Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
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Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 217 Hamburg – Wege zur klimafreundlichen Maja Berghausen und CO2-neutralen Großstadt Wie kann der Stadtumbau gelingen? 1 Einleitung den das Hamburger Klimaschutzkonzept zum Thema CO2-Bilanz, Green Capital mit Urbane Räume sind für drei Viertel der einem weiten Blick auf besondere Arbeits- globalen Energienachfrage und 80 % der ansätze in der Stadt, die Arbeiten in den CO2-Produktion verantwortlich. Das macht Gebieten der HafenCity, der Internationa- deutlich, dass gerade urbane Räume in len Bauausstellung IBA Hamburg und der der besonderen Verantwortung stehen, ei- Klima-Modellquartiere sowie die Entwick- nen wesentlichen Beitrag zur Einsparung lung im Bereich der Versorgungsnetze und des Primärenergieverbrauchs zu liefern. des Verkehrs. Darüber hinaus wird derzeit Der Hamburger Senat hat sich dem Ziel an gesamtstädtischen Konzepten gearbei- verpflichtet, bis 2020 eine 40 %-ige und tet – dem „Masterplan Klimaschutz“, dem bis 2050 eine 80 %-ige Reduktion der CO2- „Wärmeversorgungskonzept“ und der „Stra- Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 tegie zur Anpassung an den Klimawandel“. zu erreichen. Dies nicht allein vor dem Hamburg richtet seinen Blick aufgrund sei- Hintergrund, CO2-Emissionen zu reduzie- ner räumlichen Lage im tidebeeinflussten ren, um dem weltweit fachwissenschaftlich Bereich der Elbe und seinem hohen Anteil und politisch gesetzten Ziel näher zu kom- an Stadtfläche im generell überschwem- men, die Erderwärmung bis 2050 auf 2 Grad mungsgefährdeten Marschgebiet frühzeitig zu begrenzen, sondern auch um wertvolle auch auf das Thema Anpassung an den Kli- Rohstoffe wie Mineralöl und Erdgas be- mawandel (Adaptation). Aktivitäten hierzu wusster und nachhaltiger als bisher zu ver- werden jedoch in diesem Beitrag nur am brauchen. Rande aufgegriffen. Hamburg hat sich 2007 entschlossen, Kli- maschutz (Mitigation) sofort und ohne strategische Vorplanung zu betreiben. Dazu 2 Hamburgisches hat die Stadt das Hamburgische Klima- Klimaschutzkonzept schutzkonzept beschlossen und schreibt es seitdem jährlich fort. In der kurzen Phase Hamburg hat sich 2007 ein zunächst bis der Konzepterarbeitung hat sich 2007 der 2012 reichendes Klimaschutzkonzept ver- Klimaschutzgedanke in der gesamten ham- ordnet. Es wurde mit jährlichen Fördermit- burgischen Verwaltung ausgebreitet, da alle teln von 25 Mio. € versehen, deren Vergabe dort gefragt waren, Maßnahmen für den von der ebenfalls neu geschaffenen Leit- Klimaschutz aus ihrem Tätigkeitsbereich stelle Klimaschutz koordiniert wird. Über zu benennen und in der darauf folgenden das kurzfristige Ziel hinaus hat sich der Umsetzungsphase zu betreuen. Auf diese Hamburger Senat das Ziel gesetzt, die CO2- Weise wurden sehr unterschiedliche Projek- Emissionen bis 2020 um 40 % und bis 2050 te benannt. Sie betreffen die unterschied- um 80 % zu reduzieren, ausgehend vom Re- lichsten Ebenen verwaltungsbehördlichen ferenzjahr 1990 (Abb. 1). Die zunächst recht Handelns und ermöglichen Kooperationen kurze Laufzeit des Konzepts bis 2012 war mit verschiedenen Partnern wie bspw. Woh- mit dem Ziel verbunden, im Vergleich zum nungsbauunternehmen, Versorgungs- und Referenzjahr bis 2012 durch unmittelbar Dr. Maja Berghausen Entsorgungsunternehmen, Industrie und greifende Maßnahmen eine Reduktion der Freie und Hansestadt Hamburg Gewerbe oder auch Wissenschaft und For- Hamburger CO2-Emissionen um 20 % zu Amt für Landes- und schung. gewährleisten. Dies entspricht für den Zeit- Landschaftsplanung raum 2007 bis 2012 einer Reduktion von 2 Postfach 112109 Im Folgenden werden einzelne Themenfel- 20459 Hamburg Mio. t CO2. der aus dem Gesamtpaket der Einzelmaß- und andere nahmen näher betrachtet. Der Fokus liegt Die Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts E-Mail: maja.berghausen@ harburg.hamburg.de auf Projekten mit hoher Außenwirkung und sollen dabei einen Beitrag von 550 000 t stadträumlichem Bezug. Vorgestellt wer- CO2 leisten. Die übrigen 1,5 Mio. t CO2 sol- und weitere Autoren
218 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt Abbildung 1 Hamburger CO2-Emissionen und Reduktionsziele 2012, 2020 und 2050 Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg 2012 len vor allem durch Beiträge der Industrie Bewährtes konsolidieren und Neues fördern (500 000 t CO2) und durch Auswirkungen Das Hamburger Klimaschutzkonzept konn- von Maßnahmen des Bundes erreicht wer- te auf bestehenden Initiativen aufbauen. den (Abb. 2). Mit der Industrie wurden dazu Schon seit 1998 gibt es umfangreiche Pro- Selbstverpflichtungserklärungen sowie die gramme zur Förderung und Qualifizierung Aktion „Unternehmen für den Ressourcen- des Handwerks (Initiative Arbeit und Klima- schutz“ abgeschlossen (siehe Kap. 3 und schutz) und zur Energieeffizienz in Betrie- 4). Zur Jahresmitte 2011 ergibt sich das Bild, ben (Unternehmen für Ressourcenschutz) dass sowohl die Vorgaben für das Klima- schutzkonzept als auch die Selbstverpflich- sowie Förderprogramme für Solarthermie tungen der Hamburger Industrie voraus- und Photovoltaik. Diese bestehenden Pro- sichtlich erreicht werden können. gramme sind Teil des Klimaschutzkonzepts und werden aus Klimaschutzmitteln nach Bedarf aufgestockt. Gleichzeitig fördert das Klimaschutzkonzept vorrangig Initiativen, Abbildung 2 die noch nicht marktreif sind oder Pilotfunk- Hamburger CO2-Einsparpotenziale bis 2012 tion besitzen – etwa eine Algenversuchsanla- ge oder Projekte der Elektromobilität. Fördereffizienz und Monitoring In der Regel werden Maßnahmen nur an- teilig aus Klimaschutzmitteln gefördert. Beobachtbar und nachweislich setzen die Förderungen aus Klimaschutzmitteln In- vestitionen in bis zu dreifacher Höhe frei. Dies gilt für den privatwirtschaftlichen Be- reich wie für die privaten Haushalte. Die bis Ende 2012 vermutlich geflossenen 140 Mio. € an Klimaschutzmitteln werden daher im Sechsjahreszeitraum von 2007 bis 2012 zusätzliche Klimaschutzinvestitionen von etwa 400 Mio. € bewirkt haben. Wie viele CO2-Emissionen dadurch einge- spart wurden, ist abhängig von der Art der Quelle: Wuppertal Institut 2011 geförderten Maßnahmen und der Nach-
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 219 steuerung im laufenden Programm. Seit Abbildung 3 2009 wird das Klimaschutzkonzept in Zu- Geplante sektorenbezogene Mittelverteilung für das Hamburger Klimaschutzkonzept 2011 sammenarbeit mit dem Wuppertal Institut durch ein CO2-Monitoring begleitet. Dies Evaluierung und ermöglicht eine zeitnahe Evaluierung der Monitoring Noch nicht 7,1 % belegt 0,01 % Fördereffizienz. Forschung 2,1 % Dem Hamburger Landesparlament wird Bewusst- Energie 19,2 % seinsbildung seit 2008 in einer jährlichen Drucksache ein 8,2 % umfangreicher Rechenschaftsbericht vor- Klimafolgen- gelegt. Ein Download ist in der jeweils ak- management 1,9 % tuellen Fassung unter www.klima.hamburg. Natio. und de möglich. Unter der gleichen Adresse fin- internatio. Kooperationen det sich ein von der Leitstelle Klimaschutz 1,3 % entwickeltes „Rechentool zur Ermittlung des Effekts von Klimaschutzmaßnahmen“. Wirtschaft und Anlagentechnik Fachanwender in Behörden, Institutionen 11 % und Unternehmen können damit auf eine Gebäude 32,2 % schnelle und einfache Art Fragen zur Ein- sparung von Treibhausgasen, vornehmlich Mobilität 17,0 % von CO2 beantworten. Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg 2012 Grundstruktur und Art der Maßnahmen Beispiele für projektbezogenes Fördervolumen von 2008–2012 Das Hamburger Klimaschutzkonzept ver- Sektor Maßnahme Förder CO2- folgt den Ansatz, eine Top-down-Zielset- volumen wirksam zung durch einen Bottom-up-Prozess zu in €® unterstützen. Die Zielsetzung ergibt sich Wirtschaft und Erneuerung Beleuchtung Deichtorhallen 300 000 ja aus der fachwissenschaftlich und zugleich Anlagentechnik Mobilität Umsetzung der Radverkehrsstrategie 7 600 000 ja politisch gesetzten Notwendigkeit, die Erd Förderung energieeffizienter erwärmung bis 2050 auf 2 Grad zu begren- NichtWohngebäude und Klima- Gebäude 700 000 ja zen. Die Maßnahmen des Klimaschutzkon- Modellquartiere (Wohnen, Büro, Logistik, Gewerbe) zepts nehmen Initiativen aus Behörden und Energie Solarpotenzialanalyse Hamburger Dächer 250 000 ja der Gesellschaft auf und fördern sie anhand der Parameter der vorgegebenen Zielset- Kooperationen Hamburg City Climate Conference 2009 80 000 nein zung. Der Bereich Klimafolgenmanagement Klimafolgen Machbarkeitsstudie Modellierung 100 000 partiell management Stadtklima ist lediglich durch kleinere Pilotprojekte Modellprojekt umweltverträgliche vertreten. Strukturell ist das Klimaschutz- Forschung 200 000 ja Klimaanlage konzept zurzeit auf den Klimaschutz ausge- Bewusstseins Fifty-Fifty-Junior (Übertragung auf Kitas) 186 000 partiell bildung richtet. Gegenwärtig umfasst das Hamburger Kli- maschutzkonzept rund 470 Maßnahmen. Im Durchschnitt der Förderjahre haben Davon werden oder wurden rund 140 rund 80 % der Maßnahmen eine direkte Maßnahmen direkt aus Klimaschutzmit- und dauerhafte CO2-Reduktion zur Folge. teln gefördert. Die anderen Maßnahmen, In Abbildung 3, die die Mittelverteilung für an deren Zustandekommen die Leitstelle 2011 aufzeigt, sind dies die Bereiche Wirt- Klimaschutz häufig durch Netzwerkarbeit schaft und Anlagentechnik, Mobilität, Ge- beteiligt war, sind ebenfalls aufgeführt, um bäude und Energie. Etwa 20 % der Mittel eine Gesamtschau der Hamburger Klima- werden für Evaluierung und Monitoring, schutzaktivitäten zu ermöglichen. Die An- Forschung, Klimafolgenmanagement, na- tragsstellung erfolgt grundsätzlich durch tionale und internationale Kooperationen eine der Hamburger Behörden, diese fun- und Bewusstseinsbildung ausgegeben. gieren auch als Antragssteller für nicht- behördliche Maßnahmen. Die Vergabe Die Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts erfolgt, sobald die beteiligten Behörden zu- werden in erster Linie danach bewertet, gestimmt haben, d.h. die Behörde für Stadt- welche Kosten-Nutzen-Effizienz die einge- entwicklung und Umwelt, die Senatskanzlei setzten Mittel für die reale CO2-Reduktion und die Finanzbehörde. haben. Dennoch ist der Bereich Bewusst-
220 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt seinsbildung am Mittelabfluss mit bis zu über Selbstverpflichtungserklärungen der 10 % beteiligt, da hierin ein notwendiger Unternehmen konsequent und folgerichtig und ergänzender Baustein des Klima- ist. schutzkonzepts gesehen wird. Die Zusam- Ein großer Teil der CO2-Reduktion wird menstellung auf der vorherigen Seite stellt in Zukunft durch nationale und europä- Beispiele geförderter Projekte vor. Die Ge- ische Setzungen erzielt werden. So wird samtheit der Maßnahmen ist online unter etwa ein CO2-freies europäisches Strom- www.klima.hamburg.de zu finden. netz die Hamburger Emissionen um etwa 29 % senken. Die restlichen circa 50 % zur Erreichung des 80 %-Ziels müssen aber im 3 Die Hamburger CO2-Bilanz – Bereich der nicht-elektrischen Energie vor Europa in einer Nussschale allem im Gebäudebereich und durch ver- trägliche Verkehrsabwicklung bewirkt wer- Einzelne europäische Städte und Regionen den. weisen sehr ungleichgewichtige CO2-Bilan- zen auf. So hat in Oslo der Verkehrssektor Hier ist die regionale Politik gefragt. Ham- einen Anteil von 65 % an den regionalen burg bereitet daher einen Masterplan Kli- CO2-Emissionen, in Rotterdam machen die maschutz vor, der in einem dialogischen Emissionen des industriellen Sektors wegen Prozess zusammen mit der Hamburger der vielen Raffinerien 79 % der Gesamte- Wirtschaft sowie Verbänden und Nichtre- missionen aus. Im Gegensatz dazu bewegt gierungsorganisationen entwickelt werden sich die Struktur der Hamburger CO2-Bilanz soll. Er wird den Rahmen setzen, die Stell- im europäischen Durchschnitt: Die Ener- schrauben benennen und die notwendigen gieverbrauchssektoren halten sich mehr Maßnahmenbereiche konkretisieren, die oder weniger die Waage (Abb. 4). Auf dem sich in den Einzelmaßnahmen des Klima- Weg zu einer CO2-freien oder CO2-armen schutzkonzepts und den restlichen Ham- Zukunft muss Hamburg in allen diesen Sek- burger Klimaschutzaktivitäten widerspie- toren große Anstrengungen unternehmen, geln werden. Diesen Masterplan mit der um die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. noch im Detail zu entwickelnden Hambur- ger Anpassungsstrategie in Kohärenz zu Eine wichtige Erkenntnis ist dabei, dass er- bringen, ist eine noch zu bewältigende Auf- folgreicher Klimaschutz nicht behördlich gabe der kommenden Jahre. verordnet werden kann, sondern in einem interdependenten Prozess entwickelt wer- Ebenso sind alle Aktivitäten zur Qualifizie- den muss. Angesichts des hohen Anteils rung von Handwerkern Ausdruck dieser industrieller Emissionen an der Hambur- Erkenntnis, wie auch der Wille, Bewusst- ger CO2-Bilanz zeigt sich, dass der Weg der seinsbildung in der schulischen und außer- Kooperation mit der Hamburger Wirtschaft schulischen Bildung dauerhaft zu fördern. Nur wenn die regionalen Entscheider, das Handwerk, der Dienstleistungsbereich und Abbildung 4 große Teile der Bevölkerung zu Trägern des Hamburger CO2-Bilanz 2008 im Vergleich zum Klimaschutzgedankens werden, können die europäischen Durchschnitt 2005 Klimaschutzziele erreicht werden. 4 European Green Capital Seit dem Jahr 2010 wird von der Europäi- schen Kommission der Titel „Umwelthaupt- stadt Europas“ an Städte in Europa verge- ben. Kriterien bei der Auswahl sind sowohl bereits umgesetzte Projekte und damit ein- hergehend aktuell hohe Umweltstandards als auch langfristige Visionen und ambitio nierte Ziele für die Zukunft. Die Jury be- scheinigte der Stadt Hamburg „exzellente Umweltstandards auf der ganzen Bandbrei- Quelle: CURE/Hamburg 2011 te“ und „ehrgeizige Pläne für die Zukunft,
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 221 die zusätzliche Verbesserung versprechen“ und setzte sie an die Spitze der 35 Bewerber. Höchstwertungen erzielte die Hansestadt dabei in den Bereichen Klimaschutz, Ab- wasser und Verwaltung. Ein wichtiges Instrument für den Klima- schutz ist in diesem Zusammenhang das Partnerschaftsprogramm „Unternehmen für Ressourcenschutz“. Dessen Ziel ist es, Unternehmen zu motivieren, freiwillig in Maßnahmen für mehr Energie- und Res- sourceneffizienz zu investieren. In der Sum- me investierten Hamburger Unternehmen im Rahmen des Programms rund 274 Mio. € in Maßnahmen. Dadurch werden jährlich rund 219 000 Tonnen CO2-Emissionen und 26 400 Tonnen Abfälle vermieden sowie 757 900 m3 Trink-/Grundwasser eingespart. Luftbild Hamburg Die Branche der erneuerbaren Energien Quelle: www.mediaserver.hamburg.de/B. Kuhn entwickelt sich in Hamburg doppelt so schnell wie im bundesdeutschen Schnitt. Um die Zusammenarbeit in der Branche selnde Themenausstellungen beherbergt, fanden über 500 Veranstaltungen und etwa zu stärken und zu fördern, wurde 2009 das 80 Umwelttouren statt. Ein wesentliches Netzwerk Erneuerbare Energien Hamburg Ziel der Umwelthauptstadt war und ist es, (EEHH) gegründet, das die Kompetenzen die Hamburger und Hamburgerinnen in der Unternehmen, Forschungseinrichtun- den Umwelt-/Klimaschutz der Stadt einzu- gen und Institutionen der regenerativen binden. Energiewirtschaft bündeln und die Schnitt- stellen zu anderen Branchen fördern soll, Überwältigende Resonanz fand die Aktion z. B. im Bereich neuer Werkstoffe und Mate- „Mein Baum – Meine Stadt“. Ziel der Aktion rialien. Inzwischen sind am Standort Ham- war es, auf einen Schlag sämtliche Straßen- burg mehr als 100 Unternehmen insbeson- baumlücken zu schließen, die in den ver- dere aus den Bereichen Wind, Solar und gangenen Jahren in Hamburg entstanden Biomasse vertreten. sind. Die Stadt selbst machte den Anfang und pflanzte die ersten 2011 Bäume. Die Zugleich zeigte der Wettbewerb, wo es für Hamburgerinnen und Hamburger waren Hamburg noch Spielraum für Verbesse- aufgerufen, mittels Spenden alle weiteren rungen gibt. In der Stadt leben fast 1,8 Mio. Lücken im Straßenbaumbestand zu schlie- Menschen, täglich pendeln mehr als ßen. Das Besondere dabei: Die Spender 300 000 Menschen zur Arbeit in die Stadt. konnten für ihren Baum der Wahl spenden, Hamburg beheimatet Europas drittgrößten indem sie auf veröffentlichten Baumkatas- Hafen und mehr als 500 Industriebetriebe, terkarten selbst wählten, für welchen kon- darunter die größte Kupferschmelze Euro- kreten Standort sie spenden möchten. Die pas. Als traditioneller Industriestandort ist Stadt Hamburg unterstützt die Aktion zu- Hamburg keineswegs ein Ökoparadies, in sätzlich dadurch, dass sie für jeden Baum, dem alle Umweltprobleme bereits gelöst der die Spendensumme von 500 € erreicht sind. Vielmehr zeigen sich dort die ver- hat, noch einmal die gleiche Summe auf- schiedensten Facetten der europäischen brachte und damit die Baumpflanzung ga- Umweltpolitik vom Klimaschutz über die rantierte.1 Ein kleiner Baustein für den Kli- Luftqualität bis zum Naturschutz. maschutz, denn die Aktion war ein Erfolg: (1) Alle zur Verfügung stehenden Standorte der Im Durchschnitt kostet ein Programm und Aktionen in Hamburg Baum 1 000 €. Den Löwenan- Straßenbäume konnten nachgepflanzt wer- teil dieser Kosten macht die Im Umwelthauptstadtjahr 2011 wurde den den. Ingesamt hatten die Hamburgerinnen Vorbereitung aus, darunter u.a. Bürgern ein vielfältiges Programm geboten. und Hamburger knapp 300 000 € gespendet der Einsatz des Kampfmittel- räumdiensts und der Einsatz Neben einem Infopavillon am Hauptbahn- und damit die Pflanzung von zusätzlich fast von Baumpfählen und Baum- hof, der eine interaktive Dauer- und wech- 600 Bäumen ermöglicht. Sämtliche Spen- schutzbügeln.
222 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt Der Zug der Ideen bereiste 2011 18 Städte in 17 europäischen Ländern Quelle: Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Straßenbaum in Hamburg Quelle: Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Verantwortung die Städte in Bezug auf den Klimawandel besitzen und wie wichtig es dengelder waren dabei ausnahmslos für die ist, sich untereinander zu vernetzen und Bäume und die Pflanzarbeiten verwendet zusammenzuarbeiten. worden. Die Stadt hat ihre 2011 Bäume vor allem in den Stadtteilen gepflanzt, in denen Die Besucher haben die Ausstellung mit das Spendenaufkommen geringer war. eigenen Ideen bereichert. Die im Zug vor- gestellten Best-Practice-Projekte konnten Zug der Ideen bewertet werden. Jede und jeder war ein- geladen, eigene Visionen für die Städte Das Umwelthauptstadtjahr wurde auch als der Zukunft kundzutun. So wünschte sich Chance verstanden, mit den Bürgern der Georg aus Wien „eine ernst gemeinte Ver- Stadt und anderen europäischen Städten in kehrspolitik. Die öffentlichen Verkehrsmit- einen konstruktiven Dialog zu treten. Mit tel müssen so attraktiv und auch günstig dem „Zug der Ideen“ hat Hamburg eine gemacht werden, dass das Fahren mit dem rollende Ausstellung entwickelt, die im Pkw absurd erscheint“. Bedo aus Brüssel Umwelthauptstadtjahr 2011 in 18 verschie- möchte „nur noch Elektro-Autos inkl. Car- denen europäischen Städten Halt gemacht Sharing, bessere Radwege, Solaranlagen für hat, darunter Kopenhagen, Tallinn, Zürich, nahezu alle Häuser und Recycling und Wie- Wien und Paris. In sieben Containern wur- derverwertungen in vollen Zügen“, wäh- den die interaktive Ausstellung „Visionen rend Theo aus München schlicht „Mehr für die Städte der Zukunft“ und verschie- Bäume!“ fordert und Hans aus Oslo „Mehr denste Best-Practice-Projekte aus den Tour- Zusammenhalt!“. städten vorgestellt. Die Besucher konnten virtuell eine Stadt nach ihren Wünschen kreieren, beim Wandmemory vom Ausster- 5 Klimaschutz in der ben bedrohte Tierarten kennenlernen und Stadtentwicklung individuell auf sie abgestimmte CO2-Tipps erhalten. Die integrative Stadtentwicklung bietet vie- Ziel der interaktiven Ausstellung war, Fra- le Möglichkeiten für aktiven Klimaschutz gen zu beantworten und neue zu stellen. auf unterschiedlichen Maßstabsebenen. Sie veränderte den Blickwinkel von der Nachfolgende Themenfelder haben aus ganz persönlichen über die lokale bis hin Sicht der Stadtentwicklung eine große Wir- zur globalen Perspektive: Es wurde aufge- kung und sollen daher hier vertieft werden: zeigt, was jeder einzelne europäische Bür- • Innenentwicklung und Verdichtung und ger in Sachen Klima- und Umweltschutz Schutz von Freiflächen und städtischem tun kann, und aufgegriffen, welch große Grün
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 223 • Sanierung und energetische Ertüchtigung raum“ entwickelt. Es ist beabsichtigt, die des Bestands Freiraumqualität und -versorgung zu ver- bessern und zukunftsfähig auszurichten. • Versorgungsnetze Bauliche Verdichtung soll stets mit einer • nach Möglichkeit hohe Baustandards das Klima begünstigenden, kompensieren- und eine effiziente Energie- und Wärme- den Grün- und Freiraumplanung einherge- versorgung beim Neubau hen. Die Verdichtung der Stadt wird so von einer nutzungs- und bedarfsgerechten Auf- • umweltfreundliche und Klimaschutz- wertung vorhandener und der Schaffung taugliche Mobilität. neuer Grünanlagen und Freiräume in Ver- bindung mit einem Investitionsprogramm Bündnis für das Wohnen und Qualitätsoffensive Freiraum „Grün“ begleitet. Die für die Umsetzung des Programms verantwortlichen sieben Bezir- Der Hamburger Senat hat sich für diese Le- ke Hamburgs haben bereits begonnen, für gislaturperiode das hohe Ziel gesetzt, den verdichtete Stadtquartiere räumliche Qua- jährlichen Baubeginn von 6 000 Wohnun- lifizierungsstrategien zu erarbeiten. Ziel ist gen zu erreichen. 2 000 davon sollen geför- u. a. die Entwicklung einer gemeinsamen derte Sozialwohnungen sein. Über die Pri- Zielvereinbarung („Freiraumcharta“) ge- orität zur Innenentwicklung gibt es einen meinsam mit der Wohnungswirtschaft und breiten politischen Konsens. Die energieef- Bürgerinnen und Bürgern. fiziente Stadt ist nicht zuletzt eine Stadt der kurzen Wege. Der Senat setzt auf Koopera- Klimaschutz-Förderprogramme der Ham- tion und Zusammenarbeit mit den Bezir- burgischen Wohnungsbaukreditanstalt WK ken und der Wohnungswirtschaft und hat Bereits seit 2008 wird in Hamburg der Neu- zu diesem Zweck im September 2011 eine bau von hochenergieeffizienten Wohn- Vereinbarung „Bündnis für das Wohnen“ gebäuden durch die Hamburgische Woh- verfasst. Beteiligt sind Senat, Bezirke, Woh- nungsbaukreditanstalt WK mit großem nungswirtschaft und Hamburger Mieterver- Erfolg gefördert. Bis heute wurden von der einigungen. WK rund 9 000 Wohneinheiten (alle mit Bestandteil des „Bündnisses für das Woh- Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung) nen“ sind auch Vereinbarungen zum Kli- durch Zuschüsse gefördert, darunter rund maschutz. Zu deren Erreichung sollen im 500 Wohneinheiten im Passivhausstandard. Interesse einer sozialverträglichen Mieten- Damit wurde ein großer Beitrag geleistet, gestaltung neben der Energieeinsparung um die neuen Technologien auf Seiten der geeignete Maßnahmen der Effizienzsteige- Hamburger Bauherren, Planer und ausfüh- rung sowie der verstärkte Einsatz regene- renden Handwerksfirmen bekannt zu ma- rativer Energien gleichberechtigt forciert chen und zu etablieren. werden. Ziel ist es, die durchschnittlichen Der zweite Schwerpunkt der WK-Förderung jährlichen Endenergieverbräuche ohne zum Klimaschutz liegt auf der energeti- Warmwasser bis 2020 auf 133 kWh/m2 schen Modernisierung von Wohngebäuden. Wohnfläche in den Beständen zu verringern Hier wird durch ambitionierte Anforderun- und den jährlichen CO2-Ausstoß im glei- gen in den Förderprogrammen mit dazu chen Zeitraum auf 25 kg/m2 Wohnfläche zu beigetragen, dass die Hamburger Klima- senken. Altbauten, insbesondere der Baual- schutzziele für den Gebäudesektor erreicht tersklasse vor 1918, besondere Wohnungs- werden können. In Einzelfällen wurde sogar bestände sowie Eigentumswohnungen wer- bereits der seit 2010 gesondert geförderte den davon abweichend einer gesonderten Passivhausstandard im Bestand umgesetzt. Betrachtung unterzogen. Ein- und Zweifa- Darüber hinaus wird durch die Definition milienhäuser sind nicht Gegenstand des der Anforderungen auch sichergestellt, dass Bündnisses. Die Bündnispartner werden durch die energetische Modernisierungs- die Ziele des Bündnisses im Jahr 2014 eva- maßnahme für Mietwohnungen immer luieren. auch eine nennenswerte Reduzierung des Um trotz zunehmender Verdichtung die Endenergiebedarfs, verbunden mit einer Wohn- und Lebensqualität zu erhalten und entsprechenden Reduzierung der Betriebs- zu verbessern, wird aktuell der strategische kosten für die Mieter erreicht wird. Da die Planungsansatz „Qualitätsoffensive Frei- Zuschüsse direkt den Mietpreis dämpfen,
224 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt hat die Förderung auch eine starke sozia- Ein zweites Betätigungsfeld wird sein, die le Komponente. Seit Einführung des För- erneuerbaren Energien im Strom- und Wär- derprogramms im Jahr 2005 wurden über memarkt auszubauen. Dazu wird die Stadt 34 000 Mietwohnungen im Rahmen der geeignete Standorte zur Verfügung stellen, WK-Förderung umfassend energetisch mo- eine diskriminierungsfreie Einbindung dernisiert. ermöglichen und durch eine begleitende Cluster- und Standortpolitik sowie Ange- Die Förderzuschüsse, insbesondere im Be- bote zur Bürgerbeteiligung ein Klima in der reich der energetischen Modernisierung, Stadt schaffen, das diesen Prozess befördert. lösen durchschnittlich eine achtfach hö- here Gesamtinvestition aus, wodurch eine Der Senat fördert mit „Hamburg Energie“ entsprechend große Nachfrage bei der die Produktion und kurzfristige Bereitstel- Hamburger Bauwirtschaft entsteht. lung von erneuerbaren Energien für Ver- braucherinnen und Verbraucher. Entwicklungen im Bereich der Die dritte Säule der Energiewende Ham- Energieversorgung und Netzstruktur burgs ist die Aufgabe, Erzeugungs- und Die beispielgebenden strukturellen Verän- Netzstrukturen so umzubauen, dass sie derungen der Energieversorgung im IBA- den Erfordernissen einer zukünftigen, weit- Gebiet und der HafenCity (siehe unten) gehend regenerativen Energieversorgung sind als Beitrag zur Einsparung von CO2- entsprechen. Um einen Einfluss auf die Emissionen Vorbild für die Gesamtstadt. Entwicklung der Energieversorgung zu ge- Maßnahmen in der Gesamtstadt haben al- winnen, hat der Senat beschlossen, einen lerdings eine weitaus größere Dimension. strategischen Anteil von mindestens 25,1 % Nicht nur die dafür erforderlichen Maßnah- der Netze für Gas, Strom und Fernwärme zu men und finanziellen Mittel müssen ver- erwerben. Dazu hat die Stadt Verhandlun- vielfältigt, sondern es muss auch ein deut- gen mit Vattenfall und EON aufgenommen. lich größerer Kreis von beteiligten Akteuren Zur Erreichung der Klimaschutzziele will angesprochen und gewonnen werden. Es Hamburg gemeinsam mit seinen Energie- gilt die Hamburger Wirtschaft in ihrer Ver- versorgern zunehmend mehr emissions schiedenartigkeit – vom Dienstleitungssek- arme Brennstoffe und erneuerbare Ener- tor bis zum großen Industriebetrieb, Ge- gieträger in der Fernwärmeerzeugung werbe, Energieversorgungsunternehmen, einsetzen und sicherstellen, dass mit er- Handwerk, Handel sowie die gesamte Woh- neuerbaren Energien erzeugte Wärme nungswirtschaft – und auch Mieter, Hausei- möglichst dezentral in die Fernwärmenetze gentümer und Verbände zu überzeugen. eingespeist werden kann. Der Senat wird in seinem Energiekonzept aber auch ein Um Leitlinien aufzuzeigen und mit den besonderes Augenmerk auf Versorgungs- Bürgern zu diskutieren, arbeitet die Stadt daher an den konzeptionellen Grundlagen: sicherheit und wettbewerbsfähige Strom- dem Masterplan Klimaschutz und dem preise für die stromintensiven Hamburger Energie- und Wärmeversorgungskonzept. Betriebe legen. In einer Bestandsaufnahme wurden hohe Energieverbräuche und Potenziale sinnvol- Klima-Modellquartiere ler Energieeinsparung erfasst. Erforderlich Grundgedanke der Klima-Modellquartiere sind Analysen, wie sich der Energiebedarf ist, ambitionierte Projekte zum Thema Kli- dieser Stadt entwickeln wird. Es ist zu klä- maschutz im Hamburger Stadtgebiet zu be- ren, welche Potenziale an Abwärme und nennen, die weiteren Projekten hinsichtlich regenerativen Energien auf dem Stadtgebiet der hier gewonnen Erkenntnisse und Erfah- und in der Metropolregion zur Verfügung rungen „Modell“ stehen können. Es ist nicht stehen und wie diese wirtschaftlich genutzt Absicht, eine Best-Practice-Sammlung zu werden können. Die Arbeiten zum Master- erstellen, sondern es soll eine strategische plan Klimaschutz haben aufgezeigt, dass Arbeit über das gesamte Stadtgebiet Ham- wesentliche Einsparpotenziale – wie auch burgs sein, die auf den vorhandenen Sied- in anderen Großstädten – im Bereich des lungs- und Infrastrukturen aufbaut und Gebäudebestands, der Energieversorgung unterschiedliche Quartiersgrößen erfasst. und beim Verkehr liegen. Quartiere bieten mehr Möglichkeiten als Gebäude, da sie größer und facettenreicher sind und verknüpfende Konzepte wie bei-
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 225 spielsweise die Wärmeversorgung eines Be- 6 HafenCity Hamburg: Verknüpfung standsquartiers aus industrieller Abwärme von Urbanität und ökologischer ermöglichen. Die Klima-Modellquartiere Nachhaltigkeit bieten die Möglichkeit, die Initiativen des Hamburger Senats zum Thema Klima auch Die HafenCity entsteht als Erweiterung der in der Stadtfläche zu dokumentieren und Hamburger Innenstadt direkt am Ufer der Breitenwirkung zu erzielen. Elbe. Im Rahmen eines Entwicklungsraums Die Klima-Modellquartiere von etwa 25 Jahren werden dort schließlich etwa 12 000 Bewohner und etwa 45 000 • bilden unterschiedliche räumliche Lagen Beschäftigte leben und arbeiten. Dicht ge- in der Stadt ab (z. B. Innenstadt, Randge- mischt und in enger Verknüpfung mit Ein- biet, verdichtete und locker bebaute Ge- kaufsmöglichkeiten, Kultur-, Bildungs- und biete, Standorte in der Marsch und auf Wissenschaftseinrichtungen entstehen der Geest), Wohnen und Arbeiten. Hinzu kommt ein • erfassen unterschiedliche Nutzungen hoher Anteil an differenziert ausgebildeten und Dichten in der Bebauung ( z. B. Woh- öffentlichen Räumen: als Promenaden ent- nen (Geschosswohnungsbau, Einzelhaus- lang der Hafenbecken, als Plätze am und bebauung), Büronutzungen, Gewerbe-/ auf dem Wasser oder als Grünflächen oder Industrienutzungen (Logistikstandort, Parks. Mit diesen neu geschaffenen Orten produzierendes Gewerbe)), Mobilität (z. B. am Wasser schafft die HafenCity urbane autoarmes Wohnen) und Räume jenseits ausschließlich kommerziell geprägter Nutzungen. Gleichzeitig entwi- • thematisieren Aspekte des Neubaus und ckelt sie hohe Standards für eine ökologisch der Bestandssanierungen. nachhaltige Stadtentwicklung. Vor diesem Hintergrund wurden 19 Klima- Die zehn Quartiere der HafenCity werden Modellquartiere ausgewählt, die federfüh- in ihren urbanen Nutzungen kleinteilig rend durch die sieben Bezirke entwickelt gemischt sein, unterscheiden sich jedoch werden. Sie befinden sich alle in der Pla- bezüglich ihrer Dichte und ihren Nutzungs- nungsphase und werden mit Mitteln aus schwerpunkten. Dies war bereits 2000 we- (2) Der auf Grundlage des im in- dem Hamburger Klimaschutzkonzept un- sentlicher Bestandteil der städtebaulichen ternationalen städtebaulichen terstützt. Inhaltliche Schwerpunkte sind und programmatischen Konzeption des Ideenwettbewerb 1999 siegrei- neben der Umsetzung hoher energetischer chen städtebaulichen Entwurfs Masterplans für die HafenCity.2 Zusam- von Kees Christiaanse und Gebäudestandards (z. B. Passivhausstan- men mit ihren spezifischen Lagequalitäten hamburgplan weiterentwickel- dard) und der Nutzung erneuerbarer Ener- te Masterplan wurde im Jahre (an der Elbe, an einem Hafenbecken oder 2000 durch die hamburgische gien (z. B. Geo- und Solarthermie) auch mit direktem Bezug zur Innenstadt) bilden Bürgerschaft beschlossen. Energiegewinnung aus Schwarzwasser, nachhaltige Bauweise und dezentrale Ent- Abbildung 5 wässerungskonzepte. Unter den 19 Klima- Handlungsfelder ökologischer Nachhaltigkeit in der HafenCity Modellquartieren befinden sich auch zwei Logistikprojekte, die von der Logistik-Ini tiative Hamburg unterstützt werden (AK Nachhaltigkeit 2010). In einem der Klima-Modellquartiere wird erstmals eine stadtklimatische Simulation der Veränderung durch die geplante Bebau- ung mit Hilfe eines GIS-gestützten Modells durchgeführt. Ziel ist es, für den noch fol- genden freiraumplanerischen Wettbewerb für das Plangebiet Vorgaben zu formulieren, die zu einer Verbesserung des Stadtklimas beitragen können ( z. B. Grünanteil, Grün- verteilung, Durchlüftungsschneisen). Quelle: HafenCity Hamburg GmbH; Bruns-Berentelg 2010
226 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt die Quartiere jeweils ganz unterschiedli- Die HafenCity wird sowohl mit Haltestellen che Identitäten aus. Die meisten Gebäu- bestehender U-Bahnlinien als auch der neu de weisen 5 m hohe Erdgeschosse auf, die geschaffenen U-Bahn-Anbindung U4, die dadurch eine langfristige Transforma im Herbst 2012 eröffnet werden soll, sehr tionsfähigkeit und Nutzungsflexibilität er- leistungsfähig in das öffentliche Nahver- möglichen und die unterschiedlichsten öf- kehrssystem integriert. Buslinien auf der fentlichkeitsbezogenen Nutzungen in Form Landseite und Fährverbindungen auf der von Läden, Restaurants, Dienstleistungsan- Wasserseite vervollständigen das öffentli- geboten oder öffentlichen Einrichtungen che Verkehrsangebot. Ein dichtes Netz von aufnehmen. In den oberen Geschossen Rad- und Fußwegen mit insgesamt etwa befinden sich in der Regel Wohnnutzungen 30 km Länge durchzieht die HafenCity. oder Büros, in manchen Gebäuden auch Die Wegemöglichkeiten für Fußgänger in beide Nutzungen gemeinsam. der HafenCity sind vielfältig und attraktiv, wodurch der Anreiz steigt, auch die Wege Mit der Ausbildung einer geeigneten Stadt- zwischen HafenCity, Speicherstadt und In- struktur lassen sich bereits zu Beginn sehr nenstadt ohne Auto zu bewältigen. Über viele Parameter einer nachhaltigen Stadt- 150 000 Arbeitsplätze können aus der Ha- entwicklung entscheidend beeinflussen. fenCity in weniger als 20 Minuten Fußweg 2007 fragte Gert Held in einem Beitrag der erreicht werden. „Welt“: „Was nützt ein Nullenergiehaus, wenn es flächenfressend in der Landschaft Ging es zu Beginn der Entwicklung der Ha- steht und neue Wegeaufwände nach sich fenCity um die Konversion und ökologische zieht?“ (Held 2007) In der Nachhaltigkeits- Aufwertung eines zentral gelegenen, jedoch betrachtung der HafenCity nimmt der Be- weitgehend versiegelten ehemaligen Ha- griff der Ökodichte einen wichtigen Stel- fenareals mit zum Teil kontaminierten Bo- lenwert ein. Er verknüpft die Aspekte von denflächen und um den Aufbau einer viel- dichter Stadtstruktur, attraktiv ausgestalte- fältigen Nutzungsmischung in einer neuen ter öffentlicher Nahverkehrsmobilität und Stadt der kurzen Wege, folgten im Laufe direkt damit verbundenen Naherholungs- der weiteren Planung die Entwicklung ei- räumen. ner energieeffizienten, klimaschonenden Wärmeversorgung und – als Vorreiter in Der Begriff der „Ecodensity“ wurde 2006 Deutschland – die Entwicklung einer nach- von Sam Sullivan, dem damaligen Bürger- haltigen Gebäudezertifizierung. meister der kanadischen Stadt Vancouver, als programmatische Metapher geprägt. Wärmeversorgung: neue Verfahren und Ökodichte will über innere Verdichtung nachhaltige Versorgungskonzepte den ökologischen Fußabdruck einer Stadt verkleinern: Durch die Schaffung kürzerer In der HafenCity wird die Wärmeenergie- Wege für Bewohner und Beschäftigte sollen versorgung für alle Gebäude zentral durch Autofahrten reduziert oder durch das Um- CO2-reduzierende, nachhaltig angelegte steigen auf andere Verkehrsmittel (U-Bahn, Konzepte sichergestellt. Bei der Umsetzung Bus, Fahrrad oder zu Fuß) gar überflüssig der Versorgungsidee wurden für die Stadt werden. Die resultierenden CO2-Emissio- Hamburg neuartige Verfahrenswege be- nen können so erheblich gemindert wer- schritten. Das Areal der HafenCity wurde im den. Gleichzeitig steigt dadurch die urbane Hinblick auf den etwa 25-jährigen Entwick- Wohnqualität der Innenstadtbewohner. Die lungszeitraum in zwei unterschiedliche Ver- HafenCity bildet einen städtebaulichen sorgungsgebiete geteilt, jeweils mit einer Rahmen, der urbane Dichte und Nutzungs- eigenen, zentral angelegten Wärmeener- vielfalt mit gut ausgebauter Nahverkehrs- gieversorgung. Der Aufbau erfolgte zeitlich mobilität kombiniert und gleichzeitig eine gestaffelt ab 2003 für die westliche und sich zum Wasser hin öffnende Stadtstruktur ab 2011 für die östliche HafenCity. Beim ausbildet. In den Wohnquartieren der Ha- Grundstückskauf verpflichten sich die je- fenCity wird eine hohe Dichte erreicht (in weiligen neuen Eigentümer und Bauherren Form einer für europäische Verhältnisse ho- zum Anschluss an das Versorgungssystem hen Geschossflächenzahl zwischen 3,5 und und binden sich für einen Zeitraum von je- 5,5), die durch die Abstand schaffenden weils zehn Jahren an dieses Wärmenetz als Wasserflächen dennoch hohe Wohnqualitä- Bezugsquelle. Ausnahmen von diesem An- ten bietet. schlusszwang sind nur möglich, wenn der
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 227 Bauherr eine noch emissionsärmere Wär- Festsetzungen in Bebauungsplänen der meversorgung nachweisen kann. Er pro- HafenCity fitiert neben der erzielten CO2-Reduktion Unterstützend werden in den Bebauungs- auch von den im Ausschreibungsverfahren plänen der HafenCity textliche Festsetzun- erreichten günstigeren Preiskonditionen. gen getroffen, deren Rechtsgrundlage das 2003 wurde in einem europaweiten Con- Hamburgische Klimaschutzgesetz ist. Ziel tracting-Verfahren der Auftrag für die Wär- ist eine ressourcenschonende und energe- meversorgung des westlichen Stadtteils tisch optimierte Beheizung der Gebäude vergeben. Ein sich während der Versor- bzw. Warmwasserversorgung. In der Fest- gungslaufzeit dynamisch mit der techno- setzung wird für die Beheizung und Bereit- logischen Entwicklung auf maximal 175 stellung des Warmwassers verordnet, dass g/kWh reduzierter Grenzwert von CO2- neu zu errichtende Gebäude an ein Wärme- Emissionen darf dabei nicht überschritten netz anzuschließen sind, das überwiegend werden. Dabei wurden die technischen Lö- mit erneuerbaren Energien versorgt wird. sungen, um dieses Ziel zu erreichen, den Die Festsetzung konzentriert sich auf den Bietern überlassen. Gegenüber einer auf Anschlusszwang der neu erstellten Gebäu- Einzelgebäude bezogenen, gasbetriebenen de an ein durch Ausschreibung ausgewähl- Wärmeversorgung lässt sich mit dieser über tes klimafreundliches Wärmeversorgungs- ein zentrales Versorgungsnetz erfolgenden netz. Der Anschluss an das Wärmenetz Wärmeversorgung, den Zielsetzungen der muss im Bauantrag durch Vorlage eines Bundesregierung aus den Vereinbarungen Vertrags nachgewiesen werden. Die Festset- des Kyoto-Protokolls folgend, der Schad- zung des Bebauungsplans wird damit ver- stoffausstoß allein schon um 27 % reduzie- bindlich erfüllt. ren. Als Grundversorgung sind die Gebäu- de dabei an ein bestehendes (öffentliches) Die Festsetzung schreibt vor, dass zum Be- Fernwärmenetz angeschlossen; ergänzend trieb des Wärmenetzes überwiegend er- sind jedoch eine dezentrale Wärmeerzeu- neuerbare Energien einzusetzen sind, um gung mittels Brennstoffzellentechnik und den Anteil dieser CO2-neutralen Wärme- eine zumindest partielle Warmwasserver- versorgungsart zum Schutz des Klimas zu sorgung über solarthermische Nutzflächen erhöhen. Erneuerbare Energien sind nach auf den Dächern der Wohngebäude in das § 2 Abs. 1 Satz 3 des Hamburgischen Kli- Wärmeangebot integriert. maschutzgesetzes thermische Solaranlagen, Biomasseanlagen (Holzpellet- oder Holz- Für die Wärmeversorgung der östlichen hackschnitzelanlagen). Die Verordnung des HafenCity wurde 2009 in einem weiteren, Bebauungsplans in Verbindung mit dem ähnlich organisierten Verfahren, das wie- Hamburgischen Klimaschutzgesetz ist all- derum europaweit und technologieoffen gemein gehalten und schreibt diese An- ausgeschrieben war, ein nochmals deutlich forderung auch in die Zukunft fort. Läuft herabgesetzter Grenzwert von 89 g CO2- der Vertrag mit dem derzeitigen Energie- Ausstoß pro kWh erzeugter Energie erreicht. dienstleister aus oder wird gekündigt, gilt Dies entspricht noch etwa einem Drittel die Anforderung auch für die jeweils neu des gegenwärtigen CO2-Emissionswerts des abzuschließende Wärmeversorgung mit bestehenden Hamburger Fernwärmenetzes. den jeweils aktuell fortgeschriebenen kli- Das dafür ausgewählte Energiekonzept maschützenden Zielen und Anforderun- sieht ein Nahwärmeversorgungsnetz mit gen. Die Festsetzung des Bebauungsplans dezentralen Erzeugungseinheiten vor, die erlaubt die Deckung der Spitzenlast auch in der Grundversorgung ausschliesslich mit nicht erneuerbaren Energieträgern, um aus erneuerbaren Energieträgern beste- auf diese Weise eine wirtschaftliche Aus- hen: eine Biomethanbrennstoffzelle, eine legung des Wärmenetzes zu ermöglichen. Holzabfall-Verbrennungsanlage sowie Wär- Ausnahmen von dem Anschlusszwang sind mepumpen, die Elbwasser nutzen und de- einzelfallbezogen bei besonderen Härten ren Stromversorgung sich wiederum aus möglich oder wenn rechnerisch nachge- regenerativen Energien speist. Nur für die wiesen wird, dass über einen erhöhten Spitzenlasten werden ergänzend erdgasbe- Wärmedämmstandard der Heizwärmebe- feuerte Brennwert-Heizkessel zugeschaltet. darf von 15 kWh/m² Nutzfläche nicht über- schritten wird. Gebäude dieses Standards entsprechen dem Passivhaus und können
228 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt ohnehin weitgehend heizungsfrei und ohne zierung stand mit dem Gütesiegel für nach- Anschluss an ein Wärmenetz betrieben wer- haltiges Bauen erst 2009 durch die Deut- den. sche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zur Verfügung, zu deren Grün- Gebäudezertifizierung: die HafenCity als dungsmitgliedern die HafenCity Hamburg Vorreiter GmbH gehört. Zertifiziert werden mit dem Das Umweltzeichen HafenCity ist seit seiner HafenCity Umweltzeichen seit 2010 neben Einführung im Jahr 2007 zu einem wichti- den Wohn- und Bürogebäuden auch Ho- gen Steuerungsinstrument bei der Entwick- tels, Einzelhandels- und gemischt genutzte lung des neuen Stadtteils herangewachsen Immobilien, so dass nun alle wesentlichen und motiviert private wie öffentliche Bau- Gebäudetypen einer inneren Stadt zertifi- herren und Investoren zum verantwor- ziert werden können (zu den technischen tungsvollen Umgang mit Ressourcen. Die Anforderungen siehe HafenCity Hamburg Gebäudezertifizierung wurde als freiwilliges GmbH 2010b). Anreizsystem für innovative Bauherren und Das Elbtorquartier wird als erstes Stadt- Nutzer eingeführt, die ihr Gebäude über die quartier mit ganz unterschiedlichen Nut- gesetzlichen Vorschriften hinaus nachhal- zungen (Wohnen, Büro, Einzelhandel, tig ausgestalten wollen. Heute wird seitens Dienstleistungen, Kultur, Bildung und Frei- der HafenCity Hamburg GmbH in der Regel zeit) fast flächendeckend im Goldstandard bereits bei der Ausschreibung neuer Grund- des HafenCity-Umweltzeichens errichtet stückflächen zur Auflage gemacht, dass ent- werden. Dies bedeutet beim Energiever- stehende Bauwerke den strengen Kriterien brauch der Gebäude, neben den anderen des Umweltzeichens gerecht werden müs- Nachhaltigkeitsanforderungen und abhän- sen. Für die zentrale und östliche Hafen- gig von der Art der Gebäudenutzung, eine City soll allein mit dem Gold-Standard ein Unterschreitung der gesetzlichen Anfor- Zertifizierungsanteil von mindestens 50 % derungen um 30 bis 45 % (HafenCity Ham- erreicht werden. Alle neuen Wohnungsbau- burg GmbH 2010). Zu den bereits vorzer- projekte sollen nach Möglichkeit den Gold- tifizierten Gebäuden in der Entwicklung standard erreichen. gehören das Gebäude der HafenCity Uni- Die HafenCity hatte 2007 beim Thema Um- versität sowie ein weiterer Neubau im Elb- weltzertifizierung in Deutschland eine Vor- torquartier, in den unter anderem die Zen- reiterrolle übernommen; eine landesweit trale von Greenpeace Deutschland sowie anerkannte und verwendete Umweltzertifi- designxport als neugeschaffenes Design Nachhaltige Gebäude in der HafenCity mit Goldstandard Quelle: HafenCity Hamburg GmbH
Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2012 229 zentrum für Hamburg einziehen werden. Bereits fertiggestellt und vorzertifiziert sind die neue Grundschule, das Com- mercial Center am Sandtorpark, die Un- ternehmenszentrale von Unilever für die deutschsprachigen Länder sowie das neue Verlagshaus der Spiegel-Gruppe. 7 Sprung über die Elbe: die IBA Hamburg Die Internationale Bauausstellung (IBA) Hamburg hat für ihr Demonstrationsgebiet, dies sind die Elbinseln Wilhelmsburg und Veddel und der Harburger Binnenhafen, im Rahmen ihres Leitthemas „Stadt im Kli- mawandel“ ein Szenario zur klimafreund- IBA DOCK lichen Energieversorgung des Stadtteils Foto: IBA Hamburg GmbH/© Johannes Arlt entwickelt (IBA Hamburg GmbH 2010). Mit diesem räumlich-energetischen Hand- lungskonzept für die Elbinseln können der konkret, dass die Gesamtzielsetzung für die Strombedarf der Gebäude bis 2025 und der Stadt auf einzelne Stadtbezirke und Stadt- Wärmebedarf bis 2050 durch erneuerbare teile runter gebrochen werden muss“ (IBA und lokale Energien gedeckt werden. Da- Hamburg GmbH 2010: 15). bei zeichnet sich das „Klimaschutzkonzept Integraler Bestandteil des IBA-Leitthemas Erneuerbares Wilhelmsburg“ dadurch aus, „Stadt im Klimawandel“ ist neben dem Kli- dass es einerseits auf einer Vielzahl von maschutzkonzept auch die Beschäftigung konkreten Projekten aufbaut, die im Rah- mit den Fragen der Anpassung an den Kli- men der IBA Hamburg bis 2013 realisiert mawandel. Denn durch die Lage inmitten werden. Andererseits wagt es aber auch für des Stromspaltungsgebiets der Elbe ist einen klar definierten städtischen Raum dieser Ort wie kaum ein anderer geeignet, den Sprung von Einzelprojekten zu ei- die Fragen des vorbeugenden (Mitigation) nem Gesamtkonzept und weist in einer Art und des anpassenden (Adaptation) Klima- Roadmap einen Weg in das postfossile und schutzes zu thematisieren. Angesichts der atomfreie Zeitalter. seit der Besiedelung ständig vorhandenen Die IBA Hamburg ist mit ihren Projekten Bedrohung durch Hochwasser und beson- und Konzepten fester Bestandteil in den ders verdeutlicht durch die verheerende Bestrebungen der Gesamtstadt Hamburg, Flutkatastrophe im Februar 1962 werden sich der Verantwortung als bedeutsamer in Wilhelmsburg auch neue Strategien Klimafaktor zu stellen. Mit dem Klima- des Umgangs mit Hochwasser, steigenden schutzkonzept 2007–2012 des Hamburger Grundwasserständen und Starkregener- Senats und der Hamburger Klimaschutz- eignissen gesucht. Dieses wird von Seiten verordnung wurden anspruchsvolle energe- der IBA in interdisziplinären Gemein- tische Standards bei der Emissionsvermei- schaftsprojekten wie dem „Deichpark Elb- dung und der Energieeffizienz festgelegt. insel“ thematisiert, in dem die zukünftige Die IBA bietet die besondere und einzig- Entwicklung der Hochwasserschutzanlagen artige Chance, als eine Art „Stadtlabor“ in- in Zeiten des Klimawandels hinterfragt wird novative Konzepte für eine erneuerbare und neue Visionen entwickelt werden. Aber Energieversorgung auf städtischer Ebene – auch in konkreten IBA-Bauprojekten wie vom einzelnen Gebäude bis zum gesamten dem bereits 2010 fertiggestellten schwim- Quartier – zu entwickeln und zu erproben. menden Büro- und Ausstellungsgebäude Dies ganz im Sinne von Klaus Töpfer, der IBA DOCK und den in Wilhelmsburg Mitte in seinem Gastbeitrag zum „Energieatlas“ geplanten Water Houses wird die Aufgabe feststellte: „In den Städten wird wiederum des Klimaschutzes mit den Anforderungen die Perspektive mit einer dezentralen Kon- der Anpassung an den Klimawandel ver- zentration verbunden sein. Das bedeutet bunden.
230 Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt Klimaschutzkonzept Erneuerbares dass der Effekt der CO2-Reduktion allein Wilhelmsburg durch den Ersatz des Bestandes bei weitem Grundlage für die Erstellung des Klima- nicht ausreichen würde. In dynamischen schutzkonzepts war eine genaue Analyse Entwicklungsräumen wie den Elbinseln, für der örtlichen Potenziale zur Erzeugung die bis 2050 ein Bevölkerungszuwachs von erneuerbarer Energie, zur Steigerung der über 30 % prognostiziert ist, hat der Neubau Energieeffizienz und zur Energieeinspa- von Gebäuden jedoch eine sehr viel größe- rung. Elemente dieser Analyse waren u. a. re Bedeutung als in Gebieten mit negativer ein breit angelegter IBA-Beteiligungspro- demographischer Entwicklung. zess mit öffentlichen „Laboren“, ein großes Ziel des lokalen Klimaschutzkonzepts für Netzwerk von „IBA-Partnern“3 und regel- Wilhelmsburg ist es, die durchschnittliche mäßig tagende Arbeitsgruppen und Beteili- Sanierungsrate auf 3 % bzw. im Bereich der gungsgremien. Dazu hat die IBA Hamburg, Mehrfamilienhäuser der privaten, kom- angeregt durch ein ExWoSt-Forschungs- munalen und genossenschaftlichen Woh- projekt4, die Studie „Energetische Optimie- nungswirtschaft auf bis zu 5 % anzuheben. rung des Modellraums IBA Hamburg“ (IBA Bei diesen Beständen sind die Einsparun- Hamburg GmbH/FH Nordhausen et al. gen (60 bis 75 % des Heizwärmebedarfs) 2011) beauftragt und auf dieser Grundlage mit den geringsten Kosten (ca. 2 € pro gemeinsam mit dem IBA-Fachbeirat Klima kWh) und damit auch mit den geringsten und Energie5 den „Energieatlas“ erstellt. Im Belastungen für die Mieter verbunden (IBA Rahmen einer vergleichenden Analyse von Hamburg GmbH 2010: 130–144). Ein Bei- Szenarien wurden für das sog. Exzellenz- spielprojekt im Rahmen der IBA ist die Sa- szenario, das bis 2050 zu einer CO2-Reduk- nierung des „Weltquartiers“ der SAGA GWG, tion im Gebäudesektor von rund 95 % führt, wo es nicht zuletzt durch die Förderungen zwei Haupthandlungsfelder definiert: aus dem Programm Stadtumbau West ge- • Klimaschutzexzellenz für Neubau und lingt, über 500 Wohnungen nahezu warm- Bestandssanierung mietenneutral auf heutiges Neubauniveau zu sanieren und zu modernisieren. • erneuerbare Energieversorgung im Stadt- teil. Die Erfahrungen mit der IBA-Sanierungs- kampagne „Prima Klima-Anlage – Sparen Diese Handlungsfelder werden beispielhaft und Sanieren auf den Elbinseln“ zeigen bis 2013 in IBA-Projekten in ersten Schrit- dabei, dass es mit einer umfassenden In- ten umgesetzt und müssen dann im Nach- formationskampagne und Unterstützung IBA-Prozess konsequent weitergeführt wer- der Sanierungsumsetzung möglich ist, (3) Weit über 100 IBA-Partner ha- den. Im Rahmen eines EnEff:Stadt-Projekts auch die privaten Einzel-Hausbesitzer für ben sich mit der Unterzeich- wird ein energetisches Monitoring für die die umfassende Sanierung ihrer Immo- nung der IBA-Konvention zur Kooperation und Unterstützung gesamte IBA bis 2015 durchgeführt, um bilie zu gewinnen. Von Schumacher-Rot- der IBA verpflichtet. Die voll- Handlungshinweise für den Nach-IBA-Pro- klinkerhäusern auf der Veddel, typischen ständige Liste der Partner ist zess ableiten zu können. Dabei werden so- unter www.iba-hamburg.org/ Siedlereigenheimen in Kirchdorf bis hin zu de/02_gemeinsam/5_partner/ wohl die einzelnen IBA-Projekte (Energie- schwimmenden Wohnpontons am Reiher- partnerliste.php abrufbar. versorgung, Gebäudesanierung, Neubau) stieg werden jetzt unterschiedlichste Ge- (4) einem Energie-Monitoring unterzogen als bäude exemplarisch bis 2013 saniert. Die „Nutzung städtischer Freiflä- chen für erneuerbare Energien“: auch die Entwicklungen des Strom- und IBA-Sanierungskampagne hat aber auch Ein Projekt des Forschungs- Gasverbrauchs der Elbinsel insgesamt ana- gezeigt, dass es sehr schwierig ist, mit kurz- programms „Experimenteller lysiert werden, letzteres mit Unterstützung Wohnungs- und Städtebau“ fristig aufgelegten Förderprogrammen zu- des Bundesministeriums für der beiden Netzbetreiber Vattenfall Europe sätzliche Sanierungsmaßnahmen anzusto- Verkehr, Bau und Stadtentwick- Distribution (Stromnetz) und EON Hanse lung und des Bundesamtes für ßen. Notwendig ist hier stattdessen eine Bauwesen und Raumordnung, (Erdgasnetz). langfristige Kontinuität in der Förderung 2009 und in der Beratung. Prof. Udo Kuckartz (5) Klimaschutzexzellenz für Neubau und und Dr. Anke Rheingans-Heintze stellen Mitglieder des Fachbeirates Bestandssanierung sind: Prof. Peter Droege (Uni- dazu in Ihrer Analyse der Sanierungskam- versität Liechtenstein), Prof. Der Erfolg eines umfassenden städtischen pagne fest: „Projekten wie der IBA im Allge- Harry Lehmann (Umweltbun- desamt), Prof. Irene Peters Klimaschutzkonzepts entscheidet sich in meinen und Kampagnen wie der Prima-Kli- (HafenCity Universität Ham- Deutschland (und auch im europäischen ma-Anlage im Besonderen kommt deshalb burg), Prof. Manfred Hegger (TU Darmstadt), Stefan Schurig Kontext) immer im Gebäudebestand, da die eine zentrale Informations- und Bildungs- (World Future Council). Neubaurate so gering ist (zurzeit unter 1 %), aufgabe zu.“ Und weiter: „Einer sensiblen
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