INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser

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INSIDE OUT
Das Hessenwassermagazin                       SOMMER 2021

 Kommt nun der
 Brauchwasser-Boom?

 Wasserversorgung           Neue Trinkwasser-          Landwirtschaft in
 in klimatisch bedingten    aufbereitung für           „Roten Gebieten“
 Ausnahmesituationen        Groß-Umstadt               in Hessen

www.hessenwasser.de
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Inhalt                                                                                                                                                                                                                                                                             WASSER . Editorial

                                                                                                                                                                                                                                                 Editorial
                                WASSER · Meldung                                WASSER · Bedarf                                  WASSER · Dienstleistung                       WASSER · Interview

                        4       Wissenswertes aus                        16     Kommt nun der                             24     Aus der Ferne Wissen                 28 Neue Trinkwasseraufbereitung
                                Unternehmen und Region                          Brauchwasser-Boom?                               nahebringen                                   für Groß-Umstadt
                                                                                Die Trinkwasserabgabe im                         Hessenwasser führte                           Nitratentfernung durch                                            Liebe Leser*innen,
                                WASSER · Ressourcen
                                                                                Rhein-Main-Gebiet nimmt zu                       erste digitale Probenahme-                    Umkehrosmose
                        7       Die Situation der                                                                                Schulung durch
                                                                                                                                                                               WASSER · Intern                                                   „Der neue Wert des Wassers“ – der Leitartikel in der Sommer-
                                                                                WASSER · Versorgung
                                Grundwasserstände in
                                                                                                                                 WASSER · Ressourcen                                                                                             ausgabe des vergangenen Jahres hat ein neues gesellschaftliches
                                Südhessen                                22 Kommunales Wasser­                                                                        30 Kritischer Moment für die
                                                                                                                                                                                                                                                 Wasserbewusstsein vor dem Hintergrund von Klimawandel und
                                Auswirkungen der                                konzept für eine sichere                  26 Landwirtschaft in „Roten                          Kritische Infrastruktur
                                vergangenen drei Trocken-                       Trinkwasserversorgung                            Gebieten“ in Hessen                           Hackerangriff in den USA wurde                                    Bevölkerungswachstum angemahnt.
                                und Dürrejahre                                  Neue Lösungen in der                             Die Ausweisung nitrat­                        rechtzeitig aufgespürt                                            Nach dem dritten Hitze­sommer in
                                                                                Gemeinde Mühltal                                 belasteter Flächen sorgt                                                                                        Folge ist der öffentliche Diskurs über
                                WASSER · Recht
                                                                                                                                 weiterhin für Diskussionen
                                                                                                                                                                                                                                                 die Wassernutzung und Trinkwasser-
                        12      Sicherstellung der öffent­
                                                                                                                                                                                                                                                 versorgung in vollem Gange.
                                lichen Wasserversorgung in
                                klimatisch bedingten                                                                                                                 Perspektiven der

                                                                                   16
                                                                                                                                                                     Nutzung von Brauch­
                                Ausnahmesituationen                                                                                                                  wasser in Zeiten                                                            Werden wir auch zukünftig noch
                                                                                                                                                                     des Klimawandels                                                            g enügend Trinkwasser haben?
                                                                                                                                                                                                                                                 ­
                                                                                                                                                                                                                                                 Steht uns auch im „wasserreichen“
                                                                                                                                                                                                                              Das digitale       Deutschland ein Kampf ums Wasser

    7                                                  12                                                                                                                24
                                                                                                                                                                                                                              Schulungskonzept
                                                                                                                                                                                                                              bei Hessenwasser
                                                                                                                                                                                                                                                 bevor? In seinem Gastbeitrag „Die Sicherstellung der öffentlichen

                                                        §
                                                                                                                                                                                                                              überzeugt          Wasserversorgung in klimatisch bedingten Ausnahmesituationen“
                                                                                                                                                                                                                                                 erläutert Prof. Dr. Michael R
                                                                                                                                                                                                                                                                             ­ einhardt, Direktor des Instituts für
                                                                                                                                                                                                                                                 ­Wasserwirtschaftsrecht in Trier, die öffentlich-rechtlichen Verant­

                                                        §
                                                                                                                                                                                                                                                 wort­lich­keiten. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei der Vorrang der
                                                                                                                                                                                                                                                 öffentlichen Wasserversorgung bei der Bewirtschaftung der Res-
                                                                                                                                                                                                                                                 sourcen. Das Konfliktpotenzial bei der Nutzung der in Zukunft viel-
                                                                                                                                                                                                                                                 leicht noch stärker begrenzten Ressource Wasser liegt auf der Hand.
                                                                                                                                                                                                                                                 Kann verstärkte Brauchwassernutzung die Lösung sein? Das
Drei Jahre Trockenheit und
Dürre in Folge: Wie ist es um                                                                      Maßnahmen zur                                                                                                                                 ­hinterfragt der Leitartikel dieser Ausgabe „Kommt nun der Brauch-
unsere Grundwasserstände                                                                         Verbesserung des
bestellt?                                                                                       Gewässerschutzes                                                                                                                                 wasser-Boom?“. Hessenwasser kann durch die Aufbereitung von
                                                                                                 und Probleme bei
                                                                                                   der Ausweisung                                                                                                                                Rhein- und Mainwasser schon jetzt mehr als 40 Mio. m3 Brauch-
                                                                                                    nitratbelasteter
                                                                                                            Flächen
                                                                                                                                                                                                                                                 wasser zur Verfügung stellen. Mit dem Ausbau der entsprechen-
                                                     Professor Dr. Michael
                                                                                                                                                                                                                                                 den Infrastruktur wäre deutlich mehr möglich. Eines unserer
                                                     Reinhardt über die                                                                                                                                   Interview mit
                                                     öffentlich-rechtlichen                                                                                                                               Björn Mattheß,                         ­großen Zukunftsthemen.
                                                     Verantwortlichkeiten und                                                                                                                             Betriebsleiter in

                                                                                                                        26
                                                                                                                                                                                                                                                 Wie sich die konkrete Situation der Verfügbarkeit unserer wich-
                                                                                                                                                                                         28
                                                     Handlungsspielräume                                                                                                                                  Groß-Umstadt,
                                                     der Wasserversorger in                                                                                                                               über die neue
                                                     Zeiten klimatischer                                                                                                                                  Trinkwasserauf­                        tigsten Ressource, des Grundwassers, in Südhessen darstellt,
                                                     Extrembedingungen                                                                                                                                    bereitungsanlage
                                                                                                                                                                                                                                                 beleuchtet der Leiter des Bereichs Ressourcenmanagement in
                                                                                                                                                                                                                                                 einem ausführlichen Beitrag.

IMPRESSUM                                                                                                                                                                                                                                        Ich wünsche Ihnen in diesen besonderen Zeiten,

Herausgeber: Hessenwasser GmbH & Co. KG · Taunusstraße 100 · 64521 Groß-Gerau/Dornheim · Tel.: 069 25490-0 · www.hessenwasser.de                                                                                                                 dass Sie gesund bleiben!
Redaktion: Dr. Hubert Schreiber (v. i. S. d. P.); Karina Klock-Geßner; Dörte und Ralf Dunker (Press’n’Relations II GmbH · 81241 München)
Druck: Druckerei Lokay e.K. · Reinheim
Layout: Saskia Burghardt · www.burghardt-grafik.de · Hochheim am Main
Alle Inhalte dieses Magazins, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken, sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt,                                                                                                             Karina Klock-Geßner
                                                                                                                                                                      Bildnachweis
soweit nicht anders gekennzeichnet, bei der Hessenwasser GmbH & Co. KG. Wenn Sie Inhalte dieses Magazins, insbesondere Texte, Textteile,                              Titel/Seite19: © Daniel Kühne / Adobe Stock
Bildmaterial bzw. Grafiken, verwenden möchten, bedarf es der vorherigen Zustimmung. Wenden Sie sich bitte an die Herausgeberin.                                       Seite 32: Jürgen Mai                                                       Stellvertretende Pressesprecherin

2                                                                                                                                     INSIDE . OUT   Sommer . 2021    Sommer . 2021         INSIDE . OUT                                                                                                           3
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Meldung                                                                                                                                                                                                                                                       WASSER . Meldung

100 Prozent Ökostrom                                                                                                                                    Elisabeth Jreisat ist neue ARW-Präsidentin
für Hessenwasser
                                                                                                                                                        Elisabeth Jreisat wurde im Rahmen        cher*innen im Rheineinzugsgebiet
                                                                                                                                                        einer turnusmäßigen Mitgliederver-       zwischen Karlsruhe und der nie-
Ab 2022 stellt Hessenwasser den Strombezug (62,5 GWh/a)                                                                                                 sammlung zur neuen Präsidentin           derländischen Grenze und gehört
aller eigenen und betriebsgeführten Standorte von ak-                                                                                                   der Arbeitsgemeinschaft der              zu einem internationalen Fach- und
tuell ca. einem Drittel auf 100 Prozent Ökostromanteil                                                                                                  Rhein-Wasserwerke (ARW) ge-              Forschungsnetzwerk im gesamten
um. Ein Großteil der zukünftigen Stromlieferung wird aus                                                                                                wählt. Sie übernimmt das Amt von         Rheingebiet, von der Quelle bis zur
europäischer Wasserkraft stammen. Mit dieser Umstel-                                                                                                    Dr. Andreas Cerbe, Vorstandsmit-         Mündung. Als oberstes Ziel sieht
lung erfüllt Hessenwasser die Ziele ihres Energiemanage-                                                                                                glied der RheinEnergie. Jreisat          die ARW gemeinsam mit ihren
mentsystems (EnMS): die Schonung vorhandener Res-                                                                                                       machte die Schwerpunkte der zu-          Schwesterverbänden, Trinkwasser
sourcen, die Minderung von CO2-Emissionen und der                                                                                                       künftigen Arbeit deutlich: „Auch         mit möglichst naturnahen Verfah-

                                                                                                                                                                                                                                                                         Bild: juergenmai.com
verstärkte Einsatz innovativer Technologien und erneu-                                                                                                  wenn schon viel erreicht ist, muss       ren aufzubereiten. Die Wasserwer-
erbarer Energien. Damit hat Hessenwasser einen weite-                                                                                                   der vorsorgende Gewässerschutz           ke sind keine Reparatur-, sondern

                                                                                                                          Bild: © SorbyPhoto / iStock
ren Meilenstein zum nachhaltigen Unternehmen erreicht.                                                                                                  aus Sicht der Trinkwasserversor-         Förder- und Verteilbetriebe. Des-
Die jährlich eingesparten CO2-Emissionen werden sich                                                                                                    ger weiter vorangetrieben werden.        wegen hat nach der Philosophie
vermutlich auf ca. 12.500 Tonnen belaufen. Das ent-                                                                                                     Gerade mit Blick auf den Klima-          des Verbandes der Ressourcen-
spricht dem CO2-Gesamtfußabdruck von ca. 1.100 Per-                                                                                                     wandel wird die Nutzung von              schutz seit mehr als 60 Jahren        gen haben muss. Und dass Ver-
sonen in Deutschland.                                                                                                                                 Flusswasser mengenmäßig eine             oberste Priorität.                    schmutzungen vermeiden vor Be-
                                                                                                                                                        stärkere Bedeutung erlangen, und           Mit ihren 24 Mitgliedsunterneh-     seitigen geht.
                                                                                                                                                        durch die damit aufkommenden             men koordiniert die ARW im Ver-         Die Aufgaben der ARW: Anforde-
                                                                                                                                                        Nutzungskonkurrenzen brauchen            bund Forschungsvorhaben zu ver-       rungen an die Gewässergüte for-
                                                                                                                                                        wir weiterhin eine starke Stimme         schiedensten Themen rund um das       mulieren, ein international koordi-
                                                           EU-Forschungsprojekt STOP-IT                                                                 für die Qualität des Rheinwassers:       Trinkwasser und übt eine Wächter-     nierter Warn- und Alarmdienst bei
                                                                                                                                                        die ARW. Im Dialog mit den ver-          funktion für die Belange des Trink-   Industrieunfällen oder sonstigen
                                                           Hessenwasser ist Praxispartner im Konsortium des EU-                                         schiedenen Verantwortlichen wer-         wassers aus. Sie ist wichtiger An-    Schadensereignissen mit mögli-
                                                           Forschungsprojektes „STOP-IT“ (Strategic, tactical and                                       den wir den vorsorgenden Gewäs-          sprechpartner für Politik, Verbände   chen Auswirkungen aufs Trinkwas-
                                                           operational protection of critical water infrastructure                                      serschutz weiter voranbringen.“          und Industrie am Rhein und wirkt      ser, der kritische Dialog mit der In-
                                                           against physical and cyber threads) im EU-Rahmenpro-                                            Die 1957 gegründete ARW               darauf hin, dass im gesamten Ein-     dustrie, das Entwickeln von Mess-
                                                           gramm „Horizont 2020“ für Forschung und Innovation.                                          ­bündelt die Interessen von etlichen     zugsgebiet die Trinkwasserversor-     verfahren und das Bereitstellen von
                                                           Ziel von STOP-IT ist es, aktuelle und zukünftige Risiken                                      Millionen Trinkwasserver­b rau­         gung Priorität vor anderen Nutzun-    Mitteln für die Forschung.        
                                                           für Kritische Infrastrukturen zu identifizieren und ein um-
                                                           fassendes Risikomanagementkonzept sowohl für die phy-
                                                           sische als auch für die Cyber-Sicherheit kritischer Was-
LDEW startet Informationskampagne                          serinfrastrukturen zu erarbeiten. Hierzu werden modula-
                                                           re Lösungen entwickelt, die in eine integrierte, skalierba-
Der Landesverband der Energie- und Wasserwirtschaft        re und adaptierbare Software-Plattform eingebunden                                                                 Energiemanagementsystem erneut zertifiziert
(LDEW) in Hessen und Rheinland-Pfalz informiert ab Mai     werden. Dabei finden Prävention, Detektion, Reaktion und
in seiner Kampagne „Wasser.Läuft!“, wie die Trinkwasser­   Minimierung relevanter Risiken auf strategischer, takti-                                                           Das Energiemanagementsystem der Hessenwasser             system zeigte sich in
versorgung für rund zehn Millionen Menschen funktio-       scher sowie operativer Planungsebene Berücksichtigung.                                                             (inklusive Wasserverband Hessisches Ried (WHR) und       der Stichprobe die-
niert. Die Wasserversorger wollen ein Bewusstsein für         Das Projekt wird von der EU mit über acht Mio. Euro                                                             WHR-Beregnung) wurde erneut nach der DIN EN ISO          ses Audits als vor-
die Ressource Wasser wecken und Wissen über die            gefördert und läuft noch bis Herbst 2021. Hessenwasser                                                             50001 zertifiziert; es gilt nun bis Dezember 2023. We-   bildlich wirksam, der Energiemanager überzeugt durch
Trinkwasserversorgung sowie über die täglichen Auf­ga­     unterstützt als Praxispartner die Testung neuartiger                                                               gen der Corona-Pandemie fand die Überprüfung erst-       Fachkompetenz und Engagement, die Geschäftsfüh-
ben und Herausforderungen vermitteln. In Deutschland       ­Sicherheitstechnologien von Pro-                                                                                  mals als Fernaudit mit einer viertägigen Online-Kon-     rung steht klar hinter der Energiepolitik und engagiert
sind wir es gewohnt, dass zu jeder Zeit frisches Trink-     zessleitsystemen sowie die Erstel-                                                                                ferenzschaltung für alle Interviews sowie Anlagenbe-     sich weit darüber hinaus. Für die anstehende Dritt-
wasser zur Verfügung steht. Aber Wasser läuft nur, weil     lung von Schulungsmaterial, spe­ziell        Mehr Infos                                                           gehungen mit Online-Kameraübertragungen statt.           Parteien-Auditierung werden bestmögliche Voraus-
die Trinkwasserversorger 24 Stunden an 365 Tagen im         für die Belange von Wasserversor-                                                                                 Außerdem musste das Managementsystem neben der           setzungen durch dieses Audit attestiert“, so Lisson.
Jahr dafür sorgen. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland       gungsunternehmen.                                                                                               turnusmäßigen Aktualisierung an eine Normrevision           Die Einführung eines Energiemanagementsystems
rund 3,2 Mrd. Euro in die Instandhaltung der An­lagen                                                                                                                         angepasst werden.                                        ist freiwillig und ermöglicht eine Entlastung bei der
und den Ausbau sowie die Erneuerung der Infrastruktur                                                                                                                            Matthias Lisson, leitender Auditor von der TENAG,     Strom- und Energiesteuer. Hessenwasser hat seit dem
investiert. Die Investitionssumme der öffent­lichen Was-                                                                                                                      hob lobend hervor, dass Energieeffizienz und Ener-       Basisjahr 2010 bis Ende 2019 insgesamt 53,37 Mio.
serversorgung macht damit rund 25 Prozent des Ge-                                                                                                                             giesparen Teil der Unternehmenskultur und auf einem      kWh Strom eingespart. Dies entspricht einem rech-
samtumsatzes der Branche aus. Mehr Informationen                                                                                                                              derart hohen Niveau sind, dass diese Dienstleistungen    nerischen Jahresstromverbrauch von ca. 20.000
unter www.wasserlaeuft.de.                                                                                                                                                  auch Dritten angeboten werden. „Das Management-          Haushalten.                                         

4                                                                                                INSIDE . OUT   Sommer . 2021                           Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                            5
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Meldung                                                                                                                                                                                                                            WASSER . Ressourcen

                  Nationaler Bürger*innen Dialog Wasser
                                                                                                                                        Die Situation der
                                                                                                                                        Grundwasserstände in Südhessen
                   Wie lässt sich unsere Lebens-          tieren und Empfehlungen abzuge-       wicklung der deutschen Wasser-
                   grundlage Wasser angesichts vieler     ben. Im Juni werden ausgewählte       wirtschaft sowie den Umgang mit
Weitere Infos      Herausforderungen wie Klimawan-        Bürgerbotschafter*innen einen         Wasser und Gewässern erarbeitet.
auf der Website
des BMU
                   del, Infrastrukturanpassung und        Ratschlag an die Bundesumwelt-        Die Empfehlungen reichen von            Auswirkungen der vergangenen drei Trocken- und Dürrejahre
                   Bevölkerungswachstum nachhaltig        ministerin übergeben.                 strategischen Ansätzen und neuen
                   schützen und sichern? Diese Frage         Der Nationale Bürger*innen Dia-    Finanzierungskonzepten für die
                   hat das Bundesministerium für          log ist ein weiterer Baustein der     Modernisierung der wasserwirt-          Das Jahr 2020 war nach dem Jahr
                   Umwelt, Naturschutz und nukleare       Erarbeitung einer Nationalen Was-     schaftlichen Infrastrukturen bis zu     2018 das zweitwärmste seit 1881
                   Sicherheit (BMU) allen Bürger*innen    serstrategie 2050, die das BMU mit    Vorschlägen zur Stärkung der            und das dritte zu trockene Jahr in
                   gestellt. Bei einer Online-Beteili-    unterschiedlichen Akteur*innen        ­Organisations- und Verwaltungs-        Folge. Die Presse titelt über die
                   gung konnte jede*r Meinungen und       erarbeitet. Bis Ende letzten Jahres    strukturen. Mit verbindlichen pla-     Jahre seit 2015 mit Schlagzeilen
                   Ideen zu den vier Themenfeldern        hat das BMU dazu den Nationalen        nerischen Instrumenten, einer          wie „Die schlimmste Dürre seit
                   Klimawandel, Wasserqualität,           Wasserdialog mit Fachleuten aus        ­Vorrangstellung der öffentlichen      2000 Jahren“, Bezug nehmend auf
                   ­Sensibilisierung und Finanzierung     Wissenschaft, Wirtschaft, Praxis,       Wasserversorgung und einer dem        eine Studie der Universität Cam-
                    ­einbringen oder Fragen stellen.      Verwaltung und Interessenvertre-        Verursacherprinzip folgenden          bridge, die Wachstumsringe von
                        Nach der allgemeinen Be­   tei­   tungen durchgeführt. Hierbei wur-       ­Minderung von Stoffeinträgen soll    Eichen aus Südost-Bayern und
                     ligung haben vier regionale          den die wesentlichen zukünftigen         der Schutz der Wasserressourcen      Tschechien untersucht hat.
                     Bürger*innen-Werkstätten und         Herausforderungen, Leitlinien so-        gestärkt werden. Außerdem muss          Dies trifft jedoch nicht auf das
                     eine Jugendwerkstatt ihre Arbeit     wie Ziele identifiziert. Außerdem        die Infrastruktur in der Wasser­     Grundwasser in Südhessen zu, das
                     aufgenommen, um die Ergebnisse       wurden Handlungsoptionen und             wirtschaft widerstandsfähig und      für unsere Wasserversorgung ent-
                     der Online-Beteiligung zu disku­     Aktionsfelder für die künftige Ent-      klimaneutral werden.               scheidend ist. Die Dürre der Studie
                                                                                                                                        wird ausschließlich über die Aus-
                                                                                                                                        wirkungen auf den Wald und damit
                                                                                                                                        die Vegetationsperiode definiert,
Spende aus Apfelsaftaktion                                                                                                              also das Sommerhalbjahr, in dem
                                                                                                                                        neben den Niederschlägen auch
für den NABU
                                                                                                                                        die infolge des Klimawandels sehr
Im Rahmen des Projekts „Grüner Gürtel Groß-Gerau“ bewirt-                                                                               hohen Sommertemperaturen der
schaftet Hessenwasser gemeinsam mit dem NABU (Naturschutz-                                                                              letzten Jahre eingehen. Die Studie
bund) Groß-Gerau lokale Streuobstwiesen. Der Anbau von Äpfeln,               TWIG – Asset-Management                                    aus Cambridge gibt damit wesent-
inklusive der Apfelsaftproduktion, ist Teil des Programms „Förde­                                                                       liche Hinweise auf die Ursachen
                                                                             in der Trinkwasserversorgung
rung des Ökolandbaus in unserer Region“. Der Apfelsaft wird in                                                                          der verheerenden Waldzustands-

                                                                                                                                                                                                                                                                     Bild: juergenmai.com
der Region hergestellt und abgefüllt und hinterlässt damit nur                                                                          verschlechterung seit 2015 überall
einen geringen CO2-Abdruck. Die ökologische Bewirtschaftung                                                                             in Deutschland, was damit keine
ehemals ungenutzter Flächen leistet einen wertvollen Beitrag für                                                                        lokale Besonderheit etwa im Hes-
Flora und Fauna sowie den Grundwasserschutz. Durch eine Mit-                                                                            sischen Ried darstellt.
arbeitenden-Aktion bei der Abgabe von Apfelsaft konnte Hes-                                                                                Für die Grundwasserneubildung      Ein technischer
                                                                                                                                                                              Sachbearbeiter
senwasser dem NABU eine Spende in Höhe von 300 Euro über-                                                                               ist, anders als für die Vegetation,   der Abteilung
reichen.                                                                   Wir haben unsere beliebte Reihe „Trinkwasser im Ge-        das Winterhalbjahr entscheidend,      Ressourcen­-      komplex und örtlich unterschied-     einer Quellschüttungsganglinie in
                                                                                                                                                                              mana­gement bei
                                                                             spräch“, kurz TWIG, in diesem Jahr digital fortgesetzt.    weil, von Ausnahmen abgesehen,        Hessenwasser
                                                                                                                                                                                                lich miteinander verknüpft. Zudem    flachen, wenig speicherfähigen
                                                                             Rund 70 Gäste haben die Vorträge unserer Referenten        die Grundwasserneubildung in          lotet den         unterscheiden sich Witterungs-       Grundwasserleitern der Mittelge-
                                                                                                                                                                              Grundwasser­
                                                                             Dieter Gredig, technischer Leiter der Stadtwerke Ober-     Deutschland außerhalb der Vege-                         ereignisse und so hochkomplexe       birge im Vergleich zu einer Grund-
                                                                                                                                                                              stand bei einer
                                                                             ursel (Taunus) GmbH, Dominik Nottarp-Heim, Abtei-          tationsperiode erfolgt. Daher ist     Grundwasser­      Vorgänge wie die Grundwasser-        wasserstandganglinie in einem tie-
                                                                             lungsleiter Asset-Management, und Helmut Richter,          2021 im Grundwasser in den Ge-        messstelle im     neubildung sowie die Dynamik der     fen und verzweigten Kluftgrund-
                                                                                                                                                                              Hessischen Ried
                                                                             Abteilungsleiter Planung und Bau (beide Hessen­            winnungsgebieten der Hessen-          aus.              Grundwasserstände je nach örtli-     wasserleiter oder einer Grundwas-
                                                                             wasser), interessiert verfolgt und so die Tradition des    wasser, anders als im Bodenwas-                         cher Lage und Naturgegebenhei-       serstandganglinie in einem spei-
                                                                             kollegialen Erfahrungsaustausches zu aktuellen             serhaushalt, weder eine außerge-                        ten erheblich.                       cherfähigen tiefen Grundwasser-
                                                                             ­Themen aus der Trinkwasserversorgung fortgesetzt.         wöhnliche Dürre erkennbar noch                             Allein die ungleichen Speicher-   leiter des Rhein-Main-Tieflands.
                                                                              Die Veranstaltung bot vielen räumlich entfernten          die schlechtesten je gemessenen                         fähigkeiten des Untergrunds führen   Hinzu kommen unterschiedliche
                                                                              Teilnehmer*innen die Möglichkeit zur Teilnahme, so-       Grundwasserstände.                                      bereits im witterungsbezogenen       Niederschlagsmengen und mehr
                                                                              dass wir planen, zukünftig zu ausgewählten Themen            Niederschlag und Grundwasser-                        „Normalzustand“ zu gravierenden      Abfluss des Niederschlags (Gebir-
                                                                              Veranstaltungen in hybrider Form anzubieten.            stände sind nicht einfach, sondern                      örtlichen Unterschieden im Verlauf   ge) oder geringer bis ört- 

6                                                                                                        INSIDE . OUT   Sommer . 2021   Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                         7
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Ressourcen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    WASSER . Ressourcen

                                                                                                                                                                                                                 Natürliche                                  DÜRRE                                                                                                       dem Grundwasserbewirtschaf-
                                                                                                                                                                                                                 Grundwasserstände                                                                                                                                       tungsplan (GWBPL) Hes­sisches
                                                                                                                                                                                                                                                             Dürre ist kein technisch normierter Begriff, daher erhält er in unterschiedlichen Zu-
                                                       Ganglinie unbeeinflusste GWM G50620                                                                                                                       Hessisches Ried: Die Niederschlä-           sammenhängen eine unterschiedliche Bedeutung und wird zweckgerichtet verwen-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Ried liegt. Dieser Grundwasserlei-
                                         mit Niederschlagsverteilung: Lysimeterstation Eschollbrücken                                                                                                                                                                                                                                                                    ter weist derzeit einen gut mittleren
                                                                                                                                                                                                                 ge des aktuellen Winterhalbjahres           det. Dürre ist zumeist ein Maß bezogen auf die Vegetationsperiode, also das Som-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Füllungsgrad auf.
                                                                                                                                                                                                                 haben aufgrund des tief ausge-              merhalbjahr. Hier gehen nicht nur die Niederschläge, sondern vor allem die infolge
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Mit Infiltration: Im Bereich
                      91,00                                                                                                   250                                                                                trockneten Bodens erst verspätet            des Klimawandels steigenden Sommertemperaturen ein.
                              Abweichung vom MW der Wasserwirtschaftsjahre ab 1965                                                                                                                                                                           Der Deutsche Wetterdienst (www.dwd.de) unterscheidet zwischen meteorologi-                                  Gernsheimer Wald (Wasserwerk
                                                                                                                                                                                                                 zu Grundwasserneubildung ge-
                                                                                                                             225

                                                                                                                                     Abweichung der Niederschlagssumme pro Halbjahr vom MW der WJ ab 1965 [mm]
                      90,00
                                   N-Winterhalbjahr [mm]
                                   N-Sommerhalbjahr [mm]
                                                                 Ganglinie G50620
                                                                Median 11/64 bis aktuell
                                                                                                                              200
                                                                                                                                                                                                                                                             scher Dürre (ein bis zwei Monate trockener als üblich), landwirtschaftlicher Dürre                          Allmendfeld) werden auch unter
                                                                                                                                                                                                                 führt und im Ried bislang zu einem
                      89,00
                                                                                                                             175
                                                                                                                                                                                                                                                             (zwei Monate und länger trocken, Ernteeinbußen), hydrologischer Dürre (ab vier Mo-                          erhöhter Förderung durch Mengen­
                                                                                           GOK                                150                                                                                Anstieg auf das langjährige Mittel
                                                                                                                             125                                                                                                                             naten, Grundwasser und Pegel betroffen) und sozioökonomischer Dürre (ab einem                               ausgleich über die Infiltration mitt-
                      88,00                                                                                                                                                                                      der Grundwasserstände. Ähnlich
                                                                                                                              100                                                                                                                            Jahr, Wassermangel bremst produzierende Wirtschaft).                                                        lere Grundwasserstände gemäß
                                                                                                                                                                                                                 war es bereits im Vorjahr. Der              Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (www.ufz.de)
                      87,00
                                                                                                                             75
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Richtwert GWBPL erreicht. Aktuell
                                                                                                                              50
                                                                                                                                                                                                                 Grundwasserspeicher im mittleren            bietet eine komplexe Definition bezogen auf den tagesaktuellen Bodenwasser­                                 liegt ein geringer Rückgang vor, der
    GW-Stand [NN+m]

                                                                                                                             25
                                                                                                                                                                                                                 Ried ist daher nahezu normal ge-
                      86,00

                                                                                                                              0                                                                                                                              haushalt im Vergleich zum langjährigen Mittel von 1951 –  2015. Danach wird erst                            auf die jährliche Infiltrationspause
                      85,00                                                                                                                                                                                      füllt. Lokale Abweichungen können           von Dürre gesprochen, wenn die aktuelle Bodenfeuchte unter das langjährige                                  bis Mitte Februar wegen der Revi-
                                                                                                                             -25

                                                                                                                              -50
                                                                                                                                                                                                                 sich im Einfluss von variablen Fließ-       20. Perzentil fällt, also den Wert, der nur in 20 % der Jahre in einer langen Zeitreihe
                      84,00
                                                                                                                             -75                                                                                                                                                                                                                                         sion des Wasserwerks Biebesheim
                                                                                                                                                                                                                 gewässerpegeln ergeben. Sehr                erreicht wird.
                                                                                                                              -100                                                                                                                                                                                                                                       zurückzuführen ist. Erkennbar ist,
                      83,00
                                                                                                                             -125                                                                                tiefe Grundwasserstände wie 1976
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         dass mit hochvariablen, an die
                      82,00
                                                                                                                              -150
                                                                                                                                                                                                                 oder 1993 werden und wurden in
                                                                                                                             -175                                                                                                                                                                                                                                        Grundwasserstände angepassten
                                                                                                                                                                                                                 den letzten Jahren nicht erreicht.
                      81,00                                                                                                   -200
                                                                                                                                                                                                                                                          geringmächtigen Grundwasser-                    liche Grundwasserneubildung und                                und in den letzten Jahren sehr
                                                                                                                             -225                                                                                Gründe hierfür sind, neben der ho-
                                                                                                                                                                                                                                                          speichers in dieser Mittelgebirgs-              die jahreszeitlich geringeren Ent-                             hohen Infiltrationsmengen die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         ­
                      80,00                                                                                                   -250
                                                                                                                                                                                                                 hen Speicherfähigkeit des Grund-
                                                                                                                                                                                                                                                          lage deutlich unter dem langjähri-              nahmen zu einem Wiederanstieg                                  Grundwasserstände in den Infiltra-
                              1965
                              1966
                              1967
                              1968
                              1969
                              1970
                              1971
                              1972
                              1973
                              1974
                              1975
                              1976
                              1977
                              1978
                              1979
                              1980
                              1981
                              1982
                              1983
                              1984
                              1985
                              1986
                              1987
                              1988
                              1989
                              1990
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                              1993
                              1994
                              1995
                              1996
                              1997
                              1998
                              1999
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                              2020
                              2021
                                                                                                                                                                                                                 wasserleiters, die auch seit 2015
                                                                                                                                                                                                                                                          gen Mittel und damit völlig anders              des Grundwasserstands geführt,                                 tionsbereichen dauerhaft um die
                                                                                                                                                                                                                 nur vereinzelt aufgetretenen und
     Abb. 1: Die Grafik zeigt die Grundwasserstände in einer Messstelle bei Crumstadt im mittleren                                                                                                                                                        als im Hessischen Ried oder im                  der aktuell über dem Richtwert                                 Richtwerte des Bewirtschaftungs-
     ­Hessischen Ried als blaue Perlenschnur. Sie ist unbeeinflusst von Entnahmen sowie Infiltrationen und                                                                                                       nur mäßig defizitären Winterhalb-
      stellt damit die natürliche Entwicklung dar. Die mittige hellrote Linie markiert das langjährige Mittel                                                                                                                                             Stadtwald Frankfurt. Die Trocken-               mittlerer Grundwasserstände nach                               plans stabilisiert werden. 
                                                                                                                                                                                                                 jahre.
      der Grundwasserstände und der Niederschläge. Die Niederschlagsabweichung der hydrologischen                                                                                                                                                         heit der letzten Jahre zeigt auch
      Halbjahre zum langjährigen Durchschnitt zeigen die hellblauen (Winter) und orangefarbenen Säulen                                                                                                               Tiefe Grundwasserstände wie in
      (Sommer). Zeigt die Säule nach oben, so war das Halbjahr nasser, zeigt die Säule nach unten, war es
                                                                                                                                                                                                                                                          hier keinen Einfluss auf die minima-
                                                                                                                                                                                                                 den Jahren 1990  – 1993 ergeben
      trockener als das langjährige Mittel. Das Winterhalbjahr 2020/21 liegt mit den getroffenen Annahmen                                                                                                                                                 len Grundwasserschüttungen im
      für einen mittleren April hier nahe an der Mittellinie.                                                                                                                                                    sich erst nach einer Abfolge meh-
                                                                                                                                                                                                                                                          Herbst, zeigt sich aber in einem
                                                                                                                                                                                                                 rerer defizitärer Winter- sowie zu-
                                                                                                                                                                                                                 sätzlich trockener Sommerhalb­
                                                                                                                                                                                                                                                          früheren Rückgang im Frühling und                                                  Quellschüttungsverläufe Spessartquellen 2021
                                                                                                                                                                                                                                                          Sommer und einem späteren An-                                                                        Trockenjahre 2004 und 2018 – 2020
                                                                                                                                                                                                                 jahre. Die Trockenheit der letzten
                                                                                                                                                                                                                                                          stieg erst im Januar.
                                                                                                                                                                                                                 Jahre resultiert jedoch mit Ausnah-
                                                lich fast kein Oberflächenabfluss                leren Ried auf 99 % des langjähri-
                                                                                                                                                                                                                 me des Winterhalbjahres 2016/17          Bewirtschaftete Grund­                              23.000
                                                (Tiefland) sowie eine nach Ort, Ve-              gen Mittels. Der März wird, wie der
                                                                                                                                                                                                                 ausschließlich aus trockenen und         wasserstände am Beispiel                            22.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2021
                                                getation und Jahreszeit variable                 November, wieder zu trocken aus-                                                                                                                                                                             21.000

                                                                                                                                                                                                                 heißen Sommerhalbjahren, die für         Hessisches Ried                                     20.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              2018
                                                Verdunstung. Der „Dürremonitor“,                 fallen. Aktuellere Daten lagen zum                                                                                                                                                                           19.000
                                                                                                                                                                                                                 die Grundwasserneubildung kaum
                                                bezogen auf den relativen Bo­                    Redaktionsschluss nicht vor. Geht                                                                                                                        Ohne Infiltration: Im südhes­                       18.000

                                                                                                                                                                                                                 relevant sind.                                                                               17.000
                                                denwasserhaushalt, ist nicht mit                 man von mittleren Niederschlägen                                                                                                                         sischen Leitungsverbund erfolgt                     16.000
                                                                                                                                                                                                                     Mittelgebirgsregion (Spessart):
                                                Grundwasserständen gleichzuset-                  im April aus, werden sie sich wahr-                                                                                                                      eine übergreifende Grundwasser-                     15.000

                                                                                                                                                                                                                 Anders stellt sich die Situation in                                                          14.000
                                                zen. Er gibt aber wichtige Hinweise              scheinlich in Summe für das ge-                                                                                                                          bewirtschaftung mit einem Men­                      13.000
                                                                                                                                                                                                                 den Mittelgebirgslagen dar. Die fla-
                                                zur Prognose der künftigen Grund-                samte Winterhalbjahr etwa um den                                                                                                                         gen­ausgleich zwischen nicht infil-                 12.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Prognose
                                                                                                                                                                                                                 chen Quellen reagieren aufgrund                                                              11.000
                                                wasserneubildung. Daher sind die                 langjährigen Mittelwert bewegen.                                                                                                                         trationsgestützten Wasserwerken                     10.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2020

                                                                                                                                                                                                                 der geringen Speicherfähigkeit des                                                                          2004
                                                Grundwasserstände und deren                      Insofern besteht weiter keine Klar-                                                                                                                      und solchen mit Infiltration. Da-                    9.000

                                                                                                                                                                                                                 Untergrunds und der geringen                                                                  8.000
                                                Einflussgrößen örtlich differenziert             heit darüber, ob die teilweise seit                                                                                                                      durch werden die Grundwasser-                        7.000
                                                                                                                                                                                                                 Grundwasserflurabstände mit ihrer
                                                zu messen und zu bewerten.                       2015 bzw. im Ried seit 2018 an­                                                                                                                          stände und die Versorgungssicher-                    6.000

                                                                                                                                                                                                                 Schüttung rascher und stark vari-                                                             5.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      2019
                                                                                                 haltende Trockenperiode beendet                                                                                                                          heit optimiert.                                      4.000
                                                Witterungsbedingte Einflüsse                                                                                                                                     abel auf das kurzzeitig wechselnde
                                                                                                 ist. Aufgrund des aufsummierten                                                                                                                             Im Bereich des Wasserwerks                        3.000

                                                                                                                                                                                                                 Niederschlagsgeschehen, auch im                                                               2.000
                                                Die Niederschläge im hydrologi-                  ­Niederschlagsdefizits der vergan-                                                                                                                       Dornheim erfolgen auch Entnah-                       1.000
                                                                                                                                                                                                                 Sommerhalbjahr. Aktuell (Stand                                                                    0
                                                schen Winterhalbjahr 2020/21 (No-                genen Jahre bedarf es dazu einer                                                                                                                         men für die landwirtschaftliche

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       1.1

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     1.2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               1.3

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         1.4

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   1.5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           1.6

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  1.7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          1.8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 1.9

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         1.10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 1.11

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        1.12
                                                                                                                                                                                                                 Ende März) liegt die Schüttung
                                                vember – April) waren im Dezember                 längeren und stärker feuchten                                                                                                                           ­Beregnung vor allem im Sommer-
                                                                                                                                                                                                                 ­tiefer als im Vorjahr 2020, jedoch                                                          Abb. 2: Dieses Bild zeigt als Quellschüttung die natürlichen Grundwasserstände im Spessart – bei­
                                                und Januar deutlich überdurch-                    ­Periode. Hinsichtlich der Tempera-                                                                                                                      halbjahr. Im Herbst 2020 erreichten                spielhaft für viele Mittelgebirgslagen. Deutlich ist der typische Verlauf mit einer schnellen und deutlichen
                                                                                                                                                                                                                  höher als 2019. Gemessen an der
                                                schnittlich. Bis Ende Februar                      turen wird das Winterhalbjahr vor-                                                                                                                      die Grundwasserstände hier ein                     Reaktion auf die Niederschlagsereignisse zu erkennen. Ein Rückgang auf im Herbst ca. 6.000 m³/d ist
                                                                                                                                                                                                                  möglichen Bandbreite liegt der                                                              ein ganz normaler Jahresgang, in Trockenjahren bis auf 2.000 m³/d (geringe Speicherfähigkeit des
                                                ­addierten sie sich im Frankfurter                 aussichtlich erneut leicht zu warm                                                                                                                      jährliches Minimum ähnlich wie                     Untergrunds).
                                                                                                                                                                                                                  ­jahreszeitliche Füllungsgrad des
                                                 Stadtwald auf 123 % und im mitt-                  ausfallen.                                                                                                                                              2019. Seitdem haben die winter­

8                                                                                                                                                                                                                         INSIDE . OUT    Sommer . 2021   Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                                                         9
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Ressourcen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       WASSER . Ressourcen

                                                                                                                                                                                                                Die Trockenheit der letzten Jahre                                                                              2021 keine dargebotsseitigen Eng-       liche Beregnung. Darüber hinaus       Autor
                                                                                                                                                                                                                hat hier keinen Einfluss auf die                                                                               pässe zu erwarten. Das folgt aus        wurde mit der Reaktivierung des
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Volker Manger
                                                                             WW Dornheim Ganglinie 527254                                                                                                       Grundwasserstände, sondern wird                                                                                aktuell ausreichend günstigen           Wasserwerks Hattersheim ein wei-                           leitet seit 2002 den Bereich Ressourcen­
                                                                                                                                                                                                                durch Infiltration kompensiert.                                                                                Grundwasserständen in den spei-         terer Baustein zur Versorgungssi-                          management der Hessenwasser. Er ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               cherfähigen Grundwasserleitern          cherheit gesetzt.                                          damit zuständig für das Grundwasser-
                             88,00                                                                                                                                                        88,00                 Ausblick                                                                                                                                                                                                          stands­monitoring und die Bewirtschaf-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               der Rhein- und Untermainebene              Das System des Integrierten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  tung aller Gewinnungs-, Bezugs- und
                             87,00                                                                                                                                                        87,00                 Ob das Ende einer mehrjährigen                                                                                 sowie aus der Grundwasseranrei-         Wasserressourcen-Managements
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Infiltrationsanlagen der Hessenwasser.
                                                                                                                                                                                                                Trockenperiode für das Grundwas-                                                                               cherung über Infiltration. Anders als   im Leitungsverbund erfüllt das Ziel
                             86,00                                                                                                                                                        86,00
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Die besonderen Bedingungen der
                                     GOK
                                                                                                                                                                                                                ser erreicht wird, lässt die bisheri-                                                                          in früheren Trockenperioden be-         eines gesicherten Dargebots, auch                          Wassergewinnung im Hessischen Ried
                             85,00                                                                                                                                                        85,00                 ge Entwicklung weiter offen. Dazu                                                                              steht heute durch die Brauchwas-        in Trockenperioden. Es werden die                          kennt er, seit er 1989 bei der Südhes­
                                                                                                                                                                                                                wäre ein sehr nasses Winterhalb-                                                                               serinfiltration von bis zu 38 Mio. m³   wasserrechtlich zulässigen Grund-                          sischen Gas- und Wasserversorgung
   Grundwasserstand [NN+m]

                             84,00                                                                                                                                                        84,00
                                                                                                                                                                                                                jahr erforderlich gewesen. Ob 2021                                                                             im Ried und bis zu 5 Mio. m³ im         wasserstände eingehalten und so                            anfing.

                             83,00                                                                                                                                                        83,00                 ein weiteres Trockenjahr wird,                                                                                 Stadtwald ein sicheres, ausrei-         auch die in Verfahren geprüften,
                                     Richtwert
                                                                                                                                                                                                                bleibt ebenfalls offen, das wird die                                                                           chendes Grundwasserdargebot.            ökologisch verträglichen Grund-
                             82,00                                                                                                                                                        82,00
                                     unterer Grenzgrundwasserstand                                                                                                                                              Witterung des Sommerhalbjahres                                                                                 Im Frankfurter Stadtwald stellt die     wasserstände. Damit dies auch
                             81,00                                                                                                                                                        81,00                 zeigen. Doch sogar nach einem                                                                                  Mainwasseraufbereitungsanlage           zukünftig so bleibt, sind wir aber
                                                                                                                                                                                                                möglichen kühl-nassen Sommer                                                                                   auch Brauchwasser zur direkten          alle weiterhin zu einem sorgsamen
                             80,00                                                                                                                                                        80,00
                                                                                                                                                                                                                2021 könnte noch kein Ende der                                                                                 Verwendung bereit und das WW            Umgang mit unserem Wasser auf-
                             79,00                                                                                                                                                        79,00                 Trockenperiode erreicht werden.                                                                                Biebesheim für die landwirtschaft-      gerufen.                       
                                                                                                                                                                                                                Hierzu wäre eine längere Nasspha-
                             78,00                                                                                                                                                        78,00
                                                                                                                                                                                                                se auch im kommenden Winter-
                                     1965
                                     1966
                                     1967
                                     1968
                                     1969
                                     1970
                                     1971
                                     1972
                                     1973
                                     1974
                                     1975
                                     1976
                                     1977
                                     1978
                                     1979
                                     1980
                                     1981
                                     1982
                                     1983
                                     1984
                                     1985
                                     1986
                                     1987
                                     1988
                                     1989
                                     1990
                                     1991
                                     1992
                                     1993
                                     1994
                                     1995
                                     1996
                                     1997
                                     1998
                                     1999
                                     2000
                                     2001
                                     2002
                                     2003
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                                     2019
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                                     2021
                                                                                                                                                                                                                halbjahr notwendig.
       Abb. 3: Die blaue Kurve – die Grundwasserstandsganglinie im Bereich des Wasserwerks Dornheim –                                                                                                             Gleichwohl sind für den von Hes-
       zeigt eine nicht infiltrationsgestützte Grundwasserstandsentwicklung.
                                                                                                                                                                                                                senwasser versorgten Teil des süd-
                                                                                                                                                                                                                hessischen Leitungsverbunds

                                                                                              Grundwassermessstelle Allmendfeld Nr. G50580
                                                                   mit Infiltrationsmengen; Bereich Gernsheimer Wald sowie Entnahme des WW Allmendfeld

                             95,00                                                                                                                                                                                      18
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Abb. 4:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Bau einer weiteren Infiltrationsanlage
                             94,00
                                                   Ganglinie des Grundwasserstandes
                                                   Infiltration Gernsheimer Wald                                                                      Jahresentnahme WW Allmendfeld                                                                                                                  Die Grundwasser-                                                                            bei Eschollbrücken
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     standsganglinie
                                                                                                                                                                                                                              Infiltrationsmenge [100.000 m³/Monat] bzw. Entnahmemenge [Mio. m³/a]

                                                   Jahresentnahme WW Allmendfeld
                                                                                                                                                                                                                        16
                             93,00                                                                                                                                                                                                                                                                   aus dem Infiltrati-
                                       Geländeoberkante                                                                                                                                                                                                                                              onsbereich Gerns-
                             92,00
                                                                                                                                                                                                                        14
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     heimer Wald (WW
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Allmendfeld): Die
                             91,00
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     blaue Perlenschnur
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     zeigt die Grundwas-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Unweit des Wasserwerks Eschollbrücken entstehen derzeit
                             90,00                                                                                                                                                                                      12
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     serstände, hellblau                                                                         zwei Infiltrationsanlagen, sogenannte Sickerschlitzgräben.
                                                                                                                                Abschaltwert                                                                                                                                                         hinterlegt ist die
 Grundwasserstand [NN+m]

                             89,00
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Diese sind jeweils 75 m lang, 1,50 m breit und knapp 7 m tief.
                                                                                                                                                                                                                        10                                                                           Schwankungsbreite
                             88,00                                                                                              Richtwert                                                                                                                                                            gemäß Grund­                                                                                In rund einem Jahr wird hierüber Brauchwasser in den Un-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     wasserbewirtschaf-                                                                          tergrund versickert. Die Bauwerke werden nur wenig aus
                             87,00                                                                                              abgeleiteter unterer Grundwasserstand
                                                                                                                                                                                                                        8                                                                            tungsplan. Rote
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Linien markieren die                                                                        dem Gelände hervortreten.
                             86,00
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     wasserrechtlichen                                                                           Das Infiltrationswasser wird über eine neu zu verlegende
                             85,00                                                                                                                                                                                      6                                                                            Grundwasser-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     standsvorgaben.                                                                             Leitung mit 40 cm Durchmesser herangeführt, die in knapp
                             84,00                                                                                                                                                                                                                                                                   Grüne Säulen                                                                                500 m Entfernung an das Brauchwassernetz des WHR an-
                                                                                                                                                                                                                        4                                                                            zeigen die Infiltrati-
                             83,00
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     onsmengen im
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 geschlossen wird. Die Bewirtschaftung des Grundwassers
                             82,00                                                                                                                                                                                                                                                                   Gernsheimer Wald.                                                                           durch die Infiltration von Rheinwasser, das in der Anlage in
                                                                                                                                                                                                                        2                                                                            Die obere blaue                                                                             Biebesheim zu Trinkwasserqualität aufbereitet wird, ist eine
                             81,00                                                                                                                                                                                                                                                                   Linie zeigt die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Fördermenge.                                                                                wichtige Grundlage für eine nachhaltige und klimafeste Was-
                             80,00                                                                                                                                                                                      0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 sergewinnung im Hessischen Ried.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Insgesamt betreibt der WHR derzeit 55 Infiltrationsorgane
                                     2000

                                                 2001

                                                          2002

                                                                    2003

                                                                              2004

                                                                                      2005

                                                                                             2006

                                                                                                    2007

                                                                                                           2008

                                                                                                                  2009

                                                                                                                         2010

                                                                                                                                 2011

                                                                                                                                        2012

                                                                                                                                               2013

                                                                                                                                                       2014

                                                                                                                                                              2015

                                                                                                                                                                     2016

                                                                                                                                                                            2017

                                                                                                                                                                                   2018

                                                                                                                                                                                                  2019

                                                                                                                                                                                                         2020

                                                                                                                                                                                                                 2021

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 mit zusammen rund 230 einzelnen Bauwerken. Dies sind
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Kiesbohrlöcher, Schluckbrunnen, Sickerbecken, Sicker-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 schlitzgräben und natürliche Gräben. Im vergangenen Jahr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Bild: Markus Baader

10                                                                                                                                                                                                                          INSIDE . OUT                                                                       Sommer . 2021   Sommer . 2021         INSIDE . OUT                                wurden über diese Anlagen rund 26,9 Mio. m³ Brauchwas-                 11
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ser für die Grundwasserbewirtschaftung im Ried versickert.
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
§
WASSER . Recht                                                                                                                                                                                                                                                                  WASSER . Rubrik

Sicherstellung der öffentlichen

                                                                                                                                                                                                         §
Wasserversorgung in klimatisch
bedingten Ausnahmesituationen
Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeiten
und Handlungsspielräume

             I.	Rechtliche Grundlagen der
                 ­Verantwortungsverteilung in der
                  öffentlichen Wasserversorgung
             1.	Wasserversorgung als Aufgabe der
                  kommunalen Daseinsvorsorge
             Die öffentliche Wasserversorgung unterfällt als Auf-

                                                                                              Bild: © Janis Smits / Adobe Stock
             gabe der Daseinsvorsorge dem verfassungsrechtli-
             chen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung nach
             Art. 28 Abs. 2 GG. Sie umfasst inhaltlich den Gesamt-
             prozess der Gewinnung von Rohwasser, der Aufbe-
             reitung und der Verteilung an den Endkunden, unab-
             hängig davon, ob die Gemeinde eine vollständige
             Eigenversorgung betreibt oder einem interkommuna-
             len Verbund angeschlossen ist. Diese grundsätzliche
             Einordnung wird im Wasserhaushaltsgesetz des Bun-           die vorherrschenden gesundheitlichen und zivilisato-                                    Gewässer nach geltendem Wasserhaushaltsrecht.                  Der aus den 1990er-Jahren überkommene Grund-
             des nochmals einfachgesetzlich bestätigt.                   rischen Standards sowie gesellschaftlichen Anschau-                                     Verantwortlich ist nach Art. 83 GG die staatliche           satz der vorrangigen Deckung des Wasserbedarfs der
                Im Hessischen Landeswasserrecht wird die Zustän-         ungen für die Konkretisierung heranzuziehen sein.                                       ­Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes.                    öffentlichen Wasserversorgung aus ortsnahen Vor-
             digkeit für die öffentliche Wasserversorgung ausdrück-      Auf­grund der Leitungsgebundenheit der Versorgung                                            Zur Umsetzung der bewirtschaftungsrechtlichen          kommen nach § 50 Abs. 2 WHG steht in seiner Funk-
             lich den Gemeinden als Pflichtaufgabe der Selbstver-        fallen möglicherweise sachlich berechtigte Differen-                                     Sicherung der Trinkwasserversorgung stellt das             tion als flankierendes Instrument des flächendecken-
             waltung zugewiesen, gleichzeitig aber auch die Über-        zierungen zwischen verschiedenen Nutzungsarten                                           ­Wasserhaushaltsgesetz ein umfängliches Instrumen-         den Grundwasserschutzes angesichts anspruchsvol-
             tragung auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen und         des bereitgestellten Trinkwassers schwerer als bei-                                       tarium zur Verfügung. Im Vordergrund steht die haus-      ler ökologischer Standards des europäischen Gewäs-
             private Dritte unter einschränkenden Voraussetzungen        spielsweise im Fall rein finanzieller staatlicher Leistun-                                hälterische Bewirtschaftung des natürlichen Wasser-       serschutzrechts zunehmend infrage. In Zeiten des
             zugelassen. Eine vollständige Entäußerung der Ver-          gen wie im Sozialrecht.                                                                   dargebots in qualitativer und quantitativer Hinsicht,     klimatischen und auch demografischen Wandels
             pflichtung i. S. einer materiellen Privatisierung (Aufga-      Zum interimistischen Konzept für die Konkretisie-                                      insbesondere durch die Moderation miteinander kon-        kommt damit zumal in urbanen Ballungsgebieten der
             benprivatisierung) ist rechtlich jedoch nicht möglich.      rung der Gewährleistungsverantwortung jenseits ge-                                        kurrierender Nutzungsinteressen durch die behörd-         Ausnahmeklausel wachsende Bedeutung zu.
                Die so verpflichteten Gemeinden tragen ungeachtet        setzlicher Bestimmungen können planerische Instru-                                        liche Zulassung von Gewässerbenutzungen nach den             Das Zulassungsregime des Wasserhaushaltsgeset-
             der tatsächlich gewählten organisatorischen Struktu-        mente der Selbstverwaltung dienen. Diese sind in                                          §§ 8 ff. WHG.                                             zes ist durch ein differenziertes Instrumentarium ge-
             ren der Aufgabenwahrnehmung eine rechtliche Ge-             Hessen derzeit jedoch nicht gesetzlich fixiert; die                                          Das Wasserhaushaltsgesetz ist allgemein dem            kennzeichnet, das für Zwecke der öffentlichen Was-
             währleistungsverantwortung für die öffentliche Was-         stattdessen im Rahmen des Leitbildprozesses für das                                       Grundsatz des Vorrangs der öffentlichen Wasserver-        serversorgung insbesondere das Institut der Bewilli-
             serversorgung. Diese folgt verfassungsrechtlich vor         Integrierte Wasserressourcen-Management im Rhein-                                         sorgung verpflichtet. Die zudem auch verfassungs-         gung vorsieht. Im Einzelnen wird die Unterscheidung
             allem aus dem Sozialstaatsprinzip, dem Umwelt-              Main-Gebiet angestoßenen informellen kommunalen                                           rechtlich hervorgehobene hohe Bedeutung der öffent-       zwischen den verschiedenen Zulassungsformen durch
             staatsprinzip und den Grundrechten, insbesondere            Wasserkonzepte sind nicht geeignet, den Gemeinden                                         lichen Trinkwasserversorgung ist bei Auslegung und        das Gesetz selbst vorgegeben und unterliegt nicht
             aus der aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden staatlichen          rechtlich bindende Verpflichtungen aufzuerlegen. Zu-                                      Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften wie        einem Auswahlermessen der Wasserbehörde, sodass
             Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrt-         dem verfügen sie bislang auch über eine nur begrenz-                                      auch bei der Betätigung des wasserbehördlichen            etwa eine kategorische Ignorierung der Bewilligung
             heit.                                                       te inhaltliche Steuerungskraft.                                                           ­Bewirtschaftungsermessens zu beachten.                   als Zulassungsform gegen den verfassungsrechtli-
                Nähere Aussagen zum Inhalt dieser Gewährleis-                                                                                                         Spezifische wasserhaushaltsgesetzliche Bestimmun-      chen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
                                                                         2. Öffentliche Wasserversorgung in der
             tungsverantwortung trifft das geltende Recht nicht.                                                                                                    gen enthalten vor allem das Prinzip der ortsnahen Was-   verstoßen würde.
                                                                            staatlichen Gewässerbewirtschaftung
             Die verfassungsrechtlichen Grundlagen deuten zwar                                                                                                      serversorgung als der Ausnahme zugängliche Regel-           Die Zulassung einer Gewässerbenutzung steht un-
             in die Richtung lediglich einer lebensnotwendigen Min-      Die Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung                                            vermutung und die Möglichkeit der grundrechtsein-        ter dem Vorbehalt zahlreicher, den Bedürfnissen des
             destversorgung, doch werden darüber hinaus auch             zählt zu den zentralen Zielen der Bewirtschaftung der                                      schränkenden Festsetzung von Wasserschutzgebieten.       jeweiligen Einzelfalls anzupassender Be- 

12                                                                                                                                INSIDE . OUT   Sommer . 2021   Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                13
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Recht                                                                                                                                                                                                                                                                    WASSER . Recht

              schränkbarkeiten, die von der weiteren inhaltlichen                                                                                                nalen Zusammenarbeit zu Verfügung. Bei der Ent-           hörde in wasserwirtschaftlichen Spitzenlastsituatio-
              Spezifizierung bis zur späteren Aufhebung rei-                                                                                                     scheidung über eine entsprechende Kooperation ver-        nen gezielte Maßnahmen ergreifen kann. Zudem sind
              chen.                                                                                                                                              fügt die betreffende Gemeinde über einen Ermessens-       die wasserrechtlichen Zulassungen unter nach ihrer
                  Zur praktischen Durchsetzung des                                                                                                               spielraum, der sich aber nach den allgemeinen ver-        Rechtsform differenzierten Voraussetzungen wider-
              Wasserrechts stehen schließlich                                                                                                                    waltungsrechtlichen Maßstäben für die Ermessensre-        ruflich.
              repressive sonderordnungs-                                                                                                                         duzierung auf null auch zu einer Rechtspflicht verdich-      Repressive Eingriffe der Wasserbehörde zur Gefah-
              rechtliche Befugnisse zur                                                                                                                          ten kann.                                                 renabwehr sind insbesondere auf der Grundlage der
              Verfügung, die insbe-                                                                                                                                 Als ultima ratio enthält § 8 Abs. 2 WHG eine Aus-      wasserhaushaltsgesetzlichen Generalklausel möglich.
              sondere auch bei der                                                                                                                               nahmebestimmung, die für Fälle gemeiner Not die           Sie ermöglicht auch bei möglichen Beeinträchtigungen
              Überwachung gesetz-                                                                                                                                Inanspruchnahme eines Gewässers, wie etwa in der          infolge einer erlaubnisfreien Gewässerbenutzung ein
              lich zulassungsfrei                                                                                                                                Form der Entnahme von Wasser zu Zwecken der öf-           zielgerichtetes Eingreifen zur Vermeidung oder Wie-
              gestellter Einwir­                                                                                                                                 fentlichen Trinkwasserversorgung, auch ohne (zurei-       derherstellung ordnungsgemäßer wasserwirtschaft-
              kungen auf die                                                                                                                                     chende) wasserbehördliche Zulassung erlaubt. Eine         licher Zustände.
              ­Gewässer für eine                                                                                                                                 dauerhafte Reserveklausel für regelmäßig wiederkeh-          Das kooperative Zusammenwirken der versorgungs-
               ordnungsgemäße                                                                                                                                    rende außergewöhnliche Belastungen ist die Norm           pflichtigen Kommunen und der bewirtschaftungs-
               Bewirtschaftung der                                                                            Nicht aller-                                       nicht.                                                    pflichtigen Wasserbehörden kann so in Spitzenlastsi-
               Gewässer von beson-                                                                          dings sind                                              Die Handhabung der auch in Ausnahmesituationen         tuationen auf ein umfängliches rechtliches Instrumen-
               derer Bedeutung sind.                                                                        derzeit für die                                      gewährleisteten Versorgungssicherheit durch die Ge-       tarium zugreifen, das vielfach zureichende rechtliche
                  Insgesamt ist die öffent-                                                                 Ve r s o r g u n g                                   meinden unterliegt zunächst der Rechtskontrolle           Grundlagen für eine angemessene Reaktion zur Si-
               lich-rechtliche Sorge für die                                                               mit Trinkwas-                                         durch die Kommunalaufsicht des Landes, die sich           cherung der Versorgung der Bevölkerung mit Trink-
             ­öffentliche Trinkwasserversorgung                                                           ser im Gefah-                                          zwar nicht auf die inhaltliche Art und Weise der Auf-     wasser bereitstellt.
               rechtlich in der Form eines kooperativen                                                  renfall konkrete                                        gabenwahrnehmung erstreckt, aber bei Ausfall der             Soweit naturwissenschaftlich belastbare Erkennt-
               Zusammenwirkens der verschiedenen                                                       Ausnahmeszena­                                            Versorgung ursächliche rechtliche Defizite beanstan-      nisse über die Prognostizierung von Dargebots- und
               Verwaltungsträger der versorgungspflichtigen                                         rien und Prognose-                                           den kann.                                                 Nutzungskapazitäten bestehen, könnten diese auch
               Kommunen einerseits und des bewirtschaftungs-                                    maßstäbe kodifiziert, wie                                           Darüber hinaus kann eine mit der Aufgabenwahr-         als gesetzliche Maßstäbe für die vorsorgende Planung
               pflichtigen Landes andererseits ausgestaltet. Dabei                        sie beispielsweise im Recht des                                        nehmung überforderte Gemeinde aufsichtsrechtlich          der beteiligten Hoheitsträger kodifiziert werden.
               ist die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung bei    Hochwasserschutzes, etwa durch die Einführung ge-                                           zur Kooperation gezwungen werden, soweit ein zurei-          Das geltende Recht enthält keine Grundlage für die
               Wahrnehmung ihrer Aufgabe dem gesetzlichen Ziel       setzlicher Bemessungshochwässer, Vorsorgepflich-                                            chendes öffentliches Interesse besteht. Ausdrückliche     Ausrufung eines „Wassernotstands“, weder als ledig-
               der Gewährleistung der öffentlichen Wasserver­        ten und Handlungsgebote, -verbote und -beschrän-                                            Regelungen hierzu treffen in Hessen § 13 KGG und­         lich symbolisches Signal noch gar als eigenständige
               sorgung und damit zugleich den mit dieser Aufgabe     kungen, schon seit geraumer Zeit bestehen.                                                  § 5 MetropolG.                                            Rechtfertigung weitergehender staatlicher oder kom-
               betrauten Gemeinden verpflichtet.                                                                                                                    Dagegen kommt die rechtliche Option einer Pflicht-     munaler Befugnisse zum Eingriff in grundrechtsge-
                                                                     2. Handlungsrahmen der Gemeinden
                                                                                                                                                                 mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband          schützte Positionen.
                                                                     Der klimatische Wandel und die daraus resultierenden                                        in den hier maßgeblichen Konstellationen regelmäßig          Grundsätzlich denkbar und unter Berücksichtigung
             II 	Aufgabenwahrnehmung in                             Gefährdungen der Sicherheit der öffentlichen Trink-                                         nur im einzelnen Ausnahmefall in Betracht, könnte al-     der grundsätzlichen Rechtsprechung des Bundesver-
                  Spitzenlastsituationen                             wasserversorgung verpflichten die versorgungspflich-                                        lerdings bei Bedarf de lege ferenda im Landesausfüh-      fassungsgerichts zu Art. 28 Abs. 2 GG ist schließlich
                                                                     tigen Gemeinden zu einer angepassten Bedarfs­                                               rungsrecht zum Wasserverbandsrecht auch in breite-        auch eine organisationsrechtliche Aufgabenverlage-
             1. Versorgungssicherheit im Ausnahmefall
                                                                     planung, die auch für die Fälle temporär reduzierter                                        rem Umfang nachgetragen werden.                           rung im inneren Bereich der kommunalen Selbstver-
             In wasserwirtschaftlichen Spitzenlastsituationen, vor   Ressourcen und gesteigerter Nachfrage vorzusorgen                                                                                                     waltung auf typischerweise leistungsfähigere überört-
                                                                                                                                                                 3. 	Handlungsrahmen der staatlichen
             allem infolge klimatisch bedingt zunehmender som-       hat, indem entsprechende Entnahmemengen bei an-                                                                                                       liche Verwaltungsträger, wenn anders eine ordnungs-
                                                                                                                                                                     Wasserwirtschaftsverwaltung
             merlicher Hitze- und Trockenperioden, ist die Versor-   stehenden Zulassungsverfahren, aber auch durch                                                                                                        gemäße Aufgabenwahrnehmung auch in Ausnahme-
             gungssicherheit auch rechtlich in besonderer Weise      Antrag auf Erweiterung bereits erteilter Wasserrechte                                       Die Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung      situationen nicht sichergestellt werden kann.     
             herausgefordert. Da das heute geltende Wasserrecht      anzupassen sind.                                                                            in Spitzenlastsituationen ist zugleich Bestandteil der
             maßgeblich unter dem Eindruck seiner Entstehung            Nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht sind die                                            Bewirtschaftungspflicht der staatlichen Wasserwirt-
             und jahrzehntelangen Fortentwicklung in wasserrei-      Gemeinden grundsätzlich berechtigt, auf verord-                                             schaftsverwaltung. Bereits bei der Erteilung wasser-                        Autor
             chen Zeiten steht, fehlen ganz weitgehend ausdrück-     nungsrechtlicher Grundlage Beschränkungen und                                               rechtlicher Benutzungszulassungen sind mögliche
                                                                                                                                                                                                                                                                 Professor Dr. Michael Reinhardt, LL.M.
             lich geregelte spezifische Maßstäbe und Instrumente     Verbote zum Schutz der Trinkwasserressourcen in                                             Interessenkollisionen in klimatisch bedingten Ausnah-
                                                                                                                                                                                                                                                                 (Cantab.), habilitierte am Lehrstuhl für
             zum Vorgehen in derartigen Ausnahmekonstellatio-        Spitzenlastsituationen anzuordnen. Die Gefahrenab-                                          mekonstellationen durch entsprechende Gewährung                                                 Öffentliches Recht an der Universität
             nen.                                                    wehrverordnungen bedürfen als Eingriffe in die grund-                                       von Entnahmemengen für Versorgungszwecke und                                                    Trier. Er ist seit 2006 Direktor des
                Die damit adressierte Funktion des Wasserrechts      rechtlich geschützte Sphäre der Bürger der zureichen-                                       geeignete Einschränkungen für miteinander konkur-                                               Instituts für Deutsches und Europäisches
             als Teil auch des Rechts der Gefahrenabwehr löst aber   den materiellen Rechtfertigung im einzelnen Fall.                                           rierende Nutzungen zu moderieren.                                                               Wasserwirtschaftsrecht. Er ist Heraus­
                                                                                                                                  Grafik: © alluranet / iStock

                                                                                                                                                                                                                                                                 geber unter anderem von Kommentaren
             rechtsmethodische Mechanismen aus, die den Um-             Übersteigt die Aufgabe der uneingeschränkten Ge-                                            Bereits bestehende wasserrechtliche Erlaubnisse
                                                                                                                                                                                                                                                                 zum Wasserhaushaltsgesetz (WHG),
             gang der Wasserversorger und der Wasserbehörden         währleistung der öffentlichen Trinkwasserversorgung                                         und Bewilligungen stehen unter dem gesetzlichen Vor-
                                                                                                                                                                                                                                                                 Wasserverbandsgesetz (WVG),
             mit Spitzenlastsituationen auch schon nach jetziger     die individuelle Leistungsfähigkeit einer Gemeinde,                                         behalt der nachträglichen Erteilung von Inhalts- und                                            Handbuch des Deutschen Wasserrechts
             Rechtslage determinieren.                               stehen verschiedene Rechtsformen der interkommu-                                            Nebenbestimmungen, mit denen die zuständige Be-                                                 und der Zeitschrift für Wasserrecht.

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INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Bedarf

Kommt nun der
Brauchwasser-Boom?
Der Trinkwasserbedarf steigt

Im zurückliegenden Jahrzehnt ist          Regierungsbezirk Darmstadt im                                       Die Betrachtung des Pro-Kopf-
eine Steigerung des Trinkwasser-          Jahr 2007 mit 202 Mio. m3 Jahres-                                 Verbrauchs verdeutlicht allerdings,

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Bild: © Ivan Kurmyshov / shutterstock
jahresbedarfs im Regierungsbe-            abgabe aus. Im Jahr 2019 lag die                                  dass die Menschen in der Metro-
zirk Darmstadt um rund 10 % zu            Gesamtabgabe an Trinkwasser                                       polregion keineswegs achtlos mit
verzeichnen. Die Erfolge der Was-         bei 219 Mio. m3. 2018, dem laut                                   der Ressource Wasser umgehen.
sersparkampagnen in den 1990er-           Deutschem Wetterdienst (DWD)                                      Die Trinkwasserabgabe an Ver­
Jahren schwinden scheinbar da-            bisher wärmsten Jahr in Deutsch-                                  braucher*innen (Haushalte/Klein-
hin. Den niedrigsten Wert der letz-       land, waren es sogar 245 Mio. m3                                  gewerbe) verharrt seit Jahren bei
ten 40 Jahre weist die Statistik im       (Bild 1).                                                         etwa 123 L pro Einwohner*innen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Bosco verticale
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            – der vertikale
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Wald: begrünte
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Zwillingstürme
                                        Millionen Kubikmeter pro Jahr
                                 300                                                                                                                                                                                                                                                                                        eines Hochhaus-
                                        277
                                                    283
                                                                              279
                                                                                                                                                                          Bild 1:                        und Tag – der Wert variiert lokal    Die Einwohnerzahl im Regierungs-      Der Juni 2019 war laut Deutschem        komplexes in
                                                           273
                                                                                    267                                                                                   Trinkwasser­                   und je nach zugrunde liegender       bezirk Darmstadt steigt spätestens    Wetterdienst der wärmste seit dem       Mailand. Mögli-
                                                                                                                                                                          verbrauch im
                                 250                                                                                  242                                        245241
                                                                                                                                                                                                         Berechnungssystematik – und ist      seit 2015 steil an (Bild 2). Mehr     Beginn der systematischen Tempe-        ches Vorbild auch
                                                                                                                                                                          Regierungsbezirk
                                                                                                                233      234                            230   233
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            für Rhein-Main?
                                                                                                                                          219
                                                                                                                                                     223                  Darmstadt                      damit nach wie vor 25 % niedriger    Menschen brauchen Wasser und          raturaufzeichnungen im Jahr 1881
                                                                                                                                                                          1977 – 2019
                                 200
                                                                                                                                                                          nach Verbrauchs­-              als vor 30 Jahren (Bild 2).          dies umso mehr, wenn es heiß und      (Quelle: DWD). Die langen Perioden
                                                                                                                                                                          sek­toren                                                           trocken ist.                          hoher sommerlicher Temperaturen
                                                                                                                                                                          (Arbeitsgemeinschaft           Treiber des
                                 150                                                                                                                                      Wasserversorgung                                                      Seit der Jahrtausendwende gab       wurden meist begleitet von langen,
                                                                                                                                                                          Rhein-Main;                    Trinkwasserbedarfs
                                                                                                                                                                          Dr.-Ing. U. Roth, 02-2021)                                          es bereits drei Jahre – 2003, 2015    niederschlagsarmen Zeiten, was
                                 100                                                                                                                                                                     Die Treiber des steigenden Trink-    und 2018 –, in denen ein „Rekord-     nicht nur für die Wasserversorgung,
                                                                                                                                                                                                         wasserbedarfs im Ballungsraum        sommer“ verzeichnet wurde. In sol-    sondern auch für Land- und Forst-
                                  50
                                                                                                                                                                                                         sind offenkundig und nicht auf die   chen Trockenjahren liegt der Was-     wirtschaft eine zunehmende Her-
                                                                                                                                                                                                         Rhein-Main-Region beschränkt.        serbedarf um bis zu 5 % über dem      ausforderung ist. Das Hessische
                                                                                                                                                                                                         Es sind vor allem die Bevölke­       Wasserbedarf in einem Normaljahr.     Landesamt für Naturschutz, Um-
                                   0
                                       1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019                                                     rungszunahme und die Folgen          Insgesamt häufen sich in den letz-    welt und Geologie stellt dazu in sei-
                                                          Haushalte und Kleingewerbe      Industrie und Großgewerbe       Eigenbedarf und Verluste                                                       des Klimawandels mit den langen      ten Jahren in kurzer Abfolge lokale   nem aktuellen Grundwasserbericht
                                                                                                                                                                                                         heißen und trockenen Sommern.        oder regionale Temperaturrekorde.     fest: „Das Jahr 2020 war 

16                                                                                                                                                            INSIDE . OUT               Sommer . 2021   Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                     17
INSIDE . OUT Kommt nun der Brauchwasser-Boom? - SOMMER 2021 - Hessenwasser
WASSER . Bedarf                                                                                                                                                                                                                                                                             WASSER . Bedarf

4.250.000
              Einwohnerzahl                                        Pro-Kopf-Verbrauch in Liter pro Einwohner und Tag
                                                                                                                               250
                                                                                                                                     schehen zurückgeht und dies die                              versorgers wohl nicht so ohne          im Grau“ hieß 2019 eine Forderung    dann allerdings in heißen Sommern
                                                                                                                                     Grundwassernutzung in einigen                                ­Weiteres zu­muten kann. Zumal der     des vku. Damit gemeint waren un-     auch bewässert werden muss, um
              223                                     212                                                                            Teilregionen zusätzlich einschränkt                           Garten des Eigenheims nur stell-      ter anderem der Erhalt des inner-    zu überleben. Auch beim Thema
                         Eigenbedarf und Verluste
4.000.000     201                                     195                                                                      200
                                                                                                                                     bzw. die ökologischen Risiken zu-                             vertretend für eine wichtige Stra­    städtischen Baumbestands und         „Bewässerung“ gilt: Beschränkun-
                         Industrie und Großgewerbe                                                                                   nehmen können.                                                tegie im Kampf gegen die Folgen       die Schaffung von Gründächern        gen dort, wo es möglich ist, und
                                                      165                                                                                                                                          des Klimawandels in urbanen Räu-      und begrünten Fassaden sowie         optimierte Systemanpassungen
              164                                                                                                              164   Wasserspar-Strategien
                                                                                                                                                                                                   men steht. „Mehr Grün und Blau        neuer Grünflächen. Grün, dass        dort, wo Handlungsbedarf besteht.
3.750.000                                                                                                                      150
                         Haushalte und Kleingewerbe
                                                                                                                         149         Als Gegenstrategie wird wie bereits                                                                                                      
                                                                                                                               123
                                                                                                                                     in den 1990er-Jahren dazu aufge-
                                                                                                                                     rufen, die Anstrengungen zur spar-
3.500.000                                                                                                                      100
                                                                                                                                     samen Nutzung des Trinkwassers
                                                                                                                                     zu intensivieren.

3.250.000                                                                  Einwohnerzahl

                                                                           Gesamtverbrauch mit Verlusten
                                                                                                                               50
                                                                                                                                        Anders als in den 1990er-Jahren
                                                                                                                                     ist das Potenzial, eine nennenswer-    Welche Rolle spielt zukünftig
                                                                                                                                                                            die Brauchwassernutzung?
                                                                           Wasserabgabe an Verbraucher (ohne Verluste)               te Senkung des Bedarfs über her-
                                                                           Haushalte und Kleingewerbe                                kömmliche Wasserspar-Strategien
3.000.000                                                                                                                     0
         1975            1980       1985            1990    1995    2000         2005         2010         2015           2020       (z. B. verbrauchsmindernde Haus-
Bild 2:                                                                                                                              haltsgeräte) zu erzielen, jedoch
Bevölkerungs­                                                                                                                        mittlerweile nahezu ausgeschöpft.
entwicklung im
Regierungsbezirk
                                                                                                                                     Bei dieser Diagnose herrscht weit-     Brauchwassernutzung
Darmstadt                       mit einem landesweiten Mittelwert                       oder auf der Grundlage von Ge­               gehend Einigkeit. Notwendig ist es
1977 – 2019 und
                                von 657 mm das dritte zu trockene                       fahrenabwehrverordnungen Rest-               aber dennoch, das Bewusstsein          Das zweite Standbein einer Strategie, dem steigenden
Entwicklung
des Pro-Kopf-                   Jahr in Folge und nach dem Jahr                         riktionen verhängten für alle Nut-           zum Wassersparen im täglichen          Trinkwasserbedarf zu begegnen, ist die Substitution
Verbrauchs nach                 2018 das zweitwärmste Jahr seit                         zungen, in denen Trinkwasser                 Alltag zu bewahren und unnötige        von Trinkwasser durch Wasser minderer Qualität
Verbrauchssektoren
(Arbeitsgemeinschaft            1881. Durch die lang anhaltende                         nicht unmittelbar für den mensch-            Wasserverschwendung zu vermei-         („Brauchwasser“). Auch dies ist eine Idee aus den
Wasserversorgung
Rhein-Main;                     Trockenheit sind die Grundwasser-                       lichen Bedarf verwendet wird. Die            den.                                   1990er-Jahren, die auch vor dem Hintergrund der skiz-
Dr.-Ing. U. Roth, 02-2021)
                                stände vielerorts deutlich zurück-                      Bewässerung des Rasens, das                     Regenwassernutzungsanlagen          zierten Begrenzungen des Wassersparens als Mittel
                                gegangen.“ (Quelle: HLNUG)                              Befüllen und der Wasseraustausch             (Zisternen) können einen Beitrag       der Wahl ins Zentrum umweltpolitischer Handlungs-
                                                                                        für Gartenpools oder Plansch­                zur Trinkwassersubstitution bei der    empfehlungen gestellt wird. Im Vordergrund stehen
                                Flaschenhals Infrastruktur
                                                                                        becken (Letzteres war besonders              Bewässerung oder der Toiletten-        dabei bisher in der Regel dezentrale Ansätze. Es ist
                                In den heißen und trockenen Peri-                       im Corona-Lockdown für viele                 spülung leisten. Bei der Spitzenbe-    aber fraglich, ob für die durchgängig gesicherte Ab-
                                oden im Sommer kam es bei der                           ­Familien mit Kindern eine wichtige          darfsproblematik können sie je         deckung eines Brauchwasserbedarfs immer die Ver-
                                Deckung des Trinkwasserbedarfs                           Neuanschaffung), wurden man-                nach Dimensionierung aber auch         fügbarkeit einer geeigneten und verlässlichen Brauch-
                                zu kurzfristigen lokalen Engpässen                       cherorts zur Ordnungswidrigkeit.            kontraproduktiv sein. Denn her-        wasserquelle gegeben ist und/oder eine wirtschaftli-
                                (siehe Inside-Out 02/2018). Durch                                                                    kömmliche Regenwassertanks             che Umsetzung gewährleistet werden kann.
                                                                                        Ökologische Folgen
                                den extremen Spitzenbedarf kam                                                                       sind nach einigen Hitzewochen            Insoweit sind auch bei der Brauchwassernutzung
                                                                                        des Klimawandels
                                in der Peripherie des regionalen                                                                     ohne Niederschläge geleert und es      großräumigere Strategien erforderlich.
                                Leitungsverbundsystems die Infra-                       Der steigende Trinkwasserbedarf              folgt dann die Nachspeisung mit
                                                                                                                                                                            Aktivitäten des Landes
                                struktur zur Anlieferung des Trink-                     löst bei vielen Menschen die Sorge           Trinkwasser. Wenn alle Eigenheim-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Bild: © Daniel Kühne / Adobe Stock
                                wassers aus den Dargebotsräu-                           aus, dass die Deckung des Bedarfs            Besitzer*innen im Rhein-Main-­         Unter dem Eindruck des Extremsommers 2015 (siehe
                                men, insbesondere aus dem Hes-                          mit Schäden für die Ökologie na-             Gebiet das Bild einer braunen, ver-    hierzu Inside-Out 02/2015) wurde im April 2016 durch
                                sischen Ried und dem Vogelsberg,                        türlicher Lebensräume einhergeht.            trockneten Rasenfläche hinterm         das Hessische Umweltministerium der „Leitbildpro-
                                teilweise an ihre Grenzen. Hinter-                      Denn, so die Argumentation, die              Haus als Ausdruck mediterraner         zess Integriertes Wasser-Ressourcen-Management
                                grund ist, dass der Tages- und                          Strategie der Wasserversorger sei            Lebensumstände hinnehmen wür-          Rhein-Main (IWRM)“ ins Leben gerufen. Nach einem
                                Stundenspitzenbedarf in einem                           es, auf den steigenden Bedarf mit            den, wäre das für die Absenkung        langen und kontroversen Dialogprozess unter Einbe-
                                Trockenjahr gegenüber dem Durch-                        einer Steigerung der Grundwasser­            des Spitzenbedarfs womöglich           ziehung aller relevanten Akteure, die mit dem Wasser-                                                                Vor allem bei
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 der Gartenbe­
                                schnittsbedarf überproportional                         entnahme zu reagieren, was be-               eine Entlastung. Zumal das grüne       Ressourcen-Management in den Regierungsbezirken                                                                      wässerung
                                zunimmt und die vorhandenen Be-                         sonders in den Zeiten des Klima-             Gras mit dem nächsten Regen im         Gießen und Darmstadt zu tun haben, wurde im März             vermehrten Nutzung von Brauchwasser berücksichtigt      sollte zukünftig
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Trinkwasser
                                hälter- und Verteilungskapazitäten                      wandels nur auf Kosten der Natur             Herbst wieder zurückkommt. Irre-       2019 das „Leitbild für ein Integriertes Wasserressourcen-­   werden. Ebenfalls könnten Neubauten ein doppeltes       verstärkt durch
                                oftmals an einzelnen Spitzentagen                       möglich sei.                                 versibel trocken-geschädigte Zier-     Management Rhein-Main“ veröffentlicht.                       Leitungssystem bekommen, in dem Brauchwasser für        Brauchwasser
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ersetzt werden.
                                nicht mehr ausreichen.                                    Gleichzeitig besteht die Besorg-           sträucher und Gartenbäume stel-          Zur Umsetzung „sollen kommunale Wasserkon­zepte            die Toi­lettenspülung genutzt wird. Auch sollen trotz
                                   Die Folge war, dass viele Kom-                       nis, dass mittel- bis langfristig die        len dagegen auch einen wirtschaft-     sowie ein wasserwirtschaftlicher Fachplan Rhein-Main         des h­ ohen Bedarfs an Bauland Wasserwerke im
                                munen ihre Bürger*innen zum                             Grundwasserneubildung durch ein              lichen Schaden dar, den man den        (WFP) erstellt werden. Dabei sollen gezielt Maßnah-          Rhein-Main-Gebiet erhalten und optimiert werden,
                                ­Wassersparen ermahnen mussten                          verändertes Niederschlagsge-                 Kund*innen des lokalen Wasser-         men zum sparsamen Umgang mit Wasser und zur                  um den Wasserbedarf auch aus ortsnahen 

18                                                                                                                                           INSIDE . OUT   Sommer . 2021   Sommer . 2021   INSIDE . OUT                                                                                                            19
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