3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW

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3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
3       Sicherheit und Kriminalprävention

Dokumentation der Veranstaltung
im Rahmen der Werkstattreihe des Städtenetzes Soziale Stadt NRW

Sozialraumorientierung und ressortübergreifende
Handlungsansätze in der Stadtentwicklung und im Quartier
am 5. September 2017 in Bochum
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Impressum
Herausgeber
Stadt Essen, der Oberbürgermeister
Städtenetz Soziale Stadt NRW
Amt für Stadterneuerung und Bodenmanagement
Rathenaustraße 2
45121 Essen

Bearbeitung
StadtRaumKonzept GmbH
Marion Kamp-Murböck, Mara Ahlers, Susanne Fasselt

Layout und Satz
StadtRaumKonzept GmbH
Sebastian Siebert

Fotos
Daniel Sadrowski

Essen, November 2017
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Werkstattreihe
Sozialraumorientierung und
ressortübergreifende Handlungsansätze
in der Stadtentwicklung und im Quartier

„Sicherheit und Kriminalprävention“
am 5. September 2017 in Bochum
Q1 – Eins im Quartier | Halbachstraße 1 | 44793 Bochum

Inhalt
Begrüßung ...................................................................................................................................................... 3

Sicherheit und Kriminalprävention in der Sozialen Stadt ........................................................................... 4

Zentrale Diskussionspunkte aus den Werkstätten ....................................................................................... 9
   Ein Problemaufriss ................................................................................................................................. 10
   Thema 1 – Analyse .................................................................................................................................. 11
   Thema 2 – Strategien und Konzepte ..................................................................................................... 12
   Thema 3 – Akteure und Räume .............................................................................................................. 14
   Thema 4 – Ressourcen............................................................................................................................ 17

Weiterführende Informationen ................................................................................................................... 20

Hinweis: Diese Dokumentation erfasst den Grundtenor der Diskussionen im Rahmen der Veranstaltung
         und gibt damit nicht zwingend alle Einzelmeinungen wieder.
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
2
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Begrüßung
Jutta Stratmann, Geschäftsstelle Städtenetz Soziale Stadt NRW
Marion Morzuch, IFAK e. V.

Frau Stratmann begrüßte die rund 40          Für den Veranstaltungsort „Q1 – Haus für
Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Na­        Kultur, Religion und Soziales“ und stell­
men der Geschäftsstelle des Städtenetzes     vertretend für den evangelischen Pfarrer
Soziale Stadt NRW zur dritten Werkstatt      der Gemeinde begrüßte auch Frau Mor­
im Rahmen der Reihe „Sozialraumorien­        zuch, IFAK e. V., die Teilnehmenden.
tierung und ressortübergreifende Hand­
lungsweisen“.                                Das heutige Q1 war bis 2014 eine evangeli­
                                             sche Kirche, die wie viele Gebäude aktuell
Mit dem Thema Sicherheit wurde für die       von der Kirchenschließung betroffen war.
Werkstatt einerseits ein aktuelles The­      Das Gebäude wurde mit Mitteln des ESF
ma aufgegriffen, das in der politischen      zu einer gemeinschaftlichen Einrichtung
Diskussion vor allem mit Blick auf die       für den Stadtteil umgebaut. Der Verein
Bundestagswahlen, die Flüchtlingskri­        IFAK e. V. wurde vor über 40 Jahren als
se etc. gerade vielfach Niederschlag in      Migrantenselbstorganisation gegründet
der öffentlichen Wahrnehmung findet.         und war eine Initiative von Lehrern, um
Andererseits ist es bereits ein altes The­   die Bildungsintegration von Kindern und
ma: Gerade in den Gebieten der Sozialen      Jugendlichen zu unterstützen. Heute be­
Stadt geht es neben Fragen der objektiven    gleitet der Verein Menschen von der Kita
Sicherheit seit langem auch um die der       bis zum Seniorenheim und ist Träger von
subjektiven Sicherheit: Wo fühle ich mich    rund 25 Einrichtungen.
sicher, wann fühle ich mich unsicher?
                                             Die Evangelische Kirchengemeinde und
Die Werkstatt dient dazu, über die Rah­      IFAK e. V. agieren bereits längere Zeit
menbedingungen zu sprechen: Woraus           nachbarschaftlich im Quartier. Gemein­
entsteht Unsicherheit? Aber auch dazu,       sam sind sie Träger des Q1 sowie einer
über Lösungsansätze zu sprechen: Wie         benachbarten Kita.
können städtebauliche Maßnahmen prä­
ventiv gegenüber objektiv und subjektiv      Im Q1 befindet sich eine Friedenskapel­
empfundenen       Unsicherheitsgefühlen      le, in der noch Messen stattfinden, in der
sowie konkreten Bedrohungen und Kri­         sich aber auch Muslime zum Gebet tref­
minalität wirken? Welche flankierenden       fen. U. a. sind im Q1 Integrationsberater
Maßnahmen sind erfolgversprechend?           anzutreffen und eine Residenzkünstlerin
                                             arbeitet gemeinsam mit Kindern und an­
Wie immer steht der Werkstattcharakter       deren Stadtteilbewohner*innen. Begeg­
im Vordergrund, fachliche Experten und       nung und gemeinsame Gestaltung wer­
Stadtteilexperten sollen miteinander ins     den gelebt.
Gespräch kommen.

                                                                                          3
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Einführungsvortrag
                                     Sicherheit und Kriminalprävention
                                                   in der Sozialen Stadt
                                                  Ralf Zimmer-Hegamnn, Institut für Landes- und
                                                    Stadtentwicklungsforschung (ILS), Dortmund

                            Ralf Zimmer-Hegmann, seit vielen Jah­       Wenn man den Zeitungen Glauben
                            ren mit dem Thema Soziale Stadt in all      schenkt, dann ist Sicherheit DAS zentra­
                            seinen Facetten befasst, bestätigte die     le Thema in den Stadtteilen schlechthin,
                            Aussage von Frau Stratmann, dass es sich    die wiederholt skandalisierend als Pro­
                            bei dem Thema Sicherheit und Krimi­         blemviertel oder „no-go-areas“ betitelt
                            nalprävention zwar nicht um ein neues,      werden. In dieser Berichterstattung wer­
                            aber nach wie vor um ein wichtiges The­     den auf simple Art und Weise Begriffe wie
                            ma handelt. Bereits in den 1990er Jahren    „Problemviertel“, „Kriminalität“ und „In-
                            zog sich dieses Thema auch durch die        tegration/Migration“ miteinander verwo­
                            Begleitforschung, die das ILS damals für    ben. Aber welche Relevanz hat das The­
                            das Programm „Stadtteile mit besonde­       ma in diesen Stadtteilen tatsächlich?
                            rem Erneuerungsbedarf“ im Auftrag des
                            nordrhein-westfälischen Städtebauminis­     Diese Frage beantwortet eine bundeswei­
                            teriums durchführte.                        te Untersuchung, die 2013 von empirica
                                                                        gemeinsam mit dem kriminologischen
                                                                        Institut Niedersachsen durchgeführt
                                                                        wurde.1 Danach wird zunächst bestätigt,
                                                                        dass das Thema eine Rolle spielt (86,5 %).
                                                                        Allerdings führt nur ein Drittel der Be­
                                                                        fragten an, dass diese Relevanz etwas
                                                                        mit konkreten Ereignissen zu tun habe.
                                                                        Dagegen geben nahezu 70 % das negative
                                                                        Image als Grund an, und wiederum rund
                                                                        70 % benennen ein subjektives Unsicher­
                                                                        heitsgefühl als Ursache.

                                                                        Diese beiden Werte weisen bereits darauf
                                                                        hin, dass Sicherheit und Kriminalität viel
                                                                        mit der persönlichen Wahrnehmung zu
                                                                        tun haben, was durch eine andere Frage
                                                                        der Untersuchung („Ist das Programm­
                                                                        gebiet stärker von Kriminalität betroffen
                                                                        als andere städtische Teilräume?“) bestä­
                                                                        tigt wird: 60 % der Kommunen geben an,
                                                                        dass dies nicht zuträfe. In 18 % der Fälle
                                                                        sei ein Zusammenhang gegeben – sagen
                            In seinem einführenden Vortrag rückte       Expert*innen ebenso wie Bewohner*in­
                            Herr Zimmer-Hegmann drei Aspekte in         nen. Und nur in 11 % der Fälle weisen
                            den Fokus:                                  statistische Daten darauf hin, dass es in
                                                                        Programmgebieten der Sozialen Stadt
                            1.   Relevanz des Themas Sicherheit für     tatsächlich eine höhere Kriminalitätsrate
                                 die Soziale Stadt. Was verstehen wir   gibt.
                                 eigentlich unter Sicherheit?
                            2.   Erkenntnisse aus einem Forschungs­     Daher muss genauer betrachtet werden,
                                 projekt (gemeinsam mit der Fach­       was den Begriff „Sicherheit“ auf Stadt­
                                 hochschule Köln) über Sicherheit in    teilebene ausmacht. Und hier zeigt sich
1
    An der Befragung             der Sozialen Stadt                     deutlich, dass Sicherheit nicht nur die
    haben sich 192 Kom­     3.   Schlussfolgerungen für das Pro­        Abwesenheit von Kriminalität im straf­
    munen mit Programm-          gramm Soziale Stadt. Wo befinden       rechtlichen Sinne ist – auch wenn dies
    gebieten der Sozialen        sich Stellschrauben, welche Hand­      natürlich ein Aspekt ist. Aber es gibt wei­
    Stadt beteiligt.             lungsmöglichkeiten bestehen?           tere Aspekte:

4
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
■    Ordnungswidrigkeiten (z. B. Falsch­     Sicherheitslage allgemein versus per­
     parken, Vermüllung)                     sönliche Sicherheit
■    Visuelle Unsicherheitszeichen (Ge­      Die Bewohner*innenbefragung in die­
     bäude oder Grünflächen in unge­         sen Gebieten zeigt in der Gesamtzusam­
     pflegtem Zustand, schlecht einsehba­    menfassung über alle Städte eine Diffe­
     re Orte etc.)                           renzierung zwischen der Einschätzung
■    Risikofaktoren in der Bevölkerung       der Sicherheitslage allgemein und dem
     (Armut und Benachteiligung haben        persönlichen Sicherheitsempfinden: Gut
     nachweislich negative Effekte auf die   40 % aller Befragten schätzten die Sicher­
     Lebenssituation gerade von Kindern      heitslage in ihrem Quartier als gut bis
     und Jugendlichen und erhöhen das        sehr gut ein und 19,5 % als schlecht bis
     Risiko von Delinquenz2.)                sehr schlecht. Fragt man dagegen danach,
■    Soziale Konflikte (u. a. auch durch     wie sicher sie sich selbst im Quartier füh­
     Armut bedingt. Auch sie beeinflussen    len, so geben gut 31 % an, sich sehr sicher
     das Sicherheitsempfinden.)              zu fühlen und weitere fast 50 %, dass sie
■    Mediale Konstruktionen (wie oben        sich eher sicher fühlen. Nur knapp 16 %
     beschrieben)                            fühlen sich eher bis sehr unsicher.

In der genannten Untersuchung wurden         Veränderungen im subjektiven Sicher­
fünf Dimensionen von Prävention defi­        heitsgefühl
niert, in denen man auf das Sicherheits­     Auf die Frage, inwieweit sich das per­
empfinden der Menschen Einfluss neh­         sönliche Sicherheitsgefühl in den letzten
men kann (vgl. Abbildung S. 6):              Jahren verändert hat, geben 18 % eine
                                             Verbesserung und 24 % eine Verschlech­
1.   Ordnungsrechtliche und kontrollie­      terung an. Für rund die Hälfte der Befrag­
     rende Maßnahmen                         ten hat sich an der Situation nichts verän­
2.   Gestaltung und Technik                  dert.
3.   Nutzungsverantwortung und Kohäsi­
     on der Bewohnerschaft                   Keine Veränderung der objektiven Si­
4.   Förderung der individuellen / sozia­    cherheitslage
     len Entwicklung                         Ergänzend zu dieser subjektiven Wahr­
5.   Soziales Management                     nehmung wurde auch die objektive Si­
                                             cherheitslage anhand der Kriminalitäts­
Diese verschiedenen Dimensionen zei­         daten ausgewertet und die Entwicklung
gen, dass auch das Thema Sicherheit– wie     der Fallzahlen in Relation zu den Ent­
viele andere Themen auch – am besten         wicklungen entweder im Kreis oder der
im Rahmen einer integrierten Strategie,      Gesamtstadt gesetzt.4 Interessant war bei
wie sie das Programm Soziale Stadt ver­      der Auswertung, dass es in allen Fallbei­
folgt, bearbeitet werden kann.               spielen innerhalb der vier Jahre, deren
                                             Daten ausgewertet wurden, keine sig­
In der Untersuchung wurden fünf Fallge­      nifikanten Veränderungen gab – weder
biete näher untersucht3, wobei folgende      in den absoluten Zahlen, noch in den
Methoden zum Einsatz kamen:                  Relationen. Es gibt somit keinen objekti­     2
                                                                                               Delinquenz bezeichnet
                                             ven Zusammenhang zwischen der oben                die Straffälligkeit von
■    Materialanalysen                        beschriebenen Wahrnehmung von Ver­                Kindern, Jugendlichen
■    Expert*innengespräche                   besserung oder Verschlechterung und               und jungen Erwachse­
■    Bewohner*innenbefragung                 den real angezeigten Delikten, sondern            nen bis zum Alter von
■    Auswertung von statistischen Daten      es handelt sich um eine subjektive Emp­           21 Jahren.
     zur Kriminalität (IGVP-Daten)           findung, deren Gründe entweder in einer
                                             konkreten Betroffenheit oder in anderen       3
                                                                                               Bergheim-Süd/West,
Die untersuchten Gebiete unterscheiden       Faktoren liegen.                                  Brakel-Bökendorfer
sich hinsichtlich ihrer Lage in der Stadt                                                      Grund, Dortmund-Cla­
sowie in ihrem Strukturtyp, aber auch        Aus diesen Erkenntnissen lassen sich ver­         renberg, Essen-Altenes­
hinsichtlich ihres Programmstatus (noch      schiedene Schlussfolgerungen ziehen:              sen, Hamm-Norden
im Programm oder bereits verstetigt). In
ihrer grundlegenden Problematik weisen       ■   Die Mehrheit der Bevölkerung fühlt        4
                                                                                               Es handelt sich dabei
sie eine hohe Übereinstimmung auf: Von           sich in den Quartieren sicher bzw. so­        um reine Fallzahlen
sozialen Konfliktlagen über hohe Fall-           gar sehr sicher.                              bezogen auf die doku­
zahlen bei der Jugendkriminalität, Ord­      ■   Die Beurteilung der Sicherheitslage           mentierten Vorgänge,
nungswidrigkeiten, visuelle Unsicher­            bzw. Unsicherheitsgefühle entwi­              unabhängig von der
heitszeichen sowie ein negatives Image           ckeln sich in den Untersuchungsge­            weiteren strafrechtli­
bis hin zur Stigmatisierung.                     bieten zum Teil sehr unterschiedlich.         chen Verfolgung.

                                                                                                                        5
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
■   In den innerstädtischen, dicht besie­   walt- und kriminalitätsbereiten Jugend­
                              delten Quartieren sind Ängste und       lichen haben positive Wirkungen auf
                              Unsicherheitsgefühle stärker ausge­     Vandalismus, Sachbeschädigungen, ge­
                              prägt. Wie in anderen Befragungen       walttätige Auseinandersetzungen sowie
                              zeigen auch hier Einzelauswertun­       Drogenkriminalität. Allerdings wird auch
                              gen, dass Frauen und ältere Befragte    berichtet, dass es zu Verdrängungsef­
                              ein stärkeres Unsicherheitsempfin­      fekten in andere Stadtteile kommt. Netz­
                              den haben.                              werkstrukturen (z. B. Ordnungspartner­
                          ■   „Objektive“ Kriminalität lässt meist    schaften) auf der Grundlage integrierter
                              keine überdurchschnittliche Belas­      Ansätze gewährleisten neben dem Ein­
                              tung bzw. wesentliche (negative) Ver­   satz repressiver Maßnahmen gezielt das
                              änderungen erkennen.                    Zusammenwirken mit Maßnahmen der
                          ■   Unsicherheitsempfinden und Wahr­        baulichen und sozialen Prävention.
                              nehmung von Kriminalität sind häu­
                              fig deutlich höher als persönliche      Gestaltung und Technik – Sichtbar auf­
                              Betroffenheit und „objektive“ Krimi­    werten
                              nalitätszahlen.                         Bauliche und städtebauliche Maßnah­
                                                                      men zur Aufwertung der Gebiete ha­
                                                                      ben generell eine zentrale Bedeutung.
                          Beispielhafte Maßnahmen                     So steigert die Umgestaltung von öffent­
                                                                      lichen (Grün-) Flächen, Gebäuden und
                          Welche Maßnahmen sind nun geeignet,         Hauseingängen die Aufenthaltsqualität
                          das Sicherheitsgefühl zu beeinflussen       und beseitigt Angsträume. Z. T. wurden
                          bzw. in welchen Bereichen finden in den     so auch bestehende Unsicherheits- und
                          Handlungskonzepten der Sozialen Stadt       Kriminalitätsschwerpunkte beseitigt bzw.
                          Maßnahmen statt, die Auswirkungen auf       verlagert (z. B. Bahnhof Essen-Altenes­
                          das Unsicherheitsempfinden haben kön­       sen). Eine Aufwertung von Wohnanlagen
                          nen? Beispielhafte Maßnahmen wurden         und Wohnumfeld kann helfen, die Be­
                          den fünf Präventionsdimensionen zuge­       wohner*innenfluktuation zu reduzieren
                          ordnet:                                     (z. B. Dortmund-Clarenberg). Ggf. kön­
                                                                      nen Sanierung oder Abriss von Wohn­
                          Ordnungsrechtliche und kontrollieren­       beständen sozial problematische und
                          de Maßnahmen haben deutlich positive        konflikthafte Bewohner*innenstrukturen
                          Wirkung!                                    auflösen (z. B. Brakel und Bergheim).
                          In den Fallgebieten werden gezielte und     Insgesamt kann man sagen, dass bauli­
                          verstärkte ordnungsrechtliche und kon­      che Maßnahmen zu einem deutlich bes­
                          trollierende Maßnahmen im Zusammen­         seren Erscheinungsbild der Stadtteile
                          wirken zwischen Kommune und Polizei         führen, was sich z. T. positiv auf die sub­
                          durchgeführt. Die höhere Präsenz von        jektive Wahrnehmung und Zufriedenheit
Dimensionen der Präven­   Ordnungsbehörden und Polizei sowie die      der Bewohner*innen sowie eine positive
tion (Quelle: ILS)        gezielte Ansprache insbesondere von ge­     Imageentwicklung auswirkt.

6
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Nutzungsverantwortung und Zusam­            Soziales Management und Vernetzung –
menleben – Beteiligung und Kohäsion         von professionellen und semiprofessio­
stärken                                     nellen Strukturen
Als unterstützend haben sich Maßnah­        Durch das Zusammenwirken der unter­
men zur Steigerung der Nutzungsverant­      schiedlichen Maßnahmenbereiche und
wortung und des Zusammenlebens der          durch den integrierten Programman­
Bevölkerung (Beteiligung und Aktivie­       satz können deutliche Wirkungen gera­
rung als Prinzip) erwiesen. So können       de auch in kriminalpräventiver Hinsicht
durch die Einrichtung von Mieter*in­        entwickelt werden. Als zentral für die
nengärten oder eine gemeinsame Spiel­       Durchführung eines solchen integrier­
platzgestaltung mit den Betroffenen die     ten Programmansatzes müssen dabei der
Identifikation und Nutzungsverantwor­       Ausbau und die Stärkung von Koopera­
tung gesteigert und Vandalismus und         tions- und Managementstrukturen an­
Sachbeschädigungen reduziert werden.        gesehen werden – allein schon, um der
Maßnahmen zur Förderung der Begeg­          Komplexität Herr zu werden. Quartiers­
nung und des Zusammenlebens (Feste,         management, Ordnungspartnerschaften,
Kulturangebote) stärken das Miteinander     wohnungswirtschaftliche Kooperationen
und bauen Vorurteile und Konflikte ab.      oder Jugendhilfenetzwerk: Die Stärkung
Interkulturell oder intergenerativ ausge­   solcher Strukturen ist entscheidend für
richtete Angebote (z.B. Mehrgeneratio­      den Erfolg und die Nachhaltigkeit der
nenparks) sind besonders förderlich.        Maßnahmen. Dabei hängt der Erfolg sol­
                                            cher Maßnahmen und Kooperationen
Die Unterstützung von Aktivitäten, Struk­   immer auch von engagierten und koope­
turen und Vereinen hat eine wichtige Be­    rationsbereiten Einzelpersonen (z. B.
deutung zur Stärkung des bürgerschaft­      Hausmeister*in, Stadtteilpolizist*in) so­
lichen Engagements und zur Schaffung        wie von Vertrauen und niederschwelligen
nachhaltiger und selbsttragender Struk­     Angebotsstrukturen ab.
turen. So werden das Selbstwert- und Zu­
sammengehörigkeitsgefühl der Bewoh­
ner*innen gesteigert, was auch positiven    Schlussfolgerungen
Einfluss auf das soziale Klima und den
Abbau von sozialen Konflikten hat.          Aus dem Forschungsprojekt können nun
                                            folgende allgemeine Schlussfolgerungen
Die individuelle und soziale Entwick­       und Handlungsempfehlungen für das
lung fördern - vor allem von Kindern        Thema Sicherheit in der Sozialen Stadt
und Jugendlichen                            abgeleitet werden:
Ein starker Fokus liegt auf Maßnahmen
zur Stärkung der individuellen und so­      Das Programm Soziale Stadt bietet einen
zialen Entwicklung von benachteiligten      guten Handlungsrahmen
Bevölkerungsgruppen. Im Mittelpunkt         Zunächst hat sich das Programm „Sozia­
stehen dabei v. a. Kinder und Jugendli­     le Stadt“ als geeignete Plattform und als
che und Aktivitäten im Zusammenhang         Motor für Maßnahmen im Bereich der so­
mit Jugendhilfe und Schule: Zusätzliche     zialraumbezogenen Kriminalprävention
Streetworker, Angebote in Jugendzentren     erwiesen, was insbesondere im integrier­
und Schulen, die Schaffung von Begeg­       ten Ansatz und der Verknüpfung verschie­
nungsräumen und -stätten. Auch wenn         dener Themen begründet liegt. Allerdings
der Wirkungsnachweis hier nur schwer        hat das Thema Sicherheit und Kriminal­
nachzuzeichnen ist: Es wird von sozial­     prävention in den Handlungskonzepten
stabilisierenden und konfliktvermeiden­     der „Sozialen Stadt“ bislang nur eine un­
den Wirkungen durch solche Aktivitäten      tergeordnete Bedeutung; ein strategisches
berichtet. Es sind passgenaue Maßnah­       Gesamtkonzept zur sozialräumlichen Kri­
men erforderlich, die auf die jeweilige     minalprävention fehlt (Stand 2013). Es be­
Bedarfssituation zugeschnitten sind. Und    darf einer konsequenten Einbettung der
es kommt wesentlich darauf an, die Ange­    sozialräumlichen Kriminalprävention in
bote und Infrastrukturen auch nach Aus­     die integrierten Handlungskonzepte der
laufen der zeitlich begrenzten Förderung    „Sozialen Stadt“ sowie der Formulierung
durch das Programm Soziale Stadt wei­       eines kohärenten lokalen Aktionsplanes
terzuführen und zu verstetigen.             der sozialräumlichen Kriminalprävention.

                                                                                         7
3 Sicherheit und Kriminalprävention - Soziale Stadt NRW
Dezidierte Bestandsaufnahme zur Diffe­        nicht automatisch als solches erkannt.
    renzierung von objektiver und subjekti­       Daher ist die Kommunikation von Erfol­
    ver Unsicherheit                              gen ein wichtiger Faktor für die Wahr­
    Grundlage wirksamer Strategien zur Ver­       nehmung von Unsicherheit und für die
    besserung des Sicherheitsgefühls bzw.         Einschätzungen der Bewohner*innen.
    der Sicherheitslage in Stadtteilen ist eine   Instrumente wie das Stadtteilmarketing
    tiefenscharfe, kleinräumige Bestands­         oder das Neighbourhood Branding kön­
    aufnahme zur Identifizierung der Pro­         nen die Wahrnehmung der Maßnahmen
    blemorte und Problemquellen. Daten zur        durch die Bevölkerung verbessern und
    Sicherheitslage schaffen Transparenz.         damit auch zu einer besseren Wirksam­
    Das Gefühl von Unsicherheit muss ernst        keit der Maßnahmen beitragen. Sie sind
    genommen werden.                              eine bewusste Gegenstrategie zum alltäg­
                                                  lichen Storytelling.
    Maßnahmen sozialraumbezogen und in­
    tegriert entwickeln
    Auf der Grundlage integrierter Bündel         DISKUSSION
    sozialraumbezogener Maßnahmen der
    Kriminalprävention können (nachhalti­         In der anschließenden Diskussion wur­
    ge) Wirkungen erzielt werden. Dabei hilft     den zwei wichtige Punkte angemerkt:
    es, sich bei der Konzipierung integrierter    Zum einen ging es um die Bedeutung der
    Maßnahmenbündel zur Kriminalpräven­           Außensicht eines Quartiers. Es sei wich­
    tion am Modell des Präventionsrasters         tig, nicht nur die Wahrnehmung inner­
    zu orientieren. So wird automatisch ein       halb eines Quartieres zu erfassen, son­
    breites Sicherheitsverständnis bei der Be­    dern auch zu verstehen, wie ein Quartier
    trachtung des Themas angelegt.                und seine Ausstrahlung von außen wahr­
                                                  genommen werden. Im Rahmen des For­
    Die Gebietsgröße spielt eine Rolle bei        schungsprojektes wurde dies durch die
    der Wirksamkeit                               Expert*innengespräche erfasst, deren
    Offenbar entfalten Maßnahmen in klei­         Teilnehmer*innen zum Teil gesamtstädti­
    nen überschaubaren Gebieten bessere           sche Akteure waren.
    Wirkungen als in großen städtischen
    Gebieten. Gründe können zum einen im          In einer weiteren Frage ging es um den
    Ressourceneinsatz bzw. dem Input-Out­         Zeitpunkt und damit um die Aussagekraft
    put-Verhältnis liegen, zum anderen hat es     der Ergebnisse der Studie für die heuti­
    etwas mit der Kommunikation von Maß­          ge Situation. Es ist anzunehmen, dass es
    nahmen zu tun.                                im Zuge der verstärkten Zuwanderung
                                                  von Geflüchteten oder Zuzug aus Süd­
    Tue Gutes und rede darüber!                   osteuropa und der damit verbundenen
    Es besteht eine Diskrepanz zwischen der       gesellschaftlichen Diskurse durchaus
    Wirksamkeit von Maßnahmen und ihrer           Akzentverschiebungen innerhalb einzel­
    Wahrnehmung durch die Bevölkerung:            ner Gebiete gegeben hat. Allerdings wird
    Das, was an positiven Maßnahmen durch­        vermutet, dass sich das Gesamtbild nicht
    geführt wird, wird von der Bevölkerung        gravierend verändert hat.

8
Zentrale Diskussionspunkte aus den Werkstätten
"Kriminalprävention beginnt nicht erst da,
wo die Probleme sichtbar werden."

In nahezu allen Stadtteilen der Sozialen       stimmt, die nicht in direktem Zusammen­
Stadt und den Analysen der integrierten        hang mit Kriminalität im eigentlichen
Handlungskonzepte ist das Thema Si­            Sinne stehen. Neben der Kriminalität
cherheit in unterschiedlichem Ausmaß           geht es hier um Konflikte und Störungen,
präsent. Es jenseits ordnungsrechtlicher       um Image und Identifikationsproblemati­
Eingriffe in entsprechende stadtteilbezo­      ken. Wo Kriminalität eigentlich beginnt,
gene Maßnahmen umzusetzen, die auch            welche Probleme in den Stadtteilen kon­
den Bereich des Sicherheitsempfindens          kret zu einem erhöhten Unsicherheits­
angehen, scheint jedoch schwierig.             gefühl führen und welche Maßnahmen
                                               und Akteure gegen solche Entwicklungen
Wie verfährt man in einem Stadtteil, in        wirklich wirksam sind, waren Themen
dem es zwar ein Gefühl von Unsicherheit,       der Diskussion.
jedoch keine kleinräumige Kriminalitäts­
statistik gibt, die das belegen kann? Auf      Um konkrete Fragen von (städte-)bauli­
welcher Grundlage begründet man einen          cher Gestaltung und kriminalpräventive
Förderantrag gegenüber dem Land oder           Konzepte ging es in Werkstattgruppe
der Politik? Gleichzeitig besteht die Sorge,   2 „Angsträume und Gestaltung von öf­
die ohnehin schon belasteten Stadtteile        fentlichen Räumen“ (Moderation: Sabi­
durch ein klares Aufzeigen von Unsicher­       ne Kaldun, barrio novo). Der Begriff des
heitsfaktoren zusätzlich zu stigmatisie­       Angstraums ist nicht eindeutig definiert.
ren.                                           Ein Angstraum kann beispielsweise auf
                                               einem öffentlichen Platz, einer (Bahn-)
Kriminalprävention oder gar kriminal­          Unterführung oder einer Grünanlage ent­
präventive Konzepte finden sich (daher)        stehen. Die Entstehung von Angsträumen
in den Handlungskonzepten nur sehr             hat viel mit einer gefühlten Unsicherheit
begrenzt wieder. Welche Auswirkung hat         der Bewohner*innen zu tun. Das subjekti­
die Tabuisierung der Unsicherheitsfakto­       ve Sicherheitsempfinden ist häufig durch
ren und damit einhergehende Verdrän­           Nutzungskonflikte verschiedener Grup­
gung von positiven Lösungsansätzen in          pen verursacht, ohne signifikante Stra­
der Stadtentwicklung? Muss man die sub­        ßenkriminalitätsvorkommen. Es kann
jektive Sicherheit an jedem Standort offen     aber auch durch zurückliegende Störun­
thematisieren? Und wo geht es noch um          gen oder Straftaten am Standort hervor­
persönliche Konflikte, wo um eine gesell­      gerufen worden sein.
schaftliche Aufgabe? Welche Instrumente
gibt es, um die subjektive und auch die        Und schließlich wurden vor allem struk­
objektive Sicherheit zu erhöhen?               turelle Themen wie Netzwerkarbeit, Gre­
                                               mienbildung und auch ordnungsrecht­
Diese und weitere Fragen waren Ge­             liche Aspekte sicherheitserhöhender
genstand der drei Werkstattgruppen, in         Maßnahmen in der Werkstattgruppe 3
denen das Thema Sicherheit und Krimi­          „Städtebauliche    Kriminalprävention“
nalprävention unter drei verschiedenen         diskutiert. Unter Moderation von Detlev
Perspektiven diskutiert wurde:                 Schürmann (Stiftung Deutsches Forum
                                               für Kriminalprävention) ging es bei dem
Werkstattgruppe 1 befasste sich unter          Austausch auch um eine Verknüpfung
Moderation von Dr. Katja Veil (Stadtfor­       von Quartiers- und gesamtstädtischer
schung und Planungsberatung) mit dem           Ebene.
„Zusammenhang von Kriminalpräven­
tion und Sozialraum“. Ein höheres Unsi­        Die Blickwinkel auf das Thema waren
cherheitsempfinden in der Bevölkerung          also verschiedene – die Erkenntnisse und
entsteht häufig auch durch subjektive          Ansätze für Lösungsstrategien wiesen je­
Eindrücke, und nicht immer liegen die­         doch eine hohe Deckungsgleichheit auf.
sem Unsicherheitsempfinden erhöhte             Daher werden die Ergebnisse der Werk­
Fallzahlen zugrunde. Das Gefühl der Un­        stattgruppen im Folgenden gebündelt
sicherheit wird durch viele Faktoren be­       dargestellt.

                                                                                           9
EIN PROBLEMAUFRISS                           Identifikationsproblemen mit dem eige­
                                                  nen Stadtteil führen. Dabei kann es um
     Der Broken-Windows-Effekt oder: Was          Merkmale wie Alter, sozialer Status oder
     hat das Thema Sicherheit mit dem The­        Nationalität gehen. Bewohner*innen er­
     ma Müll und Sauberkeit zu tun?               kennen „ihren“ Stadtteil nicht wieder.
     Der Zusammenhang liegt im Bereich der        Es entsteht ein Gefühl der Fremdheit,
     subjektiven Sicherheit: Das diffuse Gefühl   was das Sicherheitsgefühl beeinflussen
     in der Bevölkerung, dass „etwas nicht        kann.
     stimmt“, kann bereits durch Kleinigkei­
     ten entstehen. Wenn ein (Stadt-) Raum        Dabei haben interessanterweise ver­
     beschädigt ist, als nicht intakt empfun­     meintliche Gegenpole dieselbe Wirkung:
     den wird (z. B. durch zunehmende Leer­       Zum einen verursacht u. a. die hohe Zahl
     stände, Verfall, sichtbare Armut, zu we­     von Geflüchteten das Gefühl von Fremd­
     nig Pflege und Instandhaltung), wenn er      heit im eigenen Stadtteil. Zum anderen
     „sozial unübliches Verhalten“ ausstrahlt,    schürt die politisch-gesellschaftliche
     dann wird das Sicherheitsgefühl beein­       Reaktion darauf – zum Beispiel die Zu­
     trächtigt, auch wenn es hier keine Stra­     nahme der AfD-Wähler – ebenfalls eine
     ßenkriminalität gibt. In solchen Räumen      diffuse Angststimmung. Es entsteht ein
     hält man sich nicht gern auf, möchte nicht   Gesamtgefühl, dass „hier etwas nicht
     verweilen. Müll ist dabei nur das Symbol     stimmt“ und man selbst nichts gegen die
     für unachtsames Verhalten und auch für       Situation tun kann.
     Unaufmerksamkeit seitens der Stadt (hier
     wird selten gereinigt, da Einsparungen       In einem Beitrag wurde daraus eine
     umgesetzt wurden). Umgekehrt ist Sau­        Schlussfolgerung gezogen: „Wir haben
     berkeit heute ein Qualitätsmerkmal im        versucht, das Quartier städtebaulich auf­
     öffentlichen Raum.                           zuwerten, haben ein Beleuchtungskon­
                                                  zept umgesetzt, den Schulhof umgestaltet
     Der „Broken-Windows-Effekt“ in der Pra­      und einiges mehr. Die Bewohner*innen
     xis: Fahrräder, die an einer mit Graffiti    fühlen sich jedoch noch immer unsicher.
     verunstalteten Wand standen, wurden          Vermutlich liegt das daran, dass sich die
     mit Flyern versehen. Diese wurden von        Menschen nicht kennen. Diese Distanz
     den Fahrradbesitzern achtlos auf den Bo­     besteht vor allem zwischen Deutschen
     den geworfen. Bei der gleichen Situation     und Migrant*innen. Sichtbar wird dies
     an einer sauberen Wand lagen weniger         an einem Problemhaus im Stadtteil, das
     Flyer auf dem Boden. Offenbar war hier       oft Anlass für Beschwerden ist. Im Inte­
     die Hemmschwelle höher, etwas auf den        grierten Handlungskonzept war Geld für
     Boden zu werfen.                             eine Sicherheitsanalyse vorgesehen, das
                                                  nun nach aktuellen Erkenntnissen für die
     Unsicherheit durch Fremdheit – Reden         Netzwerkbildung eingesetzt werden soll,
     ist Prävention                               damit die Menschen sich besser kennen
     Das Empfinden von Sicherheit oder Un­        lernen.“
     sicherheit hat viel damit zu tun, wie gut
     Menschen mit Fremdheit zurechtkom­           Angsträume – Unsicherheit durch feh­
     men. Dynamische Veränderungen von            lenden Überblick
     gesellschaftlichen Strukturen können zu      Angsträume sind Orte, in denen die ei­
                                                  gene Bewegungsfreiheit eingeschränkt
                                                  scheint: Durch Dunkelheit, durch unein­
                                                  sehbare Bereiche, oder auch durch Perso­
                                                  nengruppen, die sich aus der Eigensicht
                                                  unangemessen verhalten. Dies können
                                                  Menschen „mit viel Tagesfreizeit“ sein,
                                                  beispielsweise aus der Trinker- oder Dro­
                                                  genszene, aber auch Gruppen von fremd­
                                                  wirkenden Personen oder Jugendlichen,
                                                  die man (aus verschiedenen Gründen,
                                                  zum Beispiel, weil eine andere Sprache
                                                  gesprochen oder ein anderweitig fremdes
                                                  Verhalten an den Tag gelegt wird) nicht
                                                  versteht. Hierdurch kann bei anderen
                                                  Nutzergruppen ein Unwohlsein entste­
                                                  hen, so dass der entsprechende Ort eher
                                                  gemieden wird.

10
Teilweise kann die Entstehung eines          Ergebnissen können Handlungsempfeh­
Angstraums auch durch fehlende Sauber­       lungen abgeleitet werden (Gestaltung,
keit, vermehrte Verschmutzung, durch         Nutzungen, Präsenzansätze).
Graffiti, mangelnde Grünpflege und feh­
lende Investitionen in den öffentlichen      Die Menschen, die Vorfälle melden,
und privaten Raum oder in die Infrastruk­    könnten miteingebunden werden, wenn
tur entstehen. Durch die angespannte         es später um sicherheitsverbessernde
Haushaltslage sehen sich viele Kommu­        Maßnahmen geht. Dies erhöht wiederum
nen gezwungen, städtische Aufgaben wie       die Identifikation der Menschen.
den Grünpflegeschnitt, die Instandhal­
tung oder die Straßenreinigung seltener
durchzuführen. Auch eine verringerte
Präsenz von Bezirkspolizist*innen kann
sich für das subjektive Sicherheitsempfin­
den in einem städtischen Raum als prob­
lematisch erweisen.

Häufig liegen solche Angsträume in be­
nachteiligten Stadtteilen, die mit un­
terschiedlichen sozialen Problemen zu
kämpfen haben. Durch negative Pressear­
beit wird das ohnehin bereits oft schlech­
te Image verfestigt und das Angstempfin­
den verstärkt, indem Quartiere z. B. als
„rechtsfreie Räume“ dargestellt werden,
in die sich angeblich die Polizei nicht
mehr herein traut. Durch diese Art der
Berichterstattung multiplizieren sich
die Probleme durch Kriminalität in der
Wahrnehmung der Bevölkerung, auch            Die Abbildung der gefühlten Sicherheits­
wenn die Zahlen der Polizeistatistiken       lage ist vor allem aus präventiven Ge­
dies nicht untermauern können.               sichtspunkten wichtig: Unter anderem
                                             wurde von einem Stadtteil berichtet, in
                                             dem bestimmte Entwicklungen sichtbar
THEMA 1 – ANALYSE                            wurden und es wiederholt Hinweise auf
                                             subjektive Ängste und Unsicherheiten
Daten – wie bekommt man eine belast­         gab. Da jedoch die offizielle Datenlage
bare Aussage zur Lage in einem Gebiet?       diesen Eindruck nicht bestätigte, erfolgte
Und was kann man dann tun?                   keine Förderung von kriminalpräventiven
Über die Polizeistatistik zu Delikten der    Maßnahmen im Rahmen des Integrierten
Straßenkriminalität hinaus lässt sich        Handlungskonzeptes.       Möglicherweise
auch die gefühlte Sicherheitslage abbil­     wurde eine Stigmatisierung der Gebiete
den: Im Rahmen einer Quartiersanalyse        bei offener Ansprache von Sicherheits­
können die Einwohnerzahlen ins Verhält­      problemen befürchtet. Inzwischen treten
nis zur Anzahl der Meldungen von Vorfäl­     auch objektiv messbare Auffälligkeiten
len gesetzt werden (wichtig: alle polizei­   auf, weshalb die Politik nun entsprechen­
lichen Einsatzdaten werden betrachtet,       des Handeln fordert. Im (Wort-) Sinn
auch diejenigen, die nicht zu einer An­      der „Prävention“ wäre es dagegen wich­
zeige geführt haben). Aufgrund dieser        tig, nicht erst bei einer sichtbaren Ver­
Einsatzdaten kann man ermitteln, wie         schlechterung zu reagieren, sondern sich
viele Menschen sich gestört fühlen bzw.      eines Stadtteils anzunehmen, bevor er
welche Vorfälle und an welchen Orten         kippt und stigmatisiert wird.
diese besonders häufig vorkommen (z. B.
Ruhestörungen, Raubüberfälle, Vandalis­      Wirkungsvolles Handeln setzt hier in den
mus).                                        „weichen“ Bereichen Sauberkeit, Ord­
                                             nung und Sicherheit an, vor allem um
Interne Auswertungen der Polizeidaten        den Eindruck zu vermeiden: Hier scheint
geben Auskunft über die Einsätze. Die        sich keiner zu kümmern, hier wird es
kleinräumigen Daten werden aber nicht        immer trister. So müsste z. B. bei Vanda­
veröffentlicht, sondern ausschließlich       lismus umgehend reagiert, Mülleimer in
intern in Sicherheitsanalysen ausgewer­      kürzeren Abständen geleert oder mehr
tet (z. B. im Sicherheitsaudit). Aus den     mit Jugendlichen gesprochen werden.

                                                                                          11
Hinweis: Im Rahmen der Städtebauför­          sozialintegrative Perspektiven kann kei­
     derung sind Sicherheitsauditierungen zu       ne positive Wirkung begünstigen. Eine
     Beginn des Programms für alle geplan­         umfassende städtebauliche Aufwertung
     ten städtebaulichen Maßnahmen förder­         funktioniert zudem nur mit Einbindung
     fähig. Im Sicherheitsaudit werden auch        der Eigentümer*innen, da in privaten
     Störungen und sozialpräventive Aspekte        Immobilienbeständen kaum direkte Ein­
     thematisiert (Streetwork, Raum für Ju­        flussmöglichkeiten für die öffentliche
     gendliche, Partizipation).                    Hand bestehen.

                                                     Ein Problem aus der Praxis: Neu­
                                                     bauprojekte im Dilemma zwischen
                                                     Marktfähigkeit und sozialer Verant­
                                                     wortung
                                                     Im Stadtgebiet Bonn Hardberg ent­
                                                     steht ein neues Wohngebiet. 500
                                                     Wohneinheiten sollen bis 2022 er­
                                                     richtet werden. Ziel ist es, ein at­
                                                     traktives Wohnquartier zu schaffen,
                                                     das nach den Vorgaben der Stadt
                                                     Bonn eine gemischte Struktur von
                                                     Eigentum über freifinanzierte Miet­
                                                     wohnungen bis zu geförderten Woh­
                                                     nungen aufweist. Im Umfeld liegen
                                                     Stadtteile, die in sozioökonomischer
                                                     Sicht teils benachteiligte Strukturen
                                                     aufweisen und in denen es zu sozia­
                                                     len Konflikten kommt.
     THEMA 2 – STRATEGIEN UND KON­
                                                     Wie kann unter diesen Vorzeichen
     ZEPTE
                                                     die Sicherheit im neuen Quartier
                                                     gewährleistet und gleichzeitig eine
     Bauliche Aufwertung verbessert das Si­
                                                     Stigmatisierung der benachbarten
     cherheitsempfinden, kann aber auch
                                                     Quartiere verhindert werden? Wie
     Verdrängung auslösen
                                                     geht man mit der Mischung der
     Maßnahmen zur städtebaulichen Auf­
                                                     Wohnsegmente um? Plant man eine
     wertung stabilisieren ein Quartier und
                                                     Durchmischung innerhalb einzel­
     führen zu weniger Fluktuation auch von
                                                     ner Gebäude, in den Straßenzügen
     Mittelschichthaushalten. Es sollte je­
                                                     oder trennt man sie in verschiedene
     doch mit bedacht werden, dass ein Effekt
                                                     räumliche Bereiche? Es gibt Überle­
     städtebaulicher Aufwertung darin liegen
                                                     gungen, den sozialen Wohnungsbau
     kann, dass einzelne Bevölkerungsgrup­
                                                     in einzelnen Gebäuden zu konzen­
     pen verdrängt werden; sowohl von be­
                                                     trieren. Die sich zuspitzenden Dis­
     stimmten Orten und Plätzen, als auch aus
                                                     kussionen um Sicherheit und auch
     einem gesamten Stadtteil. Ob diese mög­
                                                     um Zuwanderung führt dazu, dass
     liche Entwicklung gewollt ist, sollte daher
                                                     sich die Planung möglicherweise
     strategisch im Planungsprozess bedacht
                                                     wieder auf Standards zu bewegt, die
     werden.
                                                     eigentlich überwunden schienen.
     Verdrängungseffekte als Ziel einer städ­
     tebaulichen       Aufwertungsmaßnahme
     können sinnvoll sein, um geballt auftre­      Die kleinen Dinge sind wichtig. Gegen
     tende, kleinräumige Nutzungskonflikte         Storytelling und „Broken-Windows-Ef­
     zu entspannen. Im Endeffekt führt dies        fekt“
     aber nur zu einer Verlagerung und nicht       Es fängt einfach an. Die eher kleinen Din­
     zu einer Lösung der Probleme. Deswegen        ge (wie falsches Parken, herumliegender
     sollte diese Zielsetzung eher die Ausnah­     Müll etc.) lassen eine große Mehrheit spü­
     me darstellen und im Zusammenspiel mit        ren, dass etwas nicht stimmt. Gerade die
     weiteren Maßnahmen zur Kriminalprä­           Themen „öffentlicher Raum“ und „Stadt­
     vention und sozialen Teilhabe umgesetzt       bildpflege“ beinhalten Aspekte, die das Si­
     werden. Hierbei sind auch die sozialinte­     cherheitsgefühl positiv, aber auch negativ
     grativen Konzepte von zentraler Bedeu­        beeinflussen können. Bewährte Strategie
     tung (Primärprävention). Städtebau ohne       ist es, früh zu intervenieren. Dabei gibt es

12
viele Dinge, die nicht eindeutig zuzuord­     gungs- und Instandhaltungsmaßnahmen
nen sind: Was ist ein persönlich empfun­      ins Quartier zu spiegeln. Im engen Zu­
denes Ärgernis, das im Miteinander aus­       sammenhang hierzu steht, bei den Quar­
zuhalten ist, und wo beginnt eine Störung     tiersbewohner*innen das Bewusstsein zu
oder sogar kriminelles Handeln? Das gilt      wecken, dass öffentliche Plätze Gemein­
zum Beispiel für das Thema Graffitis oder     schaftseigentum sind und jeder seinen
auch Tags: Sind sie schon Anzeichen für       Teil dazu beitragen kann, den Platz le­
Verwahrlosung? Beeinflussen sie die sub­      benswert zu erhalten. Dennoch hat die
jektive Sicherheit?                           Kommune auch weiterhin Pflichtaufga­
                                              ben und einen Auftrag, wozu sie finan­
(Presse-) Berichterstattungen über kon­       ziert wird.
krete negative Ereignisse in Stadtteilen,
aber auch pauschal stigmatisierende und       In der Planung von Plätzen wurde ein Um­
skandalisierende Artikel bestätigen in sol­   denken als erforderlich erachtet: Häufig
chen Fällen die subjektive Wahrnehmung        werde bei der Planung der Fokus auf eine
und stellen positive Arbeitsergebnisse in     technokratische und ästhetisierende Ge­
den Schatten. Die Gegenstrategie: Dem         staltung gelegt, die spätere Nutzung und
„storytelling“ offensiv begegnen: Die Fak­    Nutzer*innen jedoch nur unzureichend
ten zur Sicherheitslage offenlegen, die       berücksichtigt. Zudem werde in Deutsch­
Bevölkerung regelmäßig informieren und        land häufig sehr funktionsgetrennt ge­
die eigene konstruktive Arbeit bekannt        plant. Stattdessen sollte die Multifunktio­
machen. Es muss das wahrnehmbare Si­          nalität des öffentlichen Raums sowie die
gnal geben, dass sich jemand kümmert.         Integration verschiedener Nutzergrup­
Dazu gehört auch, Faktoren wie Müll auf       pen im Mittelpunkt der Planungen stehen
der Straße, ungepflegte Grünflächen oder      und auch deren Vorstellungen von Urba­
Falschparker ernst zu nehmen und früh­        nität berücksichtigt werden.
zeitig mit effektiven Strategien und Maß­
nahmen zu bearbeiten.                         Zum Ende der Diskussion blieben einige
                                              Fragen offen. Insbesondere Zugewander­
Es ist wichtig, der Bevölkerung zu signa­     te aus dem arabischen Raum stellen ande­
lisieren, dass die Probleme und Bedürf­       re Ansprüche an den öffentlichen Raum.
nisse im Stadtteil ernst genommen wer­        Es stellt sich die Frage, ob Zugewanderte
den und auf die Einhaltung von Regeln         sich an den deutschen Raum anpassen
und der geltenden Gesetze geachtet wird.      müssen oder die Planung von öffentli­
Andernfalls besteht die Gefahr des „Bro­      chen Räumen angepasst an neue Nutzer­
ken-Windows-Effekts“.                         gruppen geschehen sollte. Das Fremde
                                              kennen zu lernen wird als eine der wich­
Diskutiert wurden Beispiele aus skan­         tigsten Zukunftsaufgaben in Städten und
dinavischen Ländern, in denen im Ver­         der Stadtplanung identifiziert.
gleich zu Deutschland die zu zahlenden
Strafen für Ordnungswidrigkeiten we­
sentlich höher sind. So könnten höhere
Strafen dazu beitragen, Fehlverhalten im
öffentlichen Raum zu vermindern. Die
häufig eingeforderte soziale Kontrolle
durch die Bewohner*innen funktioniert
häufig in benachteiligten Stadtteilen nur
unzureichend, so dass eine stärkere Prä­
senz durch Polizei, Ordnungsämter not­
wendig wäre. Aufgrund der finanziellen
Situation der Länder und Kommunen ge­
staltet sich dies jedoch häufig schwierig.

Als erfolgversprechender Ansatz wurde
die Teilübertragung der Verantwortung
für öffentliche Räume auf Privatperso­
nen oder Gruppen wie Nachbarschafts­
vereine identifiziert. Hierdurch wäre es
möglich, die Verantwortung für Reini­

                                                                                            13
THEMA 3 – AKTEURE UND RÄUME                   zwischen Polizei und anderen Akteuren
                                                   vor Ort gehen (Stichwort community po­
     Staatliche Akteure                            licing).
     In Stadtteilen mit einer hohen Kriminali­
     tätsbelastung wird beobachtet, dass Straf­    Sicherheitsleistungen aus privater Hand
     taten zum Teil nicht mehr zur Anzeige         Es gibt mittlerweile verschiedene Modelle
     gebracht werden. Dies hat unterschiedli­      der Unterstützung durch private Initiati­
     che Gründe, die von persönlicher Gleich­      ven (wie z. B. Quartiershausmeister oder
     gültigkeit über fehlendes Vertrauen in die    Nachtstreifen). Das positive Signal bei
     staatlichen Behörden bis hin zu Angst vor     einer Ergänzung – nicht Substituierung
     persönlichen Konsequenzen durch den           staatlicher Instanzen – ist, dass ein Stadt­
     Angezeigten reichen. Als Folge bleiben        teil nicht aufgegeben ist. Dabei sind „Pri­
     Straftaten nicht nur ungeahndet, es führt     vate“ auf der Grundlage von „Hausrecht“
     auch zu einer geringeren Präsenz der Po­      tätig. Nur in Bereichen, in denen dieses
     lizei vor Ort, weil der Präsenzbedarf nicht   erteilt wurde, können sie agieren, aber
     sichtbar wird. Besonders kritisch wird es,    nicht allgemein im öffentlichen Raum.
     wenn, wie in einem Fall geschildert, der
     Quartierspolizist selbst explizit von einer   Eine Differenzierung zwischen öffent­
     Anzeige abrät, „weil es dann nur noch         lichem, privatem und privat wahrge­
     schlimmer würde“. Hier muss der Ein­          nommenem Raum ist oft schwierig. Ein
     druck entstehen, dass es keine staatliche     hilfreicher Weg geht über die Frage, wer
     Kontrollinstanz mehr gibt.                    verkehrssicherungspflichtig ist. Gene­
                                                   rell sollte die Einbindung von privaten
     Ist folglich eine Privatisierung von Si­      Sicherheitsdiensten vorab kritisch und
     cherheitsdienstleistungen der Weg, wenn       juristisch geprüft werden bzw. überprüft
     die staatliche Seite versagt? Diese Frage     werden, ob die Aufgaben auch von städ­
     wurde mit einem deutlichen „Nein“ be­         tischen Mitarbeiter*innen durchgeführt
     antwortet. Denn es gibt eine staatliche       werden können.
     Seite, die ihre Aufgaben wahrnehmen
     und die konsequent eingebunden wer­           Private Sicherheitsdienste sollten gene­
     den muss – hier muss jedoch die Frage         rell eher als zusätzlicher Service verstan­
     gestellt werden, ob die Ressourcen der        den werden. Es darf nicht der Eindruck
     Polizei ausreichen. Generell haben Poli­      entstehen, dass sie zur Überwachung der
     zei und Ordnungsbehörden die Aufgabe,         Bevölkerung eingesetzt werden.
     situationsgemäß und bedarfsgerecht zu
     handeln, und dürfen nicht wegen Ar­           Videoüberwachung auf Privatgelände
     beitsüberlastung oder anderer Gründe          und in öffentlichen Räumen
     wegsehen. An zweiter Stelle müssen die        Eine Videoüberwachung auf Privatgelän­
     Konzepte zur Verbesserung der Lebenssi­       de ist mit Hausrecht möglich (z. B. für
     tuation und Vermeidung von Kriminalität       Standorte von Abfallcontainern). Es muss
     überprüft werden: Berücksichtigen die         einen begründeten Bedarf geben und
     integrierten Handlungskonzepte alle re­       der überwachte Raum muss als Haus­
     levanten Bereiche? Und schließlich muss       rechtsbereich erkennbar sein. Auf die
     es um die Förderung von Kooperationen         Überwachung ist hinzuweisen, bei Wohn­

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gebäuden müssen die Bewohner*innen
einverstanden sein.

Bei einer Straftat muss dann die Polizei
verständigt werden. Eine andere Möglich­
keit besteht darin, Containerstandorte so
aufzustellen, dass es ausreichende sozi­
ale Kontrolle gibt, oder aber den Zugang
zu reglementieren, in dem die Standorte
eingezäunt und nachts abgeschlossen
werden.

Bei der Überwachung von öffentlichen
Plätzen durch Videokameras ergeben sich
vor allem zwei Probleme: In Deutschland
ist es aufgrund der bestehenden Gesetze
zum Datenschutz nur bei hoher Krimina­
lität zu rechtfertigen, Plätze mit Kameras
zu überwachen. Bei einer Überwachung         vertreten. Die Federführung liegt bei der
per Kamera ist außerdem geschultes           Rechtsdezernentin. Für 2018 ist ein Rats­
Fachpersonal vonnöten, das die aufge­        beschluss vorgesehen.
zeichneten Bilder permanent auswertet.
Somit entstehen sehr hohe Kosten bei         In diesem Zusammenhang sind auch die
vergleichsweise geringem Nutzen, wie         kleinräumigen Quartiersanalysen zu nen­
der Blick nach England zeigt. Dort zeigte    nen, die die Stadt Dortmund durchführt
sich, dass sich die Zielgruppe einer sol­    (und die künftig einen stärkeren Fokus
chen Überwachung schnell an die neue         auf das Thema Sicherheit legen sollen).
Situation anpasste und andere, schlech­      Die Analyse als Grundlage und der brei­
ter überwachte Standorte aufsuchte. So­      te Dialog sind ein Versuch, das Thema zu
mit wurden die vorhandenen Probleme          versachlichen und Lösungsvorschläge zu
nicht behoben, sondern nur räumlich          präsentieren. Interventionsbedarf ergibt
verdrängt.                                   sich aus konkreten Problemen oder bei
                                             empfundener Unsicherheit. Ziel ist ein
Gesamtstädtische Bündnisse                   sachgerechter Umgang mit Problemen,
Den komplexen Anforderungen des The­         ohne sich an einer Skandalisierung zu be­
mas entsprechend verändern sich auch         teiligen. Dies gelingt durch den gesamt­
Strukturen in Verwaltungen und bezüg­        städtischen Blick besser als im Rahmen
lich Kooperationen: So hat beispielsweise    stadtteilbezogener Sicherheitskonferen­
die Stadt Essen eine Stabsstelle Sicher­     zen.
heitskoordination eingerichtet. Auf Stadt­
teilebene gibt es seit einigen Jahren das    Was ist zu beachten?
Aktionsbündnis Sicheres Altenessen,          ■ Netzwerke aufbauen, die den (ge­
u. a. mit Polizei, Sozialarbeiter*innen,        samt-)städtischen Kontext abbilden.
Stadtplaner*innen und ISSAB. Aktuell         ■ Daraus themenspezifische Konzepte
wurde die erste Präventionskonferenz            entwickeln.
der Stadt durchgeführt. Zudem ist die        ■ Format und Größe der Netzwerke
Stadt Mitglied im „Europäischen Forum           sind abhängig von der Aufgabenstel­
für Urbane Sicherheit“, woraus das Pro­         lung, den Themen und der Größe der
jekt LAIS (Local institutions against ex­       Stadt.
tremism) entstanden ist.                     ■ Eine weitere Stigmatisierung einzel­
                                                ner Stadtteile sollte vermieden wer­
Auch die Stadt Dortmund setzt sich in­          den.
tensiv mit dem Thema Sicherheit ausein­
ander: Hier wird mit einem Masterplan        Netzwerke / Partnerschaften auf Quar­
Kommunale Sicherheit eine gesamtstäd­        tiersebene
tische Strategie erarbeitet. Das dazugehö­   Auf Quartiersebene geht es um fünf Auf­
rige Dialogverfahren erfolgt unter breiter   gaben, für die Kooperationen und Struk­
Akteursbeteiligung: Vom Polizeipräsiden­     turen zu entwickeln sind:
ten und dem kriminalpräventiven Rat
über Ämtervertreter*innen und inter­         1.   Es gibt thematische Konflikte mit kon­
mediäre Organisationen bis hin zu Bür­            kreter Problemstellung: Stichworte
ger*innen sind alle relevanten Gruppen            Clankriminalität, Schrottimmobilien,

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Drogenverkauf, … Für diese Aufgaben              Grundstückseigentümer spielen hier
          müssen über die reine Intervention               eine wichtige Rolle, um auch Einfluss­
          hinaus präventive Strategien entwi­              möglichkeiten auf Privatgelände zu
          ckelt werden. Ein konkretes Beispiel             erhalten.
          sind die „Zentralen Fachstellen für
          Wohnungsnotfälle“, wie sie u. a. bei        4.   Es geht dabei auch um Prävention
          der Stadt Düsseldorf eingerichtet ist.           nach der „Broken-Windows-Theo­
          Dem Thema Wohnungslosigkeit, das                 rie“ (siehe oben): Die entsprechen­
          wiederkehrend für Konflikte im öf­               den Bereiche der Verwaltung zum
          fentlichen Raum sorgt, wird hier in              Thema Stadterneuerung sind stärker
          fünf Quartieren durch entsprechen­               mit dem Quartier zu vernetzen, die
          de Einrichtungen in Kooperation mit              Kommunikation zwischen den Äm­
          der Polizei, der Wohnungswirtschaft              tern zu verbessern, um durch bau­
          und den sozialen Trägern begegnet.               liche Maßnahmen zu signalisieren,
                                                           dass sich jemand strategisch um den
     2.   Wo notwendig, sind die Konflikte                 Stadtteil kümmert.
          und Delikte durch ordnungs- und
          strafrechtliche Maßnahmen zu be­            5.   Dazu gehört schließlich der fünfte
          kämpfen (Präsenz und Einsätze von                Bereich: Sichtbarkeit von Vertrau­
          Polizei und Ordnungsamt, mobile                  enspersonen. Die Einrichtung einer
          Wachen) und zu verhindern.                       mobilen Wache, einer Bürgersprech­
                                                           stunde, Quartiershausmeister etc.
                                                           Eventuell auch der Einsatz anderer
                                                           privater Sicherheitsdienstleister, um
                                                           Präsenz zu zeigen und ansprechbar
                                                           zu sein, bestenfalls auch in verschie­
                                                           denen Sprachen.

                                                      Die Rolle der Bewohnerschaft: Identifi­
                                                      kation / direkte Ansprache und Mitver­
                                                      antwortung
                                                      Die Mitnahme der Bevölkerung bei der
                                                      Entwicklung und Umsetzung von sicher­
                                                      heitsfördernden Maßnahmen ist ein zen­
                                                      traler Punkt. Zum einen sollte versucht
                                                      werden, diejenigen einzubinden, die
                                                      Fehlverhalten oder Missstände bei der
                                                      Polizei melden, da ihnen offensichtlich
                                                      ihr Umfeld nicht gleichgültig ist. Dies
                                                      kann in konstruktives Engagement ge­
     3.   Darüber hinaus schließen sich Akteu­        wandelt werden.
          re zu einer Form der kooperativen
          Kriminalprävention zusammen. In             Zum anderen stärkt die Mitarbeit an Maß­
          sogenannten Präventionsnetzwerken           nahmen und Projekten die Identifikati­
          sind Quartiersmanager, Streetwor­           on der Bürgerschaft mit dem Stadtteil,
          ker, Jugendhilfenetzwerk, Verbände          was letztlich zu mehr Verantwortungs­
          und Politik zusammengeschlossen             bewusstsein führt. Dadurch sowie durch
          (Stichwort Sicherheitsaudit). Zum           regelmäßige Information über die Arbeit
          einen fungieren sie als Sensor, der         im Stadtteil kann das subjektive Sicher­
          Probleme schnell wahrnehmen und             heitsgefühl gestärkt werden.
          an die geeignete Stelle – z. B. die Poli­
          zei – weiterleiten kann, zum anderen        Innerhalb der Bewohnerschaft bestehen
          füllen sie den Bereich Kriminalprä­         informelle Strukturen, die genutzt wer­
          vention in integrierten Handlungs­          den können, um ordnungswidrigen oder
          konzepten mit Leben, indem konkre­          kriminellen Handlungen entgegen zu
          te Maßnahmen entwickelt werden              wirken. Professionelle Akteure können
          – anhand der Bedürfnisse und Prob­          beispielsweise die Eltern von straffälligen
          leme der Bewohner*innen. Über ei­           oder auffälligen Jugendlichen einbinden,
          nen Aktionsplan für den Sozialraum          um Hilfen und Lösungswege anzubie­
          können Präventionsnetzwerke Ge­             ten. Auch Kinder und Jugendliche sollten
          walt- und Sozialprävention fördern.         Raum für kontinuierliche Mitwirkung und
          Aber auch private Immobilien- und           Mitsprache erhalten, um sich im Stadt­

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