Affektive Störungen ORIANA CLASEN KLINIK FÜR KINDER- U. JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK U. PSYCHOTHERAPIE - Universitätsklinikum des Saarlandes

 
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Affektive Störungen ORIANA CLASEN KLINIK FÜR KINDER- U. JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK U. PSYCHOTHERAPIE - Universitätsklinikum des Saarlandes
Affektive Störungen
ORIANA CLASEN
KLINIK FÜR KINDER- U. JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK U. PSYCHOTHERAPIE
UNIVERSITÄTSKLINIKUM DES SAARLANDES
HOMBURG
Affektive Störungen ORIANA CLASEN KLINIK FÜR KINDER- U. JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK U. PSYCHOTHERAPIE - Universitätsklinikum des Saarlandes
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                     01                  02                03
                     Diagnosekriterien   Ätiologie und     Psychotherapeutis
         Lernziele   einer Depression    Prävalenzen der   che und
                     und                 depressiven       medikamentöse
                     Symptomunterschi    Störung           Behandlung der
                     ede abhängig                          Depression
                     vom Alter

Oriana Clasen                                                          30.10.2020
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                        Ein 16-jähriges Mädchen, das zum
                        Zeitpunkt der Vorstellung bereits seit
                        ca. 6 Monaten folgende
                        Beschwerden hatte:

                        •   Weniger Antrieb u. Energie
                        •   stärkere innere Unruhe
                            Kopf- und Bauchschmerzen
         Fallbeispiel
                        •
                        •   Druckgefühl auf der Brust
                        •   Leeregefühl
                        •   Schlafstörungen
                        •   sozialer Rückzug
                        •   könne sich nicht mehr richtig
                            freuen
                        •   Hobbys weitgehend reduziert
                        •   treffe sich auch nur noch selten
                            mit ihrer besten Freundin

Oriana Clasen                                                30.10.2020
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                        •   könne sich in der Schule
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                        •   die Leistungen seien noch
                            in Ordnung
                        •   Morgentief
                        •   Hinweise auf
                            selbstverletzendes
         Fallbeispiel       Verhalten oder akute
                            Suizidalität ergaben sich
                            nicht
                        •   Grübeln
                        •   Keine Auffälligkeiten in
                            der Eigen- und
                            Familienanamnese

Oriana Clasen                                               30.10.2020
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                      Gruppe von
                                             Störungen tendieren
                      Störungen, deren
                                             zu wiederholtem
                      Hauptsymptom die
                                             Auftreten
                      krankhafte
                      Veränderung der
                      Stimmungslage ist

         Definition
                                             in der ICD-10 und
                      Klassifikation gemäß
                                             DSM-5 kategoriale
                      ICD-10 gilt für alle
                                             Einteilung nach
                      Altersgruppen
                                             Schweregrad

Oriana Clasen                                               30.10.2020
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                      ICD-10 unterscheidet          Episoden (aller drei
                      Ausprägungsgrade der          Schweregrade)= ab
                      Symptomatik                   einer Dauer von zwei
                      (leicht, mittelgradig,
                      schwer oder
                                                    Wochen
                      rezidivierende depr.

         Definition
                      Störung, evtl. mit psychot.
                      Symptomen)

                       Rezidiv= mind.               Depressive Störungen
                       zweimonatiges                können bereits ab
                       beschwerdefreies             dem Alter von drei
                       Intervall                    Jahren diagnostiziert
                                                    werden (Luby, Belden,
                                                    Spitznagel, 2006)

Oriana Clasen                                                               30.10.2020
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                             ICD-10                                      DSM-5
                             Hauptsymptome:                              Mindestens depressive Verstimmung,
                                                                         Freudlosigkeit, Interessensverlust innerhalb
                             Herabgestimmtheit, die meiste Zeit, fast    von wenigstens 2 Wochen
                             täglich, seit mind. 2 Wochen
                             Interessensverlust, Freudlosigkeit,
                             Aktivitätseinschränkung
                             Antriebslosigkeit
                             Schnelle Ermüdbarkeit, Müdigkeit
         Diagnosekriterien   Weitere mögliche Symptome:                  Fünf von neun Symptomen müssen
         ICD-10 und DSM-5    Kognitive Einschränkungen (Konzentration,
                                                                         vorhanden sein:

                             Aufmerksamkeit)                                1. Depressive Verstimmung
                             Früherwachen, Morgentief                       2. Interessenverlust/Freudlosigkeit
                             Unentschlossenheit oder Unschlüssigkeit        3. Appetit- oder
                             Reduzierte Selbstwertgefühl, geringes             Gewichtsveränderungen
                             Selbstvertrauen                                4. Schlaflosigkeit oder starke Müdigkeit
                             Gefühl der Wertlosigkeit                       5. Psychomotorische Agitation oder
                             Unangemessene Schuldgefühle,                      Gehemmtheit
                             Selbstvorwürfe                                 6. Energielosigkeit oder Fatigue
                             Psychomotorische Agitation oder                   (Erschöpfung)
                             Gehemmtheit                                    7. Schuldgefühle oder red.
                             Suizidgedanken, suizidales Verhalten              Selbstwertgefühl
                             Schlafstörung                                  8. Konzentrationsstörung oder
                             Appetitmangel oder –steigerung mit                Unentschlossenheit
                             Gewichtsveränderungen                          9. Suizidgedanken oder suizidales
                                                                               Verhalten
Oriana Clasen                                                                                                       30.10.2020
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  Epidemiologie
    •   Lebenszeitprävalenz depressiver
        Störungen: 10-20%

    •   Altersgruppe 9-17 Jahre: 6%; in 4,9%
        Major depression (Entwicklungspsychiatrie, 2.
        Auflage)

    •   Prävalenzraten USA (8-15 J.): 2,7 %
        Major depression, 1,0 % Dysthymia
        (Ries Merikangas et al., 2009)

    •   ab dem 13.LJ treten Depressionen
        signifikant häufiger auf (Mehler-Wex u. Kölch,
        2008)

    •   ab Jugendalter weibliche
        Geschlecht häufiger (2:1)

Oriana Clasen                                                30.10.2020
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      Symptome in den
      verschiedenen
      Altersstufen
                          Kleinkind (1-3 J.): eher           Vorschulkind (4-6 J.):
                        somatische Symptome, wie           reduzierte Psychomotorik,
                        Appetit-, Schlaf-, Gedeih- u.             Lustlosigkeit,
                         Entwicklungsstörungen o.         Stimmungsschwankungen,
                            Bauchschmerzen;               Reizbarkeit u. Aggressivität
                        Cave: Diagnose aber erst ab        Leitsymptom: Anhedonie
                          dem Alter von 3 Jahren
                                                         geringe Frustrationstoleranz
                        Irritabilität, Ausdrucksarmut,
                                    Agitation            Passivität, verminderte Gestik
                                                                    und Mimik

Oriana Clasen                                                                                 30.10.2020
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    Symptome in den
    verschiedenen
    Altersstufen
                          Schulkind (7-12 J.):       Jugendalter (13-18 J.):
                          Selbstbericht über      Leistungsprobleme, sozialer
                      Traurigkeit, Schuldideen,       Rückzug, Antriebs- u.
                      Versagensängste, sozialer         Interessenverlust,
                            Rückzug, erste               Zukunftsängste,
                        lebensmüde/suizidale          Selbstwertprobleme,
                              Gedanken                      Suizidalität

                        Schulleistungsstörung

Oriana Clasen                                                                    30.10.2020
Komorbiditäten                                                                     11
                                                       VORSCHULKINDER: HOHE
  • 40-70% weisen eine weitere psych.                  KOMORBIDITÄTSRATEN MIT
    Störung auf (Lehmkuhl, Walter u. Lehmkuhl, 2008)   EXTERNALISIERENDEN STÖRUNGEN
                                                       (LUBY ET AL., 2003):
  • 20-25 % mind. 2 weitere Störungen                       42% ADHS
      (Lehmkuhl et al., 2008)
                                                            62% ODD
  • Angststörungen (bis zu 75%)                             41% ADHS+ODD
                                                            28% Angststörung
  • Störungen des Sozialverhaltens (bis zu
    50%)
                                                       GLEICHZEITIGE AUFTRETEN VON EINER
  • Substanzmissbrauch u./o. Aggressivität             DEPRESSIVEN U. EINER
    (25%)                                              EXTERNALISIERENDEN STÖRUNG
                                                       (ADHS U./O. ODD) KEINE
  • Essstörungen                                       VERSCHLECHTERUNG DER
  • Zwangsstörungen                                    SYMPTOMATIK

Oriana Clasen                                                                         30.10.2020
Ätiologie u. Pathogenese                          12
    •    Ursachen ungenügend geklärt
    •    biologische und psychosoziale Modelle
    •    biologische Modelle: neuroendokrine,
         biochemische u. genetische Hypothesen

    •    Genetische Faktoren: Risiko steigt mit
         zunehmendem Verwandtschaftsgrad, bei
         zwei erkrankten Elternteilen bis 50%
    •    höhere Konkordanzraten bei eineiigen
         Zwillingen (40% für eineiige und 14% für
         zweieiige Zwillingspaare)
    •    Polygenetischer Erbgang
    •    Polymorphismus (Gen-Variante) des
         Serotonintranspoter-Gens
    •    Gen-Umwelt-Interaktion

Oriana Clasen                                        30.10.2020
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         Ätiologie u. Pathogenese

               Neurotransmission: Dysregulations- und Dysbalancemodelle:
         Überwiegen der cholinergen Aktivität gegenüber noradrenerger und
         serotoninerger, Grundlage der depressiven Affektlage (Mangel an Serotonin
         und Noradrenalin)

               Neuroendokrine Faktoren: Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-
                Nebennierenrinden-Achse mit erhöhter Cortisolsekretion

Oriana Clasen                                                                         30.10.2020
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         Ätiologie u. Pathogenese

               Psychosoziale Modelle:
                 Psychoanalytische Theorie: Depression als eine gegen das
                  Selbst introjizierte Aggression in Reaktion auf Liebesverlust
                  oder Trennung
                 Lerntheoretisches Modell: Depression als Mangel an
                  positiver Verstärkung oder sozialen Fertigkeiten
                 Kognitionspsychologische Ansätze: Bewerten sich selbst,
                  Umwelt und Zukunft negativ; selektives Filtern von
                  Hinweisreizen (Beck); Theorie der erlernten Hilflosigkeit
                  (Seligmann)

Oriana Clasen                                                                      30.10.2020
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         Ätiologie u. Pathogenese

               jeder Mensch ist zu depressiven Reaktionen in der Lage, intraindividuelle
                Unterschiede liegen in der Vulnerabilität

               Hypothese der „biologischen Bahnung“, äußere Belastungsfaktoren
                induzieren neurobiolog., vulnerabilitätssteigernde Veränderungen (z.B.
                erhöhte Katecholamin- u. Kortisolexkretion)

               d.h. Ausgangspunkt für die Genese depressiver Störungen sind einerseits
                eine genetisch determinierte Vulnerabilität, andererseits defizitäre
                Erlebnisse bzw. Umstände im psychosozialen Bereich

Oriana Clasen                                                                                30.10.2020
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                                  Biologische Faktoren:         Psychologische Faktoren:
                                  genetische Vulnerabilität,    schwieriges
                                  körperliche Erkrankungen      Temperament, niedriger
                                                                Selbstwert

         Risikofaktoren für die
         Entwicklung einer
         Depression
                                  Familiäre Faktoren:           Lebensgeschichte:
                                  psychische Störungen der      Verlust- u. Trennungs-
                                  Eltern, Disharmonie,          erfahrungen, Missbrauch
                                  Bindungsdefizit, defizitäre   Mobbing, Krankheit,
                                  Erziehungsstile               Leistungsversagen,
                                                                Trauma

Oriana Clasen                                                                   30.10.2020
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         Risikofaktoren für die Entwicklung einer
         Depression

         Aufrechterhaltende Faktoren:

               Biologische Faktoren: Neurotransmitterstörung, Dysregulation des
                endokrinen Systems, Dysregulation des Immunsystems

               Psychologische Faktoren: negative Kognitionen, Defizite an
                Sozialkompetenz u. Bewältigungsstrategien

               Familiäre Faktoren: psychische Störungen der Eltern, Disharmonie,
                Bindungsdefizit, defizitäre Erziehungsstile, Vernachlässigung

Oriana Clasen                                                                        30.10.2020
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         Diagnose u. Differenzialdiagnostik

               Eigenanamnese: Entwicklung der Symptome, Symptommanifestation
                (saisonal, zyklisch), Erstmanifestation vs. Rezidiv, lebensgeschichtlicher
                Kontext, körperliche Krankheiten
               Familienanamnese: affektive Störungen, andere psychische Störungen,
                Familiensituation
               Psychopathologischer Befund
               Körperliche Untersuchung (ggf. Labor)
               Testpsychologische Untersuchung
               Diagnostische Klassifikation gemäß ICD-10

               DD: Angststörungen, emotionale Störungen, Ausschluss somatogene o.
                pharmakogene Genese

Oriana Clasen                                                                                 30.10.2020
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         Verlauf u. Prognose

         Im Kindes- u. Jugendalter bisher nur begrenzte Erfahrungen:
          Anpassungsstörungen mit depressiver Stimmung insgesamt günstige Prognose
          Major Depression: ein Jahr nach Behandlungsbeginn 70-80%
            geheilt, 10% haben eine anhaltende Depression
          Persistenz der Depression korreliert mit Schweregrad zu Beginn, einer
            komorbiden Zwangsstörung, anhaltenden belastenden Lebensereignissen,
            psychoendokrinen Fehlfunktionen
          in 40-80% kommt es zu Rückfällen innerhalb von 2 Monaten nach Remission,
            bei 50% innerhalb von 3-5 Jahren
          die Dysthymie hat einen Verlauf von 3-4 Jahren, mit hoher
            psychiatrischer und psychosozialer Morbidität, erhöhtes Risiko für Major
            Depression
          schwere depressive Störungen: erhöhtes Risiko für Suizidalität,
            Suizid, Substanzmissbrauch

Oriana Clasen                                                                           30.10.2020
Behandlung von depressiven                                                      20
         Störungen bei Kindern u. Jugendlichen
         (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13)

               1. Empfehlung: Aktiv abwartende       2. Empfehlung: Ambulante Behandlung
                Maßnahmen/Maßnahmen zur               In der Regel erfolgt die Behandlung
                Förderung der Gesundheit               depressiver Störungen bei Kindern u.
                 bei leichten depressiven             Jugendlichen ambulant. Voraussetzung:
                  Störungen ohne Komorbidität,         angemessenes psychosoziales
                                                       Funktionsniveau.
                  ohne Risikofaktoren, ohne
                  familiäre Vorbelastungen
                  oder Warnsignale für einen
                  Rückfall
                 über einen Zeitraum von 6-8
                  Wochen
                 Nachkontrolle nach 2
                  Wochen

Oriana Clasen                                                                                  30.10.2020
Behandlung von depressiven                                                                        21
         Störungen bei Kindern u. Jugendlichen
         (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13)

                3. Empfehlung: Stationäre und teilstationäre       4. Empfehlung: Behandlung der ersten Wahl
                 Behandlung
                                                                       für Kinder u. Jugendliche ab 8 Jahren
                Kriterien für eine stationäre Behandlung:                kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
                                                                         oder interpersonelle Psychotherapie
                   Suizidalität verbunden mit fehlender
                      Absprachefähigkeit
                   erheblicher Mangel an Ressourcen o.                  bei leichter bis mittelgradiger
                      erhebliche aktuelle abnorme                         Depression zunächst Psychotherapie
                      psychosoziale Belastungen
                   erhebliche Funktionseinschränkungen
                                                                         bei schwerer Depression Kombination
                 Eine teilstationäre Behandlung ist unter                 aus KVT und Fluoxetin
                     Berücksichtigung des
                 Schweregrades der Störung, der Ressourcen des
                     familiären und                                      bei Pharmakotherapie Auftreten
                 sozialen Umfeldes sowie der regionalen                   unerwünschter Arzneimittelwirkungen
                     Versorgungskapazitäten zu                            beobachten und empfohlene
                                                                          Kontrolluntersuchungen durchführen
                 prüfen u. ggf. zu empfehlen.

Oriana Clasen                                                                                                   30.10.2020
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         Störungen bei Kindern u. Jugendlichen
         (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13)

               5. Empfehlung: Alternativen zu Behandlung der ersten Wahl
                   wenn bei älteren Kindern u. Jugendlichen kognitive
                    Verhaltenstherapie (KVT) oder interpersonelle Psychotherapie nicht
                    möglich o. nicht gewünscht ist, sollte eine psychodynamische o.
                    systemische Psychotherapie empfohlen werden

                   wenn die Gabe von Fluoxetin nicht möglich ist o. nicht gewünscht ist,
                    sollten die Medikamente Escitalopram, Citalopram o. Sertralin
                    empfohlen werden

Oriana Clasen                                                                                30.10.2020
Behandlung von depressiven                                                    23
         Störungen bei Kindern u. Jugendlichen
         (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13)

         Behandlungsansätze mit unzureichender Evidenz
         Gesprächspsychotherapie, künstlerische Therapien (Kunst- u. Musiktherapie),
           Ergotherapie, Maßnahmen der Jugendhilfe,
         repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), Vagusnervstimulation,
         Schlafdeprivation/Wachtherapie, Massagen

         Für diese Methoden liegt bisher keine ausreichende Evidenz vor, daher kann
            keine Empfehlung für oder gegen diese Ansätze ausgesprochen werden.

         Gegen den Einsatz von Johanniskraut und Agomelatin sprechen mögliche
           unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Oriana Clasen                                                                           30.10.2020
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                                 Abbau belastender Faktoren
                                 Aufbau positiver Aktivitäten

                                 Strukturierung des Alltags
   Kernziele der
   Depressionstherapie           Förderung und Bewusstmachung
   (Mehler-Wex u. Kölch, 2008)   vorhandener Ressourcen

                                 Training sozialer Kompetenzen
                                 Erlernen von
                                 Problemlösungsstrategien

                                 Modifikation negativer Perzeptions-
                                 und Interpretationsmuster
                                 Steigerung von Selbstsicherheit und
                                 Selbstwert
Oriana Clasen                                                           30.10.2020
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         Manie und
         Bipolare
         Störungen

Oriana Clasen         30.10.2020
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                     01                  02                  03
                     Diagnosekriterien   Ätiologie und       Psychotherapeutis
         Lernziele   einer Manie und     Prävalenzen der     che und
                     Bipolaren Störung   Manie und           medikamentöse
                     und das klinische   Bipolaren Störung   Behandlung der
                     Bild                                    Manie und
                                                             Bipolaren Störung

Oriana Clasen                                                           30.10.2020
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                        •   17,3 JAHRE ALTES MÄDCHEN
                        •   SEIT MAI AUSGEPRÄGTE DEPR.
                            SYMPTOMATIK
                        •   MED. BEHANDLUNG MIT CITALOPRAM
                        •   AB HERBSTFERIEN: EUPHORISCH,
                            GESTEIGERTE AKTIVITÄT U. APPETIT,
                            VERRINGERTES SCHLAFBEDÜRFNIS, BEI
                            VERSCHIEDENE PRAKTIKUMSSTELLEN
                            BEWORBEN UND NICHT HINGEGANGEN,
                            UNZÄHLIGE KONTAKTE ÜBERS HANDY,
                            MEHR ALKOHOL KONSUMIERT, 500€
         Fallbeispiel       INTERNTSHOPPING, GELOGEN UND
                            NICHT MEHR AN ABSPRACHEN
                            GEHALTEN

                        •   GERINGER ALKOHOLKONSUM DER
                            KINDESMUTTER WÄHREND DER
                            SCHWANGERSCHAFT
                        •   KEINE PSYCH. ERKRANKUNGEN IN DER
                            FAMILIE BEKANNT

Oriana Clasen                                             30.10.2020
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                        •   PPB: FREUNDLICH, SCHÜCHTERN,
                            VERMIED BLICKKONTAKT, AFFEKT
                            ADÄQUAT, GAB AN SICH
                            DEUTSCHLADWEIT NACH EINER WG
                            UMZUSCHAUEN, DA SIE UNTER
                            KONFLIKTEN DER ELTERN LEIDE,
                            ANSONSTEN UNAUFFÄLLIGER
                            BEFUND

                            VERLAUF: STAT. BEHANDLUNG,
         Fallbeispiel
                        •
                            ZUNÄCHST MIT BENZODIAZEPINEN
                            AUSREICHEND SCHLAF
                            SICHERGESTELLT
                        •    GLEICHZEITIG BEGINN MIT DER MED.
                            BEHANDLUNG MIT EINER
                            PHASENPROPHYLAXE (LAMOTRIGIN)
                        •   KONTAKT ZUM JUGENDAMT UND
                            VERHÜTUNG ALS DEPOT GESPRITZT

Oriana Clasen                                           30.10.2020
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            Definition/Klassifikation:
            Manie und Bipolare Störungen
                   Emil Kraepelin (1856-1926)   Eugen Bleuler (1875-1939)

„Eine abnorme Erleichterung des                 „Die manische Verstimmung
Vorstellungsverlaufes und die Umsetzung         besteht in übertriebenem
zentraler Erregungszustände in Handlungen.“     Frohgemut. Diese Euphorie schlägt
                                                aber schnell in Zorn und Wut um.“

   Oriana Clasen                                                             30.10.2020
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         Definition/Klassifikation:
         Manie und Bipolare Störungen

               Die isolierte manische Episode ist selten

               Bei vorbekannter depressiver Episode ist eine bipolar affektive Störung zu
                diagnostizieren

               Bipolare Störungen: Auftreten wiederholter Episoden von Depression und
                oder Manie, dazwischen freie Intervalle

               Auftreten häufig ohne erkennbaren Anlass und werden später als
                persönlichkeitsfremd erlebt

Oriana Clasen                                                                                 30.10.2020
ICD-10                                        DSM-5                                     31
                             fordert als gemeinsames Kriterium der drei    im DSM-5 werden bipolare u. verwandte
                             Schweregrade der manischen Episode:           Störungen von den depressiven Störungen
                                                                           getrennt betrachtet
                                •   Gehobene Stimmung (häufig
                                    situationsinadäquat)
                                •   Steigerung im Ausmaß und in der
                                    Geschwindigkeit der körperlichen und
                                    psychischen Aktivität

         Diagnosekriterien      •   „Rededrang“                               •   Bipolar-I-Störung (klassisch manisch-
                                                                                  depressive Erkrankung; Kriterien für

         ICD-10 und DSM-5       •   vermindertes Schlafbedürfnis                  mindestens eine manische Episode
                                                                                  wurden erfüllt)
                                •   Verlust sozialer Hemmungen                •   Bipolar-II-Störung (charakterisiert
                                                                                  durch mind. einer Episode einer Major
                                •   überhöhte Selbsteinschätzung                  Depression u. mind. einer hypomanen
                                                                                  Episode)
                                •   Größenwahn                                •   Zyklothyme Störung (über mind. 2
                                                                                  Jahre, bei Kinder 1 Jahr, Perioden mit
                                •   leichtsinniges Verhalten                      hypomanen u. depressiven
                                                                                  Symptomen)
                                •   gesteigerte Libido                        •   Substanz-/Medikamenteninduzierte
                                                                                  bipolare u. verwandte Störungen
                             F31 Bipolare affektive Störung                   •   Bipolare u. verwandte Störungen
                             (hypomanisch, manisch, leicht depressiv,             aufgrund eines anderen medizinischen
                             schwer depressiv, gemischt)                          Krankheitsfaktors
                                                                              •   andere näher bezeichnete bipolare u.
                                                                                  verwandte Störungen
                                                                              •   n.n.b. bipolare u. verwandte Störungen
Oriana Clasen                                                                                                              30.10.2020
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  Epidemiologie
    •   Prävalenz der bipolaren affektiven
        Störung: 0,5%-3%; im Kindes- und
        Jugendalter: 0,1%-1%

    •   In der Pubertät sind Jungen häufiger
        betroffen, im Erwachsenenalter
        überwiegen Frauen

    •   Erkrankungsalter häufig zwischen 20
        und 50 Jahren

    •   Nur ca. 15-20% der Patienten
        erkranken vor dem 20. Lebensjahr

    •   Depressive Phasen treten häufiger auf
        als manische

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         Klinisches Bild:
         Manie und bipolare Störungen

               Symptome im Jugendalter wie im
                Erwachsenenalter
               Im Kindesalter ist das Spektrum unspezifischer
               Klinisches Bild ist gekennzeichnet durch:
                 Kürzere Phasen der Verstimmung
                 Rascheren Phasenwechsel (rapid cycling, ultrarapid
                  cycling)
                 Phasen mit normaler Stimmungslage ebenfalls deutlich
                  kürzer

Oriana Clasen                                                             30.10.2020
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         Klinisches Bild:
         Manie und bipolare Störungen

         depressive Phasen                            manische Phasen
               Kinder niedergeschlagen, freudlos,       im Kindesalter Irritabiltät, emotionale
                antriebsschwach, gehemmt, Weinen          Labilität, Hyperaktivität,
                leicht und ohne erkennbaren Anlass,       Schlafstörungen,
                wirken schwunglos, interesselos,          Konzentrationsstörungen, Rededrang,
                Schuld- und Versündigungsideen,           Trennungsängste, Größenwahn und
                erhöhtes Suizidrisiko!                    Hochstimmung; im Jugendalter bizarre
                                                          Verhaltensweisen, bizarre Kleidung,
                                                          gesteigertes Risikoverhalten,
                                                          gehobene Stimmung, Irritabilität,
                                                          Rededrang, Ideenflucht

Oriana Clasen                                                                                       30.10.2020
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         Ätiologie: Manie und bipolare
         Störungen

               Familiäre Häufungen: Kinder betroffener Eltern haben ein 24% Risiko selbst zu
                erkranken, 50% wenn beide Eltern betroffen sind

               D.h. genetische Faktoren sind von besonderer Bedeutung

               Konkordanz eineiige Zwillinge: 70%, zweieiige 20%

               Vererbt wird allerdings nur die Anlage, durch das Einwirken von unspezifischen
                Umweltfaktoren kann es zur Krankheitsmanifestation kommen

               Als biochemische Faktoren werden biogene Amine (GABA- Mangel-
                Hypothese) bei der Verursachung der bipolaren Störungen bedeutsam

Oriana Clasen                                                                                     30.10.2020
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         Diagnose: Manie und bipolare
         Störungen

               Bei Verdacht auf manische Entwicklungen sind alterstypische
                Größenideen von manischen oder hypomanischen Zuständen
                abzugrenzen

               Erst im Verlauf durch die Periodizität lässt sich die Diagnose sichern

               Familiäre Belastung: stützendes Kriterium

               DD: ADHS, emotional instabile Persönlichkeitsstörungen, schizophrene
                Psychosen

Oriana Clasen                                                                             30.10.2020
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                           ZIEL: REMISSION DER AKUTEN
                           SYMPTOME UND VORBEUGUNG VON
                           RÜCKFÄLLEN

                           MULTIMODALE BEHANDLUNG MIT
                           PSYCHOPHARMAKA,
         Therapie: Manie   PSYCHOEDUKATION, STÜTZENDER
                           PSYCHOTHERAPIE, STATIONÄRER
         und bipolare      THERAPIE

         Störungen
                           PHARMAKOTHERAPIE: ALLGEMEIN:
                           AUSWAHL DER MEDIKATION RICHTET
                           SICH NACH DER VORLIEGENDEN
                           ERKRANKUNGSPHASE

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         Therapie: Manie und bipolare
         Störungen

               Bei bipolaren Störungen können Antidepressiva manische Symptome und
                oder schnelle Phasenwechsel provozieren

               Behandlung manischer Phasen: Neuroleptika (Olanzapin, Risperdal,
                Quetiapin, Aripiprazol) und Stimmungsstabilisatoren (Lithiumsalze und
                Antikonvulsiva)

               Letztere dienen auch der Prophylaxe erneuter Phasen und sollen
                Stimmungsinstabilitäten verhindern. Sie vergrößern nachweislich die
                Zeitdauer des freien Intervalls

               Therapeutischer Plasmaspiegel für Lithium: 1,0-1,5mmol/l;
                Rezidivprophylaxe: 0,6-1,2mmol/l

Oriana Clasen                                                                            30.10.2020
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         Therapie und Verlauf:
         Manie und bipolare Störungen

               Carbamazepin: Tagesdosis von 600-1.200mg (Serumspiegel 4-12μg/ml)
               Valproat: 600-1500mg/d
               Lamotrigin: 100-200mg/d

               Benzodiazepine (z.B. Lorazepam, Clonazepam): Behandlung von
                Agitation und Schlaflosigkeit bei der akuten Manie, in Kombination mit
                Stimmungsstabilisatoren; zeitlich begrenzt, max. 2 Wochen

               Verlauf: 60% der Pat. sind nach 20 Jahren sozial gut integriert, 20%
                signifikant beeinträchtigt, 25% chronisch krank
               Gute Compliance bei Lithiumeinnahme kann Verlauf günstig beeinflussen

Oriana Clasen                                                                             30.10.2020
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                Vielen Dank für ihre
                 Aufmerksamkeit!

Oriana Clasen                           30.10.2020
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