Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de

Die Seite wird erstellt Simon Falk
 
WEITER LESEN
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
Adveniat
                          Magazin
                           Hintergründe und Reportagen zur Weihnachtsaktion 2021

ÜBERLEBEN
Weihnachtskollekte 2021
#ÜberLeben · www.adveniat.de
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
2   Aktionsmotiv

                   Jesús Parra aus Venezuela versucht, für sich und seine Familie in Brasilien ein neues Leben aufzubauen. Don Jesús
                   verkauft frittierte Bananenchips. Vom Verkauf hängt ab, was und wie viel die junge Familie am Abend essen kann.
                   Als ob der kleine Keyler, der auf den Schultern seines Vaters sitzt, den Ernst der Lage verstanden hätte, bietet er
                   dem Betrachter auch eine kleine Tüte der Bananenchips an: Es ist ein unschuldiger Blick – und dennoch geht es
                   um das nackte Überleben. Ob es den Kindern einmal besser gehen wird? Adveniat steht mit der Weihnachts­aktion
                   2021 dafür ein, dass die Menschen in Lateinamerika auch in den Städten menschenwürdig leben können.

                                    Impressum                                   Inhalt

                                    Herausgeber                                 Editorial                                           3
                                    Bischöfliche Aktion Adveniat e. V.          Interview                                           4
                                    Abt. Bildung
                                    Leiter: Dr. Heiner Ganser-Kerperin          Thema der Adveniat-Weihnachtsaktion
                                                                                ÜberLeben in der Stadt                              6
                                    Redaktion Sabine Pfingsten,
                                                                                Projektpartnerinnen und -partner
                                    Juliane Schulte-Wieschen,
                                                                                Kirche in der Stadt                                 7
                                    Thomas Jung, Stephan Neumann
                                                                                Brasilien
                                    Unbenannte Artikel und Fotos
                                                                                Ein Same, der langsam keimt                         8
                                    Adveniat
                                                                                Schwester Paulina hilft Indigenen in Manaus
                                    Lektorat Christina Jacobs                   Brasilien
                                    Layout und Grafik unikat GmbH,              Auf den Straßen der Metropole                      10
                                    www.unikat.net                              Überleben in der Amazonas-Metropole Manaus

                                    Druck und Versand Ortmeier Medien           Mexiko
                                    Dieses Heft wurde auf                       Gestrandet im Großstadtdschungel                   12
                                                                                Adveniat-Projektpartnerin Schwester Arlina
                                    100 % Recyclingpapier gedruckt.
                                                                                Paraguay
                                    Anschrift der Redaktion
                                                                                Der Brückenbauer der Bañados                       14
                                    Bischöfliche Aktion Adveniat e. V.
                                                                                Adveniat-Projektpartner Ricardo González
                                    Gildehofstraße 2, 45127 Essen
                                    Tel.: 0201 1756-0; Fax: 0201 1756-111       Info                                               16
                                    kontakt@adveniat.de, www.adveniat.de        Familienseiten                                     18
                                    Spenden bitte auf unser Konto               Aktiv in Gemeinde und Verband                      20
                                    bei der Bank im Bistum Essen,
                                                                                So arbeitet Adveniat                               23
                                    IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45
                                    BIC: GENODED1BBE
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
Editorial   3

Die Menschen in Lateinamerika
und der Karibik zählen auf Sie!
Auch das Jahr 2021 steht im Zeichen der Corona-Pandemie. Wir wissen noch nicht, wie wir in diesem Jahr die
­Ad­ventszeit gestalten und Weihnachten feiern können. Von unseren Partnerinnen und Partnern aus Latein­
amerika und der Karibik erfahren wir beinahe täglich, welche Schäden und negativen Folgen die Corona-
Pandemie für die Menschen und hier vor allem für die Armen hat.

In der Weihnachtsaktion 2021 stellen wir die Situation der Menschen in den vielen Städten Lateinamerikas in
den Fokus. Die Bischöfe Lateinamerikas haben bei ihrer Versammlung in Aparecida schon 2007 geschrieben:
„Der Glaube lehrt uns, dass Gott in der Stadt lebt, inmitten ihrer Freuden, Sehnsüchte und Hoffnungen, aber auch
in ihrem Schmerz und ihrem Leid.“ Die Arbeit der katholischen Kirche in Lateinamerika nimmt diese Aus­sage
ernst. Die Gemeinden und Gemeinschaften leben aus dem Glauben an die Gegenwart Gottes. Schmerz und Leid
vieler Menschen fordern sie zu solidarischem Engagement heraus. Das hat sich nicht zuletzt in der Corona-­
Pandemie gezeigt, wo Kirche vor Ort ganz konkret geholfen hat. Diese Hilfe wurde auch von Adveniat bzw. von
Ihnen möglich gemacht.

Sie tragen dazu bei, dass die Kollekte zu den Menschen kommt und viele Menschen die Möglichkeit haben, etwas
Gutes für die Menschen in Lateinamerika zu tun.

Weihnachten ist ein Fest der Freude über die Geburt Jesu im Stall in Bethlehem. Mit dem Adveniat-Magazin laden
wir Sie ein, sich zu informieren und anregen zu lassen, die Advents- und Weihnachtszeit bewusst zu gestalten.
Sie finden Berichte über Adveniat-Projekte und Adveniat-Projektpartner, die in den Städten Lateinamerikas und
der Karibik für die Armen zu Hoffnungsträgern werden. Es sind Berichte über das Leben in der Stadt – und das
Über­leben – in dieser schwierigen Zeit.

Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Adventszeit!

Pater Martin Maier SJ 					                                      Tanja Himer
Hauptgeschäftsführer Adveniat 				Geschäftsführerin
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
4   Interview

                Liebe zu den Menschen
                DIE NEUE GESCHÄFTSFÜHRERIN TANJA HIMER IM GESPRÄCH

                                                                              Was haben Sie von den Menschen
                                                                              in Lateinamerika gelernt?
                                                                              In manchen Gegenden Lateinamerikas leben Menschen
                                                                              in existenziellen Nöten, die hier kaum vorstellbar sind. Da
                                                                              fragen sich Menschen, ob sie am nächsten Tag ihre Kinder
                                                                              noch ernähren können, oder haben Angst, ihre Meinung
                                                                              frei zu äußern, weil sie Repressionen fürchten müssen.
                                                                              Und trotz dieser Nöte habe ich eine große Zufriedenheit
                                                                              erlebt, eine Kultur der Fröhlichkeit und Hilfsbereitschaft.
                                                                              Selbst die ärmsten Familien haben mit mir das wenige
                                                                              Essen geteilt, das da war. Für diese Erfahrung bin ich
                                                                              dank­bar. Wir können von den Lateinamerikanern ler­
                                                                              nen, part­nerschaftlich und auf Augenhöhe miteinander
                                                                              umzugehen.

                Was verbinden Sie mit Adveniat?                               Vor welchen großen Herausforderungen
                Vor allem die Liebe zu den Menschen in Lateinamerika.         sehen Sie Adveniat?
                Ich habe Adveniat das erste Mal in Venezuela kennenge-        Die Einnahmen aus der Weihnachtskollekte sinken weiter.
                lernt, als ich dort 1999 für eine soziale Organisation        Das ist kein neuer Trend. Deshalb müssen wir uns für die
                gearbeitet habe. Als dann eine Hilfsaktion nach einer         Zukunft stabil aufstellen, um auch weiterhin ein verläss­licher
                Unwetter­­katastophe startete, erfuhr ich, dass die finan-    Partner für die Menschen in Lateinamerika bleiben zu kön-
                zielle Unterstüt­zung aus Deutschland von Adveniat kam.       nen. Natürlich gibt es in Deutschland auch große Armut und
                                                                              die Schere zwischen Arm und Reich geht im­mer weiter aus­
                In Ihren ersten Monaten als Geschäftsführerin                 einander, und die Menschen haben derzeit große Sorgen
                haben Sie Adveniat intensiver kennengelernt.                  – gerade in Zeiten der Pandemie. Trotzdem müssen wir es
                In drei Stich­worten: Was charakterisiert Adveniat?           schaffen, den Menschen Lateinamerika näherzubringen. Das
                Die Verantwortung für die Menschen in Lateinamerika,          geht am besten über Begegnung und Dialog.
                das sozialpolitische Engagement und die unbürokratische
                Hilfe, die die Menschen direkt an der Basis erreicht. Nicht   Welche Erfahrungen und Fähigkeiten helfen I­ hnen
                zuletzt ist Adveniat eine Brücke zwischen Lateinamerika       dabei, Adveniat auf diesem Weg zu begleiten?
                und Deutschland, die Menschen und Interessen miteinan­        Adveniat ist eine lebendige Organisation – die Fähigkeiten
                der verbindet und verknüpft.                                  und Ressourcen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ma­
                                                                              chen Adveniat zu dem, was es ist: ein starker Partner für
                Sie haben selbst einige Zeit in Lateinamerika gelebt          Lateinamerika. Ich kann dafür Sorge tragen, die bestmög­
                und in sozialen Projekten in Paraguay und Venezuela           lichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn das Ziel klar
                gearbeitet. Welche Spuren hat Ihre eigene Latein­             beschrieben und der Weg gut strukturiert wird, dann können
                amerika-Erfahrung in Ihrem Leben hinterlassen?                alle ihre Fähigkeiten gut entfalten, dann können wir optimale
                Diese Zeit hat mich entscheidend in meinem Selbstver­         Ressourcen nutzen.
                ständnis geprägt – in welcher Welt ich lebe, wofür ich
                Verantwortung übernehmen möchte. Und sie hat mir              Wobei entspannen Sie sich am besten
                geholfen, meine eigenen Wurzeln zu identifizieren. Wo         vom ­Arbeitsalltag?
                man herkommt, wird einem erst bewusst, wenn man weit          Ich lese ein gutes Buch bei einem Glas Weißwein oder gehe
                weg ist von Zuhause. Als ich aus Lateinamerika zurück­        im Grünen spazieren, sehr gerne am Rhein mit Mann und
                gekommen bin, wurde mir deutlich, wie sehr die Chancen        Hund. Und wenn ich am Wochenende ein bisschen mehr
                und Möglichkeiten im Leben davon abhängen, wo man             Zeit habe, dann mache ich auch gerne eine längere Fahrrad-
                geboren und aufgewachsen ist.                                 tour, sodass ich den Kopf frei habe.
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
5

Herzensheimat
DER NEUE HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER PATER MARTIN MAIER SJ IM GESPRÄCH

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als man Sie
mit der Bitte um Übernahme des Amtes des Haupt­
geschäftsführers bei Adveniat anrief?
Ich war zuerst überrascht, weil ich das nicht erwartet
hätte. Aber ich habe selber schon eine lange Geschichte
mit Lateinamerika, vor allem mit El Salvador. Ich bin vor
40 Jahren Jesuit geworden, weil ich mich in der Nachfolge
Jesu für Gerechtigkeit in dieser Welt einsetzen wollte. Von
daher habe ich mir gesagt, Mensch, ja, das ist eine große
Chance, das wieder in einer engeren Verbindung mit
Lateinamerika tun zu können.

Sie haben als Priester in einer armen Landgemeinde
gearbeitet. El Salvador bezeichnen Sie noch heute als
Ihre „Herzensheimat“. An wen oder was haben Sie dort
Ihr Herz verloren?                                             die Gemeinde El Taquillo, die an der Küste liegt, eine
An die Menschen dort. Die Salvadorianer und Salvado­           Verbindung zu Adveniat hergestellt. Die Gemeinde wollte
rianerinnen sind ungemein herzliche Menschen. Ich wurde        ihre kleine Kirche etwas erweitern und erhielt dafür Un-
durch eher tragische Umstände Pfarrer in einer Gemeinde        terstützung von Adveniat.
auf dem Land, aber das, was ich in Jayaque erleben durfte,
war für mich ein großes Geschenk. Wie die Menschen             Welche Art von Projekten muss Adveniat in Zukunft
mich aufgenommen haben, wie wir zusammen unter                 vorrangig fördern, um für Frieden, Gerechtigkeit und
Verfolgung auch noch einmal den Weg des Evangeliums            demokratische Strukturen in Lateinamerika zu sorgen?
gegangen sind, das wurde für mich zu einer ganz tiefen         Um langfristig Veränderungen zu schaffen und zu er-
menschlichen Erfahrung und auch zu einer Glaubenser-           möglichen, sind Erziehung und Ausbildung die wichtigs­
fahrung.                                                       ten Instrumente. Dann der ganze Komplex, den Papst
                                                               Franziskus ökologische Umkehr nennt. Wir sind die erste
Sie sind ein Vertreter der Befreiungstheologie.                Generation, die diesen Planeten zerstören kann, und wir
Was ist deren Kern?                                            sind die letzte, die das verhindern kann. Wichtig sind
Im Zentrum der Theologie der Befreiung stehen die Ar-          auch die Netzwerke, die in der Kirche in Lateinamerika
men, und die Armen stehen auch im Zentrum des Evange-          entstanden sind, wie zum Beispiel das Repam-Netzwerk
liums. Jesus hat das Reich Gottes für die Armen verkündet,     zum Schutz des Amazonas. Und aus meinen Erfahrungen
und an erster Stelle seiner Seligpreisungen heißt es: „Selig   als Pfarrer in Jayaque weiß ich, wie wichtig die Frauen in
ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.“ Wenn er         Lateinamerika und in der Kirche sind. Nicht zu verges-
die Armen seligpreist und ihnen das Reich Gottes gehört,       sen das Stichwort „Advocacy“: Hier anwaltliche Stimme
dann bedeutet es, dass sich für sie auch etwas ändert und      derjenigen zu sein, die keine Stimme haben. Ein Hilfswerk
verbessert. Das ist im Zentrum auch der Theologie der          wie Adveniat muss hier engagiert sein und auch etwas
Befreiung. Sie ist eine Theologie des Reiches Gottes für       unternehmen.
die Armen. Sie möchte aus dem Glauben heraus einen
Beitrag leisten, damit die Armen in menschenwürdigeren         Welchen Ort in Ihrer neuen Heimatstadt Essen
Bedingungen leben können.                                      möchten Sie unbedingt einmal kennenlernen?
                                                               Ich freue mich besonders, als Freund der klassischen
Hatten Sie bereits während Ihrer Zeit in El Salvador           Musik die Philharmonie in Essen zu besuchen. Ich habe
Berührungspunkte mit Adveniat?                                 mir schon die Programme angeschaut. Ich hoffe, dass es
Natürlich. Ich habe gesehen, dass Adveniat auch in El          bald wieder möglich sein wird, auch Konzerte besuchen
Salvador viele Projekte unterstützt. Ich habe selber für       zu können.
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
6                         DAS THEMA DER ADVENIAT-WEIHNACHTSAKTION 2021

                          ÜberLeben in der Stadt
                                                                                                   das ihrer Familie – oft unter prekären
                                                                                                   Bedingungen – auf dem informellen
                                                                                                   Arbeitsmarkt finanzieren und leben
                                                                                                   nicht selten unter unmenschlichen Be­
                                                                                                   dingungen, ohne Abwasser, Zugang zu
                                                                                                   Trinkwasser oder Abfallbeseitigung. Ein
                                                                                                   Arbeitsweg von mehr als vier Stunden
                                                                                                   pro Tag ist keine Seltenheit. Neben den
                                                                                                   hohen Fahrtkosten bedeutet dies, dass
                                                                                                   die Menschen auf Zeit für Schulbildung,
                                                                                                   Familienleben oder Freizeit verzichten
                                                                                                   müssen. Es herrscht darüber hinaus
                                                                                                   eine hohe Gewalt in vielen Städten:
                                                                                                   Gemessen an der Mordrate liegen die
                                                                                                   zehn gefährlichsten Städte der Welt in
                                                                                                   La­teinamerika. Ursachen der Gewalt
                                                                                                   sind neben der großen sozialen Ungle-
                                                                                                   ichheit und den fehlenden Perspektiven
                                                                                                   auch die Verschränkung von organisiert-
                                                                                                   er Kriminalität und staatlichen Struktu­
                                                                                                   ren, die Veränderung und Entwicklung
                                                                                                   massiv erschwert.

                                                                                                   In den Städten Lateinamerikas spiegeln
                                                                                                   sich Licht und Schatten der globalen
                                                                                                   Urbanisierungsprozesse wider. Die
                                                                                                   großen Städte sind charakterisiert durch
                                                                                                   schnell wachsende informelle Sied­
    Rossmary              Lateinamerika und die Karibik gehören nach UN-Angaben im Jahr            lungen, eine hohe Bevölkerungsdichte,
    ­Gallardo mit         2018 zu den am stärksten verstädterten Weltregionen. Vor 45 Jahren       hohe Immobilien- und Mietpreise und
     ihrem einjähri­gen
                          war dies z. B. in Brasilien umgekehrt, d. h. es lebten 80 % der Bevöl­   eine mangelhafte Infrastruktur. Die
     Sohn Keyler. Foto:
     Florian Kopp         kerung auf dem Land und nur 20 % in der Stadt. Die Verteilung hat        Corona-Pandemie hat die strukturelle
                          sich innerhalb recht kurzer Zeit umgekehrt und der Prozess hält an.      Verletzbarkeit im verdichteten städti­
                          Menschen aus allen Teilen eines Landes oder aus anderen Ländern          schen Leben sichtbar gemacht. Ökono­
                          ziehen aufgrund von politischen Unruhen (z. B. in Venezuela) oder        mischer Fortschritt erlaubt nur wenigen
                          wirtschaftlicher Not in die Städte in der Hoffnung auf ein besseres      Privilegierten ein Leben in Wohlstand
                          Leben, wenn schon nicht für sie selbst, dann für ihre Kinder. Diese      und mitunter großem Luxus. Eine große
                          Tendenz gilt für den gesamten lateinamerikanischen Kontinent. Für        Mehrheit der Bevölkerung lebt in Armut.
                          das Jahr 2050 wird ein Anstieg auf 85 % erwartet.
                                                                                                   Gleichwohl bieten die Städte vielen
                          Diese Städte sind von großer Ungleichheit und Fragmentierung ge­         Menschen auch Entwicklungschancen.
                          prägt. Die gesellschaftliche Spaltung zeigt sich nicht nur kulturell     Diejenigen, die in den Städten leben,
                          und sozial, sondern auch räumlich. Die Trennung von Arm und              sehen „ihre Stadt“ oft mit dem Blick der
                          Reich oder von verschiedenen ethnischen Gruppen, wie Afroame­            Möglichkeiten. Zivilgesellschaftliches
                          rikanern, Indigenen und/oder Migranten, wird immer offensicht­           Engagement und politische Verantwor­
                          licher. Für einen großen Teil der Menschen ist das Leben in der Stadt    tung haben auch in den Städten ihren
                          mit Unsicherheit und Gewalt verbunden. Sie müssen ihr Leben und          Ort.
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
DIE ARBEIT DER ADVENIAT-PROJEKTPARTNERINNEN UND -PARTNER                                                                                    7

Kirche in der Stadt
In der lateinamerikanischen Kirche ist seit den Gene­     Lateinamerikas in der Stadt beschrieben. Pastorale
ralversammlungen des lateinamerikanischen Epis­           Arbeit in der Stadt entwickelt andere Akzente als pasto-
kopats in Medellín (1968) und Puebla (1979) die Stadt     rale Arbeit auf dem Land. In der Corona-Pandemie etwa
explizit als eigener Ort der Evangelisierung erkannt      ist die Bedeutung der Versorgung der Menschen mit
und benannt. Die Generalversammlung in Aparecida
(2007) beschreibt die Stadt als ein Laboratorium zeit­
genössischer und pluraler Kultur (DA 509), als Ort, an
dem neue Kulturen entstehen und sich durchsetzen
(DA 510). „Der Glaube lehrt uns, dass Gott in der Stadt              ADVENIAT­
lebt, inmitten ihrer Freuden, Sehnsüchte und Hoff­
nungen, aber auch in ihrem Schmerz und ihrem Leid“
                                                                     WEIHNACHTSAKTION
(DA 514). Es geht den Bischöfen um eine Pastoral der                 Unter dem Motto „ÜberLeben in der Stadt“ rückt Adve­niat
Stadt, in der der Blick von der Situation der Menschen               mit seiner diesjährigen Weihnachtsaktion die Sorgen und
in der Stadt auf die Kirche gerichtet ist. In der Stadt              Nöte der armen Stadtbevölkerung in den Blickpunkt. Schwer-
wird die Gegenwart Gottes erkannt und sie ist Ort der                punktländer sind Mexiko, Paraguay und Brasilien.
Sendung (Mission) der Kirche. Ausgehend vom Projekt
                                                                     Die Eröffnung der bundesweiten Adveniat-Weihnachts­aktion
Gottes der „Heiligen Stadt, des neuen Jerusalem“, der
                                                                     findet am 1. Advent, dem 28. November 2021, im Bis­tum
Stadt, in der „die Tränen getrocknet sind und in der es
                                                                     Münster statt. Die Weihnachtskollekte am 24. und 25.
weder Tod noch Trauer, weder Weinen noch Schmerz
                                                                     Dezember in allen katholischen Kirchen Deutschlands ist für
geben wird“ (Offb 21, 2 – 4), werden alle Dinge neu
                                                                     Adveniat und die Hilfe für die Menschen in Lateinameri­ka
ge­macht (DA 515). Zentral ist dabei die Option für die
                                                                     und der Karibik bestimmt.
Armen, die Mitverantwortung aller Glieder der Kirche
für ihre Mission und die kreative Diversifizierung der               Spendenkonto bei der Bank im Bistum Essen,
Pastoral.                                                            IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45 oder unter
                                                                     → www.adveniat.de
Mit den Dokumenten von Aparecida sind wichtige
pastorale Orientierungspunkte der Arbeit der Kirche

                                                          dem Lebensnotwendigen vielerorts in den Vordergrund         Unten links:
                                                          getreten. Die Not war und ist groß! Gleichzeitig ist es     ­Provisorisches
                                                                                                                       Kreuz an einer
                                                          beeindruckend zu sehen, welche Aktivitäten entste­
                                                                                                                       Kirchenbau­
                                                          hen und wie Solidarität vorsichtig wächst. Die Heraus­       stelle in Valle de
                                                          forderung wird sein, diese Impulse wahrzunehmen              ­Chalco, Mexiko.
                                                                                                                        Foto: ­Deselaers
                                                          und zu stärken. Adveniat-Projektpartnerinnen und
                                                          -Projektpartner stehen hier an der Seite der Menschen
                                                          und helfen an der Basis dort, wo Hilfe notwendig ist.

                                                          Im Rahmen der Adveniat-Weihnachtsaktion werden
                                                          – vertreten durch einige Aktionspartnerinnen und
                                                          Aktionspartner – konkrete und von Adveniat geförder­
                                                          te Projekte vorgestellt, die im Kontext der pastoralen
                                                          Arbeit der Kirche verwirklicht werden. Es handelt sich
                                                          um Beispiele aus der pastoralen Arbeit mit Frauen, mit
                                                          Migrantinnen und Migranten und mit Indigenen. Sie
                                                          stehen stellvertretend für viele weitere Projekte, die im
                                                          städtischen Kontext von der Kirche realisiert und von
                                                          Adveniat unterstützt werden.
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
„Ein Same, der
8        Brasilien

                       langsam keimt“
                       SCHWESTER PAULINA HILFT INDIGENEN IN MANAUS
                       TEXT: PHILIPP LICHTERBECK; FOTOS: FLORIAN KOPP
                       In der Hoffnung auf Gesundheitsversorgung und Arbeit stranden Indigene am Rande der Amazonas-Metropole
                       Manaus. Schwester Paulina hilft ihnen, ihre Kultur zu leben und eine eigene Identität zwischen Stadt und
                       ­Tra­dition zu finden.

                       Sonntagmorgen. 30 Indigene haben sich unter dem            lieber in unserem indigenen Dorf leben“, sagt Fortuna­
                       Wellblechdach der kleinen katholischen Kirche von          to Lima da Silva. „Aber in Manaus gibt es Gesundheit
                       Kulina Madiha versammelt. Das Gebäude in einer             und Bildung.“
                       Armensiedlung am Stadtrand von Manaus wurde aus
                       Holzstreben und Kunststoffverkleidungen zusam­             Schwester Paulina Pérez kümmert sich um diese
                       mengezimmert, der Boden besteht aus gestampfter            indigenen Familien. In Kulina Madiha finden Gottes­
                       Erde, das Licht fällt durch große Öffnungen herein.        dienste in indigenen Sprachen statt. Die Kirche bietet
                       Über dem Altar steht in großen Lettern: „Mathia Inuka      Raum, um die ursprüngliche Kultur zu praktizie­ren,
                       Tupana Ipanaliku“. In der Sprache des indigenen            etwa traditionelle Tänze zu proben. „Ohne ihre Kultur
                       Volkes der Kokama heißt das: „Willkommen im Haus           verlieren viele Indigene den Halt. Sie wissen dann
                       Gottes!“                                                   nicht mehr, wer sie sind, und werden anfällig für Alko-
                                                                                  hol, Drogen und Gewalt“, sagt die 55-jährige Schwester
                       Im Gottesdienst wird viel gesungen, begleitet von          Paulina, die aus Kolumbien stammt.
                       in­digenen Instrumenten. Einer, der kräftig seine Ras-
                       seln schlägt, ist der „Vize-Kazike“ von Kulina Madiha.     Die Gemeinde Kulina Madiha war einst als eine Art
                       Er heißt Fortunato Lima da Silva und ist so etwas wie      Kompromiss zwischen indigenem Leben und Groß­
                       der stellvertretende Bürgermeister der Siedlung.           stadt gedacht. Hier ließen sich Menschen unterschied­
                                                                                  licher indigener Völker nieder. Heute sind nur noch
                       Der 53-Jährige kommt tief aus dem Inneren Amazo­           ein Drittel der Familien Indigene. Es gibt in Kulina
                       niens. „Meine Heimat liegt mehrere Tagesreisen ent­        Madiha heute kleine Geschäfte mit Getränken, Süßig­
                       fernt“, erzählt er. „In der Nähe der Grenze zu Kolum­      keiten und Konserven. Berge von Abfall stapeln sich,
                       bien“. Seine Geschichte ist typisch für die Indigenen,
    Die 16-jährige     die heute in der Amazonas-Metropole Manaus leben,
    Tuliana Silva do   meist an der armen Peripherie, am Rande der Gesell­
    Carmo sagt: „Un­
                       schaft. Auf 40.000 wird ihre Zahl geschätzt. Die Kirche
    sere Kultur ist
    vom Aussterben     versucht, ihnen eine neue Heimat zu geben.
    bedroht.“
                       Fortunato Lima da Silva kam nach Manaus, weil seine
                       Frau unter Arthritis litt und sein Sohn Epileptiker ist.
                       „Wir waren auf der Suche nach medizinischer Hilfe,
                       die in Amazonien sehr rar ist“, erzählt er nach dem
                       Gottesdienst. Er hoffte, sie in Manaus mit seinen 2,3
                       Millionen Einwohnern zu finden, weil es hier große
                       Hospitäler und viele Ärzte gibt.

                       Wie er bleiben viele der Indigenen dann, suchen sich
                       eine Arbeit oder erhalten Sozialhilfe und lassen sich
                       nieder. Sie werden zu Gestrandeten der Großstadt,
                       fühlen sich weder in Manaus heimisch noch können
                       sie zurück in ihre weit entfernten Dörfer. „Ich würde
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
9
weil die Müllabfuhr nicht in die Siedlung kommt. Doch      vor Vorurteilen, ihre Kultur zu zeigen“, sagt die selbstbewusste
am verheerendsten: Das Drogenkartell Comando Ver-          junge Frau, die an der Kasse eines Supermarkts arbeitet. Viele
melho hat sich in Kulina Madiha etabliert.                 Brasilianer halten die ursprünglichen Völker des Landes für faul
                                                           und zurückgeblieben, auch Brasiliens Präsident, Jair Bolsonaro,
Nach dem Gottesdienst trifft sich Vize-Kazike Fortu-       behauptet das. Besonders die Indigenen in den Städten leiden
nato mit Schwester Paulina und dem Kaziken Raymon          darunter, weil ihnen die Gemeinschaft fehlt, die ihnen Kraft
Ferreira. Als Symbol für die Verschmelzung von Tradi-      und Selbstvertrauen gibt.
tion und Moderne trägt er einen imposanten Feder-
schmuck aus Arafedern zu Jeans und Turnschu­hen. Er        Die Jugendgruppe von Tuliana nennt sich „Kanata Kuema“,
hat einen heiklen Job: Zwei seiner Vorgänger wurden        „Morgen­dämmerung“, und wird von der Familien-Pastoral un-
umgebracht, weil sie das Comando Vermelho nicht            terstützt. „Viele kennen ihre Kultur nicht mehr“, sagt Tuliana.
dulden wollten, dessen Erkennungszeichen, C. V.,           „Sie ist vom Aussterben bedroht. Aber wir merken, wie sich
wie zur Warnung an einige Gartenzäune ge­sprüht            immer mehr Jugendliche für unsere Aktivitäten interessieren.“

wurde „Der Staat beschützt vielleicht die indigenen        Schwester Paulina      Dazu gehört beispielsweise das Ein­
Völker in den Reservaten“, sagt Ferreira. „Aber wir        (2. v. l.) bei einer   studieren traditioneller indigener Tänze,
                                                           Taufe in der Kirche
werden a­ lleine gelassen. Deswegen ist es wichtig, dass                          die auf Festen präsentiert werden. Oder
                                                           von ­Kulina Madiha.
die Kirche uns hilft, unsere Kultur, Tra­dition und Ge­                           traditionelle Bemalungen im Gesicht, am
schichte zu bewahren. Sie sind eine Art Immunabwehr        Hals und auf den Armen. Ebenso versuchen die Indige­nen ihre
gegen die Dinge, die unserer Gemeinde schaden.“            Sprachen zu bewahren und zu sprechen, weil sie sonst im Alltag
                                                           nur Portugiesisch reden. „Die Familien-­Pastoral und Schwes­
Die beiden Kaziken und Schwester Paulina kommen            ter Paulina ermutigen uns, weiterzumachen“, sagt Tuliana.
zu einem Haus, in dessen Vorgarten ein Garten mit          „Sie machen uns Mut, unseren Weg weiterzugehen, uns nicht
Heil­kräutern angelegt wurde. Es wachsen Melisse,          beirren zu lassen. Wenn ich unsere Kultur praktiziere, fühle ich
Myrrhe, Pfefferminze, Zitronengras, Rosmarin und           mich Gott näher.“
vieles mehr. Hier lebt die 16-jährige Tuliana Silva do
Carmo, die vor drei Jahren mit ihrer Familie nach Ku-      Die beiden Kaziken von Kulina Madiha nicken. Es sei schlimm,
lina Madiha kam. Die junge Frau gehört dem Volk der        wenn ein Indigener seine Wurzeln verliere, ist Raymon Ferreira
Kumaruara an und ist eins der aktivsten Mitglieder der     überzeugt. Er habe dann keinen Halt mehr und werde wie ein
indigenen Jugendgruppe in der Kirche. „Viele Brasi­        Blatt im Sturm he­rumgewirbelt. „Zum Glück gibt es Jugendliche
lianer glau­ben, dass die indigene Kultur nichts wert      wie Tuliana.“ Schwes­ter Paulina stimmt ihm zu. „Die Jugendli-
sei, und viele Ur­einwohner fürchten sich aus Angst        chen haben einen Samen gepflanzt, der nun langsam keimt.“
Adveniat Magazin - Weihnachtskollekte 2021 #ÜberLeben www.adveniat.de
10   Brasilien

                 Auf den Straßen
                 der Metropole
                 ÜBERLEBEN IN DER AMAZONAS-METROPOLE MANAUS
                 TEXT: PHILIPP LICHTERBECK; FOTOS: FLORIAN KOPP

                 20.000 Venezolaner sind wegen politischer Verfolgung, Hunger und fehlender Gesundheitsversorgung nach
                 Manaus geflohen. Ordensfrauen und kirchliche Einrichtungen sind ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

                 Er mit dem Einkaufswagen, sie mit einem Karren aus        sie. Ein weiterer Auslöser für die Flucht war politisch.
                 Aluminium. So ziehen die Venezolaner Jesús Parra und      Jesús war Techniker bei der venezolanischen Luft­waffe.
                 Rossmary Gallardo durch die brasilianische Ama­zonas-     „Ich wollte der Maduro-Regierung nicht mehr dienen“,
                 Metropole Manaus, um etwas Geld zu verdie­nen. Ihre       sagt er. Also desertierte er. Per Bus reiste das Paar 1.600
                 Kinder sind immer dabei: die fünfjährige Jessmary und     Kilometer quer durch Venezuela. Sie bezahlten einen
                 der einjährige Keyler (siehe Aktionsplakat).              Schlepper, der sie nachts über die Berge der Grenzre-
                                                                           gion brachte. Als ihre Gruppe vor der Polizei flüchten
                 Mitten in der Nacht steht die Familie auf. Anstelle von   musste, verloren sie ihre Tochter. Erst einige Stunden
                 Limonen, Orangen, Mangos und Avocados legt Jesús          später fanden sie Jessmary wieder. Eine andere Flücht-
                 heute nur in Tütchen abgepackte Bananenchips in           lingsgruppe hatte die Fünfjährige gefunden. „Ich bin
                 seinen Wagen. Er hatte kein Geld, um frische Früchte      fast vor Angst gestorben“, sagt Rossmary.
                 zu besorgen. Rossmary kocht Kaffee und füllt ihn mit
                 viel Zucker in mehrere Thermoskannen. Um zwei Uhr         Um die Mittagszeit zählt das Paar seine dürftigen Ein­
                 macht sich die Familie in die Dunkelheit einer Stadt      nahmen. „Vor der Pandemie waren es manchmal 50 bis
                 auf, die neu für sie ist und deren Sprache und Regeln     80 Reais pro Tag“, sagt Jesús, zwischen acht und zwölf
                 sie kaum kennt. Ihr Ziel ist der große Markt am Ufer      Euros. Aber durch Corona seien die Einnahmen stark
                 des Amazonas. Zwischen Händlern, Verkäufern und           geschrumpft. Es sind einfach viel weniger Men­schen
                 Trägern bahnen sich Rossmary und Jesús ihren Weg.         unterwegs.
                 Immer in der Hoffnung, dass jemand einen Kaffee für
                 einen Real bei ihr bestellt, umgerechnet 15 Cent, oder    Die Obdachlosen-Pastoral des              Jesús und Ross-
                 bei ihm eine Tüte der frittierten Bananenchips als        ­Erzbistums Manaus bietet jeden           ­mary mit ihren
                                                                                                                      Kindern bei der
                 Snack kauft.                                              Tag neben einer Kirche ein warmes
                                                                                                                      Speisung der
                                                                           Mittagessen an: Hühnchen mit Reis          Obdachlosen-Pas­
                 Menschen wie Jesús und Rossmary, die versuchen,           und Bohnen. Obwohl Jesús und               toral. Erz­bischof
                                                                                                                      Dom Leonardo
                 sich im informellen Sektor zu behaupten, gibt es          Rossmary nicht obdachlos sind,
                                                                                                                      Steiner hat sich zu
                 Hunderte rund um den Markt von Manaus. Viele sind         bekommen auch Bedürftige wie sie           ihnen gesetzt.
                 aus Venezuela geflüchtet. Schätzungen zufolge leben       hier eine Mahlzeit. Hin und wieder
                 mittlerweile 20.000 Menschen aus dem nördlichen           hilft auch Dom Leonardo Steiner,
                 Nachbarland in der Großstadt.                             der Erzbischof von Manaus, persönlich bei der Essens­
                                                                           ausgabe. Der 70-jährige Franziskaner, der wegen der
                 „Alles ist besser als Venezuela.“ Der 28-jährige­­Jesus   Pandemie Maske und Schutzkleidung trägt, sieht es als
                 und die 22-jährige Rossmary haben Ende 2020               seine Pflicht an, persönlich mit anzupa­cken. „Manaus
                 ­Ve­nezuela verlassen. „Hambre!“, antworten sie auf       hat große soziale Probleme, die Kirche muss zu den
                 die Frage nach den Gründen: Hunger. „Wir hatten           Menschen gehen.“ Als Jesús und Rossma­ry sich auf die
                 nicht mehr genug Geld, um uns zu ernähren. Alles ist      Stufen der Kirche setzen, um zu essen, gesellt sich der
                 teuer in Venezuela und die Preise steigen ständig“,       Erzbischof dazu.
                 sagt Jesús. Hinzu kam, dass Rossmary seit der Geburt
                 ihres Sohnes unter Unterleibsschmerzen leidet. An         Sie berichten, dass sie ohne die täglichen Mittagessen
                 eine medizinische Versorgung in Venezuela war nicht       der Kirche während der Pandemie Hunger gelitten hät-
                 zu denken. „Es gibt keine Medikamente mehr“, sagt         ten und dass sie sehr dankbar seien. Dom Leo­nardo hört
11

ihnen aufmerksam zu. Er ist niemand, der sich in den        an Miete, umgerechnet 50 Euro. „Wenn es regnet, tropft
Vordergrund drängt.                                         es durch die Decke“, klagt Jesús.

Rossmary sieht schwach aus, wirkt abgemagert. Doch          Schwester Dinair hilft dem Paar, einige Dokumente
bislang traute sie sich nicht, zum Arzt zu gehen, weil      zu sortieren, die es in Brasilien gebrauchen kann. Jesús
sie und Jesús noch nicht in Brasilien registriert sind.     erzählt, dass er gerne wieder als Helikopter­Techniker
Um das Problem zu lösen, suchen sie nun die Migran­         arbeiten würde. Aber werden seine Diplome in Brasilien
ten-Pastoral von Manaus auf. Als Schwester Dinair von       anerkannt? Dinair ermutigt ihn, seine Zeugnisse zusam-
den Beschwerden Rossmarys hört, ruft sie sofort einen       menzustellen und sich beim Flug­hafen vorzustellen. „Es
kubanischen Arzt an. Er arbeitet als Freiwilliger für die   ist wichtig, dass die Migranten in Bewegung bleiben“,
Migranten-Pastoral, die ihm einst half, in Brasilien zu     sagt sie. „Sonst besteht die Ge­fahr, dass sie resignieren.“

bleiben. Auch eine Laboruntersuchung und Medika­            Die Migrantenpastoral hilft ihnen, diesen kritischen
mente organisiert Schwester Dinair. „Wir begleiten die      Moment zu überwinden. Die Schwestern organisieren
Migranten sehr eng“, sagt die kleine energische Frau.       Nähkurse und Schulungen für die Herstellung von
„Viele fühlen sich am Anfang verloren und brauchen          Kunsthandwerk, Schmuck, Seife und Eiscreme. Manche
Unterstützung.“ Rossmary und Jesús bewohnen ein             Frauen erhalten Näh­maschinen, die die Schwestern
Zimmer in einem verwahrlosten Haus in Manaus’               gespendet bekommen haben.
altem Zentrum. „Hier leben viele Venezolaner“, sagt
Schwester Dinair. Die Hälfte des kleinen Raums              Auch Rossmary hofft, dass sie ihr Studium in Rech­
­nimmt die Matratze auf dem Boden ein, es gibt ein          nungswesen in Brasilien beenden kann. Bis dahin, das
Bad, in dem das Wasser nicht läuft und zwei Elektro­        weiß sie, ist es noch ein langer Weg. Aber sie möchte
platten zum Kochen. 300 Reais zahlen sie monatlich          ihn gehen.
12        Mexiko

                         Gestrandet im
                         Großstadtdschungel
                         ADVENIAT-PROJEKTPARTNERIN SCHWESTER ARLINA
                         TEXT: SANDRA WEISS; FOTOS: HANS-MAXIMO MUSIELIK

                         Krankenschwester, Managerin, Kindergärtnerin, Telefonistin, Köchin, Psychologin, Berufsberaterin, Anwältin
                         – all diese Rollen muss Schwester Arlina Barral als Leiterin der Migranten-Herberge Casa Mambré in Mexiko
                         ausfüllen.

     Lucía und           Wochenlang hat Lucía* die fremde Stadt nur gerochen,       beschränkten sich die ersten Wochen im fremden
     Schwester Arlina    gehört und einen winzigen Ausschnitt davon durch           Land allerdings auf die beiden Stockwerke der Casa
     im Park.
                         das Fenster in ihrem Schlafsaal erblickt. Ihr neues, vo­   Mambré. Nun aber geht es zum ersten Mal hinaus in
     *Der Name von       rübergehendes Zuhause roch nach Maisfladen, Ab­was­        den gegenüberliegenden Park. Die Palisanderholz­
     Lucía wurde         ser und Orangenblüten. Es fühlte sich anders an als        bäume blühen lila. Lucía ist aufgeregt, stolpert beim
     ge­ändert, um
                         das kleine Dorf in Honduras, aus dem sie stammt. Die       Seilspringen und schlägt sich das Knie auf.
     ihre Identität zu
     wah­ren.            Achtjährige kam vor mehreren Monaten nach Mexiko,
                         zusammen mit ihrer Mutter und drei Geschwistern.           Schwester Arlina Barral nimmt sie in den Arm,
                         Geflohen vor kriminellen Banden, die Lucías älteste        trocknet die Tränen und tupft das aufgeschürfte Knie
                         Schwester vergewaltigt hatten, vor einem prügelnden        mit einem Desinfektionstuch ab. „Ich bin hier das
                         Vater, vor dem Elend in einem Land, das zu den ärms­       Multifunktionstalent“, sagt die Direktorin. Kranken­
                         ten Lateinamerikas gehört und dessen politische Elite      schwester, Managerin, Kindergärtnerin, Telefonistin,
                         tief verstrickt ist in Korruption und Drogenhandel.        Köchin, Psychologin, Berufsberaterin, Anwältin – all
                                                                                    diese Rollen muss sie ausfüllen. Die Heimleitung
                         In dem vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unter­         beansprucht Barral rund um die Uhr und fordert die
                         stützten Migrantenwohnheim des Scalabrinianer-             Management-Qualitäten der gelernten Betriebswirtin.
                         Or­dens fand Lucías Familie nach mehreren Wochen           Nur an drei Tagen pro Woche übergibt sie den Staffel­
                         der Flucht eine Oase der Ruhe. Wegen des Corona­virus      stab an eine Kollegin.
Schwester Arlina ist
                                                                                                                                   13
                                                          permanent im Einsatz.

                                                          Senatsabgeordneten hinter sich, in der es um die akute Migranten-
                                                          krise ging. In der rechten Hand hält sie das blaue Handy, um eine
                                                          Taxifahrt für drei Migranten zum Zahnarzt zu organisieren. Dann
                                                          klingelt auch noch das rote Handy, das sie in ihrer Westentasche
                                                          stecken hat. Die Migrationsbehörde teilt ihr einen Anhörungstermin
                                                          für einen noch minderjährigen Flüchtling mit.

                                                          Auch wenn es zugeht wie im Taubenschlag, Schwester Arlina bleibt
                                                          gelassen und findet sogar noch Zeit, der Köchin beim Zwiebelschnip­
                                                          peln zur Hand zu gehen. Und zwischendurch erstellt sie noch den
                                                          wöchentlichen Putzplan, der die Migranten in die Haushaltsführung
                                                          mit einbindet. Feste Aufgaben und ein strukturierter Tagesablauf
                                                          geben den Flüchtlingen Halt, erklärt sie. Die ursprünglich von den
Die wichtigen Entscheidungen aber trifft Schwester        Philippinen stammende Schwester kennt die Nöte und Bedürfnisse
Arlina Barral. Und davon gibt es viele: Mal bekommt       der Migranten gut. Ihr eigener Vater ging eine Zeitlang zum Arbeiten
eine der schwangeren Frauen nachts Krämpfe, mal           nach Afrika, was die Familie auseinanderriss und sie selbst mit Dis­
stürzt ein Kind die Treppe hinunter, mal lädt ein         kriminierung und Ausgrenzung konfrontierte. Diese einschneidende
Spender spontan Säcke voller Reis ab, mal braucht         Erfahrung bewegte sie dazu, sich nach dem Betriebswirtschaftsstu­
ein Flüchtling neue Schuhe, mal rufen die Behörden        dium in Manila den Scalabrinianerinnen anzuschließen, die sich auf
an und bitten um die Aufnahme eines Notfalls. „In         die Arbeit mit Migranten spezialisiert haben. 20 Jahre lang baute sie
ganz Mexiko-Stadt gibt es nur 200 Wohnheimplätze          im Erzbistum von Mexiko die nationale Migrantenpastoral mit auf.
für Migranten“, erläutert Barral. Doch die Nachfrage      Sie kennt die Anlaufstellen, die Fallstricke und hat viele persönliche
ist groß. Denn die Hauptstadt ist eine Anlaufstelle für   Kontakte. Das hilft ihr und den Migranten der Casa Mambré. Seit
diejenigen Migranten, die in Lebensgefahr schweben        2020 leitet sie die Unterkunft, in der bis zu 50 Frauen, Männer und
sowie politisches oder humanitäres Asyl beantragen.       Kinder Unterschlupf finden.
Sie werden vom Flüchtlingskommissariat der Verein­
ten Nationen (UNHCR) oder von den mexikanischen           Für Luis aus Kuba ist es fast schon ein zweites Zuhause. Er wurde in
Migrationsbehörden an die Casa Mambré überwiesen.         seinem Heimatland politisch verfolgt. Sein Weg in die USA endete
                                                          jäh in der Grenzstadt Tijuana. Dort wurde er Zeuge eines Gewaltver­
Es sind Kubaner, Haitianer, Mittelamerikaner, Ve­         brechens, was ihn ins Visier der Drogenkartelle rückte. Traumati­
nezolaner, aber auch Menschen aus Afrika. Sie alle        siert floh er nach Mexiko-Stadt. „Ich verdanke den Schwestern mein
haben traumatische Erlebnisse hinter sich, sind oft       Leben. Dafür werde ich ihnen für immer dankbar sein“, sagt er.
abgemagert oder verletzt von langen Gewaltmärschen.
Für einige Monate dürfen sie hier bleiben, um ihre
Papiere in Ordnung zu bringen. „Sie sollen sich bei
uns wohlfühlen, zur Ruhe kommen und ihr Leben
neu ausrichten“, erklärt Barral. In der Casa Mambré
bekommen sie dreimal am Tag zu essen und das Nö­
tigste von Kleidern bis zu Hygieneartikeln. Sie können
ihre Wäsche waschen, die Kinder werden unterrichtet,
es gibt Brettspiele, Malsachen und eine Tischtennis­
platte. Mehrmals die Woche kommt ein Arzt vorbei.
Eine Sozialarbeiterin und ein Psychologe helfen bei
Behördengängen, beim Einleben in Mexiko und beim
Bewältigen von Traumata.

Schwester Arlina steht einem Team mit knapp einem
Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor – fast
schon ein kleiner Betrieb. In ihrem gläsernen Büro im
                                                          Zur Ruhe kommen und das Leben neu
Erdgeschoss laufen alle Fäden zusammen. Gerade hat        ausrichten – in der Casa Mambré muss
sie eine Zoom-Konferenz mit einer mexikanischen           niemand hungern.
14         Paraguay

                           Der Brückenbauer
                           der Bañados
                           ADVENIAT-PROJEKTPARTNER RICARDO GONZÁLEZ
                           TEXT: ANNE HERRBERG; FOTOS: OLIVER SCHMIEG

                           In kaum einem Land Südamerikas ist die soziale Ungleichheit so extrem wie in Paraguay. In der Hauptstadt
                           Asunción liegen die Armenviertel direkt hinter dem Präsidentenpalast. Dort, wo der Fluss Río Paraguay regel­
                           mäßig alles überflutet. Ricardo González von der Sozialpastoral kämpft für ein würdiges Leben im Trockenen.

                           „Bis hierhin stieg das Wasser.“ Ricardo González         Der 61-Jährige leitete bis ins vergangene Jahr die
                           zeigt auf den aufgeplatzten Putz, der von der Haus­      Sozialpastoral von Asunción. Er kann sich nicht erin­
                           wand blättert. Eine gelbliche Linie zieht sich entlang   nern, wie viele Überschwemmungen er bereits erlebt
                           der einstöckigen Ziegelbauten an der abschüssigen        hat. Finanziell vom Lateinamerika-Hilfswerk A
                                                                                                                                ­ dve­niat
                           Hauptstraße von La Chacarita. Je weiter es abwärts       unterstützt, war die Sozialpastoral jedes Mal zur
                           geht, umso höher die Linie an den Mauern. Ganz un-       Stelle: mit Booten zur Evakuierung, Notunterkünften,
                           ten in der Senke sind nur noch Ziegelreste zu sehen,     trockenen Decken und einem warmen Eintopf. Auf
                           Unkraut überwuchert eine einsame Klo­schüssel,           diese Strukturen konnte auch in der Corona-Pandemie
                           da­zwischen ein Stuhlbein, ein Tischgerippe, Sperr-      zurückgegriffen werden: „Uns war klar, dass der Hun­
     Unten und rechts:
                           holz. 2019 mussten 70.000 Menschen wegen der             ger schnell das größte Problem werden würde“, sagt
     Ricardo González
     auf seinem Weg        Über­schwemmungen aus den Bañados evakuiert              Ricardo González. „Die meisten Menschen hier haben
     durch die Bañados.    werden. Bañados, „Gebadete“ – so heißen die Armen-       keine feste Jobs, sie arbeiten informell, als Straßenver­
                           viertel von Asunción, die sich, wie La Chacarita, im     käufer, Autoaufpasser, Putzfrauen.“ Durch den Lock­
     Rechte Seite: Die
                           Schwemm­land, direkt am Ufer des Río Paraguay aus-       down haben sie ihre täglichen Einnahmen verloren.
     Mitarbeiterinnen
     in den Suppenkü­      breiten. Zu­letzt kam das Wasser im Februar 2021. „Die   Keine Arbeit, kein Geld, kein Essen. Die Sozialpastoral
     chen sorgen dafür,    Menschen leben mit der Gewissheit, regelmäßig das        richtete gemeinsam mit den Pfarrgemeinden mehr als
     dass Familien
                           Wenige, das sie haben, in den Fluten zu verlieren“,      70 Suppenküchen ein, die 23.000 Portionen pro Tag
     we­nigstens eine
     war­me Mahlzeit pro   sagt Ricardo González. „Doch wo sollen sie hin? –        auslieferten. „So konnten wir den Familien zumindest
     Tag bekommen.         Das macht einen so wütend!“                              eine warme Mahlzeit am Tag garantieren.“
15
Doch es geht nicht nur um Unterstützung im Notfall:         Die Erfahrung mit der paraguayischen Bürokratie sollte ihm oft
Ricardo González setzt sich mit den Bewohnern dafür         helfen. Gleich bei seinem ersten Projekt unterstützte er die Legalisie­
ein, dass es in Asunción irgendwann keine „Bañados“         rung von Landrechten für 1.000 Familien in Asunción. Denn eines
mehr gibt. Dafür, dass diese Überschwemmungs-Ka­            der zentralen Probleme in Paraguay ist, dass sich mehr als 80 Prozent
tastrophen endlich ein Ende haben. Es ist ein Kampf         des verfügbaren Landes in den Händen der drei einflussreichsten
gegen bürokratische Mühlen und korrupte Strukturen.         Prozent befindet. Ein Erbe der langen Stroessner-Diktatur. „Der
Auch Ricardo, mit seiner zurückhaltenden Art, wurde         politischen Elite in Paraguay fehlt jede Ethik. Und das Schlimmste:
anfangs skeptisch beäugt. Doch bald wurde klar: Das         Es herrscht bis heute Straflosigkeit“, kritisiert González. Knapp 40
ist einer, der nicht lockerlässt, für den der Einsatz       Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, daran hat
für soziale Gerechtigkeit kein Marketingspruch ist,         auch das hohe Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nichts verän­
sondern Lebensmotto. „Veränderung“, sagt er, „kann          dert. Im Gegenteil: Die Corona-Pandemie hat die Lage verschärft.
nur von unten, von den Menschen selbst angestoßen
werden.“                                                    Immer mehr Menschen drängen in die Hauptstadt, besetzen dort
                                                            leerstehende Flächen, weil sie auf dem Land keine Überlebens­
González ist selbst in armen Verhältnissen aufge­           chancen mehr sehen. „Es war ein zähes Ringen“, erinnert sich der
wachsen. Sein Vater starb, als er zwei Jahre alt war. Die   einstige Buchhalter an die Legalisierung der Besetzung. Nach wie vor
Mutter, eine Lehrerin auf dem Land, zog die sieben          ist die Vergabe der Landtitel nicht abgeschlossen. Doch der Name der
Kinder alleine groß. „Während die Nachbarskinder            Sozialpastoral hat Gewicht. So gelang es, die Behörden zu konkreten
auf dem Feld aushelfen mussten, schickte unsere             Zusagen zu bewegen und das Vertrauen der Familien zu gewinnen.
Mutter uns immer zur Schule“, erinnert sich Ricardo         „Ich sehe mich als eine Art Brücke“, sagt González, „als Vermittler
González. „Ihre Überzeugung: Wir können die Armut           zwischen zwei Welten, die sich oft misstrauen – aber Großes errei­
überwinden mit Bildung, Arbeit, Ehrlichkeit und             chen können, wenn sie zusammenarbeiten.“
Solidarität.“ Mit 14 wurde er Katechet in der Kirchen­
gemeinde. Sein Traum: irgendwann für die Erzdiözese         González träumt von einem sozialen Modellprojekt. Gemeinsam
arbeiten zu können. Der erfüllte sich über Umwege.          mit den Pfarrgemeinden der Bañados plant die Sozialpastoral eine
González studierte zunächst Rechnungswesen und              urbane Revolution: Das Schwemmland soll aufgeschüttet werden
wurde Buchhalter. „Vielen meiner Kunden ging es             und ein Viertel mit sozialem Wohnraum, Gastronomie und privaten
in erster Linie darum, Steuern zu hinterziehen. Ich         Büroräumen entstehen. Die Stadtverwaltung ist mit im Boot. Auch
sollte Dinge tun, die gegen alles verstießen, woran ich     die Weltbank will das Projekt der neuen „Franja Costera“ (Küsten­
glaube.“ Er bewarb sich bei der Sozialpastoral, die bald    streifen) unterstützen. Warum er sich nach wie vor in den Bañados
merkte: Noch besser als mit Zahlen geht González mit        engagiert, trotz seiner Pensionierung? Er schmunzelt: „Ich habe noch
Menschen um.                                                zu viel Energie zum Aufhören.“
16   Info

            Weihnachten feiern
            Liebe pastorale Mitarbeiterinnen, liebe Lehrerinnen und Lehrer,
            liebe Eltern und Großeltern,

            für den Advent und das Weihnachtsfest 2021 möchte Adveniat Ihnen wieder mit einer Weihnachtsgeschichte und
            einem dazu entwickelten Krippenaufsteller Anregungen für die Gestaltung dieser besonderen Zeit geben. Das Thema
            der Adveniat-Weihnachtsaktion 2021 ist „ÜberLeben in der Stadt“. Dazu haben wir drei aufeinander abgestimmte
            Bausteine für Kinder entwickelt:

            Krippenaufsteller und Weihnachtsgeschichte
            Der Künstler Carlos Lima aus Bogotá, Kolumbien, hat den diesjährigen Krippenaufsteller (Seite 18) zu unserer
            Weihnachts­geschichte (Seite 19) gestaltet. Er eignet sich zum Ausmalen mit Kindern – zu Hause, in der Schule oder im
            Rahmen eines Kindergottesdienstes. Bestellung unter → www.adveniat.de/material
            Von einem Kind ausgemalt, ist er ein schönes Geschenk an die Eltern, Großeltern, Verwandten und Freunde. Stellen
            Sie den ausgemalten Krippenaufsteller auf und zünden ein Teelicht davor an. Bei Blick auf das Kerzen­licht lesen Sie
            den Kindern unsere Weihnachtsgeschichte vor.

            Kinder-Krippenfeier
            Im dritten Baustein bieten wir Ihnen wieder eine Kinder-Krippenfeier an, die auf die Weihnachtsgeschichte Bezug
            nimmt. Diese finden Sie in unserem Heft „Spirituelle Impulse“ → www.adveniat.de/material
            Sicherlich gibt es in Ihrer Gemeinde, in Ihrer Schule oder in Ihrer Familie Kinder, die bei dem Krippenspiel mit­wirken
            möchten. Wir wünschen Ihnen beim Einüben und Aufführen viel Freude.

            Elemente für den Unterricht
            In der adventlichen und vorweihnachtlichen Zeit bietet Adveniat an, sich auch im Schulunterricht mit Latein­amerika,
            den Menschen dieses Subkontinents, ihren Freuden und Leiden, den Alltagsschwierigkeiten und großen gesellschaft-
            lichen Herausforderungen auseinander zu setzen. Das kann im Geschichts-, Geografie-, Spanisch- und/oder Reli-
            gionsunterricht geschehen. In dem Materialangebot zur Adveniat-Weihnachtsaktion 2021 geht es um das Thema
            „ÜberLeben in der Stadt“ mit konkreten Beispielen aus Mexiko, Paraguay und Brasilien. Ein Team erfahrener Lehrerin-
            nen und Lehrer stellt Ihnen Elemente vor, mit denen Sie einen interessanten und anregenden Unterricht – besonders
            für die Klassen 8, 9 und 10 – gestalten können. Zugleich möchten diese Elemente eine Einladung sein auch mit Eltern,
            Geschwistern, Freundinnen und Freunden ins Gespräch zu kommen und eine solidarisch tätige Gemeinschaft auf­
            zubauen. → www.adveniat.de/unterrichtsmaterial
17

                        So kommt die Weihnachtskollekte
                        in Ihrer Gemeinde an
                        Ohne die Gelder der Adveniat-Weihnachtskollekte können viele Projekte in Lateinamerika nicht umgesetzt werden.
                        Ohne die Hilfe und Unterstützung der Verantwortlichen in Gemeinde und Verband kommt die Kollekte nicht zu
                        den Menschen. Deshalb stellen wir Ihnen hier eine kurze Checkliste vor. Sie soll helfen, die Kollekte zu organisie-
                        ren, damit arme und bedürftige Menschen in Lateinamerika und der Karibik unsere weihnachtliche Solidarität
                        erfahren können.

                        Vor dem 1. Advent                                                                               Im Advent 2021
                        → Planen Sie einen Artikel zur Adveniat-Weihnachtsaktion in                                     → Weisen Sie in Ihren Advents-Veranstaltungen und digita­len
                           Ihrem Weihnachtsbrief.                                                                              Angeboten auf Adveniat hin.
                        → Legen Sie die Spendentüten für die Adveniat-Kollekte                                          → Gestalten Sie die Adventsfeiern in Ihrer Gemeinde/
                           Ihrem Pfarrbrief bei und verteilen Sie diesen in die                                                Ein­richtung mit Anregungen aus den Spirituellen
                           Haushalte. Falls Sie keine Pfarrbriefe in die Haushalte                                             Impulsen und der Adveniat-Toolbox auf
                           verteilen: Sprechen Sie Freiwillige in Ihren Gemeinden                                              → www.adveniat.de/toolbox
                           oder Verbänden an, die die Spendentüten zu den Men­                                          → Nutzen Sie die Anregungen zu Früh- und Spätschichten
                           schen nach Hause bringen und in deren Briefkästen                                                   aus den Spirituellen Impulsen.
                           einwerfen – dies lässt sich gut mit einem Weihnachts­
                           gruß verbinden.
                        → Nutzen Sie für Ihren Pfarr- oder Rundbrief den Adveniat­
                                                                                                                                                                                            Vielen Dank für Ihre
                           Pfarrbriefmantel und inhaltliche Angebote speziell für                                                                                                           Unterstützung!
                           Pfarrbriefe auf → www.adveniat.de/material
                                                                                                                        Zum 3. Adventssonntag (12.12.2021)
                        Zum 1. Adventssonntag (28.11.2021)                                                              → Verlesen Sie den Aufruf der deutschen Bischöfe, oder
                        → Hängen Sie die Aktionsplakate von Adveniat in Ihren                                                  spielen Sie diesen bei Online-Gottesdiensten digital ein.
                           Kirchen und Schaukästen aus.                                                                 → Weisen Sie auf die über den Pfarrbrief verteilten Spen­
                        → Stellen Sie ein Hinweisschild (Aktionsplakat DIN A4)                                                 den­tüten noch einmal hin und legen Sie zusätzlich
                           am Opferstock auf.                                                                                  ­weitere Spendentüten aus. Bestellung über
                        → Legen Sie Adveniat-Infos am Schriftenstand aus und                                                   → www.adveniat.de/material
                           weisen Sie auf Ihrer Internetseite und Ihren Präsenzen in                                           Falls es keinen Pfarrbrief an alle Haushalte gibt, senden
                           den sozialen Medien auf Adveniat hin. Nutzen Sie dazu                                               Sie den Weihnachtsgruß Ihrer Gemeinde gemeinsam mit
                           entsprechende Angebote auf → www.adveniat.de                                                        der Spendentüte in alle Haushalte.
                                                                                                                        → Gestalten Sie den Gemeindegottesdienst am 3. Advents­
                                                                                                                               sonntag          mit Beiträgen aus den Spirituellen Impulsen.
                                                                                                                                 Spende in die Tüte geben!
                                                                                                              abtrennen und mit der
                                                                           Coupon für Spendenquittung – bitte

                                                                           Vorname, Name
                                     Meine Spende
pende                                zu Weihnachten hilft …
                                                                           Straße, Haus-Nr.
                                                                                                                        Heiligabend und 1. Weihnachtstag (24./25.12.2021)
                                                                                                                                                     €
                                                                                                                                        Betrag

at.de/spenden                                                              PLZ, Ort

                                                                                              → Laden Sie In allen Gottesdiensten und Krippenfeiern zur
                                                                                HILFE DIE ANKOMM  T!
                                                                                                Adveniat-Kollekte  ein.
MMT AN                                                                                          en in Deutschland
                                                                                Seit mehr als 60 Jahren teilen die Mensch

SPENDE
                                                                                ihre Weihnachtsgaben mit den Mensch     → Weisen Sie auf die Bedeutung der Adveniat-Kollekte
                                                                                                                       en in Lateinamerika. Die
                                                                                                                           und die Spenden zur
                                                                                Weihnachtskollekte in den Gottesdiensten
 ypal unter:                                                                                                          ent der Arbeit Adveniats.
                                                                                Weihnachtsaktion bilden das Fundam
                                                                                                                    mit den
                                                                                                                               für Lateinamerika hin.
                                                                                                                             Menschen und vor
                                                                                 Die Projektpartner Adveniats leben
                                                                                 allem den Armen.
                                                                                                                     Blick auf die Armen in den
                                                                                 In diesem Jahr richtet Adveniat den
 der Rückseite:                                                                                                           enzt und in Not leben
                                                                                 Städten Lateinamerikas, die oft ausgegr
0173 45
                                                                                 müssen. Die Auswirk  ungen  der Corona-Im Laufe des Januar 2022 /
                                                                                                                          Pandemie haben diese
                                                                                                                       es umso wichtiger, dass die
TÜTE                                                                              Situation verschlimmert. Deshalb ist
                                                                                  Adveniat Weihnachtskollekte in den
                                                                                                                        Im nächsten Pfarr- oder Rundbrief
                                                                                                                       Gemeinden gehalten werden
                                                                                                                         htliche Gabe teilen kön-
                                                                                  kann und viele Menschen ihre weihnac
 ro.
                                                                                   nen.
                                                                                                                        → Geben Sie das Ergebnis der Adveniat-Kollekte ­bekannt
EINZUG                                                                             Wir bitten Sie um eine großzügige Spende
                                                                                                                              in die Adveniat Weih-
 der                                                                               nachtskollekte. Ob mit der Spenden          und nutzen Sie für den Dank an Ihre Gemeinde die
                                                                                                                      tüte, einer Überweisung oder
 Rückseite.                                                                                                             ist ein Hoffnungszeichen
                                                                                   Dauerspende – ihre Weihnachtsgabe
                                                                                   für viele Menschen in Lateinamerika         Dank­karte aus den Adveniat-Materialien oder
                                                                                                                        und Adveniat und seine
                                                                                                                                                         Spendentüte bitte hier abtrennen

                                                                                                             sorgen dafür,  dass sie ankommt.
                                                                                   Partnerinnen und Partner
efon 0201 1756-248
niat.de                                                                                                Vergelt’s Gott          Adveniat-Vor­lagen für den Pfarrbrief auf

                              ÜB ER LE BE N
                                                                                                       und eine gesegnete Weihnacht!
                                                                                                                               → www.adveniat.de/material
ke für Ihre Spende in
Weihnachtskollekte!                                                                                     P. Martin Meier SJ
                                                 Die Tüte für Ihre
                                                 Weihnachtskollekte 2021                                Hauptgeschäftsführer Adveniat
18   Familienseiten

                 ADVENIAT-KRIPPENAUFSTELLER 2021

                ÜberLeben in der Stadt
                 Ob Mexiko-Stadt, Lima, Río de Janeiro oder Bogotá; ob        aber auch oft weggeworfenes Essen. Mit einem alten
                 Ma­naus, Quito, Puebla oder Cali: An den Ampeln stehen       und bepackten Sack ziehen sie durch die Straßen;
                 Men­schen – oft als Familie, um den vorüberfahrenden         selbstver­ständlich helfen die Kinder dabei. Vielleicht
                 Autos IRGENDETWAS anzubieten. Sobald die Ampel rot           kommt sogar der Hund noch auf seine Kosten.
                 wird, laufen diese Menschen zu den Autos und bieten
                 Süßigkei­ten, Zigaretten, Blumen oder Kugelschreiber         Durch die Hochhäuser im Hintergrund drückt Carlos
                 an; andere zeigen akrobatische Zirkuseinheiten auf der       Lima, der Künstler aus der Nähe von Bogotá, aus, was
                 Kreuzung oder waschen die Windschutzscheibe des              für große Mehrheiten der Bevölkerung das alltägliche
                 Autos.                                                       Leben in den größeren Städten des Subkontinents
                                                                              auszeichnet. Es ist mehr ein Überleben! – Ohne Arbeit
                 Meist ist dies die einzige Möglichkeit, wie die Familien     oder unterbeschäftigt suchen Abermillionen von Men-
                 etwas für ihren Unterhalt verdienen können. Die Kinder       schen ihr Überleben in der informellen Wirt­schaft: Es
                 helfen mit, brauchen so nicht alleine zurückgelassen zu      ist ein Überleben am Rande des Daseins – ohne Rechte
                 werden – für die Schule fehlt sowieso das Geld. Unter Um­    und mit Füßen getreten, marginalisiert und ausge­
                 ständen kann das Kind auf dem Arm auch etwas Mitleid         schlossen. Wo bleibt die Würde dieser Menschen?
                 auslösen, und es kommen ein paar mehr Münzen dazu.
                                                                              Inmitten dieser Wirklichkeit – nicht rechts und nicht
                 Was für die einen nichts mehr bringt und entsorgt wird,      links, nicht weit entfernt und nicht versteckt, sondern
                 kann für die anderen das Abendessen sichern. Wie viele       mittendrin – wird Gott Mensch. Genau hier geschieht
                 Menschen ziehen in den lateinamerikanischen Städten          Menschwerdung und gibt Gott dem Menschen seine
                 zu den Mülltonnen und suchen nach Verwertbarem! –            Würde zurück. Welch eine Herausforderung für uns
                 Das kann Papier, Karton, Glas, Plastik und Eisen sein, ist   alle! – Frohe Weihnachten!

     Hier kann der Krippenaufsteller bestellt werden
     Y www.adveniat.de/material2021
Sie können auch lesen