Report " 1.18 - Kommunal Agentur NRW

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Report " 1.18 - Kommunal Agentur NRW
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Kommunal Agentur NRW | abwasserreport | Ausgabe 1.18 | G 43999   » 1.18

Alarm- und Einsatzplanung zum
Hochwasser- und Überflutungsschutz –
gute Vorbereitung für einen sichereren
Umgang mit Gefahrensituationen
Report " 1.18 - Kommunal Agentur NRW
2    |   EDITOR IAL           |   A B WA S S E R R E PO RT 1.18

    Liebe Leserinnen und Leser,                        arbeit aller beteiligter Mitarbeiterinnen und
                                                       Mitarbeiter und vieles mehr.
    unsere Ausgabe 1.2018 beschäftigt sich in
    erster Linie mit den Themen Hochwasser-            Dazu berichten die Stadtentwässerungsbe-
    und Überflutungsschutz. Beide Themen und           triebe Solingen, wie sie angefangen haben,
    mögliche Unterstützungsangebote dazu für           sich dem Überflutungsschutz vor Starkregen­
    Städte und Gemeinden haben wir uns schon           ereignissen zu nähern. Von der Kartenerstel-
    lange auf unsere Fahnen geschrieben.               lung, die Aufschluss gibt über gefährdete
                                                       Gebiete, die Möglichkeiten, die Eigentüme­
    Überflutungen durch Starkregenereignisse           rinnen und Eigentümer vor dem Ereignis zu
    und Hochwasser stellen sich rasch ein. Eine        warnen, bis hin zu der empirisch untersuch-
    Vorbereitung, die Material zur Verfügung           ten Erkenntnis, dass alle Fachbereiche einer
    stellt und Zuständigkeiten benennt, muss           Verwaltung einzubinden sind und keines-
    also schon weit vor der möglichen Überflu-         wegs nur die Entwässerungsbetriebe.
    tung durch Hochwasser oder ein plötzlich
    ein­setzendes Starkregenereignis erfolgt sein.     Wir berichten über die Erstellung von Alarm-
    Was ist wie und wann, in welcher Reihenfolge       und Einsatzplänen und darüber, wie bspw.
    von wem oder besser gesagt, von welchem            Architekten mit Informationen zu den Aus-
    Fachbereich zu tun?                                wirkungen von Starkregenereignissen und
                                                       deren Folgen informiert werden können.
    Es geht um die Erstellung von Unterlagen-          So wird die mögliche Gefahr schon bei der
    wie Fließwege- oder Starkregenrisikokarten         Bebauung von Anfang an mit eingeplant.
    und deren mögliche Veröffentlichung, die
    Auf­stellung von Alarm- und Einsatzplänen,         Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!
    die Koordination der Einsätze, die Zuständig­
    keiten in den einzelnen Fachbereichen der          Ihre
    Kommune, die Organisation der Zusammen-            Kommunal Agentur NRW GmbH

www.KommunalAgenturNRW.de
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                                                                                         Impressum
                                                                                         Eine Information der Kommunal Agentur NRW GmbH
Technik »                                  Recht »                                       Cecilienallee 59, 40474 Düsseldorf
                                                                                        Telefon 0211 / 430 77 0, Telefax 0211 / 430 77 22
» 04 H
      ochwasserrisikomanagement –         » 32 D
                                                 er praktische Fall –                   info@KommunalAgenturNRW.de
     gemeinsames Projekt gestartet              die Geschichte                           Alleingesellschafter der
                                                vom Schnullerbaum                        GmbH Kommunal-Stiftung NRW
» 07 W
      ie ein Starkregen die Stadt
     umkrempelt – was tun?                 » 34 E ntscheidungen                         www.KommunalAgenturNRW.de
                                           » 34 OVG NRW zur Reinigung von
» 14 A
      larm- und Einsatzplanung zum              Straßenoberflächenwasser                Abwasserreport online
     Hochwasser- und Überflutungs-         » 35 OVG NRW zur Festsetzung von             Log-in erhalten Sie über:
     schutz: gute Vorbereitung für               Gebührenforderungen                     info@KommunalAgenturNRW.de
     einen sichereren Umgang mit           » 35 OVG NRW zur Abgabenfreiheit
     Gefahren­situationen                        nach AbwAG                             Verantwortlich für den Inhalt
                                           » 36 OVG NRW zum beitragsfähigen             Michael Lange (v.i.S.d.P.)
» 19 W
      ind – Sonne – Faulgas:                    Aufwand                                 Dr. Peter Queitsch
     Auf dem Weg zur energetisch besten
     Lösung für die Kläranlage Bocholt                                                   Redaktion
                                           Info »                                        Gudrun Abel
                                                                                         abel@KommunalAgenturNRW.de
Organisation »                             » 37 Neuigkeiten
                                                          im technischen
                                                Regelwerk der DWA,                       Gestaltung
» 24 Q
      ualitäts-, Umwelt- und Arbeits-          Stand Februar 2018                       liniezwei Kommunikationsdesign GbR, Düsseldorf
     schutzmanagement:                                                                   www.liniezwei.de
     STEB Paderborn stellt sich den        » 39 Der Starkregenindex                    Produktion und Druck
     externen Anforderungen                                                              Die Qualitaner GmbH, Düsseldorf
     und ist erfolgreich rezertifiziert    » 39 Buchbesprechung
                                                                                         Fotos: fotolia.de, photocase.de, thenounproject.com
» 30 Q
      ualität, Umwelt- und Arbeits­       » 40 Veranstaltungstermine
                                                                                       (Einzelnachweis auf Seite 42)
     schutz rechtssicher managen!               der  Kommunal Agentur NRW
     Erfahrungen nordrhein-westfälischer        2018
     Betriebe mit der Rezertifizierung
     nach der Normenrevision               » 43 Anzeigen

                                           Hinweis
                                           Die Inhalte der Artikel entsprechen
                                           nicht notwendigerweise der Meinung
                                           der Herausgeber.

                                                                                                                      www.KommunalAgenturNRW.de
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H o c hwasse rrisikom anagement –
ge me i n sa m e s P ro jek t ges tar tet
Fast jedes Jahr sind Kommunen in NRW von extremen Niederschlägen                              eindringen und Schäden verur­sachen kann. Ange­sichts der Gefahren
betroffen, mit gravierenden Folgen: Häuser, Tiefgaragen, Unterführun­                         durch Starkregen und Hochwasser wird verstärkt diskutiert, wie
gen, Kindertagesstätten und Produktionsanlagen werden überflutet.                             Risiken im Vorfeld identifiziert werden und welche Gegenmaßnah-
Neben den wirtschaftlichen Folgen sind auch Menschenleben durch                               men ergriffen werden sollten, um zukünftig Schäden zu vermindern.
Starkregen und Hochwasser gefährdet. Dieser Trend droht sich weiter                           Dabei sind nicht nur Grundstücke in der Nähe zu Bächen oder Flüs-
zu verschärfen Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)                            sen be­troffen. Auch Städte und Gemeinden können diese Extrem­
prognostiziert in einer aktuellen Studie1 auch für Nordrhein-West-                            ereignisse nicht durch größere Dimen­sionierung der entwässerungs-
falen einen erheblichen Anstieg des Hochwasserrisikos. Demnach                                technischen Anlagen und technischen Hochwasserschutz komplett
könnte sich im Zeitraum 2035 – 2044 die Zahl der jährlich durch                               auffangen.
Hochwasser betroffenen gegenüber 1971 – 2004 verzehnfachen,
wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Darüber hinaus                                    In der Konsequenz werden zukünftig der unmittelbare Schutz von
beschleunigt der Klimawandel die Auftretenshäufig­keit von extremen                           Bauwerken und Anlagen sowie die Planung des städtischen Raums
Starkregenereignissen1, die zu hohen Abflüssen an der Gelände­ober­                           (von öffentlichen Flächen) verstärkt den Schutz vor Starkregen und
fläche führen, durch die Wasser in Gebäude und technische Anlagen                             Hochwasser berücksichtigen müssen.

1	S. N. Willner, A. Levermann, F. Zhao, K. Frieler, Adaptation required to preserve future
     high-end river flood risk at present levels. Sci. Adv. 4, eaao1914 (2018)

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Jedoch wird der Umgang mit Wasser nicht (mehr) selbstverständlich       dem jeweiligen Hochwasserrisiko angepassten Bauweise errichtet
in der Planung berücksichtigt. Einfache Beispiele sind die Ausführung   oder erweitert werden. Bei den Anforderungen an die Bauweise ist
eines Hauseingangs (ebenerdig oder Stufen) oder Öffnungen zum           neben der Lage des betroffenen Grundstücks auch die Höhe des mög­
Keller. Hochwasserangepasstes Bauen ist Teil des umfangreichen          lichen Schadens, also das Schadensrisiko, angemessen zu berück-
Themengebiets der Hochwasser- und Überflutungsvorsorge. Das muss        sichtigen.
sich nicht auf sogenannte (rechtlich) festgesetzte Überschwem­
mungs­gebiete beschränken. Grundsätzlich ist jedermann verpflichtet2,   Architekten und Objektplaner müssen bereits umfangreiche Regel-
Vor­sorgemaßnahmen zu treffen, die zum Schutz vor nachteiligen          werke und Bestimmungen wie z. B.: ENEF, Statik, Barrierefreiheit usw.
Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung geeignet sind. Der           beachten. Der Hochwasserschutz sowie der Schutz vor eindringendem
Eigenverantwortung und Eigenvorsorge des Grundstückseigentümers         Wasser über die Geländeoberfläche und aus dem Kanal sind im Ver-
kann z. B. durch geeignete Objektschutzmaßnahmen nachgekommen           gleich dazu bisher nur Randthemen, die oft zu wenig beachtet werden.
werden.
                                                                        Die Bauweise älterer Bauwerke lässt vermuten, dass in der Vergangen­
Seit dem 05.01.2018 sind die Änderungen des Wasserhaushaltsge-          heit die Gefahren von eindringendem Wasser selbstverständlicher
setzes (WHG), die im Rahmen des Hochwasserschutzgesetzes II erfolgt     mitbedacht wurden (WBW 20156). Heute wird die Gefahr durch
sind, in Kraft. So wurden z. B. Risikogebiete außerhalb von festge-     Hochwasser und Starkregen oft unterschätzt. Das führt zum einen
setzten Überschwemmungsgebieten3 eingeführt, die in etwa den            verbunden mit einem steigenden Wohnungsmangel in vielen Städten
HQ-Extremgebieten der landesweit erstellten Hochwassergefahren­         zu veränderten Nutzungen, die das Schadensrisiko erhöhen (z. B. Kita
karten4 entsprechen und nicht im Bereich der festgesetzten Über-        im Souterrainbereich). Zum anderen kommt es durch die gestiegene
schwemmungsgebiete5 liegen. Hier sollen der Schutz von Leben und        Bedeutung neu aufkommender Anforderungen und ästhetischen
Gesundheit und die Vermeidung erheblicher Sachschäden bereits im        Ansprüche zu einer Verlagerung der Prioritäten. Aber auch das Wis­sen
Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung berücksichtigt werden.          über die Gefahren und Risiken und sinnvolle Maßnahmen ist schlicht­
Darüber hinaus sollen in Risikogebieten bauliche Anlagen nur in einer   weg nicht ausreichend vorhanden.

2   § 5 Abs. 2 WHG    4   § 74 Abs. 2 WHG                               6	WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH, Striffler, Heiland,
3   § 78 b WHG        5   § 76 Abs. 2 WHG                                   (2015): Hochwasser-Risiko-bewusst planen und bauen

                                                                                                                             www.KommunalAgenturNRW.de
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Architekten und Objektplaner haben Beratungspflichten für hoch-          Im Rahmen des Hochwasserschutz-Symposiums NRW 20187 im Ja-
wasserangepasstes Bauen und Sanieren – in allen Leistungsphasen.         nuar hat Dr. Ralf Togler das Projekt bereits vor fast 500 Zuhörern
Anhand der Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten ist            vorgestellt und ist auf breites Interesse gestoßen, den Vortrag finden
eine Abwägung der Gefährdungspotenziale mit wirtschaft­lichen            Sie unter:
Überlegungen durchzuführen: Ist es überhaupt sinnvoll, z. B. eine
technische Objektschutzmaßnahme durchzuführen? Wirksamer                        www.flussgebiete.nrw.de/hwrm-symposium-2018-7674
Schutz gegen Hochwasser und Starkregen ist mit planerischem und
baulichem Aufwand verbunden und muss verhältnismäßig sein. Dies
kann analog auch für den Schutz vor Starkregen bei vorhandenen           Zu Beginn des Projekts werden der Informationsstand und die Sensi­
und veröffentlichten Starkregengefahrenkarten erwartet werden.           bi­lisierung in Bezug auf den Schutz vor Starkregen und Hochwasser
Planer, private Bürger und Unternehmen müssen stärker in die Ver­        untersucht. Außerdem werden bekannte Informationsquellen und
ant­wortung genommen, aber auch besser informiert und beraten            deren Anwendung in der derzeitigen Planungspraxis festgestellt,
werden, um mehr Maßnahmen der Bauvorsorge zu realisieren. Die            und neben der Analyse des bestehenden Informationsangebots eine
Aufklärung und Sensibilisierung ist daher für die Hochwasservorsor-      umfangreiche Online-Umfrage bei den Mitgliedern der Kammern
ge, aber auch den Schutz vor Starkregen von besonderer Bedeutung.        und Einzelinterviews durchgeführt. Die Ergebnisse werden ausge-
                                                                         wertet und genutzt, um passende Informations- und Fortbildungs-
Informationskonzept Architekten und Ingenieure                           angebote herauszuarbeiten und den Informationsfluss zwischen den
Um hier ein gezieltes Vorgehen sicherzustellen, haben die Architekten­   Akteuren zu verbessern. Anregungen und Ideen der Planer sollen in
kammer NRW und die Ingenieurkammer-Bau NRW gemeinsam mit                 Informationen oder Fortbildungen zum Thema berücksichtigt werden.
der Kommunal Agentur NRW das Projekt „Entwicklung eines Informa­         Je nachdem, in welchen Bereichen Schwerpunkte auffallen, soll ein
tionskonzepts und Maßnahmenplans für Architekten, Ingenieure,            Bestandteil des Informationskonzepts praktisch umgesetzt werden.
Kommunen und Bauherren zur Umsetzung von Maßnahmen der Bau­              Hier wäre bspw. die praktische Umsetzung in Form von einem Vor-­
vorsorge und des Objektschutzes bei Starkregen und Hochwasser“           Ort-Seminar „Objektschutz“ denkbar. Themen könnten Maßnahmen
auf den Weg gebracht.                                                    des hochwasserangepassten Planens, Nutzens und Bauens sowie
                                                                         hoch­wasserangepasste Ausführung von Architek­ten- und Ingenieur­
Ziel des Projekts ist eine stärkere Berücksichtigung des Schutzes vor    leistungen sein.
Hochwasser und Starkregen im „Planungsalltag“ von Architekten,
Stadtplanern, Landschaftsplanern, Ingenieuren etc. Es sollen auch        Erste Ergebnisse werden im Sommer 2018 erwartet, voraussicht­
Möglichkeiten erarbeitet werden, Infor­mationen zu Gefahren und          licher Abschluss des Projekts ist Anfang 2019. Informationen oder
Risiken besser zu kommunizieren. Schnitt­stellen, Kommunikations-        Anregungen richten Sie bitte an Simon Stein.
wege und Informationsbereitstellung zwischen den Beteiligten im
gesamten Planungsprozess werden im Hinblick auf Optimierungen
untersucht. Alles mündet in einem Infor­mationskonzept.

Das Projekt wird mit Mitteln des Ministeriums für Umwelt, Land-          Autor
wirtschaft, Natur- & Verbraucherschutz des Landes NRW gefördert.         Simon Stein, M. Sc., Kommunal Agentur NRW, Düsseldorf

7	www.flussgebiete.nrw.de/hwrm-symposium-2018-7674

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Wi e ein S ta rkre ge n di e S tadt umkrempel t –
wa s t u n ?
Zunahme der Überflutungsgefahr                                                                   Die Bemessung und Dimensionierung von privaten und kommuna-
Starkregenereignisse und andere Extremwetterereignisse wie Sturm                                 len Entwässerungseinrichtungen erfolgte bisher maßgeblich durch
und Hitzeperioden werden zukünftig zunehmen. Die negativen Fol-                                  KOSTRA-DWD-Auswertungen. Die Fortschreibung dieser Statistik
gen zeigen sich in der hohen Anzahl von Schadensmeldungen. Auch                                  „KOSTRA 2010“ basiert auf Datenerhebungen, die zwischen 1951 und
Solingen wurde in der Vergangenheit häufiger von Starkregen heim-                                2010 erhoben und ausgewertet wurden. Starkregenereignisse mit
gesucht. Aufgrund der ausgeprägten Topografie kommen hier die                                     den Schäden und Gefahren für Städte und Menschen werden in
Wassermengen auf den Oberflächen schnell zum Abfluss und sam-                                    Solingen jedoch erst ab der Jahrtausendwende wahrgenommen und
meln sich in den Tieflagen. Die Fließwege und Überflutungen stellen                              registriert. In den vergangenen 17 Jahren sind an verschiedensten
bei Starkregen eine Gefährdung der Bevölkerung, der Vermögens-                                   Stellen im Stadtgebiet 16 Regenereignisse niedergegangen, die sich
werte (Sach- und Gebäudewerte) und der kommunalen Funktionen                                     statistisch an diesem Ort im Mittel nur alle 15 Jahre wiederholen
(Rettungswege, Kommunikation etc.) dar.                                                          sollten (Abb. 1).

                                  70
                                  65
                                  60
                                  55
 Wiederkehrhäufigkeit in Jahren

                                  50
                                  45
                                                                                        extreme Regenereignisse
                                  40
                                  35
                                  30
                                  25
                                  20
                                                                                        starke Regenereignisse
                                  15
                                  10
                                   5                                                       Bemessungsregen

                                       1999   2000   2001   2002   2003   2004   2005    2006    2007   2008      2009   2010    2011    2012     2013    2014    2015

Abb. 1: Wiederkehrhäufigkeit von Starkregenereignissen über Solingen

                                                                                                                                                      www.KommunalAgenturNRW.de
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                                                                 Regenwasser kann nicht komplett in die Kanalhaltungen abgeleitet
                                                                 werden, unabhängig von einer größeren hydraulischen Dimensionie­
                                                                 rung. Hier handelt es sich meist nur um eine kostenträchtige Ver-
                                                                 größerung der Kanalquerschnitte, ohne den gewünschten Effekt.

                                                                 Unter dieser Problemstellung ermittelten die Bergische Universität
                                                                 Wuppertal, das Ingenieurbüro Beck und die Technischen Betriebe
                                                                 Solingen (TBS) ein Forschungsvorhaben mit dem Ziel, die Leistungs-
                                                                 fähigkeit von Straßeneinläufen (Gully) zu ermitteln. Das Schluckver-
                                                                 mögen von Gullys wurde unter verschiedensten Längs- und Quer­
                                                                 neigungen einer Straße ermittelt (Abb. 2).

                                                                 Die rechtliche Verantwortung für den stadtgebietsweiten Überflu-
                                                                 tungsschutz liegt bei der Kommune. Bis zu bestimmten Bemessungs­
                                                                 regenereignissen wird diese Verantwortung innerhalb der Stadt dem
                                                                 Kanalnetzbetreiber weitergegeben. Oberhalb der Bemessungsregen
                                                                 sowie für das Regenwasser, welches bei Starkregen über die Straßen­
                                                                 abläufe hinwegfließt und nicht in den Kanal gelangen kann, kann
                                                                 der Kanalnetzbetreiber mit seinem „Kanalnetz“ keinen Überflutungs­
                                                                 schutz sicherstellen. Hier sind die kommunalen Fachbereiche mit
                                                                 Oberflächenverantwortung (Straßenbaulast, Grünflächen, Stadtpla-
                                                                 nung, Gewässer etc.) gleichfalls mit in der Pflicht.

                                                                 Entwicklung der Siedlungsentwässerung
                                                                 Aufgrund der thematischen Nähe zur Niederschlagswasserbeseiti-
                                                                 gung übernehmen in Solingen die Technischen Betriebe (TBS) als
                                                                 Kanalnetzbetreiber auch die Koordinierung und Konzeption des stadt­
                                                                 weiten Überflutungsschutzes. Hierfür stehen aus der generellen Ent­
                                                                 wässerungsplanung Werkzeuge und Daten zur Verfügung, die seit
                                                                 den letzten Jahren sukzessive weiterentwickelt werden. Ziel ist es,
                                                                 möglichst realistisch Starkregengefahren im Stadtgebiet zu identi-
                                                                 fizieren und wirksame Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

                                                                 Mit der Zunahme der Überflutungen in den vergangenen Jahren
                                                                 haben die TBS festgestellt, dass das Kanalnetz bei Starkregen häufig
                                                                 gar nicht überlastet ist, obwohl es zu Überflutungen an der Ober-
                                                                 fläche kam. Auch die aus der hydrodynamischen Kanalnetzberech-
                                                                 nung ermittelten Überstauschächte gaben nur selten die realisti-
                                                                 schen Verhältnisse im Kanal wieder. Dieser scheinbare Widerspruch
Abb. 2: Laborversuche zur Ermittlung des Leistungsvermögens      (Überflutung trotz Restkapazität im Kanal) erklärt sich bei näherer

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Betrachtung der Schnittstellen zwischen Oberfläche und Kanalnetz:
Oberflächige Entwässerungssysteme auf Privatgrundstücken oder
im öffentlichen Straßenbereich sind bei Starkregen nicht in der Lage,
den Abfluss vollständig dem Kanal zuzuführen.

Daher wird seit 2014 in Solingen sukzessive das Entwässerungsge-
biet mit den gekoppelten Abflussmodellen simuliert (bis Tn = 100 a).
Entgegen den Ansätzen der klassischen Kanalnetzberechnung werden
bei der neuen gekoppelten Kanalnetzberechnung keine fiktiven Hal­
tungsflächen, sondern die tatsächlichen Oberflächen mit ihren hydro­
logischen Eigenschaften beregnet. Hieraus ergeben sich zusätzlich
Abflüsse an der Oberfläche, die während des gesamten Simulations­
vorgangs bis zum Austritt aus dem Entwässerungsgebiet vollständig
dargestellt werden. Aufgrund der bei Starkregen begrenzten Zulauf-
möglichkeit findet ein Großteil des Abflusses nicht im Kanalnetz,
sondern auf den Oberflächen statt. Infolgedessen besitzt das Kanal­
netz oftmals auch bei Starkregen oberhalb der Bemessungsansätze
                                                                           Abb. 3: Risikopotenzialkarte für öffentliche Liegenschaften
Kapazitätsreserven, die genutzt werden könnten. Die Überflutungs-                   in Solingen bei Starkregen
simulation mit Berücksichtigung der Komponenten Kanalnetz, Topo­
grafie, Gebäude, Bodenkennwerte und Regenereignis ist für eine
gesamtstädtische Simulation noch zu komplex. Erst in den nächsten
Jahren werden in Solingen die 24 einzelnen Einzugsgebiete berechnet.    die – neben der Akkumulation von Flächen – weitere topografische
                                                                        Parameter berücksichtigt.
Identifikation der Gefährdung
Um schon vor Abschluss der Simulation aller Einzugsgebiete poten-       Seit Sommer 2016 sammeln die TBS Bilder von Überflutungen, um
zielle Überflutungsbereiche im Stadtbereich identifizieren zu können,   die Überflutungsanalysen und -simulationen abzugleichen. Hierzu
werden seit 2014 analytische Methoden zur Überflutungsidentifi-         wurde eine E-Mail-Adresse (starkregen@solingen.de) eingerichtet, an
kation herangezogen und verfeinert. 2014 lag in Solingen die erste      die Bilder von Überflutungen gesendet werden können. Gemeinsam
Karte zur Fließwegakkumulation vor. Diese rein topografische Ana-       mit der Stadt erarbeiten die Technischen Betriebe Solingen derzeit
lyse von möglichen Fließwegen bei Starkregen bietet stadtweit eine      das Risikopotenzial der kommunalen Infrastruktur, der Vermögens-
erste Einschätzung der überflutungsgefährdeten Geländesenken            werte und der kommunalen Funktionen (Rettungswesen etc.).
und der Fließwege. Mit dieser Karte werden seitdem beispielweise
Neubaumaßnahmen hinsichtlich der Überflutungsgefährdung be-             Im GIS-Analyseverfahren wird den kommunalen Objekten eine Ge-
wertet.                                                                 fährdungsklasse aus der Gefährdungspotenzialkarte zugewiesen.
                                                                        Mit den jeweiligen Fachbereichen der Stadt wurde die Sensibilität
Ergänzend hierzu liegt seit 2015 eine Starkregeneinsatzkarte vor,       (Vulnerabilität) der einzelnen Objekte Schadenspotenzialklassen
die jährlich aktualisiert wird. Hierin werden die von der Feuerwehr     zugeordnet. Die Überlagerung der Gefährdungspotenzialklassen
und vom Kanalbetriebshof gemeldeten Einsätze im Zusammen­hang           und der Schadenspotenzialklasse führt mit einer entsprechenden
mit Starkregen grafisch im Stadtplan dargestellt. Aufbauend auf der     Bewertungsmatrix zu einem Risikopotenzial der einzelnen kommu-
Fließwegkarte wurde Anfang 2016 eine Gefährdungskarte entwickelt,       nalen Objekte (Abb. 3).

                                                                                                                                 www.KommunalAgenturNRW.de
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                                                                                              Abb. 4: Öffentliche Grünfläche zur Notableitung
                                                                                                       von Starkregen in topografischen Tiefpunkten

Information, Beratung und Warnung vor Gefahren                       Umsetzung von Überflutungsschutzmaßnahmen
Mit Feststellung der Überflutungsgefahren gilt es, den Bürger über   Zum konkreten Schutz vor Überflutungen sind letztendlich Maß-
diese Gefahr zu informieren und davor zu schützen. Nach dem Be-      nahmen notwendig, die Abflussbildung verhindern (vorbeugender
schluss des Solinger Verwaltungsvorstands zur Veröffentlichung der   Überflutungsschutz) oder Abflüsse schadlos umleiten bzw. in geeig­
Gefährdungskarte wird aktuell eine Homepage aufgebaut, mit der       neten Flächen zurückhalten („konzeptioneller Überflutungsschutz“).
über die Starkregengefahren und über Objektschutzmaßnahmen in­       Vorbeugender Überflutungsschutz sucht am Entstehungsort der
formiert und Beratung angeboten wird. Darin wird die Gefährdungs-    Abflussbildung nach Möglichkeiten, Abflüsse zu vermeiden bzw. zu
potenzialkarte veröffentlicht und mit dem Regenradar des Deutschen   reduzieren. So können beispielsweise bei Neubaumaßnahmen Vor-
Wetterdienstes (DWD) überlagert. Die veröffentlichte Gefährdungs-    gaben zur Entsiegelung (Dachbegrünung) sowie zur Regenwasser-
karte zusammen mit dem Informations-/Beratungsangebot bietet         nutzung gemacht werden. Ortsnahe Versickerung oder Einleitung
den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich mit dem Thema      von Niederschlagswasser in Gewässer sind Optionen.
zu beschäftigen und die exponierte Lage eines Grundstücks einzu-
schätzen. Eine Voraussetzung für die Eigenvorsorge, wie im Wasser-   Nicht vermeidbarer Abfluss aus Neubaugebieten ist möglichst ge-
haushaltsgesetz gefordert.                                           drosselt (Retentionsflächen) und beispielsweise durch offene Regen­
                                                                     wasserführung zeitlich verzögert abzuleiten, um bei Starkregen den
Parallel zum Aufbau der Homepage wird derzeit auf Grundlage der      umgebenden Siedlungsbereich nicht zusätzlich zu belasten.
Gefahrenkarte und der DWD-Regendaten eine Starkregen-Warn-App
entwickelt. Durch sogenannte Push-Nachrichten auf das Handy wird     Im bestehenden Stadtgebilde sind Fließwege anzupassen bzw. im
der Bürger frühzeitig vor Starkregen im Stadtbereich gewarnt. Kurz   geeigneten Straßenraum und durch Grünflächen zurückzuhalten,
vor dem Starkregenereignis wird konkret auf die exponierte Lage      sodass Schäden im weitergehenden Fließwegverlauf vermieden
seines Grundstücks hingewiesen.                                      werden kön­nen. Letztendlich kommen die Starkregenabflüsse – vor

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allem im topografisch geprägten Solinger Stadtgebiet – in einem der     Maßnahmenplanung und deren Umsetzung beschäftigen kann,
zahlreichen Solinger Gewässer als Vorflut zum Abfluss. Hier gilt es,    muss eine Defizitanalyse die Risiken aus dem Thema Klimawandel
den Starkregenabfluss schadlos für die Gewässerstruktur einzubinden.    für das gesamte Stadtgebiet identifizieren.
Für die Finanzierung von Überflutungsschutzmaßnahmen ist die
Novellierung des LWG NRW 2016 mit der Festlegung der Gebühren-          Die Generalentwässerungsplanung von Solingen wird mittelfristig
finanzierung von Überflutungsschutzmaßnahmen in § 54 ein wichti­        auf der neuesten Modelltechnik für die Kanalnetz- und Oberflächen-
ger Schritt.                                                            simulation aufbauen. In dem Systembild (Abb. 5) wird die Entwick-
                                                                        lung im Bereich der hydraulischen Nachweise deutlich. Die bisherigen
Zukunftskonzept                                                         Ergebnisse zeigen, dass die Berechnungen mit dem beregneten
Für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung, die sowohl den öko­           ge­koppelten Modell (Abb. 5, Bild 3) weniger Überstau­schächte und
lo­gischen Ansprüchen an Landschaft/Gewässer und den schon              wesentlich geringere Überstauvolumina ergeben, was für die Be­
spür­ba­ren Problemen aus dem Klimawandel bezogen auf Stark­            stand­sberechnung eine hohe Übereinstimmung mit den Erfahrungen
­nie­der­schläge gerecht wird, braucht es neue ganzheitliche Entwick-   des Kanalbetriebs bezüglich der Überflutungsschwerpunkte gelie-
lungskonzepte. Bevor sich aber ein interdisziplinäres Team mit der      fert hat.

           fiktive, temporäre Speicher

                            Bild 1                                       Bild 2                                           Bild 3

Abb. 5: Entwicklung der Modelltechnik

                                                                                                                         www.KommunalAgenturNRW.de
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Abb. 6: Topografische Analyse (Abflussakkumulation)

Die auch für Nichtexperten „lesbare“ Abflussvisualisierung aus der          ckeln kann. Der weitaus größte Teil (ca. 95 %) der Jahres­niederschläge
topografischen Analyse zeigt deutlich, wo Wasser über die Oberfläche        liegt deutlich unter den Bemessungsgrenzen für die Kanalisation
direkt dem Gewässer zugeleitet wird. Das heißt, der Abfluss im Ge-          und ist damit für eine ökologische Betrachtung relevant. Bei den
wässer bei starken Regenereignissen wird nicht vom Abfluss aus dem          seltenen, aber immer öfter auftretenden Starkniederschlägen größer
Kanalnetz, sondern aus den Oberflächenabflüssen dominiert. Das              als Tn = 20 a steht nicht die Ökologie im Vordergrund, sondern der
zeigt noch einmal deutlich, dass Rückhaltemaßnahmen am Ende                 Schutz von Mensch und Infrastruktur. Hier kann der Netzbetreiber
eines Kanalnetzes, an der Einleitung ins Gewässer, nur den deutlich         mit dem Kanal­netz, wie oben beschrieben, nur einen begrenzten
geringeren Abflussanteil beeinflussen können (Abb. 6).                      Beitrag leisten. Im Gebietsentwicklungsplan (GEP) werden zukünftig
                                                                            Handlungsschwer­punkte für eine nachhaltige Gewässerentwicklung
Die hydraulischen Verhältnisse im Gewässer aus Regenereignissen             aufgezeigt.
jenseits der Wiederkehrzeit von Tn = 20 a sind also vom Netzbetreiber
nur noch im geringen Umfang durch Maßnahmen zu beeinflussen.                Zur Abschätzung der Wirksamkeit solcher Maßnahmen, d. h., bis zu
Kanalisationsanlagen können nur den Abfluss behandeln oder zurück­          welcher Starkregenhäufigkeit diese tatsächlich noch schützen, ist auch
halten, der durch die „Einlaufinfrastruktur“ (z. B. Straßeneinläufe) auf-   hierfür eine Oberflächenabflussberechnung mit einem 2-D-Modell
genommen werden kann. Darstellen lässt sich dieser Sachverhalt in           erforderlich. Koppelt man dieses mit einem Kanalnetzberechnungs-
der allgemein gehaltenen Abbildung „Abflussbilanz im Gewässer“              modell für die kanalisierten Baugebiete an der Peripherie, kann man
(Abb. 7).                                                                   hiermit auch die Gewässerhydraulik berechnen, die Wirksamkeit ge­
                                                                            planter und gebauter Rückhaltemaßnahmen nachweisen, mögliche
In den niedrigeren Wiederkehrzeiten Tn = 1 a – 10 a liegt der Abfluss       Hochwassergefahren erkennen, ggf. Schutzmaßnamen planen und
aus dem Siedlungsraum aus den befestigten Flächen deutlich über             deren Wirksamkeit mit den Modellen nachweisen.
den potenziell natürlichen Abflüssen. Hier ist ein ökologischer Aus­
gleich der Wasserführung gemäß BWK-M3 z. B. durch Regenrück­hal­            Im Rahmen der Neuaufstellung und -ordnung der generellen Entwäs­
t­­ebecken sinnvoll, damit sich ein guter Gewässerzustand entwi-            serungsplanung in Solingen sind die gewonnenen Erkenntnisse der

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                     Gesamtabfluss            Siedlung (gesamt)            Siedlung (Kanal)        Oberflächenabfluss

      20.000
                                                                                                                        Starkregen
      18.000

      16.000

      14.000
                                                                                                                   Oberflächenabfluss
      12.000
                                                                    Wirksamkeit Kanalnetz
      10.000

       8.000

       6.000                                 ökologischer Gewässerschutz                                                             Oberfläche, Kanal.
                                                                                                                                        Einzugsgebiet
       4.000
                                                                                        RRB
       2.000                                                                                                                Kanalisation idealtypisch,
                                                                                                                          ohne Verlegung der Einläufe
           0
               0,1             Wiederkehrzeit Tn           1              2                   5        10            20                   50         100

                                                                                            Auslastung der
                                                                                      Entwässerungseinrichtungen

                                            Zuständigkeit Netzbetreiber                                        Zuständigkeit Stadt/Gemeinde

Abb. 7: Abflussbilanz im Gewässer

vergangenen Jahre implementiert. Sowohl die erforschte realitäts-                    Bedingungen zum Überflutungsschutz der Straßenkörper als Notwas­
nähere Leistungsfähigkeit der Straßenentwässerungseinrichtungen,                     serweg genutzt werden kann, hierfür umgebaut werden darf und
die reale Flächenakkumulation der Einzugsgebiete als auch die neu                    durch den Abwasserbeseitigungspflichtigen finanziert werden kann.
entwickelte gekoppelte hydraulische Berechnungsmethodik. Auf der                     Eine essenzielle Voraussetzung hierzu ist, dass bei einem Starkregen
Grundlage dieser Daten sind die TBS nun in der Lage, die wirkliche                   Abwasser (Regenwasser) von Nachbargrundstücken auf die öffent-
Abflussmenge einer Kanalhaltung zu bestimmen und zu überprüfen,                      liche Straße fließt. Gemäß § 48 Satz 1 LWG NRW ist in diesem Fall
unter welchem Aufwand und Konsequenz eine Nutzung festgestell-                       der Straßenbaulastträger überlassungspflichtig, obwohl es sich nicht
ter Leistungsfreiräume möglich ist. Darüber hinaus wurde erkannt,                    um Straßenoberflächenwasser handelt. Der Straßenbaulastträger
dass es viel wirtschaftlicher ist, bei Starkregen anfallendes Ober­                  kann die Zuständigkeit für eine solche Situation auf die abwasser-
flächenwasser nicht bis in den topografischen Tiefpunkt fließen zu                   beseitigungspflichtige Stelle übertragen. Nach Abschluss einer ent-
lassen, sondern vorher schad- und gefahrlos in Grünflächen oder                      sprechenden Vereinbarung zwischen dem Straßenbaulastträger und
Gewässer abzuleiten. Hierzu ist es sinnvoll, in den entsprechenden                   dem Abwasserbeseitigungspflichtigen, dass für den Starkregenfall
Bereichen den Straßenkörper der neuen Situation baulich anzupassen.                  zur Allgemeinwohlverträglichkeit der Straßenraum zur Ableitung
                                                                                     von Regenwasser genutzt und umgebaut werden kann, dürfen die
Ein weiteres Forschungsvorhaben                                                      entstehenden Kosten (gemäß § 54 Satz 2 Nr. 7 LWG NRW) in die
In einem weiteren vom Land NRW geförderten Forschungsvorhaben                        Ab­wassergebühr eingestellt werden.
mit der Bergischen Universität Wuppertal wurden die Möglichkeiten
der Finanzierung von oberflächigen Überflutungsschutzmaßnahmen                        Hiermit konnte ein weiterer wesentlicher Schritt für Sicherheit, Wirt-
im Straßenkörper untersucht. Aufgrund der wichtigen Bedeutung                         schaftlichkeit und Realisierbarkeit im zukünftig immer wichtiger
von Straßen bei Starkregenabflüssen im urbanen Bereich ist diese                      werdenden Umgang mit Starkregenereignissen generiert werden.
Frage zur Verwirklichung eines kommunalen Überflutungsschutzes
relevant. Im September 2017 wurde das Forschungsvorhaben abge­                        Autor
schlossen. Die wesentliche Erkenntnis ist, dass unter bestimmten                      Dipl.-Ing. Manfred Müller, Technische Betriebe Solingen

                                                                                                                                            www.KommunalAgenturNRW.de
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A l a r m - u nd Einsatzp l anung z um
H o c hwasse r- u nd Ü ber fl utung s s chutz :
gu te Vo r be re itu ng für ei nen s i chereren
U m gan g m it G e fa hrens i tuati onen
Voraussetzungen                                                           anderem Pläne für Großeinsatzlagen und Katastrophen (Katastro-
Naturereignisse wie Hochwasser oder Starkregen (sog. Katastrophen­        phenschutzpläne) aufzustellen und fortzuschreiben (§ 4 Abs. 3 BHKG
regen) können öffentliche Notstände verursachen. Die Stadt bzw.           NRW). Dazu gehört auch die Organisation der Zusammenarbeit ver­
die Gemeinde mit ihrer Feuerwehr hat die Aufgabe, die Bevölkerung         schiedener Fachbereiche in Stäben.
durch vorbeugende und abwehrende Maßnahmen für den Brand-
schutz und durch Hilfeleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2,           „Mit unserem alten Hochwasserplan konnte man nicht arbeiten …“
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 BHKG NRW). Für den Hochwasser- und        – Entwicklung und Optimierung eines Hochwasseralarm- und Ein-
Überflutungsschutz können durch die Aufstellung eines entsprechen­        satzplans
den Alarm- und Einsatzplans Hilfeleistungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BHKG)       Krisenmanagement in der Hochwasservorsorge heißt, auf Hochwas-
erbracht werden. Gemäß § 3 Abs. 3 BHKG NRW haben die Gemeinden            sersituationen oder Gefahren durch Starkregen schnell und ange-
unter Beteiligung ihrer Feuerwehr Brandschutzbedarfspläne sowie           messen reagieren zu können. Im Hochwasseralarm- und Einsatzplan
Pläne für den Einsatz der öffentlichen Feuerwehr aufzustellen, umzu­      wird systematisch festgelegt, wie die effektive Gefahrenabwehr zum
setzen und spätestens alle fünf Jahre fortzuschreiben (Stichwort:         Schutz von Menschen, Sachwerten und der Umwelt sichergestellt
Krisenmanagement).                                                        werden kann. Die entwickelten Maßnahmen sollen Schäden durch
                                                                          unkontrolliert abfließendes Wasser vermeiden oder reduzieren. Um
Die Kreise treffen insbesondere die erforderlichen Maßnahmen zur          ausreichend Vorbereitungszeit zu haben, muss viel Wert auf die indi­
Vorbereitung der Bekämpfung von Großeinsatzlagen und Katastro-            viduelle Optimierung von Alarmstufen und die daran gebundenen
phen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 BHKG). Hierzu haben sie unter   Meldeketten gelegt werden (Abb. 1).

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                   Bezirksregierung                     Hochwasserschutzzentrale
        » Hochwassermeldung Fluss A                » Prognose und
           ab Beispielpegel 1 von 2,50 m,             Hochwassermeldung
          Vorschlag 1,70 m                            ab 4,50 m Beispielpegel 2
        		 Ansprechpartner/in                       		 Ansprechpartner/in
        		 mit Telefonnummer                        		 mit Telefonnummer

                                        informiert (E-Mail)

                       Feuerwehr- und Rettungsleitstelle auf Kreisebene
        		      Ansprechpartner/in
        		      mit Telefonnummer                                                                                 Sonderfunktion
        Leitstelle Feuer-, Katastrophenschutz und Rettungsdienst Nachbarstadt:                                (z.B. Schleusenwärter)
        		 Ansprechpartner/in
        		 mit Telefonnummer                                                                          		      Ansprechpartner/in
                                                                                                      		      mit Telefonnummer
        » Pegelentwicklung Fluss A und Zusammenfassung mit Fluss B                                    		      + Stellvertreter

                                       informiert                                    informiert             informiert

               alle beteiligten Ämter und Behörden                            Verantwortliche der Gemeinde/Deichverband
        » Voralarmierung der Kräfte                                           		     Ansprechpartner/in mit Telefonnummer
        » ggf. Information der betroffenen                                   		     innerhalb der Dienstzeit
           Bevölkerung                                                        		     außerhalb der Dienstzeit
                                                                              		     + Stellvertreter

        » Meldung von Schadensereignissen
        » Meldungen von Wassereinbruch
                                                                                                                 nein
        » Ausfallmeldungen von Stromversorgung,                                                                                keine weiteren
                                                                                    Kriterien für
           Wasserversorgung, Heizung/Klima/Lüftung                                                                               Maßnahmen
                                                                                   Auslöseschwelle
           durch Wassereinbruch
                                                                                      erreicht?
        » sonstige Schadensmeldungen

                                                                                             ja

        » Nachbearbeitung
        » Änderung im Alarmplan nötig?
                                                                                              Beipiel
           » gesamten Plan durchgehen und
                                                              aktualisieren             Hochwasseralarm- und
              ggf. anpassen
                                                                                            Einsatzplan
        » Maßnahmen bearbeiten und anpassen
        » ggf. Anpassung der HW-Gefahren- und                                                                                      nein
           Risikokarten in Abstimmung mit der
           Bezirksregierung

                                                                   ja
                                                                                                                               Ende des
                                                                                                                             Ereignisses?

Abb. 1: Meldekette/Informationsfluss

                                                                                                                                www.KommunalAgenturNRW.de
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Dabei müssen Warndienste ein­gerichtet und Warnungen eingestuft              Hochwasseralarm- und Einsatzpläne wurden in der Vergangenheit
(Pegel, Wetter usw.) werden. In vielen Alarm- und Einsatzplänen sind         oftmals umfassend textlich beschrieben. Die entscheidenden Infor-
die Informationen hierzu veraltet und berücksichtigen keine neuen            mationen mussten dazu in Gefahrensituationen mühsam herausge­
Informationsquellen und -medien. Zuständigkeiten müssen inner-               lesen werden. Es bietet sich an, Maßnahmen zukünftig übersichtlich
halb und außerhalb der Dienstzeiten stets geregelt, aktuell und an           in tabellarischer Form auf das Wesentliche reduziert darzustellen und
ihre Verwaltungsstruktur angepasst sein (Abb. 2).                            weitergehende Informationen im Anhang zur Verfügung zu stellen
                                                                             (Abb. 3).
Im Idealfall können Maßnahmen zu definierten Ereignissen (Pegel-
ständen, Unwetterwarnungen) im Vorfeld festgelegt werden, z. B. der          Allerdings sind Gefahrensituationen durch Hochwasser und extreme
Aufbau von mobilen Schutzwänden bei bestimmten Wasserständen.                Starkniederschläge oftmals sehr unterschiedlich, sodass in Abhängig­
Gute Orts- und Systemkenntnis sowie die Erfahrung und Fachkom-               keit von der aktuellen Lage vor Ort und der zu erwartenden Entwick-
petenz von allen beteiligten Akteuren sind Voraussetzungen, um               lung situativ über Abwehrmaßnahmen entschieden werden muss.
neue Maßnahmen zu entwickeln oder bestehende auf den Prüfstand               Meist sind hier verschiedene Belange der Kommunalverwaltung be­
zu stellen. Dabei können sowohl Hochwassergefahren- und Hoch-                troffen, weshalb es auch bei Gefahrenlagen, die keine Großeinsatz-
wasserrisikokarten, die für ganz NRW flächendeckend vorliegen, als           lagen verursachen, sinnvoll ist, Stabsarbeit bereits auf kommunaler
auch Starkregengefahrenkarten, die bereits in einigen Kommunen               Ebene zu organisieren. Auf diese Weise können alle betreffenden
vorliegen, genutzt werden.                                                   Fachbereiche einbezogen werden. Dabei ist die Verbindung der admi­

            Alarmphasen                            Ziel

            Monitoringphase                        » Warnungen werden erkannt und weitergeleitet

            Warnphase                              » Warnungen werden richtig interpretiert » aktives Beobachten

            Vorbereitungsphase                     » Alarmierung, um verhältnismäßige Einsatzbereitschaft sicherzustellen

            Kontrolle                              » Wasser unter Kontrolle halten » Schutzeinrichtungen in Betrieb nehmen

            Notlage                                » Gefahren für Betroffene abwehren » Schützen, Schadensbegrenzung

            Öffentlicher Notstand                  » Hilfe und Schutz des Gemeinwesens » Retten, Schützen, Schadensbegrenzung

            Katastrophe                            » Sicherstellung der Führung, Ereignisbewältigung

            Regenerationsphase                     » Beseitigung von Schäden » Wiederherstellung des Normalzustands

Abb. 2: Das Alarmstufenmodell

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Abb. 3: Auszug Maßnahmentabelle

                                                                      www.KommunalAgenturNRW.de
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n­istrativen und organisatorischen Aufgaben der Verwaltung mit den      »   Organisation der Stabsarbeit
 operativen und technischen Aufgaben der Feuerwehr oder anderen         »   Digitalisierung von Hochwasser Alarm- und Einsatzplänen
„Hilfsorganisationen“ ein wichtiger Teil des Hochwasseralarm- und
Einsatzplans und des Krisenmanagements. Die Zusammenarbeit in           Gemeinsam mit Ihnen üben wir den Umgang mit Gefahren- und
Stäben sollte nicht nur am „grünen Tisch“ organisiert, sondern auch     Risikokarten und leiten dabei neue Maßnahmen ab
 erprobt sowie der Umgang mit dem Kartenmaterial geübt werden.          » identifizieren kritische Objekte
                                                                        » berücksichtigen Starkregen
Die Vorbereitung ist nie abgeschlossen. Nur eine ständige Weiterent­    »	stellen einen Hochwasseralarm- und Einsatzplan auf, der Sie im
wicklung der Hochwasseralarm- und Einsatzplanung gewährleistet              Ernstfall effektiv handeln lässt
Aktualität. Die Entwicklungen in der Gemeinde, die Bedürfnisse der
Akteure oder neue Erkenntnisse müssen Berücksichtigung finden.          Durch die Zusammenarbeit der beteiligten Stellen, die auch im Ernst­
Je nach Bedarf werden wir Sie bei der Erstellung oder Neugestaltung     fall zusammenarbeiten müssen, wird Ihre Verwaltung sensibilisiert,
Ihres Hochwasseralarm- und Einsatzplans unterstützen. In verwal-        ist auf plötzlich eintretende Ereignisse besser vorbereitet und kann
tungsinternen Workshops erproben wir gemeinsam mit Ihnen den            angemessen reagieren. Wer sich gut vorbereitet hat, ist später auch
Umgang mit Gefahren- und Risikokarten und helfen dabei kritische        weniger angreifbar …
Objekte zu identifizieren. In Abstimmung mit allen Beteiligten können
neue Maßnahmen entwickelt werden und in einem neuen Hochwas­
seralarm- und Einsatzplan festgehalten werden.

Wir begleiten auch bei der Digitalisierung des erarbeiteten Hochwas­
seralarm- und Einsatzplans. Dazu wird eine für Ihre Bedürfnisse
passende Software ausgewählt und die Inhalte übertragen.

Wir unterstützen bei der
»	Erstellung, Überarbeitung und Fortschreibung von Hochwasser­
   alarm- und Einsatzplänen
»	Optimierung Ihrer Alarmstufen und der entsprechenden Melde­
   kette bzw. Warndienste                                               Autoren
» Bewertung von Warnungen (Pegel, Wetter usw.)                          Simon Stein M. Sc.,
»	Optimierung und ggf. Ergänzung von vorhandenen Schutzmaß-            Dipl.-Ing., Dipl.-Wirt.-Ing. Stefan Vöcklinghaus M. A.,
   nahmen                                                               Kommunal Agentur NRW, Düsseldorf

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Wi n d – Sonne – Fa ul gas :
Au f d e m We g zu r e nergeti s ch bes ten Lös u ng
f ü r d i e Klä ra nla ge Bochol t
Der Entsorgungs- und Servicebetrieb der Stadt Bocholt (ESB) ist mit     unterhaltung. Ein weiteres Geschäftsfeld ist Planung, Bau und Be-
seinen über 160 Beschäftigten neben den Aufgaben der Abfallent-         trieb der gesamten Stadtentwässerung. Hierzu betreibt der ESB im
sorgung und der Stadtbildpflege zuständig für den Betrieb und die       Boch­olter Industriepark die zentrale Kläranlage zur Reinigung der Ab­
Unterhaltung der städtischen Infrastruktur in der rund 70.000 Einwoh­   wässer aus Privathaushalten und von mehreren Tausend Dienstleis-
ner zählenden Stadt im westlichen Münsterland. Hierzu zählen die        tungs-, Gewerbe- und Industriebetrieben. Die Anlage reinigt aktuell
städtischen Grünanlagen, zahlreiche Sport- und Spielplätze, mehrere     das Wasser von rund 157.000 Einwohnerwerten bei einer Ausbau-
Friedhöfe, die Gewässerunterhaltung und die Aufgaben der Straßen­       größe von 225.000 Einwohnerwerten.

Abb. 1: Luftbild Kläranlage Bocholt

                                                                                                                         www.KommunalAgenturNRW.de
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                                                                   Die Energiekosten der Kläranlage sind aufgrund der vielfältigen Rei­
                                                                   ni­­gungs- und Behandlungsstufen ein wesentlicher Kostenfaktor der
                                                                   Abwasserbehandlung. Der Energiebedarf der Anlage konnte in den
                                                                   letzten zehn Jahren aufgrund vielfältiger Energiesparmaßnahmen
                                                                   um knapp 30 % von 4,5 Mio. kWh auf rund 3,2 Mio. kWh reduziert
                                                                   werden. Hierzu gehörten unter anderem die Optimierung der Hydrau­
                                                                   lik und der Neubau einer energieeffizienten Belüftungseinrichtung
                                                                   auf dem neuesten technischen Standard. Durch eventuell weiterge­
                                                                   hende Maßnahmen zur Abwasserreinigung und durch Überlegungen,
                                                                   eine Trocknungsanlage für den anfallenden Klärschlamm zu realisie-
                                                                   ren, wird der Energiebedarf in den nächsten Jahren jedoch wieder
                                                                   steigen.

                                                                   Der ESB setzt zur Deckung des Bedarfs auf regenerative Energiequel­
                                                                   len. Daher wurde ergänzend zur vorhandenen Verstromung des
                                                                   Faulgases in Blockheizkraftwerken, einer schon in Betrieb befindli-
                                                                   chen Kleinwindanlage und der bereits installierten Fotovoltaikanla­
                                                                   gen eine Windenergieanlage mit einer Nennleistung von mindestens
                                                                   2.000 kW ins Auge gefasst.

                                                                   Hierzu wurde ein vierköpfiges Projektteam gebildet, das sich mit dem
                                                                   Genehmigungsverfahren, der baulichen Umsetzung und der Einbin­
                                                                   dung der Anlage in das Energiemanagement der Kläranlage befasst
                                                                   hat. Es setzt sich zusammen aus dem ESB-Betriebsleiter Gisbert Jacobs,
                                                                   seinem Stellvertreter Heinz Welberg, dem Leiter der Kläranlage Andreas
                                                                   Wehren und dessen Stellvertreter Christian Schaffeldt.

                                                                   Alle notwendigen Unterlagen und Gutachten zwecks Genehmigung
                                                                   der Anlage beizubringen und der Bau auf dem Gelände der Kläran-
                                                                   lage stellten das Team vor besondere Herausforderungen. Mit der
                                                                   im Dezember 2017 erfolgten behördlichen Abnahme in Verbindung
                                                                   mit der ersten Umweltinspektion wurde ein weiterer Meilenstein
Abb. 2: Vorbereitung und Aufbau der Anlage                         im Projektablauf erreicht.

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Das gesamte Verfahren zog sich dabei über einen mehrjährigen Pro­
zess, der nachfolgend mit den wesentlichen Eckdaten beschrieben
ist:

» November/Dezember 2014                                             » November 2016

»	Beschluss des zuständigen Betriebsausschusses des ESB und         » Fertigstellung des Fundaments
   der Stadtverordnetenversammlung, die Errichtung einer Wind­
   ­energieanlage zu prüfen
                                                                     » Februar/März 2017
» Dezember 2014 bis Januar 2016
                                                                     » Aufbau der Anlage
»	Auswahl eines geeigneten und grundsätzlich geneh­mi­gungs­
   ­fähigen Anlagentyps
»	Durchführung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen                  » März 2017
»	Abwicklung diverser Gutachten (u. a. Lärm, Naturschutzbe­lange,
   Schattenwurf)                                                     »	Inbetriebnahme und Produktion der ersten kWh Strom
» Erstellung der Genehmigungsunterlagen                              » Einbindung der Anlage in das Prozessmanagement
                                                                     » Sammlung von Betriebserfahrungen
» Juli 2016
                                                                     » Dezember 2017
»	Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch
   den Kreis Borken                                                  » Immissionsschutzrechtliche Abnahme
                                                                     » Umweltinspektion
» August 2016
                                                                     » Januar 2018
»	Auftragserteilung an die Firma Enercon zur Lieferung
»	Aufstellung und Inbetriebnahme einer Windenergieanlage vom        » Schalltechnische Nachvermessung unter Volllast
   Typ Enercon E-82/E-2

                                                                                                                    www.KommunalAgenturNRW.de
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Abb. 3: Montage des Turmsegments                                         Abb. 4: Anlieferung des Maschinenhauses

Das Vorhaben wurde vor allem beim Aufbau des Windrads intensiv           zu besteigen. Ergänzend hierzu wurde für die Wartung der Anlage
durch die örtliche Presse begleitet. Wie hoch dabei das Interesse der    ein Enercon-Partnerkonzept vertraglich vereinbart.
Bevölkerung war, spiegelte sich besonders beim Tag der offenen Tür
wider. Anlässlich der Einweihung der Windkraftanlage kamen über          Als nächster Baustein der energetischen und ökobilanziellen Opti-
1.000 Besucher zum Zentralklärwerk, um dabei auch einmal einen           mierung befindet sich nun der Bau einer Anlage zur Klärschlamm-
Blick hinter die Kulissen werfen zu können. Hierbei erlebten die Inte­   trocknung in Planung. Neben den eigenen gut 10.000 Jahrestonnen
ressierten vor Ort, wie bei der errichteten Anlage durch eine neuar-     Klärschlamm mit einem TR-Gehalt von ca. 21 % sollen weitere Input­
tige Rotorblattgestaltung eine erhebliche Geräuschreduzierung der        mengen im Wege interkommunaler Zusammenarbeit für eine gute
Anlage erreicht wurde.                                                   Auslastung der Anlage sorgen.

Rückblickend ist festzuhalten, dass die Zusammenarbeit des ESB mit       Nach Abschluss der Vorüberlegungen und Erarbeitung von Grobkon­
dem Anlagenhersteller Enercon reibungslos funktioniert hat. Zur          zepten sind der ESB und die Nachbarkommune Hamminkeln derzeit
Unter­stützung in diesem speziellen Themenfeld, der für einen Abwas­     auf der Suche nach einem Ingenieurbüro zur Erstellung einer ent-
serbetrieb nicht das Tagesgeschäft darstellt, nahm der ESB Beratungs­    sprechenden Machbarkeitsstudie. Von besonderem Interesse sind
leistungen des ortsansässigen Dienstleisters „Sky-Energy“ in Anspruch.   dabei Angebote von Ingenieurbüros, die spezifische Erfahrungen mit
                                                                         dem Energiemanagement von Kläranlagen mitbringen. Die regene­
Durch die Schulung von zwei Beschäftigten des ESB in puncto Anla­        ra­tiven Quellen Wind, Faulgas und Sonne bestmöglich für den Eigen­
gentechnik und Höhenrettung bei der Firma Enercon besitzen diese         bedarf vor Ort zu nutzen und aufeinander abzustimmen, bildet dabei
nun auch die Befähigung, die Windenergieanlage zu betreiben und          die besondere Herausforderung.

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Abb. 5: Maschinenhaus der Windenergieanlage ESB-Bocholt                Abb. 6: Montage der Rotorblätter

Hierbei gehen die Überlegungen auch dahin, bei der Projektentwick­
lung eine mögliche Nutzung eines benachbarten Baggersees als
zusätzlichen natürlichen Wärmespeicher einfließen zu lassen. Eine          Zahlen – Daten – Fakten
Prognose darüber abzugeben, ob sich dieser sowohl technisch als            der Windenergieanlage ESB-Bocholt
auch rechtlich herausfordernde Ansatz weiterverfolgen oder sogar
realisieren lässt, ist zum jetzigen Zeitpunkt äußerst schwierig. Es        Nennleistung                    2.300 kW
bleibt daher für den ESB weiter spannend, die Kläranlage nicht nur         Nabenhöhe                       85 m
in Bezug auf die Reinigungsleistung, sondern auch in puncto Energie­       Rotordurchmesser                82 m
bedarf und -versorgung weiter zukunftsfähig auszurichten.                  Gesamthöhe                      126 m
                                                                           Erzeugte Strommenge             3.000.000 kWh/a prognostiziert
                                                                           Gesamtinvestition               rund 2,8 Mio. E netto

Autor
Dipl.-Ing. Heinz Welberg, M. Sc.,
Entsorgungs- und Servicebetrieb der Stadt Bocholt (ESB)

                                                                                                                           www.KommunalAgenturNRW.de
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Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutz­management:
STEB Paderborn stellt sich den externen
Anforderungen und ist erfolgreich rezertifiziert
Der Stadtentwässerungsbetrieb Paderborn (STEB) ist erneut im Quali­         hend aus der Betriebsleitung, dem Managementbeauftragten und
täts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagement zertifiziert worden.             den Prozessverantwortlichen, zusammengestellt, welche sich intensiv
Dieses hat die DQS, die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von        mit der Einarbeitung der neuen Normanforderungen und der Opti­
Managementsystemen, nach einer viertägigen Systemüberprüfung                mierung der Prozesse befasste.
beim STEB bescheinigt. Aufgrund der neuen und geänderten Norm­
anforderungen der DIN EN ISO 9001:2015 und DIN EN ISO 14001:2015            Mit der Begleitung bei der Normumstellung von der Version 2008
war diese Überarbeitung notwendig. Gleichzeitig wurde die Ablauf­           auf die neue Version 2015 wurde die Kommunal Agentur NRW vom
organisation innerhalb des STEB überprüft und weiter optimiert. Der         STEB beauftragt. Das Projektteam der Kommunal Agentur bereitete
STEB hat im Jahr 2001 das Qualitäts- und Umweltmanagementsys-               die Projektgruppe des STEB detailliert in mehreren Workshops und
tem und im Jahr 2010 das Arbeitsschutz­managementsystem einge-              Arbeitsgruppentreffen auf die neuen Anforderungen vor.
führt und ist seitdem durchgängig als zertifizierter Betrieb anerkannt.
                                                                            Im Einzelnen wurden die folgenden aktuellen Normanforderun-
Der Weg zur Umsetzung                                                       gen vorgestellt, deren Auswirkungen auf das Tun und Handeln
Für die Überarbeitung der internen Betriebs- und Prozessanweisungen         des STEB Paderborn besprochen und das Vorgehen zur Umsetzung
(Vorgabedokumentation) wurde zunächst eine Projektgruppe, beste-            festgelegt (Abb. 1).

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A B WA S S E R R E PO RT 1.18   |   ORGAN ISATION                 |   25

Projektschritte

 Projektschritt                                                        Beteiligte

 2.1.2      Workshop: Novellierung der 9001: Strategie und Führung     Projektgruppe, Leitungskreis, ggf. Auditoren

 2.1.3      Workshop: Novellierung der 14001: Umweltsituation          Projektgruppe, ggf. Auditoren

 2.1.4      Anforderung zur Steuerung externer Prozesse                Projektgruppe, verantwortliche Mitarbeiter, ggf. Auditoren

 2.1.5      Anforderungen an ein Wissensmanagement                     Projektgruppe

 2.1.6      Erarbeitung einer Methodik zum Umgang mit Risiken          Betriebsleiter, Projektgruppe, weitere Mitarbeiter
            und Chancen der Prozessabläufe                             nach Festlegung

 2.1.7      Anpassung der vorhandenen Dokumentation                    Projektgruppe

Strategie und Führung                                                  Anforderungen zur Steuerung externer Prozesse
Gemeinsame Erarbeitung geänderter inhaltlicher Anforderungen           Die bisherigen Regelungen zur Beschaffung wurden geprüft und um
an ein Qualitätsmanagementsystem hinsichtlich der strategischen        Informationen für externe Anbieter und neue Anforderungen an die
Ausrichtung des Unternehmens:                                          Steuerung extern bereitgestellter Prozesse ergänzt.
» Führungsrollen
» interessierte interne und externe Parteien                           Aufgrund wesent­licher Schnittstellen zur Stadt Paderborn war diese
» interne und externe Themen und damit verbundene                      Prozessgestaltung eine zeitaufwendige Herausforderung und wurde
» Risiken und Chancen                                                  auf Führungs­ebene gesteuert.

In einem Workshop mit dem Projektteam wurden die Forderungen            Anforderungen an das Wissensmanagement
zum „Kontext der Organisation“ besprochen, die wesentlichen interes­    Bestehende Regelungen zur Fort- und Weiterbildung wurden hinter­
sierten Parteien und Themen identifiziert und daraus resultierende      fragt, inwieweit sie den erweiterten Anforderungen an einen bewuss­
Risiken und Chancen diskutiert.                                        ­ten Umgang mit Wissen genügen.

Umweltsituation                                                        Es wurde organisiert, wie das vor­handene Wissen aufrechterhalten,
Erarbeitung geänderter inhaltlicher Anforderungen an ein Umwelt-       für Mitarbeiter verfügbar ge­macht oder benötigtes Zusatzwissen
managementsystem hinsichtlich der Betrachtung und Beschreibung         für zukünftigen Bedarf erlangt werden kann.
der Umweltsituation:
» Umweltzustände                                                       Methodik zum Umgang mit Risiken und Chancen
» Umweltaspekte                                                        der Prozessabläufe
» Lebenszyklus                                                         Mit dem Projektteam wurde die Methodik und die Dokumentation
» bindende Verpflichtungen und damit verbundene                        besprochen, wie Risiken und Chancen zukünftig prozessbezogen
» Risiken und Chancen                                                  ermittelt, festgehalten und anhand von Kriterien bewertet werden
                                                                       können. Risiken und Chancen wurden beispielhaft gemeinsam iden-
In einem Workshop mit dem Projektteam sowie den Beauftragten           tifiziert und bewertet.
zum Umweltschutz (Gewässerschutz, Abfall, Gefahrstoffe) wurden
die Forderungen zur „Umweltsituation der Organisation“ erarbeitet.     Die Entscheidung, Chancen und Risiken nicht mehr zentral in einer
Die zu beachtenden Umweltzustände wurden besprochen, bindende          Prozessanweisung, sondern prozessbezogen darzustellen, soll einen
Verpflichtungen zu bedeutenden Umweltaspekten identifiziert und        direkten Bezug der prozessverantwortlichen Mitarbeiter mit den
daraus resultierende Risiken und Chancen diskutiert.                   Risiken und Chancen ihres alltäglichen Tuns sicherstellen.

Abb. 1: Projektschritte

                                                                                                                      www.KommunalAgenturNRW.de
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