Aktuelles zu den genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit: Implikationen für die molekulare Pathogenese und Diagnostik
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Aktuelles zu den genetischen Homepage: Ursachen der Parkinson-Krankheit: www.kup.at/ Implikationen für die molekulare JNeurolNeurochirPsychiatr Pathogenese und Diagnostik Online-Datenbank mit Autoren- Mielke C, Krüger K und Stichwortsuche Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2014; 15 (1), 16-19 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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Genetische Ursachen der Parkinson-Krankheit Aktuelles zu den genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit: Implikationen für die molekulare Pathogenese und Diagnostik C. Mielke, R. Krüger Kurzfassung: Auch wenn die Parkinson-Krank- schen Formen im Mittelpunkt. Zur Diagnose- the recessive forms (PARK2, PARK6, PARK7) heit in der Mehrzahl der Fälle sporadisch, das sicherung – insbesondere bei jungen Patienten – cause a phenotype similar to the idiopathic form heißt ohne erkennbare erbliche Ursache auftritt, oder für die individuelle Lebensplanung kann ein of the disease. The other 3 recessive forms rather wurden anhand familiärer Fälle zwischenzeitlich genetischer Test in ausgewählten Fällen sinnvoll present as juvenile Parkinsonism with an atypi- 9 Gene für monogenetische Parkinson-Formen sein. cal phenotype including rapid disease progres- identifiziert, die zum Teil auch als Risiko- oder sion. By far the most common mutations in pa- protektive Faktoren eine Rolle bei der sporadi- Schlüsselwörter: Monogene dominante oder tients with dominant inheritance were found in schen Erkrankung spielen. Dabei verursachen so- rezessive Parkinson-Formen, Risiko- und protek- the LRRK2 gene (PARK8) and in patients with a wohl dominante (PARK1/PARK4, PARK8, PARK17) tive Genvarianten, gestörter Proteinabbau, oxi- recessive inheritance in the Parkin gene (PARK2). als auch rezessive Formen (PARK2, PARK6, dativer Stress, mitochondriale Dysfunktion For both, the monogenetic and sporadic forms, PARK7) ein dem idiopathischen Parkinson-Syn- pathophysiologic mechanisms like impaired pro- drom ähnliches klinisches Bild. Drei weitere re- tein degradation, oxidative stress, and mitochon- zessive Formen stellen juvenile Parkinson-Syn- drial dysfunction are in the focus. In well-chosen drome mit klinisch atypischem Bild und Verlauf Abstract: Update on the Genetics of Par- cases of private or occupational life-planning, dar. Insgesamt gelten Mutationen im LRRK2-Gen kinson’s Disease: Implications for Molecu- specific genetic testing could be useful to con- (PARK8) bei Patienten mit dominantem Erbgang lar Pathogenesis and Diagnosis. Besides the firm the diagnosis, especially for younger pa- und Mutationen im Parkin-Gen (PARK2) bei re- more frequent sporadic form of Parkinson’s dis- tients. J Neurol Neurochir Psychiatr 2014; zessivem Erbgang als die häufigsten, bekannten ease, where the genetic contribution is not ap- 15 (1): 16–9. genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit. parent, 9 disease-causing genes have been iden- Pathophysiologisch stehen Mechanismen des tified in familial forms of the disease that may Key words: monogenetic dominant or recessive gestörten Proteinabbaus, des oxidativen Stres- act as risk or protective factors in the common Parkinsonism, risk and protective gene variants, ses und der mitochondrialen Dysfunktion sowohl sporadic from as well. The 3 dominant forms impaired protein degradation, oxidative stress, bei den monogenen als auch bei den idiopathi- (PARK1/PARK4, PARK8, PARK17) and also 3 of mitochondrial dysfunction Einleitung von Patienten werden zunehmend Einblicke in die molekula- ren Grundlagen der Parkinson-Erkrankung gewonnen. Inte- Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Demenz die ressanterweise stehen bei den monogenetischen Parkinson- zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung mit einer Prä- Formen dieselben pathophysiologischen Mechanismen, näm- valenz von ca. 1 % der > 60-jährigen Bevölkerung und etwa lich die der oxidativen Modifikation, des gestörten Protein- 250.000 Patienten in Deutschland. In der Mehrzahl der Fälle abbaus und der mitochondrialen Dysfunktion, im Mittel- liegt eine so genannte sporadische (idiopathische) Parkinson- punkt, die auch für die idiopathische Parkinson-Krankheit Krankheit vor, deren Ursache bislang nicht geklärt ist [1, 2]. diskutiert werden. Somit können die monogenen Formen der Es ist jedoch davon auszugehen, dass zwischenzeitlich identi- Parkinson-Krankheit als humane Modellerkrankungen für die fizierte Risiko- und protektive Genvarianten (Suszeptibilitäts- häufige sporadische Form der Erkrankung fungieren. gene) gemeinsam mit Umweltfaktoren das Risiko für die idio- pathische Parkinson-Erkrankung modulieren. Daneben sind Autosomal dominante Formen der aktuell 9 gesicherte monogenetische Parkinson-Formen be- kannt, die in der Reihenfolge ihrer Beschreibung einem Parkinson-Krankheit „PARK“-Locus mit fortlaufender Nummer zugeordnet wur- Die 3 autosomal dominanten Formen der Parkinson-Krank- den, davon 3 mit autosomal dominantem (PARK1/PARK4, heit PARK1/PARK4, PARK8 und PARK17 zeigen klinisch PARK8, PARK17) und 6 mit autosomal rezessivem (PARK2, ein dem idiopathischen Parkinson-Syndrom sehr ähnliches PARK6, PARK7, PARK9, PARK14, PARK15) Erbgang [3]. Bild mit typischem spätem Erkrankungsbeginn um das Über funktionelle Studien der zugrunde liegenden mutierten 60. Lebensjahr. Gene und histopathologische Untersuchungen in Gehirnen Mit einer Häufigkeit von 5–15 % sind Mutationen im LRRK2-Gen (PARK8) die weitaus häufigste Ursache für eine autosomal dominant vererbte Parkinson-Krankheit. Allein die Eingelangt am 4. Juli 2013; angenommen nach Revision am 5. September 2013; p.G2019S-Mutation ist in der kaukasischen Bevölkerung für Pre-Publishing Online am 9. Oktober 2013 ca. 7 % aller familiären Parkinson-Fälle verantwortlich [4]. Aus dem Zentrum für Neurologie und Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung, Die Häufigkeit kann regional deutlich variieren, wobei in Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Centre for Inte- grative Neuroscience (CIN), Universität Tübingen, Deutschland Nordafrika ca. 30 % aller sporadischen Parkinson-Patienten Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Rejko Krüger, Abteilung Neurologie mit Träger der G2019S-Mutation sind. Dabei weist die G2019S- Schwerpunkt Neurodegeneration, Universität Tübingen, D-72076 Tübingen, Mutation eine reduzierte Penetranz auf. Bei nur ca. 30 % im Hoppe-Seyler-Straße 3; E-Mail: rejko.krueger@uni-tuebingen.de Alter von 60 Jahren an Parkinson erkrankten Mutations- 16 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (1) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Genetische Ursachen der Parkinson-Krankheit trägern sind im Alter von 70 Jahren bereits 80 % erkrankt [4]. Autosomal rezessive Formen der In Asien ist die G2385R-Mutation die häufigste Risiko- Parkinson-Krankheit variante im LRRK2-Gen bei sporadischen Parkinson-Patien- ten, wohingegen die G2019S-Mutation nicht beobachtet wird, Das häufigste, rezessiv vererbte Parkinson-Gen (PARK2), was auf populationsspezifische Mutationen und einen so welches zunächst bei japanischen Patienten beschrieben wur- genannten „Founder“-Effekt hinweist [5]. Mutationen im de, kodiert für Parkin, wobei Mutationen als ursächlich für ca. LRRK2-Gen verursachen nicht nur ein klinisch den sporadi- 10–20 % der Parkinson-Patienten mit frühem Erkrankungs- schen Parkinson-Fällen ähnliches Bild mit Erkrankungs- beginn (< 50 Jahre) gelten [4]. Bei den bis heute gefundenen beginn in der späten 6. Lebensdekade und einem guten An- Mutationen im zweitgrößten menschlichen Gen handelt es sprechen auf L-Dopa, sondern auch histopathologisch in der sich in über der Hälfte der Fälle um Gendosisveränderungen Regel Parkinson-typische α-Synuklein-positive Lewy-Kör- durch Deletionen oder Duplikationen einzelner oder mehrerer per in den betroffenen Hirnarealen [6], aber auch selten nigro- Exons. Gemeinsam mit PINK1 (PARK6) ist das als E3-Ubi- striatale Degeneration oder Tau-Aggregation [7]. quitin-Ligase fungierende Parkin-Protein am so genannten Parkin-PINK1-vermittelten Signalweg für die Elimination Die weltweit erste Mutation bei der Parkinson-Erkrankung, dysfunktionaler Mitochondrien in den Zellen, die so genannte die im Jahr 1997 von Polymeropoulos et al. in einer großen Mitophagie, verantwortlich [16]. Familie italienischen Ursprungs gefunden wurde, betrifft das α-Synuklein-Gen (PARK1) [8]. Hierbei kommt es durch einen Mit einer klinisch ähnlichen Symptomatik wie bei Parkin- Aminosäureaustausch (p.A53T) als Folge einer Punktmuta- Mutationsträgern handelt es sich bei Mutationen im PINK1- tion zu einer Fehlfaltung mit anschließender (Proto-) Fibril- Gen mit 1–9 % um die zweithäufigste Ursache der Parkinson- lenbildung und Aggregation von α-Synuklein mit nachfol- Erkrankung mit frühem Beginn [4]. Bisher wurden ca. 60 ver- gendem Nervenzelluntergang. In der Folge wurden bislang schiedene Mutationen in den 8 Exons des PINK1-Gens ge- erst 4 weitere Punktmutationen als seltene Ursachen für ein funden, bei denen es sich (im Gegensatz zu den Gendosis- familiäres Parkinson-Syndrom gefunden (A30P, E46K, H50Q veränderungen bei Parkin-Mutationen) typischerweise um und G51D) [9–12]. „Missense“- oder „Nonsense“-Mutationen handelt. Kommt es zu einem Zustand mit reduziertem mitochondrialem Mem- Die intraneuronalen α-Synuklein-Einschlüsse bilden den branpotenzial, wird die ubiquitär exprimierte Proteinkinase Hauptbestandteil der charakteristischen Lewy-Körperchen, PINK1 auf der Mitochondrienoberfläche stabilisiert und re- die sowohl in betroffenen Hirnarealen von Patienten mit krutiert in der Folge Parkin zu den depolarisierten Mitochon- α-Synuklein-Mutation als auch bei sporadischen Parkinson- drien. Parkin wiederum initiiert die lysosomale Degradation Patienten zu sehen sind [7]. Damit etablierte sich die Par- defekter Mitochondrien (Mitophagie) über eine Polyubiquiti- kinson-Krankheit als Prototyp der so genannten „Synukleino- nierung mitochondrialer Oberflächenproteine mit konsekuti- pathien“. In der Folge wurde auch nichtmutiertes überexpri- vem Abbau durch das Ubiquitin-Proteasom-System [17–19]. miertes α-Synuklein als Folge von Duplikationen oder Tri- plikationen im α-Synuklein-Gen (PARK4) bei Patienten mit Die mit ca. 1 % bislang seltenste Ursache der früh beginnen- autosomal dominanter Parkinson-Krankheit als pathogene- den Parkinson-Krankheit betrifft Mutationen im DJ-1-Gen tisch relevant identifiziert [4]. Dabei korreliert das Ausmaß (PARK7) [4]. Unter den bisher ca. 20 verschiedenen Mutatio- der α-Synuklein-Überexpression mit dem Schweregrad des nen (Exonduplikation, Punktmutationen, Basen- und Exon- Phänotyps der Erkrankung im Sinne eines rascheren und häu- deletionen) kommt nur ca. die Hälfte in homozygoter Form figer mit Demenz assoziierten Krankheitsverlaufs. vor, was bedeutet, dass für die andere Hälfte die pathogeneti- sche Relevanz unklar ist. Beim DJ-1-Protein handelt es sich Das letzte der bisher identifizierten autosomal dominanten um einen zellulären Sensor für oxidativen Stress. Liegt eine Parkinson-Gene ist VPS35, welches erstmals mittels Sequen- Mutation im DJ-1-Protein vor, kommt es zu einer einge- zierung des gesamten Exoms bei betroffenen Familienmit- schränkten mitochondrialen Translokation von oxidiertem gliedern gefunden wurde (PARK17) [13, 14]. Die in 2 großen DJ-1 und damit zu einer Störung der Aufrechterhaltung der Familien aus der Schweiz und Österreich gefundene p.D620N- mitochondrialen Funktion und Integrität [20]. Beim Vorliegen Mutation im VPS35-Gen ist mit einer Häufigkeit von ca. 0,4 % eines DJ-1-Funktionsverlustes liegt demzufolge eine redu- bei Parkinson-Patienten verschiedener Populationen weltweit zierte und antioxidative Aktivität und damit reduzierte neuro- eine seltene Ursache der Parkinson-Krankheit [6], jedoch die protektive Funktion des DJ-1-Proteins vor [21]. zweithäufigste Ursache der familiären Parkinson-Krankheit mit spätem Beginn nach LRRK2-Mutationen [15]. Auch diese Autosomal rezessive Parkinson-Syndro- Mutation wurde bei scheinbar sporadischen Fällen gefunden, was für eine reduzierte Penetranz spricht. Mutationsträger me mit klinisch atypischem Bild zeigen klinisch ein der sporadischen Parkinson-Krankheit Juvenile Parkinson-Syndrome (Beginn < 20 Jahre) mit ähnliches Bild mit gutem Ansprechen auf L-Dopa [15]. Als atypischen klinischen Zeichen und Krankheitsverlauf, bei funktionell relevanter Baustein des so genannten Retromer- denen allenfalls im frühen Krankheitsstadium eine Über- Komplexes, welcher für den Rücktransport von Endosomen lappung mit der idiopathischen Form vorliegt und die zum Trans-Golgi-Netzwerk zuständig ist, wird pathophysio- Parkinson-Symptomatik im Verlauf in den Hintergrund tritt, logisch über eine Beeinträchtigung der Wiederverwertung können durch autosomal rezessiv vererbte Mutationen in membrangebundener Proteine durch Mutationen im VPS35- den Genen ATP13A2 (PARK9) [22], PLA2G6 (PARK14) Protein spekuliert [6]. [23] und FBXO7 (PARK15) [24] verursacht sein. Mutatio- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (1) 17
Genetische Ursachen der Parkinson-Krankheit nen im PLA2G6-Gen können zu einem im Erwachsenenalter eine Bedeutung als Marker bei der Diagnosesicherung erlan- beginnenden Dystonie-Parkinsonismus führen, allerdings gen [28, 29]. sind auch Mutationen für im Kindesalter manifestierende Bewegungsstörungen im Sinne einer Neurodegeneration mit Inzwischen konnten weitere 17 Parkinson-assoziierte Varian- Eisenablagerungen im Gehirn (NBIA2) als infantile neuro- ten über Metaanalysen bislang durchgeführter GWAS identi- axonale Dystrophie beschrieben [25, 26]. Eine weitere Ursa- fiziert werden [6], welche jedoch nur eine relativ geringe che eines atypischen Parkinson-Syndroms sind Mutationen Effektstärke bewirken und somit zur individuellen Risiko- im ATP13A2-Gen, welche initial bei einer jordanischen Fa- beratung nicht beitragen können [30]. Ein erst jüngst entdeck- milie als Kufor-Rakeb-Syndrom beschrieben wurde [22]. ter relevanter Risikofaktor für die Parkinson-Krankheit be- Die bislang ca. 10 pathogenen Mutationen betreffen direkt trifft heterozygote Mutationen im Glukozerebrosidase- oder indirekt die Transmembrandomäne des in der lyso- (GBA-) Gen, welches bei homozygoten Mutationsträgern die somalen Membran lokalisierten ATP13A2-Proteins. Mutier- rezessiv vererbte Gaucher-Krankheit verursacht [4]. Patienten tes ATP13A2-Protein führt einerseits zu einer instabilen mit heterozygoten Funktionsverlustmutationen im GBA-Gen Proteinvariante, welche im endoplasmatischen Retikulum zeigen die typische klinische Parkinson-Symptomatik mit je- bleibt und im Proteasom abgebaut wird, andererseits wird doch häufiger auftretenden kognitiven Defiziten und Gang- durch das mutierte Protein eine mitochondriale Dysfunktion störungen [6]. Der GBA-Funktionsverlust verursacht in funk- verursacht [22]. Mutationen im FBXO7-Gen wurden erst- tionellen Studien eine Störung des lysosomalen Proteinab- mals in einer italienischen und dänischen Familie gefunden. baus mit daraus folgender α-Synuklein-Akkumulation, was Die homozygoten oder compound-heterozygoten Mutatio- im Sinne eines Teufelskreises wiederum die GBA-Enzym- nen verursachen einen Phänotyp mit einem rasch progredi- aktivität behindert [6]. Insgesamt ist das Tragen einer hetero- enten Parkinson-Syndrom mit juvenilem Beginn und beglei- zygoten Funktionsverlustmutation im GBA-Gen mit einem tenden Pyramidenbahnzeichen [24]. Damit gewährt auch ca. 5-fach erhöhten Risiko verbunden, an Parkinson zu er- diese monogenetische Parkinson-Form exemplarisch Ein- kranken. Aufgrund der relativ hohen Penetranz von ca. 30 % blick in das pathologische Verständnis der idiopathischen im Alter von 80 Jahren kann GBA auch als autosomal domi- Krankheitsform. nantes Gen mit reduzierter Penetranz eingeordnet werden [4, 6]. Genetische Risikofaktoren für die spora- dische Parkinson-Krankheit Genetische Tests und Beratung Neben den bereits beschriebenen, über Kopplungsanalysen Für alle monogenen Parkinson-Formen sind genetische Tests oder moderne Sequenziermethoden der gesamten kodieren- und zunehmend auch so genannte diagnostische „panels“, den Sequenz („next-generation sequencing“) identifizierten wie z. B. für die rezessiven und dominanten Gene oder sogar seltenen Mutationen für monogene familiäre Formen der Par- diagnostische Exomsequenzierungen, verfügbar. Hier emp- kinson-Krankheit gelang es über genomweite Assoziations- fiehlt sich der Kontakt zu einem mit genetischen Parkinson- studien (GWAS) in großen Kollektiven von sporadischen Par- Syndromen erfahrenen Neurologen. Außerdem ist gemäß kinson-Patienten und gesunden Kontrollpersonen genetische Gendiagnostik-Gesetz bei prädiktiven Tests eine genetische Risikofaktoren für die idiopathische Parkinson-Krankheit zu Beratung obligat. Diese erfolgt über eine Zusammenarbeit identifizieren. Interessanterweise waren unter diesen Loci mit einem humangenetischen Institut oder einer Abteilung auch einige der bereits bekannten familiären Parkinson-Gene, mit Zertifizierung als „fachspezifische genetische Beratung die somit neben mendelnd vererbten seltenen Mutationen Neurologie“. Bezüglich der Frage, wann eine genetische Diag- auch häufige Varianten zeigen, die als Risiko- oder protektive nostik sinnvoll ist, sollte berücksichtigt werden, dass bislang Faktoren die Suszeptibilität für die Parkinson-Krankheit keine therapeutischen Konsequenzen aus der genetischen modulieren können. Als robuster Befund stellten sich dabei Testung ableitbar sind bzw. keine neuroprotektiven Therapien über verschiedene Populationen (Asiaten, Kaukasier) mit der zur Verhinderung der Progression zur Verfügung stehen. Als sporadischen Parkinson-Krankheit assoziierte Polymorphis- Anhaltspunkte können die Empfehlungen der „European men („single-nucleotide polymorphism“ [SNP]) im α-Synu- Federation of Neurological Societies“ von 2009 zur moleku- klein-Gen dar [27]. Hier gibt es Hinweise aus Zell- und Tier- largenetischen Testung dienen [31]: modellen, dass durch regulatorische Polymorphismen eine – LRRK2: vermehrte Expression des α-Synuklein-Proteins bewirkt wird Europäer mit familiär dominantem Parkinson-Syndrom und zum Risiko beiträgt, an der Parkinson-Krankheit zu lei- Aschkenasi oder nordafrikanische Patienten mit oder den [7]. Auch im LRRK2-Gen wurde neben den mendelnd ohne positive Familienanamnese: G2019S-Mutation vererbten Mutationen mit reduzierter Penetranz eine Vielzahl des LRRK2-Gens von kodierenden exonischen Varianten gefunden, unter denen – Parkin, PINK1, DJ-1: sich Risikofaktoren wie auch protektive Varianten für die Patienten mit rezessivem Erbgang Parkinson-Krankheit befinden [6]. Auf eine Bedeutung selte- Patienten mit Erkrankungsbeginn < 35 Jahre ner monogenetischer Ursachen für die häufige sporadische Form der Parkinson-Krankheit weisen Befunde zur Bedeu- Bei der Beurteilung genetischer Befunde sollte beachtet tung der enkodierten Proteine als mögliche Biomarker im werden, dass (1) gerade bei der häufigen G2019S-Mutation Liquor cerebrospinalis hin. Dabei wurden reduzierte Konzen- der positive Mutationsträgernachweis nicht unbedingt eine trationen von α-Synuklein bzw. DJ-1 im Liquor von Parkin- Parkinson-Erkrankung zu Lebzeiten bedeutet (reduzierte Pe- son-Patienten detektiert, welche möglicherweise in Zukunft netranz) und (2) auch ein negatives Ergebnis eine erbliche 18 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (1)
Genetische Ursachen der Parkinson-Krankheit Ursache der Erkrankung nicht ausschließt. Somit wird die ge- multiple system atrophy? Acta Neuropathol 22. Ramirez A, Heimbach A, Grundemann J, 2013; 125: 753–69. et al. Hereditary parkinsonism with dementia netische Testung aktuell vornehmlich zur Diagnosesicherung is caused by mutations in ATP13A2, encoding 13. Zimprich A, Benet-Pages A, Struhal W, et – insbesondere bei jungen Patienten – oder für die persönliche a lysosomal type 5 P-type ATPase. Nat Genet al. A mutation in VPS35, encoding a subunit 2006; 38: 1184–91. und berufliche Lebensplanung in ausgewählten Fällen einge- of the retromer complex, causes late-onset Parkinson disease. Am J Hum Genet 2011; 23. Gregory A, Westaway SK, Holm IE, et al. setzt. 89: 168–75. Neurodegeneration associated with genetic defects in phospholipase A(2). Neurology 14. Vilarino-Guell C, Wider C, Ross OA, et al. 2008; 71: 1402–9. VPS35 mutations in Parkinson disease. 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Carina Mielke Forschung (BMBF, NGFNplus; 01GS08134) sowie Vortrags- 2003–2009 Medizinstudium an der Universi- honorare von UCB Pharma, Cephalon, Abbott Pharmaceuti- tät Tübingen. 2010 Promotion zum Thema cals, Takeda Pharmaceuticals, Medtronic und St. Jude Medi- „Netrin-1 dampens pulmonary inflammation cal erhalten. during acute lung injury“. 2010–2011 Aus- bildung zum Facharzt für Neurologie an der CM verneint einen Interessenkonflikt in Bezug auf die Erstel- Abteilung für Neurologie, Städtisches Spital Karlsruhe, und seit 2011 am Zentrum für Neu- lung dieses Artikels. rologie mit Schwerpunkt Neurodegenera- tion, Universität Tübingen. Literatur: clinical phenotype and neuropathology in re- Professor Dr. med. Rejko Krüger lation to the common sporadic form of the 1. Gibb WR, Lees AJ. A comparison of clini- disease. 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