280 Millionen - und danach? - Amazon S3
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cinebulletin.ch CB Zeitschrift der Schweizer Filmbranche Nr. 518 | Juni 2020 280 Millionen – und danach? cinebulletin.ch Ein Gespräch mit Matthias Aebischer über die Covid-19-Politik des Landes und den Film Dreharbeiten: verschoben Wie sich Produzenten in der Krise zu helfen versuchen. Und welche Optionen offenstehen Unser Kreativ- Prekariat Die Krise bietet Gelegenheit, den Status der «Intermittents» zu überdenken cinebulletin.ch
Coming soon! 2 ERER N L SCHA LPE R IEDE ICHAE RA VO F IE: M : PET REG HBUCH DRE FÜR DEN SCHWEIZER FILM
Editorial 3 Auch Vorstandssitzungen von Cinébulletin finden in diesen Tagen im Internet statt. Das Gesetz des Schwächeren Editorial Einen Gesetzestext zu lesen ist (ausser vielleicht für Juristen) dies könnte ein Ansatz für die Kulturbranche sein. Es geht kein Vergnügen. Dennoch ist es hilfreich, um weit verbrei- dabei nicht um eine Revolution, sondern nur darum, dass das tete, aber falsche Vorstellungen zu korrigieren. So gibt es Versprechen eingelöst und der Verfassungsartikel umgesetzt zum Beispiel in der Schweiz einen Status für Berufstätige mit wird. Darüber wurde bereits in der Finanzkrise 2008 disku- «häufig wechselnden oder befristeten Anstellungen» – so die tiert, doch die grossflächige Umsetzung wurde aus tech- offizielle Übersetzung des französischen Ausdrucks «Intermit- nischen Gründen für undurchführbar befunden. Vielleicht tents». Die kurze Liste der Berufe, die laut Gesetz dazu zählen, könnte man die Idee für einige Branchen wieder aufnehmen? umfasst neben Künstlern und Technikern auch Journalisten. In der heutigen Zeit, wo die Digitalisierung – und die Pan- Ich kenne wenige, die jetzt arbeitslos geworden sind und wis- demie – den Arbeitsmarkt dramatisch verändern, muss man sen, dass sie in der Verordnung der Arbeitslosenversicherung sich fragen, ob eine strikte Trennung zwischen Angestellten explizit erwähnt sind. und Selbständigen noch Sinn macht, und ob unsere Sozial- Die aktuelle Krise hat schmerzlich gezeigt, wie unüber- versicherung für untypische Berufe und Arbeitsformen wie sichtlich die Arbeitsformen in unserer Branche sind, welche Arbeit auf Abruf, gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätigkei- Schwierigkeiten die gleichzeitige Ausübung mehrerer Tätig- ten, Scheinselbständigkeit oder Home Office geeignet ist. keiten birgt, und dass die Wahl des eigenen Status nicht Wenn wir die Professionalisierung des Schweizer Films immer wirklich eine freie Wahl ist. Ein anerkannter Status für weiter vorantreiben wollen, müssen wir nach dieser Krise «Intermittents» oder gar eine gesonderte Regelung für Kul- die sozialen Aspekte angehen. Professionelle Filmschaffende turschaffende, die auch die Altersvorsorge mit einschliesst, müssen den Arbeitgeber wechseln und sich weiterentwickeln würde diese Berufsgruppe vom Image der Dauerarbeitslo- können, in schwierigen Zeiten vom sozialen Netz aufgefangen sen befreien, das hartnäckig an ihr klebt. Die Politik und die werden und Anspruch auf eine angemessene Rente haben. Öffentlichkeit müssen verstehen, dass Kulturschaffende Sonst sind sie keine Profis, sondern Amateurinnen und Ama- rechtlich erst als Berufstätige gelten, wenn sie vier bis fünf teure, die ein brotloses Hobby betreiben – und das Filmschaf- Monate pro Jahr Sozialversicherungsbeiträge leisten, dass sie fen wäre eine Freizeitbeschäftigung. aber trotzdem das ganze Jahr ihre Miete bezahlen müssen. Ein Gesetzestext ist nicht einfach eine mühselige Lek- Wie die Krise gezeigt hat, müssen Wege gefunden werden, türe; er bringt zum Ausdruck, wie eine Gesellschaft orga- dass diese Leute ihren Beruf überhaupt ausüben können. nisiert ist. Die Verfassung bildet die Grundlage unseres Eine weitere überraschende Erkenntnis: Die Bundesver- Zusammenlebens. Jede Gesellschaft ist nur so stark wie fassung sieht in Bezug auf die Arbeitslosenversicherung vor, ihre schwächsten Glieder: jene, die sozial am schlechtesten dass «Selbständigerwerbende sich freiwillig versichern kön- abgesichert sind. nen». In der Realität ist dies nicht so, denn weder das Gesetz noch die Verordnung lassen eine solche Möglichkeit zu. Auch Pascaline Sordet Editorial
Hinter jedem audiovisuellen Werk stehen Menschen. Wir schützen ihre Urheberrechte. 4 Wir unterstützen die Verbreitung Ihrer Werke und kümmern uns um faire Entschädigung. Schweizerische Genossenschaft für Verwaltung der Urheberrechte für Urheberrechte an audiovisuellen Werken Bühnen- und audiovisuelle Werke Bern | 031 313 36 36 Lausanne | 021 313 44 55 Lausanne | 021 323 59 44 info@ssa.ch | www.ssa.ch mail@suissimage.ch | www.suissimage.ch
Inhalt Impressum Inhalt 5 Cinébulletin N° 518 / Juni 2020 Zeitschrift der Schweizer Film- und Audiovisionsbranche www.cinebulletin.ch #cinebulletin Herausgeber Verein Cinébulletin Verlagsleitung Lucie Bader Tel. 079 667 96 37 lucie.bader@cinebulletin.ch Redaktion (Deutsche Schweiz) Kathrin Halter, Co-Redaktorin Dienerstrasse 7, 8004 Zürich Tel. 043 366 89 93 kathrin.halter@cinebulletin.ch Rédaction (Suisse romande) «Sekuritas» von Carmen Stadler, ab 23. Juli im Kino in der Deutschschweiz. Inhalt Pascaline Sordet, Corédactrice Rue du Général-Dufour 16, 1204 Genève Tél. 079 665 95 22 pascaline.sordet@cinebulletin.ch Grafikdesign Editorial Das Porträt / S. 15 Ramon Valle Das Gesetz des Schwächeren / S. 3 Nicole Borgeat, Regisseurin und Drehbuchautorin Übersetzungen Filmpolitik Arnaud Enderlin, Nadia Pfeifer Kari Sulc, Claudine Kallenberger Matthias Aebischer, Präsident von Persönliches / S. 16 Cinésuisse, über den politischen Korrektur Umgang mit der Krise / S. 6 Gastkommentare Mathias Knauer, Virginie Rossier Filmrelease per Streaming oder Nachfinanzierung nur im Kino? / S. 17 Inserateannahme / Régie publicitaire Mit welchem Geld sistierte Beilagen / Encarts Dreharbeiten fortgesetzt werden Post-Skriptum / S. 18 Brigitte Meier Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr) können / S. 8 inserate@cinebulletin.ch Dreharbeiten Abonnements und Adressänderungen Brigitte Meier Zwei Fallbeispiele von Dreharbeiten, die abo@cinebulletin.ch abgebrochen oder verschoben worden Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr) sind / S. 10 Abonnements online: www.cinebulletin.ch Druck Sozialversicherungen Saint-Paul Über den prekären Status von Kulturschaffenden / S. 12 ISSN 1018-2098 Nachdruck von Texten nur mit Genehmigung des Herausgebers und mit Quellenangabe gestattet . Unterstützt von: HEFTNUMMER ERSCHEINUNGSDATUM RESERVATION INSERATE Titelbild: «Coronal Surreal» von Anka 519 Juli 25. Juni 5. Juni Schmid. Aus der Serie «Lockdown 520 August-September 31. Juli 10. Juli Collection» mit 33 Kurzfilmen, eine 521 Oktober 24. Sept 4. Sept Koproduktion von Frédéric Gonseth Productions, Turnus Film, Cinedokke 522 November-Dezember 13. Nov 23. Okt und SRF. Inhalt
Filmpolitik « Wir wollen keine Show, Lobbyarbeit ist viel wichtiger » Die Covid-Verordnung des Bundes hilft auch der Filmbranche. Doch genügen die dafür vorgesehenen Entschädigungen? 6 Und welche Rolle nimmt in der Krise Cinésuisse ein? Ein Gespräch mit Cinésuisse-Präsident Matthias Aebischer. Das Gespräch führte Kathrin Halter funktioniert – primär jene Kantone mit guter Filmförderung wie Zürich, Bern oder Basel und die welschen Kantone. Aber natürlich sind nicht alle Kantone gleich gut aufgestellt. Die Sektion Film beim BAK schaut da aber genau hin, in Rücksprache mit Cinésuisse und den Filmverbänden. Die Verordnung wird im Wochenrhythmus überarbeitet, auch dank Empfehlungen und Informationen von der WBK (Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur) des Nationalrates, der ich ange- höre. Wir haben regelmässig Kontakt mit dem Bundesrat. Dieser will die Leute entschädi- gen, die das Geld wirklich brauchen. Die 280 Millionen Franken Soforthilfe und Ausfallentschädigungen, die der Bund als erste Tranche für zwei Monate bis Ende Mai für den Kultursektor zur Verfügung stellt, Filmpolitik wurde an der Sondersession soeben bewil- ligt. Die SVP ist mit dem Versuch geschei- tert, die Unterstützungsleistungen für den Kulturbereich zu kürzen. Sind Sie erleich- tert? Die SVP will bei der Kultur immer kürzen. Bei der letzten Kulturbotschaft wollte die SVP mit dem Rasenmäher überall 10 Prozent zurückstutzen. Also auch bei der Volkskultur, Matthias Aebischer ist auch Präsident von Pro Velo Schweiz. © Matthias Aebischer beim Jodlerfest zum Beispiel. Dieses trotzige Verhalten hat für mich nicht viel mit Politik zu tun. Die gesamtwirtschaftlichen Massnahmen Daraus resultieren diverse Schwierigkei- des Bundes haben dem Film zu wenig ten. Wie sehen Sie diese Problematik? Diese 280 Millionen für den Kultursektor geholfen, denn viele Gesuche wurden Mit Ausnahme des Films ist die Kultur dürften allerdings kaum reichen. Darf man abgelehnt. Seit Mitte April können nun Sache der Kantone. Auch bei der Covid-Ver- hier eine zweite Tranche erwarten? auch Selbständigerwerbende eine Ent- ordnung Kultur zur Abfederung von Schäden Unbedingt. Die WBK-Kommissionen schädigung beantragen. Weshalb war die- haben die Kantone den Lead, das ist nichts als beider Räte erachten es als notwendig, die ser Schritt so wichtig? logisch. Damit es nicht kompliziert wird, läuft auf Ende Mai befristete Verordnung um vier Bisher haben nur jene Unterstützung auch beim Film die Registrierung und Abwick- Monate zu verlängern und die Budgets anzu- erhalten, die mit einem Berufsverbot belegt lung über die Kantone, weil das in einer Krisen- passen. Es geht dabei um Planungssicherheit. wurden. Im Filmbereich gibt es ja sehr viele situation erfahrungsgemäss rasch funktioniert. Auf einen Betrag wollte man sich in der WBK Selbständigerwerbende und Kleinstunter- Kurzarbeit zum Beispiel ist in den Kantonen ein jedoch noch nicht festlegen. Mitte Mai (nach nehmer, die nur indirekt von den behörd- eingespieltes System. Klar gibt es da Unter- Redaktionsschluss) liegen die Ergebnisse einer lichen Massnahmen betroffen sind. Dreh- schiede von Kanton zu Kanton, aber für die Evaluation vor, dann weiss man, ob die 280 buchautorinnen und -autoren, aber auch Koordination hat der Bund mit Suisseculture ja Millionen reichen oder nicht; danach kann Filmtechniker oder etwa Produzenten von eine nationale Stelle mandatiert. Geld für die nächsten Monate gesprochen Filmmusik mit einem kleinen Studio, die werden. keine Aufträge mehr erhalten haben. Ihnen Bei den kantonalen Kulturämtern gebe es kann jetzt geholfen werden, insofern war zum Teil zu wenig Sachkenntnis über die Es gibt auch die Forderung, den Filmkredit diese letzte Massnahme sehr entscheidend. spezifischen Arbeitsbedingungen beim zu erhöhen, um die Mehrkosten aufzufan- Film, hört man. Und die Ämter sind perso- gen. Was halten Sie davon? Für den Film ist laut der Bundesverfassung nell teils unterdotiert für die Aufgaben. Da bin ich nicht dafür, wegen Corona den primär der Bund zuständig, die Kantone Ich muss da etwas widersprechen, es gibt Filmkredit zu erhöhen. Die Kulturbotschaft sekundär. Gegenwärtig ist es umgekehrt. Kantone, die sehr gut wissen, wie der Film gilt für vier Jahre. Man kann nicht wegen einer Filmpolitik
Filmpolitik “ Die Kulturbotschaft gilt für vier Jahre. Man kann nicht wegen einer vorübergehenden Krise den Filmkredit erhöhen. Die Auswirkungen der Krise müssen über eine Sonderfinanzierung laufen. 7 Matthias Aebischer vorübergehenden Krise den Kredit erhöhen. Braucht es jetzt, jenseits von Verbands- Gut. Dennoch ist noch schwer absehbar Die Auswirkungen dieser Krise müssen klar politik, nicht eine nationale Taskforce für ist, ob Corona eine Auswirkung auf die ein- über eine Sonderfinanzierung laufen. den Film, die Kommunikation und den Aus- zelnen Botschaften (Bildung und Kultur) hat. tausch zwischen den Sprachregionen und Für Ergänzungsvorschläge der Parlamentarier Es gibt die Möglichkeit, beim BAK eine den Kantonen koordiniert? dürfte es weniger Spielraum geben, auch für Nachfinanzierung zu beantragen, etwa bei Das ist ein heikles Terrain. Zwar steht in zusätzliche Finanzen dürfte es schwierig wer- Mehrkosten beim Abbruch oder Verschie- der Verfassung, dass der Film Sache des Bun- den, Mehrheiten zu finden. ben von Dreharbeiten. Diese Nachfinanzie- des ist, dafür gibt es ja auch ein nationales rungen belasten aber den regulären Film- Kulturbudget, wovon rund ein Viertel an den Beim Engagement für die Kulturbotschaft kredit, hier gibt es keine Mehrmittel. Film geht. Trotzdem sind wir ein föderalisti- ist das gemeinsame Einstehen für die Inte- Das ist eine andere Diskussion. Ein grosser sches Land mit einer lebendigen Vielfalt, das ressen der Kultur wichtig. Gibt es jetzt, Teil der Personalkosten, der Mehrkosten und begrüssen wir. Zentralistischer muss es mei- während der Corona-Krise, die Gefahr, dass Ausfälle werden schon durch die Covid-Mass- ner Ansicht nach nicht werden. sich verschiedene Kultursparten konkur- nahmen des seco abgefedert. Dann gibt es renzieren? eine Abfederung durch die Kantone und Suis- Wie definieren Sie als Präsident von Das glaube ich nicht. In den letzten acht seculture. Ein Teil bleibt unberücksichtigt. Den Cinésuisse die Rolle des Dachverbands in Jahren habe ich nie erlebt, dass sich Kultur- wollen die kantonalen Filmförderer, die SRG der Krise? Sollte Cinésuisse nicht aktiver sparten und Kulturschaffende bei Kulturbot- Filmpolitik und das BAK übernehmen. Beim BAK stammt auftreten? schaften gegeneinanderstellen. Der Zusam- das Geld aus dem regulären Filmkredit, das Wichtig ist uns die Nähe zu den einzelnen menhalt ist stark. stimmt. Das wird aber noch diskutiert im Verbänden. Es gibt einen regen Austausch und Nationalrat, ob das nicht über den – vermutlich viele Feedbacks. Zudem haben wir die Mit- ▶ Originaltext: Deutsch erhöhten – Corona-Kulturfonds laufen sollte. glieder jeweils über neue Verordnungen infor- miert, das wird sehr geschätzt. Was den öffent- Die Filmbranche in der Romandie scheint in lichen Auftritt anbelangt: Wir wollen nicht die der Krise besser vernetzt zu sein als dieje- Politik des Bundesrats bewerten oder kritisie- Matthias Aebischer ist seit 2011 für nige der Deutschschweiz. Teilen Sie diesen ren, wie dies etwa der Gewerbeverband tut. die SP im Nationalrat und Mitglied der Eindruck? Die Situation ist ja klar: In einer Notsituation WBK (Kommission für Wissenschaft, Die Romands sind tatsächlich gut ver- entscheidet der Bundesrat. Wir wollen keine Bildung und Kultur). Den Dachverband netzt und leisten gute Arbeit, man muss aber Show. Lobbyarbeit hinter den Kulissen ist viel Cinésuisse präsidiert er seit 2012. Von sehen: Die Romandie umfasst sieben Kantone, wichtiger. Wir müssen in der Notsituation die 1990 bis zu seiner Wahl in den Natio- die Deutschschweiz hat viel mehr Kantone. Hierarchie akzeptieren, Einflussmöglichkeiten nalrat war er journalistisch tätig, von Der neue Lehrplan zum Beispiel wurde in der hingegen voll ausschöpfen. 1994-1999 als Sportredaktor bei SRF, Romandie zehn Jahre früher eingeführt als danach als Redaktor und Moderator in der Deutschschweiz , weil es viel einfacher Die Kulturbotschaft soll voraussichtlich in der Tagesschau, beim Kassensturz und ist, sieben Kantone zu koordinieren als 18 der Herbstsession im Nationalrat behan- beim Club. Deutschschweizer Kantone. Ich will damit aber delt werden. Wie stehen die Chancen für nicht die Toparbeit des Cinéforom schmälern. eine Annahme? vfa-fpa.ch . .. .... O R G T ......... .. ... S . . .. E .... ................ . ... .. . RG .. O .. V .. G . TI . .. ... I .. .. ZE RECHT .. . .. ... Filmpolitik
Nachfinanzierung Die Nachfinanzierung darf nicht zukünftige Projekte verhindern Die sistierten Dreharbeiten müssen fortgesetzt werden, doch mit welchem Geld? Die Filmförderer geben erste Antworten auf diese Frage – dank des Instruments der Nachfinanzierung. 8 Von Pascaline Sordet Nach der Schliessung der Kinos hörten die Dreharbeiten auf. Die Kameras wurden ver- sorgt, die Schauspielerinnen und Schauspie- ler nach Hause geschickt, die Crews ins Land zurückgeholt, die Lichter gelöscht. Die Dreh- arbeiten für «Olga» von Elie Grappe (Produk- tion: Point Prod) haben mit jungen Turnerin- nen und Turnern begonnen und sind dann am 13. März, nach 19 von 33 Drehtagen, abgebro- chen worden. Auch die Crew von Paradigma Films, die in Luxemburg an «Une histoire provisoire» von Romed Wyder beteiligt war, hat ihre Koffer gepackt. Die Situation ist im ganzen Land ähnlich: Für «Atlas» von Niccolò Castelli fehlen zwei Drehtage in Marokko mit italienischen Schauspielern. Der Film kann nicht fertiggestellt werden. In einem ersten Schritt einigten sich die Nachfinanzierung Produzentenverbände und das ssfv über Arbeitslosigkeit, Vertragsstatus und Modali- täten für die Rückkehr zur Arbeit. Zum jetzi- gen Zeitpunkt ist es nicht möglich zu sagen, wann die Dreharbeiten wiederaufgenommen werden können, doch die Frage nach dem Wie stellte sich sehr schnell. Ein Filmbudget bewegt sich in einem klar definierten Rah- men, und ein Teil der bereits gebundenen Gel- der ist nicht rückzahlbar. Sofortmassnahmen Der Bund reagierte rasch, um die finan- Am meisten Probleme verursachen in den kommenden Monaten jene Filme, die noch nicht fertig realisiert sind. ziellen Schäden zu begrenzen. Zunächst mit © Nik Shuliahin / Unsplash gesamtwirtschaftlichen Massnahmen (Kurz- arbeitszeitentschädigungen für Angestellte in befristeten Arbeitsverhältnissen, Entschädi- gungen bei Erwerbsausfällen für Selbststän- Die Dreharbeiten für den Spielfilm «Olga» Die letzte Tranche dige und Liquiditätshilfen für Unternehmen), dürften frühestens dann fortgesetzt werden: Nehmen wir an, dass im bestmöglichen dann mit einem von den Kantonen verwalteten «Unsere Schauspielerinnen und Schauspie- Fall die 80 Prozent vollumfänglich entschä- 280-Millionen-Fonds für die Kultur. So konn- ler sind Athleten, die derzeit verstreut bei digt werden, dann bleiben noch 20 Prozent. ten die Produktionsfirmen Entschädigungen sich zu Hause leben», erklärt der Produzent Wenn alle Möglichkeiten, von den beschlos- in Höhe von 80 Prozent der Verluste fordern, Jean-Marc Fröhle. «Sie werden zuerst wie- senen Massnahmen zu profitieren, ausge- die die Covid-19-Präventionsmassnahmen der eine Trainingsphase benötigen, und was schöpft sind, werden die Produktionsfirmen verursachten. Entsprechende Anträge waren uns betrifft, so möchten wir die letzten drei nicht einfach sich selbst überlassen sein. Im bis 20. Mai einzureichen. In der Romandie Wochen in einem Block drehen.» Doch bis Wissen um die wirtschaftliche Fragilität eines hat man im Einvernehmen mit den Kantonen dahin gibt es viele Unwägbarkeiten. Der Film Filmdrehs haben sich die Filmförderer, das beschlossen, die Dossiers aus der Filmbranche ist nicht der einzige betroffene Bereich, und BAK, die SRG und die Regionalfonds (Zür- Cinéforom vorzulegen, «damit Unterstützung die Kantone werden sich sowohl mit kleinen cher Filmstiftung, Cinéforom, Pro Cinéma und höchstmögliche Genauigkeit gewährleis- unabhängigen Theatertruppen als auch mit Bern sowie die Filmförderung Basel-Stadt tet sind. Das beschleunigt die Verfahren, auch Grossveranstaltern wie Opus One befassen und Basel-Landschaft) zusammengeschlos- wenn die Anträge anschliessend von den Kan- müssen. «Wir stecken in einer unübersicht- sen, um diese letzte Tranche im Verhältnis tonen bearbeitet werden», sagt der Geschäfts- lichen Situation, ohne zu wissen, was über- zu ihrer jeweiligen Beteiligung zu kompen- leiter von Cinéforom, Gérard Ruey. Doch er ist haupt übernommen wird und ob die Entschä- sieren und somit die Wiederaufnahme der vorsichtig und bezweifelt, dass das Geld vor digungen tatsächlich 80 Prozent der Verluste Arbeiten unter guten Voraussetzungen zu September eintreffen wird. decken werden», so Fröhle. ermöglichen. Nachfinanzierung
Nachfinanzierung “ Gemäss den Schätzungen von Cinéforom betragen die Mehrkosten für alle aufgeschobenen oder abgebrochenen Filme aus der Romandie zwischen 700ʼ000 und 800ʼ000 Franken. Gérard Ruey Projekten, sind jedoch der Auffassung, dass diese nicht nur für die selektive Herstellungs- förderung, sondern für sämtliche Projekt- phasen sowie für die Standortförderung FiSS der Betrag rasch auf 300ʼ000 oder 400ʼ000 Franken ansteigen.» Das heisst ein Spielfilm weniger für die kommenden Jahre. 9 möglich sein soll und fordern, dieses Geld Ungewisse Zukunft nicht dem ordentlichen Filmkredit zu belas- Bei unterbrochenen Dreharbeiten ist das ten: «Es muss sichergestellt werden, dass es Problem zwar dramatisch, aber relativ klar. zu keinen Umverteilungen von Mitteln des Ein grösseres Problem werden in den kom- Filmkredits auf Kosten von einzelnen Spar- menden Monaten jene Filme aufwerfen, die ten kommt. Wir gehen denn auch davon noch nicht begonnen wurden und daher als aus, dass dem nicht so ist, sondern dass der solche gar nicht existieren. Wenn sie nicht Filmkredit insgesamt erhöht wird». Bislang rasch realisiert werden, leidet die gesamte wurde diese Anliegen nicht erhört. Herstellungskette darunter, befürchtet Was gross ist diese Belastung, wo doch Gérard Ruey: «Der Verdienstausfall wird die die Branche dringend neue Projekte braucht, technischen und die Postproduktionsfirmen damit Filmschaffende weiter arbeiten kön- sowie alle freiberuflichen Beteiligten treffen. nen? «Wir haben unverzüglich einen Fra- Sie brauchen Darlehen, doch die Rückzah- gebogen an die Produzentinnen und Pro- lung wird kompliziert sein.» Die Risiken sind Nachfinanzierung duzenten geschickt, um ihre Lage und ihre konkret: Schliessung von Strukturen, Verlust Mehrkosten zu erfassen, doch die Zahlen von Kompetenzen und Talenten, Demontage sind mit Vorsicht zu geniessen. Gemäss den eines bereits fragilen Berufsnetzes. Schätzungen von Cinéforom betragen die Gérard Ruey lobt den Zusammenhalt in Mehrkosten für sämtliche aufgeschobenen der Branche, trotz aller Schwierigkeiten: «Ich oder abgebrochenen Filme aus der Roman- finde, dass wir sehr proaktiv waren; es gab die maximal zwischen 700ʼ000 und 800ʼ000 viele Kontakt zu anderen Finanzierern, und Franken. Von diesen 800ʼ000 Franken sind die Verbände leisten hervorragende Koordi- 80 Prozent, also 640ʼ000 Franken, durch die nationsarbeit. Die Filmbranche hat Eigenver- Covid-19-Verordnung abgedeckt. Der Rest- antwortung gezeigt. Wie es weitergeht – und betrag von 160ʼ000 Franken käme für eine wie lange – kann niemand sagen.» Derselben Nachfinanzierung in Frage. Aufgeteilt auf Meinung ist auch Jean-Marc Fröhle, der in drei Partner entspricht dies einem Betrag den kommenden Wochen «mehr Kampfgeist von je 60ʼ000 Franken. Wir können ihn über und weniger Konservatismus» auf Bundese- unser Budget begleichen, zu Lasten eines bene fordert, damit die Politik dazu gebracht Kurzfilms, aber nicht einer gesamten Ses- werden kann, die Nachfinanzierung nicht zu sion.» Jean-Marc Fröhle, der auch Kopräsi- Lasten zukünftiger Projekte zu gewähren, die Das Bundesamt für Kultur präzisiert in dent der IG ist, differenziert: «Wenn alles so wir so dringend brauchen, um den Wiederauf- seiner Mitteilung, dass – um den Filmkre- abläuft, wie uns erklärt wurde, dann sind schwung zu sichern. dit möglichst zu schonen – zuerst zwingend die Auswirkungen für Cinéforom tatsäch- alle Bundes- und Kantonslösungen genutzt lich nicht riesig, aber für das BAK könnte ▶ Originaltext: Französisch werden müssen, bevor die skizzierte Nachfi- nanzierung ins Spiel kommt. Weshalb? Weil derzeit geplant ist, die Gelder für die Nach- finanzierung dem aktuellen Budget zu ent- nehmen, was bedeutet, dass dieser Betrag im Herbst nicht mehr für die Finanzierung neuer Projekte zur Verfügung stehen wird. Kredit auf die Zukunft Genau diese Situation möchte die Film- branche jedoch vermeiden. In ihrem Brief vom 30. März an das BAK nehmen die drei Produzentenverbände (SFP, GARP, IG) und der ARF/FDS schon sehr früh Stellung und begrüs- sen eine Nachfinanzierung bei zugesicherten Nachfinanzierung
Abbruch von Dreharbeiten Wenn alles stillsteht Wegen des Lockdowns sind viele Dreharbeiten unterbrochen oder verschoben worden. Das bedeutet Mehrkosten, aber nicht nur. Eine Produzentin und ein Regisseur erzählen. 10 Von Kathrin Halter Abbruch von Dreharbeiten Felix Tissi auf dem Set seines neuen Spielfilms «Aller Tage Abend», dessen Dreharbeiten Mitte März abgebrochen werden mussten. Bild: Peacock Film Wir freuen uns schon darauf, wenn das öffent- ner», wie Drehbuchautor und Regisseur Felix sächlich gedreht wurde, steht im Herbst liche Leben am 11. Mai wieder auflebt, wenn Tissi sein Projekt umschreibt, ist ein Ensem- wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung, Schulen, Restaurants und Geschäfte öffnen. blefilm mit vorwiegend älteren Darstellern genauso wie das Basislager, wofür die Miete Da Versammlungen von über fünf Personen und Locations vorwiegend in Bern und Umge- bis Ende April bereits bezahlt ist. aber weiterhin nicht erlaubt sind, bleiben bung. Die Szenerie sei relativ aufwändig, so Wie für andere Produzentinnen hängt für Dreharbeiten in den meisten Fällen illuso- Elena Pedrazzoli, da das Dekor die Figuren Pedrazzoli nun vieles davon ab, ab wann es risch – ausser für Dokumentarfilme aus der mit definiere; da wurde nach den Vorstellun- wieder losgehen kann. Da Tissis Film im Win- Schweiz mit kleiner Crew und andere Klein- gen des Autors ein eigenes kleines Universum ter spielt, können die Dreharbeiten erst Mitte formationen. Für Filmprojekte, die im März kreiert, eine Art zeitloses Ambiente mit Tape- November weiterlaufen. Das ist immerhin ein abgebrochen oder verschoben werden muss- ten, Wandtelefon (keine Handys!), einem ganz Anhaltspunkt. Auf keinen Fall will man aber ten, gilt weiterhin: Corona Times. Abwarten, eigenen Look. die Innenszenen vorziehen, da der ganze Auf- umdisponieren. Und den Schaden begrenzen, Nun musste die während Wochen vorbe- bau sonst zweimal gemacht werden müsste. den unterbrochene Dreharbeiten verursacht reitete Ausstattung eingelagert und das Licht Sorgen bereitet Pedrazzoli die Verfüg- haben. zurückgebaut werden, teils vor Ort, teils in barkeit von älteren Darstellern, die zur Risi- So ergeht es gerade der Produzentin Elena Zürich; dafür haben etwa zehn Leute fünf Tage kogruppe zählen sowie von Crew-Mitglie- Pedrazzoli von Peacock Film mit «Aller Tage gearbeitet. Die Produktionsbasis wurde abge- dern, weil mit einem Stau von Dreharbeiten Abend». Von den Dreharbeiten zum Spielfilm brochen, nur das Basislager der Ausstattung gerechnet werden muss, je länger der Lock- von Felix Tissi fehlen noch 15 von insgesamt wird bis auf weiteres beibehalten. Mehrkos- down dauert. 27 Drehtagen, am 15. März war nach zwölf ten entstanden auch durch bereits bezahlte Drehtagen Schluss. Das war jener Tag, an dem Mieten, wobei die Vermieter unterschiedlich Hilfe im Dschungel der Covid-Massnahmen dreissig Statisten für eine Innenszene (mit vie- kulant waren: Hotels zum Beispiel haben Und wie ist bisher die Suche nach Ent- len Rauchern) aufgeboten waren; kurz zuvor nichts verrechnet, Wohnungsvermieter sehr schädigungen verlaufen? Insgesamt fand es wurden Versammlungen von mehr als 50 Leu- wohl. die Produzentin in den letzten Wochen kom- ten verboten. Probleme beim Umdisponieren bereitet pliziert, sich im Gewirr der verschiedenen Und nun? «Aller Tage Abend», «eine wun- die zukünftige Verfügbarkeit von Locations: Verordnungen und Töpfe zurechtzufinden. derliche Mär über das Alter und seine Bewoh- Das alte Haus zum Beispiel, in dem haupt- Als Co-Präsidentin von GARP und als Mitglied Abbruch von Dreharbeiten
Abbruch von Dreharbeiten einer Taskforce von Produzenten hört sie das da schnell ins Geld gehen – vor allem bei auch von vielen anderen Kolleginnen und Kol- hohen Produktionsbudets. legen. Immerhin sei die Situation inzwischen Regisseur Markus Fischer und Produzen- klarer, seit Gesuche für einen Beitrag an die tin Judith Lichtneckert (Snakefilm) erleben Mehrkosten bei den Kulturämtern der Kan- das gerade mit «Die schwarze Spinne». Dreh- 11 tone eingeben werden können. beginn des historischen Films war geplant auf Für nicht budgetierte Zusatzkosten von den 18. Mai. Da diese Schweizer Produktion rund 80ʼ000 bis 100ʼ000 Franken (bei einem mit einem Budget von rund 4,5 Millionen vor Gesamtbudget von 1,7 Millionen Franken) allem in Ungarn gedreht werden soll, war- wird die Produzentin bei der Fachstelle Kultur tet man nun sehnlichst auf die Öffnung der des Kantons Zürich einen Antrag stellen. Grenzen. Die Zeit drängt, denn das Setting auf Während die Firma Peacock für ihre einem Studiogelände bei Budapest steht nur Festangestellten Antrag für Kurzarbeit gestellt begrenzt zur Verfügung. hat, ist die Situation für Techniker und andere Weshalb aber soll der Schweizer Stoff Mitarbeiter mit befristetem Vertrag kompli- überhaupt in Ungarn verfilmt werden und zierter. Zum einen hält man sich an die Ver- nicht im Emmental? Das war zunächst so einbarung, die die Produzentenverbände mit geplant, da die Filmförderung des Kantons dem ssfv ausgehandelt haben. Demnach wer- Bern (anders als BAK, Filmstiftung oder SRG) den die Verträge (wegen «höherer Gewalt») das Gotthelf-Projekt aber ablehnte, war es Markus Fischer. Bild: Snakefilm sistiert, bis die Arbeit wiederaufgenommen finanziell nicht möglich, im Emmental ein wird. Das bedeutet umgekehrt, dass die mittelalterliches Bauerndorf im Stil des 13. Mitarbeiter ein Recht auf eine Wiederanstel- Jahrhundert zu bauen; ein solches Studio lerweile sieht es sogar danach aus, als ob in lung besitzen, wenn es weitergeht. Unklar dorf, einst für eine englische Netflix-Serie Ungarn noch ein Studiowechsel mit weiteren ist hingegen manchmal, ob Mitarbeiter mit gebaut, fand man schliesslich in Budapest. Umbauten nötig wird, was die Mehrkosten befristeten Verträgen stempeln können oder Snakefilm arbeitet mit der Lakoon-Filmgroup auf bis zu (vorerst geschätzte) 200ʼ000 Euro Abbruch von Dreharbeiten Kurzarbeit beantragen müssen. Die Arbeits- zusammen – eine Service-Produktion, die erhöht. Zumindest hatte Snakefilm Glück im losenkassen hätten teilweise dazu gedrängt, auch einen Teil des Filmteams stellt. Haupt- Unglück, da man von Corona noch während dass anstelle von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit darsteller und künstlerische Crew stammen der Vorbereitungen überrascht wurde. beantragt wird. (Eine Einsprache gegen eine jedoch aus der Schweiz. Falls die Dreharbeiten in diesem Jahr derartige Verfügung wurde gutgeheissen, so nicht mehr möglich sind, müsste um ein Jahr dass die TechnikerInnen nun doch von den Warten auf die Öffnung der Grenzen auf Frühsommer 2021 verschoben werden. Arbeitslosenkassen akzeptiert werden soll- Inzwischen sind die Verträge sistiert wor- Das wäre ein Worst-Case-Szenario, weil dann ten.) Hinzu kommen kantonale Unterschiede den; von der Firma wurde Antrag für Kurzar- wegen Sperrterminen von Crewmitgliedern in der Behandlung. beit gestellt. Vom Bund hat man einen rück- und Schauspielern vermutlich umbesetzt zahlbaren Covid-19-Kredit zur Überbrückung werden müsste. Der Fall «Schwarze Spinne» erhalten, ausserdem wird ein Antrag auf «Wir sind alle in einem grossen Ratespiel», Weniger kompliziert als ein Unterbruch Nachfinanzierung gestellt. Mehrkosten ent- so Markus Fischer. Der Film ist ausfinanziert, von Dreharbeiten ist die Verschiebung. Die stehen durch geleistete Anzahlungen, Reser- alle sind bereit und möchten loslegen – die Maschinerie einer Filmproduktion ist noch vationskosten für Studios, Kosten der Vorpro- bange Frage ist bloss: wann. nicht angelaufen, die Verpflichtungen sind duktion in Ungarn sowie für bereits geleistete noch überschaubar. Trotzdem kann es auch Arbeitsstunden von Crewmitgliedern. Mitt- ▶ Originaltext: Deutsch Casting und Fitting Studio beni.ch Heinrichstr. 177 8005 Zürich beni@beni.ch | 044 271 20 77 Preise für Studiobenützung halber Tag CHF 300.- ganzer Tag CHF 400.- 7 Tage CHF 2'000.- alle Preise exkl. MWST Das Dekor von «Aller Tage Abend» schafft ein Ambiente, das aus der Zeit fällt. Bild: Peacock Film Abbruch von Dreharbeiten
Sozialversicherungen Braucht es einen Sonderstatus für Kulturschaffende? 12 Die Wirtschaftskrise aufgrund der Covid-19-Pandemie und das komplexe Problem der Entschädigungen zeigen auf, wie vielfältig und prekär die Arbeitssituation der Kulturschaffenden ist und wie dringend ihr Status überdacht werden muss. Von Pascaline Sordet Viele Selbständige fürchteten während meh- entschädigung. Der Nachteil daran ist, dass archie.» Es handelt sich um Scheinselbstän- rerer Wochen, gar keine Entschädigung zu gewisse RAV sie dazu drängen, berufsfremde dige, die durch einen Arbeitsvertrag besser erhalten, obwohl sie nicht mehr arbeiten Arbeit anzunehmen. Eine zweite Kategorie bil- geschützt wären im Falle von Kündigung, konnten. Erst gut einen Monat nach Beginn den die Selbständigen, entweder aus freiem Terminverschiebungen, Überstunden oder des Lockdowns weitete der Bundesrat am 16. Willen oder aus Notwendigkeit. Die Selbstän- Nachtarbeit. Im Vergleich dazu sind Spengler April den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz digkeit bietet mehr Flexibilität und höhere oder Kosmetikerinnen echte Selbständige, auf Selbständige aus, die indirekt von den Steuerabzüge. Der Nachteil: Man bezahlt die ihre Arbeitszeiten, ihre Kunden und ihre behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung die gesamten Sozialabgaben selbst und hat Arbeitsweise selbst bestimmen. der Corona-Pandemie betroffen sind. Berufs- keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Viele Daniel Gibel unterstreicht, dass viele Tech- tätige im Film konnten aufatmen, selbst wenn arbeiten gleichzeitig als Selbständige und niker nicht aus freien Stücken als Selbständige die Vergabe dieser Entschädigungen kantonal Angestellte, was ihre soziale Absicherung auf- arbeiten, sondern von den Produktionsfirmen geregelt ist und es zu Ungleichbehandlungen splittert und die Situation noch komplexer dazu gedrängt werden, damit diese keine kommt. Die Massnahme gilt rückwirkend und macht. Hinzu kommen Miteigentümer(-in- Sozialabgaben bezahlen müssen. Nicole Bar- für maximal zwei Monate. Für Nicole Barras, nen) einer GmbH, die bei ihrer eigenen Firma ras weiter: «Bei den vom BAK finanzierten Sozialversicherungen Geschäftsleiterin des ssfv, «reicht dies nicht angestellt sind und sich in einer Art Zwischen- Kinoproduktionen funktioniert es ziemlich aus», denn es ist unsicher, wann die Kulturin- position befinden. Die grosse Unklarheit, die gut. Problematisch ist der freie Markt der Auf- stitutionen wieder öffnen und die Dreharbei- unter den Kulturschaffenden, aber auch bei trags- und Werbefilme sowie des Fernsehens. ten wieder aufgenommen werden können. den Arbeitslosenkassen herrscht, erschwert RTS schliesst seit mehreren Jahren keine «Wir haben bereits eine Motion eingereicht, die Auseinandersetzung mit dem Thema und Arbeitsverträge mit Technikern mehr ab, sie um die Dauer der Massnahmen zu verlän- macht deutlich, wie wichtig eine offene Dis- müssen selbständig sein.» Die AHV kam dar- gern», sagt sie. kussion über die Arbeitsformen im Kulturbe- aufhin zum Schluss, dass einige von ihnen Die aktuelle Krise hat aufgezeigt, wie ver- reich ist. Scheinselbständige sind. schiedenartig der Status der im Audiovisions- Die Filmemacherin und Choreographin bereich Tätigen ist. Einige wenige sind festan- Echte Selbständige und Scheinselbständige Fabienne Abramovich war 1996 an der Grün- gestellt, andere sind befristet engagiert und Wie Daniel Gibel, Vorstandsmitglied dung von Action Intermittence beteiligt. Der wechseln mit jedem Projekt den Arbeitgeber. des ssfv und Editor, in einer von Fonction: Verband verbindet Kulturschaffende aus der Zwischen zwei Anstellungen haben sie, wie Cinéma organisierten Online-Gesprächs- ganzen Schweiz in einem Netz von rund 800 alle Angestellten, Anspruch auf Arbeitslosen runde erklärte, wird der rechtliche Status der Fachleuten und Kultureinrichtungen. «Das Selbständigkeit oft falsch Problem, das Nicole Barras anspricht, ist sehr verstanden. Zur Erinne- wichtig, denn unser zunehmend liberales Sys- rung: Gemäss seco gilt eine tem zwingt die Leute dazu, als Selbständige zu Person als selbständig arbeiten, als ob dies die einzige Möglichkeit erwerbend, wenn sie – wäre. Viele entdecken jedoch erst zu spät, was unter anderem – erhebliche es bedeutet, selbständig zu sein, vor allem in Investitionen tätigt, die Art der aktuellen Krise.» und Weise der Arbeitser- Die Selbständigkeit kann durchaus auch bringung selbst bestimmt, eine bewusste Wahl sein. Störend dabei ist für keinen Weisungen unter- Marc Zumbach die Tatsache, dass Selbstän- worfen ist, gleichgestellt dige sich nicht der Arbeitslosenversicherung ist gegenüber dem Auftrag- anschliessen können, «obwohl dies die Bun- geber und ihre Arbeitszei- desverfassung von 1974 so vorsieht.» (Artikel ten selbständig festlegt. 114 präzisiert, dass «Selbständigerwerbende «Techniker können nicht als sich freiwillig versichern können», aber fak- Selbständige im Sinne des tisch existiert diese Möglichkeit nicht). Um ein Gesetzes arbeiten», bestä- klares Bild der aktuellen Situation zu zeich- tigt Nicole Barras. «Alle Per- nen, scharte der selbständige Kameramann sonen, die zu festgelegten seit Beginn des Lockdowns eine Gruppe von Zeiten an einem Drehort rund 100 Technikern um sich, die sich per Mail arbeiten, sind Angestellte; und Zoom austauschen. Unter denen, die Felix von Muralt bei den Dreharbeiten von «Ach wie gut dass niemand weiss» sie haben einen Job, fixe diesbezügliche Angaben machten, «erhalten von Martin Guggisberg, produziert von Turnus Film. © Felix von Muralt Arbeitszeiten, eine Hier- manche zwischen 1ʼ200 und 1ʼ800 Franken Sozialversicherungen
Sozialversicherungen an Unterstützungsgeldern. Die Beträge wer- den auf der Grundlage des Einkommens 2019 berechnet. In unserer Branche variiert das Einkommen jedoch stark von Jahr zu Jahr, und der Bezug auf ein einziges Jahr kann sich negativ auswirken. Eine Berechnung aufgrund 13 der letzten drei Jahre wäre angebrachter.» Der Status des «Intermittent» Die meisten Mitglieder des ssfv arbeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen und gelten folglich als Angestellte. Sie sind sogenannte «Intermittents», ein Begriff, den es auf Deutsch nicht gibt und der in der Arbeitslosenversiche- rungsverordnung (AVIV, Art. 8 und 12a) mit «häufig wechselnde oder befristete Anstellun- gen» übersetzt wird. Dies beinhaltet alle Sai- sonarbeiter und seit Juli 2003 auch Musiker, Schauspieler, Artisten, künstlerische Mitarbei- ter bei Radio, Fernsehen oder Film, Filmtech- niker und Journalisten. Dank dieses Status zählen die ersten 60 Tage jedes Arbeitsverhältnisses doppelt zur Ermittlung der notwendigen Beitragszeit von zwölf Monaten, um Anspruch auf Arbeitslo- Laura Kaehr bei den Dreharbeiten ihres Films «Becoming Giulia», produziert von Point Prod. © Felix von Muralt senentschädigung zu haben. So sollen die Nachteile befristeter Arbeitsverträge ausge- Sozialversicherungen glichen werden. «Im Vergleich zum Status der ‹Intermittents› in Frankreich sind die lebens im Kulturbereich betrachtet werden an einen Vorstoss aus den Achtzigerjahren, Schweizer Kulturschaffenden nicht schlechter sollte – davon träumt Marc Zumbach: «Jeder der eine allgemeine Lohnabgabe vorschlug, gestellt, im Gegenteil, vor allem in Bezug auf Status hat seine Schwachstellen, und da die um die Kultur entsprechend ihrem wichtigen die Beitragszeit, die den Anspruch begründet. meisten nicht nur einen Status haben, sind sie öffentlichen Auftrag zu finanzieren. Eine Art In Frankreich muss jedes Jahr eine bestimmte gleich doppelt bestraft. Es ist zum Verzweifeln. Kultursteuer auf alle Einkommen, «denn Kul- Anzahl Stempel und Stunden erreicht werden. Wir Kulturschaffenden haben uns diese Viel- tur gehört jedem und es reicht nicht, sich auf In der Schweiz gilt eine Rahmenfrist von zwei falt nicht ausgesucht, vielmehr träumt jeder öffentliche Subventionen oder private Geldge- Jahren, was den Versicherten mehr Flexibilität von uns davon, einen einheitlichen Status zu ber abzustützen.» gewährt. Wenn ein Jahr schlecht läuft, kann haben, wie auch immer er genau aussieht.» Die Gruppe rund um Marc Zumbach orga- man im folgenden Jahr aufholen, ohne seinen Ein einheitlicher sozialer Status, dafür nisiert sich ihrerseits, um den Kampf fort- Anspruch zu verlieren», erklärt Fabienne Abra- kämpft auch Fabienne Abramovich: «Das zusetzen und alle Partner an einen Tisch zu movich von Action Intermittence. Gesetz ist gut aufgestellt, doch es ist unvoll- bringen. «Wir sind uns bewusst, dass dies Obwohl es also in der Schweiz einen Status ständig. Wir sollten über einen generellen momentan nicht erste Priorität hat, doch wir für Personen mit häufig wechselnden oder Status für den Kunstbereich nachdenken, ins- wollen die Krise nutzen, um auf das Problem befristeten Anstellungen gibt, ist er wenig besondere für eine faire Altersrente.» Selbst aufmerksam zu machen und es anzugehen.» bekannt. «Dieser Status existiert zwar im wenn die aktuelle Krise dramatisch ist, so ver- Marc Zumbach erklärt, dass dieser Kampf auf Gesetz, doch es ist wie mit der Tausendernote: schärft sie nur bestehende Probleme, die auch nationaler Ebene ausgetragen werden muss, Niemand hat je eine gesehen», meint Marc nach der Krise andauern werden: die Schwie- um konkrete Ergebnisse für alle Kulturschaf- Zumbach ironisch. «Natürlich begrüsse ich die rigkeit, die nötigen Beitragsjahre zusammen- fenden zu bringen. Die ersten Reaktionen Arbeit von Action Intermittence, doch in der zukriegen, um eine angemessene Rente zu stimmen den Kameramann recht optimis- Realität nützt uns diese Anerkennung nicht erhalten sowie die massive Inanspruchnahme tisch: «Wir finden Gehör, die Leute interes- viel.» Ein grosses Problem der Kulturschaf- von Zusatzleistungen. Fabienne Abramovich sieren sich für die Problematik. Jedem wird fenden, die Arbeitslosengeld beziehen, ist die unterstreicht: «Egal ob wir in häufig wechseln- bewusst, dass es ohne uns keine Filme mehr Verpflichtung, alle Jobangebote anzunehmen, den Anstellungen, als Selbständige oder auf geben würde.» RTS ist zum Dialog bereit und auch ausserhalb ihres Fachs. «Das bedeutet, Abruf arbeiten, wir kriegen nie die erforder- hat bereits die Teilnahme an Gesprächen rund dass man keine Wahl hat und danach nicht lichen 44 Beitragsjahre zusammen, um eine um diesen angestrebten einheitlichen Status mehr frei ist, wenn man ein Angebot aus der anständige Rente zu erhalten. Kulturschaf- zugesichert. Der für Kultur zuständige Genfer Branche erhält». Dies führt unweigerlich zu fende sind also im Alter zwangsläufig von Stadtrat Thierry Apothéloz (SP) gab unter- Kompetenzverlusten. Armut betroffen.» dessen in der Tribune de Genève die Schaf- fung einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema Ein Sonderstatus für die Kulturbranche? Verschiedene Lösungsansätze bekannt. «Sobald die Krise überwunden ist, Die verschiedenen Arbeitsformen zu har- Fabienne Abramovich spricht sich für die müssen wir uns mit der Einführung eines Sta- monisieren, deutlich zu machen, dass häufige Schaffung eines nationalen Hilfsfonds aus, tus für ‹Intermittents› befassen», fügt er an. Ein Arbeitgeberwechsel kein Problem darstellen damit Kulturschaffende beim Eintritt in das guter Anfang. und Arbeitslosigkeit nicht als Versagen, son- Rentenalter einen umfassenden sozialen dern als normalen Bestandteil des Berufs- Status geltend machen können. Sie erinnert ▶ Originaltext: Französisch Sozialversicherungen
14 ZÜRCHER Innerschweizer Nachwuchs-Kurzfilmwettbewerb Einer Projektidee für den Erst- oder Zweit- FILMPREIS film zum Durchbruch verhelfen: Mit dieser Zielsetzung lanciert die Albert Koechlin Stiftung die 6. Ausgabe des Innerschweizer Nachwuchs-Kurzfilmwettbewerbes. 2020 Auf der Basis eingereichter Exposés werden durch eine Fachjury vier Projekte mit je CHF 15‘000.- prämiert und bei der Weiterbear- beitung gefördert. In der folgenden Schluss- Kurzfilm runde wird ein Projekt mit max. CHF Langer Dokumentarfilm 50‘000.- zur filmischen Umsetzung unter- Langer Spielfilm stützt. Eingabeschluss 20. September 2020. Albert Koechlin Stiftung Reusssteg 3 Melden Sie Ihr Werk bis zum 31.7.2020 an. Innerschweizer Filmschaffende sind herzlich CH-6003 Luzern Tel. +41 41 226 41 20 Informationen zum Preis und zur Anmeldung: eingeladen, Projekte einzureichen. Fax +41 41 226 41 21 www.filmstiftung.ch/filmpreis mail@aks-stiftung.ch Weitere Informationen: www.aks-stiftung.ch www.aks-stiftung.ch/projekt/filmfoerderung JETZT GUTSCHEINE FÜR DIE ZUKUNFT BESTELLEN – FÜR DICH ODER ZUM VERSCHENKEN! GETR ÄN K E 5.– 5.– GETR B ON ÄN K E B ON EINZAHLEN UND VON UNS POST KRIEGEN. Filmclub Xenix, Zürich IBAN CH09 0900 0000 8003 5969 1 Vermerk: Name, Adresse, Anzahl Gutscheine /Freibillette ES XENIX Z U KUNF TD FÜR DIE
Die Spätzünderin Von Laure Gabus 15 Nicole Borgeat Regisseurin und Drehbuchautorin vertreten und ein Gemein- ein Filmstudium und bewirbt sich am INSAS schaftsgefühl zu erzeugen, in Brüssel. «Ich habe nie verstanden, wieso beteiligte sie sich 1997 an sie mich aufgenommen haben. Irgend etwas der Gründung von Action haben sie wohl in mir gesehen, dafür bin ich Intermittence. ihnen dankbar.» Trotz ihres vielseiti- Nach ihrem Studienabschluss schreibt und gen Werdegangs ist Nicole dreht Nicole Borgeat ihren ersten erfolgrei- Borgeats Präsenz im Inter- chen Kurzfilm «Éperdument oui». «Ich wusste net bescheiden. Sie weiss nicht, wie ich darauf aufbauen und den Sprung dies und verspricht, mir vom Kurz- zum Langfilm schaffen sollte.» Nach eine Biographie und einen ihrer Rückkehr in die Schweiz arbeitet sie unter Link zu «Boomerang» zu anderem als Regieassistentin, als Assistentin schicken. Der Film ist lus- für den Produzenten Jean-Marc Henchoz und tig und hat zugleich eine als Drehbuchautorin für den Regisseur Yan starke Aussage. Ihre Fähig- Duyvendak. «Ich machte alles, was mir in die © Anne Bichsel / RTS keit, Wirklichkeit zu doku- Hände fiel. Im Dienst anderer zu stehen, fällt mentieren und die Komik mir leicht. Ich mag Leute, die ein grosses Ego darin herauszuarbeiten, haben. Ich habe lange gebraucht, um mich frappiert. «Nicole behält selbst zu akzeptieren und eine Führungsrolle immer im Auge, dass wir einzunehmen. Ich bin eine Spätzünderin.» etwas über diese Welt erzählen möchten, das ist «Eine wahre Kämpfernatur» ihre grosse Stärke», erklärt Anfang 2000 beginnt sie ihre Zusammenar- I Drehbuchautorin Jacque- beit mit Jacqueline Surchat, die sie im Script ch lache immer noch, als ich den Hörer line Surchat, die selbst auch gerne soziale Consultant Pool von FOCAL kennengelernt auflege. Ich habe Nicole Borgeat angeru- Geschichten erzählt. hat. Eine erfolgreiche Partnerschaft: «Es ist fen, um ein Skype-Gespräch – Covid-19 toll, jemanden zu haben, auf den du dich ver- lässt grüssen – zu vereinbaren über ihr «Umgänglich und sehr unzufrieden» lassen kannst und der dich ohne viele Worte Engagement für die Westschweiz im Vor- Für unser Skype-Gespräch sitzt Nicole Bor- versteht. Alle wollen mit Jacqueline arbeiten, stand des Verbands Filmregie und Drehbuch geat in ihrer morgenhellen Küche. Sie erzählt doch sie hat mich ausgewählt.» Jacqueline Schweiz (ARF/FDS). Sie gibt sich zunächst mir von ihrer Kindheit im noblen Genfer Stadt- Surchat antwortet darauf: «Nicole gibt nie zurückhaltend: «Wenn du aus bescheidenen teil Champel, als Tochter eines Postangestell- auf, sie ist eine wahre Kämpfernatur und hat Verhältnissen stammst und zudem noch eine ten und einer Hausfrau. «Ich habe während viel Überzeugungskraft. Ich habe grosses Ver- Frau bist, lernst du, dich nicht hervorzutun.» meiner Jugend sehr unter meiner bescheide- trauen in sie, in ihre Intuition, ihre Zweifel, Wir vereinbaren einen Termin für den nächs- nen Herkunft gelitten. Meine Freunde verbrach- ihren Perfektionismus. Ich weiss, dass sie als ten Vormittag, denn nachmittags nimmt sie ten Weihnachten in New York, ich am Col des Regisseurin fähig ist, mein Drehbuch über- an einem Online-Fitnesskurs ihrer brasiliani- Mosses. Sie sagten, mein Zuhause sei hässlich, legt umzusetzen und daraus einen Film zu schen Lehrerin teil: «Mach doch auch mit, das doch für mich war es einfach mein Zuhause.» machen, auf den ich stolz sein kann.» befreit den Kopf!» Ich versuche, sie mir als Jugendliche vor- Nicole Borgeat hat das Drehbuchschrei- Die 1966 geborene Genferin ist Regisseu- zustellen. «Ich war schon damals wie heute ben nie aufgegeben. Zurzeit schreibt sie eine rin, Drehbuch- und Theaterautorin. Seit den noch: umgänglich, schnell zufrieden, gesellig Serie über das Jugendgericht und arbeitet an Neunzigerjahren wechselt sie hin und her zwi- und zugleich sehr unzufrieden». Da es bei ihr einem Kinofilm – eine Premiere für sie. Ihre schen Film, Theater und Fernsehen. Am erfolg- zu Hause keinen Fernseher gibt, befriedigt sie Drehbücher wurden zwar immer gefördert, reichsten ist sie als Drehbuchautorin und als ihr «immenses Bedürfnis nach Geschichten doch bisher hat sie nur Fernsehfilme gedreht. Regisseurin von Komödien wie «Boomerang», und Emotionen» mit Literatur, Kino und Thea- Sie beginnt, sich zu rechtfertigen, hält dann einem Film über das Asylwesen, dessen Dreh- ter; zwischen 14 und 18 Jahren spielt sie selbst aber inne: «Vor der #MeToo-Bewegung dachte buch sie gemeinsam mit Jacqueline Surchat Theater. «Ich ging nicht gerne auf die Bühne, ich immer, das Problem liege bei mir. Ich wäre geschrieben hat. Seit Beginn der Coronakrise ich hatte zu viel Lampenfieber. Zudem muss nie darauf gekommen, dass es strukturelle engagiert sie sich in der Antenne romande man als Schauspielerin Anweisungen ausfüh- Gründe haben könnte. Das zu verstehen, hat des ARF/FDS, um die langfristigen Auswirkun- ren, das fiel mir schwer. Was mir am Theater mich erleichtert und mir Kraft gegeben.» gen dieser Krise abzuschätzen. Getrieben von gefiel war der schöpferische Akt, das Vermit- dem gleichen Bedürfnis, ihre Berufsgruppe zu teln.» Nach der Matura entscheidet sie sich für ▶ Originaltext: Französisch
Persönliches © Miguel Bueno / NIFFF 16 © Simon Schwyzer © SRF © ZFF Anaïs Emery verlässt das NIFFF Susanne Wille wird Abteilungs- Elke Mayer, bisher Mitglied der Kaja Eggenschwiler hat den und übernimmt die Zügel des leiterin Kultur von SRF. Spätestens Geschäftsleitung der Spounda- Verleih Filmcoopi nach über GIFF. Als Mitbegründerin des am 1. Juni tritt sie die Nachfolge tion Motion Picture AG und Leite- sechs Jahren als Promotions- Festivals und deren Direktorin von Stefan Charles an. Als Kultur- rin Sponsoring, übernimmt per und Medienverantwortliche seit 2006 wird Emery noch die chefin nimmt die 45-jährige Jour- Anfang Mai die Geschäftsführung verlassen. Nun leitet sie seit Mai Sonderausgabe vom 3. bis 11. nalistin Einsitz in der Geschäfts- der zur NZZ-Mediengruppe gehö- die Kommunikation beim Zurich Juli leiten. Zuvor war sie als Pro- leitung von SRF. In ihrer künftigen renden Vermarktungs- und Even- Film Festival und arbeitet im grammgestalterin im Bereich Funktion verantwortet sie unter tagentur. Sie verantwortet die Programmteam des ZFF mit. Seit des unabhängigen Films tätig, anderem Radio SRF 2 Kultur, die Vermarktungsaufgaben für das vier Jahren ist sie zudem Vor- leitete das internationale Scien- fiktionalen Eigenproduktionen, Zurich Film Festival. Elke Mayer standsmitglied bei Zürich für den ce-Fiction-Festival von Nantes, die Angebote von SRF DOK sowie trat 2012 in die SMP ein. Davor Film und teilt seit einem Jahr das war von 2009 bis 2016 Mitglied die Onlineplattform srf.ch/kultur. war sie als Projektmanagerin für Präsidium des Vereins mit Simon des Vorstands der European Die studierte Historikerin und Ang- Agenturen in München und Stutt- Hesse. Vor der Arbeit für Film Fantastic Film Festivals Federa- listin stiess 2001 zu SRF, u.a. als gart tätig. In ihrer neuen Funktion coopi hat Kaja Eggenschwiler tion und engagierte sich stets Moderatorin und Reporterin bei arbeitet Elke Mayer eng mit Chris- Journalismus und Organisati- für den filmischen Nachwuchs 10vor10 sowie der Rundschau. Sie tian Jungen, dem künstlerischen onskommunikation studiert und in der Schweiz. Eine Aufgabe, die hat sich an der Harvard Business Direktor des Zurich Film Festival, bei diversen Filmproduktionen sie beim GIFF weiterführen wird, School und am Massachusetts zusammen. Sie folgt auf Chris- mitgearbeitet. ebenso wie die Förderung des Institute of Technology MIT in Digi- tina Hanke, die das Unterneh- digitalen Schaffens. talstrategien weitergebildet. men Ende April verliess. Persönliches © Carine Roth / Cinémathèque suisse © Carine Roth / Cinémathèque suisse © Julien Chavaillaz © DR Annick Mahnert heisst die neue François Florey, Theatermann Der Genfer Filmemacher Jean- Francis Reusser ist am 10. April Geschäftsführerin von Frontières, und Filmschauspieler, ist am 25. Louis Roy ist am 29. März im nach langer Krankheit gestorben. dem kanadischen Markt für den März, wenige Tage nach seiner Alter von 82 Jahren in Folge einer Er wurde 78 Jahre alt. Bekannt Genrefilm. Die gebürtige Genfe- Hospitalisierung wegen eines langen Krankheit gestorben. Roy wurde der Waadtländer Filmema- rin absolvierte ihr Studium an der Herzinfarkts, gestorben. Er wurde entwickelte schon früh eine Lei- cher für seine Adaptionen «Der- New York Film Academy. In der 53 Jahre alt. Kürzlich war er in denschaft für das Kino. Mit 16 borence» und «La guerre dans le Schweiz arbeitete sie im Verleih, «Quartier des banques» und in Jahren wurde er Teil des Teams, Haut-Pays» nach den Romanen in der Programmgestaltung und «Tambour battant» von Chris- welche die heutige RTS ins Leben des Schriftstellers Charles Ferdi- im internationalen Verkauf für tophe Marzal zu sehen. Auch rief. 1967 entstand «L’inconnue nand Ramuz. 1942 in Vevey gebo- 20th Century Fox, Warner Bros., in «Orphelin» von Ursula Meier de Shandigor», ein Spionagefilm, ren, absolvierte Reusser ein Stu- Pathé Cinemas, Frenetic Films spielte er mit. Er konnte alles der für die Wettbewerbe in Can- dium in Fotografie an der École und Celluloid Dreams in Paris. darstellen, vom Tragischen bis nes und Locarno nominiert war. de photographie in Vevey. Später Seit 2013 arbeitet sie als freibe- zum Komischen. Auf Westschwei- 1968 gründete er mit Alain Tanner, liess er sich bei RTS zum Kame- rufliche Beraterin, Produzentin zer Bühnen war er während 30 Michel Soutter, Claude Goretta ramann ausbilden. Er gehörte zu und Programmiererin von Festi- Jahren präsent, zuletzt in Nalini und Jean-Jacques Lagrange das den Gründern der Filmabteilung vals, darunter des Sitges Fanta- Menamkats «A merveille». Nach Produktionskollektiv «groupe 5». an der Ecole supérieure d’Arts stic Film Festival in Spanien und seiner Ausbildung am Conserva- Als Teil der Gruppe realisierte er visuel in Genf, der heutigen HEAD. des Fantastic Fest in Austin, USA. toire in Genf und in Paris arbeitete den Film «Black Out» (1970). Ab Der autobiografische Essayfilm Ihre letzten beiden Produktionen er in der Schweiz mit vielen Regis- 1972 schuf er vor allem Doku- «La séparation des traces» (2018) feierten Weltpremiere in Venedig. seuren zusammen. mentarfilme. bleibt sein letzter Film. Persönliches
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