Aktuell 10 21 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Außerordentliche Steuerzinsen - Neues aus Wirtschaft ...

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Aktuell 10 21 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Außerordentliche Steuerzinsen - Neues aus Wirtschaft ...
Neues aus Wirtschaft,
Steuern und Recht

aktuell
10 21
Außerordentliche        Steuerzinsen        „Liebhaberei auf
Kündigung eines         ab 2014             Antrag“ bei kleinen
Maskenverweigerers      verfassungswidrig   Photovoltaikanlagen
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Inhalt

Interview

04 Alles bleibt anders: Arbeitswelt nach der Coronazeit

Top News

06 Außerordentliche Kündigung eines Maskenverweigerers
06 Steuerzinsen ab 2014 verfassungswidrig
07 „Liebhaberei auf Antrag“ bei kleinen Photovoltaikanlagen

Praxistipp

08 Finetrading als alternative Finanzierungsform

News für Ihr Geschäft

09   Urlaub trotz Quarantäne
10   Änderung der Recht­sprechung zur insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung
11   Anträge zur „Aufbauhilfe 2021“ ab 17.9.2021 möglich
11   Vermietung einer Immobilie als feste Niederlassung im Sinne des Umsatzsteuer­gesetzes?
12   Immobilien: Kippt der Europäische Gerichtshof die Zuordnungsfrist?
13   Verpachtung von Betriebs­vorrichtungen: Der Europäische Gerichtshof hat jetzt das letzte Wort
14   Senioren sollten Steuer­bonus für Hausnotrufsystem beantragen

Kurz notiert

15   oktant im Digitalisierungskompass der Wirtschaftsprüferkammer
15   Veröffentlichungen, Veranstaltungen, Zahlungstermine

Impressum

Herausgeber                         Redaktion                 Konzeption, Layout      Eine Haftung für den Inhalt kann
dhpg Dr. Harzem & Partner mbB       Dr. Andreas Rohde         www.2erpack.com         trotz sorgfältiger Bearbeitung
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft     (verantwortlich),                                 nicht übernommen werden.
Steuerberatungsgesellschaft         Dr. Lutz Engelsing,       Herstellung             dhpg aktuell erscheint monatlich
Marie-Kahle-Allee 2                 Brigitte Schultes         Köllen Druck+Verlag     und kann auch als PDF-Datei
53113 Bonn                          info@dhpg.de              GmbH                    bezogen werden.
                                                              53117 Bonn
                                                                                      Stand: 25.9.2021
                                                              Fotos                   Änderungen vorbehalten.
                                                              Bernd Roselieb
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Editorial

                                                                              Dr. Andreas Rohde
                                                                              ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei
                                                                              der dhpg. Mittelständische Unter-
                                                                              nehmen schätzen seine Expertise
                                                                              und lösungsorientierte Beratung bei
                                                                              gesellschafts- und steuerrechtlichen
                                                                              Fragestellungen in den Fällen von
                                                                              Umstrukturierung, Kauf sowie Verkauf
                                                                              oder Nachfolge. Ein weiterer Fokus
                                                                              seiner Arbeit bildet das Handels- und
                                                                              Vertriebsrecht sowie das Haftungs-
                                                                              und Berufsrecht.

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 die letzten Wochen und Monate standen – nicht zu-        haben, sollten sie im Urlaub attestiert krank gewor-
 letzt durch die Bundestagswahl – im Zeichen des          den sein. Doch wie verhält es sich mit dieser Rück-
 Umbruchs. Auch die Arbeitswelt hat sich verändert        gewähr, wenn Arbeitnehmer im Urlaub in häusliche
 und viele Führungskräfte fragen sich, wie sie die Zeit   Isolation müssen? Das erfahren Sie auf Seite 9.
 nach der Pandemie mit ihren Mitarbeitern gestalten.
Zwischen den Extremen „ganz im Homeoffice“ und            Und schließlich möchte ich noch auf ein Urteil auf-
„vollständig zurück im Büro“ gibt es inzwischen so        merksam machen, das für Aufsehen gesorgt hat: Das
 viele Facetten, die unser Arbeitsrechtsexperte Micha-    Bundesverfassungsgericht hat den bisher für Steu-
 el Huth im Interview näher beleuchtet.                   ernachzahlungen und Steuererstattungen gelten-
                                                          den Zinssatz von 6 % pro Jahr für verfassungswidrig
Diejenigen, die im Büro arbeiten, werden womöglich        erklärt. Obwohl dies nun rückwirkend für Verzin-
auch das in unseren Top News geschilderte Problem         sungszeiträume ab 2014 gilt, ist eine Korrektur der
der Maskenverweigerer kennen. Der Umgang mit              Nachzahlungs- und Erstattungszinsen erst ab 2019
entsprechenden Mitarbeitern ist für viele Arbeitgeber     möglich. Die Details finden Sie in unseren Top News.
ein Drahtseilakt. Eines Falls hat sich nun das Kölner
Arbeitsgericht angenommen und damit die Durch-            Sprechen Sie uns bei Fragen zu diesen und allen wei-
setzung von Schutzmaßnahmen in Betrieben für Ar-          teren Themen in der Ausgabe gerne an.
beitgeber gestärkt.

Auch das Thema Urlaubstage sorgt in Verbindung            Ihr
mit Corona bzw. häuslicher Quarantäne immer häu-
figer für Streitpotenzial zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitneh-
mer einen Rückgewähranspruch ihrer Urlaubstage            Dr. Andreas Rohde
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Interview

    Alles bleibt anders: Arbeitswelt
    nach der Coronazeit
    Es gibt wohl kaum ein Unternehmen oder eine Führungskraft, die sich nicht die Frage stellt, wie sich
    das Arbeitsleben nach Corona gestaltet. Viele Unternehmen bewegen sich zwischen „zurück ins
    Büro“, „weiter im Homeoffice“ oder „von beidem etwas“. Unser Arbeitsrechtsexperte schaut auf die
    Arbeitswelt und darauf, wie man nach der Pandemie ein gutes Miteinander finden kann.

    Interview: Michael Huth

    Was haben Sie als Arbeitsrechtler oder auch Mitarbeiter ganz       für Unternehmen, in denen nichts konkret besprochen und
    persönlich aus der Coronazeit gelernt?                             schon gar nicht schriftlich festgehalten war, sondern sich das
    Michael Huth: Wie viele andere habe auch ich noch mehr zu          Arbeiten im Homeoffice eher spontan entwickelt hat.. Dann
    schätzen gelernt, was ich habe. Auf die Arbeit bezogen: eine       lässt sich aber meist auf das allgemeine Weisungsrecht des
    gute Unternehmenskultur. Eine gute Kommunikation. Eine             Arbeitgebers zurückgreifen, das auch die Festlegung des Ar-
    klare, wertschätzende Führung. Auch: Arbeitsplatzsicherheit.       beitsorts umfasst.
    Das sind Privilegien, das ist mir klar. Über das Persönliche hi-
    naus haben sich zum Glück unsere Mechanismen des Sozial-           Sollte der Wiedereinstieg aus psychologischer Sicht stufen-
    und Arbeitsrechts auch in einer so immensen Krise als wehr-        weise erfolgen (im Sinne eines erneuten Onboardings)? Wel-
    haft und funktionsfähig erwiesen. Ich denke vor allem an das       chen Weg kann man den Führungskräften empfehlen?
    Modell der Kurzarbeit, aber auch an den Kündigungsschutz, an       Michael Huth: Das ist ein wichtiges Thema; als Arbeitsrechtler
    die Sozialpartnerschaft oder die Betriebsverfassung. Trotz aller   kann ich mich da aber nur fachfremd äußern. Ich glaube, dass
    Defizite waren zudem Politik und Verwaltung handlungsfähig         sich Verallgemeinerungen verbieten und bisweilen viel Ein-
    und letztlich durchsetzungsstark.                                  fühlungsvermögen im Einzelfall gefragt ist. Es macht ja einen
                                                                       Unterschied, ob ich endlich wieder ins Büro kommen möchte
    Viele Unternehmen beklagen, dass die Mitarbeiterbindung            oder ob ich mich daheim gut eingerichtet habe und darüber
    geringer wird, wenn die Arbeitnehmer:innen nicht regelmä-          freue, den morgendlichen Stau vermeiden zu können. Ebenso
    ßig im Büro sind. Gibt es dafür Belege? Wie können Unter-          reagiere ich unterschiedlich, wenn mir eine Regelung aufge-
    nehmen entgegenwirken?                                             zwungen wird (wenn auch vielleicht mit gutem Grund) oder
    Michael Huth: Langfristige Bindung ist kein so hohes Gut           mir der Arbeitgeber eine Option anbietet. Ein regelrechtes
    mehr wie früher. Dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen           neues Onboarding dürfte aber wohl allenfalls für noch recht
    reicht vom Privaten über Vereine, Kirchen, Parteien, Gewerk-       neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig werden, die
    schaften eben auch bis zu den Arbeitgebern. Das Homeoffice         den Alltagsbetrieb noch gar nicht erlebt haben. Oder wenn
    hat einen ohnehin bestehenden Trend beschleunigt. Viele            es nicht um die Rückkehr aus dem Homeoffice, sondern aus
    Unternehmen steuern längst gegen, etwa indem sie auf Mit-          langer Kurzarbeit geht.
    arbeiterwünsche eingehen, gerade auch auf die noch immer
    teils ungewohnten Erwartungen der jungen Generation. Dazu          In der Coronazeit mussten rasch neue Lösungen für das
    zählt nicht zuletzt die verbreitete Möglichkeit mobilen Arbei-     Arbeiten von zu Hause her. Vielfach wurden kurzfristig Ent-
    tens, die dann die Bindung ironischerweise wieder gefährdet.       scheidungen – vom gesetzlichen Recht auf Homeoffice
    Ich glaube, hier die Balance zu finden und zu halten, ist eine     gestützt – getroffen. Welche rechtlichen Vereinbarungen in
    der wichtigsten Aufgaben eines modernen Arbeitgebers.              Bezug auf das Arbeiten im Homeoffice sollten nun nachge-
                                                                       holt werden?
    Eine ganze Reihe an Unternehmen möchte gerne ihre Mit-             Michael Huth: Auf der großen politischen Ebene wird sich ver-
    arbeiterinnen und Mitarbeiter wieder ganz zurück ins Büro          mutlich nach der Regierungsbildung in Berlin zeigen, ob und
    holen. Ist das arbeitsrechtlich so einfach möglich?                unter welchen Voraussetzungen ein allgemeines Recht auf
    Michael Huth: Das hängt ein wenig davon ab, wie es zu der          Homeoffice geschaffen wird. Bislang gibt es das nicht. Auf der
    Arbeit im Homeoffice gekommen ist. Wenn das Home­office            kleinen Ebene vollziehen nun viele Unternehmen vertraglich
    ausdrücklich nur vorübergehend vereinbart war, besteht ar-         nach, was zwischendurch bisweilen einfach gemacht worden
    beitsrechtlich keine besondere Hürde. Schwieriger wird es          ist. Derzeit entstehen zahlreiche Homeoffice-Regelungen mit

4   dhpg aktuell 10/21
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unterschiedlichsten Inhalten, auf individualarbeitsvertraglicher
Basis, teils werden Betriebsvereinbarungen überarbeitet oder
geschaffen. Hier ist übrigens vor allem dann eine qualifizierte
rechtliche und steuerliche Beratung notwendig, wenn sich das
mobile Büro oder das Homeoffice möglicherweise im Ausland
befindet. Die dhpg hat dafür ein ganzes Team von Experten.

Es gibt in der Zwischenzeit Unternehmen, die über eine Art
freiwilliger Green Card ihren Teammitgliedern wieder mehr
Freiheit geben. Wer sich als Geimpfter „outet“, kann z.B. die
Kantine wieder besuchen, gewisse Räume ohne Maske be-
treten etc. Wie sind solche Maßnahmen arbeitsrechtlich zu
bewerten? Darf der Arbeitgeber den Impfstatus erfragen?
Michael Huth: Persönlich sage ich dazu „Ja“, und ich meine
auch, dass sich die Abfrage jedenfalls in den meisten Fällen
arbeitsrechtlich begründen lässt. Rechtssicherheit besteht           Michael Huth
aber nicht. Da wichtige Rechtsgüter gegeneinander abzuwä-            ist Rechtsanwalt bei der dhpg. Als
gen sind, lassen sich nicht so leicht in richtig und falsch unter-   Fachanwalt für Arbeitsrecht berät
scheiden. Hinzu kommen die komplexen und veränderlichen              er vorrangig mittelständische
Rahmenbedingungen durch die Coronaschutzregeln auf                   Unternehmen in allen Fragen
Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene und vor allem die              des individuellen und kollektiven
teils hitzigen Debatten zur Impfpflicht. Gerade wegen dieser         Arbeitsrechts und vertritt deren
politisch-gesellschaftlichen Brisanz sollte nicht jedem Mittel-      Interessen im Bedarfsfall vor den
ständler oder Kleinbetrieb zugemutet werden, die rechtlichen         Gerichten. Seine Tätigkeit umfasst
Grenzen selbst auszuloten. Ich halte eine politische Diskussion      daneben auch das Dienstvertrags-
für wünschenswert, an deren Ende hoffentlich die gesetzli-           und das Handelsvertreterrecht
che Klarstellung steht, dass Arbeitgeber den Impfstatus abfra-       sowie das Sozialversicherungsrecht,
gen dürfen. Bis dahin appelliere ich auch an die Betriebsräte:       insbesondere auch bei grenz­
Bei der Frage geht es nicht um Konflikte zwischen einzelnen          überschreitenden Mitarbeiter­
Arbeitnehmer:innen und dem Arbeitgeber, sondern um ein               einsätzen. Michael Huth ist ein
wichtiges Detail des Zusammenlebens, des Miteinanders im             erfahrener Prozessanwalt, auch
Betrieb. Der Gesundheitsschutz wie auch die in der Frage an-         für zivil- und wirtschaftsrechtliche
gesprochenen praktischen Vereinfachungen dienen allen. Ein           Streitigkeiten.
klassischer Fall für eine Betriebsvereinbarung.

Inwiefern muss Zusammenarbeit zwischen Führung und
Team neu ausgehandelt werden? Was kommt auf einen Mit-
arbeiter zu, der ständig im Homeoffice arbeitet – welche
Skills müssen sich verstärken?
Michael Huth: Eine selbstkritische Überprüfung auf Anpas-
sungsbedarf ist immer richtig. Aber das Homeoffice wurde ja
2020 nicht neu erfunden. Viele Unternehmen und Belegschaf-
ten meistern das verstärkte Homeoffice ganz hervorragend.
Andernorts war und bleibt Homeoffice unmöglich und stellen
sich teils viel wichtigere Fragen; denken Sie ans Busfahren, an
die industrielle Produktion, an das Handwerk oder erst recht
die Pflege. Wer oft oder gar ständig im Homeoffice tätig wird,
braucht aber gewiss eine ausgeprägtere Fähigkeit zur Selbstor-
ganisation, zur Selbstmotivation und auch zur Konzentration.
Vielleicht noch wichtiger stellt das Homeoffice auch hohe An-
forderungen an die Kommunikation. Wer nicht von sich aus
auf andere zugeht, droht im Homeoffice übersehen zu wer-
den. Arbeitgeber und Führungskräfte müssen darauf achten,
auch in solchen Mitarbeiter:innen die Motivation und Identifi-
kation mit dem Unternehmen immer aufs Neue zu stimulieren.

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Top News                                                        entschied, dass das Interesse des Arbeitgebers an der sofor-
                                                                    tigen Beendigung überwiege. Bei der Maskenverweigerung
    GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                       seien die Risiken für den Kläger und für die Kunden als offen-
                                                                    kundig zu unterstellen. Die Befreiung von der Maskenpflicht
    Außerordentliche Kündigung                                      sei nur gerechtfertigt, wenn der Kläger die gesundheitlichen
                                                                    Gründe glaubhaft machen könne. Eine dahingehende ärzt-
    eines Maskenverweigerers                                        liche Bescheinigung müsse konkrete und nachvollziehbare
                                                                    Angaben enthalten. Ein „Gefälligkeitsattest“ sei hingegen nicht
    Der Umgang mit Arbeitnehmern, die die Einhaltung                ausreichend. Das Attest, das der Kläger eingereicht hatte, sei
    von Corona-Schutzmaßnahmen verweigern,                          nicht aussagekräftig gewesen. Aufgrund des Datums, das
    stellt eine Herausforderung für Arbeitgeber dar.                ein halbes Jahr zurückliege, sei das Attest nicht mehr aktuell.
    Das Arbeitsgericht Köln hat klargestellt, dass die              Zudem fehle es an einer konkreten Diagnose und das Attest
    grundlose Masken­verweigerung eine fristlose                    beziehe sich nur auf nicht medizinische Masken. Das Tragen
    Kündigung rechtfertigt.                                         einer medizinischen Maske sei daher stets möglich gewesen.

    Sachverhalt                                                     Fazit
    Der Kläger war seit dem 1.1.2015 bei der Beklagten als Ser-     Das Urteil stärkt Arbeitgeber bei der Durchsetzung von
    vicetechniker im Außendienst angestellt und betreute Kun-       Schutzmaßnahmen im Betrieb und beim Kundeneinsatz. Es
    den am jeweiligen Kundenstandort. Die Beklagte hatte allen      wird klargestellt, dass eine Verweigerung von Schutzmaßnah-
    Servicetechnikern die Weisung erteilt, bei Kundeneinsätzen      men ohne ausreichende Begründung weitreichende Konse-
    eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Einen im Dezem-            quenzen haben kann.
    ber 2020 für den Folgetag erteilten Auftrag bei einem Kun-
    den, der ausdrücklich auf den Mundschutz hingewiesen
    hatte, lehnte der Kläger unmittelbar ab. Noch am selben
    Tag übersandte der Kläger der Beklagten eine E-Mail mit         Privat
    dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ und einem angehäng-
    ten Attest. Das Attest war auf den 26.6.2020 datiert und        Steuerzinsen ab 2014
    erläuterte, dem Kläger sei es „aus medizinischen Gründen
    unzumutbar (…), eine nicht medizinische Alltagsmaske oder       verfassungswidrig
    eine vergleich­ bare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der
    SARS-COV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tra-               Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass
    gen“. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, das Attest mangels    der bislang für Steuernachzahlungen sowie Steuer­
    konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht anzuerkennen.         erstattungen geltende Zinssatz von 6 % pro Jahr
    Sie erteilte erneut die Weisung, einen Mundschutz zu tra-       verfassungswidrig ist. Zu beachten ist, dass eine
    gen, und bot an, gegen Vorlage eines Belegs für die Kosten      rückwirkende Korrektur der Nachzahlungs- und
    aufzukommen. Zudem bot man ihm an, seinen Gesund-               Erstattungszinsen jedoch erst ab 2019 erfolgen soll.
    heitszustand durch den Betriebsarzt prüfen zu lassen. Da
    er den Kundenauftrag abgelehnt hatte, wurde der Kläger          Steuerrechtlicher Hintergrund
    abgemahnt. Anfang Januar 2021 erklärte der Kläger erneut,       Steuernachzahlungen und Steuererstattungen werden ver­
    einen Auftrag für den Folgetag nur durchzuführen, wenn er       zinst, wenn nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer
    keine Maske tragen müsse. Nach Anhörung des Betriebsrats        entstanden ist, mehr als 15 Monate (sogenannte zinsfreie Ka-
    sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung aus.         renzzeit) bis zur Festsetzung der Steuer, das heißt der Bekannt-
    Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage.                         gabe des Steuerbescheids, vergehen. Für jeden vollen Monat
                                                                    nach Überschreiten dieser Frist schreibt die Abgabenordnung
    Grundlose Maskenverweigerung rechtfertigt                       eine Verzinsung von 0,5 % vor. Auf das Jahr gerechnet ergibt
    Kündigung                                                       sich mithin eine Verzinsung von 6 %. Insbesondere durch Be-
    Das Arbeitsgericht Köln bestätigte, dass die fristlose Kün-     triebsprüfungen, die regelmäßig erst einige Jahre nach den
    digung des Klägers wirksam ist. Die Maskenverweigerung          entsprechenden Prüfungszeiträumen stattfinden, kann es zu
    stelle eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen      nachträglichen Steuererhöhungen und entsprechenden Zins-
    Verpflichtungen dar. Eine solche sei ein wichtiger Grund für    belastungen kommen.
    eine Kündigung. Die fristlose Kündigung erfordere zudem die
    Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände. Es dürfe     Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
    dem Arbeitgeber nicht zumutbar sein, die Kündigungsfrist ein-   Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die
    zuhalten. Dabei müsse das Interesse des Arbeitgebers an der     steuer­rechtlich vorgesehene Zinshöhe von 0,5 % pro Monat
    sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das        für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 als nicht verfas-
    Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abgewo-       sungskonform anzusehen sind. Grund hierfür sei die Ungleich-
    gen werden. Die Vertragspflichtverletzung mitsamt ihren Aus-    behandlung von Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach
    wirkungen, der Verschuldensgrad des Arbeitnehmers, eine         dem Ablauf von 15 Monaten festgesetzt werde, gegenüber
    mögliche Wiederholungsgefahr und die Dauer des Arbeits-         den Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit
    verhältnisses seien zu betrachten. Entscheidend sei auch, ob    festgesetzt werde. Darüber hinaus sei der angewandte Zins-
    eine mildere Reaktionsmöglichkeit denkbar sei. Das Gericht      satz nicht mehr realitätsgerecht. Bereits im Jahr 2014 habe

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Aktuell 10 21 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Außerordentliche Steuerzinsen - Neues aus Wirtschaft ...
sich der marktübliche Zinssatz weit vom gesetzlichen Zinssatz   bend ist dabei die gesamte Lebensdauer des Betriebs von
von 6 % entfernt. Aufgrund der einheitlichen Anwendung des      seiner Gründung bis zur Einstellung bzw. zum Verkauf. Ange-
Zinssatzes von 6 % beschränke sich die Unvereinbarkeit der      sichts des langen Zeitraums und der verschiedenen Einfluss-
Verzinsung im Übrigen nicht auf Nachzahlungszinsen, son-        faktoren fällt die Prognose, ob die Anlage auf eine Gewinner-
dern umfasse ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der         zielung ausgerichtet ist, nicht immer leicht und ist streitanfällig.
Steuerpflichtigen. Von besonderer Bedeutung ist, dass die       Eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht wird steuerlich
bisherige Rechtslage trotz der Verfassungswidrigkeit für Ver­   als „Liebhaberei“ bezeichnet und ist einkommensteuerlich un­
zinsungszeiträume bis einschließlich 2018 weiterhin Anwen-      beachtlich. Bei kleinen Photovoltaikanlagen und vergleichba-
dung finden soll. Hintergrund ist ausweislich der Begründung    ren Blockheizkraftwerken sieht das Bundesfinanzministerium
des Beschlusses das Interesse einer verlässlichen Finanz- und   ein einkommensteuerliches Wahlrecht vor. Betroffen sind fol-
Haushaltsplanung. Bei einer rückwirkenden Anwendung ab          gende Anlagen:
dem Jahr 2014 ginge das Bundesverfassungsgericht von in-        / Installierte Leistung der Photovoltaikanlage: bis zu 10 kW
soweit erheblichen haushaltswirtschaftlichen Unsicherheiten     / Installierte Leistung des Blockheizkraftwerks: bis zu 2,5 kW
aus, welche mithin eine Fortgeltung der verfassungswidri-       / Inbetriebnahme: nach dem 31.12.2003
gen Gesetzeslage bis zum 31.12.2018 rechtfertigen. Für Ver­     / Standort der Anlage: für eigene Wohnzwecke genutztes
zinsungszeiträume ab 2019 darf die alte Rechtslage dahinge-        oder unentgeltlich überlassenes Ein- oder Zweifamilien-
gen nicht mehr angewendet werden. Zwar führe dies ebenso           hausgrundstück einschließlich Außenanlagen (z.B. Garagen)
zu entsprechenden staatlichen Mindereinnahmen, die Gefah-
ren für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung seien    Antrag auf Liebhaberei mit Folgen
für Verzinsungszeiträume nach 2018 jedoch deutlich gerin-       Auf schriftlichen Antrag ist aus Vereinfachungsgründen ohne
ger. Für Verzinsungszeiträume, die teilweise vor, teilweise     weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen
nach dem 31.12.2018 liegen, wird es somit zur teilweisen An-    zu unterstellen, dass die Anlage von Beginn an nicht mit Ge-
wendung sowohl der Alt- als auch der Neuregelung kommen.        winnerzielungsabsicht betrieben wird. Bei ihr liegt grundsätz-
                                                                lich eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag
Ausblick                                                        wirkt auch für die Folgejahre. Die Erklärung ist formfrei. Auf
Der Gesetzgeber ist nun angehalten, bis zum 31.7.2022 eine      den Internetseiten der Finanzverwaltung ist eine Muster­
Neuregelung zu implementieren. Das Bundesverfassungs­           erklärung verfügbar. Veranlagte Gewinne und Verluste (z.B.
gericht hat insoweit Anhaltspunkte gegeben, dass eine ver-      bei unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig
fassungskonforme Regelung schlicht durch Anwendung ei-          durchgeführten Veranlagungen) aus zurückliegenden Veran-
nes geringeren Zinssatzes geschaffen werden könne. Über         lagungszeiträumen, die verfahrensrechtlich einer Änderung
die genaue Ausgestaltung der Neuregelung kann gleichwohl        noch zugänglich sind, werden nicht mehr berücksichtigt. Die
zu diesem Zeitpunkt nur gemutmaßt werden. Zu beachten           zukünftige Abgabe einer Anlage Einnahmenüberschussrech-
ist, dass sämtliche in den letzten Jahren bekannt gegebenen     nung (EÜR) für den Betrieb der Photovoltaikanlage oder des
Zinsfestsetzungen einen Hinweis auf die Vorläufigkeit enthal-   Blockheizkraftwerks entfällt. Das gilt sinngemäß für geson-
ten, sodass diese schon von Amts wegen und somit ohne           derte und einheitliche Feststellungen. Für Veranlagungszeit-
Mitwirkung des Steuerpflichtigen geändert werden sollten.       räume, in denen die Voraussetzungen z.B. durch Nutzungs-
                                                                änderung oder Vergrößerung der Anlage über die genannte
                                                                Leistung nicht vorliegen, ist die Vereinfachungsregelung nicht
                                                                mehr anzuwenden. Der Wegfall der Voraussetzungen ist dem
                                                                zuständigen Finanzamt schriftlich mitzuteilen.
Privat
                                                                Konsequenzen
„Liebhaberei auf Antrag“ bei                                    Wurden bisher Verluste geltend gemacht und sind die
                                                                Steuer­bescheide verfahrensrechtlich änderbar, kann es zu
kleinen Photovoltaikanlagen                                     Nachzahlungen für Vorjahre kommen (gegebenenfalls zu-
                                                                züglich Nachzahlungszinsen in verfassungsrechtlich zu-
Durch Betrieb einer Photovoltaikanlage oder eines               lässiger Höhe). Die Vereinfachungsregelung hat zur Folge,
Blockheizkraftwerks wird man zum Unternehmer                    dass diese kleinen Anlagen von Anfang an ohne Gewinn-
und Gewerbebetrieb. So fragen sich Privatleute                  erzielungsabsicht betrieben werden. Da somit einkom-
häufig, ob sie ihre Steuererklärung noch selbst ma-             mensteuerrechtlich kein Gewerbebetrieb vorliegt, stellt die
chen können oder einen Steuerberater benötigen,                 Photovoltaikanlage bzw. das Blockheizkraftwerk kein Be-
der Gewinnermittlungen und Umsatzsteuervor­                     triebsvermögen dar. Dementsprechend ist kein Betriebsauf-
anmeldungen erstellt. Das Bundesfinanzministeri-                gabegewinn bzw. -verlust zu erfassen. Ebenso wenig sind
um gewährt bei der Einkommensteuer eine Verein-                 eventuell vorhandene sogenannte stille Reserven zu ermit-
fachung.                                                        teln und festzustellen. Für die Unternehmereigenschaft im
                                                                Umsatzsteuerrecht kommt es darauf an, ob mit dem Betrieb
Problem und begünstigte Anlagen                                 der Photovoltaikanlage bzw. des Blockheizkraftwerks Ein-
Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzen eine Gewinnerzielungs-      nahmen erzielt werden sollen. Ob die Anlage steuerlich mit
absicht voraus, das heißt, der Steuerbürger muss mit seiner     Gewinn oder Verlust betrieben wird, ist dagegen unbeacht-
Tätigkeit auf Dauer gesehen einen Überschuss der Betriebs-      lich. Dementsprechend hat das beschriebene Wahlrecht kei-
einnahmen über die Betriebsausgaben anstreben. Maßge-           nerlei Auswirkungen auf die Umsatzsteuer.

                                                                                                                                       7
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Praxistipp

    Finetrading als alternative Finanzierungsform

    Die gültigen Vorschriften zur Bankenregulierung (Basel III)   Vor- und Nachteile des Finetradings
    haben immense Auswirkungen auf die Finanzierungsopti-
    onen von Unternehmen. Insbesondere die hieraus resul-         Vorteile:
    tierenden erhöhten Eigenkapitalanforderungen für Kre-         /S
                                                                    ofortige Liquidität für den Lieferanten (verbessertes
    ditinstitute führen zu strengeren Kreditvergabericht­linien    Lieferantenverhältnis)
    sowie erhöhten Kreditkonditionen. Viele mittelständische      /V
                                                                    erbesserte Einkaufsbedingungen für den Käufer durch
    Unternehmen streben entsprechend eine erhöhte Unab-            Nutzung von Skonti
    hängigkeit von ihren Hausbanken an, indem sie vermehrt        /V
                                                                    erlängerte Zahlungsziele für das Unternehmen gegen-
    auf alternative Finanzierungsformen zurückgreifen. So          über Finetrader (Schonung der Liquidität)
    kommt auch Finetrading als alternative Finanzierungs-         /E
                                                                    rhöhte Flexibilität (keine Bonitätsprüfung der Lieferan-
    form immer häufiger infrage.                                   ten notwendig)
                                                                  /V
                                                                    erringerte Unabhängigkeit gegenüber Banken (Entlas-
    Was ist Finetrading?                                           tung der Kreditlinien)
    Der Begriff „Finetrading“ setzt sich zusammen aus den
    beiden Begriffen „finance“ (Finanzierung) und „trading“       Nachteile:
    (Handel). Hierunter ist eine bankenunabhängige Dienst-        /N
                                                                    icht für jedes Unternehmen möglich (z.B. in Krisen­
    leistung zur Vorfinanzierung der Betriebseinkäufe von Un-      situationen oder -branchen)
    ternehmen zu verstehen, weshalb man Finetrading häufig        /H
                                                                    oher Aufwand bei technischer Implementierung (z.B.
    auch als Lager- oder Einkaufsfinanzierung bezeichnet.          Integration in bestehende IT-Systeme)
                                                                  /G
                                                                    egebenenfalls höhere Kosten im Vergleich zu lang-
    Ein Unternehmen benötigt neue Waren für die eigene             fristigen Bankkrediten (z.B. im Falle einer fehlenden op-
    Produktion, verfügt jedoch nicht über ausreichend Kapi-        timalen Bonitätsbeurteilung bzw. einer regelmäßigen
    tal. Deshalb beauftragt es einen Finetrader, der die Waren     Ausschöpfung der Zahlungsziele)
    beim Lieferanten einkauft. Dieser erhält somit den fälligen
    Betrag vom Finetrader und liefert die entsprechenden          Fazit
    Waren direkt an das Unternehmen aus. Unternehmen und          Die Eignung von Finetrading als alternative Finanzierungs-
    Finetrader schließen einen separaten Vertrag, der die Be-     form für mittelständische Unternehmen hängt von vielen
    gleichung der Warenrechnung zu einem bestimmten, in           Faktoren ab. Neben finanziellen Aspekten (z.B. mögliche
    der Regel verlängerten Zahlungsziel festlegt. Es entsteht     Implementationskosten bzw. Gebühren) sind insbeson-
    somit ein Dreiecksgeschäft, in dem der Finetrader sowohl      dere die Unternehmensstruktur sowie das entsprechende
    als Zwischenhändler als auch als Vorfinanzierer der benö-     branchenspezifische Umfeld (z.B. Bonität des Unterneh-
    tigten Waren agiert.                                          mens, Abhängigkeit von Lieferketten) zu berücksichtigen.

    Einsatzbereiche und Kosten des Finetradings
    Finetrading eignet sich für Unternehmen im Produk-
    tions- bzw. Handelssektor, wo regelmäßig Waren in ho-           Die Autoren:
    hen Stückzahlen bestellt werden müssen. Insbesondere
    bei saisonal bedingt erhöhten Wareneinkäufen sowie bei          Christian Lützenrath ist geschäftsführender Partner der
    Wachstumsspitzen kann die durch den Finetrader bereit-          TMC Turnaround Management Consult GmbH. Er ist
    gestellte zusätzliche Liquidität den Entwicklungsprozess        Fachmann für Interimsmanage­ment, Restrukturierungs­
    von Unternehmen erfolgreich beeinflussen. Darüber hi-           beratung, Sanierungsmanagement und Fortführung in
    naus können Unternehmen möglicherweise von verbes-              der Insolvenz. Außerdem begleitet er M&A-Prozesse.
    serten Einkaufskonditionen profitieren. Finetrading ist
    in der Regel bereits für Einkaufsvolumina ab 100.000 €          Alexander Roltsch ist Senior Consultant bei der TMC
    möglich.                                                        Turnaround Management Consult GmbH. Während
                                                                    seiner Tätigkeit für die TMC begleitete er bereits zahl-
    Für die Bereitstellung des Finetradings werden individu-        reiche Restrukturierungsprojekte, insbesondere im
    elle Gebühren erhoben, die zwischen den Anbietern vari-         Bereich der Finanzplanung.
    ieren können. Die Höhe der Gebühren hängt von der Art
    der Ware, dem jährlichen Einkaufsvolumen, der Bonität           www.turnaround.de
    des Unternehmens sowie der tatsächlichen Nutzungs-
    dauer ab.

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News für Ihr Geschäft

GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                       Urteil des Arbeitsgerichts Bonn
                                                                Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und verneinte sowohl
Urlaub trotz Quarantäne                                         einen direkten als auch einen analogen Anspruch der Klä-
                                                                gerin aus § 9 BUrlG auf Rückerstattung ihrer Urlaubs­tage.
Was passiert mit Urlaubstagen eines Arbeitnehmers,              Dies begründet es damit, dass eine Infektion mit dem
der sich während seines Urlaubs aufgrund einer                  Coronavirus nicht zwangsläufig eine Arbeitsunfähigkeit des
behördlichen Anordnung in häuslicher Isolation                  Arbeitnehmers zur Folge habe und die Klägerin auch kein
befindet? Mit dieser Frage hatte sich das Bonner                ärztliches Attest vorlegen konnte, das eine Arbeitsunfähigkeit
Arbeitsgericht zu befassen.                                     bescheinigen würde. Bei einem symptomlosen Verlauf der
                                                                Krankheit sei je nach konkreter Ausgestaltung des Arbeits-
Hintergrund: Rückgewähr von Urlaubstagen bei                    platzes nicht zwangsläufig eine Arbeitsunfähigkeit ge­geben.
Krankheit laut Bundesurlaubsgesetz                              Eine Ordnungsverfügung, die eine häusliche Isolation an-
Die weiter anhaltende Corona-Pandemie hat neue recht­           ordnet, könne das vorgeschriebene ärztliche Attest nicht
liche Fragestellungen und Schwierigkeiten aufgeworfen,          ersetzen, weil es keine Aussage über die Arbeitsfähigkeit der
die einer Beantwortung bedürfen. Dies betrifft verstärkt das    Arbeitnehmerin trifft. Das Attest sei nicht nur erforderlich,
Gebiet des Arbeitsrechts. Brisant sind dabei immer wieder       um einen etwaigen Missbrauch zulasten des Arbeitgebers
Fragestellungen rund um das Thema Urlaubsanspruch von           zu verhindern, sondern auch, weil die Beurteilung über die
Arbeitnehmer:innen. So stellt sich z.B. die Frage, was mit      Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers einem Arzt vorbehalten
den Urlaubstagen eines Arbeitnehmers passiert, der sich         sein solle. Ohne nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit sei die
während seines Urlaubs aufgrund einer behördlichen An-          Rückerstattung der Urlaubstage nicht möglich. Auch bei
ordnung in häuslicher Isolation befindet – entweder auf-        häuslicher Quarantäne habe die Klägerin die Möglichkeit
grund einer eigenen Corona-Infektion oder des direkten          gehabt, telefonisch bei einer Arztpraxis vorzusprechen und
Kontakts mit einer infizierten Person. Grundsätzlich ge-        ein entsprechendes Attest ausstellen zu lassen. Die Voraus-
währt § 9 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einem Arbeit-      setzungen des Anspruchs aus § 9 BUrlG seien deshalb im
nehmer einen Anspruch auf Rückgewährung bzw. Rücker-            vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch eine analoge Anwen-
stattung seiner Urlaubstage, in denen er ausweislich eines      dung der Vorschrift kam nach Ansicht des Gerichts nicht
ärztlichen Attests arbeitsunfähig war. Der Zweck dieser Vor-    in Betracht, weil es zum einen an einer planwidrigen Rege-
schrift besteht darin, dass sich der Arbeitnehmer während       lungslücke und zum anderen auch an einem vergleichbaren
seines Urlaubs erholen soll, um so seine volle Arbeitsfähig-    Sachverhalt fehle. Nach dem Wortlaut des § 9 BUrlG findet
keit wiederherzustellen. Dieser Erholungseffekt bleibt aber     diese nur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer während sei-
an den Tagen aus, an denen der Arbeitnehmer erkrankt ist.       nes Urlaubs krankheitsbedingt arbeitsunfähig war.
Legt der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein ärztliches
Attest vor, das seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, kann er   Fazit
von ihm die Rückerstattung dieser Urlaubstage verlangen.        Für Arbeitgeber ist das Urteil erfreulich, weil es einen geeig-
                                                                neten Leitfaden für den weiteren Umgang mit der Nach-
Rückgewähr auch bei Quarantäne?                                 gewährung von Urlaubstagen aufgrund einer Quarantäne
Aufgrund der Pandemie und der gesetzlichen Vorschrif-           darstellen kann. Aber auch für Arbeitnehmer:innen schafft
ten kann es dazu kommen, dass sich Arbeitnehmer:innen           das Urteil Klarheit. Ihnen wurde vor Augen geführt, dass sie
während ihres Urlaubs in häuslicher Quarantäne befin-           auch dann ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit
den. Bislang war gesetzlich nicht geregelt, ob ein davon        benötigen, wenn sie aufgrund einer Quarantäne während
betroffener Arbeitnehmer einen Anspruch auf Rückgewähr          ihres Urlaubs einen Anspruch aus § 9 BUrlG geltend ma-
seiner Urlaubstage aus § 9 BUrlG (entweder direkt oder          chen wollen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig und
analog) haben kann. Mit genau dieser Fragestellung hat          eine Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln grundsätzlich
sich jüngst das Arbeitsgericht Bonn befasst und entschie-       möglich. Deshalb ist noch unklar, ob zu dieser Fragestellung
den, dass ein in Quarantäne befindlicher Arbeitnehmer           bereits das letzte Wort gesprochen ist.
nicht automatisch als arbeitsunfähig anzusehen ist und die
Urlaubstage nicht ohne die Vorlage eines ärztlichen Attests
zurückerstattet bekommen kann. In dem Fall, der dem Ur-
teil zugrunde liegt, hatte die Klägerin sich aufgrund einer
Infektion mit dem Coronavirus und einer damit einher­
gehenden Ordnungsverfügung während fünf Urlaubstagen
in häuslicher Isolation befunden. Sie hatte allerdings kein
ärztliches Attest zur Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit
ausstellen lassen. Für diese Tage begehrte die Klägerin eine
Rückerstattung ihres jährlichen Urlaubsanspruchs durch ih-
ren Arbeitgeber. Dieser hatte ihren darauf lautenden Antrag
abgelehnt, weshalb die Klägerin gerichtlich gegen die Ent-
scheidung vorging.

                                                                                                                                  9
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen                              weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, seine übrigen
                                                                    Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu kön-
     Änderung der Recht­                                            nen. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof an, dass
                                                                    ein Abstellen allein auf die Zahlungsunfähigkeit die Vorsat-
     sprechung zur                                                  zanfechtung mit einer Anfechtungsfrist von vier Jahren
                                                                    (§ 133 InsO) zu sehr anderen Anfechtungstatbeständen (ins-
     insolvenzrechtlichen                                           besondere § 130 InsO) mit einer Anfechtungsfrist von ledig-
                                                                    lich drei Monaten annähern würde. Insoweit nahm der Bun-
     Vorsatzanfechtung                                              desgerichtshof die von mehreren Seiten geäußerte Kritik an
                                                                    seiner bisherigen Rechtsprechung auf. Nach Auffassung
     Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil veröffentlicht,           des Bundesgerichtshofs soll das Vertrauen eines Gläubi-
     das in Bezug auf die Insolvenzanfechtung eine                  gers darin, eine erhaltene Zahlung auch behalten zu dürfen,
     deutliche Änderung der bisherigen Recht­sprech­                grundsätzlich geschützt werden und er insbesondere nicht
     ung darstellt und gerade für Unternehmer von                   ohne Weiteres einem vierjährigen Anfechtungsrisiko ausge-
     erheblicher Bedeutung sein kann. Im Besonderen                 setzt sein. Nach (nunmehriger) Ansicht des Bundesgerichts-
     geht es um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.               hofs hat der Gesetzgeber einen Zahlungsempfänger grund-
                                                                    sätzlich nur einem dreimonatigen Anfechtungsrisiko auf
     Die Insolvenzordnung (InsO) sieht vor, dass der Insolvenz­     Grundlage der §§ 130, 131 InsO aussetzen wollen. Um einen
     verwalter Zahlungen, die das insolvente Unternehmen vor        Gläubiger zusätzlich der Anfechtung gemäß § 133 InsO mit
     der Stellung des Insolvenzantrags noch vorgenommen             einer Anfechtungsfrist von vier Jahren auszusetzen, müs-
     hat, anfechten kann. Das kommt insbesondere dann in            sen weitergehende Voraussetzungen erfüllt sein.
     Betracht, wenn das insolvente Unternehmen bereits zah-
     lungsunfähig war und der Zahlungsempfänger Kenntnis            In einem weiteren Punkt stellte der Bundesgerichtshof
     von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Die Zahlungsunfähigkeit     seine bisherige Rechtsprechung klar: Hat der Insolvenz­
     wird dabei in der Praxis häufig aus Indizien geschlossen wie   verwalter im Anfechtungsprozess zu einem beliebigen
     z.B. rückständigen Steuern und Sozialversicherungsbeiträ-      Zeitpunkt anhand von Indizien (z.B. Häufung von Zwangs-
     gen oder nachträglichen Ratenzahlungsbitten. Rechtsfolge       vollstreckungsmaßnahmen, rückständigen Steuern und
     ist dann, dass vom insolventen Unternehmen noch vorge-         Sozial­versicherungsbeiträgen oder Ratenzahlungs­bitten)
     nommene Zahlungen von den Zahlungsempfängern an                belegt, dass das insolvente Unternehmen zahlungsunfähig
     den Insolvenz­verwalter zu erstatten sind. Besonders weit-     war, muss der Gegner darlegen und beweisen, dass die
     reichend ging dies bislang mit der sogenannten Vorsatzan-      Zahlungsunfähigkeit später wieder entfallen ist. In seiner
     fechtung (§ 133 InsO). Die Rechtsprechung ging davon aus,      neuesten Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus,
     dass die Geschäftsleitung eines bereits zahlungsunfähigen      dass dies jedoch nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann der
     Unternehmens mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz han-         Insolvenzverwalter bei weit zurückliegenden oder schwach
     delt, wenn sie an einzelne Gläubiger noch Zahlungen vor-       ausgeprägten Indizien gehalten sein, darzulegen, dass die
     nimmt. Der Insolvenzverwalter konnte von diesen Gläubi-        eingetretene Zahlungsunfähigkeit auch später noch vorlag.
     gern Zahlungen zurückverlangen, die bis zu vier Jahre vor
     dem Insolvenzantrag (sogenannte Anfechtungsfrist) erfolgt      Fazit
     waren.                                                         Der Bundesgerichtshof hat damit seine Rechtsprechung
                                                                    der letzten rund 20 Jahre geändert. Diese war zunehmend
     Sachverhalt                                                    in die Kritik geraten, weil sich Lieferanten Rückforderungs-
     Der Insolvenzverwalter einer GmbH machte gegenüber             verlangen der Insolvenzverwalter ihrer ehemaligen Kunden
     der Bundesrepublik Deutschland die Anfechtbarkeit von          ausgesetzt sahen. Ein Ende der Vorsatzanfechtung bedeutet
     Zahlungen der GmbH geltend, die auf vom Bundesamt für          diese neueste Entscheidung aber wohl nicht. Der Bundes-
     Justiz (BfJ) verhängte Ordnungsgelder erfolgt waren. Das       gerichtshof führt nämlich selbst aus, dass ein Unternehmen
     BfJ hatte der GmbH nach Besprechung der wirtschaftlichen       vernünftigerweise nicht damit rechnen kann, in Zukunft
     Verhältnisse eine Ratenzahlungsmöglichkeit gewährt. Diese      alle Gläubiger bedienen zu können, wenn seine Zahlungs­
     Ratenzahlungen verlangte der Insolvenzverwalter vom BfJ        unfähigkeit ein ganz erhebliches Ausmaß angenommen
     zurück. In den Vorinstanzen war die An­fechtungsklage des      hat. Dann ist vielmehr das Insolvenzverfahren unvermeid-
     Insolvenzverwalters erfolglos ge­blieben.                      lich. Insoweit räumt der Bundesgerichtshof ein, dass eine
                                                                    solch tiefgreifende Krise ohne Aussicht auf zukünftige Be-
     Entscheidung                                                   friedigung der Gläubiger möglicherweise sogar in der Mehr-
     Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das Beru-           zahl der Rechtsstreite, in denen die Vorsatzanfechtung zum
     fungsgericht zurück, weil sich die Vorinstanzen nach Auf-      Tragen kommt, vorliegen kann. Dementsprechend ist die
     fassung des Bundesgerichtshofs nicht hinreichend mit den       neueste Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine Ent-
     Gegebenheiten des Einzelfalls auseinandergesetzt hätten.       warnung für Lieferanten, die mit Kund:innen zu tun haben,
     Der Bundesgerichtshof entschied, dass – entgegen seiner        die verspätet oder in Raten bzw. Abschlägen zahlen. Die
     bisherigen Rechtsprechung – von der bloßen Zahlungs-           Entscheidung hält den Insolvenzverwalter eher an, seine
     unfähigkeit eines Unternehmens nicht auf einen Gläubi-         Anfechtung genauer zu begründen, und das Gericht, diese
     gerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden kann. Er-        genauer zu prüfen. So weit – nämlich zum Rechtsstreit –
     forderlich ist vielmehr zusätzlich, dass das Unternehmen       sollte es aber am besten gar nicht erst kommen.

10   dhpg aktuell 10/21
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                       Unternehmer:innen können bereits vor Beantragung der
                                                                Gelder mit den Aufbauarbeiten beginnen.
Anträge zur „Aufbauhilfe
                                                                  Einzelheiten zur Aufbauhilfe NRW sowie den Link zur
2021“ seit 17.9.2021 möglich                                      Antragstellung finden Sie auf der Website der Landes-
                                                                  regierung: www.land.nrw/de/wiederaufbauhilfe
Am 15.9.2021 trat das Aufbauhilfegesetz 2021
(teilweise) mit Rückwirkung zum 10.7.2021 in Kraft.               Die Inhalte für Rheinland-Pfalz sowie Hinweise zur In-
Die wesentlichen Inhalte im Einzelnen.                            solvenzantragspflicht finden Sie in unserem Newsroom:
                                                                  www.dhpg.de/de/newsroom/blog/aufbauhilfe-2021/
30 Milliarden € Aufbauhilfe
Nach dem Gesetz wird ein Sondervermögensfonds „Auf-
bauhilfe 2021“ in Höhe von bis zu 30 Mrd. € eingerichtet, der
der Bewältigung der Schäden durch das Juli-Hochwasser           Unternehmen
insbesondere in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen
dient. Die Finanzmittel sind für geschädigte Privathaushalte,   Vermietung einer Immobilie
Unternehmen und andere Einrichtungen vorgesehen, mit
dem Ziel, die lokale Infrastruktur wiederherzustellen.          als feste Niederlassung im
Nordrhein-Westfalen (NRW)                                       Sinne des Umsatzsteuer­
In NRW erfolgt für private Haushalte und Unternehmen
der Wohnungswirtschaft eine Förderung in Höhe von bis           gesetzes?
zu 80 % der förderfähigen Kosten. Für Schäden am eige-
nen Hausrat wird eine Pauschale gewährt, die sich an den        Von entscheidender Bedeutung für die zutreffende
im Haushalt zum Schadensereignis gemeldeten Personen            Deklaration der Umsatzsteuer in der EU ist die
bemisst. Einem Ein-Personen-Haushalt stehen 13.000 €            Frage, ob feste Niederlassungen in den Mitglied­
zu, Mehrpersonenhaushalte erhalten eine gestaffelte hö-         staaten bestehen. Eigentlich kein Problem, wäre der
here Pauschale. Förderfähig sind u.a. Einkommenseinbu-          Begriff der festen Niederlassung eindeutig definiert.
ßen aufgrund einer vollständigen oder teilweisen Unter-         Ein neues Urteil des Europäischen Gerichts­hofs
brechung der Geschäftstätigkeit während eines Zeitraums         (EuGH) bringt nun etwas Licht ins Dunkel.
von höchstens sechs Monaten nach Schadenseintritt. Die
Einkommenseinbuße wird auf Grundlage der Finanzdaten            Eine feste Niederlassung setzt laut Mehrwertsteuerverord-
des betroffenen Unternehmens, anhand eines gesonder-            nung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit und eine
ten Berechnungsverfahrens, ermittelt. Für die Bestimmung        Struktur voraus, die es ihr von der personellen und tech-
des Schadens sind anerkannte unabhängige Sachverstän-           nischen Ausstattung her erlaubt, Leistungen zu erbringen
dige zu beauftragen. Dies können Steuerberater (inklusive       und zu empfangen. Dass angesichts dieser Regelung z.B.
Steuerbevollmächtigte), Wirtschaftsprüfer oder vereidigte       das Finanzgericht Münster auch eine Windkraftanlage (ohne
Buchprüfer sein. Privatpersonen und Unternehmen kön-            Personal) als feste Niederlassung qualifiziert, ist für die zutref-
nen entsprechende Anträge seit dem 17.9.2021 über ein           fende Auslegung durch die Praxis wenig hilfreich.
Online-Förderportal stellen.
                                                                Fall
Für Unternehmen stellt das Land NRW Soforthilfen in Höhe        Die Klägerin, mit Sitz in Jersey, vermietete eine eigene Im-
von 33 Mio. € für 6.600 Betriebsstätten bereit. Um Eng-         mobilie in Wien an österreichische Unternehmer. Die kom-
pässe zu überbrücken und die Zahlungsfähigkeit zu sichern,      plette Verwaltung der Immobilie (Abrechnung, Vermittlung
bietet die NRW.Bank Unternehmenskredite ab 0,01 % an.           von Dienstleistern, Geschäftsaufzeichnungen etc.) erfolgte
Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es Darlehen von        durch eine beauftragte Hausverwaltung. Die Entscheidungs-
bis zu 100.000 € mit 20-prozentigem Tilgungsverzicht.           gewalt über die Begründung bzw. Auflösung von Mietver-
                                                                hältnissen, über die Durchführung von Investitionen und
Seit dem 17.9.2021 können Unternehmen bei Sachschäden           deren Finanzierung sowie die Auswahl der Hausverwaltung
Mittel für Reparaturkosten oder den wirtschaftlichen Wert       selbst behielt die Klägerin. Sie rechnete die Mieten netto ab,
geltend machen. Außerdem werden Einkommenseinbu-                da sie die Mieter als Schuldner der Umsatzsteuer in Öster-
ßen bis Januar 2022 kompensiert. Voraussetzung ist eine         reich ansah (Reverse-Charge-Verfahren). Dem folgte das ört-
Begutachtung der entstandenen Schäden. Das Verfahren            liche Finanzamt nicht. Es qualifizierte die vermietete Immo-
ist dreistufig:                                                 bilie als feste Niederlassung und forderte die Umsatzsteuer
/ Beauftragung eines anerkannten Gutachters zur Scha-          von der Klägerin nach.
   densermittlung, soweit noch nicht vorliegend
/ Unternehmen gehen zunächst auf die Kammern zu. Dort          Entscheidung
  werden sie zur Antragstellung beraten und erhalten eine       Laut EuGH ist für die Begründung einer festen Niederlassung
   erste kursorische Prüfung der Anträge.                       ein Mindestbestand an personeller und technischer Ausstat-
/ Im Anschluss reichen sie den Antrag online bei der NRW.      tung nötig. Eine Immobilie, die über kein eigenes Personal
  BANK ein. Diese bewilligt die Mittel und zahlt sie aus.       für die Vermietung verfügt, erfüllt diese Voraussetzung nicht.

                                                                                                                                      11
Konsequenz                                                    Unternehmen
     Entgegen manchen Entscheidungen des EuGH ist diese
     doch sehr eindeutig. Es muss eigenes Personal vor Ort vor-    Immobilien: Kippt der
     handen sein, um eine feste Niederlassung in einem ande-
     ren Mitgliedstaat zu begründen. Subunternehmer können         Europäische Gerichtshof die
     dies nicht ersetzen, zumindest nicht, wenn die maßgeb­
     lichen Entscheidungen nicht von diesen getroffen werden.      Zuordnungsfrist?
     Die Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster dürfte
     damit überholt sein. Gleiches gilt für die Auffassung der     Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs
     deutschen Finanzverwaltung, wonach eine im Inland bele-       (EuGH) hält die vom Bundesfinanzhof sowie von
     gene, steuerpflichtige Immobilie immer auch zur Ansässig-     der deutschen Finanzverwaltung geforderte Frist zur
     keit des vermietenden Unternehmers führt. Unternehmen,        Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter für
     die nicht nur in dem Mitgliedstaat ihres Sitzes tätig sind,   nicht vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht. Setzt
     sondern auch in anderen Ländern (auch in Deutschland),        sich diese Auffassung durch, so dürfte insbesondere
     müssen prüfen, ob die Entscheidung Einfluss auf die De-       beim Erwerb bzw. beim Bau von Immobilien das
     klaration hat.                                                Risiko des Totalverlusts der Vorsteuer reduziert
                                                                   werden. Doch worum geht es genau?
     Exkurs: Betriebsstätte für Ertragsteuerzwecke?
     Eine vergleichbare Fragestellung ist auch für ertragsteuer-   Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern
     liche Zwecke relevant – nämlich ob eine vermietete Im-        setzt deren Zuordnung zum (umsatzsteuerlichen) Unter-
     mobilie eine inländische Betriebsstätte des ausländischen     nehmensvermögen voraus. Werden Wirtschaftsgüter ge-
     Vermieters darstellen kann. Die Frage hat insbesondere        mischt genutzt, das heißt privat und unternehmerisch, so
     Bedeutung für die Gewerbesteuer, da hier die Steuerpflicht    hat der Unternehmer ein Wahlrecht, diese dem Unterneh-
     das Bestehen einer Betriebsstätte im Inland voraussetzt.      mens- oder dem Privatvermögen zuzuordnen, sofern die
     Grundsätzlich genügt die Mietimmobilie allein hierfür nicht   unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt. Der
     aus. Allerdings geht das Finanzgericht Berlin-Brandenburg     Bundesfinanzhof und die Finanzverwaltung fordern nun,
     davon aus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem           dass die Zuordnungsentscheidung bis zum 31.7. des auf den
     Vermieter und einer inländischen Dienstleistungs- und         Leistungsbezug folgenden Jahres gegenüber der Finanz­
     Managementgesellschaft eine Betriebsstätte des Vermie-        verwaltung offengelegt wird (Zuordnungsfrist). Geschieht
     ters in den Räumen der Managementgesellschaft begrün-         dies nicht, wird die Zuordnung zum Privatvermögen unter-
     den kann, wenn dieser Gesellschaft sämtliche Arbeiten         stellt. Der Vorsteuerabzug ist dann nicht mehr möglich.
     hinsichtlich der Immobilie übertragen sind. Der Bundes-
     finanzhof wird diese Frage im Revisionsverfahren (III R       Wo ist das Problem?
     35/20) zu entscheiden haben.                                  Die Regelung wird selten beachtet. Ist die Frist verpasst, fällt
                                                                   der Vorsteuerabzug bisher unwiderruflich weg. Besonders
                                                                   bei der mehrjährigen Herstellung von Immobilien kümmern
                                                                   sich die Unternehmer:innen erst nach Fertigstellung um die
                                                                   Deklaration. Für die Geltendmachung der Vorsteuer der Vor-
                                                                   jahre ist es dann aber zu spät, da die Zuordnungsentschei-
                                                                   dung insoweit schon im Jahr des ersten Leistungsbezugs zu
                                                                   treffen ist, nicht erst nach Fertigstellung.

                                                                   Fall
                                                                   Dem EuGH liegen zwei typische Fälle vor: Im ersten Fall hat
                                                                   ein Bauunternehmer ein Privathaus errichtet, in dem er ein
                                                                   Arbeitszimmer für sein Unternehmen nutzte. Der zweite Fall
                                                                   betrifft die Installation einer Photovoltaikanlage, die zur Ein-
                                                                   speisung ins Stromnetz und für den privaten Verbrauch ge-
                                                                   nutzt wurde. In beiden Fällen wurde die Vorsteuer erstmals
                                                                   in der Umsatzsteuerjahreserklärung des betreffenden Jahres
                                                                   deklariert, diese jedoch erst nach Ablauf der Zuordnungs-
                                                                   frist eingereicht. Der Vorsteuerabzug wurde entsprechend
                                                                   versagt. Dem Bundesfinanzhof kamen aufgrund der neue-
                                                                   ren Rechtsprechung des EuGH Zweifel, ob er seine eigene
                                                                   Rechtsprechung aufrechterhalten kann, weshalb er dem
                                                                   EuGH die beiden Fälle vorlegte.

                                                                   Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts
                                                                   Der Generalanwalt stuft die Versagung des Vorsteuerabzugs
                                                                   aufgrund der Nichteinhaltung der Zuordnungsfrist als unver-
                                                                   hältnismäßig und unvereinbar mit den Vorgaben der Mehr-

12   dhpg aktuell 10/21
wertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ein. Gleiches gilt          tungen) ist steuerfrei. Die Verpachtung von Betriebs-
für die Vermutung, dass Gegenstände dem Privatvermögen              vorrichtungen ist nur dann steuerpflichtig, wenn diese
zugeordnet wurden, sofern keine (ausreichenden) Indizien             eigenständig, ohne Zusammenhang mit einem Gebäude,
für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorliegen.               verpachtet werden.
                                                                  / Alternative 2: Aus Art. 135 Abs. 2c MwStSystRL ist ein Auf-
Konsequenz                                                           teilungsgebot abzuleiten, sodass einheitliche Umsätze in
Es ist zu hoffen, dass der EuGH der Auffassung des Ge-               einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufzu-
neralanwalts folgt. Bis dahin sollte die Entscheidung über           teilen sind.
die Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter zum             Der Bundesfinanzhof legte dies dem Europäischen Ge-
Unternehmensvermögen immer schon beim ersten Leis-                richtshof (EuGH) zur Entscheidung vor.
tungsbezug der Finanzverwaltung offengelegt werden –
am besten schriftlich. Dies gilt nicht nur für Immobilien,        Konsequenz
sondern z.B. auch für betriebliche Kfz, die vom Unterneh-         Der Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH dürfte über
mer darüber hinaus privat genutzt werden. Veranlagungen,          den konkreten Fall für alle Miet- und Pachtverhältnisse von
in denen der Vorsteuerabzug unter Berufung auf die Nicht-         Bedeutung sein, auch für Fallkonstellationen, zu denen
einhaltung der Zuordnungsfrist versagt wurde, sind offen-         schon nationale Rechtsprechung vorliegt (z.B. Kfz-Stellplät-
zuhalten.                                                         ze, Inventar von Pflegeheimen etc.). Vermieter/Verpächter,
                                                                  aber auch Mieter/Pächter sollten prüfen, ob sie tätig wer-
                                                                  den müssen, um von der Entscheidung zu profitieren bzw.
                                                                  Schäden hierdurch zu verhindern. So sollten gegebenen-
Unternehmen                                                       falls Veranlagungen offengehalten oder geeignete Umsatz-
                                                                  steuerklauseln in die Miet-/Pachtverträge aufgenommen
Verpachtung von Betriebs­                                         werden. Dies gilt insbesondere für Mieter/Pächter, die nicht
                                                                  zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.
vorrichtungen: Der
Europäische Gerichtshof hat
jetzt das letzte Wort
Eigentlich ist es einfach: Die Verpachtung von Ge-
bäuden ist in der Regel steuerfrei, die Verpachtung
von Betriebsvorrichtungen dagegen nicht. Schwie-
rig wird es, wenn Gebäude mit darin befindlichen
Betriebsvorrichtungen verpachtet werden.

Fall
Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht mit
auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Die-
se waren speziell auf die Nutzung als Putenaufzuchtstall
abgestimmt. Der Kläger nahm an, dass die Verpachtung der
Stallgebäude zur Putenaufzucht mit den auf Dauer einge-
bauten Vorrichtungen und Maschinen insgesamt umsatz-
steuerfrei sei. Der Pachtvertrag sah hierfür ein einheitliches
Entgelt vor; eine Aufteilung in die Überlassung des Stalls ei-
nerseits sowie Vorrichtungen und Maschinen andererseits
erfolgte nicht. Das Finanzamt folgte dem nicht. Es ging von
der Steuerpflicht der Verpachtung der Betriebsvorrichtun-
gen aus, schätzte deren Anteil an der Gesamtpacht mit
20 % und setzte insoweit Umsatzsteuer fest. Nachdem der
Kläger in der ersten Instanz Recht erhielt, zog das Finanz-
amt vor den Bundesfinanzhof.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung auf die Putenauf-
zucht qualifiziert der Bundesfinanzhof die Verpachtung der
Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung zur steuerfreien
Verpachtung. Laut Bundesfinanzhof gibt es nun zwei Mög-
lichkeiten:
/ Alternative 1: Die Einheitlichkeit der Leistung hat Vorrang,
   die gesamte Verpachtung (inklusive der Betriebsvorrich-

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