30 Jahre adfc Bochum 15 Extraseiten - NR. 01/2019 - Kreisverband Bochum

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30 Jahre adfc Bochum 15 Extraseiten - NR. 01/2019 - Kreisverband Bochum
MAGAZIN für BOCHUM   NR. 01/ 2019

                                                              ne:
                                                   In Feierlau
                                                   30 Jachhure
                                                             m
                                                    adfc Bo
                                                               iten
                                                    15 Extrase

Aus dem Inhalt:
Alltagsradler berichten
Interview mit dem OB                     Platz für Adressaufkleber
Radinitiativen
Radfahren für die Ohren
und vieles mehr...

                                                                     1
30 Jahre adfc Bochum 15 Extraseiten - NR. 01/2019 - Kreisverband Bochum
inhalt

  4      Bochums Straßen-Infrastruktur
  8      Trouble um die Königsallee
  12     OB Eiskirch im Interview 
  16     Radfahren in der RUB                                  12
                                                               OB vor dem
  20     Best-Of: 27 Jahre »frei atmen!«                       Interview
  26    Alltagradler berichten...
 Infrastruktur
 28      Fahrradklimatest
 32      RS1
 34      E-Bike-Garage                                40
 36     Zählstelle                           Frischer Wind
 Aktivitäten                                um graues Haar

 38      Lastenrad
 40      Altersradeln
 42    NRW Radtour
 Tourberichte
 44      Radfahren in Peking                                    44
                                                                Fahrrad Gewusel
 46      Altena Drahtmuseum
                                                                in Peking
 48      Go West 2.0 Halle - Winterberg
 52      Schokofahrt #5
 53      Bochum - Adria - Salzburg
 54      Mit dem Fahrrad zur Kunst
 Initiativen                                            52
                                             Wie kommt die
 56      Fahrrad Podcast                   Schokolade in die
 58      Poonudel-Tour                              Stadt?
 60      Radwende
 61    Stadtradeln
 Termine / Veranstaltungen
 62      Termine / Veranstaltungen
 64      Mit dem Rad zur Arbeit
                                                                 58
                                                                 Halt‘! Abstand –
 65      Mängelmelder                                            mit der Poolnudel
 66      Rücklicht
 67      Impressum

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30 Jahre adfc Bochum 15 Extraseiten - NR. 01/2019 - Kreisverband Bochum
editorial

Liebe
Fahrradfreunde
und Fahrradfreundinnen,
nun halten Sie zum ersten Mal unser           In diesem großen Kanon spielt auch der
neu gestaltetes Heft „FreiRad“ in den         ADFC eine kleine, aber nicht unbedeu-
Händen. Nachdem unser langjähriger            tende Rolle. Mit der neuen Aktion „Mehr
Redakteur Gerd Bergauer fast dreißig          Platz fürs Rad“ soll die Verkehrswende in
Jahre zuverlässig „frei atmen!“ gestaltet     unseren Städten weiter voran gebracht wer-
hatte, stellte sich uns anfangs die Frage,    den, Alternativen zum Auto und dem damit
ob es in Zeiten des Internets sinnvoll        verbunden Flächenfraß, lebenswerte Städte
ist, weiterhin eine gedruckte Ausgabe         mit Raum für alle geschaffen werden.
zu produzieren. Doch nach kurzer
Diskussion, Inspiration bei den anderen       Ich selbst bin nun seit ebenfalls dreißig
Kreisverbänden und Abwägung der               Jahren dabei, erinnere mich noch an die
Vor- und Nachteile, fand sich mit Georg       große Fahrraddemonstration auf der Uni-
Puhe, Bernhard Raeder und Werner              versitätsstraße und die auf dem Ring, eine
Elbrecht ein neues Redaktionsteam. Im         Ausstellung zum Radfahren in Bochum
gemeinsamen Abstimmungsprozess der            im BVZ, die Sternfahrten und viele, viele
Aktiven wurde der neue Name FreiRad           andere Aktionen für den Radverkehr.
als Verbindung zwischen alt und neu           Seitdem hat sich in Bochum noch nicht
gewählt und ein neues Design vollendet        alles, aber doch einiges zugunsten des
den Wandel.                                   Radverkehrs verändert, zum Beispiel die
                                              Radfahrstreifen auf der Universitätsstra-
An Themen mangelt es nicht. Wer die           ße; und auch die Verantwortlichen der
Medien verfolgt, wird feststellen, dass Um-   Stadt sind wieder zum Dialog auf uns
weltthemen fast täglich in den Schlagzei-     zugekommen und wir haben das Angebot
len stehen: Diesel-Skandal, Luftverschmut-    angenommen. Als ein Ergebnis dieser
zung in den Städten, Plastikmüll im           Kommunikation finden sie ein Interview
Meer, Insektensterben und vor allem der       mit dem Oberbürgermeister der Stadt,
Klimawandel haben die Jugend der Welt         Herrn Thomas Eiskirch, in diesem Heft.
aufgerüttelt, mit Schulstreiks für unsere
Erde zu kämpfen.                              Mit freundlichen Radlergrüßen
                                                                  Gerlinde Ginzel
                                                                  1. Vorsitzende

       Bochum                                                      – 709 –
                                                                                     3
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Infrastruktur: Bochums straSSen

Bessemerstraße

              Die autozentrierte Gestaltung des Stra-    Solche Bauten haben die Stadt autoge-
              ßenraumes hat in Bochum einige große       recht gemacht und damit den Autoverkehr
              Schneisen geschlagen: Die Universitäts-    weiter verstärkt. Der motorisierte Verkehr
              straße, die Königsallee, der Hustadtring   wurde und wird noch immer durch einen
              und die Wittener Straße sind mindestens    Großteil der Bochumer Bevölkerung als
              in Teilabschnitten autobahnähnlich aus-    die wichtigste weil auf die meisten Arten
              gebaut worden. Dabei wurden die Ver-       wahrnehmbare und am meisten Raum
              kehrsflächen aus heutiger Sicht an meh-    beanspruchende Verkehrsart wahrgenom-
              reren Stellen überdimensioniert oder für   men. Dass sich die Wahrnehmung nicht
              Verkehrsprojekte angelegt, die letztlich   von heute auf morgen ändern kann, ist
              nicht zustande kamen. Beispiele sind die   nur allzu verständlich – Menschen lieben
              jeweils südlichen Enden der Königsallee    ihre Gewohnheiten. Und doch gibt es auf
              und des Hustadtringes, die stumpf enden.   den Straßen und in den Köpfen Verände-
                                                         rungen, die dem Radverkehr wieder den
                                                         Weg ebnen.

                                                         Etwa im Jahr 1997 begannen aus heutiger
                                                         Sicht die ersten Maßnahmen zur geziel-
                                                         ten Radverkehrsförderung, als die Herner
                                                         Straße neu gestaltet wurde. Im Jahr 1999
Hustadtring                                              wurde dann ein neues Radverkehrskon-
  Unicenter                                              zept veröffentlicht. Seitdem wurden fast

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flächendeckende Tempo 30-Zonen in            len vorgegebenen Rahmenbedingungen
 Wohngebieten eingerichtet, Einbahnstra-      (Einbau der neuen Straßenbahn, Erhalt
 ßen wurden für den Radverkehr freige-        von Bäumen, Erhalt von Parkplätzen) ge-
 geben, durchlässige Sackgassen wurden        schaffen werden. Dies bedingt hier auch
 entsprechend beschildert, Umlaufgitter       Kompromisse an einigen Engstellen.

Ende des Hustadtrings

 ab- oder umgebaut und die Benutzungs-        Neben diesen einzelnen Maßnahmen wur-
 pflichten auf einigen alten und nicht mehr   de im Jahr 2004 eine Rahmenplanung zur
 zeitgemäßen Radwegen wurden aufgeho-         Um- und Ausgestaltung der Cityradialen
 ben. Diese Arbeiten sind weiterhin nicht     aufgelegt. Die Planung sieht seitdem die
 vollständig abgeschlossen, es sind konti-    Installation von Radverkehrsanlagen auf
 nuierlich Anpassungen erforderlich – weil    den Radialen vor. Gleichzeitig weist das
 sich unsere Wahrnehmung ändert, weil         jetzt schon 15 Jahre alte Konzept im De-
 wir neue Erfahrungen machen, weil sich       tail noch Bereiche aus, die damals als
 die rechtlichen Voraussetzungen oder         fertig hergestellt und nicht zu betrachten
 aber die politischen Rahmenbedingungen       galten, die aus heutiger Sicht aber über-
 ändern.                                      plant werden müssen (Teile jeweils der Kö-

 Einige der früher überdimensioniert für
 den Autoverkehr angelegten Straßen
 konnten mit komfortablen Radfahrstrei-
 fen ausgestattet werden. Prominenteste
 Beispiele sind der Werner Hellweg zwi-
 schen Laer und Am Koppstück, die Bes-
 semerstraße, der Hustadtring, Teile der
 Markstraße und auch die Unterstraße in
 Langendreer. Bei Letzterer konnte eine
 durchgehende Befahrbarkeit trotz der vie-                       Markstraße AS 448

                                                                                     5
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Infrastruktur: Bochums straSSen

         nigsallee, Hattinger Straße, Alleestraße).   gen- und Erzbahntrasse sind die bekann-
         Seit dieser Rahmenplanung ist auf den        testen Beispiele, die bisher meist durch
         Cityradialen zugegebenermaßen wenig          den RVR ausgebaut wurden und werden.
         geschehen. Ganz aktuell werden im Tech-      Nachdem die meisten dieser ehemaligen
         nischen Rathaus aber konkrete Pläne für      Bahntrassen zunächst nur mit einer wasser-
         den Umbau zumindest von Teilbereichen,       gebundenen Decke (= Schotter) ausgestat-
         ersten Abschnitten oder Lückenschlüssen      tet wurden, wird bei allen Sanierungs- und
         erarbeitet. Konkret werden Veränderun-       Erschließungsarbeiten heute Asphalt als
         gen auf der Castroper Straße, der Univer-    einzige alltagstaugliche Oberfläche verwen-
         sitätsstraße, der Hattinger Straße und der   det. Diese ursprünglich als „Freizeitwege“
         Alleestraße geplant. Für die Königsallee     bezeichneten Routen sind heute viel mehr
         wurden verschiedene Varianten der Rad-       als das: Neben dem persönlichen Eindruck
         verkehrsführung teils mit gutachterlicher    belegt die neue Fahrradzählstelle auf der
         Unterstützung eingehend untersucht.          Springorumtrasse eindeutig, dass hier inten-

                           Oskar-Hoffmann-Str. Radstreifen
         Die konkreten Pläne können hier noch         siver Alltagsverkehr stattfindet, was künftige
         nicht vorgestellt werden, da sie zunächst    Verbesserungen bedingt: Durchgehende Be-
         parlamentarisch beraten und beschlos-        leuchtung, Markierung und eine Widmung
         sen werden müssen. Davon und von den         der Wege sind erklärtes Ziel.
         finanziellen Rahmenbedingungen abhän-
         gig kann in den kommenden Jahren also        Zusätzlich wurden einige eigenständige
         mit teils weitreichenden Umgestaltungen      Wege wie das Parkband West oder der
         gerechnet werden. Dabei wird immer die       Parkway Emscher-Ruhr installiert, die in
         zum aktuellen Zeitpunkt bestmögliche         ihrer Gesamtheit dem Freizeitverkehr die-
         Radverkehrsführung eingerichtet werden.      nen, deren einzelne Abschnitte aber auch
                                                      im Alltagsverkehr einen Gewinn für uns
         Im Jahr 2008 wurde ein Bahntrassenkon-       Radfahrende darstellen.
         zept aufgestellt, das die Reaktivierung      Im Jahr 2017 wurde die Bochum Stra-
         ehemaliger Bahntrassen als Geh- und          tegie vorgestellt, in der der Radverkehr
         Radwege vorsieht. Springorum-, Lothrin-      insbesondere als Teil der Kompetenz

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„Großstadt mit Lebensgefühl“ thema-               hensweise bei Planungen hat sich dement-
tisiert wird. Seit dem Jahr 2019 gibt es          sprechend auch so verändert, dass bei allen
in diesem Zusammenhang die Kern-                  Umbauten eine gute Lösung für den Rad-
aktivität „BoVelo“, worunter verschie-            und Fußverkehr gefunden werden muss.
dene Ansätze zur verstärkten Radver-
kehrsförderung zusammengefasst sind.              Letztlich sind aber praktisch alle Opti-
                                                  mierungen unserer Straßen und Wege
Weitere Impulse sind durch die Nahmobili-         und damit unseres Lebens in der Stadt
tätskonzepte für Wattenscheid / Werne, Lan-       neben den finanziellen Mitteln abhängig
gendreer Alter Bahnhof / Laer zu erwarten,        vom Willen der Bochumer Bevölkerung,
in denen die Rahmenbedingungen für den            sich zu verändern und dabei möglicher-
Fuß- und Radverkehr untersucht werden             weise auch Gewohntes neu zu betrachten
und die Handlungsansätze für kommende             – ausgedrückt durch parlamentarische
Anpassungen definieren. Ein Schwerpunkt           Entscheidungen.

   Viktoriastr. Uraltproblem
dieser Betrachtungen wird der ruhende
Kfz-Verkehr sein, der in den dicht bebauten
Quartieren der Dreh- und Angelpunkt aller
Bestrebungen hin zu einer fuß- und radver-
kehrsfreundlichen Stadt ist. Alle drei Konzep-
te werden aktuell entwickelt.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die
Notwendigkeit und Dringlichkeit von infra-
strukturellen Verbesserungen für den Fuß-
und Radverkehr praktisch allen jetzt fachlich
Verantwortlichen bewusst ist. Die Herange-

Text: Matthias Olschowy,
Foto: Stadt Bochum, Georg Puhe, Bernhard Raeder

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STadtplanung: Königsallee

                          Die Königsallee

     Von der Schwierigkeit, richtige Erkenntnisse
            in Handeln umzusetzen von Bernhard Raeder
           Es gibt Dinge, die allen vernunftbegabten Menschen klar sind, handeln tun
           sie aber nicht danach, nicht als Bürger, nicht als ökonomisch oder politisch
           Verantwortlicher. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes wünschen sich
           80% der Bundesbürger weniger Autos, saubere und leisere Städte, gleich-
           zeitig aber stieg das PS-Niveau der Neuwagen und die Zulassungsquote
           von SUVs ständig an. Das führte zwischen 2008 und 2015 zu einem Mehr-
           verbrauch von 3,7 Milliarden Litern Treibstoff und zu 9,3 Millionen Tonnen
           CO2-Emmisionen. Dies widerspricht allen Erkenntnissen über die Notwen-
           digkeit der Reduktion von Treibhausgasen, um die allgemein anerkannten
           Klimaziele zu erreichen.

W
         arum halten die meisten diesen Wider-    Autobahnen mal frei sein, kann man zudem
         spruch zwischen Wissen und Handeln       ganz in der Tätigkeit des Fahrens aufgehen
         gerade im Mobilitätsv erhalten so gut    und abschalten. Einfacher ausgedrückt: man
aus? Für den Nutzer ist das Automobil fest        hat sich seit Jahrzehnten an die Automobilität
in seinen inzwischen „entfernungsintensiven       gewöhnt und sich eingerichtet und glaubt trotz
Lebensstil“ eingebaut, angesichts zerstreuter     zunehmender Widrigkeiten an ihren täglichen
Siedlungsstrukturen ist es oft die einzige Mög-   Nutzen.
lichkeit zur sozialen Teilhabe oder um einfach      Und warum tut sich Politik so schwer ihr
zur Arbeit zu kommen. Sollten Straßen und         Handeln an dem Ziel nachhaltiger Automobil-

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und Verkehrspolitik auszurichten? Zu-             Der ADFC Bo-
nächst: ein Verkehrssystem, das einmal         chum übergab dem
existiert, kann nicht ohne weiteres stark      Stadtbaurat Ahuis
verändert oder beseitigt werden.               die Diplomarbeit
   Das, was in Bochum nach dem Zweiten         eines Dortmunder
Weltkrieg an autogerechter Infrastruktur       Stadtplanungsstu-
geschaffen wurde, das System von Straßen,      denten, die genau
Parkflächen, der Rückbau von Radwegen          dem Geist des fort-
an allen Ausfallstraßen zu Parkstreifen,       schrittlichen Lan-
korrespondierte mit dem damaligen              desverkehrsministers
Lebensgefühl von Moderne. Das Ziel der         Zöpel entsprach und
autogerechten Stadt bekam spätestens           eine Zweispurigkeit
1962 mit der Ansiedlung der Adam Opel          mit fahrbahnseiti-
AG in Bochum dogmatische Züge. Es              gen Radwegen und
wurden auch bei den Planungen für die          multifunktionellem
Ruhr-Universität Bochum (1965; siehe auch      Mittelstreifen vorsah.
Beitrag von Georg Puhe an anderer Stelle)      Damals bissen wir
und des Ruhr Parks (1964) konsequent           bei Ahuis und der
umgesetzt und bestimmte über Jahrzehnte        Mehrheit der SPD
das stadtplanerische Denken und Handeln        auf Granit. Es dau-
in Bochum.                                     erte 9 Jahre, bis sich
   Hinter dieser Macht des Faktischen, die     Düsseldorf (Zöpel)
ein Umsteuern heute so schwer macht,           durchsetzte und am
steht im politischen System der Automobi-      1.3.1998 der erste
lität ein machtpolitischer Schulterschluss     Spatenstich erfolg-
von Automobilwirtschaft und Politik. Die       te. 17 Jahre später     Dieser Abschnitt der König-
Abhängigkeit vieler Regionen und der           konnte man dann         sallee wird von der Verwal-
gesamten Volkswirtschaft vom Wohl und          auf einem vorbild-      tung z.Z. neu geplant
Wehe der Autoindustrie, die Angst vor          lichen Radweg vom
den arbeitsmarktpolitischen und sozialen       Kortländer bis Riemke radeln. Dauert es
Folgen einer Krise der Autoindustrie, macht    immer ein Vierteljahrhundert?
die Politik zu oft ängstlich, erpressbar und      Wie sieht die Situation in Bochum heu-
handlungsschwach.                              te aus? Bochum ist seit 2016 Mitglied in
   Zurück nach Bochum! Manchmal wenn           der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundli-
auch nicht oft gibt es Anlass hoffnungsfroh    cher Städte AGFS. Ausgangspunkt war im
zu sein. Schauen wir auf die wichtige Ver-     Dezember 2012 ein Leitantrag von SPD
kehrsachse zwischen Bochum und Herne,          und Grünen zur Verbesserung der „Fuß-
die Herner Straße.                             gänger- und Fahrradfreundlichkeit“ in
   Knapp hundert Jahre nach der ersten         Bochum, der das „bislang große Zögern“,
Straßenbahn auf dieser Strecke verbindet       das die WAZ kritisch konstatierte, been-
seit 1989 die U35 beide Städte und die         den sollte. Am Ende des Antrages steht
Innenstadt mit der Ruhr-Universität. Als       ein Satz, der die Aufgabe und zugleich
klar war, dass durch den Wegfall der ober-     grundlegende Problematik klar formu-
irdischen Straßenbahn die Herner Straße        liert: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen
umgebaut werden könnte, gab es ein klares      verfolgen den Zweck, möglichst rasch die
Signal aus Düsseldorf, die Straße radver-      Situation von Radfahrern und Fußgän-
kehrsgerecht umzubauen.                        gern zu verbessern. Dabei sind Konflikte

                                                                                              9
30 Jahre adfc Bochum 15 Extraseiten - NR. 01/2019 - Kreisverband Bochum
STadtplanung: Königsallee

                                                           Radfahrer neben dem Schauspielhaus:
                                                           auf engstem Raum kämpfen Fußgänger
                                                                und Radfahrer um ihren Platz

Rückbau der Königsallee analog zur
Herner Straße? Ein Gutachten sieht diese
Möglichkeit und schafft Raum für das
Verkehrsmittel Fahrrad.

             mit dem motorisierten Individualverkehr      Bochum den Radialstraßen zu, weil sie
             nicht zu vermeiden. Aufgrund der Not-        die zentralen Achsen zum Erreichen
             wendigkeit der Stärkung des Umwelt-          der Innenstadt sind. Einen wertvollen
             verbundes ist hier eine Bewusstseins-        Vorschlag hat die städtische Verkehrspla-
             änderung hin zur Akzeptanz und zur           nung bereits in der Bewerbungsphase im
             Stärkung der „Kultur des Radfahrens“ in      Oktober 2015 gemacht. Eine umfangrei-
             einer von Autoverkehr geprägten Stadt        che Verkehrszählung und Leistungsfähig-
             notwendig.“                                  keitsberechnung sollte Aufschluss darüber
                Wenn also der Titel der AGFS-             geben, ob die Königsallee zwischen der
             Bewerbung „Eine Stadt wird nahmobil“         Hattinger Straße und der Wohlfahrsstra-
             Wirklichkeit werden soll, muss dem Fahr-     ße ähnlich wie die Herner und Dostener
             rad buchstäblich mehr Platz eingeräumt       Straße zurückgebaut werden kann, damit
             werden. Die angestrebte Erhöhung des         an beiden Seiten der Fahrbahn Radwege
             Radverkehrsanteils auf welchen Wert          angelegt werden können. Gegen den hefti-
             auch immer ist mit dem vorhandenen           gen Widerstand der CDU schloss sich die
             Radwegeverkehrsnetz nicht zu erreichen.      rot-grüne Koalition diesem Vorschlag an.
             Darum sollte man den in der Ökonomie         Im Januar 2019 teilte die Verwaltung dem
             allgemein anerkannten Grundsatz, dass        Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität
             sich das Angebot seine eigene Nachfrage      das Ergebnis mit:
             schafft, akzeptieren: eine bessere Radinf-     „Das Gutachten prüft die Einrichtung
             rastruktur erhöht den Radverkehrsanteil      von Radverkehrsanlagen auf der Kö-
             und stärkt die Nahmobilität!                 nigsallee mit der Vorgabe, ohne große
                Besondere Bedeutung kommen in             Umbaumaßnahmen und mit möglichst

10
Ab der Farnstraße wird es eng. Hier
                                                                   braucht der Radfahrer seinen Platz
                                                                                      auf der Straße!

„Radfahrer frei“ - Schritttempo
Zeichen einer verfehlten Radverkehrspolitik

kostengünstigen Maßnahmen eine                Weg zur „Stadt der Nahmobilität“.
deutliche Qualitätsverbesserung für              Die nächste Bürgerkonferenz im April
den Radverkehr zu erreichen und den           diesen Jahres steht unter dem Motto der
Alleecharakter der Königsallee zu wahren.     Mobilität. Die Königsallee soll hier zentra-
Das Gutachten schlägt vor, die jeweils        les Thema werden.
zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung zu einer        Ein OB, der „Sichtweise verändern,
überbreiten Fahrspur mit Schutzstreifen       Strategie entwickeln, Menschen beteili-
für Radfahrer umzumarkieren. Vor den          gen“ will, der sich bemüht, „verkrustete
Lichtsignalanlagen soll eine Markierung       Strukturen aufzubrechen, Dinge neu
in zwei Aufstellflächen erfolgen. Durch       zu denken, neue Prozesse anzustoßen“
punktuelle bauliche Veränderungen sowie       (Stadtspiegel 13.3.2019), lässt mich an
eine Anpassung der Signalisierung ist         Zöpel denken und könnte hier genau der
eine ausreichende Leistungsfähigkeit des      Richtige sein.
Verkehrsflusses gewährleistet.“                  Bisher ist Thomas Eiskirch nicht
   Der ADFC kann den Mut der Ver-             aufgefallen, Liebhaber „kognitiver
waltung nur loben, diese Lösung als           Dissonanz“ zu sein, den Widerspruch
Verkehrsversuch für zunächst ein Jahr         zwischen Wissen und Handeln zur po-
installieren zu wollen. Es wäre genau         litischen Doktrin erheben zu wollen. Im
der Schritt, zu dem sich die SPD bereits      großen Interview mit dem Stadtspiegel
2012 in ihrem Leitantrag theoretisch          kommt das Thema Mobilität leider nicht
bekannte und der das „große Zögern“           vor. Der ADFC hat aber bald Gelegen-
beinahe vergessen machen könnte. Es           heit, mit ihm darüber zu sprechen. Siehe
wäre ein entscheidender Schritt auf dem       Beitrag an anderer Stelle!

                                                                                                 11
30 jahre ADFC: Interview mit ob eiskirch

                                             Interview mit Oberbürgermeister
                                             Thomas Eiskirch
                                             „Radverkehr in Bochum wird heute
                                              konstitutiv mitgedacht und nicht
                                              mehr nur additiv hinzugefügt.“
                                               OB Thomas Eiskirch
Thomas Eiskirch mit seinem Dienst-Pedelec

           FreiRad: Wir erleben durchaus eine            fahren mitzumachen, um deutlich zu
           Aufbruchstimmung in Bochum, auch              machen, dass das Thema ernstgenom-
           was das Thema Radverkehr angeht.              men wird und eine hohe Priorität hat. Die
           Der Fahrradklimatest 2016 hat für Bo-         Veränderung von Mobilität ist spürbar.
           chum ja sehr viel Vorschusslorbeeren
           gebracht. Können die Erwartungen              FreiRad: Mit der Aufnahme in die
           eingelöst werden?                             AGFS hat sich Bochum dem Ziel ver-
           Aufsteiger des Jahres zu sein, hatte uns      schrieben, einen Fahrradverkehrsan-
           damals richtig gefreut und war Ansporn,       teil von 25 % anzustreben, 2016 liegt
           weiterzuarbeiten. Aber natürlich braucht      der Anteil noch bei 5 %. Im Leitbild
           es Zeit, bis manche Entscheidungen und        Mobilität bleiben die Aussagen wieder
           veränderte Haltungen auch sichtbar wer-       vage. Mit welchen Maßnahmen will Bo-
           den. Der gerade veröffentlichte Fahrrad-      chum das erreichen? Welche Zielpers-
           klimatest zeigt, dass wir in einigen weite-   pektive verfolgt das Leitbild Mobilität
           ren Bereichen besser geworden sind. Die       für den Radverkehr?
           Zahl der Fahrraddiebstähle ist zurück-        Das Leitbild wird aller Voraussicht nach
           gegangen, das Angebot an öffentlichen         vom Rat noch vor der Sommerpause ver-
           Leihfahrrädern gut. Insgesamt bleiben         abschiedet. Es legt den Grundstein dafür,
           wir aber bei einer Gesamtbewertung, die       dass Mobilität sich verändert, deutlich
           für uns Ansporn ist, noch mehr zu tun.        mehr in Richtung ÖPNV und Rad- und
                                                         Fußverkehr. Die konkreten Umsetzungen
           FreiRad: Herr Eiskirch, wir haben Sie         werden an vielen Stellen sichtbar – auch
           bei verschiedenen Veranstaltungen             in zwei Projekten der Bochum Strategie:
           auch als Fahrradfahrer erlebt. Wie se-        Eins befasst sich mit dem ÖPNV und das
           hen Sie die Radverkehrstauglichkeit           andere mit dem Radverkehr. Es heißt „Bo-
           Bochums, wo sehen Sie Stärken, wo ha-         Velo“. Darin wird ein ganzer Reigen von
           ben Sie Schwächen entdeckt?                   Maßnahmen aufgeführt, die wir in Angriff
           Den Radverkehr erlebe ich manchmal            nehmen möchten, um den Radverkehr
           toll und manchmal furchtbar, so wie die       alltagstauglicher in Bochum zu gestalten.
           Realität halt ist. Die Freizeitrouten, die    Was da genau reinkommt, können die
           auch als Alltagsrouten genutzt werden         Bochumerinnen und Bochumer mitge-
           können, sind klasse. Es gibt aber genau-      stalten; das wird das zentrale Thema der
           so Straßenabschnitte, wo man auf dem          dritten Bürgerkonferenz am 18. Mai sein.
           Rad sitzt und verzweifelt. Mir ist wichtig,   Das Ziel ist, noch fahrradfreundlicher und
           an Veranstaltungen zum Thema Fahrrad          fahrradgerechter zu werden.

12
FreiRad: Wann wird BoVelo als be-            Die Situation auf der Königsallee
schlossen?                                   kenne ich aus der eigenen Erfahrung.
Wenn’s inhaltlich fertig ist. Da muss ja     Wir werden im Sommer erste Überle-
ein ganzes Bündel von Maßnahmen rein.        gungen präsentieren, wie man mit der
Ich gehe davon aus, dass wir bis Mitte       Königsallee umgehen kann. Das was
2020 soweit sind.                            im Gutachten zum Verkehrsversuch
                                             vorgeschlagen war, ist, glaube ich, noch
FreiRad: Wichtig ist ja dann, dass es        nicht das Richtige. Die Ideen, die vor Ort
zur Umsetzung auch Finanzen gibt.            entwickelt wurden, sind jetzt von einem
Das ist uns bisher mit der Bochum            Team aus Verkehrs- und Straßenplanern
Strategie 2030 ganz gut gelungen. In         intensiv geprüft und diskutiert worden.
manchen Kommunen ist es ja so, dass          Wir sollten eine Lösung hinbekommen,
es manchmal nur die Strategie und kein       die zukunftstauglich ist. Eine erste
Geld gibt, in manchen stand auch Geld        Ansicht wird auf der Bürgerkonferenz
zur Verfügung aber keine Idee dazu. Wir      vorgestellt werden.
schaffen es in Bochum, das überein-
ander zu bringen. Wir haben einen            FreiRad: Musterstädte wie Kopenhagen,
zentralen Ansatz zur Anfinanzierung          aber auch Karlsruhe oder Hamburg ha-
von Strategiemaßnahmen in Höhe von           ben Programme zur Radverkehrsförde-
drei Millionen Euro. Die Strategiemaß-       rung aufgelegt und investieren kräftig
nahmen, die in die Umsetzung sollen,         in die Infrastruktur. Ist ein solches Pro-
werden dazu in den nächsten Haushalt         gramm auch für Bochum angedacht?
miteingebracht.                              Teile davon werden sich in BoVelo wie-
                                             derfinden. Ich habe eine Dokumentati-
FreiRad: Das 30jährige Jubiläum fei-         on der Ausstellung in Frankfurt „Fahr-
ert der ADFC Bochum in diesem Jahr.          Rad - die Rückeroberung der Stadt“
Beinahe genauso lange, 1992 in „frei         mitgebracht, wo genau diese Frage, wie
atmen!“ notiert, wird um vernünftige         sieht Radverkehr in Metropolen heute
Radverkehrsanlagen an der Königsallee        aus, Thema ist. Eine interessante Lek-
gerungen. Warum dauern Entscheidun-          türe, die auch spannende Anregungen
gen in Bochum für eine nachhaltige Mo-       für Bochum enthält.
bilität so lange?
Der Grundsatz, alle Cityradialen fahr-       FreiRad: Bochum hat ab den 50iger Jah-
radfreundlicher zu gestalten, ist gesetzt.   ren einen beispiellosen Wandel hingelegt.
Da haben wir bereits einiges geschafft,      Von der Bergbaustadt zur Autostadt und
aber auch noch eine ganze Menge vor          jetzt zur Wissenschaftsstadt. Für den
der Brust. Dazu gehört auch die Kö-          Mobilitätssektor wünscht sich der ADFC
nigsallee. Zunächst wird jetzt das letzte    auch einen solchen vorbildlichen Wan-
Stück Hattinger Straße in Angriff ge-        del. Ist das nicht auch im Mobilitätssektor
nommen. Hier werden wir durchgängige         machbar und dringend erforderlich?
Radverbindungen von der Hüttenstraße         Ich glaube,dieser Wandel wird kommen,
in die Innenstadt schaffen. Noch in die-     Mobilität wird sich grundsätzlich verän-
sem Jahr werden wir den Lückenschluss        dern. Das wird sich in der Angebotspa-
auf der Unistraße zwischen Alsenstraße       lette des ÖPNV niederschlagen und das
und Ring schaffen. Ab 2021 werden die        wird sich auch in der Wahl der Ver-
Alleestraße und die Castroper Straße         kehrsmittel zeigen. In einer Stadt, die so
umgebaut                                     gelebte Automobilstadt ist wie Bochum,

                                                                                   13
30 jahre ADFC: Interview mit ob eiskirch

           wird sich nichts dadurch verändern, dass           FreiRad: Jetzt müssen die Ergebnisse
           man Dinge verbietet, sondern dadurch,              kommen!
           dass man das Neue attraktiv, den Wechsel Keine Frage. Aber ich kann gut damit
           leicht macht. Das ist unsere Aufgabe und           leben, wenn es ein halbes Jahr länger
           der werden wir uns stellen, um sowohl              dauern sollte, aber dafür richtig gut wird.
           der Verbesserung des Klimas, als auch              Aber es muss kommen.
           um einem Wandel der Lebenssituationen
           gerecht zu werden. Unsere Aufgabe ist es,          FreiRad: In Bochum wird gebaut: Wie
           die Rahmenbedingungen so zu verändern, fließen die Belange der Nahmobilität in
           dass im Modal Split die Bereiche ÖPNV,             die Planungen ein? Am Beispiel Mark
           Fußgängerverkehr und Fahrradverkehr                51˚7 oder am Beispiel Ostpark.
           deutlichen Zuwachs bekommen. Gemein-               Wir sind in Gesprächen, um zu klären,
           sam mit der Uni haben wir beispielsweise           ob wir eine alte Bahntrasse für den Rad-
           das Thema Bikesharing gestartet. Das               verkehr zu Mark 51˚7 nutzen können
           möchten wir noch mal auf eine qualitativ           und ich bin ganz zuversichtlich, dass es
           neue Stufe stellen. Es ist kein Zufall, dass       uns gelingt. Aber natürlich ist auch auf
           in Bochum 185 „DeinRadschloss“- Stand-             dem Gelände Radverkehr vorgesehen.
           orte vorhanden sind; so viel wie                            Auch hier gilt: Bei neuen Pla-
           in keiner anderen Stadt. Und es          „Fahrradfahren nungen wird Radverkehr heute
           ist auch kein Zufall, dass wir die        wird einfach      konstitutiv mitgedacht und nicht
           E-Bike Garage als Kommune                 in Bochum“.       mehr nur additiv hinzugefügt.
           fördern – ursprünglich ein Projekt
                                                      OB Eiskirch
           der technischen Berufsschule in                             FreiRad: Welche aktuellen Maß-
           Bochum. Es gibt im Moment ganz                              nahmen ergreift die Stadt zur
           viele Dinge, die ineinandergreifen, um zu          Verbesserung des Radverkehrs?
           zeigen, „Fahrradfahren wird einfach in             Neben den bereits erwähnten Maßnah-
           Bochum“.                                           men setzen wir zurzeit noch eine ganze
                                                              Menge um: Wir werden die Markstraße
           FreiRad: Noch ist es nicht einfach.                und die Berliner Straße noch in diesem
           Behaupte ich auch nicht. Aber mit dieser           Jahr teilweise mit neuen Radfahrstreifen
           Sichtweise sind wir beim Fahrradkli-               versehen. Wir haben uns das Ziel gesetzt,
           matest 2016 nicht Aufsteiger des Jahres            mindestens 100 neue Anlehnbügel pro
           geworden. Wir sind es auch deshalb                 Jahr in der Stadt anzubringen, 185 Boxen
           geworden, weil bei der Frage, wie man              von „Dein Radschloss“ sind gerade in
           eine Straße baut, eine Veränderung                 Betrieb gegangen. Wir werden am Haupt-
           eingekehrt ist. Früher wurde erst die              bahnhof beim Neubau des Parkhauses P
           Straße für Kraftfahrzeuge geplant,                 7 das erste Fahrradparkhaus Bochums
           dann die Frage gestellt, wie kann ich              bauen. Wenn wir wollen, dass sich der
           die anderen Verkehrsteilnehmer noch                Modal Split verändert, müssen wir die
           unterbringen. Jetzt heißt die Frage-               Schnittstellen zwischen den Verkehrsmit-
           stellung: Wie plant man eine Straße                teln verbessern.
           optimal, so dass sie für alle Verkehrs-
           teilnehmerinnen und Verkehrsteilneh-               FreiRad: Herr Eiskirch, wir laden Sie
           mer gute Ergebnisse bringt. Das ist die            zum Fahrradaktionsstand am 21.
           zentrale Veränderung in der Haltung                September in der City ein, anlässlich
           und das hat man auch schnell gespürt               des 30-jährigen Bestehens des Kreis-
           in der Stadt.                                      verbandes Bochum.

14
Ich komme gerne zum Fahrradaktions-
stand, um auch zu sagen: Herzlichen
Dank an den ADFC für die geleistete
Arbeit. Es gibt Veränderungsnotwen-
digkeiten; eine davon ist definitiv, dass
sich unsere Mobilitätswahrnehmung
verändert und dabei ist das Rad ein
ganz wichtiger Faktor. Ich möchte
Ihnen noch ein Geschenk zum 30.
Jubiläum machen: Wir sind kurz vor der
Vergabe für ein komplett neues Radver-
kehrsbeschilderungssystem. 3.800 neue
Schilder sollen errichtet werden, die das
Thema Alltagsradverkehr unterstützen.
Wir bekommen damit ein deutlich
engeres, beschildertes Radnetz. Die
Planung ist abgeschlossen, die erste
Ausschreibung für die Montage wird
jetzt angegangen. Ob es dann noch in
diesem Jahr losgehen kann, hängt vom
Auftragnehmer ab.

FreiRad: Das nächste große Jubiläum
feiert der ADFC Bochum in 20 Jahren,
das 50 jährige Bestehen. Herr Eiskirch,
wie sieht es dann mit der Nahmobilität
und speziell dem Fahrradverkehr in Bo-
chum aus?
Deutlich mehr Menschen als heute
werden das Fahrrad nutzen. Es wird
deutlich mehr Strecke mit dem Fahrrad
zurückgelegt und das Fahrrad wird viel
stärker Bestandteil der tagtäglichen
Mobilität sein. Ich bin mir sicher, dass
das Fahrrad sich technologisch weiter
entwickeln und der Modal Split sich
eindeutig Richtung Fahrrad verschieben
wird. Und natürlich ich würde mich sehr
freuen, wenn Sie mich zum 50. Jubiläum
einladen würden.

Frei Rad: Herr Eiskirch, herzlichen
Dank für das Interview.

Das Interview führten Gerlinde Ginzel und
Georg Puhe am 2. April 2019

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Rad infrastruktur: Radweg der rub

     Bei der Planung der Ruhr-Universität          ebenfalls am Rande der Kapazität ange-
     Mitte der 60iger Jahre, die erste Universi-   langt, die Takterhöhung zu den Hauptver-
     tätsneugründung im Ruhrgebiet, wurde          kehrszeiten lindern den Mangel, lösen ihn
     ein funktionaler Campus konzipiert, der       aber nicht.
     Wissenschaft auf komprmiertem Raum
     ermöglichte. Das Postulat der kurzen          2013 stürmte zudem ein Doppeljahrgang
     Wege sah unter der Uni Autoebenen                die Universitäten, denn hier machten
     vor, darüber autofreie Verbindungen               gleichzeitig die alten G 13
     der Gebäude für Fußgänger. Bar-                    und
     rierefreiheit war Mitte der 60iger
     Jahre noch

                                                                                             die
                                                                                         neuen
                                                                                      G 12
                                                                                   Klassen
                                                                               ihr Abitur.
                                                                           Jedem Student ein
                                                                        Studienplatz war das
                                                                    Ziel der Hochschulen,
                                                                so natürlich auch das der
                                                             Ruhr-Universität Bochum. Die
                                                          zu bewältigende Logistik für die
                                                      Aufnahme eines zusätzlichen Jahrgangs
                                                   war ernorm. Neben vielen anderen Maß-
                                                   nahmen zur Raumbeschaffung wurde ein
                                                   Mobilitätsmanagement aufgelegt, um dem
                                         kein      erhöhten Verkehrsaufkommen genügen
     Ziel, der Topographie geschuldet gibt es      zu können. Alle Verkehrsträger kamen
     viele Treppen auf den Fußgängerebenen,        auf den Prüfstand: Eine vorgeschaltete
     die die Gebäude miteinader verbinden.         Mobilitätsbefragung ermittelte 2012 die
     Das Fahrrad war bei der Planung der RUB       Grundlage für eine Mobilitätsstrategie un-
     Mitte der 1960er Jahre nicht vorgesehen.      ter der Bezeichnung MOVE. Darin wurden
     Komplett mit Tiefparkgaragen errichtet,       alle Studierenden und Beschäftigten der
     kann man mit dem Auto in die Uni fahren       RUB zur Ihrem Mobilitätsverhalten be-
     und unterhalb der Fußgängerpromenade          fragt. Nur 6,3 % der Beschäftigten nutzten
     parken. Der maximal zurückzulegende           das Fahrrad, bei den Studierenden betrug
     Fußweg beträgt 15 Minuten von einem           der Anteil lediglich 3,6 %. Hier sind die
     zum anderen Ende. Eine perfekt erschlos-      Kombinationen aus ÖPNV und Fahrrad
     sene Bildungsmaschine, die damit auch         schon eingerechnet.
     in besonderer Weise die Verbindung aller
     Fakultäten problemlos ermöglicht. 6.600       Deutlich Luft nach oben konstatierten
     Parkplätze im Umfelde der RUB reichen         die Planer und entwickelten ein Bündel
     inzwischen nicht mehr aus. Die zur ÖPNV       von Maßnahmen unter anderem auch zur
     Erschließung gebaute Stadtbahn U 35 ist       Stärkung des Fahrradverkehrs in einem

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Bochum erstellt, die die Hauptachse Uni-
                                             versität West über die Max-Imdahl-Straße
                                             jetzt sicher und bequem befahrbar macht
                                             und das bis dahin praktizierte Parken am
                                             Straßenrand endgültig unterbindet.
                                             Eine zweite Modal Split Erhebung 2014
                                             zeigte bereits Steigerungen in der Rad-
                                             verkehrsnutzung: Bei den Beschäftigten
                                             eine Zunahme um 2,2 % auf 8,5 %, bei den
                                             Studierenden eine Zunahme von 1,7 % auf
                                             5,3 %. Neuere Erhebbungen gibt es bisher
                                             noch nicht, gefühlt sind die Radverkehrs-
                                             anteile aber weiter gestiegen. Die Univer-
                                             sität ist inzwischen auch nicht mehr auf
Über Rad und Fußwege zur Uni                 den Campus beschränkt, Institute und
                                             Außenstellen gibt es am Gesundheitscam-
                                             pus-Nord, an der Universitätsstraße, am
eigentlich nicht sehr geeigneten Bewe-       Bergbaumuseum, in der Stadtbadgalerie
gungsraum. Investiert wurde kurzfristig      und in der Bongardstraße. Auch auf Mark
in den Bau von Abstellanlagen und in         51.7, der ehemaligen Opelfläche, wird die
das Bikesharing System Metropolrad-          Universität weitere Einrichtungen in Be-
ruhr. Dazu ein paar Zahlen: 8 gesicherte     trieb nehmen. Damit sind auch die Anfor-
Fahrradabstell-Sammelanlagen wurden          derungen an Mobilität deutlich gestiegen.
gebaut mit etwa 180 Stellplätzen, 450
Anlehnbügel für das gesicherte Abschlie-     Der Weg zu einer fahrradfreundlichen
ßen von 900 Fahrrädern entstanden            Universität ist noch lang, die eingeleiteten
und die Universität investierte in das       Schritte aber zeigen die richtige Richtung
Metropolradruhr und baute 17 Stationen       auf und tragen erste Früchte. Was strebt
auf dem Campus. Besonders begehrte           die Mobilitätsbeauftragte der Universität,
Radverbindungsachsen für die Nutzung         Lea Gemmeke, für die nächsten Jahre an?
des Leihfahrrades MRR sind inzwischen
die Verbindungen zwischen Unicampus          Hauptzufahrt in die Tiefgaragen der Uni
und Sportcampus und die Verbindungen
zwischen den Studentenwohnheimen und
der Universität. Für die Studenten ist die
Nutzung des Metropolradesruhr für die
ersten 60 Minuten gratis, die Hochschule
Bochum und die Hochschule für Gesund-
heit Bochum sowie die Folkwang Univer-
sität der Künste können diesen günstigen
Tarif ebenfalls nutzen.

Zur Verbesserung der Befahrbarkeit des
Unicampus wurden Rampen angelegt, eine
Einbahnstraße im Unibereich in Gegen-
richtung für den Fahrradverkehr geöffnet
und die erste „Protected Bike Lane“ in

                                                                                   17
Rad infrastruktur: Radweg der rub

          „Ich träume schon von einem Modal Split Anteil von über
          20%, dazu sind aber gemeinsame Anstregungen zusam-
          men mit der Stadt Bochum erforderlich. Beauftragt ist eine         Text: Georg Puhe
          Machbarkeitsstudie zur Verbindung des Uni Campus mit der           Fotos: Bernhard Raeder
          zukünftigen Uniaußenstelle Mark 51.7, dem ehemaligen Opel
          Gelände. Universität, Bogestra und die Perspektive Bochum
          2022 erarbeiten hier gemeinsam eine Mobilitätsstudie.“
                                                                             Weitere Informationen:
          Information über Mobilitätsmöglichkeiten sind der Schlüssel        www.ruhr-uni-bochum.
          zu einer Verhaltensveränderung. Auch hier hat die Universitäts-    de/move/move-die-
          verwaltung erhebliche Anstrengungen unternommen. Informa-          strategie
          tionsstände zur Einschreibung und bei Großveranstaltungen
          der Uni sind wichtige Schritte, Erreichbarkeitspläne stehen im
          Netz, Campusrundgänge und Fahrradexkursionen wurden zur
          Information eingesetzt. Und wer es individuell braucht, erhält
          sogar per E-Mail Beratung zur Streckenführung und Erreich-
          barkeit. Das Fahrrad hat Einzug gehalten in die Universität, das
          Wachstumspotential des Radverkehrs ist groß.

                                                                              Protected Bike Lane

18
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                                                         BIELEFELD

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medien: Best-of »Frei atmen!«

  B    27 Jahrgänge „frei atmen!“, in der Regel 3
       Ausgaben pro Jahr, informierten und un-
                                                                                        Städte begleite der ADFC Bochum die
                                                                                        Radverkehrspolitik. Im Jahr 2000 fasste

  e
       terhielten ADFC Mitglieder und Fahrradin-                                        der damalige Vorsitzende des ADFC
       teressierte in Bochum zu allen wichtigen                                         Bochum Gert Haarmann die Akivitäten

  s
       Themen rund ums Fahrradfahren in der                                             zusammen: „In eigener Sache..... Liebe
       Stadt. Tourenberichte, neues aus dem ADFC                                        Fahrradfreunde, die letzten 20 Monate des
       Bochum, Aktionen zur Förderung des                                               alten Jahrhunderts waren starke Monate,

   t
       Radverkehrs in der Stadt und viele kritische                                     die den Kreisverband des ADFC in Bo-
       Auseinandersetzungen mit den Entschei-                                           chum verändert haben. Der ADFC hat sich

  -o
       dungen der Politik und der Arbeit der                                            in einer bisher nie gekannten Art in die
       Stadtverwaltung „Radweg Irrsinn im Revier“                                       verkehrspolitischen Belange dieser Stadt
       (frei atmen! 3/2010) haben den treuen Leser                                      eingemischt. Nie vorher wurde der ADFC
       informiert. Ganz wichtig der Kalender, der                                       zu so vielen Terminen geladen und nie
       alle Termine zu Fahrradaktivitäten und                                           vorher war sein fachkompetenter Rat bei

   f
       Radtouren in Bochum enthielt.                                                    Behörden und Verbänden so gefragt, wie
       Die kleine, nicht repräsentative, Rückschau                                      heute. Nie zuvor ist es den paar Verant-
          frei atmen!

                                                                                   n!
                                                  durch Radfahre
                          Neue Freunde
                                    Reality-Radweg
                                                    Radhauskreuzung Stadtverkehr
                        Inhalt:     Verkehrführung
                                                    umweltfreundlicher
                                    Aktionsbündnis
                                                   Herausforderung?
                                    Korsika - eine        8/93 -12/93
                                     Radtourenprogramm rversammlung
                                     Protokoll der Mitgliede

                                       fahrzeitschrift
                           Bochumer Rad
              2/93
                                                        m
                                           d-Club Bochu
                                                  her Fahrra
                            Allgemeiner Deutsc

       auf 27 Jahre „frei atmen!“ zeigt 27 Jahre                                        wortlichen des ADFC so schwer gefallen
1992
       Engagement für den Fahrradverkehr in                                             alle Termine wahrzunehmen. Die Presse
       Bochum, zeigt den schweren Stand der                                             ist auf uns aufmerksam geworden. Man
       Aktivisten, zeigt wie schwer ein Mobili-                                         kann mit Fug und Recht behaupten, der
       tätswechsel in einer Stadt fällt, in der bis                                     ADFC ist in Bochum Stadtgespräch ge-
       Dezember 2014 Autos produziert wurden.                                           worden.“ (1/00) Über viele Aktionen wurde
                                                                                        berichtet, u. a. über Aktionen mit Schülern
       Verkehrs- und Fahrradverkehrspolitik                                             der Gymnasien an der Königsallee: „Rad-
       Immer kritisch setzte sich „frei atmen!“                                         streifen auf der Königsallee: Mit der Aktion
       mit Verkehrs- und Radverkehrspolitik in                                          vom 24. Juni (1993) sollte für unseren
       Bochum auseinander. Am 30. 10. 1991 fand                                         Vorschlag geworben werden, Radstreifen
       eine Fahrraddemo (AStA und ADFC) von                                             auf der Königsallee einzurichten (s. Fahr-
       der Uni zur Stadtmitte statt, von Anbeginn                                       Rad 1/93) und somit den Schulweg für die
       an wurde die mangelhafte Verbindung                                              zahlreichen radfahrenden Schulpendler
       zwischen Uni Campus und Innenstadt                                               auf der Königsallee zu sichern.“(2/93)
       kritisiert. Mit Eingaben, Forderungen und
       Schwarzbüchern, Wahlprüfsteinen und                                              Kultur
       Positionspapieren zur Aufnahme in die                                            Kreatives und Weltgewandtes vermittelte
       Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher                                          die Bochumer Radfahrzeitschrift, berichtete

20
über eine Fotoausstellung „Radfahren in
Bochum – Salto mortale in der Pedale“
                                               Stadt und Umgebung. Aus dem Protokoll
                                               der Mitgliederversammlung zitierte „frei              27
                                                                                                     Y
(f a! Nr.1992) im Forum der Volkshochschule,   atmen!“ den Bericht des Vorstandes: „Su-
die vom ADFC Bochum gestaltet wurde.           sanne Wibbeke berichtet von dem Zuwachs
Auch Museumsradtouren standen immer            auf 582 Mitglieder, die größtenteils auf den

                                                                                                     e
wieder auf dem Programm, so zum Beispiel       Radtouren geworben wurden. Desweiteren
zur Ausstellung „Bärenlese - Zum Wesen         teilte sie mit, dass im Jahre 2009 insgesamt
des Teddies“ in Essen. (Report 91)             58 Radtouren durchgeführt wurden mit

                                                                                                     a
                                               1.572 Teilnehmern, die eine Strecke von
Radreisen                                      107.235 km gefahren sind.“ 2/10
Besonders Radreiseberichte aus aller

                                                                                                      r
Welt öffneten dem „frei atmen!“ Leser          Das verschlechterte sich allerdings in den
den Blick über den Bochumer Tellerrand         folgenden Jahren: „Oh Radtouren, wo seid

                                                                                                     s
hinaus. Radreisen nach Norwegen und ins        ihr? Als die Radtourangebote abhanden
Baltikum, in den Jemen 2/97 oder durch         kamen“ lautete in der Ausgabe 1/16 der Titel.
russisch Karelien 2/00 und viele weitere       Tourenleiter verabschiedeten sich, es fehlte an

                                                                                        Nachzulesen sind alle
                                                                                        Ausgaben im Internet
                                                                                        unter der Adresse: ht-
                                                                                        tp://www.adfc-bo.de/
                                                                                        zeitung/zeitung.php

Tourberichte zeigten die Vielfältigkeit des    Nachwuchs. Dafür warb der Artikel offensiv.
                                                                                                 2019
Fahrrades und den hohen Erlebniswert.          „Frei atmen!“ hat die Diskussion um
Berichte über ein Fahrradprojekt in Ugan-      umweltfreundliche Mobilität in Bochum 27
da 1/00 zeigte die grenzenlose Arbeit der      Jahre kritisch begleitet, hat Forderungen
ADFC Mitglieder.                               formuliert und so einen ganz wichtigen Bei-
                                               trag zur Entwicklung der Nahmobilität in
Lebenspraktisches                              Bochum geleistet. Nach 27 Jahren wechselt
Auch Kurioses vermittelte „frei atmen!“.       lediglich der Titel und das Layout. „Frei-
3/94 titelte das Mitgliedermagazin: „Mann      Rad“ wird die Arbeit für Verbesserungen
radelt mit Leiche durch Köln“ und in der       des Radverkehrs in Bochum fortsetzen und
Ausgabe 2/00 wurde die wichtige Frage          die Belange des Fahrradverkehrs weiterhin
gestellt, „Macht Radfahren impotent?“ „Mein    kritisch begleiten.
erstes Elektrorad“ war in der Ausgabe 2/13
ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht        Dem Layouter von „frei atmen!“ ein ganz
über die damals neue Fahrradtechnik.           großes Lob und ein herzliches Dankeschön.
                                               27 Jahre „frei atmen!“ erfordert Respekt!
Fahrradtouren                                  Gerd Bergauer hat sein know how einge-
Ein wichtiges Kapitel in der Berichterstat-    setzt und viele spannende Hefte zusam-
tung waren immer die Radtouren in der          mengestellt.

                                                                                                      21
umfrage unter alltagsradlern

Die Basis spricht:
Wer eine Verkehrswende will,
braucht Alternativen zum
Auto.
FreiRad hat Alltagsradler, die
ihre Wege zur Arbeit mit dem
Fahrrad zurücklegen oder re-
gelmäßig das Fahrrad als
Verkehrsmittel benutzen, nach
ihren Erfahrungen und                Wendy Tanriverdi
Wünschen gefragt.                    Frau Tanriverdi wohnt in Weitmar-Mark und
                                     fährt ihren Sohn Theo einmal die Woche in
                                     die FBS Zechenstraße in Bochum-Hamme .
von Georg Puhe und Bernhard Raeder   Ihre beiden älteren Kinder ((6 und 8) fahren
                                     auch Fahrrad, genau wie ihr Mann, der über
                                     die Springorum-Trasse zur Arbeit hinter
                                     dem Hauptbahnhof fährt.

                                     „Für mich ist das Fahrrad ein Verkehrsmittel,
                                     dass mich nach Hamme und zur Uni bringt.
                                     Daneben ist es Sportgerät, das mir die Mu-
                                     ckibude erspart. Letztlich nutze ich es mit
                                     den Kindern auch in der Freizeit“.
                                        „Auf den Wegen nach Hamme erlebe ich
                                     fast täglich unangenehme und auch brenzli-
                                     ge Situationen. Erst heute hatte ich beinahe
                                     einen Unfall, weil ein Auto vor mir auf den
                                     Radstreifen fuhr um zu wenden. Oft parken
                                     auch Autofahrer auf den Radstreifen, um
                                     mal eben einzukaufen. Beschwert man sich,
                                     wird man angepöbelt.“
                                        „Viele Straßen sind für den Radverkehr
                                     schon ganz gut ausgebaut, so die Markstra-
                                     ße, der Springorum Radweg, die Dorstener
                                     Straße. Es muss aber mehr Bewusstsein ge-
                                     schaffen werden, dass Radfahrer ebenbürtige
                                     Verkehrsteilnehmer sind! Ihnen muss mehr
                                     Aufmerksamkeit gewidmet werden, sonst
Kann denn Parken Sünde sein?         bleibt das Radfahren oft zu gefährlich.“

22
Cengiz Toku
Die Familie Toku wohnt in Altenbochum,
seine beiden Söhne fahren mit dem Rad
zur Goethe-Schule. Seine jüngste Tochter
wird jetzt auch fit gemacht, um demnächst
über Lohring, Gersteinring, Küpperstraße        Jannik van den Boom
und Stadtpark auch zur Goethe-Schule zu         Jannik (22) ist Student der Psychologie an der
radeln. Seine Frau benutzt das Rad für die      Uni Essen und wohnt in Bochum
Fahrt zur Arbeit.
                                                „Ich bin praktisch jeden Tag auf dem Rad.
„Die Bewegung beim Radfahren und die            Es ist das zentrale Verkehrsmittel für mich.
frische Luft sind wichtig für den Körper. Ich   In Bochum mache ich alles mit dem Rad.
versuche das Rad auch oft als Verkehrsmit-      Auch zur Uni Essen fahre ich meistens über
tel zu benutzen, das ist gut für die Umwelt.    die Erzbahntrasse und dann Richtung Zoll-
Man muss nicht immer mit dem Auto fah-          verein.“
ren.“                                              „Da ich das Radfahren liebe, mache ich
   „Die Stadt Bochum hat schon viel für         viele positive Erfahrungen. Schaue ich
Radfahrer getan, besonders gut gefallen         mir aber die Gesamtverkehrssituation an,
mir die Bessemer-, die Oskar-Hoffmann-          kann ich nur sagen: ziemlich katastrophal!
und die Herner Straße. Es könnte aber           Besonders die Hattinger Straße nervt. Im
noch mehr sein.“                                Stadtgebiet machen viele Schlaglöcher das
   „Ich wünsche mir eine deutlich bessere       Fahren sehr ungemütlich.“
Anbindung der Springorum-Trasse an die             „Ich finde, das Bewusstsein fürs Radfah-
Bochumer Innenstadt. Meine Frau hät-            ren müsste gestärkt werden. Menschen soll-
te sicher noch den Wunsch, die Wittener         ten verstehen lernen, Radfahren als echte
Straße für Radfahrer sicherer und fahrrad-      Alternative zum Auto zu begreifen. Dazu
freundlicher zu gestalten. Sie benutzt sie      hilft auf jeden Fall eine gute Infrastruktur.
regelmäßig für ihre Fahrt zur Arbeit an der     Irgendwie muss man den Widerspruch
Alleestraße“                                    zwischen Umweltbewusstsein und der täg-
                                                lichen Praxis verändern“.

                                                                                         23
umfrage unter alltagsradlern

Jan Chmiel                                         Iris Schulz
Herr Chmiel wohnt in Altenbochum, ist in-          Frau Schulz wohnt in der Nähe vom ehemaligen
zwischen über 70 Jahre und fährt viel Fahr-        Eistreff und fährt seit acht Jahren regelmäßig mit
rad. Und das fast schon immer, wie er sagt.        dem Rad zu ihrer Arbeit auf der Hans-Böckler-Stra-
                                                   ße. Sie hat den Eindruck, dass der Radverkehr in
„Fahrradfahren macht mir viel Spaß und so          den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen hat.
tue ich auch etwas für meine Gesundheit. Ich          „Ich benutze das Rad häufiger als das Auto.
fahre fast täglich zwischen 20 und 30 Kilo-        Da ich mitten in der Stadt arbeite, bin ich mit
meter. Ich mache damit auch kleinere Ein-          dem Rad schneller und flexibler. Es macht mir
käufe. Jetzt hole ich gerade Medikamente für       auch einfach Spaß. Besonders Einkäufe lassen
meine Frau aus der Apotheke.“                      sich so schnell erledigen. Für mich ist es in der
   „In den letzten Jahren hat sich in Bochum       Woche das zentrale Verkehrsmittel! Der ÖPNV ist
viel verbessert, z.B. in Richtung Uni. Ich be-     mir zu teuer.“
nutze viel die Springorum-Trasse, die ist             „Radwege sind oft zugeparkt. Auf Bürgerstei-
wirklich gut. Ich beobachte auch viele Met-        gen, die für Radfahrer freigegeben sind, werde ich
ropolfahrräder, das ist gut für die Studenten      häufig von Fußgängern beschimpft. Auf vielen
und für die Touristen.“                            Strecken stehen ständig Pfosten im Weg.
   Bei der Frage, welche Verbesserungen               (Das jahrzehntelange Bestreben der Verkehrs-
er sich in Bochum noch wünscht, muss er            planer, die Radfahrer aus dem Straßenraum zu
lange überlegen. Etwas schüchtern sagt er          verbannen und auf die Bürgersteige auszulagern,
schließlich, „eigentlich bin ich fast zufrieden,   fand 1998 mit der Änderung der StVO ein Ende,
ich denke so 90-95% zufrieden.“ Wenn er            so dass die Benutzungspflicht fast überall aufge-
allerdings die Wittener Straße in die Stadt        hoben werden musste. Die unzähligen ‚Radfahrer
fährt, geht es erst ab dem Lohring „so eini-       frei’ Schilder gehören aber nicht zum Konzept
germaßen gut“.                                     einer fahrradfreundlichen Stadt. d.Red.)
                                                      „Ich wünsche mir mehr eindeutige Radwege in
Über die Zustände vorher, schweigt er.             der Bochumer Inenstadt! Die sollte auf jeden Fall
                                                   fahrradfreundlicher werden. Wenn ich an Kopen-
                                                   hagen denke, könnte ich mir auch Fahrradspu-
                                                   ren vorstellen“.

24
Susanne Schlossarek                              Julia Schulte
Frau Schlossarek wohnt in Linden, wo sie auch    „Ich benutze das Fahrrad auch als norma-
früher lange im Handel gearbeitet hat. Auf der   les Verkehrsmittel, besonders zum Einkau-
Straße ist sie vielen Mitbürgern bekannt.        fen. Viele Wege sind zum Laufen zu weit
   „Ich bin 50+ und Radfahren ist für mich       und fürs Auto einfach zu kurz. Da ist das
eine sportliche Betätigung, die mir gut tut.     Fahrrad genau richtig. Das Auto ist für die
Ich fahre jeden Morgen zum Sport und zur
                                                 Fahrt in die Innenstadt eh nicht geeignet!“
Arbeit nach Weitmar-Mitte. Unterwegs kann
ich dann auch gut einkaufen. Das Auto kann          „Allerdings ist die Innenstadt schwer zu
man ja mal ruhig stehen lassen. Ich benutze      durchfahren, es ist ein schlechtes Durchkom-
es etwa einmal die Woche.“                       men. Auf den Radwegen oder Radstreifen
   „Wenn ich auf dem Bürgersteigradweg           wird auch zu oft geparkt. Ich finde auch,
an der Hattinger Straße in Linden (s. Abb.       dass es mehr Abstellmöglichkeiten für Fahr-
rechts unten) unterwegs bin, habe ich nicht      räder geben müsste. Diese Stahlreifen („Lol-
soviel Probleme wie andere. Mich lassen die      lys“ d.Red.) würden schon genügen.“
Menschen eigentlich ohne Murren durch,              „Ich wünsche mir mehr Radwege in Bo-
weil mich viele von meiner damaligen Arbeit      chum!“
kennen. Andere werden aber oft angeraunzt
oder angepöbelt. Besonders ältere Menschen
sind oft extrem. Der Radweg ist ja nur gedul-
det.“ (Ich mache sie darauf aufmerksam, dass
hier eine Benutzungspflicht vorliegt, Radfah-
rer also zwingend den Bürgersteig benutzen
müssen. Nach Aussagen der Stadt sei dies
notwendig, da in den Haltestellenbereichen
die Schienen eine zu große Gefahr für Rad-
fahrer darstellten. Das Bild von der Halte-
stelle Südbad zeigt die Problematik, die Frau
Schlossarek anspricht.) „Besonders sonntags
gibt es oft große Diskussionen mit den Kirch-
gängern, wenn Gruppen von Radfahrern auf
dem Bürgersteig auftauchen.“

                                                                                        25
umfrage unter alltagsradlern

                                                                 Die Basis befragt:
                                                                 Welchen Stellenwert hat das
                                                                 Fahrradfahren für Sie/dich?

                                                                 Wie erleben Sie / erlebst du das
                                                                 Fahrradfahren in Bochum?

                                                                 Was wünschen Sie sich /wünschst
                                                                 du dir ganz besonders für das
                                                                 Fahrradfahren in deiner Stadt?

Patrick Hoenninger fährt aus Weitmar oft mit                    tofahrer in Bochum am schlimmsten sind;
dem Rad zum Bahnhof, um mit dem Zug zum                         das habe ich in so vielen Städten gehört,
Arbeitsplatz zu gelangen.                                       dass es weder originell noch glaubwürdig
   Der gemessene Anteil des Fahrrads am                         ist. Akzeptanz fängt im Kopf von jedem
berühmten Modal Split wie auch das im                           und jeder an, wenn die Wahl ansteht, wie
Alltag beobachtbare Aufkommen haben                             ich wohin fahre und dabei ernsthaft das
über die Jahren etwas zugenommen. Die                           Fahrrad einbeziehe – und das Sammeln
politische Beachtung, gerade auf kom-                           von Gegenargumenten nicht als Sport be-
munaler Ebene, ist deutlich gewachsen.                          treibe: zu weit, zu viel Steigung, zu nass,
Trotzdem ist das Fahrrad nicht ein weit-                        zu kalt, zu gefährlich, zu viel Gepäck, zu
hin akzeptiertes Verkehrsmitte. Mit Ak-                         kaputt (das Rad), zu aufwändig (das Rad
zeptanz meine ich nicht nur die Position                        rauszuholen);
in Konfliktsituationen – hier will ich aller-                      Seitdem ich 1993 nach Bochum zog
dings nicht ins Horn stoßen, dass die Au-                       fuhr ich viel mit dem Fahrrad in Bochum
                                                                bzw. in der Region und kam mir lange pi-
                                                                onierhaft vor. Ich bin nach wie vor davon
                Second Hand                                     überzeugt, mit dem Rad in vielen Situati-
             Kleidung und Möbel                                 onen die beste Wahl zu treffen. Ein wenig
                  - gemeinnützig                                ist das auch dem ÖPNV-Angebot geschul-
                         - sozial                               det, was es außerhalb der Hauptverbin-
                             - integrativ                       dungen nicht mit dem Individualverkehr
                  2. Hand Möbel:                                aufnehmen kann. Aber das Kombinieren
                  Tel. 0234 / 955 41 66                         von ÖV und Rad kann die jeweiligen
                  Harpener Feld 14 • Hattinger Str. 72-74
                                                                Nachteile kompensieren. Und, ehrlich ge-
                  2. Hand Kleidung:
                  Tel. 02327 / 991 39 66                        sagt, kann ich auf das Auto zurückgreifen
                  Castroper Str. 203 • Alte Bahnhofstr. 38      und tue dies gelegentlich tatsächlich.
                  Günnigfelder Str. 99 • Hattinger Str. 72-74      Ich wünsche mir, dass Sonntagsfahrer
                  Dr.-C.-Otto-Str. 119
                                                                auch montags mit dem Rad fahren…ist
            Wir suchen ständig                                  gar nicht so schlimm; und zeigt allen an-
 gut erhaltene Kleider- und Möbelspenden                        deren, dass es geht.

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Dietmar Streit,                                 Dr. L, fährt täglich mit dem Rad in die Stadt
Apotheker in Querenburg und Steinkuhl              Für mich bedeutet die Nutzung des Fahr-
   Mit dem Fahrrad erreiche ich meinen Ar-      rades Freiheit - ich wähle meine Zeit und
beitsplatz am einfachsten. Ich brauche 10 bis   meinen Weg, genieße die Natur auch bei
12 Minuten für die Strecke und komme frisch     Kälte und Regen. Morgens macht es mich
und wach am Arbeitsplatz an. 40 - 50 % dieser   wach und abends entspannt es mich. Ich
Wege mache ich mit dem Fahrrad.                 verpeste nicht die Umwelt und spare viel
   Für mich ist die Anbindung an die In-        Geld. Es hält mich fit und jung.
nenstadt eine Katastrophe. Auf dem letzten         Der Bau des Springorum Radwegs ist ein
Stück der Unistraße fehlen komplett die         großer Gewinn für mich, da ich den Autos
Radverkehrsanlagen, die Innenstadt aus          ausweichen kann. Da ich von Linden in die
Süden zu erreichen halte ich für brandge-       Innenstadt radele, finde ich die Teilstrecke
fährlich.                                       von der Musikschule Linden bis zum Sprin-
   Deshalb wünsche ich mir die zügige Fer-      gorumradweg, da ohne Radweg, gefährlich.
tigstellung des Radschnellweges und eine        Dass die Ampel am Hauptbahnhof zuerst
Verbesserung der Erreichbarkeit der Innen-      für uns Radler grün wird, gibt mir Sicherheit.
stadt. Die Reduzierung des mororisierten        In den 30 Jahren, die ich mit dem Rad unter-
Individualverkehrs ist für mich ein weiteres    wegs bin, ist die Achtsamkeit der Autofahrer
wichtiges Ziel.                                 deutlich besser geworden. Aber man muss
                                                doch dauernd ausweichen, wenn der Rad-
                                                weg zugeparkt ist (z. B. Wasserstr.) oder Au-
                                                totüren unerwartet öffnen. Es ist toll, dass
                                                viel mehr Radfahrer in der Stadt unterwegs
                                                sind als damals. Für die Bogestra habe ich
                                                ein Ticket 2000. Dies motiviert mich, selbst
                                                bei grausligem Wetter zumindest eine Stre-
                                                cke zu radeln.
                                                   Ich wünsche mir mehr gut markierte Rad-
                                                wege, z. B. Königsallee oder Hattinger Straße
Schlimmer geht immer!                           Innenstadt nah.

                                                                                         27
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