4 Claussen-Simon-Gesprächskreis - 4.1 Kunst - Apiecha
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4 Claussen-Simon- Gesprächskreis 4.1 Kunst 4.1.1 Alexander Piecha: Kunst, Wissen- schaft und Technik Einleitung Kunst, Wissenschaft und Technik scheinen heute gleichermaßen in einer tiefen Krise zu stecken. Die Kunst ist eine überaus elitäre Angelegenheit geworden, die nur noch von einer kleinen Anzahl von Kennern zur Kenntnis genommen wird, da eine verstehen- de Beschäftigung mit gegenwärtigen Kunst- werken ein enormes Maß an mühsam zu er- werbendem Vorwissen erfordert. Man denke nur an Arbeiten wie von On Kawara, Hanne Darboven oder Maria Eichhorn. Zugleich werden im Rahmen des Post-PISA- Aktivismus die künstlerisch-musischen Fächer Abb. 31. Alexander Piecha, RöntgenBild #16, an den öffentlichen Schulen immer mehr ins Mischtechnik auf Papier, DIN A 4, 2001. Abseits gedrängt – ungeachtet positiver Mo- dellversuche, die nachdrücklich belegen, dass Allerorten wird der Sinn- und Werteverlust zum Beispiel die praktische Beschäftigung mit unserer Gesellschaft beklagt. Musik neben den allgemeinen Intelligenzleis- Die Technik schließlich hat mit Macht Einzug tungen auch die sozialen Fähigkeiten signifi- in unseren Alltag gehalten. Eine Welt ohne kant verbessert.136 Autos, Fernsehen, Handys, Computer und Die Wissenschaften dagegen, insbesondere die Internet ist kaum noch vorstellbar und besten- Naturwissenschaften im Verbund mit der falls im zeitlich genau umgrenzten Urlaub zu Technik, werden dagegen immer wirkmächti- ertragen. Gleichzeitig sind mittlerweile die ne- ger, was von vielen indes nicht immer nur als gativen Auswirkungen dieser Entwicklung al- Segen, sondern oftmals auch als Bedrohung len bewusst: Um nur einige Stichworte zu empfunden wird. Man denke nur an die öf- nennen, seien Waldsterben, Elektrosmog, fentlichen Diskussionen um die Atomtechnik, Klimaveränderung, Ozonloch und Müllberge um den praktischen Einsatz der Gentechnik in genannt. der Landwirtschaft, in der Medizin oder um Besteht nun ein innerer Zusammenhang zwi- die Stammzellenforschung. schen den hier beschriebenen Entwicklungs- Parallel zu der exponentiell ansteigenden Ak- tendenzen oder handelt es sich um eine kumulation von Wissen geht anscheinend für schlichte Koinzidenz? Die folgende Untersu- viele mit der nüchternen Weltsicht der Wis- chung der Unterschiede und Gemeinsamkei- senschaften etwas verloren: ten der Weltbezüge von Kunst, Wissenschaft und Technik soll Ansätze für eine Beantwor- tung dieser Frage liefern. Dabei kann es nicht 136 darum gehen, eine Seite wie zum Beispiel die So berichtete Roland Haas (Salzburg) in seinem Beitrag Kunst mythisch zu überhöhen und die ande- „Kultur der Kunst – Musik als Bildung“ zum vierten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik in ren pauschal zu verurteilen. Das Hauptau- Berlin 2002. Siehe hierzu auch die Untersuchungen H. genmerk wird allerdings auf die Kunst gerich- G. Bastian: Musik(erziehung) und ihre Folgen. Eine tet sein. Langzeitstudie an Berliner Grundschulen, Frank- furt/Main 2000. 62
Kunst und Wissenschaft als Weisen der Welterzeu- Das Ordnen, Kategorisieren, Ergänzen, Eli- gung137 minieren und Strukturieren der Dinge erzeugt neue Welten und damit in einem weiten Sinne Beginnen wir mit einer ersten Gegenüberstel- des Wortes Erkenntnis. Dazu bedienen wir lung von Kunst und Wissenschaft: Das Mus- uns verschiedener Symbolsysteme. Ihnen allen terbeispiel einer modernen Naturwissenschaft liegt der gleiche menschliche Drang zugrunde, ist die moderne Physik. Ihr scheint es in aus- nämlich unser Erkenntnisinteresse. Der Kog- gezeichneter Weise darum zu gehen, die ob- nitionspsychologe Berlyne sieht die Motivati- jektive, d.h. vom Subjekt unabhängige Wirk- on für Kunst wie Wissenschaft in einem über lichkeit zu beschreiben. Ohne sich jedoch ra- Kindheit und Jugend hinaus bewahrten und dikal-konstruktivistische Entgleisungen zu er- professionalisierten Erkundungsverhalten, lauben, kann man heute sagen, dass diese An- welches das menschliche Grundbedürfnis sicht so nicht zutreffend ist. Nicht nur in der nach Information zu befriedigen strebt.140 Für Quantenphysik gilt: Die Welt, die wir wahr- Goodman ist die Kunst als eines der Symbol- nehmen und die wir mit der Physik zu erklä- systeme mit denen wir Welt erfassen und er- ren versuchen, ist immer eine Welt für uns, nie zeugen, eine Quelle der Erkenntnis wie die aber die Welt an sich. Dieser bereits von Kant Wissenschaften auch – ohne dass sich die formulierte Gedanke äußert sich schon darin, Weisen der Welterzeugung in irgendeiner dass wir die Welt immer aus unserer mensch- Weise hierarchisieren ließen.141 Dennoch kön- lichen Perspektive mit unseren Sinnesorganen nen die Symbolsysteme der Kunst und der wahrnehmen und mit unserem Erkenntnisap- Wissenschaft hinsichtlich ihrer grundsätzli- parat hypothetisch rekonstruieren. Jede Er- chen Symbolisierungsweisen differenziert kenntnis ist somit immer subjektrelativ. Damit werden. Auf das Vorliegen künstlerischer ist statt der alten Unterscheidung zwischen Symbolsysteme weisen Goodman zufolge fünf subjektiven und objektiven Behauptungen Kriterien hin. Er selbst nennt diese mit Be- nunmehr „nur“ noch die deutlich moderatere dacht Symptome des Ästhetischen, da sie kei- Frage sinnvoll, inwieweit eine Behauptung ne notwendigen oder hinreichenden Bedin- intersubjektiv überprüfbar ist oder nicht.138 gungen darstellen, deren Vorliegen ein System mit Gewissheit als ein künstlerisches aus- zeichnen würde.142 Die Goodmanschen Sym- ptome sind: 140 D.E. Berlyne: Aesthetics and Psychobiology, New York 1971, S. 295f. 141 Scholz plädiert darum in Anknüpfung an Goodman für eine Erweiterung der momentan auf Wissen und Wahr- heit fixierten Erkenntnistheorie, damit diese der Vielfalt menschlicher kognitiver Aktivitäten gerecht werden kann, s. O.R. Scholz: Kunst, Erkenntnis und Verstehen. Eine Verteidigung einer kognitivistischen Ästhetik, in: Schmücker/Kleimann (2001), S. 34-48, hier S. 35-39. Abb. 32. Alexander Piecha, Ferngemalt Nr. 58 Auch Schmücker betrachtet Kunstwerke als Zeichen „Anmut“, Digitales Bild, 2002 und vergleicht ihren ontologischen Status explizit mit dem von Worten; vgl. R. Schmücker: Was ist Kunst? Ei- Die Frage nach der Existenz einer objektiven ne Grundlegung, München 1998, S. 264-268. Welt ist dabei wesentlich uninteressanter als 142 Goodmans Untersuchung beschäftigt sich ausdrücklich die Untersuchung, wie wir unsere jeweils eige- mit Symbolsystemen und nicht mit Kunstwerken als ma- teriellen Objekten. Anders als Spree und Plumpe es be- nen Welten, in denen wir leben, erschaffen haupten, sind seine Symptome des Ästhetischen keine und umgestalten - so sieht es zumindest Objekteigenschaften, sondern Eigenschaften von relati- Goodman als Vertreter eines ontologischen onalen Symbolsystemen. Vgl. A. Spree: Erkenntnistheo- rie der Kunst. Die symboltheoretische Ästhetik Nelson wie erkenntnistheoretischen Relativismus.139 Goodmans, in: T. Hecken/A. Spree (Hg.): Nutzen und Klarheit. Anglo-amerikanische Ästhetik im 20. Jh., Pa- 137 N. Goodman: Weisen der Welterzeugung, Frankfurt am derborn 2002, S. 124-151, hier S. 137 und G. Plumpe: Main 1995. Kann man Kunst erkennen? Arthur C. Dantos Ästhetik 138 Vgl. hierzu A. Piecha: Die Begründbarkeit ästhetischer der Transfiguration, in: Hecken/Spree, S. 152-172, hier Werturteile, Paderborn 2002, S. 222-224. S. 169, sowie N. Goodman: Sprachen der Kunst. Ein 139 Goodman, Weisen der Welterzeugung, S. 34. Ansatz zu einer Symboltheorie, Frankfurt am Main 63
a) Syntaktische Dichte wird. Goodman unterscheidet zwar buchstäb- liche von metaphorischen Eigenschaften, für Damit ist gemeint, dass die Zeichen eines beide aber gilt, dass sie tatsächlich besessen Symbolsystems auf der Ebene der Zeichenge- werden können, d.h. auch die Zuschreibung stalt nicht differenziert sind, d. h. die verschie- von metaphorischen Eigenschaften kann tat- denen Zeichen können nicht säuberlich in dis- sächlich wahr sein – oder auch falsch, wenn junkte Klassen aufgeteilt werden; jeder noch ich zum Beispiel behaupte, das Licht einer so marginale Unterschied in der Zeichenge- gewöhnlichen Neonröhre sei warm oder ein stalt kann zu einem neuen Zeichen führen. Trauermarsch fröhlich. Interessanterweise re- Gemälde – so wie sie von uns normalerweise konstruiert Goodman künstlerischen Aus- betrachtet werden, d. h. innerhalb des tradier- druck als metaphorische Exemplifikation. ten Systems der Kunst – sind syntaktisch dich- te Zeichen, wohingegen die natürlichen e) Multiple und komplexe Bezugnahme Schriftsprachen nicht syntaktisch dicht sind, Goodmans fünftes Symptom taucht in den da sie aus einer endlichen Anzahl wohl defi- Sprachen der Kunst selbst noch nicht auf, nierter und unterscheidbarer Zeichen beste- sondern wird von ihm erst bei der Welterzeu- hen. gung formuliert.143 Es besagt, dass ein gegebe- b) Semantische Dichte nes Zeichensystem über vielfache und kom- plexe interne und externe Bezüge verfügt. Ei- Betraf die syntaktische Dichte die Ebene der ne künstlerische Arbeit wie der Raum unter Zeichengestalt, so geht es hier um die der Be- der Treppe von Fischli und Weiss im Frank- deutungen. Semantische Dichte meint damit, furter Städel-Museum rekurriert nicht nur auf dass ein Symbolsystem für jeden noch so klei- Duchamps Readymades, sondern verweist nen Bedeutungsunterschied Zeichen bereit- angesichts der Tatsache, dass es sich bei den in stellen kann. So sind beispielsweise die natürli- dem Raum unter einer Treppe ausgestellten chen Sprachen semantisch dicht, da wir belie- Hausmeisterutensilien um handgefertigte und big genau auch kleinste Differenzen wie z. B. naturgetreu bemalte Nachbildungen aus Poly- Farbnuancen benennen können. urethanschaum handelt, auch auf Vorstellun- c) Relative Fülle gen vom Künstler als virtuosem Handwerker. Dieses Symptom bezieht sich auf die Anzahl Ein künstlerisches Symbolsystem, welches die der relevanten Zeichenaspekte. Während es Goodmanschen Symptome aufweist, stellt bei Funktionsgraphen beispielsweise nur auf damit eine „Weise der Welterzeugung” dar, die Höhe der Linie über der Abszisse an- die sich stark von dem Ideal einer wissen- kommt, spielen bei künstlerischen Zeichnun- schaftlichen Sprache unterscheidet. Für letzte- gen auch das verwendete Papier, die Farbe der re sind Eindeutigkeit und Klarheit unabding- Linien und ihr graphischer Gestus, die Rah- bare Voraussetzungen, selbst wenn vollständi- mung und viele andere Kriterien eine Rolle, ge syntaktische und semantische Differen- will man die Bedeutung des Zeichens verste- ziertheit auch hier nicht erreicht werden. So- hen. mit ist es nicht verwunderlich, dass es kaum d) Exemplifikation Schwierigkeiten macht, einen physikalischen Fachtext aus dem Deutschen ins Englische zu Hierbei handelt es sich um eine Form der Be- übersetzen. Versucht man allerdings ein Ge- zugnahme, bei der das Zeichen einzelne seiner dicht von einer Sprache in die andere zu über- Eigenschaften exemplifiziert. Es verweist bei- tragen, so ist das Resultat oft eine kreative spielhaft auf bestimmte (nicht alle) Prädikate, Neuschöpfung, da es nicht nur auf die lexikali- die ihm zukommen, so wie eine Farbprobe schen Kernbedeutungen der verwendeten uns veranschaulichen kann, was „Siena ge- Begriffe ankommt, sondern auch auf Konno- brannt” für ein Farbton ist. Ebenso kann uns tationen, Färbungen, Assoziationen und den eine Glühbirne exemplifizieren, was „warmes Klang. Vor einem ähnlichen Problem stehen Licht” ist, auch wenn die Eigenschaft der wir, wenn wir versuchen, ein Gemälde oder Wärme hier nur metaphorisch verwendet eine Installation jemandem zu beschreiben, 1997, insbesondere S. 232-235 sowie ders., Weisen der Welterzeugung, S. 88-91. 143 Goodman, Weisen der Welterzeugung, S. 89. 64
der das Werk nicht kennt. Aus diesem Grunde ist im ersten Fall subjektiver und im zweiten spricht auch Danto in diesem Punkt in Über- Fall intersubjektiver Natur. Die modernen Na- einstimmung mit Goodman davon, dass turwissenschaften zielen auf die Erkenntnis Kunstwerke so ähnlich strukturiert sind wie der intersubjektiven Welt, d. h. der Tatsachen, Metaphern oder Witze. Nicht nur der Inhalt die nicht von rein subjektiven Faktoren ab- zählt, sondern ebenso die Weise, in der dieser hängen. Die Kunst dagegen abstrahiert, wie Inhalt präsentiert wird.144 Paraphrasiert man noch auszuführen sein wird, eben nicht von den Inhalt, so gehen dabei wesentliche Aspek- ausschließlich subjektiven Erlebnisqualitäten, te verloren: Der Witz verliert seine Pointe, die sondern bietet eine Möglichkeit, diese inter- Metapher ihre Ausdruckskraft, und beim subjektiv kommunikabel zu machen.146 (Siehe Kunstwerk geht die in der Darstellungsweise hierzu auch Abbildung 4) zum Ausdruck kommende spezifische Sicht verloren. Abb. 34. Alexander Piecha „Kosovo, analog 01, Nr. 52: „Lazarett“, Mischtechnik auf Papier (DIN-A4), 2003. Wie schon Kant festgestellt hat, kommt es beim Geschmacksurteil auf das aus dem freien Spiel der Erkenntniskräfte resultierenden Lust- bzw. Unlustgefühl an, mithin auf unser jeweils individuelles Verhältnis zu den Dingen Abb. 33. Alexander Piecha, „Individualität in unserer Lebenswelt.147 Die Emotionen spie- (visueller Definitionsversuch)“, len hier eine wesentliche Rolle – allerdings Mischtechnik auf Hartfaser, ca. 21 cm x 36 cm, 200. nicht als Gegenpart zur Kognition, sondern als ein wesentlicher Bestandteil letzterer, stel- Beharrt Goodman noch darauf, dass Kunst len sie doch das maßgebliche Bewertungssys- und Wissenschaft beide hinsichtlich ihrer Er- tem des Körpers dar. Ohne Emotionen wären kenntnisfunktion gleich sind, so geht Koppe wir gezwungen, gemäß den Strategien der darüber hinaus.145 Ihm zufolge sind nicht nur Spieltheorie zu entscheiden, d. h. wir müssten ihre Erkenntnismethoden, sondern auch ihre in jeder Entscheidungssituation alle Hand- Erkenntnisziele unterschiedlich, entsprechend lungsalternativen unter Berücksichtigung aller ihren verschiedenen Dingbezügen. Die Begleitumstände durchspielen und alle sich zugrunde liegende Annahme ist die, dass der ergebenden Konsequenzen bei Beachtung ih- Unterschied in der Weise der Bezugnahme rer Wahrscheinlichkeitsverteilung bewerten. auch einen Unterschied in der Weise der Dass diese Vorgehensweise nur in Ausnahme- Welterzeugung impliziert, basierend auf einem fällen innerhalb einer angemessenen Zeit- anderen Erkenntnisinteresse. Kunst bezieht spanne zu sinnvollen Entscheidungen führen sich in personaler und Wissenschaft in a- personaler Weise auf die Welt. Der jeweils re- sultierende Geltungsanspruch von Kunstwer- ken und naturwissenschaftlichen Hypothesen 146 Wichtig ist festzuhalten, dass es weder die Kunst noch die Wissenschaft gibt. Kunst und Wissenschaft sind viel- mehr Sammelbegriffe für jeweils eine Vielzahl menschli- 144 A.C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen: Eine cher Aktivitäten. Einen erschöpfenden Überblick über Philosophie der Kunst, Frankfurt am Main 1999, S. 287. die alleine mit der literarischen Wertung verbundenen 145 Für Näheres s F. Koppe: Selbstwert und Geltungsan- Sprachspiele und Begründungsstrategien gibt W. Strube: spruch der Kunst, in: B. Kleimann/R. Schmücker, R. Sprachanalytische Ästhetik, München 1981. (Hg.): Wozu Kunst? Die Frage nach ihrer Funktion, 147 I. Kant: Kritik der Urteilskraft, Stuttgart 1963, S. 67f., Darmstadt 2001, S. 104-140, insbesondere S. 111-116. 72. 65
würde, muss wohl kaum näher dargelegt wer- schen mit intaktem kognitiven Apparat über- den.148 einstimmend erfahren. Dass diese intersubjek- tive Welt eine Abstraktion von der Reichhal- Diese emotionale Werthaftigkeit, die insbe- tigkeit unseres phänomenalen Erlebens von sondere dem ästhetischen Erleben eigen ist, Wirklichkeit beinhaltet, ist bereits einer der kommt, ungeachtet der von Danto immer Gründe für die verbreitete Unzufriedenheit wieder betonten grundlegenden Interpretati- mit dem Fortschritt der Wissenschaften. onsbedürftigkeit der Kunst,149 auch der Rezep- tion von Kunstwerken zu. Jedes Kunstwerk Im Gegensatz zu Kant, der annahm, dass die präsentiert nicht nur seinen Inhalt, sondern „kognitive Normalausstattung” des Menschen immer auch die Art und Weise der Präsentati- bereits ausreiche, seine Geschmacksurteile on. Der Inhalt und die Präsentationsweise ver- intersubjektiv zu normieren,153 legen die aktu- schmelzen zum Gehalt des Werkes.150 Kunst- ellen Resultate der Emotionsforschung den werke sind darum prädestiniert dafür, be- Schluss nahe, dass unser ästhetisches Werter- stimmte subjektive Gehalte einer individuel- leben eben nicht in dieser Weise intersubjektiv len, werthaften Erlebnisperspektive in der übereinstimmend ausgeprägt ist.154 Parallel zu Weise zu objektivieren, dass diese Sicht der dieser zunehmenden Objektivierung des wis- Welt an ihnen für den Rezipienten nachvoll- senschaftlichen Weltbildes verläuft darum die ziehbar wird.151 genau entgegen gesetzte Entwicklung der Kunst hin zum Medium für subjektive Erleb- Der exponentielle Fortschritt insbesondere nisgehalte: Man denke nur an so unterschiedli- der Naturwissenschaften beruht dagegen ganz che Künstler und Künstlerinnen wie Louise wesentlich auf der Definition eines normalen Bourgeois, Christian Boltanski oder Nan Gol- Beobachters, d. h. einer Person, welche mit din. einem durchschnittlichen kognitiven Apparat ohne alle Defekte ausgestattet ist. Unter stan- Selbst ein so konzeptuell arbeitender Künstler dardisierten Wahrnehmungsbedingungen wie On Kawara lotet in seinen meist spröden kann dieser normale Beobachter, ungeachtet Arbeiten Fragen aus, wie die nach der indivi- aller sonstigen Befindlichkeiten, genau die Er- duellen Existenz in Raum und Zeit. Anders als fahrungen zu machen, die eine zur Prüfung einem Psychologen geht es ihm aber nicht um stehende Theorie bestätigen oder widerle- statistisch belegbare und empirisch überprüf- gen.152 Dabei spielen, wie oben schon ange- bare Erklärungsmodelle. Stattdessen macht er deutet, nur die Aspekte der phänomenalen sein raum-zeitliches Dasein zum Thema von Welt eine Rolle, die gegenüber rein subjekti- Werken, die es dem Rezipienten erlauben, be- ven Faktoren invariant sind. Die Naturwissen- stimmte Aspekte erlebend nachzuvollziehen. schaften befassen sich also mit einer Art Somit lässt sich der Schluss ziehen, dass hier Durchschnittswelt, einer Welt, die alle Men- von einer zunehmenden Arbeitsteilung ge- sprochen werden kann. In der Renaissance 148 Für Näheres s. A. Damasio: Descartes Irrtum, München waren Persönlichkeiten wie beispielsweise Le- 1997 und Piecha, S. 30-33. 149 Danto, S. 208. Zur Bedeutung der Interpretation in der onardo da Vinci noch Künstler und Wissen- Literatur vgl. A. Spree: Kritik der Interpretation. Analyti- schaftler zugleich. Künstlerisches und wissen- sche Untersuchungen zu interpretationskritischen Litera- schaftliches Werk sind oftmals nicht klar zu turtheorien, Paderborn/Wien/München u.a. 1995. 150 Danto, S. 264-268. trennen. War anschließend noch über lange 151 Vgl. F. v. Kutschera: Ästhetik, Berlin 1988, S. 271. Die Jahrhunderte die naturalistische Darstellung Präsentation individueller Sichtweisen begreift auch eine wesentliche Aufgabe der Kunst, so hat sie Kleimann als eine wesentliche Funktion von Kunst; vgl. sich spätestens im Verlauf des 20. Jahrhun- B. Kleimann: Erfülltes Interesse. Worin der Reiz der Kunst besteht, in: Kleimann/Schmücker, S. 68-87, S. 87. derts davon emanzipieren können.155 Aber An anderer Stelle betont er die Werthaftigkeit ästheti- schon zuvor war, wie sich besonders gut an scher Erfahrung als wichtiges Unterscheidungskriterium den Gemälden Rembrandts oder Goyas erfah- im Vergleich zu propositionaler Erkenntnis; B. Klei- mann: Das ästhetische Weltverhältnis. Eine Untersu- ren lässt, die künstlerische Abbildung immer chung zu den grundlegenden Dimensionen des Ästheti- schen, München 2002, S. 356. 152 Vgl. R.W. Trapp: Sind moralische Aussagen objektiv 153 Siehe Kant, S. 208 und 212. wahr?, in: Das weite Spektrum der Analytischen Philo- 154 Eine differenziertere Darlegung findet sich bei Piecha, S. sophie. Festschrift für F. v. Kutschera, hg. von W. Len- 154-165. zen, Berlin/New York 1997, S. 408-428, hier S. 420f. 155 Vgl. E. Gombrich: Kunst und Illusion, Stuttgart 1993. 66
auch Präsentation einer bestimmten Erlebnis- Ganz in diesem Sinne finden sich auch theore- weise.156 In unseren Tagen haben die Künstler tische Positionen, welche der „künstlerischen das dahingehend erweitert, dass sie nicht nur Vernunft” in emphatischer Weise die höhere ihre spezifische Sicht in ihren Werken verge- Dignität zusprechen.159 Darum fällt es auch so genständlichen, sondern darüber hinaus auch leicht, der technischen Entwicklung beispiels- offene Erlebnisräume schaffen, die andere weise die Schuld an unseren Umweltproble- füllen müssen. men oder an der Unmenschlichkeit der zu- nehmenden Rationalisierung der Arbeitswelt Christian Boltanski formuliert das so: zuzuschreiben, wohingegen der Künstler ger- „Ein Kunstwerk muß eine gewisse Undefi- ne als der Prototyp des kreativen Visionärs niertheit haben; damit jeder seine eigenen Ge- präsentiert wird. schichten, seine eigenen Erinnerungen daran Ganz abgesehen davon, dass Kreativität nicht festmachen kann. Ein gutes Kunstwerk be- nur in den Künsten sondern auch in Wissen- steht zu Dreiviertel aus den Emotionen des- schaft und Technik vorkommt,160 liegt hier sen, der es anschaut.“157 eine begriffliche Verwirrung vor: „Technik” Wie bei jeder Form der Arbeitsteilung aber meint im normalen Sprachgebrauch lediglich sind die Produkte hoch spezialisierter Tätig- so etwas wie Verfahrensweise oder Methode. keiten meist nicht ohne weiteres durchschau- Kunst dagegen ist ein primär positiv werten- bar. So kostet es in gewisser Weise ebenso der Begriff, der sich bislang dem definieren- Mühe, einen aktuellen Aufsatz zur Quanten- den Zugriff der philosophischen Ästhetik physik zu verstehen, wie Gregor Schneiders recht erfolgreich verweigert.161 In diesem Sin- Haus „u r“ in Rheydt angemessen zu rezipie- ne sprechen wir auch von Handwerks- oder ren.158 Rührt die verbreitete Unzufriedenheit Ingenieurskunst. Auf der anderen Seite liegt mit der naturwissenschaftlichen Weltsicht da- jedem künstlerischen Schaffen notwendiger- her, dass alle werthaften und damit subjekti- weise eine gewisse Technik im Sinne einer ven Erlebnisqualitäten ignoriert werden, so Verfahrensweise zugrunde – man denke nur erfordert die Auseinandersetzung mit Kunst- zum Beispiel an die ausgefeilte Technik der werken, neben nicht unerheblichem kunsthis- klassischen Ölmalerei. Mithin handelt es sich torischem Vorwissen, die Offenheit, sich auf bei Kunst und Technik gar nicht um zwei subjektive und oftmals provozierende Per- voneinander abgrenzbare Bereiche menschli- spektiven einzulassen. chen Handelns. Allenfalls ließe sich ein Ge- Kunst und Technik gensatz zwischen den Ingenieurwissenschaften und der Kunst konstruieren. Dieser verliefe Die folgenden, auf obigen Überlegungen auf- dann aber weitgehend parallel der bereits oben bauenden Ausführungen zu diesem Thema untersuchten Unterscheidung zwischen Kunst teilen sich in zwei Bereiche, nämlich a) eine und Naturwissenschaft. Es mag durchaus sein, theoretisch-analysierende Betrachtung und dass in den Ingenieurwissenschaften anders als b) praktisch-künstlerisch motivierte Erwägun- in der theoretischen Physik Überlegungen gen: zum Nutzen und zur Anwendbarkeit eine a) Das auf den ersten Blick so einleuchtende größere Rolle spielen. Allerdings können der- Begriffspaar „Kunst und Technik” ist bei nä- artige pragmatische Aspekte ebenfalls zu einer herer Betrachtung schon als solches proble- Normierung individueller Weltsichten führen. matisch. Es impliziert nämlich einen Gegen- satz von technischer Weltbeherrschung auf 159 So z.B. Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt der einen und künstlerischem Schaffen auf der a. M. 1992, S. 428f., oder M. Heidegger: Der Ursprung anderen Seite. Ersteres würde sich in diesem des Kunstwerks, Stuttgart 1960, S. 80f. 160 Zum Begriff der Kreativität vgl. z.B. A. Koestler: Der Verständnis an Nützlichkeitserwägungen ori- Göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und entieren und auf praktische Anwendbarkeit Wissenschaft, Bern-München-Wien 1966 und M. A. Bo- abzielen. Zweiteres wäre dann dagegen ein den: Die Flügel des Geistes. Kreativität und künstliche Intelligenz, München 1992. Sammelbegriff für freies kreatives Schaffen. 161 Siehe hierzu Alexander Piecha, „Was ist Kunst? Grund- legung einer analytischen Theorie des Kunstwerkes“ in 156 Vgl. die Interpretation bei Danto, S. 294-297 „Proceedings der Sektionsbeiträge des 5. Kongresses der Gesell- 157 Boltanski im Kunstforum Bd. 113, 324. schaft für Analytische Philosophie (GAP)“ Hrsg. von Roland 158 S. Kunstforum Bd. 156, 294. Bluhm und Christian Nimtz. Paderborn 2003, 568-581 67
In unserem Alltag sehen wir aus eben solchen kaum noch eine bemerkenswerte Intelligenz- Gründen in den meisten Fällen von den leistung dar und erfordert meist keine nen- grundsätzlichen Unterschieden unserer Le- nenswerten Fertigkeiten. Somit ist die Beherr- benswelten ab.162 Folglich ist zu erwarten, dass schung vorhandener Techniken und damit uns eine detaillierte Analyse von Ingenieurwis- auch Problemlösungsstrategien zwar grundle- senschaften und Kunst keine neuen Einsich- gende Bedingung für die professionelle Betäti- ten liefern würde, weshalb sie an dieser Stelle gung als Künstler, aber nicht für den einzelnen auch unterbleiben soll. konkreten Produktionsprozess. b) Auf der Basis meines eigenen künstleri- Zu 2. Waren früher die tradierten Techniken schen Schaffens163 und vor dem viel beschwo- über lange Zeiträume allgemein verbindlich, renen Hintergrund der „Neuen Medien” erge- so stehen dem Künstler heute alle Verfahren ben sich folgende Fragen: 1. Hat der Kunst- zur freien Verfügung. Insbesondere die digita- charakter eines Gegenstandes etwas mit der len Medien reduzieren die zuvor vielfältigen (virtuosen) Beherrschung bestimmter Techni- technischen Fertigkeiten auf das nunmehr of- ken seitens des Produzenten zu tun? fenbar universale Vermögen, einen Computer 2. Welche Bedeutung haben die modernen zu bedienen (s. insbesondere Abbildung 2). Technologien und die Einsichten der Wissen- Das hat zur Folge, dass die Verwendung kei- schaften für das künstlerische Schaffen? Und ner Technik mehr selbstverständlich ist und 3. Welche Bedeutung hat die Kunst für die folglich jede Verfahrensweise künstlerisch re- technische respektive die wissenschaftliche flektiert werden muss. Waren die ersten Sola- Entwicklung der Gegenwart beziehungsweise risationen Man Rays sozusagen in sich selbst welche Bedeutung könnte sie haben? begründet, so kann jeder Besitzer eines Bild- bearbeitungsprogramms diesen Effekt heute Zu 1. Die Produktion von Kunst als ein krea- einfach per Mausklick erzielen. Diese Beein- tiver Akt im Sinne Bodens oder Koestlers flussung der Kunst durch die technischen kann als bestimmte Art der Problemlösung Möglichkeiten ihrer Zeit war natürlich zu je- verstanden werden, bei der die traditionellen dem Zeitpunkt der Geschichte gegeben. Den- Suchräume und ihre heuristischen Verfahren noch hat sie heute eine neue Dimension ange- grundlegend modifiziert oder gar verlassen nommen. Damit einher geht die Gefahr der werden. Damit werden neue Lösungsmöglich- Beliebigkeit, die nur durch sorgfältige Reflexi- keiten erschlossen, die vorher prinzipiell nicht on auf die verwendeten Techniken gebannt erreichbar waren.164 Der paradigmatische Fall werden kann. Die Tatsache indes, dass eine eines kreativen Aktes ist die Entdeckung des Arbeit beispielsweise im Internet realisiert Archimedischen Prinzips: Archimedes sollte wurde, ist kein Garant für ihre künstlerische herausfinden, ob eine bestimmte Krone tat- Qualität. Vielmehr haben hier die „Alten Me- sächlich aus reinem Gold war. Da das spezifi- dien” einen deutlichen Vorsprung, kann in sche Gewicht von Gold bekannt war, galt es, ihnen doch auf eine zum Teil Jahrtausende das Volumen zu messen – allerdings natürlich alte Tradition zurückgegriffen werden. ohne die Krone einschmelzen zu dürfen. Nach langer und erfolgloser Lösungssuche In analoger Weise fließen jeweils aktuelle wis- brachte ihn eine alltägliche Beobachtung zu senschaftliche Entwicklungen oftmals in die der entscheidenden Einsicht: Beim Einsteigen Kunst ein, bilden sie doch immer eine Art in ein Bad steigt der Wasserspiegel an; das Vo- Hintergrundfolie für die Weltsicht der Gesell- lumen der Krone war durch die von ihr ver- schaft, in der die Künstler leben und arbeiten. drängte Wassermenge zu bestimmen. Charak- Angesichts der beschriebenen Arbeitsteilung teristisch ist bei diesem Beispiel, dass im zwischen den Symbolsystemen erzeugen aller- Nachhinein alles trivial scheint. Das Nachvoll- dings selbst Künstler, die sich explizit mit Wis- ziehen solcher kreativer Akte stellt darum senschaft befassen, immer nur wieder Kunst und keine neue und womöglich gar bessere 162 Zur pragmatisch motivierten Intersubjektivität der Le- Art von Wissenschaft, auch wenn sie mit ihren benswelt vgl. das soziale Apriori von Schütz, in: A. Werken etwas möglicherweise Relevantes über Schütz/T. Luckmann: Strukturen der Lebenswelt, die Gesellschaft und deren Wissenschaft zum Darmstadt 1975, insbesondere S. 73f. und 245f. 163 Siehe http://www.apiecha.de. Ausdruck zu bringen vermögen. Umgekehrt 164 Siehe Koestler und Boden. resultiert aus der wissenschaftlichen Beschäfti- 68
gung mit Kunst immer Wissenschaft und kei- Die Akzeptanzprobleme von Kunst einerseits ne Kunst. Auch die Kunstwissenschaft ist und Wissenschaft und Technik andererseits zwar eine völlig legitime, aber wissenschaftli- beruhen auf gegensätzlichen Problemen. che Disziplin. Für Kunst wesentliche Erleb- Letztlich aber gehen sie auf die historisch un- nisqualitäten bleiben ihr wesensfremd. vermeidliche Arbeitsteilung und eine daraus resultierende Ausdifferenzierung unterschied- Zu 3. Zum einen bietet sich in der Kunst mit licher Systeme zurück. Keinem kann dabei der heute gegebenen weitgehenden Freiheit seine Unzugänglichkeit als Verschulden ange- von externen Nutzen- und Zweckorientierun- rechnet werden – zumindest nicht vor dem gen die Möglichkeit, neue Techniken in gewis- Hintergrund einer zunehmend sich arbeitstei- ser Weise spielerisch zu hinterfragen. Zum lig spezialisierenden sozialen Gemeinschaft. anderen ist in der Kunst mindestens seit dem 20. Jahrhundert das Kunstwerk als Kommu- Die Lösung des gleichwohl vorhandenen nikationsmedium nie transparent hinsichtlich Problems liegt womöglich im Bildungssystem, seiner Bedeutung. Stattdessen bilden Form welches nicht einseitig auf eine Weise der und Inhalt in untrennbarer Verschmelzung Welterzeugung reduziert werden darf. Aus der den Gehalt.165 Jede produzierende wie rezipie- beschriebenen Arbeitsteilung folgt schließlich rende Beschäftigung mit einem Kunstwerk nicht, dass einer der resultierenden Bereiche beinhaltet mithin eine Reflexion des Mediums ephemer sei. Wir brauchen als Menschen so- als Teil der Botschaft. Einer solchen Reflexion wohl Wissenschaft als auch Kunst. Damit aber bedarf es aber heute mehr denn je: Man denke ist der Frage der Vermittlung beider insbeson- nur beispielsweise an den hysterischen und dere an den Schulen viel größeres Augenmerk völlig konzeptlosen Schlachtruf „Schulen ans zu schenken. Anstatt Lehrer zu Vollwissen- Netz”, der derzeit als Antwort auf das desolate schaftlern auszubilden, müsste man sie zu Ergebnis der PISA-Studie erschallt. Aus die- Vermittlungsprofis machen. In diesem Sinne sem Grunde schon dürfen meiner Ansicht müsste auch das Selbstverständnis universitä- nach professionelle Künstler das Feld der rer Pädagogik und Fachdidaktik zumindest im „Neuen Medien” nicht technophilen Freizeit- Rahmen der Lehrerbildung einer grundlegen- gestaltern überlassen. Hier kommt der Kunst den Revision unterzogen werden: Weg vom als erlebnisorientiertem Reflexionsmedium für Idealbild einer unabhängigen theoretischen Weltsichten eine gesellschaftlich durchaus Wissenschaft und hin zu einer praxisorientier- wichtige Aufgabe zu. Indirekt mag das dann in ten Disziplin. seltenen Einzelfällen auch wieder sogar Aus- Während in Bereich der naturwissenschaftli- wirkungen auf das Wissenschaftsverständnis chen Fächer bereits neue Ansätze der Vermitt- und damit auf die Wissenschaft haben. lung erprobt werden, könnte eine Intensivie- Dennoch ist als allgemeine Aussage festzuhal- rung der künstlerisch-musischen Fächer nicht ten, dass Wissenschaftler aus der Beschäfti- nur der Kunst aus ihrem Dilemma helfen. gung mit Kunst keinen unmittelbaren Gewinn Durch die Konfrontation mit in Kunstwerken für ihre Arbeit als solche erlangen können. verkörperten fremden Sichtweisen können Mittelbar mag das vielleicht möglich sein, bei- neben Kreativität und Bildkompetenz auch spielsweise wenn die Rezeption von Kunst soziale Kompetenz und Toleranz erübt und ihre kognitiven Fähigkeiten in Bezug auf krea- geschult werden.166 tive Problemlösungen schult oder für sie eine Möglichkeit der aktiven Ablenkung von aktu- ellen Problemen darstellt. Insbesondere Letz- teres vermag unter Umständen eine Denkblo- ckade angesichts einer komplexen Aufgabe lösen zu helfen, aber insgesamt bleibt den- 166 Siehe hierzu auch Alexander Piecha, „Wozu Kunstpäda- noch die prinzipielle Schwelle zwischen Kunst gogik? Zur kognitiven Bedeutung ästhetischer Erfah- rung“ in „bilden mit kunst“, hrsg. v. Landesverband der und Wissenschaft unberührt. Kunstschulen Niedersachsen e.V., transcript Verlag, Bie- Fazit lefeld, 2004, 177-184 und ders. „Die Kunst der Wahr- nehmung & die Wahrnehmung der Kunst. Arnheim & Damasio“ in „Rudolf Arnheim oder die Kunst der Wahrneh- 165 Vgl. v. Kutschera, S. 43, 255-258 oder auch Danto, S. mung. Ein interdisziplinäres Porträt“ Hrsg. von Christian Al- 264-267. lesch & Otto Neumaier, Wien 2004, 53-68 69
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