Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR

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Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2012                                                                                                         217

Hamburg – Wege zur klimafreundlichen                                                          Maja Berghausen

und CO2-neutralen Großstadt
Wie kann der Stadtumbau gelingen?

1   Einleitung                                 den das Hamburger Klimaschutzkonzept
                                               zum Thema CO2-Bilanz, Green Capital mit
Urbane Räume sind für drei Viertel der         einem weiten Blick auf besondere Arbeits-
globalen Energienachfrage und 80 % der         ansätze in der Stadt, die Arbeiten in den
CO2-Produktion verantwortlich. Das macht       Gebieten der HafenCity, der Internationa-
deutlich, dass gerade urbane Räume in          len Bauausstellung IBA Hamburg und der
der besonderen Verantwortung stehen, ei-       Klima-Modellquartiere sowie die Entwick-
nen wesentlichen Beitrag zur Einsparung        lung im Bereich der Versorgungsnetze und
des Primärenergieverbrauchs zu liefern.        des Verkehrs. Darüber hinaus wird derzeit
Der Hamburger Senat hat sich dem Ziel          an gesamtstädtischen Konzepten gearbei-
verpflichtet, bis 2020 eine 40 %-ige und       tet – dem „Masterplan Klimaschutz“, dem
bis 2050 eine 80 %-ige Reduktion der CO2-     „Wärmeversorgungskonzept“ und der „Stra-
Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990        tegie zur Anpassung an den Klimawandel“.
zu erreichen. Dies nicht allein vor dem
                                              Hamburg richtet seinen Blick aufgrund sei-
Hintergrund, CO2-Emissionen zu reduzie-
                                              ner räumlichen Lage im tidebeeinflussten
ren, um dem weltweit fachwissenschaftlich
                                              Bereich der Elbe und seinem hohen Anteil
und politisch gesetzten Ziel näher zu kom-
                                              an Stadtfläche im generell überschwem-
men, die Erderwärmung bis 2050 auf 2 Grad
                                              mungsgefährdeten Marschgebiet frühzeitig
zu begrenzen, sondern auch um wertvolle
                                              auch auf das Thema Anpassung an den Kli-
Rohstoffe wie Mineralöl und Erdgas be-
                                              mawandel (Adaptation). Aktivitäten hierzu
wusster und nachhaltiger als bisher zu ver-
                                              werden jedoch in diesem Beitrag nur am
brauchen.
                                              Rande aufgegriffen.
Hamburg hat sich 2007 entschlossen, Kli-
maschutz (Mitigation) sofort und ohne
strategische Vorplanung zu betreiben. Dazu    2 Hamburgisches
hat die Stadt das Hamburgische Klima-           Klimaschutzkonzept
schutzkonzept beschlossen und schreibt es
seitdem jährlich fort. In der kurzen Phase    Hamburg hat sich 2007 ein zunächst bis
der Konzepterarbeitung hat sich 2007 der      2012 reichendes Klimaschutzkonzept ver-
Klimaschutzgedanke in der gesamten ham-       ordnet. Es wurde mit jährlichen Fördermit-
burgischen Verwaltung ausgebreitet, da alle   teln von 25 Mio.  € versehen, deren Vergabe
dort gefragt waren, Maßnahmen für den         von der ebenfalls neu geschaffenen Leit-
Klimaschutz aus ihrem Tätigkeitsbereich       stelle Klimaschutz koordiniert wird. Über
zu benennen und in der darauf folgenden       das kurzfristige Ziel hinaus hat sich der
Umsetzungsphase zu betreuen. Auf diese        Hamburger Senat das Ziel gesetzt, die CO2-
Weise wurden sehr unterschiedliche Projek-    Emissionen bis 2020 um 40 % und bis 2050
te benannt. Sie betreffen die unterschied-    um 80 % zu reduzieren, ausgehend vom Re-
lichsten Ebenen verwaltungsbehördlichen       ferenzjahr 1990 (Abb. 1). Die zunächst recht
Handelns und ermöglichen Kooperationen        kurze Laufzeit des Konzepts bis 2012 war
mit verschiedenen Partnern wie bspw. Woh-     mit dem Ziel verbunden, im Vergleich zum
nungsbauunternehmen, Versorgungs- und         Referenzjahr bis 2012 durch unmittelbar
                                                                                              Dr. Maja Berghausen
Entsorgungsunternehmen, Industrie und         greifende Maßnahmen eine Reduktion der          Freie und Hansestadt Hamburg
Gewerbe oder auch Wissenschaft und For-       Hamburger CO2-Emissionen um 20 % zu             Amt für Landes- und
schung.                                       gewährleisten. Dies entspricht für den Zeit-    Landschaftsplanung
                                              raum 2007 bis 2012 einer Reduktion von 2        Postfach 112109
Im Folgenden werden einzelne Themenfel-                                                       20459 Hamburg
                                              Mio.  t CO2.
der aus dem Gesamtpaket der Einzelmaß-                                                        und andere
nahmen näher betrachtet. Der Fokus liegt      Die Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts           E-Mail: maja.berghausen@
                                                                                              harburg.hamburg.de
auf Projekten mit hoher Außenwirkung und      sollen dabei einen Beitrag von 550  000  t
stadträumlichem Bezug. Vorgestellt wer-       CO2 leisten. Die übrigen 1,5 Mio.  t CO2 sol-   und weitere Autoren
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
218                               Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

                                  Abbildung 1
                                  Hamburger CO2-Emissionen und Reduktionsziele 2012, 2020 und 2050

                                  Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg 2012

                                  len vor allem durch Beiträge der Industrie       Bewährtes konsolidieren und Neues fördern
                                  (500  000  t CO2) und durch Auswirkungen
                                                                                   Das Hamburger Klimaschutzkonzept konn-
                                  von Maßnahmen des Bundes erreicht wer-
                                                                                   te auf bestehenden Initiativen aufbauen.
                                  den (Abb. 2). Mit der Industrie wurden dazu
                                                                                   Schon seit 1998 gibt es umfangreiche Pro-
                                  Selbstverpflichtungserklärungen sowie die
                                                                                   gramme zur Förderung und Qualifizierung
                                  Aktion „Unternehmen für den Ressourcen-
                                                                                   des Handwerks (Initiative Arbeit und Klima-
                                  schutz“ abgeschlossen (siehe Kap. 3 und
                                                                                   schutz) und zur Energieeffizienz in Betrie-
                                  4). Zur Jahresmitte 2011 ergibt sich das Bild,
                                                                                   ben (Unternehmen für Ressourcenschutz)
                                  dass sowohl die Vorgaben für das Klima-
                                  schutzkonzept als auch die Selbstverpflich-      sowie Förderprogramme für Solarthermie
                                  tungen der Hamburger Industrie voraus-           und Photovoltaik. Diese bestehenden Pro-
                                  sichtlich erreicht werden können.                gramme sind Teil des Klimaschutzkonzepts
                                                                                   und werden aus Klimaschutzmitteln nach
                                                                                   Bedarf aufgestockt. Gleichzeitig fördert das
                                                                                   Klimaschutzkonzept vorrangig Initiativen,
Abbildung 2                                                                        die noch nicht marktreif sind oder Pilotfunk-
Hamburger CO2-Einsparpotenziale bis 2012
                                                                                   tion besitzen – etwa eine Algenversuchsanla-
                                                                                   ge oder Projekte der Elektromobilität.

                                                                                   Fördereffizienz und Monitoring
                                                                                   In der Regel werden Maßnahmen nur an-
                                                                                   teilig aus Klimaschutzmitteln gefördert.
                                                                                   Beobachtbar und nachweislich setzen die
                                                                                   Förderungen aus Klimaschutzmitteln In-
                                                                                   vestitionen in bis zu dreifacher Höhe frei.
                                                                                   Dies gilt für den privatwirtschaftlichen Be-
                                                                                   reich wie für die privaten Haushalte. Die
                                                                                   bis Ende 2012 vermutlich geflossenen 140
                                                                                   Mio.  € an Klimaschutzmitteln werden daher
                                                                                   im Sechsjahreszeitraum von 2007 bis 2012
                                                                                   zusätzliche Klimaschutzinvestitionen von
                                                                                   etwa 400 Mio.  € bewirkt haben.
                                                                                   Wie viele CO2-Emissionen dadurch einge-
                                                                                   spart wurden, ist abhängig von der Art der
Quelle: Wuppertal Institut 2011                                                    geförderten Maßnahmen und der Nach-
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2012                                                                                                                                   219

steuerung im laufenden Programm. Seit          Abbildung 3
2009 wird das Klimaschutzkonzept in Zu-        Geplante sektorenbezogene Mittelverteilung für das Hamburger
                                               Klimaschutzkonzept 2011
sammenarbeit mit dem Wuppertal Institut
durch ein CO2-Monitoring begleitet. Dies                                      Evaluierung und
ermöglicht eine zeitnahe Evaluierung der                                           Monitoring        Noch nicht
                                                                                        7,1 %        belegt 0,01 %
Fördereffizienz.                                                         Forschung
                                                                             2,1 %
Dem Hamburger Landesparlament wird                                Bewusst-
                                                                                                                            Energie 19,2 %
                                                               seinsbildung
seit 2008 in einer jährlichen Drucksache ein                         8,2 %
umfangreicher Rechenschaftsbericht vor-                    Klimafolgen-
gelegt. Ein Download ist in der jeweils ak-                management
                                                                 1,9 %
tuellen Fassung unter www.klima.hamburg.
                                                       Natio. und
de möglich. Unter der gleichen Adresse fin-             internatio.
                                                    Kooperationen
det sich ein von der Leitstelle Klimaschutz                 1,3 %
entwickeltes „Rechentool zur Ermittlung
des Effekts von Klimaschutzmaßnahmen“.               Wirtschaft und
                                                    Anlagentechnik
Fachanwender in Behörden, Institutionen                       11 %
und Unternehmen können damit auf eine                                                                                    Gebäude 32,2 %
schnelle und einfache Art Fragen zur Ein-
sparung von Treibhausgasen, vornehmlich                          Mobilität 17,0 %
von CO2 beantworten.
                                               Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg 2012
Grundstruktur und Art der Maßnahmen
                                               Beispiele für projektbezogenes Fördervolumen von 2008–2012
Das Hamburger Klimaschutzkonzept ver-
                                               Sektor                               Maßnahme                          Förder­        CO2-
folgt den Ansatz, eine Top-down-Zielset-                                                                             volumen        wirk­sam
zung durch einen Bottom-up-Prozess zu                                                                                  in €®
unterstützen. Die Zielsetzung ergibt sich      Wirtschaft und
                                                                    Erneuerung Beleuchtung Deichtorhallen             300  000         ja
aus der fachwissenschaftlich und zugleich      Anlagen­technik
                                               Mobilität            Umsetzung der Radverkehrsstrategie               7 600  000        ja
politisch gesetzten Notwendigkeit, die Erd­
                                                                    Förderung energieeffizienter
erwärmung bis 2050 auf 2 Grad zu begren-                            NichtWohngebäude und Klima-
                                               Gebäude                                                                700  000         ja
zen. Die Maßnahmen des Klimaschutzkon-                              Modellquartiere (Wohnen, Büro, Logistik,
                                                                    Gewerbe)
zepts nehmen Initiativen aus Behörden und
                                               Energie              Solarpotenzialanalyse Hamburger Dächer            250  000         ja
der Gesellschaft auf und fördern sie anhand
der Parameter der vorgegebenen Zielset-        Koopera­tionen       Hamburg City Climate Conference 2009                80  000       nein
zung. Der Bereich Klimafolgenmanagement        Klima­folgen­        Machbarkeitsstudie Modellierung
                                                                                                                      100  000       partiell
                                               management           Stadtklima
ist lediglich durch kleinere Pilotprojekte
                                                                    Modellprojekt umweltverträgliche
vertreten. Strukturell ist das Klimaschutz-    Forschung                                                              200  000         ja
                                                                    Klimaanlage
konzept zurzeit auf den Klimaschutz ausge-     Bewusst­seins­
                                                                    Fifty-Fifty-Junior (Übertragung auf Kitas)        186  000       partiell
                                               bildung
richtet.
Gegenwärtig umfasst das Hamburger Kli-
maschutzkonzept rund 470 Maßnahmen.
                                               Im Durchschnitt der Förderjahre haben
Davon werden oder wurden rund 140
                                               rund 80 % der Maßnahmen eine direkte
Maßnahmen direkt aus Klimaschutzmit-
                                               und dauerhafte CO2-Reduktion zur Folge.
teln gefördert. Die anderen Maßnahmen,
                                               In Abbildung 3, die die Mittelverteilung für
an deren Zustandekommen die Leitstelle
                                               2011 aufzeigt, sind dies die Bereiche Wirt-
Klimaschutz häufig durch Netzwerkarbeit
                                               schaft und Anlagentechnik, Mobilität, Ge-
beteiligt war, sind ebenfalls aufgeführt, um
                                               bäude und Energie. Etwa 20 % der Mittel
eine Gesamtschau der Hamburger Klima-
                                               werden für Evaluierung und Monitoring,
schutzaktivitäten zu ermöglichen. Die An-
                                               Forschung, Klimafolgenmanagement, na-
tragsstellung erfolgt grundsätzlich durch
                                               tionale und internationale Kooperationen
eine der Hamburger Behörden, diese fun-
                                               und Bewusstseinsbildung ausgegeben.
gieren auch als Antragssteller für nicht-
behördliche Maßnahmen. Die Vergabe             Die Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts
erfolgt, sobald die beteiligten Behörden zu-   werden in erster Linie danach bewertet,
gestimmt haben, d.h. die Behörde für Stadt-    welche Kosten-Nutzen-Effizienz die einge-
entwicklung und Umwelt, die Senatskanzlei      setzten Mittel für die reale CO2-Reduktion
und die Finanzbehörde.                         haben. Dennoch ist der Bereich Bewusst-
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
220   Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

      seinsbildung am Mittelabfluss mit bis zu       über Selbstverpflichtungserklärungen der
      10 % beteiligt, da hierin ein notwendiger      Unternehmen konsequent und folgerichtig
      und ergänzender Baustein des Klima-            ist.
      schutzkonzepts gesehen wird. Die Zusam-
                                                     Ein großer Teil der CO2-Reduktion wird
      menstellung auf der vorherigen Seite stellt
                                                     in Zukunft durch nationale und europä-
      Beispiele geförderter Projekte vor. Die Ge-
                                                     ische Setzungen erzielt werden. So wird
      samtheit der Maßnahmen ist online unter
                                                     etwa ein CO2-freies europäisches Strom-
      www.klima.hamburg.de zu finden.
                                                     netz die Hamburger Emissionen um etwa
                                                     29 % senken. Die restlichen circa 50 % zur
                                                     Erreichung des 80 %-Ziels müssen aber im
      3 Die Hamburger CO2-Bilanz –
                                                     Bereich der nicht-elektrischen Energie vor
        Europa in einer Nussschale
                                                     allem im Gebäudebereich und durch ver-
                                                     trägliche Verkehrsabwicklung bewirkt wer-
      Einzelne europäische Städte und Regionen
                                                     den.
      weisen sehr ungleichgewichtige CO2-Bilan-
      zen auf. So hat in Oslo der Verkehrssektor     Hier ist die regionale Politik gefragt. Ham-
      einen Anteil von 65 % an den regionalen        burg bereitet daher einen Masterplan Kli-
      CO2-Emissionen, in Rotterdam machen die        maschutz vor, der in einem dialogischen
      Emissionen des industriellen Sektors wegen     Prozess zusammen mit der Hamburger
      der vielen Raffinerien 79 % der Gesamte-       Wirtschaft sowie Verbänden und Nichtre-
      missionen aus. Im Gegensatz dazu bewegt        gierungsorganisationen entwickelt werden
      sich die Struktur der Hamburger CO2-Bilanz     soll. Er wird den Rahmen setzen, die Stell-
      im europäischen Durchschnitt: Die Ener-        schrauben benennen und die notwendigen
      gieverbrauchssektoren halten sich mehr         Maßnahmenbereiche konkretisieren, die
      oder weniger die Waage (Abb. 4). Auf dem       sich in den Einzelmaßnahmen des Klima-
      Weg zu einer CO2-freien oder CO2-armen         schutzkonzepts und den restlichen Ham-
      Zukunft muss Hamburg in allen diesen Sek-      burger Klimaschutzaktivitäten widerspie-
      toren große Anstrengungen unternehmen,         geln werden. Diesen Masterplan mit der
      um die selbst gesetzten Ziele zu erreichen.    noch im Detail zu entwickelnden Hambur-
                                                     ger Anpassungsstrategie in Kohärenz zu
      Eine wichtige Erkenntnis ist dabei, dass er-
                                                     bringen, ist eine noch zu bewältigende Auf-
      folgreicher Klimaschutz nicht behördlich
                                                     gabe der kommenden Jahre.
      verordnet werden kann, sondern in einem
      interdependenten Prozess entwickelt wer-       Ebenso sind alle Aktivitäten zur Qualifizie-
      den muss. Angesichts des hohen Anteils         rung von Handwerkern Ausdruck dieser
      industrieller Emissionen an der Hambur-        Erkenntnis, wie auch der Wille, Bewusst-
      ger CO2-Bilanz zeigt sich, dass der Weg der    seinsbildung in der schulischen und außer-
      Kooperation mit der Hamburger Wirtschaft       schulischen Bildung dauerhaft zu fördern.
                                                     Nur wenn die regionalen Entscheider, das
                                                     Handwerk, der Dienstleistungsbereich und
      Abbildung 4                                    große Teile der Bevölkerung zu Trägern des
      Hamburger CO2-Bilanz 2008 im Vergleich zum     Klimaschutzgedankens werden, können die
      europäischen Durchschnitt 2005
                                                     Klimaschutzziele erreicht werden.

                                                     4 European Green Capital

                                                     Seit dem Jahr 2010 wird von der Europäi-
                                                     schen Kommission der Titel „Umwelthaupt-
                                                     stadt Europas“ an Städte in Europa verge-
                                                     ben. Kriterien bei der Auswahl sind sowohl
                                                     bereits umgesetzte Projekte und damit ein-
                                                     hergehend aktuell hohe Umweltstandards
                                                     als auch langfristige Visionen und ambitio­
                                                     nierte Ziele für die Zukunft. Die Jury be-
                                                     scheinigte der Stadt Hamburg „exzellente
                                                     Umweltstandards auf der ganzen Bandbrei-
      Quelle: CURE/Hamburg 2011                      te“ und „ehrgeizige Pläne für die Zukunft,
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2012                                                                                                               221

die zusätzliche Verbesserung versprechen“
und setzte sie an die Spitze der 35 Bewerber.
Höchstwertungen erzielte die Hansestadt
dabei in den Bereichen Klimaschutz, Ab-
wasser und Verwaltung.
Ein wichtiges Instrument für den Klima-
schutz ist in diesem Zusammenhang das
Partnerschaftsprogramm       „Unternehmen
für Ressourcenschutz“. Dessen Ziel ist es,
Unternehmen zu motivieren, freiwillig in
Maßnahmen für mehr Energie- und Res-
sourceneffizienz zu investieren. In der Sum-
me investierten Hamburger Unternehmen
im Rahmen des Programms rund 274 Mio.  €
in Maßnahmen. Dadurch werden jährlich
rund 219  000 Tonnen CO2-Emissionen und
26  
   400 Tonnen Abfälle vermieden sowie
757  900 m3 Trink-/Grundwasser eingespart.
                                                 Luftbild Hamburg
Die Branche der erneuerbaren Energien
                                                                                  Quelle: www.mediaserver.hamburg.de/B. Kuhn
entwickelt sich in Hamburg doppelt so
schnell wie im bundesdeutschen Schnitt.
Um die Zusammenarbeit in der Branche             selnde Themenausstellungen beherbergt,
                                                 fanden über 500 Veranstaltungen und etwa
zu stärken und zu fördern, wurde 2009 das
                                                 80 Umwelttouren statt. Ein wesentliches
Netzwerk Erneuerbare Energien Hamburg
                                                 Ziel der Umwelthauptstadt war und ist es,
(EEHH) gegründet, das die Kompetenzen
                                                 die Hamburger und Hamburgerinnen in
der Unternehmen, Forschungseinrichtun-
                                                 den Umwelt-/Klimaschutz der Stadt einzu-
gen und Institutionen der regenerativen
                                                 binden.
Energiewirtschaft bündeln und die Schnitt-
stellen zu anderen Branchen fördern soll,         Überwältigende Resonanz fand die Aktion
z. B. im Bereich neuer Werkstoffe und Mate-      „Mein Baum – Meine Stadt“. Ziel der Aktion
rialien. Inzwischen sind am Standort Ham-         war es, auf einen Schlag sämtliche Straßen-
burg mehr als 100 Unternehmen insbeson-           baumlücken zu schließen, die in den ver-
dere aus den Bereichen Wind, Solar und            gangenen Jahren in Hamburg entstanden
Biomasse vertreten.                               sind. Die Stadt selbst machte den Anfang
                                                  und pflanzte die ersten 2011 Bäume. Die
Zugleich zeigte der Wettbewerb, wo es für
                                                  Hamburgerinnen und Hamburger waren
Hamburg noch Spielraum für Verbesse-
                                                  aufgerufen, mittels Spenden alle weiteren
rungen gibt. In der Stadt leben fast 1,8  Mio.
                                                  Lücken im Straßenbaumbestand zu schlie-
Menschen, täglich pendeln mehr als
                                                  ßen. Das Besondere dabei: Die Spender
300  000 Menschen zur Arbeit in die Stadt.
                                                  konnten für ihren Baum der Wahl spenden,
Hamburg beheimatet Europas drittgrößten
                                                  indem sie auf veröffentlichten Baumkatas-
Hafen und mehr als 500 Industriebetriebe,
                                                  terkarten selbst wählten, für welchen kon-
darunter die größte Kupferschmelze Euro-
                                                  kreten Standort sie spenden möchten. Die
pas. Als traditioneller Industriestandort ist
                                                  Stadt Hamburg unterstützt die Aktion zu-
Hamburg keineswegs ein Ökoparadies, in
                                                  sätzlich dadurch, dass sie für jeden Baum,
dem alle Umweltprobleme bereits gelöst
                                                  der die Spendensumme von 500  € erreicht
sind. Vielmehr zeigen sich dort die ver-
                                                  hat, noch einmal die gleiche Summe auf-
schiedensten Facetten der europäischen
                                                  brachte und damit die Baumpflanzung ga-
Umweltpolitik vom Klimaschutz über die
                                                  rantierte.1 Ein kleiner Baustein für den Kli-
Luftqualität bis zum Naturschutz.
                                                  maschutz, denn die Aktion war ein Erfolg:
                                                                                                  (1)
                                                  Alle zur Verfügung stehenden Standorte der      Im Durchschnitt kostet ein
Programm und Aktionen in Hamburg                                                                  Baum 1 000 €. Den Löwenan-
                                                  Straßenbäume konnten nachgepflanzt wer-
                                                                                                  teil dieser Kosten macht die
Im Umwelthauptstadtjahr 2011 wurde den            den. Ingesamt hatten die Hamburgerinnen         Vorbereitung aus, darunter u.a.
Bürgern ein vielfältiges Programm geboten.        und Hamburger knapp 300  000  € gespendet       der Einsatz des Kampfmittel-
                                                                                                  räumdiensts und der Einsatz
Neben einem Infopavillon am Hauptbahn-            und damit die Pflanzung von zusätzlich fast     von Baumpfählen und Baum-
hof, der eine interaktive Dauer- und wech-        600 Bäumen ermöglicht. Sämtliche Spen-          schutzbügeln.
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
222                            Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

                                                   Der Zug der Ideen bereiste 2011 18 Städte in 17 europäischen Ländern
                                                                                   Quelle: Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt

Straßenbaum in Hamburg
 Quelle: Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt                                  Verantwortung die Städte in Bezug auf den
                                                                                  Klimawandel besitzen und wie wichtig es
                               dengelder waren dabei ausnahmslos für die          ist, sich untereinander zu vernetzen und
                               Bäume und die Pflanzarbeiten verwendet             zusammenzuarbeiten.
                               worden. Die Stadt hat ihre 2011 Bäume vor
                               allem in den Stadtteilen gepflanzt, in denen       Die Besucher haben die Ausstellung mit
                               das Spendenaufkommen geringer war.                 eigenen Ideen bereichert. Die im Zug vor-
                                                                                  gestellten Best-Practice-Projekte konnten
                               Zug der Ideen                                      bewertet werden. Jede und jeder war ein-
                                                                                  geladen, eigene Visionen für die Städte
                               Das Umwelthauptstadtjahr wurde auch als            der Zukunft kundzutun. So wünschte sich
                               Chance verstanden, mit den Bürgern der             Georg aus Wien „eine ernst gemeinte Ver-
                               Stadt und anderen europäischen Städten in          kehrspolitik. Die öffentlichen Verkehrsmit-
                               einen konstruktiven Dialog zu treten. Mit          tel müssen so attraktiv und auch günstig
                               dem „Zug der Ideen“ hat Hamburg eine               gemacht werden, dass das Fahren mit dem
                               rollende Ausstellung entwickelt, die im            Pkw absurd erscheint“. Bedo aus Brüssel
                               Umwelthauptstadtjahr 2011 in 18 verschie-          möchte „nur noch Elektro-Autos inkl. Car-
                               denen europäischen Städten Halt gemacht            Sharing, bessere Radwege, Solaranlagen für
                               hat, darunter Kopenhagen, Tallinn, Zürich,         nahezu alle Häuser und Recycling und Wie-
                               Wien und Paris. In sieben Containern wur-          derverwertungen in vollen Zügen“, wäh-
                               den die interaktive Ausstellung „Visionen          rend Theo aus München schlicht „Mehr
                               für die Städte der Zukunft“ und verschie-          Bäume!“ fordert und Hans aus Oslo „Mehr
                               denste Best-Practice-Projekte aus den Tour-        Zusammenhalt!“.
                               städten vorgestellt. Die Besucher konnten
                               virtuell eine Stadt nach ihren Wünschen
                               kreieren, beim Wandmemory vom Ausster-             5 Klimaschutz in der
                               ben bedrohte Tierarten kennenlernen und              Stadtentwicklung
                               individuell auf sie abgestimmte CO2-Tipps
                               erhalten.                                          Die integrative Stadtentwicklung bietet vie-
                               Ziel der interaktiven Ausstellung war, Fra-        le Möglichkeiten für aktiven Klimaschutz
                               gen zu beantworten und neue zu stellen.            auf unterschiedlichen Maßstabsebenen.
                               Sie veränderte den Blickwinkel von der             Nachfolgende Themenfelder haben aus
                               ganz persönlichen über die lokale bis hin          Sicht der Stadtentwicklung eine große Wir-
                               zur globalen Perspektive: Es wurde aufge-          kung und sollen daher hier vertieft werden:
                               zeigt, was jeder einzelne europäische Bür-        • Innenentwicklung und Verdichtung und
                               ger in Sachen Klima- und Umweltschutz               Schutz von Freiflächen und städtischem
                               tun kann, und aufgegriffen, welch große             Grün
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Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2012                                                                                       223

• Sanierung und energetische Ertüchtigung          raum“ entwickelt. Es ist beabsichtigt, die
  des Bestands                                     Freiraumqualität und -versorgung zu ver-
                                                   bessern und zukunftsfähig auszurichten.
• Versorgungsnetze
                                                   Bauliche Verdichtung soll stets mit einer
• nach Möglichkeit hohe Baustandards               das Klima begünstigenden, kompensieren-
  und eine effiziente Energie- und Wärme-          den Grün- und Freiraumplanung einherge-
  versorgung beim Neubau                           hen. Die Verdichtung der Stadt wird so von
                                                   einer nutzungs- und bedarfsgerechten Auf-
• umweltfreundliche      und    Klimaschutz-
                                                   wertung vorhandener und der Schaffung
  taugliche Mobilität.
                                                   neuer Grünanlagen und Freiräume in Ver-
                                                   bindung mit einem Investitionsprogramm
Bündnis für das Wohnen und
Qualitätsoffensive Freiraum                       „Grün“ begleitet. Die für die Umsetzung des
                                                   Programms verantwortlichen sieben Bezir-
Der Hamburger Senat hat sich für diese Le-         ke Hamburgs haben bereits begonnen, für
gislaturperiode das hohe Ziel gesetzt, den         verdichtete Stadtquartiere räumliche Qua-
jährlichen Baubeginn von 6  000 Wohnun-            lifizierungsstrategien zu erarbeiten. Ziel ist
gen zu erreichen. 2  000 davon sollen geför-       u. a. die Entwicklung einer gemeinsamen
derte Sozialwohnungen sein. Über die Pri-          Zielvereinbarung („Freiraumcharta“) ge-
orität zur Innenentwicklung gibt es einen          meinsam mit der Wohnungswirtschaft und
breiten politischen Konsens. Die energieef-        Bürgerinnen und Bürgern.
fiziente Stadt ist nicht zuletzt eine Stadt der
kurzen Wege. Der Senat setzt auf Koopera-         Klimaschutz-Förderprogramme der Ham-
tion und Zusammenarbeit mit den Bezir-            burgischen Wohnungsbaukreditanstalt WK
ken und der Wohnungswirtschaft und hat
                                                  Bereits seit 2008 wird in Hamburg der Neu-
zu diesem Zweck im September 2011 eine
                                                  bau von hochenergieeffizienten Wohn-
Vereinbarung „Bündnis für das Wohnen“
                                                  gebäuden durch die Hamburgische Woh-
verfasst. Beteiligt sind Senat, Bezirke, Woh-
                                                  nungsbaukreditanstalt WK mit großem
nungswirtschaft und Hamburger Mieterver-
                                                  Erfolg gefördert. Bis heute wurden von der
einigungen.
                                                  WK rund 9     000 Wohneinheiten (alle mit
Bestandteil des „Bündnisses für das Woh-          Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung)
nen“ sind auch Vereinbarungen zum Kli-            durch Zuschüsse gefördert, darunter rund
maschutz. Zu deren Erreichung sollen im           500 Wohneinheiten im Passivhausstandard.
Interesse einer sozialverträglichen Mieten-       Damit wurde ein großer Beitrag geleistet,
gestaltung neben der Energieeinsparung            um die neuen Technologien auf Seiten der
geeignete Maßnahmen der Effizienzsteige-          Hamburger Bauherren, Planer und ausfüh-
rung sowie der verstärkte Einsatz regene-         renden Handwerksfirmen bekannt zu ma-
rativer Energien gleichberechtigt forciert        chen und zu etablieren.
werden. Ziel ist es, die durchschnittlichen
                                                  Der zweite Schwerpunkt der WK-Förderung
jährlichen Endenergieverbräuche ohne
                                                  zum Klimaschutz liegt auf der energeti-
Warmwasser bis 2020 auf 133 kWh/m2
                                                  schen Modernisierung von Wohngebäuden.
Wohnfläche in den Beständen zu verringern
                                                  Hier wird durch ambitionierte Anforderun-
und den jährlichen CO2-Ausstoß im glei-
                                                  gen in den Förderprogrammen mit dazu
chen Zeitraum auf 25 kg/m2 Wohnfläche zu
                                                  beigetragen, dass die Hamburger Klima-
senken. Altbauten, insbesondere der Baual-
                                                  schutzziele für den Gebäudesektor erreicht
tersklasse vor 1918, besondere Wohnungs-
                                                  werden können. In Einzelfällen wurde sogar
bestände sowie Eigentumswohnungen wer-
                                                  bereits der seit 2010 gesondert geförderte
den davon abweichend einer gesonderten
                                                  Passivhausstandard im Bestand umgesetzt.
Betrachtung unterzogen. Ein- und Zweifa-
                                                  Darüber hinaus wird durch die Definition
milienhäuser sind nicht Gegenstand des
                                                  der Anforderungen auch sichergestellt, dass
Bündnisses. Die Bündnispartner werden
                                                  durch die energetische Modernisierungs-
die Ziele des Bündnisses im Jahr 2014 eva-
                                                  maßnahme für Mietwohnungen immer
luieren.
                                                  auch eine nennenswerte Reduzierung des
Um trotz zunehmender Verdichtung die              Endenergiebedarfs, verbunden mit einer
Wohn- und Lebensqualität zu erhalten und          entsprechenden Reduzierung der Betriebs-
zu verbessern, wird aktuell der strategische      kosten für die Mieter erreicht wird. Da die
Planungsansatz „Qualitätsoffensive Frei-          Zuschüsse direkt den Mietpreis dämpfen,
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
224   Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

      hat die Förderung auch eine starke sozia-      Ein zweites Betätigungsfeld wird sein, die
      le Komponente. Seit Einführung des För-        erneuerbaren Energien im Strom- und Wär-
      derprogramms im Jahr 2005 wurden über          memarkt auszubauen. Dazu wird die Stadt
      34  
         000 Mietwohnungen im Rahmen der             geeignete Standorte zur Verfügung stellen,
      WK-Förderung umfassend energetisch mo-         eine diskriminierungsfreie Einbindung
      dernisiert.                                    ermöglichen und durch eine begleitende
                                                     Cluster- und Standortpolitik sowie Ange-
      Die Förderzuschüsse, insbesondere im Be-
                                                     bote zur Bürgerbeteiligung ein Klima in der
      reich der energetischen Modernisierung,
                                                     Stadt schaffen, das diesen Prozess befördert.
      lösen durchschnittlich eine achtfach hö-
      here Gesamtinvestition aus, wodurch eine       Der Senat fördert mit „Hamburg Energie“
      entsprechend große Nachfrage bei der           die Produktion und kurzfristige Bereitstel-
      Hamburger Bauwirtschaft entsteht.              lung von erneuerbaren Energien für Ver-
                                                     braucherinnen und Verbraucher.
      Entwicklungen im Bereich der                   Die dritte Säule der Energiewende Ham-
      Energieversorgung und Netzstruktur             burgs ist die Aufgabe, Erzeugungs- und
      Die beispielgebenden strukturellen Verän-      Netzstrukturen so umzubauen, dass sie
      derungen der Energieversorgung im IBA-         den Erfordernissen einer zukünftigen, weit-
      Gebiet und der HafenCity (siehe unten)         gehend regenerativen Energieversorgung
      sind als Beitrag zur Einsparung von CO2-       entsprechen. Um einen Einfluss auf die
      Emissionen Vorbild für die Gesamtstadt.        Entwicklung der Energieversorgung zu ge-
      Maßnahmen in der Gesamtstadt haben al-         winnen, hat der Senat beschlossen, einen
      lerdings eine weitaus größere Dimension.       strategischen Anteil von mindestens 25,1 %
      Nicht nur die dafür erforderlichen Maßnah-     der Netze für Gas, Strom und Fernwärme zu
      men und finanziellen Mittel müssen ver-        erwerben. Dazu hat die Stadt Verhandlun-
      vielfältigt, sondern es muss auch ein deut-    gen mit Vattenfall und EON aufgenommen.
      lich größerer Kreis von beteiligten Akteuren   Zur Erreichung der Klimaschutzziele will
      angesprochen und gewonnen werden. Es           Hamburg gemeinsam mit seinen Energie-
      gilt die Hamburger Wirtschaft in ihrer Ver-    versorgern zunehmend mehr emissions­
      schiedenartigkeit – vom Dienstleitungssek-     arme Brennstoffe und erneuerbare Ener-
      tor bis zum großen Industriebetrieb, Ge-       gieträger in der Fernwärmeerzeugung
      werbe,      Energieversorgungsunternehmen,     einsetzen und sicherstellen, dass mit er-
      Handwerk, Handel sowie die gesamte Woh-        neuerbaren Energien erzeugte Wärme
      nungswirtschaft – und auch Mieter, Hausei-     möglichst dezentral in die Fernwärmenetze
      gentümer und Verbände zu überzeugen.           eingespeist werden kann. Der Senat wird
                                                     in seinem Energiekonzept aber auch ein
      Um Leitlinien aufzuzeigen und mit den
                                                     besonderes Augenmerk auf Versorgungs-
      Bürgern zu diskutieren, arbeitet die Stadt
      daher an den konzeptionellen Grundlagen:       sicherheit und wettbewerbsfähige Strom-
      dem Masterplan Klimaschutz und dem             preise für die stromintensiven Hamburger
      Energie- und Wärmeversorgungskonzept.          Betriebe legen.
      In einer Bestandsaufnahme wurden hohe
      Energieverbräuche und Potenziale sinnvol-      Klima-Modellquartiere
      ler Energieeinsparung erfasst. Erforderlich    Grundgedanke der Klima-Modellquartiere
      sind Analysen, wie sich der Energiebedarf      ist, ambitionierte Projekte zum Thema Kli-
      dieser Stadt entwickeln wird. Es ist zu klä-   maschutz im Hamburger Stadtgebiet zu be-
      ren, welche Potenziale an Abwärme und          nennen, die weiteren Projekten hinsichtlich
      regenerativen Energien auf dem Stadtgebiet     der hier gewonnen Erkenntnisse und Erfah-
      und in der Metropolregion zur Verfügung        rungen „Modell“ stehen können. Es ist nicht
      stehen und wie diese wirtschaftlich genutzt    Absicht, eine Best-Practice-Sammlung zu
      werden können. Die Arbeiten zum Master-        erstellen, sondern es soll eine strategische
      plan Klimaschutz haben aufgezeigt, dass        Arbeit über das gesamte Stadtgebiet Ham-
      wesentliche Einsparpotenziale – wie auch       burgs sein, die auf den vorhandenen Sied-
      in anderen Großstädten – im Bereich des        lungs- und Infrastrukturen aufbaut und
      Gebäudebestands, der Energieversorgung         unterschiedliche Quartiersgrößen erfasst.
      und beim Verkehr liegen.                       Quartiere bieten mehr Möglichkeiten als
                                                     Gebäude, da sie größer und facettenreicher
                                                     sind und verknüpfende Konzepte wie bei-
Hamburg - Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt - BBSR
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Heft 5/6.2012                                                                                                            225

spielsweise die Wärmeversorgung eines Be-      6 HafenCity Hamburg: Verknüpfung
standsquartiers aus industrieller Abwärme        von Urbanität und ökologischer
ermöglichen. Die Klima-Modellquartiere           Nachhaltigkeit
bieten die Möglichkeit, die Initiativen des
Hamburger Senats zum Thema Klima auch          Die HafenCity entsteht als Erweiterung der
in der Stadtfläche zu dokumentieren und        Hamburger Innenstadt direkt am Ufer der
Breitenwirkung zu erzielen.                    Elbe. Im Rahmen eines Entwicklungsraums
Die Klima-Modellquartiere                      von etwa 25 Jahren werden dort schließlich
                                               etwa 12   000 Bewohner und etwa 45       000
• bilden unterschiedliche räumliche Lagen      Beschäftigte leben und arbeiten. Dicht ge-
  in der Stadt ab (z. B. Innenstadt, Randge-   mischt und in enger Verknüpfung mit Ein-
  biet, verdichtete und locker bebaute Ge-     kaufsmöglichkeiten, Kultur-, Bildungs- und
  biete, Standorte in der Marsch und auf       Wissenschaftseinrichtungen         entstehen
  der Geest),                                  Wohnen und Arbeiten. Hinzu kommt ein
• erfassen unterschiedliche Nutzungen          hoher Anteil an differenziert ausgebildeten
  und Dichten in der Bebauung ( z. B. Woh-     öffentlichen Räumen: als Promenaden ent-
  nen (Geschosswohnungsbau, Einzelhaus-        lang der Hafenbecken, als Plätze am und
  bebauung), Büronutzungen, Gewerbe-/          auf dem Wasser oder als Grünflächen oder
  Industrienutzungen    (Logistikstandort,     Parks. Mit diesen neu geschaffenen Orten
  produzierendes Gewerbe)), Mobilität (z. B.   am Wasser schafft die HafenCity urbane
  autoarmes Wohnen) und                        Räume jenseits ausschließlich kommerziell
                                               geprägter Nutzungen. Gleichzeitig entwi-
• thematisieren Aspekte des Neubaus und        ckelt sie hohe Standards für eine ökologisch
  der Bestandssanierungen.                     nachhaltige Stadtentwicklung.
Vor diesem Hintergrund wurden 19 Klima-        Die zehn Quartiere der HafenCity werden
Modellquartiere ausgewählt, die federfüh-      in ihren urbanen Nutzungen kleinteilig
rend durch die sieben Bezirke entwickelt       gemischt sein, unterscheiden sich jedoch
werden. Sie befinden sich alle in der Pla-     bezüglich ihrer Dichte und ihren Nutzungs-
nungsphase und werden mit Mitteln aus          schwerpunkten. Dies war bereits 2000 we-          (2)
                                                                                                 Der auf Grundlage des im in-
dem Hamburger Klimaschutzkonzept un-           sentlicher Bestandteil der städtebaulichen        ternationalen städtebaulichen
terstützt. Inhaltliche Schwerpunkte sind       und programmatischen Konzeption des               Ideenwettbewerb 1999 siegrei-
neben der Umsetzung hoher energetischer                                                          chen städtebaulichen Entwurfs
                                               Masterplans für die HafenCity.2 Zusam-            von Kees Christiaanse und
Gebäudestandards (z. B. Passivhausstan-        men mit ihren spezifischen Lagequalitäten         hamburgplan weiterentwickel-
dard) und der Nutzung erneuerbarer Ener-                                                         te Masterplan wurde im Jahre
                                               (an der Elbe, an einem Hafenbecken oder           2000 durch die hamburgische
gien (z. B. Geo- und Solarthermie) auch        mit direktem Bezug zur Innenstadt) bilden         Bürgerschaft beschlossen.
Energiegewinnung aus Schwarzwasser,
nachhaltige Bauweise und dezentrale Ent-
                                               Abbildung 5
wässerungskonzepte. Unter den 19 Klima-
                                               Handlungsfelder ökologischer Nachhaltigkeit in der HafenCity
Modellquartieren befinden sich auch zwei
Logistikprojekte, die von der Logistik-Ini­
tiative Hamburg unterstützt werden (AK
Nachhaltigkeit 2010).
In einem der Klima-Modellquartiere wird
erstmals eine stadtklimatische Simulation
der Veränderung durch die geplante Bebau-
ung mit Hilfe eines GIS-gestützten Modells
durchgeführt. Ziel ist es, für den noch fol-
genden freiraumplanerischen Wettbewerb
für das Plangebiet Vorgaben zu formulieren,
die zu einer Verbesserung des Stadtklimas
beitragen können ( z. B. Grünanteil, Grün-
verteilung, Durchlüftungsschneisen).

                                               Quelle: HafenCity Hamburg GmbH; Bruns-Berentelg 2010
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226   Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

      die Quartiere jeweils ganz unterschiedli-        Die HafenCity wird sowohl mit Haltestellen
      che Identitäten aus. Die meisten Gebäu-          bestehender U-Bahnlinien als auch der neu
      de weisen 5 m hohe Erdgeschosse auf, die         geschaffenen U-Bahn-Anbindung U4, die
      dadurch eine langfristige Transforma­            im Herbst 2012 eröffnet werden soll, sehr
      tionsfähigkeit und Nutzungsflexibilität er-      leistungsfähig in das öffentliche Nahver-
      möglichen und die unterschiedlichsten öf-        kehrssystem integriert. Buslinien auf der
      fentlichkeitsbezogenen Nutzungen in Form         Landseite und Fährverbindungen auf der
      von Läden, Restaurants, Dienstleistungsan-       Wasserseite vervollständigen das öffentli-
      geboten oder öffentlichen Einrichtungen          che Verkehrsangebot. Ein dichtes Netz von
      aufnehmen. In den oberen Geschossen              Rad- und Fußwegen mit insgesamt etwa
      befinden sich in der Regel Wohnnutzungen         30 km Länge durchzieht die HafenCity.
      oder Büros, in manchen Gebäuden auch             Die Wegemöglichkeiten für Fußgänger in
      beide Nutzungen gemeinsam.                       der HafenCity sind vielfältig und attraktiv,
                                                       wodurch der Anreiz steigt, auch die Wege
       Mit der Ausbildung einer geeigneten Stadt-
                                                       zwischen HafenCity, Speicherstadt und In-
       struktur lassen sich bereits zu Beginn sehr
                                                       nenstadt ohne Auto zu bewältigen. Über
       viele Parameter einer nachhaltigen Stadt-
                                                       150  000 Arbeitsplätze können aus der Ha-
       entwicklung entscheidend beeinflussen.
                                                       fenCity in weniger als 20 Minuten Fußweg
       2007 fragte Gert Held in einem Beitrag der
                                                       erreicht werden.
      „Welt“: „Was nützt ein Nullenergiehaus,
       wenn es flächenfressend in der Landschaft       Ging es zu Beginn der Entwicklung der Ha-
       steht und neue Wegeaufwände nach sich           fenCity um die Konversion und ökologische
       zieht?“ (Held 2007) In der Nachhaltigkeits-     Aufwertung eines zentral gelegenen, jedoch
       betrachtung der HafenCity nimmt der Be-         weitgehend versiegelten ehemaligen Ha-
       griff der Ökodichte einen wichtigen Stel-       fenareals mit zum Teil kontaminierten Bo-
       lenwert ein. Er verknüpft die Aspekte von       denflächen und um den Aufbau einer viel-
       dichter Stadtstruktur, attraktiv ausgestalte-   fältigen Nutzungsmischung in einer neuen
       ter öffentlicher Nahverkehrsmobilität und       Stadt der kurzen Wege, folgten im Laufe
       direkt damit verbundenen Naherholungs-          der weiteren Planung die Entwicklung ei-
       räumen.                                         ner energieeffizienten, klimaschonenden
                                                       Wärmeversorgung und – als Vorreiter in
      Der Begriff der „Ecodensity“ wurde 2006
                                                       Deutschland – die Entwicklung einer nach-
      von Sam Sullivan, dem damaligen Bürger-
                                                       haltigen Gebäudezertifizierung.
      meister der kanadischen Stadt Vancouver,
      als programmatische Metapher geprägt.
                                                       Wärmeversorgung: neue Verfahren und
      Ökodichte will über innere Verdichtung
                                                       nachhaltige Versorgungskonzepte
      den ökologischen Fußabdruck einer Stadt
      verkleinern: Durch die Schaffung kürzerer        In der HafenCity wird die Wärmeenergie-
      Wege für Bewohner und Beschäftigte sollen        versorgung für alle Gebäude zentral durch
      Autofahrten reduziert oder durch das Um-         CO2-reduzierende, nachhaltig angelegte
      steigen auf andere Verkehrsmittel (U-Bahn,       Konzepte sichergestellt. Bei der Umsetzung
      Bus, Fahrrad oder zu Fuß) gar überflüssig        der Versorgungsidee wurden für die Stadt
      werden. Die resultierenden CO2-Emissio-          Hamburg neuartige Verfahrenswege be-
      nen können so erheblich gemindert wer-           schritten. Das Areal der HafenCity wurde im
      den. Gleichzeitig steigt dadurch die urbane      Hinblick auf den etwa 25-jährigen Entwick-
      Wohnqualität der Innenstadtbewohner. Die         lungszeitraum in zwei unterschiedliche Ver-
      HafenCity bildet einen städtebaulichen           sorgungsgebiete geteilt, jeweils mit einer
      Rahmen, der urbane Dichte und Nutzungs-          eigenen, zentral angelegten Wärmeener-
      vielfalt mit gut ausgebauter Nahverkehrs-        gieversorgung. Der Aufbau erfolgte zeitlich
      mobilität kombiniert und gleichzeitig eine       gestaffelt ab 2003 für die westliche und
      sich zum Wasser hin öffnende Stadtstruktur       ab 2011 für die östliche HafenCity. Beim
      ausbildet. In den Wohnquartieren der Ha-         Grundstückskauf verpflichten sich die je-
      fenCity wird eine hohe Dichte erreicht (in       weiligen neuen Eigentümer und Bauherren
      Form einer für europäische Verhältnisse ho-      zum Anschluss an das Versorgungssystem
      hen Geschossflächenzahl zwischen 3,5 und         und binden sich für einen Zeitraum von je-
      5,5), die durch die Abstand schaffenden          weils zehn Jahren an dieses Wärmenetz als
      Wasserflächen dennoch hohe Wohnqualitä-          Bezugsquelle. Ausnahmen von diesem An-
      ten bietet.                                      schlusszwang sind nur möglich, wenn der
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Bauherr eine noch emissionsärmere Wär-        Festsetzungen in Bebauungsplänen der
meversorgung nachweisen kann. Er pro-         HafenCity
fitiert neben der erzielten CO2-Reduktion     Unterstützend werden in den Bebauungs-
auch von den im Ausschreibungsverfahren       plänen der HafenCity textliche Festsetzun-
erreichten günstigeren Preiskonditionen.      gen getroffen, deren Rechtsgrundlage das
2003 wurde in einem europaweiten Con-         Hamburgische Klimaschutzgesetz ist. Ziel
tracting-Verfahren der Auftrag für die Wär-   ist eine ressourcenschonende und energe-
meversorgung des westlichen Stadtteils        tisch optimierte Beheizung der Gebäude
vergeben. Ein sich während der Versor-        bzw. Warmwasserversorgung. In der Fest-
gungslaufzeit dynamisch mit der techno-       setzung wird für die Beheizung und Bereit-
logischen Entwicklung auf maximal 175         stellung des Warmwassers verordnet, dass
g/kWh reduzierter Grenzwert von CO2-          neu zu errichtende Gebäude an ein Wärme-
Emissionen darf dabei nicht überschritten     netz anzuschließen sind, das überwiegend
werden. Dabei wurden die technischen Lö-      mit erneuerbaren Energien versorgt wird.
sungen, um dieses Ziel zu erreichen, den      Die Festsetzung konzentriert sich auf den
Bietern überlassen. Gegenüber einer auf       Anschlusszwang der neu erstellten Gebäu-
Einzelgebäude bezogenen, gasbetriebenen       de an ein durch Ausschreibung ausgewähl-
Wärmeversorgung lässt sich mit dieser über    tes klimafreundliches Wärmeversorgungs-
ein zentrales Versorgungsnetz erfolgenden     netz. Der Anschluss an das Wärmenetz
Wärmeversorgung, den Zielsetzungen der        muss im Bauantrag durch Vorlage eines
Bundesregierung aus den Vereinbarungen        Vertrags nachgewiesen werden. Die Festset-
des Kyoto-Protokolls folgend, der Schad-      zung des Bebauungsplans wird damit ver-
stoffausstoß allein schon um 27 % reduzie-    bindlich erfüllt.
ren. Als Grundversorgung sind die Gebäu-
de dabei an ein bestehendes (öffentliches)    Die Festsetzung schreibt vor, dass zum Be-
Fernwärmenetz angeschlossen; ergänzend        trieb des Wärmenetzes überwiegend er-
sind jedoch eine dezentrale Wärmeerzeu-       neuerbare Energien einzusetzen sind, um
gung mittels Brennstoffzellentechnik und      den Anteil dieser CO2-neutralen Wärme-
eine zumindest partielle Warmwasserver-       versorgungsart zum Schutz des Klimas zu
sorgung über solarthermische Nutzflächen      erhöhen. Erneuerbare Energien sind nach
auf den Dächern der Wohngebäude in das        §  2 Abs. 1 Satz 3 des Hamburgischen Kli-
Wärmeangebot integriert.                      maschutzgesetzes thermische Solaranlagen,
                                              Biomasseanlagen (Holzpellet- oder Holz-
Für die Wärmeversorgung der östlichen         hackschnitzelanlagen). Die Verordnung des
HafenCity wurde 2009 in einem weiteren,       Bebauungsplans in Verbindung mit dem
ähnlich organisierten Verfahren, das wie-     Hamburgischen Klimaschutzgesetz ist all-
derum europaweit und technologieoffen         gemein gehalten und schreibt diese An-
ausgeschrieben war, ein nochmals deutlich     forderung auch in die Zukunft fort. Läuft
herabgesetzter Grenzwert von 89 g CO2-
                                              der Vertrag mit dem derzeitigen Energie-
Ausstoß pro kWh erzeugter Energie erreicht.
                                              dienstleister aus oder wird gekündigt, gilt
Dies entspricht noch etwa einem Drittel
                                              die Anforderung auch für die jeweils neu
des gegenwärtigen CO2-Emissionswerts des
                                              abzuschließende Wärmeversorgung mit
bestehenden Hamburger Fernwärmenetzes.
                                              den jeweils aktuell fortgeschriebenen kli-
Das dafür ausgewählte Energiekonzept          maschützenden Zielen und Anforderun-
sieht ein Nahwärmeversorgungsnetz mit         gen. Die Festsetzung des Bebauungsplans
dezentralen Erzeugungseinheiten vor, die      erlaubt die Deckung der Spitzenlast auch
in der Grundversorgung ausschliesslich        mit nicht erneuerbaren Energieträgern, um
aus erneuerbaren Energieträgern beste-        auf diese Weise eine wirtschaftliche Aus-
hen: eine Biomethanbrennstoffzelle, eine      legung des Wärmenetzes zu ermöglichen.
Holzabfall-Verbrennungsanlage sowie Wär-      Ausnahmen von dem Anschlusszwang sind
mepumpen, die Elbwasser nutzen und de-        einzelfallbezogen bei besonderen Härten
ren Stromversorgung sich wiederum aus         möglich oder wenn rechnerisch nachge-
regenerativen Energien speist. Nur für die    wiesen wird, dass über einen erhöhten
Spitzenlasten werden ergänzend erdgasbe-      Wärmedämmstandard der Heizwärmebe-
feuerte Brennwert-Heizkessel zugeschaltet.    darf von 15 kWh/m² Nutzfläche nicht über-
                                              schritten wird. Gebäude dieses Standards
                                              entsprechen dem Passivhaus und können
228   Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

      ohnehin weitgehend heizungsfrei und ohne          zierung stand mit dem Gütesiegel für nach-
      Anschluss an ein Wärmenetz betrieben wer-         haltiges Bauen erst 2009 durch die Deut-
      den.                                              sche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
                                                        (DGNB) zur Verfügung, zu deren Grün-
      Gebäudezertifizierung: die HafenCity als          dungsmitgliedern die HafenCity Hamburg
      Vorreiter                                         GmbH gehört. Zertifiziert werden mit dem
      Das Umweltzeichen HafenCity ist seit seiner       HafenCity Umweltzeichen seit 2010 neben
      Einführung im Jahr 2007 zu einem wichti-          den Wohn- und Bürogebäuden auch Ho-
      gen Steuerungsinstrument bei der Entwick-         tels, Einzelhandels- und gemischt genutzte
      lung des neuen Stadtteils herangewachsen          Immobilien, so dass nun alle wesentlichen
      und motiviert private wie öffentliche Bau-        Gebäudetypen einer inneren Stadt zertifi-
      herren und Investoren zum verantwor-              ziert werden können (zu den technischen
      tungsvollen Umgang mit Ressourcen. Die            Anforderungen siehe HafenCity Hamburg
      Gebäudezertifizierung wurde als freiwilliges      GmbH 2010b).
      Anreizsystem für innovative Bauherren und         Das Elbtorquartier wird als erstes Stadt-
      Nutzer eingeführt, die ihr Gebäude über die       quartier mit ganz unterschiedlichen Nut-
      gesetzlichen Vorschriften hinaus nachhal-         zungen (Wohnen, Büro, Einzelhandel,
      tig ausgestalten wollen. Heute wird seitens       Dienstleistungen, Kultur, Bildung und Frei-
      der HafenCity Hamburg GmbH in der Regel           zeit) fast flächendeckend im Goldstandard
      bereits bei der Ausschreibung neuer Grund-        des HafenCity-Umweltzeichens errichtet
      stückflächen zur Auflage gemacht, dass ent-       werden. Dies bedeutet beim Energiever-
      stehende Bauwerke den strengen Kriterien
                                                        brauch der Gebäude, neben den anderen
      des Umweltzeichens gerecht werden müs-
                                                        Nachhaltigkeitsanforderungen und abhän-
      sen. Für die zentrale und östliche Hafen-
                                                        gig von der Art der Gebäudenutzung, eine
      City soll allein mit dem Gold-Standard ein
                                                        Unterschreitung der gesetzlichen Anfor-
      Zertifizierungsanteil von mindestens 50 %
                                                        derungen um 30 bis 45 % (HafenCity Ham-
      erreicht werden. Alle neuen Wohnungsbau-
                                                        burg GmbH 2010). Zu den bereits vorzer-
      projekte sollen nach Möglichkeit den Gold-
                                                        tifizierten Gebäuden in der Entwicklung
      standard erreichen.
                                                        gehören das Gebäude der HafenCity Uni-
      Die HafenCity hatte 2007 beim Thema Um-           versität sowie ein weiterer Neubau im Elb-
      weltzertifizierung in Deutschland eine Vor-       torquartier, in den unter anderem die Zen-
      reiterrolle übernommen; eine landesweit           trale von Greenpeace Deutschland sowie
      anerkannte und verwendete Umweltzertifi-          designxport als neugeschaffenes Design­

      Nachhaltige Gebäude in der HafenCity mit Goldstandard
                                                                     Quelle: HafenCity Hamburg GmbH
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2012                                                                                                       229

zentrum für Hamburg einziehen werden.
Bereits fertiggestellt und vorzertifiziert
sind die neue Grundschule, das Com-
mercial Center am Sandtorpark, die Un-
ternehmenszentrale von Unilever für die
deutschsprachigen Länder sowie das neue
Verlagshaus der Spiegel-Gruppe.

7 Sprung über die Elbe:
  die IBA Hamburg

Die Internationale Bauausstellung (IBA)
Hamburg hat für ihr Demonstrationsgebiet,
dies sind die Elbinseln Wilhelmsburg und
Veddel und der Harburger Binnenhafen,
im Rahmen ihres Leitthemas „Stadt im Kli-
mawandel“ ein Szenario zur klimafreund-         IBA DOCK
lichen Energieversorgung des Stadtteils                                           Foto: IBA Hamburg GmbH/© Johannes Arlt
entwickelt (IBA Hamburg GmbH 2010).
Mit diesem räumlich-energetischen Hand-
lungskonzept für die Elbinseln können der       konkret, dass die Gesamtzielsetzung für die
Strombedarf der Gebäude bis 2025 und der        Stadt auf einzelne Stadtbezirke und Stadt-
Wärmebedarf bis 2050 durch erneuerbare          teile runter gebrochen werden muss“ (IBA
und lokale Energien gedeckt werden. Da-         Hamburg GmbH 2010: 15).
bei zeichnet sich das „Klimaschutzkonzept
                                                 Integraler Bestandteil des IBA-Leitthemas
Erneuerbares Wilhelmsburg“ dadurch aus,
                                                „Stadt im Klimawandel“ ist neben dem Kli-
dass es einerseits auf einer Vielzahl von
                                                 maschutzkonzept auch die Beschäftigung
konkreten Projekten aufbaut, die im Rah-
                                                 mit den Fragen der Anpassung an den Kli-
men der IBA Hamburg bis 2013 realisiert
                                                 mawandel. Denn durch die Lage inmitten
werden. Andererseits wagt es aber auch für
                                                 des Stromspaltungsgebiets der Elbe ist
einen klar definierten städtischen Raum
                                                 dieser Ort wie kaum ein anderer geeignet,
den Sprung von Einzelprojekten zu ei-
                                                 die Fragen des vorbeugenden (Mitigation)
nem Gesamtkonzept und weist in einer Art
                                                 und des anpassenden (Adaptation) Klima-
Roadmap einen Weg in das postfossile und
                                                 schutzes zu thematisieren. Angesichts der
atomfreie Zeitalter.
                                                 seit der Besiedelung ständig vorhandenen
Die IBA Hamburg ist mit ihren Projekten          Bedrohung durch Hochwasser und beson-
und Konzepten fester Bestandteil in den          ders verdeutlicht durch die verheerende
Bestrebungen der Gesamtstadt Hamburg,            Flutkatastrophe im Februar 1962 werden
sich der Verantwortung als bedeutsamer           in Wilhelmsburg auch neue Strategien
Klimafaktor zu stellen. Mit dem Klima-           des Umgangs mit Hochwasser, steigenden
schutzkonzept 2007–2012 des Hamburger            Grundwasserständen und Starkregener-
Senats und der Hamburger Klimaschutz-            eignissen gesucht. Dieses wird von Seiten
verordnung wurden anspruchsvolle energe-         der IBA in interdisziplinären Gemein-
tische Standards bei der Emissionsvermei-        schaftsprojekten wie dem „Deichpark Elb-
dung und der Energieeffizienz festgelegt.        insel“ thematisiert, in dem die zukünftige
Die IBA bietet die besondere und einzig-         Entwicklung der Hochwasserschutzanlagen
artige Chance, als eine Art „Stadt­labor“ in-    in Zeiten des Klimawandels hinterfragt wird
novative Konzepte für eine erneuerbare           und neue Visionen entwickelt werden. Aber
Energieversorgung auf städtischer Ebene –        auch in konkreten IBA-Bauprojekten wie
vom einzelnen Gebäude bis zum gesamten           dem bereits 2010 fertiggestellten schwim-
Quartier – zu entwickeln und zu erproben.        menden Büro- und Ausstellungsgebäude
Dies ganz im Sinne von Klaus Töpfer, der         IBA DOCK und den in Wilhelmsburg Mitte
in seinem Gastbeitrag zum „Energieatlas“         geplanten Water Houses wird die Aufgabe
feststellte: „In den Städten wird wiederum       des Klimaschutzes mit den Anforderungen
die Perspektive mit einer dezentralen Kon-       der Anpassung an den Klimawandel ver-
zentration verbunden sein. Das bedeutet          bunden.
230                               Maja Berghausen: Hamburg – Wege zur klimafreundlichen und CO2-neutralen Großstadt

                                  Klimaschutzkonzept Erneuerbares                  dass der Effekt der CO2-Reduktion allein
                                  Wilhelmsburg                                     durch den Ersatz des Bestandes bei weitem
                                  Grundlage für die Erstellung des Klima-          nicht ausreichen würde. In dynamischen
                                  schutzkonzepts war eine genaue Analyse           Entwicklungsräumen wie den Elbinseln, für
                                  der örtlichen Potenziale zur Erzeugung           die bis 2050 ein Bevölkerungszuwachs von
                                  erneuerbarer Energie, zur Steigerung der         über 30 % prognostiziert ist, hat der Neubau
                                  Energieeffizienz und zur Energieeinspa-          von Gebäuden jedoch eine sehr viel größe-
                                  rung. Elemente dieser Analyse waren u. a.        re Bedeutung als in Gebieten mit negativer
                                  ein breit angelegter IBA-Beteiligungspro-        demographischer Entwicklung.
                                  zess mit öffentlichen „Laboren“, ein großes      Ziel des lokalen Klimaschutzkonzepts für
                                  Netzwerk von „IBA-Partnern“3 und regel-          Wilhelmsburg ist es, die durchschnittliche
                                  mäßig tagende Arbeitsgruppen und Beteili-        Sanierungsrate auf 3 % bzw. im Bereich der
                                  gungsgremien. Dazu hat die IBA Hamburg,          Mehrfamilienhäuser der privaten, kom-
                                  angeregt durch ein ExWoSt-Forschungs-            munalen und genossenschaftlichen Woh-
                                  projekt4, die Studie „Energetische Optimie-      nungswirtschaft auf bis zu 5 % anzuheben.
                                  rung des Modellraums IBA Hamburg“ (IBA           Bei diesen Beständen sind die Einsparun-
                                  Hamburg GmbH/FH Nordhausen et              al.   gen (60 bis 75 % des Heizwärmebedarfs)
                                  2011) beauftragt und auf dieser Grundlage        mit den geringsten Kosten (ca. 2    € pro
                                  gemeinsam mit dem IBA-Fachbeirat Klima           kWh) und damit auch mit den geringsten
                                  und Energie5 den „Energieatlas“ erstellt. Im     Belastungen für die Mieter verbunden (IBA
                                  Rahmen einer vergleichenden Analyse von          Hamburg GmbH 2010: 130–144). Ein Bei-
                                  Szenarien wurden für das sog. Exzellenz-         spielprojekt im Rahmen der IBA ist die Sa-
                                  szenario, das bis 2050 zu einer CO2-Reduk-       nierung des „Weltquartiers“ der SAGA GWG,
                                  tion im Gebäudesektor von rund 95 % führt,       wo es nicht zuletzt durch die Förderungen
                                  zwei Haupthandlungsfelder definiert:             aus dem Programm Stadtumbau West ge-
                                  • Klimaschutzexzellenz für Neubau und            lingt, über 500 Wohnungen nahezu warm-
                                    Bestandssanierung                              mietenneutral auf heutiges Neubauniveau
                                                                                   zu sanieren und zu modernisieren.
                                  • erneuerbare Energieversorgung im Stadt-
                                    teil.                                          Die Erfahrungen mit der IBA-Sanierungs-
                                                                                   kampagne „Prima Klima-Anlage – Sparen
                                  Diese Handlungsfelder werden beispielhaft        und Sanieren auf den Elbinseln“ zeigen
                                  bis 2013 in IBA-Projekten in ersten Schrit-      dabei, dass es mit einer umfassenden In-
                                  ten umgesetzt und müssen dann im Nach-           formationskampagne und Unterstützung
                                  IBA-Prozess konsequent weitergeführt wer-        der Sanierungsumsetzung möglich ist,
(3)
Weit über 100 IBA-Partner ha-     den. Im Rahmen eines EnEff:Stadt-Projekts        auch die privaten Einzel-Hausbesitzer für
ben sich mit der Unterzeich-      wird ein energetisches Monitoring für die        die umfassende Sanierung ihrer Immo-
nung der IBA-Konvention zur
Kooperation und Unterstützung
                                  gesamte IBA bis 2015 durchgeführt, um            bilie zu gewinnen. Von Schumacher-Rot-
der IBA verpflichtet. Die voll-   Handlungshinweise für den Nach-IBA-Pro-          klinkerhäusern auf der Veddel, typischen
ständige Liste der Partner ist    zess ableiten zu können. Dabei werden so-
unter     www.iba-hamburg.org/                                                     Siedler­eigenheimen in Kirchdorf bis hin zu
de/02_gemeinsam/5_partner/        wohl die einzelnen IBA-Projekte (Energie-        schwimmenden Wohnpontons am Reiher-
partnerliste.php abrufbar.        versorgung, Gebäudesanierung, Neubau)            stieg werden jetzt unterschiedlichste Ge-
(4)                               einem Energie-Monitoring unterzogen als          bäude exemplarisch bis 2013 saniert. Die
„Nutzung städtischer Freiflä-
chen für erneuerbare Energien“:
                                  auch die Entwicklungen des Strom- und            IBA-Sanierungskampagne hat aber auch
Ein Projekt des Forschungs-       Gasverbrauchs der Elbinsel insgesamt ana-        gezeigt, dass es sehr schwierig ist, mit kurz-
programms      „Experimenteller   lysiert werden, letzteres mit Unterstützung
Wohnungs- und Städtebau“                                                           fristig aufgelegten Förderprogrammen zu-
des Bundesministeriums für        der beiden Netzbetreiber Vattenfall Europe       sätzliche Sanierungsmaßnahmen anzusto-
Verkehr, Bau und Stadtentwick-    Distribution (Stromnetz) und EON Hanse
lung und des Bundesamtes für                                                       ßen. Notwendig ist hier stattdessen eine
Bauwesen und Raumordnung,         (Erdgasnetz).                                    langfristige Kontinuität in der Förderung
2009
                                                                                   und in der Beratung. Prof. Udo Kuckartz
(5)                               Klimaschutzexzellenz für Neubau und              und Dr. Anke Rheingans-Heintze stellen
Mitglieder des Fachbeirates       Bestandssanierung
sind: Prof. Peter Droege (Uni-                                                     dazu in Ihrer Analyse der Sanierungskam-
versität Liechtenstein), Prof.    Der Erfolg eines umfassenden städtischen         pagne fest: „Projekten wie der IBA im Allge-
Harry Lehmann (Umweltbun-
desamt), Prof. Irene Peters       Klimaschutzkonzepts entscheidet sich in          meinen und Kampagnen wie der Prima-Kli-
(HafenCity Universität Ham-       Deutschland (und auch im europäischen            ma-Anlage im Besonderen kommt deshalb
burg), Prof. Manfred Hegger
(TU Darmstadt), Stefan Schurig
                                  Kontext) immer im Gebäudebestand, da die         eine zentrale Informations- und Bildungs-
(World Future Council).           Neubaurate so gering ist (zurzeit unter 1 %),    aufgabe zu.“ Und weiter: „Einer sensiblen
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