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Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht aktuell 10 21 Außerordentliche Steuerzinsen „Liebhaberei auf Kündigung eines ab 2014 Antrag“ bei kleinen Maskenverweigerers verfassungswidrig Photovoltaikanlagen
Inhalt Interview 04 Alles bleibt anders: Arbeitswelt nach der Coronazeit Top News 06 Außerordentliche Kündigung eines Maskenverweigerers 06 Steuerzinsen ab 2014 verfassungswidrig 07 „Liebhaberei auf Antrag“ bei kleinen Photovoltaikanlagen Praxistipp 08 Finetrading als alternative Finanzierungsform News für Ihr Geschäft 09 Urlaub trotz Quarantäne 10 Änderung der Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung 11 Anträge zur „Aufbauhilfe 2021“ ab 17.9.2021 möglich 11 Vermietung einer Immobilie als feste Niederlassung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes? 12 Immobilien: Kippt der Europäische Gerichtshof die Zuordnungsfrist? 13 Verpachtung von Betriebsvorrichtungen: Der Europäische Gerichtshof hat jetzt das letzte Wort 14 Senioren sollten Steuerbonus für Hausnotrufsystem beantragen Kurz notiert 15 oktant im Digitalisierungskompass der Wirtschaftsprüferkammer 15 Veröffentlichungen, Veranstaltungen, Zahlungstermine Impressum Herausgeber Redaktion Konzeption, Layout Eine Haftung für den Inhalt kann dhpg Dr. Harzem & Partner mbB Dr. Andreas Rohde www.2erpack.com trotz sorgfältiger Bearbeitung Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (verantwortlich), nicht übernommen werden. Steuerberatungsgesellschaft Dr. Lutz Engelsing, Herstellung dhpg aktuell erscheint monatlich Marie-Kahle-Allee 2 Brigitte Schultes Köllen Druck+Verlag und kann auch als PDF-Datei 53113 Bonn info@dhpg.de GmbH bezogen werden. 53117 Bonn Stand: 25.9.2021 Fotos Änderungen vorbehalten. Bernd Roselieb
Editorial Dr. Andreas Rohde ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei der dhpg. Mittelständische Unter- nehmen schätzen seine Expertise und lösungsorientierte Beratung bei gesellschafts- und steuerrechtlichen Fragestellungen in den Fällen von Umstrukturierung, Kauf sowie Verkauf oder Nachfolge. Ein weiterer Fokus seiner Arbeit bildet das Handels- und Vertriebsrecht sowie das Haftungs- und Berufsrecht. Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, die letzten Wochen und Monate standen – nicht zu- haben, sollten sie im Urlaub attestiert krank gewor- letzt durch die Bundestagswahl – im Zeichen des den sein. Doch wie verhält es sich mit dieser Rück- Umbruchs. Auch die Arbeitswelt hat sich verändert gewähr, wenn Arbeitnehmer im Urlaub in häusliche und viele Führungskräfte fragen sich, wie sie die Zeit Isolation müssen? Das erfahren Sie auf Seite 9. nach der Pandemie mit ihren Mitarbeitern gestalten. Zwischen den Extremen „ganz im Homeoffice“ und Und schließlich möchte ich noch auf ein Urteil auf- „vollständig zurück im Büro“ gibt es inzwischen so merksam machen, das für Aufsehen gesorgt hat: Das viele Facetten, die unser Arbeitsrechtsexperte Micha- Bundesverfassungsgericht hat den bisher für Steu- el Huth im Interview näher beleuchtet. ernachzahlungen und Steuererstattungen gelten- den Zinssatz von 6 % pro Jahr für verfassungswidrig Diejenigen, die im Büro arbeiten, werden womöglich erklärt. Obwohl dies nun rückwirkend für Verzin- auch das in unseren Top News geschilderte Problem sungszeiträume ab 2014 gilt, ist eine Korrektur der der Maskenverweigerer kennen. Der Umgang mit Nachzahlungs- und Erstattungszinsen erst ab 2019 entsprechenden Mitarbeitern ist für viele Arbeitgeber möglich. Die Details finden Sie in unseren Top News. ein Drahtseilakt. Eines Falls hat sich nun das Kölner Arbeitsgericht angenommen und damit die Durch- Sprechen Sie uns bei Fragen zu diesen und allen wei- setzung von Schutzmaßnahmen in Betrieben für Ar- teren Themen in der Ausgabe gerne an. beitgeber gestärkt. Auch das Thema Urlaubstage sorgt in Verbindung Ihr mit Corona bzw. häuslicher Quarantäne immer häu- figer für Streitpotenzial zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitneh- mer einen Rückgewähranspruch ihrer Urlaubstage Dr. Andreas Rohde
Interview Alles bleibt anders: Arbeitswelt nach der Coronazeit Es gibt wohl kaum ein Unternehmen oder eine Führungskraft, die sich nicht die Frage stellt, wie sich das Arbeitsleben nach Corona gestaltet. Viele Unternehmen bewegen sich zwischen „zurück ins Büro“, „weiter im Homeoffice“ oder „von beidem etwas“. Unser Arbeitsrechtsexperte schaut auf die Arbeitswelt und darauf, wie man nach der Pandemie ein gutes Miteinander finden kann. Interview: Michael Huth Was haben Sie als Arbeitsrechtler oder auch Mitarbeiter ganz für Unternehmen, in denen nichts konkret besprochen und persönlich aus der Coronazeit gelernt? schon gar nicht schriftlich festgehalten war, sondern sich das Michael Huth: Wie viele andere habe auch ich noch mehr zu Arbeiten im Homeoffice eher spontan entwickelt hat.. Dann schätzen gelernt, was ich habe. Auf die Arbeit bezogen: eine lässt sich aber meist auf das allgemeine Weisungsrecht des gute Unternehmenskultur. Eine gute Kommunikation. Eine Arbeitgebers zurückgreifen, das auch die Festlegung des Ar- klare, wertschätzende Führung. Auch: Arbeitsplatzsicherheit. beitsorts umfasst. Das sind Privilegien, das ist mir klar. Über das Persönliche hi- naus haben sich zum Glück unsere Mechanismen des Sozial- Sollte der Wiedereinstieg aus psychologischer Sicht stufen- und Arbeitsrechts auch in einer so immensen Krise als wehr- weise erfolgen (im Sinne eines erneuten Onboardings)? Wel- haft und funktionsfähig erwiesen. Ich denke vor allem an das chen Weg kann man den Führungskräften empfehlen? Modell der Kurzarbeit, aber auch an den Kündigungsschutz, an Michael Huth: Das ist ein wichtiges Thema; als Arbeitsrechtler die Sozialpartnerschaft oder die Betriebsverfassung. Trotz aller kann ich mich da aber nur fachfremd äußern. Ich glaube, dass Defizite waren zudem Politik und Verwaltung handlungsfähig sich Verallgemeinerungen verbieten und bisweilen viel Ein- und letztlich durchsetzungsstark. fühlungsvermögen im Einzelfall gefragt ist. Es macht ja einen Unterschied, ob ich endlich wieder ins Büro kommen möchte Viele Unternehmen beklagen, dass die Mitarbeiterbindung oder ob ich mich daheim gut eingerichtet habe und darüber geringer wird, wenn die Arbeitnehmer:innen nicht regelmä- freue, den morgendlichen Stau vermeiden zu können. Ebenso ßig im Büro sind. Gibt es dafür Belege? Wie können Unter- reagiere ich unterschiedlich, wenn mir eine Regelung aufge- nehmen entgegenwirken? zwungen wird (wenn auch vielleicht mit gutem Grund) oder Michael Huth: Langfristige Bindung ist kein so hohes Gut mir der Arbeitgeber eine Option anbietet. Ein regelrechtes mehr wie früher. Dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen neues Onboarding dürfte aber wohl allenfalls für noch recht reicht vom Privaten über Vereine, Kirchen, Parteien, Gewerk- neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig werden, die schaften eben auch bis zu den Arbeitgebern. Das Homeoffice den Alltagsbetrieb noch gar nicht erlebt haben. Oder wenn hat einen ohnehin bestehenden Trend beschleunigt. Viele es nicht um die Rückkehr aus dem Homeoffice, sondern aus Unternehmen steuern längst gegen, etwa indem sie auf Mit- langer Kurzarbeit geht. arbeiterwünsche eingehen, gerade auch auf die noch immer teils ungewohnten Erwartungen der jungen Generation. Dazu In der Coronazeit mussten rasch neue Lösungen für das zählt nicht zuletzt die verbreitete Möglichkeit mobilen Arbei- Arbeiten von zu Hause her. Vielfach wurden kurzfristig Ent- tens, die dann die Bindung ironischerweise wieder gefährdet. scheidungen – vom gesetzlichen Recht auf Homeoffice Ich glaube, hier die Balance zu finden und zu halten, ist eine gestützt – getroffen. Welche rechtlichen Vereinbarungen in der wichtigsten Aufgaben eines modernen Arbeitgebers. Bezug auf das Arbeiten im Homeoffice sollten nun nachge- holt werden? Eine ganze Reihe an Unternehmen möchte gerne ihre Mit- Michael Huth: Auf der großen politischen Ebene wird sich ver- arbeiterinnen und Mitarbeiter wieder ganz zurück ins Büro mutlich nach der Regierungsbildung in Berlin zeigen, ob und holen. Ist das arbeitsrechtlich so einfach möglich? unter welchen Voraussetzungen ein allgemeines Recht auf Michael Huth: Das hängt ein wenig davon ab, wie es zu der Homeoffice geschaffen wird. Bislang gibt es das nicht. Auf der Arbeit im Homeoffice gekommen ist. Wenn das Homeoffice kleinen Ebene vollziehen nun viele Unternehmen vertraglich ausdrücklich nur vorübergehend vereinbart war, besteht ar- nach, was zwischendurch bisweilen einfach gemacht worden beitsrechtlich keine besondere Hürde. Schwieriger wird es ist. Derzeit entstehen zahlreiche Homeoffice-Regelungen mit 4 dhpg aktuell 10/21
unterschiedlichsten Inhalten, auf individualarbeitsvertraglicher Basis, teils werden Betriebsvereinbarungen überarbeitet oder geschaffen. Hier ist übrigens vor allem dann eine qualifizierte rechtliche und steuerliche Beratung notwendig, wenn sich das mobile Büro oder das Homeoffice möglicherweise im Ausland befindet. Die dhpg hat dafür ein ganzes Team von Experten. Es gibt in der Zwischenzeit Unternehmen, die über eine Art freiwilliger Green Card ihren Teammitgliedern wieder mehr Freiheit geben. Wer sich als Geimpfter „outet“, kann z.B. die Kantine wieder besuchen, gewisse Räume ohne Maske be- treten etc. Wie sind solche Maßnahmen arbeitsrechtlich zu bewerten? Darf der Arbeitgeber den Impfstatus erfragen? Michael Huth: Persönlich sage ich dazu „Ja“, und ich meine auch, dass sich die Abfrage jedenfalls in den meisten Fällen arbeitsrechtlich begründen lässt. Rechtssicherheit besteht Michael Huth aber nicht. Da wichtige Rechtsgüter gegeneinander abzuwä- ist Rechtsanwalt bei der dhpg. Als gen sind, lassen sich nicht so leicht in richtig und falsch unter- Fachanwalt für Arbeitsrecht berät scheiden. Hinzu kommen die komplexen und veränderlichen er vorrangig mittelständische Rahmenbedingungen durch die Coronaschutzregeln auf Unternehmen in allen Fragen Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene und vor allem die des individuellen und kollektiven teils hitzigen Debatten zur Impfpflicht. Gerade wegen dieser Arbeitsrechts und vertritt deren politisch-gesellschaftlichen Brisanz sollte nicht jedem Mittel- Interessen im Bedarfsfall vor den ständler oder Kleinbetrieb zugemutet werden, die rechtlichen Gerichten. Seine Tätigkeit umfasst Grenzen selbst auszuloten. Ich halte eine politische Diskussion daneben auch das Dienstvertrags- für wünschenswert, an deren Ende hoffentlich die gesetzli- und das Handelsvertreterrecht che Klarstellung steht, dass Arbeitgeber den Impfstatus abfra- sowie das Sozialversicherungsrecht, gen dürfen. Bis dahin appelliere ich auch an die Betriebsräte: insbesondere auch bei grenz Bei der Frage geht es nicht um Konflikte zwischen einzelnen überschreitenden Mitarbeiter Arbeitnehmer:innen und dem Arbeitgeber, sondern um ein einsätzen. Michael Huth ist ein wichtiges Detail des Zusammenlebens, des Miteinanders im erfahrener Prozessanwalt, auch Betrieb. Der Gesundheitsschutz wie auch die in der Frage an- für zivil- und wirtschaftsrechtliche gesprochenen praktischen Vereinfachungen dienen allen. Ein Streitigkeiten. klassischer Fall für eine Betriebsvereinbarung. Inwiefern muss Zusammenarbeit zwischen Führung und Team neu ausgehandelt werden? Was kommt auf einen Mit- arbeiter zu, der ständig im Homeoffice arbeitet – welche Skills müssen sich verstärken? Michael Huth: Eine selbstkritische Überprüfung auf Anpas- sungsbedarf ist immer richtig. Aber das Homeoffice wurde ja 2020 nicht neu erfunden. Viele Unternehmen und Belegschaf- ten meistern das verstärkte Homeoffice ganz hervorragend. Andernorts war und bleibt Homeoffice unmöglich und stellen sich teils viel wichtigere Fragen; denken Sie ans Busfahren, an die industrielle Produktion, an das Handwerk oder erst recht die Pflege. Wer oft oder gar ständig im Homeoffice tätig wird, braucht aber gewiss eine ausgeprägtere Fähigkeit zur Selbstor- ganisation, zur Selbstmotivation und auch zur Konzentration. Vielleicht noch wichtiger stellt das Homeoffice auch hohe An- forderungen an die Kommunikation. Wer nicht von sich aus auf andere zugeht, droht im Homeoffice übersehen zu wer- den. Arbeitgeber und Führungskräfte müssen darauf achten, auch in solchen Mitarbeiter:innen die Motivation und Identifi- kation mit dem Unternehmen immer aufs Neue zu stimulieren. 5
Top News entschied, dass das Interesse des Arbeitgebers an der sofor- tigen Beendigung überwiege. Bei der Maskenverweigerung GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat seien die Risiken für den Kläger und für die Kunden als offen- kundig zu unterstellen. Die Befreiung von der Maskenpflicht Außerordentliche Kündigung sei nur gerechtfertigt, wenn der Kläger die gesundheitlichen Gründe glaubhaft machen könne. Eine dahingehende ärzt- eines Maskenverweigerers liche Bescheinigung müsse konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten. Ein „Gefälligkeitsattest“ sei hingegen nicht Der Umgang mit Arbeitnehmern, die die Einhaltung ausreichend. Das Attest, das der Kläger eingereicht hatte, sei von Corona-Schutzmaßnahmen verweigern, nicht aussagekräftig gewesen. Aufgrund des Datums, das stellt eine Herausforderung für Arbeitgeber dar. ein halbes Jahr zurückliege, sei das Attest nicht mehr aktuell. Das Arbeitsgericht Köln hat klargestellt, dass die Zudem fehle es an einer konkreten Diagnose und das Attest grundlose Maskenverweigerung eine fristlose beziehe sich nur auf nicht medizinische Masken. Das Tragen Kündigung rechtfertigt. einer medizinischen Maske sei daher stets möglich gewesen. Sachverhalt Fazit Der Kläger war seit dem 1.1.2015 bei der Beklagten als Ser- Das Urteil stärkt Arbeitgeber bei der Durchsetzung von vicetechniker im Außendienst angestellt und betreute Kun- Schutzmaßnahmen im Betrieb und beim Kundeneinsatz. Es den am jeweiligen Kundenstandort. Die Beklagte hatte allen wird klargestellt, dass eine Verweigerung von Schutzmaßnah- Servicetechnikern die Weisung erteilt, bei Kundeneinsätzen men ohne ausreichende Begründung weitreichende Konse- eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Einen im Dezem- quenzen haben kann. ber 2020 für den Folgetag erteilten Auftrag bei einem Kun- den, der ausdrücklich auf den Mundschutz hingewiesen hatte, lehnte der Kläger unmittelbar ab. Noch am selben Tag übersandte der Kläger der Beklagten eine E-Mail mit Privat dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ und einem angehäng- ten Attest. Das Attest war auf den 26.6.2020 datiert und Steuerzinsen ab 2014 erläuterte, dem Kläger sei es „aus medizinischen Gründen unzumutbar (…), eine nicht medizinische Alltagsmaske oder verfassungswidrig eine vergleich bare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tra- Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass gen“. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, das Attest mangels der bislang für Steuernachzahlungen sowie Steuer konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht anzuerkennen. erstattungen geltende Zinssatz von 6 % pro Jahr Sie erteilte erneut die Weisung, einen Mundschutz zu tra- verfassungswidrig ist. Zu beachten ist, dass eine gen, und bot an, gegen Vorlage eines Belegs für die Kosten rückwirkende Korrektur der Nachzahlungs- und aufzukommen. Zudem bot man ihm an, seinen Gesund- Erstattungszinsen jedoch erst ab 2019 erfolgen soll. heitszustand durch den Betriebsarzt prüfen zu lassen. Da er den Kundenauftrag abgelehnt hatte, wurde der Kläger Steuerrechtlicher Hintergrund abgemahnt. Anfang Januar 2021 erklärte der Kläger erneut, Steuernachzahlungen und Steuererstattungen werden ver einen Auftrag für den Folgetag nur durchzuführen, wenn er zinst, wenn nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer keine Maske tragen müsse. Nach Anhörung des Betriebsrats entstanden ist, mehr als 15 Monate (sogenannte zinsfreie Ka- sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung aus. renzzeit) bis zur Festsetzung der Steuer, das heißt der Bekannt- Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. gabe des Steuerbescheids, vergehen. Für jeden vollen Monat nach Überschreiten dieser Frist schreibt die Abgabenordnung Grundlose Maskenverweigerung rechtfertigt eine Verzinsung von 0,5 % vor. Auf das Jahr gerechnet ergibt Kündigung sich mithin eine Verzinsung von 6 %. Insbesondere durch Be- Das Arbeitsgericht Köln bestätigte, dass die fristlose Kün- triebsprüfungen, die regelmäßig erst einige Jahre nach den digung des Klägers wirksam ist. Die Maskenverweigerung entsprechenden Prüfungszeiträumen stattfinden, kann es zu stelle eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen nachträglichen Steuererhöhungen und entsprechenden Zins- Verpflichtungen dar. Eine solche sei ein wichtiger Grund für belastungen kommen. eine Kündigung. Die fristlose Kündigung erfordere zudem die Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände. Es dürfe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Arbeitgeber nicht zumutbar sein, die Kündigungsfrist ein- Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die zuhalten. Dabei müsse das Interesse des Arbeitgebers an der steuerrechtlich vorgesehene Zinshöhe von 0,5 % pro Monat sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 als nicht verfas- Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abgewo- sungskonform anzusehen sind. Grund hierfür sei die Ungleich- gen werden. Die Vertragspflichtverletzung mitsamt ihren Aus- behandlung von Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach wirkungen, der Verschuldensgrad des Arbeitnehmers, eine dem Ablauf von 15 Monaten festgesetzt werde, gegenüber mögliche Wiederholungsgefahr und die Dauer des Arbeits- den Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit verhältnisses seien zu betrachten. Entscheidend sei auch, ob festgesetzt werde. Darüber hinaus sei der angewandte Zins- eine mildere Reaktionsmöglichkeit denkbar sei. Das Gericht satz nicht mehr realitätsgerecht. Bereits im Jahr 2014 habe 6 dhpg aktuell 10/21
sich der marktübliche Zinssatz weit vom gesetzlichen Zinssatz bend ist dabei die gesamte Lebensdauer des Betriebs von von 6 % entfernt. Aufgrund der einheitlichen Anwendung des seiner Gründung bis zur Einstellung bzw. zum Verkauf. Ange- Zinssatzes von 6 % beschränke sich die Unvereinbarkeit der sichts des langen Zeitraums und der verschiedenen Einfluss- Verzinsung im Übrigen nicht auf Nachzahlungszinsen, son- faktoren fällt die Prognose, ob die Anlage auf eine Gewinner- dern umfasse ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der zielung ausgerichtet ist, nicht immer leicht und ist streitanfällig. Steuerpflichtigen. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht wird steuerlich bisherige Rechtslage trotz der Verfassungswidrigkeit für Ver als „Liebhaberei“ bezeichnet und ist einkommensteuerlich un zinsungszeiträume bis einschließlich 2018 weiterhin Anwen- beachtlich. Bei kleinen Photovoltaikanlagen und vergleichba- dung finden soll. Hintergrund ist ausweislich der Begründung ren Blockheizkraftwerken sieht das Bundesfinanzministerium des Beschlusses das Interesse einer verlässlichen Finanz- und ein einkommensteuerliches Wahlrecht vor. Betroffen sind fol- Haushaltsplanung. Bei einer rückwirkenden Anwendung ab gende Anlagen: dem Jahr 2014 ginge das Bundesverfassungsgericht von in- / Installierte Leistung der Photovoltaikanlage: bis zu 10 kW soweit erheblichen haushaltswirtschaftlichen Unsicherheiten / Installierte Leistung des Blockheizkraftwerks: bis zu 2,5 kW aus, welche mithin eine Fortgeltung der verfassungswidri- / Inbetriebnahme: nach dem 31.12.2003 gen Gesetzeslage bis zum 31.12.2018 rechtfertigen. Für Ver / Standort der Anlage: für eigene Wohnzwecke genutztes zinsungszeiträume ab 2019 darf die alte Rechtslage dahinge- oder unentgeltlich überlassenes Ein- oder Zweifamilien- gen nicht mehr angewendet werden. Zwar führe dies ebenso hausgrundstück einschließlich Außenanlagen (z.B. Garagen) zu entsprechenden staatlichen Mindereinnahmen, die Gefah- ren für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung seien Antrag auf Liebhaberei mit Folgen für Verzinsungszeiträume nach 2018 jedoch deutlich gerin- Auf schriftlichen Antrag ist aus Vereinfachungsgründen ohne ger. Für Verzinsungszeiträume, die teilweise vor, teilweise weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen nach dem 31.12.2018 liegen, wird es somit zur teilweisen An- zu unterstellen, dass die Anlage von Beginn an nicht mit Ge- wendung sowohl der Alt- als auch der Neuregelung kommen. winnerzielungsabsicht betrieben wird. Bei ihr liegt grundsätz- lich eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag Ausblick wirkt auch für die Folgejahre. Die Erklärung ist formfrei. Auf Der Gesetzgeber ist nun angehalten, bis zum 31.7.2022 eine den Internetseiten der Finanzverwaltung ist eine Muster Neuregelung zu implementieren. Das Bundesverfassungs erklärung verfügbar. Veranlagte Gewinne und Verluste (z.B. gericht hat insoweit Anhaltspunkte gegeben, dass eine ver- bei unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig fassungskonforme Regelung schlicht durch Anwendung ei- durchgeführten Veranlagungen) aus zurückliegenden Veran- nes geringeren Zinssatzes geschaffen werden könne. Über lagungszeiträumen, die verfahrensrechtlich einer Änderung die genaue Ausgestaltung der Neuregelung kann gleichwohl noch zugänglich sind, werden nicht mehr berücksichtigt. Die zu diesem Zeitpunkt nur gemutmaßt werden. Zu beachten zukünftige Abgabe einer Anlage Einnahmenüberschussrech- ist, dass sämtliche in den letzten Jahren bekannt gegebenen nung (EÜR) für den Betrieb der Photovoltaikanlage oder des Zinsfestsetzungen einen Hinweis auf die Vorläufigkeit enthal- Blockheizkraftwerks entfällt. Das gilt sinngemäß für geson- ten, sodass diese schon von Amts wegen und somit ohne derte und einheitliche Feststellungen. Für Veranlagungszeit- Mitwirkung des Steuerpflichtigen geändert werden sollten. räume, in denen die Voraussetzungen z.B. durch Nutzungs- änderung oder Vergrößerung der Anlage über die genannte Leistung nicht vorliegen, ist die Vereinfachungsregelung nicht mehr anzuwenden. Der Wegfall der Voraussetzungen ist dem zuständigen Finanzamt schriftlich mitzuteilen. Privat Konsequenzen „Liebhaberei auf Antrag“ bei Wurden bisher Verluste geltend gemacht und sind die Steuerbescheide verfahrensrechtlich änderbar, kann es zu kleinen Photovoltaikanlagen Nachzahlungen für Vorjahre kommen (gegebenenfalls zu- züglich Nachzahlungszinsen in verfassungsrechtlich zu- Durch Betrieb einer Photovoltaikanlage oder eines lässiger Höhe). Die Vereinfachungsregelung hat zur Folge, Blockheizkraftwerks wird man zum Unternehmer dass diese kleinen Anlagen von Anfang an ohne Gewinn- und Gewerbebetrieb. So fragen sich Privatleute erzielungsabsicht betrieben werden. Da somit einkom- häufig, ob sie ihre Steuererklärung noch selbst ma- mensteuerrechtlich kein Gewerbebetrieb vorliegt, stellt die chen können oder einen Steuerberater benötigen, Photovoltaikanlage bzw. das Blockheizkraftwerk kein Be- der Gewinnermittlungen und Umsatzsteuervor triebsvermögen dar. Dementsprechend ist kein Betriebsauf- anmeldungen erstellt. Das Bundesfinanzministeri- gabegewinn bzw. -verlust zu erfassen. Ebenso wenig sind um gewährt bei der Einkommensteuer eine Verein- eventuell vorhandene sogenannte stille Reserven zu ermit- fachung. teln und festzustellen. Für die Unternehmereigenschaft im Umsatzsteuerrecht kommt es darauf an, ob mit dem Betrieb Problem und begünstigte Anlagen der Photovoltaikanlage bzw. des Blockheizkraftwerks Ein- Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzen eine Gewinnerzielungs- nahmen erzielt werden sollen. Ob die Anlage steuerlich mit absicht voraus, das heißt, der Steuerbürger muss mit seiner Gewinn oder Verlust betrieben wird, ist dagegen unbeacht- Tätigkeit auf Dauer gesehen einen Überschuss der Betriebs- lich. Dementsprechend hat das beschriebene Wahlrecht kei- einnahmen über die Betriebsausgaben anstreben. Maßge- nerlei Auswirkungen auf die Umsatzsteuer. 7
Praxistipp Finetrading als alternative Finanzierungsform Die gültigen Vorschriften zur Bankenregulierung (Basel III) Vor- und Nachteile des Finetradings haben immense Auswirkungen auf die Finanzierungsopti- onen von Unternehmen. Insbesondere die hieraus resul- Vorteile: tierenden erhöhten Eigenkapitalanforderungen für Kre- /S ofortige Liquidität für den Lieferanten (verbessertes ditinstitute führen zu strengeren Kreditvergaberichtlinien Lieferantenverhältnis) sowie erhöhten Kreditkonditionen. Viele mittelständische /V erbesserte Einkaufsbedingungen für den Käufer durch Unternehmen streben entsprechend eine erhöhte Unab- Nutzung von Skonti hängigkeit von ihren Hausbanken an, indem sie vermehrt /V erlängerte Zahlungsziele für das Unternehmen gegen- auf alternative Finanzierungsformen zurückgreifen. So über Finetrader (Schonung der Liquidität) kommt auch Finetrading als alternative Finanzierungs- /E rhöhte Flexibilität (keine Bonitätsprüfung der Lieferan- form immer häufiger infrage. ten notwendig) /V erringerte Unabhängigkeit gegenüber Banken (Entlas- Was ist Finetrading? tung der Kreditlinien) Der Begriff „Finetrading“ setzt sich zusammen aus den beiden Begriffen „finance“ (Finanzierung) und „trading“ Nachteile: (Handel). Hierunter ist eine bankenunabhängige Dienst- /N icht für jedes Unternehmen möglich (z.B. in Krisen leistung zur Vorfinanzierung der Betriebseinkäufe von Un- situationen oder -branchen) ternehmen zu verstehen, weshalb man Finetrading häufig /H oher Aufwand bei technischer Implementierung (z.B. auch als Lager- oder Einkaufsfinanzierung bezeichnet. Integration in bestehende IT-Systeme) /G egebenenfalls höhere Kosten im Vergleich zu lang- Ein Unternehmen benötigt neue Waren für die eigene fristigen Bankkrediten (z.B. im Falle einer fehlenden op- Produktion, verfügt jedoch nicht über ausreichend Kapi- timalen Bonitätsbeurteilung bzw. einer regelmäßigen tal. Deshalb beauftragt es einen Finetrader, der die Waren Ausschöpfung der Zahlungsziele) beim Lieferanten einkauft. Dieser erhält somit den fälligen Betrag vom Finetrader und liefert die entsprechenden Fazit Waren direkt an das Unternehmen aus. Unternehmen und Die Eignung von Finetrading als alternative Finanzierungs- Finetrader schließen einen separaten Vertrag, der die Be- form für mittelständische Unternehmen hängt von vielen gleichung der Warenrechnung zu einem bestimmten, in Faktoren ab. Neben finanziellen Aspekten (z.B. mögliche der Regel verlängerten Zahlungsziel festlegt. Es entsteht Implementationskosten bzw. Gebühren) sind insbeson- somit ein Dreiecksgeschäft, in dem der Finetrader sowohl dere die Unternehmensstruktur sowie das entsprechende als Zwischenhändler als auch als Vorfinanzierer der benö- branchenspezifische Umfeld (z.B. Bonität des Unterneh- tigten Waren agiert. mens, Abhängigkeit von Lieferketten) zu berücksichtigen. Einsatzbereiche und Kosten des Finetradings Finetrading eignet sich für Unternehmen im Produk- tions- bzw. Handelssektor, wo regelmäßig Waren in ho- Die Autoren: hen Stückzahlen bestellt werden müssen. Insbesondere bei saisonal bedingt erhöhten Wareneinkäufen sowie bei Christian Lützenrath ist geschäftsführender Partner der Wachstumsspitzen kann die durch den Finetrader bereit- TMC Turnaround Management Consult GmbH. Er ist gestellte zusätzliche Liquidität den Entwicklungsprozess Fachmann für Interimsmanagement, Restrukturierungs von Unternehmen erfolgreich beeinflussen. Darüber hi- beratung, Sanierungsmanagement und Fortführung in naus können Unternehmen möglicherweise von verbes- der Insolvenz. Außerdem begleitet er M&A-Prozesse. serten Einkaufskonditionen profitieren. Finetrading ist in der Regel bereits für Einkaufsvolumina ab 100.000 € Alexander Roltsch ist Senior Consultant bei der TMC möglich. Turnaround Management Consult GmbH. Während seiner Tätigkeit für die TMC begleitete er bereits zahl- Für die Bereitstellung des Finetradings werden individu- reiche Restrukturierungsprojekte, insbesondere im elle Gebühren erhoben, die zwischen den Anbietern vari- Bereich der Finanzplanung. ieren können. Die Höhe der Gebühren hängt von der Art der Ware, dem jährlichen Einkaufsvolumen, der Bonität www.turnaround.de des Unternehmens sowie der tatsächlichen Nutzungs- dauer ab. 8 dhpg aktuell 10/21
News für Ihr Geschäft GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat Urteil des Arbeitsgerichts Bonn Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und verneinte sowohl Urlaub trotz Quarantäne einen direkten als auch einen analogen Anspruch der Klä- gerin aus § 9 BUrlG auf Rückerstattung ihrer Urlaubstage. Was passiert mit Urlaubstagen eines Arbeitnehmers, Dies begründet es damit, dass eine Infektion mit dem der sich während seines Urlaubs aufgrund einer Coronavirus nicht zwangsläufig eine Arbeitsunfähigkeit des behördlichen Anordnung in häuslicher Isolation Arbeitnehmers zur Folge habe und die Klägerin auch kein befindet? Mit dieser Frage hatte sich das Bonner ärztliches Attest vorlegen konnte, das eine Arbeitsunfähigkeit Arbeitsgericht zu befassen. bescheinigen würde. Bei einem symptomlosen Verlauf der Krankheit sei je nach konkreter Ausgestaltung des Arbeits- Hintergrund: Rückgewähr von Urlaubstagen bei platzes nicht zwangsläufig eine Arbeitsunfähigkeit gegeben. Krankheit laut Bundesurlaubsgesetz Eine Ordnungsverfügung, die eine häusliche Isolation an- Die weiter anhaltende Corona-Pandemie hat neue recht ordnet, könne das vorgeschriebene ärztliche Attest nicht liche Fragestellungen und Schwierigkeiten aufgeworfen, ersetzen, weil es keine Aussage über die Arbeitsfähigkeit der die einer Beantwortung bedürfen. Dies betrifft verstärkt das Arbeitnehmerin trifft. Das Attest sei nicht nur erforderlich, Gebiet des Arbeitsrechts. Brisant sind dabei immer wieder um einen etwaigen Missbrauch zulasten des Arbeitgebers Fragestellungen rund um das Thema Urlaubsanspruch von zu verhindern, sondern auch, weil die Beurteilung über die Arbeitnehmer:innen. So stellt sich z.B. die Frage, was mit Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers einem Arzt vorbehalten den Urlaubstagen eines Arbeitnehmers passiert, der sich sein solle. Ohne nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit sei die während seines Urlaubs aufgrund einer behördlichen An- Rückerstattung der Urlaubstage nicht möglich. Auch bei ordnung in häuslicher Isolation befindet – entweder auf- häuslicher Quarantäne habe die Klägerin die Möglichkeit grund einer eigenen Corona-Infektion oder des direkten gehabt, telefonisch bei einer Arztpraxis vorzusprechen und Kontakts mit einer infizierten Person. Grundsätzlich ge- ein entsprechendes Attest ausstellen zu lassen. Die Voraus- währt § 9 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einem Arbeit- setzungen des Anspruchs aus § 9 BUrlG seien deshalb im nehmer einen Anspruch auf Rückgewährung bzw. Rücker- vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch eine analoge Anwen- stattung seiner Urlaubstage, in denen er ausweislich eines dung der Vorschrift kam nach Ansicht des Gerichts nicht ärztlichen Attests arbeitsunfähig war. Der Zweck dieser Vor- in Betracht, weil es zum einen an einer planwidrigen Rege- schrift besteht darin, dass sich der Arbeitnehmer während lungslücke und zum anderen auch an einem vergleichbaren seines Urlaubs erholen soll, um so seine volle Arbeitsfähig- Sachverhalt fehle. Nach dem Wortlaut des § 9 BUrlG findet keit wiederherzustellen. Dieser Erholungseffekt bleibt aber diese nur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer während sei- an den Tagen aus, an denen der Arbeitnehmer erkrankt ist. nes Urlaubs krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Legt der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vor, das seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, kann er Fazit von ihm die Rückerstattung dieser Urlaubstage verlangen. Für Arbeitgeber ist das Urteil erfreulich, weil es einen geeig- neten Leitfaden für den weiteren Umgang mit der Nach- Rückgewähr auch bei Quarantäne? gewährung von Urlaubstagen aufgrund einer Quarantäne Aufgrund der Pandemie und der gesetzlichen Vorschrif- darstellen kann. Aber auch für Arbeitnehmer:innen schafft ten kann es dazu kommen, dass sich Arbeitnehmer:innen das Urteil Klarheit. Ihnen wurde vor Augen geführt, dass sie während ihres Urlaubs in häuslicher Quarantäne befin- auch dann ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit den. Bislang war gesetzlich nicht geregelt, ob ein davon benötigen, wenn sie aufgrund einer Quarantäne während betroffener Arbeitnehmer einen Anspruch auf Rückgewähr ihres Urlaubs einen Anspruch aus § 9 BUrlG geltend ma- seiner Urlaubstage aus § 9 BUrlG (entweder direkt oder chen wollen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig und analog) haben kann. Mit genau dieser Fragestellung hat eine Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln grundsätzlich sich jüngst das Arbeitsgericht Bonn befasst und entschie- möglich. Deshalb ist noch unklar, ob zu dieser Fragestellung den, dass ein in Quarantäne befindlicher Arbeitnehmer bereits das letzte Wort gesprochen ist. nicht automatisch als arbeitsunfähig anzusehen ist und die Urlaubstage nicht ohne die Vorlage eines ärztlichen Attests zurückerstattet bekommen kann. In dem Fall, der dem Ur- teil zugrunde liegt, hatte die Klägerin sich aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus und einer damit einher gehenden Ordnungsverfügung während fünf Urlaubstagen in häuslicher Isolation befunden. Sie hatte allerdings kein ärztliches Attest zur Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit ausstellen lassen. Für diese Tage begehrte die Klägerin eine Rückerstattung ihres jährlichen Urlaubsanspruchs durch ih- ren Arbeitgeber. Dieser hatte ihren darauf lautenden Antrag abgelehnt, weshalb die Klägerin gerichtlich gegen die Ent- scheidung vorging. 9
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu kön- Änderung der Recht nen. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof an, dass ein Abstellen allein auf die Zahlungsunfähigkeit die Vorsat- sprechung zur zanfechtung mit einer Anfechtungsfrist von vier Jahren (§ 133 InsO) zu sehr anderen Anfechtungstatbeständen (ins- insolvenzrechtlichen besondere § 130 InsO) mit einer Anfechtungsfrist von ledig- lich drei Monaten annähern würde. Insoweit nahm der Bun- Vorsatzanfechtung desgerichtshof die von mehreren Seiten geäußerte Kritik an seiner bisherigen Rechtsprechung auf. Nach Auffassung Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil veröffentlicht, des Bundesgerichtshofs soll das Vertrauen eines Gläubi- das in Bezug auf die Insolvenzanfechtung eine gers darin, eine erhaltene Zahlung auch behalten zu dürfen, deutliche Änderung der bisherigen Rechtsprech grundsätzlich geschützt werden und er insbesondere nicht ung darstellt und gerade für Unternehmer von ohne Weiteres einem vierjährigen Anfechtungsrisiko ausge- erheblicher Bedeutung sein kann. Im Besonderen setzt sein. Nach (nunmehriger) Ansicht des Bundesgerichts- geht es um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. hofs hat der Gesetzgeber einen Zahlungsempfänger grund- sätzlich nur einem dreimonatigen Anfechtungsrisiko auf Die Insolvenzordnung (InsO) sieht vor, dass der Insolvenz Grundlage der §§ 130, 131 InsO aussetzen wollen. Um einen verwalter Zahlungen, die das insolvente Unternehmen vor Gläubiger zusätzlich der Anfechtung gemäß § 133 InsO mit der Stellung des Insolvenzantrags noch vorgenommen einer Anfechtungsfrist von vier Jahren auszusetzen, müs- hat, anfechten kann. Das kommt insbesondere dann in sen weitergehende Voraussetzungen erfüllt sein. Betracht, wenn das insolvente Unternehmen bereits zah- lungsunfähig war und der Zahlungsempfänger Kenntnis In einem weiteren Punkt stellte der Bundesgerichtshof von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Die Zahlungsunfähigkeit seine bisherige Rechtsprechung klar: Hat der Insolvenz wird dabei in der Praxis häufig aus Indizien geschlossen wie verwalter im Anfechtungsprozess zu einem beliebigen z.B. rückständigen Steuern und Sozialversicherungsbeiträ- Zeitpunkt anhand von Indizien (z.B. Häufung von Zwangs- gen oder nachträglichen Ratenzahlungsbitten. Rechtsfolge vollstreckungsmaßnahmen, rückständigen Steuern und ist dann, dass vom insolventen Unternehmen noch vorge- Sozialversicherungsbeiträgen oder Ratenzahlungsbitten) nommene Zahlungen von den Zahlungsempfängern an belegt, dass das insolvente Unternehmen zahlungsunfähig den Insolvenzverwalter zu erstatten sind. Besonders weit- war, muss der Gegner darlegen und beweisen, dass die reichend ging dies bislang mit der sogenannten Vorsatzan- Zahlungsunfähigkeit später wieder entfallen ist. In seiner fechtung (§ 133 InsO). Die Rechtsprechung ging davon aus, neuesten Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Geschäftsleitung eines bereits zahlungsunfähigen dass dies jedoch nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann der Unternehmens mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz han- Insolvenzverwalter bei weit zurückliegenden oder schwach delt, wenn sie an einzelne Gläubiger noch Zahlungen vor- ausgeprägten Indizien gehalten sein, darzulegen, dass die nimmt. Der Insolvenzverwalter konnte von diesen Gläubi- eingetretene Zahlungsunfähigkeit auch später noch vorlag. gern Zahlungen zurückverlangen, die bis zu vier Jahre vor dem Insolvenzantrag (sogenannte Anfechtungsfrist) erfolgt Fazit waren. Der Bundesgerichtshof hat damit seine Rechtsprechung der letzten rund 20 Jahre geändert. Diese war zunehmend Sachverhalt in die Kritik geraten, weil sich Lieferanten Rückforderungs- Der Insolvenzverwalter einer GmbH machte gegenüber verlangen der Insolvenzverwalter ihrer ehemaligen Kunden der Bundesrepublik Deutschland die Anfechtbarkeit von ausgesetzt sahen. Ein Ende der Vorsatzanfechtung bedeutet Zahlungen der GmbH geltend, die auf vom Bundesamt für diese neueste Entscheidung aber wohl nicht. Der Bundes- Justiz (BfJ) verhängte Ordnungsgelder erfolgt waren. Das gerichtshof führt nämlich selbst aus, dass ein Unternehmen BfJ hatte der GmbH nach Besprechung der wirtschaftlichen vernünftigerweise nicht damit rechnen kann, in Zukunft Verhältnisse eine Ratenzahlungsmöglichkeit gewährt. Diese alle Gläubiger bedienen zu können, wenn seine Zahlungs Ratenzahlungen verlangte der Insolvenzverwalter vom BfJ unfähigkeit ein ganz erhebliches Ausmaß angenommen zurück. In den Vorinstanzen war die Anfechtungsklage des hat. Dann ist vielmehr das Insolvenzverfahren unvermeid- Insolvenzverwalters erfolglos geblieben. lich. Insoweit räumt der Bundesgerichtshof ein, dass eine solch tiefgreifende Krise ohne Aussicht auf zukünftige Be- Entscheidung friedigung der Gläubiger möglicherweise sogar in der Mehr- Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das Beru- zahl der Rechtsstreite, in denen die Vorsatzanfechtung zum fungsgericht zurück, weil sich die Vorinstanzen nach Auf- Tragen kommt, vorliegen kann. Dementsprechend ist die fassung des Bundesgerichtshofs nicht hinreichend mit den neueste Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine Ent- Gegebenheiten des Einzelfalls auseinandergesetzt hätten. warnung für Lieferanten, die mit Kund:innen zu tun haben, Der Bundesgerichtshof entschied, dass – entgegen seiner die verspätet oder in Raten bzw. Abschlägen zahlen. Die bisherigen Rechtsprechung – von der bloßen Zahlungs- Entscheidung hält den Insolvenzverwalter eher an, seine unfähigkeit eines Unternehmens nicht auf einen Gläubi- Anfechtung genauer zu begründen, und das Gericht, diese gerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden kann. Er- genauer zu prüfen. So weit – nämlich zum Rechtsstreit – forderlich ist vielmehr zusätzlich, dass das Unternehmen sollte es aber am besten gar nicht erst kommen. 10 dhpg aktuell 10/21
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat Unternehmer:innen können bereits vor Beantragung der Gelder mit den Aufbauarbeiten beginnen. Anträge zur „Aufbauhilfe Einzelheiten zur Aufbauhilfe NRW sowie den Link zur 2021“ seit 17.9.2021 möglich Antragstellung finden Sie auf der Website der Landes- regierung: www.land.nrw/de/wiederaufbauhilfe Am 15.9.2021 trat das Aufbauhilfegesetz 2021 (teilweise) mit Rückwirkung zum 10.7.2021 in Kraft. Die Inhalte für Rheinland-Pfalz sowie Hinweise zur In- Die wesentlichen Inhalte im Einzelnen. solvenzantragspflicht finden Sie in unserem Newsroom: www.dhpg.de/de/newsroom/blog/aufbauhilfe-2021/ 30 Milliarden € Aufbauhilfe Nach dem Gesetz wird ein Sondervermögensfonds „Auf- bauhilfe 2021“ in Höhe von bis zu 30 Mrd. € eingerichtet, der der Bewältigung der Schäden durch das Juli-Hochwasser Unternehmen insbesondere in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dient. Die Finanzmittel sind für geschädigte Privathaushalte, Vermietung einer Immobilie Unternehmen und andere Einrichtungen vorgesehen, mit dem Ziel, die lokale Infrastruktur wiederherzustellen. als feste Niederlassung im Nordrhein-Westfalen (NRW) Sinne des Umsatzsteuer In NRW erfolgt für private Haushalte und Unternehmen der Wohnungswirtschaft eine Förderung in Höhe von bis gesetzes? zu 80 % der förderfähigen Kosten. Für Schäden am eige- nen Hausrat wird eine Pauschale gewährt, die sich an den Von entscheidender Bedeutung für die zutreffende im Haushalt zum Schadensereignis gemeldeten Personen Deklaration der Umsatzsteuer in der EU ist die bemisst. Einem Ein-Personen-Haushalt stehen 13.000 € Frage, ob feste Niederlassungen in den Mitglied zu, Mehrpersonenhaushalte erhalten eine gestaffelte hö- staaten bestehen. Eigentlich kein Problem, wäre der here Pauschale. Förderfähig sind u.a. Einkommenseinbu- Begriff der festen Niederlassung eindeutig definiert. ßen aufgrund einer vollständigen oder teilweisen Unter- Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs brechung der Geschäftstätigkeit während eines Zeitraums (EuGH) bringt nun etwas Licht ins Dunkel. von höchstens sechs Monaten nach Schadenseintritt. Die Einkommenseinbuße wird auf Grundlage der Finanzdaten Eine feste Niederlassung setzt laut Mehrwertsteuerverord- des betroffenen Unternehmens, anhand eines gesonder- nung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit und eine ten Berechnungsverfahrens, ermittelt. Für die Bestimmung Struktur voraus, die es ihr von der personellen und tech- des Schadens sind anerkannte unabhängige Sachverstän- nischen Ausstattung her erlaubt, Leistungen zu erbringen dige zu beauftragen. Dies können Steuerberater (inklusive und zu empfangen. Dass angesichts dieser Regelung z.B. Steuerbevollmächtigte), Wirtschaftsprüfer oder vereidigte das Finanzgericht Münster auch eine Windkraftanlage (ohne Buchprüfer sein. Privatpersonen und Unternehmen kön- Personal) als feste Niederlassung qualifiziert, ist für die zutref- nen entsprechende Anträge seit dem 17.9.2021 über ein fende Auslegung durch die Praxis wenig hilfreich. Online-Förderportal stellen. Fall Für Unternehmen stellt das Land NRW Soforthilfen in Höhe Die Klägerin, mit Sitz in Jersey, vermietete eine eigene Im- von 33 Mio. € für 6.600 Betriebsstätten bereit. Um Eng- mobilie in Wien an österreichische Unternehmer. Die kom- pässe zu überbrücken und die Zahlungsfähigkeit zu sichern, plette Verwaltung der Immobilie (Abrechnung, Vermittlung bietet die NRW.Bank Unternehmenskredite ab 0,01 % an. von Dienstleistern, Geschäftsaufzeichnungen etc.) erfolgte Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es Darlehen von durch eine beauftragte Hausverwaltung. Die Entscheidungs- bis zu 100.000 € mit 20-prozentigem Tilgungsverzicht. gewalt über die Begründung bzw. Auflösung von Mietver- hältnissen, über die Durchführung von Investitionen und Seit dem 17.9.2021 können Unternehmen bei Sachschäden deren Finanzierung sowie die Auswahl der Hausverwaltung Mittel für Reparaturkosten oder den wirtschaftlichen Wert selbst behielt die Klägerin. Sie rechnete die Mieten netto ab, geltend machen. Außerdem werden Einkommenseinbu- da sie die Mieter als Schuldner der Umsatzsteuer in Öster- ßen bis Januar 2022 kompensiert. Voraussetzung ist eine reich ansah (Reverse-Charge-Verfahren). Dem folgte das ört- Begutachtung der entstandenen Schäden. Das Verfahren liche Finanzamt nicht. Es qualifizierte die vermietete Immo- ist dreistufig: bilie als feste Niederlassung und forderte die Umsatzsteuer / Beauftragung eines anerkannten Gutachters zur Scha- von der Klägerin nach. densermittlung, soweit noch nicht vorliegend / Unternehmen gehen zunächst auf die Kammern zu. Dort Entscheidung werden sie zur Antragstellung beraten und erhalten eine Laut EuGH ist für die Begründung einer festen Niederlassung erste kursorische Prüfung der Anträge. ein Mindestbestand an personeller und technischer Ausstat- / Im Anschluss reichen sie den Antrag online bei der NRW. tung nötig. Eine Immobilie, die über kein eigenes Personal BANK ein. Diese bewilligt die Mittel und zahlt sie aus. für die Vermietung verfügt, erfüllt diese Voraussetzung nicht. 11
Konsequenz Unternehmen Entgegen manchen Entscheidungen des EuGH ist diese doch sehr eindeutig. Es muss eigenes Personal vor Ort vor- Immobilien: Kippt der handen sein, um eine feste Niederlassung in einem ande- ren Mitgliedstaat zu begründen. Subunternehmer können Europäische Gerichtshof die dies nicht ersetzen, zumindest nicht, wenn die maßgeb lichen Entscheidungen nicht von diesen getroffen werden. Zuordnungsfrist? Die Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster dürfte damit überholt sein. Gleiches gilt für die Auffassung der Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs deutschen Finanzverwaltung, wonach eine im Inland bele- (EuGH) hält die vom Bundesfinanzhof sowie von gene, steuerpflichtige Immobilie immer auch zur Ansässig- der deutschen Finanzverwaltung geforderte Frist zur keit des vermietenden Unternehmers führt. Unternehmen, Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter für die nicht nur in dem Mitgliedstaat ihres Sitzes tätig sind, nicht vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht. Setzt sondern auch in anderen Ländern (auch in Deutschland), sich diese Auffassung durch, so dürfte insbesondere müssen prüfen, ob die Entscheidung Einfluss auf die De- beim Erwerb bzw. beim Bau von Immobilien das klaration hat. Risiko des Totalverlusts der Vorsteuer reduziert werden. Doch worum geht es genau? Exkurs: Betriebsstätte für Ertragsteuerzwecke? Eine vergleichbare Fragestellung ist auch für ertragsteuer- Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern liche Zwecke relevant – nämlich ob eine vermietete Im- setzt deren Zuordnung zum (umsatzsteuerlichen) Unter- mobilie eine inländische Betriebsstätte des ausländischen nehmensvermögen voraus. Werden Wirtschaftsgüter ge- Vermieters darstellen kann. Die Frage hat insbesondere mischt genutzt, das heißt privat und unternehmerisch, so Bedeutung für die Gewerbesteuer, da hier die Steuerpflicht hat der Unternehmer ein Wahlrecht, diese dem Unterneh- das Bestehen einer Betriebsstätte im Inland voraussetzt. mens- oder dem Privatvermögen zuzuordnen, sofern die Grundsätzlich genügt die Mietimmobilie allein hierfür nicht unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt. Der aus. Allerdings geht das Finanzgericht Berlin-Brandenburg Bundesfinanzhof und die Finanzverwaltung fordern nun, davon aus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem dass die Zuordnungsentscheidung bis zum 31.7. des auf den Vermieter und einer inländischen Dienstleistungs- und Leistungsbezug folgenden Jahres gegenüber der Finanz Managementgesellschaft eine Betriebsstätte des Vermie- verwaltung offengelegt wird (Zuordnungsfrist). Geschieht ters in den Räumen der Managementgesellschaft begrün- dies nicht, wird die Zuordnung zum Privatvermögen unter- den kann, wenn dieser Gesellschaft sämtliche Arbeiten stellt. Der Vorsteuerabzug ist dann nicht mehr möglich. hinsichtlich der Immobilie übertragen sind. Der Bundes- finanzhof wird diese Frage im Revisionsverfahren (III R Wo ist das Problem? 35/20) zu entscheiden haben. Die Regelung wird selten beachtet. Ist die Frist verpasst, fällt der Vorsteuerabzug bisher unwiderruflich weg. Besonders bei der mehrjährigen Herstellung von Immobilien kümmern sich die Unternehmer:innen erst nach Fertigstellung um die Deklaration. Für die Geltendmachung der Vorsteuer der Vor- jahre ist es dann aber zu spät, da die Zuordnungsentschei- dung insoweit schon im Jahr des ersten Leistungsbezugs zu treffen ist, nicht erst nach Fertigstellung. Fall Dem EuGH liegen zwei typische Fälle vor: Im ersten Fall hat ein Bauunternehmer ein Privathaus errichtet, in dem er ein Arbeitszimmer für sein Unternehmen nutzte. Der zweite Fall betrifft die Installation einer Photovoltaikanlage, die zur Ein- speisung ins Stromnetz und für den privaten Verbrauch ge- nutzt wurde. In beiden Fällen wurde die Vorsteuer erstmals in der Umsatzsteuerjahreserklärung des betreffenden Jahres deklariert, diese jedoch erst nach Ablauf der Zuordnungs- frist eingereicht. Der Vorsteuerabzug wurde entsprechend versagt. Dem Bundesfinanzhof kamen aufgrund der neue- ren Rechtsprechung des EuGH Zweifel, ob er seine eigene Rechtsprechung aufrechterhalten kann, weshalb er dem EuGH die beiden Fälle vorlegte. Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts Der Generalanwalt stuft die Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Nichteinhaltung der Zuordnungsfrist als unver- hältnismäßig und unvereinbar mit den Vorgaben der Mehr- 12 dhpg aktuell 10/21
wertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ein. Gleiches gilt tungen) ist steuerfrei. Die Verpachtung von Betriebs- für die Vermutung, dass Gegenstände dem Privatvermögen vorrichtungen ist nur dann steuerpflichtig, wenn diese zugeordnet wurden, sofern keine (ausreichenden) Indizien eigenständig, ohne Zusammenhang mit einem Gebäude, für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorliegen. verpachtet werden. / Alternative 2: Aus Art. 135 Abs. 2c MwStSystRL ist ein Auf- Konsequenz teilungsgebot abzuleiten, sodass einheitliche Umsätze in Es ist zu hoffen, dass der EuGH der Auffassung des Ge- einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufzu- neralanwalts folgt. Bis dahin sollte die Entscheidung über teilen sind. die Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter zum Der Bundesfinanzhof legte dies dem Europäischen Ge- Unternehmensvermögen immer schon beim ersten Leis- richtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. tungsbezug der Finanzverwaltung offengelegt werden – am besten schriftlich. Dies gilt nicht nur für Immobilien, Konsequenz sondern z.B. auch für betriebliche Kfz, die vom Unterneh- Der Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH dürfte über mer darüber hinaus privat genutzt werden. Veranlagungen, den konkreten Fall für alle Miet- und Pachtverhältnisse von in denen der Vorsteuerabzug unter Berufung auf die Nicht- Bedeutung sein, auch für Fallkonstellationen, zu denen einhaltung der Zuordnungsfrist versagt wurde, sind offen- schon nationale Rechtsprechung vorliegt (z.B. Kfz-Stellplät- zuhalten. ze, Inventar von Pflegeheimen etc.). Vermieter/Verpächter, aber auch Mieter/Pächter sollten prüfen, ob sie tätig wer- den müssen, um von der Entscheidung zu profitieren bzw. Schäden hierdurch zu verhindern. So sollten gegebenen- Unternehmen falls Veranlagungen offengehalten oder geeignete Umsatz- steuerklauseln in die Miet-/Pachtverträge aufgenommen Verpachtung von Betriebs werden. Dies gilt insbesondere für Mieter/Pächter, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. vorrichtungen: Der Europäische Gerichtshof hat jetzt das letzte Wort Eigentlich ist es einfach: Die Verpachtung von Ge- bäuden ist in der Regel steuerfrei, die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen dagegen nicht. Schwie- rig wird es, wenn Gebäude mit darin befindlichen Betriebsvorrichtungen verpachtet werden. Fall Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Die- se waren speziell auf die Nutzung als Putenaufzuchtstall abgestimmt. Der Kläger nahm an, dass die Verpachtung der Stallgebäude zur Putenaufzucht mit den auf Dauer einge- bauten Vorrichtungen und Maschinen insgesamt umsatz- steuerfrei sei. Der Pachtvertrag sah hierfür ein einheitliches Entgelt vor; eine Aufteilung in die Überlassung des Stalls ei- nerseits sowie Vorrichtungen und Maschinen andererseits erfolgte nicht. Das Finanzamt folgte dem nicht. Es ging von der Steuerpflicht der Verpachtung der Betriebsvorrichtun- gen aus, schätzte deren Anteil an der Gesamtpacht mit 20 % und setzte insoweit Umsatzsteuer fest. Nachdem der Kläger in der ersten Instanz Recht erhielt, zog das Finanz- amt vor den Bundesfinanzhof. Entscheidung des Bundesfinanzhofs Aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung auf die Putenauf- zucht qualifiziert der Bundesfinanzhof die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung. Laut Bundesfinanzhof gibt es nun zwei Mög- lichkeiten: / Alternative 1: Die Einheitlichkeit der Leistung hat Vorrang, die gesamte Verpachtung (inklusive der Betriebsvorrich- 13
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