswirkungen dieser Krise müssen klar          politik, nicht eine nationale Taskforce für        ist, ob Corona eine Auswirkung auf die ein-
      über eine Sonderfinanzierung laufen.               den Film, die Kommunikation und den Aus-           zelnen Botschaften (Bildung und Kultur) hat.
                                                         tausch zwischen den Sprachregionen und             Für Ergänzungsvorschläge der Parlamentarier
      Es gibt die Möglichkeit, beim BAK eine             den Kantonen koordiniert?                          dürfte es weniger Spielraum geben, auch für
      Nachfinanzierung zu beantragen, etwa bei              Das ist ein heikles Terrain. Zwar steht in      zusätzliche Finanzen dürfte es schwierig wer-
      Mehrkosten beim Abbruch oder Verschie-             der Verfassung, dass der Film Sache des Bun-       den, Mehrheiten zu finden.
      ben von Dreharbeiten. Diese Nachfinanzie-          des ist, dafür gibt es ja auch ein nationales
      rungen belasten aber den regulären Film-           Kulturbudget, wovon rund ein Viertel an den        Beim Engagement für die Kulturbotschaft
      kredit, hier gibt es keine Mehrmittel.             Film geht. Trotzdem sind wir ein föderalisti-      ist das gemeinsame Einstehen für die Inte-
          Das ist eine andere Diskussion. Ein grosser    sches Land mit einer lebendigen Vielfalt, das      ressen der Kultur wichtig. Gibt es jetzt,
      Teil der Personalkosten, der Mehrkosten und        begrüssen wir. Zentralistischer muss es mei-       während der Corona-Krise, die Gefahr, dass
      Ausfälle werden schon durch die Covid-Mass-        ner Ansicht nach nicht werden.                     sich verschiedene Kultursparten konkur-
      nahmen des seco abgefedert. Dann gibt es                                                              renzieren?
      eine Abfederung durch die Kantone und Suis-        Wie definieren Sie als Präsident von                   Das glaube ich nicht. In den letzten acht
      seculture. Ein Teil bleibt unberücksichtigt. Den   Cinésuisse die Rolle des Dachverbands in           Jahren habe ich nie erlebt, dass sich Kultur-
      wollen die kantonalen Filmförderer, die SRG        der Krise? Sollte Cinésuisse nicht aktiver         sparten und Kulturschaffende bei Kulturbot-

                                                                                                                                                              Filmpolitik
      und das BAK übernehmen. Beim BAK stammt            auftreten?                                         schaften gegeneinanderstellen. Der Zusam-
      das Geld aus dem regulären Filmkredit, das             Wichtig ist uns die Nähe zu den einzelnen      menhalt ist stark.
      stimmt. Das wird aber noch diskutiert im           Verbänden. Es gibt einen regen Austausch und
      National­rat, ob das nicht über den – vermutlich   viele Feedbacks. Zudem haben wir die Mit-          ▶ Originaltext: Deutsch
      erhöhten – Corona-Kulturfonds laufen sollte.       glieder jeweils über neue Verordnungen infor-
                                                         miert, das wird sehr geschätzt. Was den öffent-
      Die Filmbranche in der Romandie scheint in         lichen Auftritt anbelangt: Wir wollen nicht die
      der Krise besser vernetzt zu sein als dieje-       Politik des Bundesrats bewerten oder kritisie-        Matthias Aebischer ist seit 2011 für
      nige der Deutschschweiz. Teilen Sie diesen         ren, wie dies etwa der Gewerbeverband tut.            die SP im Nationalrat und Mitglied der
      Eindruck?                                          Die Situation ist ja klar: In einer Notsituation      WBK (Kommission für Wissenschaft,
          Die Romands sind tatsächlich gut ver-          entscheidet der Bundesrat. Wir wollen keine           Bildung und Kultur). Den Dachverband
      netzt und leisten gute Arbeit, man muss aber       Show. Lobbyarbeit hinter den Kulissen ist viel        Cinésuisse präsidiert er seit 2012. Von
      sehen: Die Romandie umfasst sieben Kantone,        wichtiger. Wir müssen in der Notsituation die         1990 bis zu seiner Wahl in den Natio-
      die Deutschschweiz hat viel mehr Kantone.          Hierarchie akzeptieren, Einflussmöglichkeiten         nalrat war er journalistisch tätig, von
      Der neue Lehrplan zum Beispiel wurde in der        hingegen voll ausschöpfen.                            1994-1999 als Sportredaktor bei SRF,
      Romandie zehn Jahre früher eingeführt als                                                                danach als Redaktor und Moderator
      in der Deutschschweiz , weil es viel einfacher     Die Kulturbotschaft soll voraussichtlich in           der Tagesschau, beim Kassensturz und
      ist, sieben Kantone zu koordinieren als 18         der Herbstsession im Nationalrat behan-               beim Club.
      Deutschschweizer Kantone. Ich will damit aber      delt werden. Wie stehen die Chancen für
      nicht die Toparbeit des Cinéforom schmälern.       eine Annahme?
      vfa-fpa.ch

                                                                                                                                .                        ..
                                        ....                                   O R G T .........                             ..
                                    ...                                      S                                           . .
                               ..                                          E                     ....
                                                                                                      ................
                                                                                                                       .
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280 Millionen - und danach? - Amazon S3
Nachfinanzierung

                                         Die Nachfinanzierung darf nicht
                                         zukünftige Projekte verhindern
                                     Die sistierten Dreharbeiten müssen fortgesetzt werden, doch mit welchem Geld? Die Filmförderer
                                            geben erste Antworten auf diese Frage – dank des Instruments der Nachfinanzierung.
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                                                                                   Von Pascaline Sordet

                       Nach der Schliessung der Kinos hörten die
                       Dreh­arbeiten auf. Die Kameras wurden ver-
                       sorgt, die Schauspielerinnen und Schauspie-
                       ler nach Hause geschickt, die Crews ins Land
                       zurückgeholt, die Lichter gelöscht. Die Dreh-
                       arbeiten für «Olga» von Elie Grappe (Produk-
                       tion: Point Prod) haben mit jungen Turnerin-
                       nen und Turnern begonnen und sind dann am
                       13. März, nach 19 von 33 Drehtagen, abgebro-
                       chen worden. Auch die Crew von Paradigma
                       Films, die in Luxemburg an «Une histoire
                       provisoire» von Romed Wyder beteiligt war,
                       hat ihre Koffer gepackt. Die Situation ist im
                       ganzen Land ähnlich: Für «Atlas» von Niccolò
                       Castelli fehlen zwei Drehtage in Marokko mit
                       italienischen Schauspielern. Der Film kann
                       nicht fertiggestellt werden.
                           In einem ersten Schritt einigten sich die
    Nachfinanzierung

                       Produzentenverbände und das ssfv über
                       Arbeitslosigkeit, Vertragsstatus und Modali-
                       täten für die Rückkehr zur Arbeit. Zum jetzi-
                       gen Zeitpunkt ist es nicht möglich zu sagen,
                       wann die Dreharbeiten wiederaufgenommen
                       werden können, doch die Frage nach dem
                       Wie stellte sich sehr schnell. Ein Filmbudget
                       bewegt sich in einem klar definierten Rah-
                       men, und ein Teil der bereits gebundenen Gel-
                       der ist nicht rückzahlbar.

                       Sofortmassnahmen
                           Der Bund reagierte rasch, um die finan-      Am meisten Probleme verursachen in den kommenden Monaten jene Filme, die noch nicht fertig realisiert sind.
                       ziellen Schäden zu begrenzen. Zunächst mit       © Nik Shuliahin / Unsplash
                       gesamtwirtschaftlichen Massnahmen (Kurz-
                       arbeitszeitentschädigungen für Angestellte in
                       befristeten Arbeitsverhältnissen, Entschädi-
                       gungen bei Erwerbsausfällen für Selbststän-          Die Dreharbeiten für den Spielfilm «Olga»          Die letzte Tranche
                       dige und Liquiditätshilfen für Unternehmen),     dürften frühestens dann fortgesetzt werden:                Nehmen wir an, dass im bestmöglichen
                       dann mit einem von den Kantonen verwalteten      «Unsere Schauspielerinnen und Schauspie-               Fall die 80 Prozent vollumfänglich entschä-
                       280-Millionen-Fonds für die Kultur. So konn-     ler sind Athleten, die derzeit verstreut bei           digt werden, dann bleiben noch 20 Prozent.
                       ten die Produktionsfirmen Entschädigungen        sich zu Hause leben», erklärt der Produzent            Wenn alle Möglichkeiten, von den beschlos-
                       in Höhe von 80 Prozent der Verluste fordern,     Jean-Marc Fröhle. «Sie werden zuerst wie-              senen Massnahmen zu profitieren, ausge-
                       die die Covid-19-Präventionsmassnahmen           der eine Trainingsphase benötigen, und was             schöpft sind, werden die Produktionsfirmen
                       verursach­ten. Entsprechende Anträge waren       uns betrifft, so möchten wir die letzten drei          nicht einfach sich selbst überlassen sein. Im
                       bis 20. Mai einzureichen. In der Romandie        Wochen in einem Block drehen.» Doch bis                Wissen um die wirtschaftliche Fragilität eines
                       hat man im Einvernehmen mit den Kantonen         dahin gibt es viele Unwägbarkeiten. Der Film           Filmdrehs haben sich die Filmförderer, das
                       beschlossen, die Dossiers aus der Filmbranche    ist nicht der einzige betroffene Bereich, und          BAK, die SRG und die Regionalfonds (Zür-
                       Cinéforom vorzulegen, «damit Unterstützung       die Kantone werden sich sowohl mit kleinen             cher Filmstiftung, Cinéforom, Pro Cinéma
                       und höchstmögliche Genauigkeit gewährleis-       unabhängigen Theater­truppen als auch mit              Bern sowie die Filmförderung Basel-Stadt
                       tet sind. Das beschleunigt die Verfahren, auch   Grossveranstaltern wie Opus One befassen               und Basel-Landschaft) zusammengeschlos-
                       wenn die Anträge anschliessend von den Kan-      müssen. «Wir stecken in einer unübersicht-             sen, um diese letzte Tranche im Verhältnis
                       tonen bearbeitet werden», sagt der Geschäfts-    lichen Situation, ohne zu wissen, was über-            zu ihrer jeweiligen Beteiligung zu kompen-
                       leiter von Cinéforom, Gérard Ruey. Doch er ist   haupt übernommen wird und ob die Entschä-              sieren und somit die Wiederaufnahme der
                       vorsichtig und bezweifelt, dass das Geld vor     digungen tatsächlich 80 Prozent der Verluste           Arbeiten unter guten Voraussetzungen zu
                       September eintreffen wird.                       decken werden», so Fröhle.                             ermöglichen.

                                                                                     Nachfinanzierung
280 Millionen - und danach? - Amazon S3
Nachfinanzierung

                                            “   Gemäss den Schätzungen von Cinéforom betragen
                                                die Mehrkosten für alle aufgeschobenen oder
                                                abgebrochenen Filme aus der Romandie zwischen
                                                700ʼ000 und 800ʼ000 Franken.
                                                Gérard Ruey

                                                Projekten, sind jedoch der Auffassung, dass
                                                diese nicht nur für die selektive Herstellungs-
                                                förderung, sondern für sämtliche Projekt-
                                                phasen sowie für die Standortförderung FiSS
                                                                                                  der Betrag rasch auf 300ʼ000 oder 400ʼ000
                                                                                                  Franken ansteigen.» Das heisst ein Spielfilm
                                                                                                  weniger für die kommenden Jahre.
                                                                                                                                                                       9

                                                möglich sein soll und fordern, dieses Geld        Ungewisse Zukunft
                                                nicht dem ordentlichen Filmkredit zu belas-           Bei unterbrochenen Dreharbeiten ist das
                                                ten: «Es muss sichergestellt werden, dass es      Problem zwar dramatisch, aber relativ klar.
                                                zu keinen Umverteilungen von Mitteln des          Ein grösseres Problem werden in den kom-
                                                Filmkredits auf Kosten von einzelnen Spar-        menden Monaten jene Filme aufwerfen, die
                                                ten kommt. Wir gehen denn auch davon              noch nicht begonnen wurden und daher als
                                                aus, dass dem nicht so ist, sondern dass der      solche gar nicht existieren. Wenn sie nicht
                                                Filmkredit insgesamt erhöht wird». Bislang        rasch realisiert werden, leidet die gesamte
                                                wurde diese Anliegen nicht erhört.                Herstellungskette darunter, befürchtet
                                                    Was gross ist diese Belastung, wo doch        Gérard Ruey: «Der Verdienstausfall wird die
                                                die Branche dringend neue Projekte braucht,       technischen und die Postproduktionsfirmen
                                                damit Filmschaffende weiter arbeiten kön-         sowie alle freiberuflichen Beteiligten treffen.
                                                nen? «Wir haben unverzüglich einen Fra-           Sie brauchen Darlehen, doch die Rückzah-
                                                gebogen an die Produzentinnen und Pro-            lung wird kompliziert sein.» Die Risiken sind

                                                                                                                                                    Nachfinanzierung
                                                duzenten geschickt, um ihre Lage und ihre         konkret: Schliessung von Strukturen, Verlust
                                                Mehrkosten zu erfassen, doch die Zahlen           von Kompetenzen und Talenten, Demontage
                                                sind mit Vorsicht zu geniessen. Gemäss den        eines bereits fragilen Berufsnetzes.
                                                Schätzungen von Cinéforom betragen die                Gérard Ruey lobt den Zusammenhalt in
                                                Mehrkosten für sämtliche aufgeschobenen           der Branche, trotz aller Schwierigkeiten: «Ich
                                                oder abgebrochenen Filme aus der Roman-           finde, dass wir sehr proaktiv waren; es gab
                                                die maximal zwischen 700ʼ000 und 800ʼ000          viele Kontakt zu anderen Finanzierern, und
                                                Franken. Von diesen 800ʼ000 Franken sind          die Verbände leisten hervorragende Koordi-
                                                80 Prozent, also 640ʼ000 Franken, durch die       nationsarbeit. Die Filmbranche hat Eigenver-
                                                Covid-19-Verordnung abgedeckt. Der Rest-          antwortung gezeigt. Wie es weitergeht – und
                                                betrag von 160ʼ000 Franken käme für eine          wie lange – kann niemand sagen.» Derselben
                                                Nachfinanzierung in Frage. Aufgeteilt auf         Meinung ist auch Jean-Marc Fröhle, der in
                                                drei Partner entspricht dies einem Betrag         den kommenden Wochen «mehr Kampfgeist
                                                von je 60ʼ000 Franken. Wir können ihn über        und weniger Konservatismus» auf Bundese-
                                                unser Budget begleichen, zu Lasten eines          bene fordert, damit die Politik dazu gebracht
                                                Kurzfilms, aber nicht einer gesamten Ses-         werden kann, die Nachfinanzierung nicht zu
                                                sion.» Jean-Marc Fröhle, der auch Kopräsi-        Lasten zukünftiger Projekte zu gewähren, die
    Das Bundesamt für Kultur präzisiert in      dent der IG ist, differenziert: «Wenn alles so    wir so dringend brauchen, um den Wiederauf-
seiner Mitteilung, dass – um den Filmkre-       abläuft, wie uns erklärt wurde, dann sind         schwung zu sichern.
dit möglichst zu schonen – zuerst zwingend      die Auswirkungen für Cinéforom tatsäch-
alle Bundes- und Kantonslösungen genutzt        lich nicht riesig, aber für das BAK könnte        ▶ Originaltext: Französisch
werden müssen, bevor die skizzierte Nachfi-
nanzierung ins Spiel kommt. Weshalb? Weil
derzeit geplant ist, die Gelder für die Nach-
finanzierung dem aktuellen Budget zu ent-
nehmen, was bedeutet, dass dieser Betrag im
Herbst nicht mehr für die Finanzierung neuer
Projekte zur Verfügung stehen wird.

Kredit auf die Zukunft
   Genau diese Situation möchte die Film-
branche jedoch vermeiden. In ihrem Brief
vom 30. März an das BAK nehmen die drei
Produzentenverbände (SFP, GARP, IG) und der
ARF/FDS schon sehr früh Stellung und begrüs-
sen eine Nachfinanzierung bei zugesicherten

                                                            Nachfinanzierung
280 Millionen - und danach? - Amazon S3
Abbruch von Dreharbeiten

                                                                           Wenn alles stillsteht
                                        Wegen des Lockdowns sind viele Dreharbeiten unterbrochen oder verschoben worden. Das bedeutet Mehrkosten,
                                                                aber nicht nur. Eine Produzentin und ein Regisseur erzählen.
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                                                                                                      Von Kathrin Halter
     Abbruch von Dreharbeiten

                                Felix Tissi auf dem Set seines neuen Spielfilms «Aller Tage Abend», dessen Dreharbeiten Mitte März abgebrochen werden mussten. Bild: Peacock Film

                                Wir freuen uns schon darauf, wenn das öffent-          ner», wie Drehbuchautor und Regisseur Felix             sächlich gedreht wurde, steht im Herbst
                                liche Leben am 11. Mai wieder auflebt, wenn            Tissi sein Projekt umschreibt, ist ein Ensem-           wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung,
                                Schulen, Restaurants und Geschäfte öffnen.             blefilm mit vorwiegend älteren Darstellern              genauso wie das Basislager, wofür die Miete
                                Da Versammlungen von über fünf Personen                und Locations vorwiegend in Bern und Umge-              bis Ende April bereits bezahlt ist.
                                aber weiterhin nicht erlaubt sind, bleiben             bung. Die Szenerie sei relativ aufwändig, so                Wie für andere Produzentinnen hängt für
                                Dreharbeiten in den meisten Fällen illuso-             Elena Pedrazzoli, da das Dekor die Figuren              Pedrazzoli nun vieles davon ab, ab wann es
                                risch – ausser für Dokumentarfilme aus der             mit definiere; da wurde nach den Vorstellun-            wieder losgehen kann. Da Tissis Film im Win-
                                Schweiz mit kleiner Crew und andere Klein-             gen des Autors ein eigenes kleines Universum            ter spielt, können die Dreharbeiten erst Mitte
                                formationen. Für Filmprojekte, die im März             kreiert, eine Art zeitloses Ambiente mit Tape-          November weiterlaufen. Das ist immerhin ein
                                abgebrochen oder verschoben werden muss-               ten, Wandtelefon (keine Handys!), einem ganz            Anhaltspunkt. Auf keinen Fall will man aber
                                ten, gilt weiterhin: Corona Times. Abwarten,           eigenen Look.                                           die Innenszenen vorziehen, da der ganze Auf-
                                umdisponieren. Und den Schaden begrenzen,                  Nun musste die während Wochen vorbe-                bau sonst zweimal gemacht werden müsste.
                                den unterbrochene Dreharbeiten verursacht              reitete Ausstattung eingelagert und das Licht               Sorgen bereitet Pedrazzoli die Verfüg-
                                haben.                                                 zurückgebaut werden, teils vor Ort, teils in            barkeit von älteren Darstellern, die zur Risi-
                                    So ergeht es gerade der Produzentin Elena          Zürich; dafür haben etwa zehn Leute fünf Tage           kogruppe zählen sowie von Crew-Mitglie-
                                Pedrazzoli von Peacock Film mit «Aller Tage            gearbeitet. Die Produktionsbasis wurde abge-            dern, weil mit einem Stau von Dreharbeiten
                                Abend». Von den Dreharbeiten zum Spielfilm             brochen, nur das Basislager der Ausstattung             gerechnet werden muss, je länger der Lock-
                                von Felix Tissi fehlen noch 15 von insgesamt           wird bis auf weiteres beibehalten. Mehrkos-             down dauert.
                                27 Drehtagen, am 15. März war nach zwölf               ten entstanden auch durch bereits bezahlte
                                Drehtagen Schluss. Das war jener Tag, an dem           Mieten, wobei die Vermieter unterschiedlich             Hilfe im Dschungel der Covid-Massnahmen
                                dreissig Statisten für eine Innenszene (mit vie-       kulant waren: Hotels zum Beispiel haben                     Und wie ist bisher die Suche nach Ent-
                                len Rauchern) aufgeboten waren; kurz zuvor             nichts verrechnet, Wohnungsvermieter sehr               schädigungen verlaufen? Insgesamt fand es
                                wurden Versammlungen von mehr als 50 Leu-              wohl.                                                   die Produzentin in den letzten Wochen kom-
                                ten verboten.                                              Probleme beim Umdisponieren bereitet                pliziert, sich im Gewirr der verschiedenen
                                    Und nun? «Aller Tage Abend», «eine wun-            die zukünftige Verfügbarkeit von Locations:             Verordnungen und Töpfe zurechtzufinden.
                                derliche Mär über das Alter und seine Bewoh-           Das alte Haus zum Beispiel, in dem haupt-               Als Co-Präsidentin von GARP und als Mitglied

                                                                                              Abbruch von Dreharbeiten
Abbruch von Dreharbeiten

einer Taskforce von Produzenten hört sie das              da schnell ins Geld gehen – vor allem bei
auch von vielen anderen Kolleginnen und Kol-              hohen Produktionsbudets.
legen. Immerhin sei die Situation inzwischen                  Regisseur Markus Fischer und Produzen-
klarer, seit Gesuche für einen Beitrag an die             tin Judith Lichtneckert (Snakefilm) erleben
Mehrkosten bei den Kulturämtern der Kan-                  das gerade mit «Die schwarze Spinne». Dreh-                                                                                   11
tone eingeben werden können.                              beginn des historischen Films war geplant auf
    Für nicht budgetierte Zusatzkosten von                den 18. Mai. Da diese Schweizer Produktion
rund 80ʼ000 bis 100ʼ000 Franken (bei einem                mit einem Budget von rund 4,5 Millionen vor
Gesamtbudget von 1,7 Millionen Franken)                   allem in Ungarn gedreht werden soll, war-
wird die Produzentin bei der Fachstelle Kultur            tet man nun sehnlichst auf die Öffnung der
des Kantons Zürich einen Antrag stellen.                  Grenzen. Die Zeit drängt, denn das Setting auf
    Während die Firma Peacock für ihre                    einem Studiogelände bei Budapest steht nur
Festangestellten Antrag für Kurzarbeit gestellt           begrenzt zur Verfügung.
hat, ist die Situation für Techniker und andere               Weshalb aber soll der Schweizer Stoff
Mitarbeiter mit befristetem Vertrag kompli-               überhaupt in Ungarn verfilmt werden und
zierter. Zum einen hält man sich an die Ver-              nicht im Emmental? Das war zunächst so
einbarung, die die Produzentenverbände mit                geplant, da die Filmförderung des Kantons
dem ssfv ausgehandelt haben. Demnach wer-                 Bern (anders als BAK, Filmstiftung oder SRG)
den die Verträge (wegen «höherer Gewalt»)                 das Gotthelf-Projekt aber ablehnte, war es
                                                                                                           Markus Fischer. Bild: Snakefilm
sistiert, bis die Arbeit wiederaufgenommen                finanziell nicht möglich, im Emmental ein
wird. Das bedeutet umgekehrt, dass die                    mittelalterliches Bauerndorf im Stil des 13.
Mitarbeiter ein Recht auf eine Wiederanstel-              Jahrhundert zu bauen; ein solches Studio­        lerweile sieht es sogar danach aus, als ob in
lung besitzen, wenn es weitergeht. Unklar                 dorf, einst für eine englische Netflix-Serie     Ungarn noch ein Studiowechsel mit weiteren
ist hingegen manchmal, ob Mitarbeiter mit                 gebaut, fand man schliesslich in Budapest.       Umbauten nötig wird, was die Mehrkosten
befristeten Verträgen stempeln können oder                Snakefilm arbeitet mit der Lakoon-Filmgroup      auf bis zu (vorerst geschätzte) 200ʼ000 Euro

                                                                                                                                                             Abbruch von Dreharbeiten
Kurzarbeit beantragen müssen. Die Arbeits-                zusammen – eine Service-Produktion, die          erhöht. Zumindest hatte Snakefilm Glück im
losenkassen hätten teilweise dazu gedrängt,               auch einen Teil des Filmteams stellt. Haupt-     Unglück, da man von Corona noch während
dass anstelle von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit             darsteller und künstlerische Crew stammen        der Vorbereitungen überrascht wurde.
beantragt wird. (Eine Einsprache gegen eine               jedoch aus der Schweiz.                              Falls die Dreharbeiten in diesem Jahr
derartige Verfügung wurde gutgeheissen, so                                                                 nicht mehr möglich sind, müsste um ein Jahr
dass die TechnikerInnen nun doch von den                  Warten auf die Öffnung der Grenzen               auf Frühsommer 2021 verschoben werden.
Arbeitslosenkassen akzeptiert werden soll-                   Inzwischen sind die Verträge sistiert wor-    Das wäre ein Worst-Case-Szenario, weil dann
ten.) Hinzu kommen kantonale Unterschiede                 den; von der Firma wurde Antrag für Kurzar-      wegen Sperrterminen von Crewmitgliedern
in der Behandlung.                                        beit gestellt. Vom Bund hat man einen rück-      und Schauspielern vermutlich umbesetzt
                                                          zahlbaren Covid-19-Kredit zur Überbrückung       werden müsste.
Der Fall «Schwarze Spinne»                                erhalten, ausserdem wird ein Antrag auf              «Wir sind alle in einem grossen Ratespiel»,
   Weniger kompliziert als ein Unterbruch                 Nachfinanzierung gestellt. Mehrkosten ent-       so Markus Fischer. Der Film ist ausfinanziert,
von Dreharbeiten ist die Verschiebung. Die                stehen durch geleistete Anzahlungen, Reser-      alle sind bereit und möchten loslegen – die
Maschinerie einer Filmproduktion ist noch                 vationskosten für Studios, Kosten der Vorpro-    bange Frage ist bloss: wann.
nicht angelaufen, die Verpflichtungen sind                duktion in Ungarn sowie für bereits geleistete
noch überschaubar. Trotzdem kann es auch                  Arbeitsstunden von Crewmitgliedern. Mitt-        ▶ Originaltext: Deutsch

                                                                                                                 Casting und Fitting Studio
                                                                                                                 beni.ch
                                                                                                                 Heinrichstr. 177 8005 Zürich
                                                                                                                 beni@beni.ch | 044 271 20 77
                                                                                                                 Preise für Studiobenützung
                                                                                                                 halber Tag             CHF     300.-
                                                                                                                 ganzer Tag             CHF     400.-
                                                                                                                 7 Tage                 CHF   2'000.-
                                                                                                                 alle Preise exkl. MWST

Das Dekor von «Aller Tage Abend» schafft ein Ambiente, das aus der Zeit fällt. Bild: Peacock Film

                                                                    Abbruch von Dreharbeiten
Sozialversicherungen

                                       Braucht es einen Sonderstatus für
                                              Kulturschaffende?
12
                                       Die Wirtschaftskrise aufgrund der Covid-19-Pandemie und das komplexe Problem der Entschädigungen
                                        zeigen auf, wie vielfältig und prekär die Arbeitssituation der Kulturschaffenden ist und wie dringend
                                                                          ihr Status überdacht werden muss.

                                                                                        Von Pascaline Sordet

                            Viele Selbständige fürchteten während meh-        entschädigung. Der Nachteil daran ist, dass       archie.» Es handelt sich um Scheinselbstän-
                            rerer Wochen, gar keine Entschädigung zu          gewisse RAV sie dazu drängen, berufsfremde        dige, die durch einen Arbeitsvertrag besser
                            erhalten, obwohl sie nicht mehr arbeiten          Arbeit anzunehmen. Eine zweite Kategorie bil-     geschützt wären im Falle von Kündigung,
                            konnten. Erst gut einen Monat nach Beginn         den die Selbständigen, entweder aus freiem        Terminverschiebungen, Überstunden oder
                            des Lockdowns weitete der Bundesrat am 16.        Willen oder aus Notwendigkeit. Die Selbstän-      Nachtarbeit. Im Vergleich dazu sind Spengler
                            April den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz       digkeit bietet mehr Flexibilität und höhere       oder Kosmetikerinnen echte Selbständige,
                            auf Selbständige aus, die indirekt von den        Steuerabzüge. Der Nachteil: Man bezahlt           die ihre Arbeitszeiten, ihre Kunden und ihre
                            behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung            die gesamten Sozialabgaben selbst und hat         Arbeitsweise selbst bestimmen.
                            der Corona-Pandemie betroffen sind. Berufs-       keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Viele           Daniel Gibel unterstreicht, dass viele Tech-
                            tätige im Film konnten aufatmen, selbst wenn      arbeiten gleichzeitig als Selbständige und        niker nicht aus freien Stücken als Selbständige
                            die Vergabe dieser Entschädigungen kantonal       Angestellte, was ihre soziale Absicherung auf-    arbeiten, sondern von den Produktionsfirmen
                            geregelt ist und es zu Ungleichbehandlungen       splittert und die Situation noch komplexer        dazu gedrängt werden, damit diese keine
                            kommt. Die Massnahme gilt rückwirkend und         macht. Hinzu kommen Miteigentümer(-in-            Sozial­abgaben bezahlen müssen. Nicole Bar-
                            für maximal zwei Monate. Für Nicole Barras,       nen) einer GmbH, die bei ihrer eigenen Firma      ras weiter: «Bei den vom BAK finanzierten
     Sozialversicherungen

                            Geschäftsleiterin des ssfv, «reicht dies nicht    angestellt sind und sich in einer Art Zwischen-   Kinoproduktionen funktioniert es ziemlich
                            aus», denn es ist unsicher, wann die Kulturin-    position befinden. Die grosse Unklarheit, die     gut. Problematisch ist der freie Markt der Auf-
                            stitutionen wieder öffnen und die Dreharbei-      unter den Kulturschaffenden, aber auch bei        trags- und Werbefilme sowie des Fernsehens.
                            ten wieder aufgenommen werden können.             den Arbeitslosenkassen herrscht, erschwert        RTS schliesst seit mehreren Jahren keine
                            «Wir haben bereits eine Motion eingereicht,       die Auseinandersetzung mit dem Thema und          Arbeitsverträge mit Technikern mehr ab, sie
                            um die Dauer der Massnahmen zu verlän-            macht deutlich, wie wichtig eine offene Dis-      müssen selbständig sein.» Die AHV kam dar-
                            gern», sagt sie.                                  kussion über die Arbeitsformen im Kulturbe-       aufhin zum Schluss, dass einige von ihnen
                                Die aktuelle Krise hat aufgezeigt, wie ver-   reich ist.                                        Scheinselbständige sind.
                            schiedenartig der Status der im Audiovisions-                                                           Die Filmemacherin und Choreographin
                            bereich Tätigen ist. Einige wenige sind festan-  Echte Selbständige und Scheinselbständige          Fabienne Abramovich war 1996 an der Grün-
                            gestellt, andere sind befristet engagiert und        Wie Daniel Gibel, Vorstandsmitglied            dung von Action Intermittence beteiligt. Der
                            wechseln mit jedem Projekt den Arbeitgeber.      des ssfv und Editor, in einer von Fonction:        Verband verbindet Kulturschaffende aus der
                            Zwischen zwei Anstellungen haben sie, wie        Cinéma organisierten Online-Gesprächs-             ganzen Schweiz in einem Netz von rund 800
                            alle Angestellten, Anspruch auf Arbeitslosen­    runde erklärte, wird der rechtliche Status der     Fachleuten und Kultureinrichtungen. «Das
                                                                                              Selbständigkeit oft falsch        Problem, das Nicole Barras anspricht, ist sehr
                                                                                              verstanden. Zur Erinne-           wichtig, denn unser zunehmend liberales Sys-
                                                                                              rung: Gemäss seco gilt eine       tem zwingt die Leute dazu, als Selbständige zu
                                                                                              Person als selbständig­           arbeiten, als ob dies die einzige Möglichkeit
                                                                                              erwerbend, wenn sie –             wäre. Viele entdecken jedoch erst zu spät, was
                                                                                              unter anderem – erhebliche        es bedeutet, selbständig zu sein, vor allem in
                                                                                              Investitionen tätigt, die Art     der aktuellen Krise.»
                                                                                              und Weise der Arbeitser-              Die Selbständigkeit kann durchaus auch
                                                                                              bringung selbst bestimmt,         eine bewusste Wahl sein. Störend dabei ist für
                                                                                              keinen Weisungen unter-           Marc Zumbach die Tatsache, dass Selbstän-
                                                                                              worfen ist, gleichgestellt        dige sich nicht der Arbeitslosenversicherung
                                                                                              ist gegenüber dem Auftrag-        anschliessen können, «obwohl dies die Bun-
                                                                                              geber und ihre Arbeitszei-        desverfassung von 1974 so vorsieht.» (Artikel
                                                                                              ten selbständig festlegt.         114 präzisiert, dass «Selbständigerwerbende
                                                                                              «Techniker können nicht als       sich freiwillig versichern können», aber fak-
                                                                                              Selbständige im Sinne des         tisch existiert diese Möglichkeit nicht). Um ein
                                                                                              Gesetzes arbeiten», bestä-        klares Bild der aktuellen Situation zu zeich-
                                                                                              tigt Nicole Barras. «Alle Per-    nen, scharte der selbständige Kameramann
                                                                                              sonen, die zu festgelegten        seit Beginn des Lockdowns eine Gruppe von
                                                                                              Zeiten an einem Drehort           rund 100 Technikern um sich, die sich per Mail
                                                                                              arbeiten, sind Angestellte;       und Zoom austauschen. Unter denen, die
            Felix von Muralt bei den Dreharbeiten von «Ach wie gut dass niemand weiss»        sie haben einen Job, fixe         diesbezügliche Angaben machten, «erhalten
            von ­Martin Guggisberg, produziert von Turnus Film. © Felix von Muralt            Arbeitszeiten, eine Hier-         manche zwischen 1ʼ200 und 1ʼ800 Franken

                                                                                        Sozialversicherungen
Sozialversicherungen

an Unterstützungsgeldern. Die Beträge wer-
den auf der Grundlage des Einkommens 2019
berechnet. In unserer Branche variiert das
Einkommen jedoch stark von Jahr zu Jahr,
und der Bezug auf ein einziges Jahr kann sich
negativ auswirken. Eine Berechnung aufgrund                                                                                                                                               13
der letzten drei Jahre wäre angebrachter.»

Der Status des «Intermittent»
    Die meisten Mitglieder des ssfv arbeiten in
befristeten Arbeitsverhältnissen und gelten
folglich als Angestellte. Sie sind sogenannte
«Intermittents», ein Begriff, den es auf Deutsch
nicht gibt und der in der Arbeitslosenversiche-
rungsverordnung (AVIV, Art. 8 und 12a) mit
«häufig wechselnde oder befristete Anstellun-
gen» übersetzt wird. Dies beinhaltet alle Sai-
sonarbeiter und seit Juli 2003 auch Musiker,
Schauspieler, Artisten, künstlerische Mitarbei-
ter bei Radio, Fernsehen oder Film, Filmtech-
niker und Journalisten.
    Dank dieses Status zählen die ersten 60
Tage jedes Arbeitsverhältnisses doppelt zur
Ermittlung der notwendigen Beitragszeit von
zwölf Monaten, um Anspruch auf Arbeitslo-          Laura Kaehr bei den Dreharbeiten ihres Films «Becoming Giulia», produziert von Point Prod. © Felix von Muralt
senentschädigung zu haben. So sollen die
Nachteile befristeter Arbeitsverträge ausge-

                                                                                                                                                                   Sozialversicherungen
glichen werden. «Im Vergleich zum Status
der ‹Intermittents› in Frankreich sind die         lebens im Kulturbereich betrachtet werden              an einen Vorstoss aus den Achtzigerjahren,
Schweizer Kulturschaffenden nicht schlechter       sollte – davon träumt Marc Zumbach: «Jeder             der eine allgemeine Lohnabgabe vorschlug,
gestellt, im Gegenteil, vor allem in Bezug auf     Status hat seine Schwachstellen, und da die            um die Kultur entsprechend ihrem wichtigen
die Beitragszeit, die den Anspruch begründet.      meisten nicht nur einen Status haben, sind sie         öffentlichen Auftrag zu finanzieren. Eine Art
In Frankreich muss jedes Jahr eine bestimmte       gleich doppelt bestraft. Es ist zum Verzweifeln.       Kultursteuer auf alle Einkommen, «denn Kul-
Anzahl Stempel und Stunden erreicht werden.        Wir Kulturschaffenden haben uns diese Viel-            tur gehört jedem und es reicht nicht, sich auf
In der Schweiz gilt eine Rahmenfrist von zwei      falt nicht ausgesucht, vielmehr träumt jeder           öffentliche Subventionen oder private Geldge-
Jahren, was den Versicherten mehr Flexibilität     von uns davon, einen einheitlichen Status zu           ber abzustützen.»
gewährt. Wenn ein Jahr schlecht läuft, kann        haben, wie auch immer er genau aussieht.»                  Die Gruppe rund um Marc Zumbach orga-
man im folgenden Jahr aufholen, ohne seinen            Ein einheitlicher sozialer Status, dafür           nisiert sich ihrerseits, um den Kampf fort-
Anspruch zu verlieren», erklärt Fabienne Abra-     kämpft auch Fabienne Abramovich: «Das                  zusetzen und alle Partner an einen Tisch zu
movich von Action Intermittence.                   Gesetz ist gut aufgestellt, doch es ist unvoll-        bringen. «Wir sind uns bewusst, dass dies
    Obwohl es also in der Schweiz einen Status     ständig. Wir sollten über einen generellen             momentan nicht erste Priorität hat, doch wir
für Personen mit häufig wechselnden oder           Status für den Kunstbereich nachdenken, ins-           wollen die Krise nutzen, um auf das Problem
befristeten Anstellungen gibt, ist er wenig        besondere für eine faire Altersrente.» Selbst          aufmerksam zu machen und es anzugehen.»
bekannt. «Dieser Status existiert zwar im          wenn die aktuelle Krise dramatisch ist, so ver-        Marc Zumbach erklärt, dass dieser Kampf auf
Gesetz, doch es ist wie mit der Tausendernote:     schärft sie nur bestehende Probleme, die auch          nationaler Ebene ausgetragen werden muss,
Niemand hat je eine gesehen», meint Marc           nach der Krise andauern werden: die Schwie-            um konkrete Ergebnisse für alle Kulturschaf-
Zumbach ironisch. «Natürlich begrüsse ich die      rigkeit, die nötigen Beitragsjahre zusammen-           fenden zu bringen. Die ersten Reaktionen
Arbeit von Action Intermittence, doch in der       zukriegen, um eine angemessene Rente zu                stimmen den Kameramann recht optimis-
Realität nützt uns diese Anerkennung nicht         erhalten sowie die massive Inanspruchnahme             tisch: «Wir finden Gehör, die Leute interes-
viel.» Ein grosses Problem der Kulturschaf-        von Zusatzleistungen. Fabienne Abramovich              sieren sich für die Problematik. Jedem wird
fenden, die Arbeitslosengeld beziehen, ist die     unterstreicht: «Egal ob wir in häufig wechseln-        bewusst, dass es ohne uns keine Filme mehr
Verpflichtung, alle Jobangebote anzunehmen,        den Anstellungen, als Selbständige oder auf            geben würde.» RTS ist zum Dialog bereit und
auch ausserhalb ihres Fachs. «Das bedeutet,        Abruf arbeiten, wir kriegen nie die erforder-          hat bereits die Teilnahme an Gesprächen rund
dass man keine Wahl hat und danach nicht           lichen 44 Beitragsjahre zusammen, um eine              um diesen angestrebten einheitlichen Status
mehr frei ist, wenn man ein Angebot aus der        anständige Rente zu erhalten. Kulturschaf-             zugesichert. Der für Kultur zuständige Genfer
Branche erhält». Dies führt unweigerlich zu        fende sind also im Alter zwangsläufig von              Stadtrat Thierry Apothéloz (SP) gab unter-
Kompetenzverlusten.                                Armut betroffen.»                                      dessen in der Tribune de Genève die Schaf-
                                                                                                          fung einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema
Ein Sonderstatus für die Kulturbranche?            Verschiedene Lösungsansätze                            bekannt. «Sobald die Krise überwunden ist,
   Die verschiedenen Arbeitsformen zu har-            Fabienne Abramovich spricht sich für die            müssen wir uns mit der Einführung eines Sta-
monisieren, deutlich zu machen, dass häufige       Schaffung eines nationalen Hilfsfonds aus,             tus für ‹Intermittents› befassen», fügt er an. Ein
Arbeitgeberwechsel kein Problem darstellen         damit Kulturschaffende beim Eintritt in das            guter Anfang.
und Arbeitslosigkeit nicht als Versagen, son-      Rentenalter einen umfassenden sozialen
dern als normalen Bestandteil des Berufs-          Status geltend machen können. Sie erinnert             ▶ Originaltext: Französisch

                                                              Sozialversicherungen
14

     ZÜRCHER                                           Innerschweizer Nachwuchs-Kurzfilmwettbewerb

                                                       Einer Projektidee für den Erst- oder Zweit-

     FILMPREIS                                         film zum Durchbruch verhelfen: Mit dieser
                                                       Zielsetzung lanciert die Albert Koechlin
                                                       Stiftung die 6. Ausgabe des Innerschweizer
                                                       Nachwuchs-Kurzfilmwettbewerbes.

     2020                                              Auf der Basis eingereichter Exposés werden
                                                       durch eine Fachjury vier Projekte mit je CHF
                                                       15‘000.- prämiert und bei der Weiterbear-
                                                       beitung gefördert. In der folgenden Schluss-
     Kurzfilm                                          runde wird ein Projekt mit max. CHF
     Langer Dokumentarfilm                             50‘000.- zur filmischen Umsetzung unter-
     Langer Spielfilm                                  stützt.
                                                       Eingabeschluss 20. September 2020.             Albert Koechlin Stiftung
                                                                                                      Reusssteg 3
     Melden Sie Ihr Werk bis zum 31.7.2020 an.         Innerschweizer Filmschaffende sind herzlich    CH-6003 Luzern
                                                                                                      Tel. +41 41 226 41 20
     Informationen zum Preis und zur Anmeldung:        eingeladen, Projekte einzureichen.             Fax +41 41 226 41 21
     www.filmstiftung.ch/filmpreis                                                                    mail@aks-stiftung.ch
                                                       Weitere Informationen:                         www.aks-stiftung.ch
                                                       www.aks-stiftung.ch/projekt/filmfoerderung

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                       Von Laure Gabus                                                                                                                                        15

                                                                                          Nicole Borgeat
                                                                                          Regisseurin und Drehbuchautorin

                                                                                         vertreten und ein Gemein-         ein Filmstudium und bewirbt sich am INSAS
                                                                                         schaftsgefühl zu erzeugen,        in Brüssel. «Ich habe nie verstanden, wieso
                                                                                         beteiligte sie sich 1997 an       sie mich aufgenommen haben. Irgend etwas
                                                                                         der Gründung von Action           haben sie wohl in mir gesehen, dafür bin ich
                                                                                         Intermittence.                    ihnen dankbar.»
                                                                                             Trotz ihres vielseiti-            Nach ihrem Studienabschluss schreibt und
                                                                                         gen Werdegangs ist Nicole         dreht Nicole Borgeat ihren ersten erfolgrei-
                                                                                         Borgeats Präsenz im Inter-        chen Kurzfilm «Éperdument oui». «Ich wusste
                                                                                         net bescheiden. Sie weiss         nicht, wie ich darauf aufbauen und den Sprung
                                                                                         dies und verspricht, mir          vom Kurz- zum Langfilm schaffen sollte.» Nach
                                                                                         eine Biographie und einen         ihrer Rückkehr in die Schweiz arbeitet sie unter
                                                                                         Link zu «Boomerang» zu            anderem als Regieassistentin, als Assistentin
                                                                                         schicken. Der Film ist lus-       für den Produzenten Jean-Marc Henchoz und
                                                                                         tig und hat zugleich eine         als Drehbuchautorin für den Regisseur Yan
                                                                                         starke Aussage. Ihre Fähig-       Duyvendak. «Ich machte alles, was mir in die
© Anne Bichsel / RTS

                                                                                         keit, Wirklichkeit zu doku-       Hände fiel. Im Dienst anderer zu stehen, fällt
                                                                                         mentieren und die Komik           mir leicht. Ich mag Leute, die ein grosses Ego
                                                                                         darin herauszuarbeiten,           haben. Ich habe lange gebraucht, um mich
                                                                                         frappiert. «Nicole behält         selbst zu akzeptieren und eine Führungsrolle
                                                                                         immer im Auge, dass wir           einzunehmen. Ich bin eine Spätzünderin.»
                                                                                         etwas über diese Welt
                                                                                         erzählen möchten, das ist         «Eine wahre Kämpfernatur»
                                                                                         ihre grosse Stärke», erklärt          Anfang 2000 beginnt sie ihre Zusammenar-

                       I
                                                                                         Drehbuchautorin Jacque-           beit mit Jacqueline Surchat, die sie im Script
                            ch lache immer noch, als ich den Hörer      line Surchat, die selbst auch gerne soziale        Consultant Pool von FOCAL kennengelernt
                            auflege. Ich habe Nicole Borgeat angeru-    Geschichten erzählt.                               hat. Eine erfolgreiche Partnerschaft: «Es ist
                            fen, um ein Skype-Gespräch – Covid-19                                                          toll, jemanden zu haben, auf den du dich ver-
                            lässt grüssen – zu vereinbaren über ihr     «Umgänglich und sehr unzufrieden»                  lassen kannst und der dich ohne viele Worte
                       Engagement für die Westschweiz im Vor-               Für unser Skype-Gespräch sitzt Nicole Bor-     versteht. Alle wollen mit Jacqueline arbeiten,
                       stand des Verbands Filmregie und Drehbuch        geat in ihrer morgenhellen Küche. Sie erzählt      doch sie hat mich ausgewählt.» Jacqueline
                       Schweiz (ARF/FDS). Sie gibt sich zunächst        mir von ihrer Kindheit im noblen Genfer Stadt-     Surchat antwortet darauf: «Nicole gibt nie
                       zurückhaltend: «Wenn du aus bescheidenen         teil Champel, als Tochter eines Postangestell-     auf, sie ist eine wahre Kämpfernatur und hat
                       Verhältnissen stammst und zudem noch eine        ten und einer Hausfrau. «Ich habe während          viel Überzeugungskraft. Ich habe grosses Ver-
                       Frau bist, lernst du, dich nicht hervorzutun.»   meiner Jugend sehr unter meiner bescheide-         trauen in sie, in ihre Intuition, ihre Zweifel,
                       Wir vereinbaren einen Termin für den nächs-      nen Herkunft gelitten. Meine Freunde verbrach-     ihren Perfektionismus. Ich weiss, dass sie als
                       ten Vormittag, denn nachmittags nimmt sie        ten Weihnachten in New York, ich am Col des        Regisseurin fähig ist, mein Drehbuch über-
                       an einem Online-Fitnesskurs ihrer brasiliani-    Mosses. Sie sagten, mein Zuhause sei hässlich,     legt umzusetzen und daraus einen Film zu
                       schen Lehrerin teil: «Mach doch auch mit, das    doch für mich war es einfach mein Zuhause.»        machen, auf den ich stolz sein kann.»
                       befreit den Kopf!»                                   Ich versuche, sie mir als Jugendliche vor-         Nicole Borgeat hat das Drehbuchschrei-
                           Die 1966 geborene Genferin ist Regisseu-     zustellen. «Ich war schon damals wie heute         ben nie aufgegeben. Zurzeit schreibt sie eine
                       rin, Drehbuch- und Theaterautorin. Seit den      noch: umgänglich, schnell zufrieden, gesellig      Serie über das Jugendgericht und arbeitet an
                       Neunzigerjahren wechselt sie hin und her zwi-    und zugleich sehr unzufrieden». Da es bei ihr      einem Kinofilm – eine Premiere für sie. Ihre
                       schen Film, Theater und Fernsehen. Am erfolg-    zu Hause keinen Fernseher gibt, befriedigt sie     Drehbücher wurden zwar immer gefördert,
                       reichsten ist sie als Drehbuchautorin und als    ihr «immenses Bedürfnis nach Geschichten           doch bisher hat sie nur Fernsehfilme gedreht.
                       Regisseurin von Komödien wie «Boomerang»,        und Emotionen» mit Literatur, Kino und Thea-       Sie beginnt, sich zu rechtfertigen, hält dann
                       einem Film über das Asylwesen, dessen Dreh-      ter; zwischen 14 und 18 Jahren spielt sie selbst   aber inne: «Vor der #MeToo-Bewegung dachte
                       buch sie gemeinsam mit Jacqueline Surchat        Theater. «Ich ging nicht gerne auf die Bühne,      ich immer, das Problem liege bei mir. Ich wäre
                       geschrieben hat. Seit Beginn der Coronakrise     ich hatte zu viel Lampenfieber. Zudem muss         nie darauf gekommen, dass es strukturelle
                       engagiert sie sich in der Antenne romande        man als Schauspielerin Anweisungen ausfüh-         Gründe haben könnte. Das zu verstehen, hat
                       des ARF/FDS, um die langfristigen Auswirkun-     ren, das fiel mir schwer. Was mir am Theater       mich erleichtert und mir Kraft gegeben.»
                       gen dieser Krise abzuschätzen. Getrieben von     gefiel war der schöpferische Akt, das Vermit-
                       dem gleichen Bedürfnis, ihre Berufsgruppe zu     teln.» Nach der Matura entscheidet sie sich für    ▶ Originaltext: Französisch
Persönliches

                    © Miguel Bueno / NIFFF

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                                                                                                                                                                                                               © Simon Schwyzer
                                                                                   © SRF

                                                                                                                                   © ZFF
                                             Anaïs Emery verlässt das NIFFF                Susanne Wille wird Abteilungs-                                                Elke Mayer, bisher Mitglied der                                             Kaja Eggenschwiler hat den
                                             und übernimmt die Zügel des                   leiterin Kultur von SRF. Spätestens                                           Geschäftsleitung der Spounda-                                               Verleih Filmcoopi nach über
                                             GIFF. Als Mitbegründerin des                  am 1. Juni tritt sie die Nachfolge                                            tion Motion Picture AG und Leite-                                           sechs Jahren als Promotions-
                                             Festivals und deren Direktorin                von Stefan Charles an. Als Kultur-                                            rin Sponsoring, übernimmt per                                               und Medienverantwortliche
                                             seit 2006 wird Emery noch die                 chefin nimmt die 45-jährige Jour-                                             Anfang Mai die Geschäftsführung                                             verlassen. Nun leitet sie seit Mai
                                             Sonderausgabe vom 3. bis 11.                  nalistin Einsitz in der Geschäfts-                                            der zur NZZ-Mediengruppe gehö-                                              die Kommunikation beim Zurich
                                             Juli leiten. Zuvor war sie als Pro-           leitung von SRF. In ihrer künftigen                                           renden Vermarktungs- und Even-                                              Film Festival und arbeitet im
                                             grammgestalterin im Bereich                   Funktion verantwortet sie unter                                               tagentur. Sie verantwortet die                                              Programmteam des ZFF mit. Seit
                                             des unabhängigen Films tätig,                 anderem Radio SRF 2 Kultur, die                                               Vermarktungsaufgaben für das                                                vier Jahren ist sie zudem Vor-
                                             leitete das internationale Scien-             fiktionalen Eigenproduktionen,                                                Zurich Film Festival. Elke Mayer                                            standsmitglied bei Zürich für den
                                             ce-Fiction-Festival von Nantes,               die Angebote von SRF DOK sowie                                                trat 2012 in die SMP ein. Davor                                             Film und teilt seit einem Jahr das
                                             war von 2009 bis 2016 Mitglied                die Onlineplattform srf.ch/kultur.                                            war sie als Projektmanagerin für                                            Präsidium des Vereins mit Simon
                                             des Vorstands der European                    Die studierte Historikerin und Ang-                                           Agenturen in München und Stutt-                                             Hesse. Vor der Arbeit für Film­
                                             Fantastic Film Festivals Federa-              listin stiess 2001 zu SRF, u.a. als                                           gart tätig. In ihrer neuen Funktion                                         coopi hat Kaja Eggenschwiler
                                             tion und engagierte sich stets                Moderatorin und Reporterin bei                                                arbeitet Elke Mayer eng mit Chris-                                          Journalismus und Organisati-
                                             für den filmischen Nachwuchs                  10vor10 sowie der Rundschau. Sie                                              tian Jungen, dem künstlerischen                                             onskommunikation studiert und
                                             in der Schweiz. Eine Aufgabe, die             hat sich an der Harvard Business                                              Direktor des Zurich Film Festival,                                          bei diversen Filmproduktionen
                                             sie beim GIFF weiterführen wird,              School und am Massachusetts                                                   zusammen. Sie folgt auf Chris-                                              mitgearbeitet.
                                             ebenso wie die Förderung des                  ­Institute of Technology MIT in Digi-                                         tina Hanke, die das Unterneh-
                                             digitalen Schaffens.                           talstrategien weitergebildet.                                                men Ende April verliess.
     Persönliches

                                                                                                                                   © Carine Roth / Cinémathèque suisse

                                                                                                                                                                                                               © Carine Roth / Cinémathèque suisse
                    © Julien Chavaillaz

                                                                                   © DR

                                             Annick Mahnert heisst die neue                François Florey, Theatermann                                                  Der Genfer Filmemacher Jean-                                                Francis Reusser ist am 10. April
                                             Geschäftsführerin von Frontières,             und Filmschauspieler, ist am 25.                                              Louis Roy ist am 29. März im                                                nach langer Krankheit gestorben.
                                             dem kanadischen Markt für den                 März, wenige Tage nach seiner                                                 Alter von 82 Jahren in Folge einer                                          Er wurde 78 Jahre alt. Bekannt
                                             Genrefilm. Die gebürtige Genfe-               Hospitalisierung wegen eines                                                  langen Krankheit gestorben. Roy                                             wurde der Waadtländer Filmema-
                                             rin absolvierte ihr Studium an der            Herzinfarkts, gestorben. Er wurde                                             entwickelte schon früh eine Lei-                                            cher für seine Adaptionen «Der-
                                             New York Film Academy. In der                 53 Jahre alt. Kürzlich war er in                                              denschaft für das Kino. Mit 16                                              borence» und «La guerre dans le
                                             Schweiz arbeitete sie im Verleih,             «Quartier des banques» und in                                                 Jahren wurde er Teil des Teams,                                             Haut-Pays» nach den Romanen
                                             in der Programmgestaltung und                 «Tambour battant» von Chris-                                                  welche die heutige RTS ins Leben                                            des Schriftstellers Charles Ferdi-
                                             im internationalen Verkauf für                tophe Marzal zu sehen. Auch                                                   rief. 1967 entstand «L’inconnue                                             nand Ramuz. 1942 in Vevey gebo-
                                             20th Century Fox, Warner Bros.,               in «Orphelin» von Ursula Meier                                                de Shandigor», ein Spionagefilm,                                            ren, absolvierte Reusser ein Stu-
                                             Pathé Cinemas, Frenetic Films                 spielte er mit. Er konnte alles                                               der für die Wettbewerbe in Can-                                             dium in Fotografie an der École
                                             und Celluloid Dreams in Paris.                darstellen, vom Tragischen bis                                                nes und Locarno nominiert war.                                              de photographie in Vevey. Später
                                             Seit 2013 arbeitet sie als freibe-            zum Komischen. Auf Westschwei-                                                1968 gründete er mit Alain Tanner,                                          liess er sich bei RTS zum Kame-
                                             rufliche Beraterin, Produzentin               zer Bühnen war er während 30                                                  Michel Soutter, Claude Goretta                                              ramann ausbilden. Er gehörte zu
                                             und Programmiererin von Festi-                Jahren präsent, zuletzt in Nalini                                             und Jean-­Jacques La­grange das                                             den Gründern der Filmabteilung
                                             vals, darunter des Sitges Fanta-              Menamkats «A merveille». Nach                                                 Produktionskollektiv «groupe 5».                                            an der Ecole supérieure d’Arts
                                             stic Film Festival in Spanien und             seiner Ausbildung am Conserva-                                                Als Teil der Gruppe realisierte er                                          visuel in Genf, der heutigen HEAD.
                                             des Fantastic Fest in Austin, USA.            toire in Genf und in Paris arbeitete                                          den Film «Black Out» (1970). Ab                                             Der autobiografische Essayfilm
                                             Ihre letzten beiden Produktionen              er in der Schweiz mit vielen Regis-                                           1972 schuf er vor allem Doku-                                               «La séparation des traces» (2018)
                                             feierten Weltpremiere in Venedig.             seuren zusammen.                                                              mentarfilme.                                                                bleibt sein letzter Film.

                                                                                                                         Persönliches
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