Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.

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Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
2 | 2020

                    PRAXIS + FORSCHUNG

 Altersdiskriminierung:
 Ein Virus, über das wenig
 gesprochen wird. Seite 16
Nachbarschaft und              Unsichere Arbeitsbedingungen:
Wohlbefinden – auch zu         Wie lebt es sich als Care-Migrantin
Zeiten von COVID-19. Seite 4   im Tessin? Seite 20
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
EDITORIAL

                                       IMPRESSUM
                                       Herausgeberin
                                       GERONTOLOGIE CH
                                       Kirchstrasse 24
                                       3097 Liebefeld
                                       www.gerontologie.ch
                                       Redaktionsleitung
                                       Regula Portillo,
                                       Patrick Probst,
                                       komform GmbH
                                                                  Wie wir das              Liebe Mitglieder,
                                                                                           Liebe Leserinnen und Leser,
                                       Redaktionskontakt:
                                       mail@komform.ch
                                       031 971 28 69
                                                                  Alter sehen!             Die Krisensituation im Zusammenhang mit
                                       Redaktion                                           COVID-19 wirft Fragen über unser Verhält-
                                       Valérie Hugentobler,       Höchste Zeit, dass       nis zum Altern und zu älteren Menschen auf,
                                       Haute école de travail
                                       social et de la santé
                                                                  wir in der Coronakrise   aber auch darüber, wie unsere Gesellschaft
                                       Lausanne; Hildegard        unsere Altersbilder      ältere Menschen sieht.
          SCHWERPUNKT
                                       Hungerbühler, SRK;                                     Die Reaktionen in den Medien haben
      4 Nachbarschaft und              Christoph Hürny, Arzt;     hinterfragen.            gezeigt, dass sich viele ältere Menschen
        Wohlbefinden – auch zu         Barbara Masotti, Scuo-
                                                                                           bevormundet fühlen, wenn sie zu ihrem
        Zeiten der Pandemie            la universitaria profes-
                                       sionale della Svizzera                              «eigenen Wohl» «unter eine Glocke gestellt»
                                       italiana; Miriam Moser,                             werden. Viele haben sich geweigert, in einen
          SCHWERPUNKT                  Pro Senectute; Del-                                 Topf geworfen und allein aufgrund ihres
      6 Selbstständiges Wohnen         phine Roulet Schwab,
                                                                                           Alters als schwach und abhängig beurteilt
        dank Helfenden-Netzwerk        Institut et Haute Ecole
                                       de la Santé La Source                               zu werden.
                                       (HES-SO); Alexander                                    Diese Krise erinnert uns daran, dass
          PROJEKT
10                                     Seifert, Zentrum für
                                                                                           unser Bild vom Alter oft verzerrt und von
      9 Caring Communities             Gerontologie; Andreas
                                       Sidler, Age-Stiftung;                               vielen Klischees geprägt ist. Diese Stereo-
                                       Dieter Sulzer, Pro                                  typen sind hartnäckig und tief verwurzelt.
          SCHWERPUNKT
                                       Senectute.                                          Normalerweise werden sie übersehen, in
     10 Das neue Berufsfeld            Anzeigen
                                                                                           der Krise kommen sie ans Licht.
        Nachbarschaftsarbeit           info@gerontologie.ch
                                       Konzept und                                            Gerade in der Coronakrise ist es wichtig,
                                       Gestaltung                                          noch einmal darauf hinzuweisen, dass der
     14   NOTIZEN                      komform GmbH,                                       Wert eines Menschen nicht an der Zahl sei-
                                       Liebefeld
                                       Foto Cover                                          ner Lebensjahre gemessen wird. Als Erwach-
          FILMPROJEKT
                                       Shutterstock                                        sene haben wir alle, unabhängig von unse-
     16 Altersdiskriminierung:
                                       Übersetzungen                                       rem Alter, die gleichen Verantwortlichkeiten,
        ein Virus, über das            Sylvain Bauhofer (F)
                                                                                           Pflichten und Rechte. Zudem gibt es keine
16      wenig gesprochen wird          GERONTOLOGIE CH
                                       Das Magazin für die                                 typischen sondern ganz unterschiedliche
          PORTRÄT
                                       Vereinsmitglieder           Möchten Sie             Seniorinnen und Senioren. Es macht daher
                                       erscheint dreimal pro                               keinen Sinn, von älteren Menschen als einer
     20 Wie lebt es sich als           Jahr in einer Auflage
                                                                   Mitglied von
                                                                                           einheitlichen Bevölkerung zu sprechen.
        Care­Migrantin im Tessin?      von 1600 Exemplaren.        GERONTOLOGIE CH
                                       Der Verkaufspreis ist                                  Mit dieser Ausgabe von GERONTOLOGIE                Delphine
        Silvia Dragoi erzählt ihre                                 werden oder
                                       im Mitgliederbeitrag                                CH laden wir Sie dazu ein, die Sichtweise           Roulet Schwab
        Geschichte                     enthalten. Jahresabon-      dieses Magazin          unserer Gesellschaft auf das Alter zu hin-      Dr. phil., Professorin am
                                       nemente und Einzel-                                                                                 «Institut et Haute École
     22   INTERVIEW                    ausgaben können bei         abonnieren?             terfragen – auch indem wir einigen älteren
                                                                                                                                            de la Santé La Source
                                       der Herausgeberin                                   Menschen die Gelegenheit geben, über
          «Gemeinschaft fördern wird                                                                                                       (HES-SO)» in Lausanne.
                                       bestellt werden.                                    ihre Erfahrungen mit der COVID-19-Krise zu
          eine Gemeindeaufgabe».                                   Kontaktieren Sie uns                                                           Präsidentin
                                       ISSN 2673-4958              bitte über              sprechen.                                         GERONTOLOGIE.CH
          François Höpflinger im
                                                                                              Ich wünsche Ihnen eine spannende und             d.rouletschwab@
20        Gespräch                     1. Juli 2020                info@gerontologie.ch
                                       © 2020 komform                                      aufschlussreiche Lektüre.                          ecolelasource.ch

                                                                                                                                       GERONTOLOGIE CH 2/2020     3
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
SCHWERPUNKT

Nachbarschaft und
                                                                                                   den Nachbarn im täglichen Le-         Kontakte ergab sich zufällig bzw.       Projekte zeigen eindrücklich, dass
                                                                                                   benskontext und wie beeinflusst       spielte sich ausserhalb des Wohn-       «soziale Verbundenheit» auch
                                                                                                   dieser Kontakt das Gefühl von         gebäudes ab. In 7 % aller Beobach-      während einer «physischen Dis-

Wohlbefinden – auch zu                                                                             Einsamkeit? – Dieser Frage ist im
                                                                                                   Jahr 2019 eine alltagsnahe sozial-
                                                                                                   wissenschaftliche Studie unter
                                                                                                                                         tungen wurde nachbarschaftliche
                                                                                                                                         Hilfe erbracht oder angenommen.
                                                                                                                                         Aus dem subjektiven Stellenwert,
                                                                                                                                                                                 tanzierung» möglich ist, wenn z. B.
                                                                                                                                                                                 der Einkauf vor die Tür des Nach-
                                                                                                                                                                                 barn gestellt wird oder ein Zettel

Zeiten der Pandemie                                                                                Leitung von Alexander Seifert
                                                                                                   nachgegangen.
                                                                                                                                         welcher der Nachbarschaft einge-
                                                                                                                                         räumt wurde, liess sich die Häufig-
                                                                                                                                         keit nachbarschaftlicher Kontakte
                                                                                                                                                                                 mit einer kurzen Nachricht wie
                                                                                                                                                                                 dieser: «Wenn Sie Hilfe brauchen,
                                                                                                                                                                                 ich bin unter dieser … Telefonnum-
Eine Studie zeigt, wie wichtig für ältere Menschen                                                                                       voraussagen. Auch leisten Frauen        mer erreichbar» in den Briefkasten
die Person ist, die neben einem wohnt.                                                                                                   häufiger Nachbarschaftshilfe als        der Nachbarin oder des Nachbarn
                                                                                                         «Die erlebten                   Männer. Gerade bei den Nachbar-         gelegt wird. Nachbarschaftlichkeit
Text: Alexander Seifert                                                                                Nachbarschafts­                   schaftskontakten lassen sich täg-       zeigt sich daher vor allem in klei-
                                                                                                   kontakte gehen deutlich               liche Unterschiede erkennen. Die        nen Gesten; jene Gesten sind aber
                                                                                                    mit dem Gefühl einher,               reichhaltigen Alltagsdaten zeigten,     elementar für das subjektive Ge-
                                                                                                                                         dass die erlebten Nachbarschafts-       fühl von «Ich bin nicht allein hier».

                                                             D
                                                                                                      sich an diesem Tag
                                                                     ie Weltgesundheitsorga-                                             kontakte deutlich mit dem Gefühl        Lassen Sie uns daher gemeinsam
 Kleiner Aufwand,                                                                                   nicht allein zu fühlen.»
 grosse Wirkung:                                                     nisation (WHO) definiert                                            einhergehen, sich an diesem Tag         die Nachbarschaftlichkeit leben –
 Für ältere Nachbarn                                                 in ihrem Ansatz von 2015                                            nicht allein zu fühlen. Darüber         mit kleinen Gesten.
 einkaufen gehen.                                            «gesundes Altern» als einen           Das Projekt beinhaltete eine mik-     hinaus zeigte sich ein positiver
                                                             dynamischen, vom Individuum           ro-längsschnittliche Erfassung von    Zusammenhang zwischen den täg-
                                                             definierten und mitgesteuerten        Alltagsdaten zur Bedeutung der        lichen Nachbarschaftskontakten
                                                             Prozess. Damit wird der Blick auf     Nachbarschaftlichkeit bei älteren     und dem subjektiven Gefühl, sich
                                                             die individualisierte Erhaltung der   Menschen. Drei Wochen lang            mit der Nachbarschaft verbunden
                                                             Lebensqualität im Alltag gerichtet.   wurden hierzu 77 ältere Zürche-       zu fühlen.
                                                             Dabei wird die Lebensqualität aber    rinnen und Zürcher ab 60 Jahren
                                                             nicht nur von der Person geprägt,     dreimal täglich mithilfe (ausgelie-   Auf die kleinen Gesten
                                                             sondern auch von den kontextuel-      hener) Smartphones zur Intensität     kommt es an
                                                             len Bedingungen, in denen diese       ihrer Nachbarschaftskontakte und      Die erstmals im Alltag gemessenen
                                                             Person lebt. Ein wichtiger Kontext    zu ihrem individuellen täglichen      Echtzeitdaten einer lebendigen
                                                             für ältere Menschen ist die eigene    Wohlbefinden befragt.                 Nachbarschaft machen deutlich,
                                                             Nachbarschaft, also jene Personen,                                          dass die täglichen Kontakte zu
                                                             mit denen sie zusammenleben.          Nachbarschaftskontakte als            Nachbarn nicht für alle, aber doch                Alexander Seifert
                                                             Dabei geht es um die Kontakte, die    wichtige Ressource                    für viele ältere Menschen sehr
                                                                                                                                                                                           Soziologe, Dr. phil.
                                                             man zueinander pflegt, und um         Die Ergebnisse zeigen, dass es        wichtig sind, um sich nicht allein
                                                                                                                                                                                     Wissenschaftlicher Mitarbeiter
                                                             die Hilfe, die man diesen Personen    im Durchschnitt innerhalb der         und isoliert zu fühlen. In Zeiten              an der Fachhochschule
                                                             gibt und von ihnen bekommt.           20 Untersuchungstage in 19 %          der aktuellen Corona-Pandemie                 Nordwestschweiz FHNW
                                                                Wir alle leben in einer Nach-      der Fälle zu einem Kontakt mit        nimmt die Bedeutung von Nach-                   und Universität Zürich
                                                             barschaft, und unser Umgang mit       einem Nachbarn gekommen ist.          barn zu, da sie aktuell nicht nur das          alexander.seifert@fhnw.ch
                                                             unseren Nachbarn lässt sich auch      In den allermeisten Fällen waren      subjektive Gefühl von «Da ist je-
                                                             anhand der Häufigkeit der Kon-        dies Kontakte, die länger als zwei    mand da, wenn ich Hilfe brauche»
                                                             takte und gegenseitigen Unter-        Minuten dauerten und somit mehr       abfangen, sondern nun vermehrt
                                                             stützungen zu ihnen messen. Diese     als nur ein «Grüezisagen» beinhal-    auch praktische Hilfeleistungen
                                                             Kontakte, in Form einer lebendi-      teten. Dabei fanden die Kontakte      erbringen. Hier zeigen zahlreiche
                                                             gen Nachbarschaftlichkeit, können     mit den Nachbarn seltener statt       lokale Projekte und Initiativen ein                 Mehr wissen:
                                                             eine Ressource zur Bewältigung        als Kontakte mit Freunden (32 %),     beeindruckendes «Aufleben der              Die Studie «Nachbarschaftlich-
                                                             des Alltags im Alter sein. Aber wie   aber häufiger als Kontakte mit        Nachbarschaftshilfe» in den Nach-          keit im Alter» finden Sie unter:
                                                             genau zeigt sich dieser Kontakt zu    den Kindern (13 %). Ein Drittel der   barschaften der Schweiz. Diese                     bit.ly/2SWzw4K
                                        Foto: Shutterstock

4 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                      GERONTOLOGIE CH 2/2020   5
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                                       Roberto Mora
                                                                                                                                                                                     ist Direktor des

Selbstständiges
                                                                                                                                                                                    gemeinnützigen
                                                                                                                                                                                      Vereins ABAD.
                                                                                                                                                                                        roberto.mora
                                                                                                                                                                                           @abad.ch

Wohnen dank
Helfenden-Netzwerk                                                                                                                                                                                                       Foto: Ti-Press / Samuel Golay

Als die Corona-Pandemie das Tessin mit aller                                                                              wichtig für Ältere, genug früh über   privat anstellen muss, überfordert      Sie organisieren also ein
                                                                                                                          die verschiedenen Möglichkeiten       viele. Gleichzeitig herrschen teil-     «betreutes Wohnen» in der
Härte traf, wurde in Cadenazzo in kürzester Zeit                                                                          Bescheid zu wissen. Zu oft hört       weise prekäre Arbeitsbedingungen.       Privatwohnung.
ein kostenloser Einkaufslieferdienst organisiert                                                                          man noch: «Wenn ich das vorher        In einem Pilotprojekt hat unser         RM: Als Verein unterstützen wir

und eine Auskunftsstelle für Betagte eingerichtet.                                                                        gewusst hätte…».                      Verein drei Badanti angestellt. Als     das «selbstständige Wohnen» die
                                                                                                                                                                «collaboratice famigliare condi-        Seniorinnen und Senioren mit
Aufgezeichnet von:                                                                                                        Was unterscheidet die Custode         visa» unterstützen sie vulnerable       einem Netzwerk von Helfenden.
Andreas Sidler, Leiter Bereich Forschung                                                                                  Sociale von einer Beratungsstelle     Menschen täglich zwei bis drei          Das ist etwas anderes, als von einer
& Wissensvermittlung der Age-Stiftung                                                                                     der Sozialbehörde?                    Stunden in deren Zuhause. Die           einzelnen Institution oder Per-
   andreas.sidler@age-stiftung.ch                                                                                         RM: Auch sie arbeitet eng mit der     lange Anwesenheitszeit entspricht       son abhängig zu sein. Man bleibt
                                                                                                                          Sozialvorsteherin der Gemeinde        einem Bedürfnis und entlastet die       selbstbestimmt. Deshalb ist das
                                                                                                                          zusammen. Speziell ist aber das       Familienangehörigen, die sich bei       Aktivitätsangebot so wichtig, wo
                                                                                                                          Vertrauen, das Marta Marchese         der Betreuung ihrer Angehörigen         man Bekanntschaften macht, Be-

R
       asche Hilfe war möglich,            ten die Hausgemeinschaft fördert.    täten. Meist nehmen mehr als 15           durch die regelmässigen Haus-         nicht allein gelassen fühlen. Die       ziehungen pflegt und Teil des Ge-
       weil Cadenazzo bereits auf          Die Senioren von Cadenazzo woll-     Leute teil. Zudem organisiert sie         besuche und durch die Aktivitäten     Badante wiederum finden bei uns         meindelebens bleibt. Der soziale
       eine enge Zusammenarbeit            ten aber nicht in die neuen Woh-     mit Hilfe von Freiwilligen einmal         bei den vulnerablen Menschen in       angemessene Arbeitsbedingungen.         Kontakt ist auch ein Grund dafür,
mit der Spitex-Organisation ABAD           nungen. Jetzt wohnen dort Jüngere.   in der Woche einen Mittagstisch.          der Gemeinde geniesst. Auch die
zurückgreifen konnte. Roberto              Der Wunsch, in der angestammten                                                Angehörigen schätzen sie, weil sie
Mora ist Direktor des gemeinnüt-           Wohnung zu bleiben, ist gross.       Wo finden diese Treffen statt?             Marta jederzeit um Hilfe bitten
zigen Vereins ABAD. Im Gespräch                                                 RM: Meistens im Gemeinschafts-            können, zum Beispiel, wenn die
erklärt er, wie in Cadenazzo ein           Und diesen Wunsch muss man res-      raum der erwähnten Neubausied-            Mutter nicht ans Telefon geht.
Netzwerk der Altersarbeit entwi-           pektieren…                           lung. Die custode sociale ist zusätz-     Viele Angehörige wohnen oder
ckelt wurde, das auch in der Krise         RM: Unser Verein und die Gemein-     lich einen halben Tag pro Woche           arbeiten weit weg und können
tragfähig bleibt.                          de respektieren diesen Wunsch        oder nach Terminvereinbarung              selbst nicht spontan reagieren.
                                           nicht nur, sondern unterstützen      dort, um zu beraten und zu infor-         Die custode sociale merkt auch früh
Cadenazzo hat rund 3000 Einwohner          ihn aktiv. Deshalb haben wir 2017    mieren. Telefonisch ist Martha            genug, wenn sich die Lebens- oder
und ein erstaunlich grosses Angebot        zusätzlich eine neue Pflegeassis-    Marchese tagsüber stets erreich-          Gesundheitssituation einer Person
für seine älteren Einwohnerinnen           tentin mit 80 Stellenprozenten       bar, was sehr geschätzt wird.             verändert.
und Einwohner. Dennoch gibt es hier        angestellt. Statt um eine einzelne
keine Alterswohnungen. Warum?              Siedlung kümmert sie sich um die     Wie funktioniert diese Beratung?          Früh genug, um einen Platz in einem
Roberto Mora: Für Cadenazzo planten        ganze Gemeinde. Marta Marchese,      RM: Die custode sociale stellt die        Pflegeheim zu suchen?
wir vor einigen Jahren mit einem           unsere «custode sociale di paese»,   richtigen Fragen und sucht dann           RM: Nicht unbedingt. Oft braucht
privaten Bauherrn Alterswohnun-            besucht am Morgen die Leute zu       nach Lösungen. Dabei kann sie auf         es eher mehr soziale Unterstüt-
gen, die – wie andernorts im Tessin        Hause, erledigt die Grundpflege      die Unterstützung der Equipen-            zung als Pflege. Deshalb gibt es
– durch einen custode sociale («so-        und schaut vor Ort, welche Bedürf-   chefin ihrer Spitex-Organisation          im Tessin immer mehr «Badanti».        Die custode
zialer Abwart» An.d.Red.) betreut          nisse bestehen. An zwei Nach-        zurückgreifen. Als Grundlage für          Das sind Frauen, meistens aus dem      sociale Marta
werden. Das ist eine Ansprechper-          mittagen in der Woche moderiert      die Beratung haben wir eine Bro-          nahen Ausland, welche die ältere       Marchese beim
son, die regelmässig vor Ort ist und       sie für die älteren Menschen von     schüre mit allen regionalen Ange-         Person mehrere Wochen im Alltag        täglichen
                                                                                                                                                                 Hausbesuch.
zudem mit gemeinsamen Aktivitä-            Cadenazzo gemeinsame Aktivi-         boten erstellt (bit.ly/3gpa9CU). Es ist   begleiten. Dass man die Badante
                                                                                                                                                                                                                         Foto: Ti-Press / Samuel Golay

6 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                                            GERONTOLOGIE CH 2/2020          7
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
PROJEKT

dass wir einen Pool von Freiwilli-
gen aufbauen. Sie sollen punktuel-
le Einsätze ohne langfristige Ver-
                                                                                                                                                   Caring
pflichtungen leisten können. Wir
haben bereits sieben Freiwillige
und hoffen, dass wir auch nach der
                                                                                                                                                 Communities
Pandemie auf die aktuelle Hilfsbe-                                                                                                               Was ist das und wie wirken sie
reitschaft zählen können.
                                                                                                                                                  zu Zeiten der Corona-Krise?
Damit wären wir bei der aktuellen
Situation, in der Senioren ihre
Kontakte einschränken müssen.
Was bedeutet das für sie und                                                                                              Text: Robert Sempach

                                                                                                                          I
ihre Mitarbeiterinnen?
RM: In Cadenazzo haben wir innert        Die Seniorinnen                                                                     m gesellschaftlichen Wandel        Zusammenleben bedeutet, ohne
zwei Tagen einen Einkaufsdienst          und Senioren von                                                                    der letzten Jahrzehnte fällt ein   den Begriff zu idealisieren.
                                         Cadenazzo bei                                                                       Trend zu Individualismus und
eingerichtet für alle, die nicht aus
                                         einem gemeinsa-
dem Haus können. Bestellt wird           men Ausflug.                                                                      Vereinzelung auf. Dem steht das       Krisen können nur
bei der Gemeindekanzlei. Die Ein-                                                                     Foto: Verein ABAD   Bedürfnis nach Solidarität und        gemeinsam bewältigt werden
käufe liefern unsere Angestellten.                                                                                        Gemeinschaft gegenüber, was           Die gegenwärtige Corona-Krise
Sie kennen die hygienischen Vor-        koordiniert sind. Man sieht den       hen muss, gehen solche Ressour-
                                                                                                                          sich nicht zuletzt in den vielen      verdeutlicht, wie wichtig es ist,
schriften, die jetzt so wichtig sind.   Effekt, wenn eine custode sociale da   cen verloren und müssen künstlich
Auch in der Zeit der Corona-Krise       ist, die mit den vulnerablen Men-     ersetzt werden. Der Aufwand ist             Hilfsangeboten und Solidaritäts-      sich in die Situation anderer zu
bleibt Marta Marchese mit den           schen, den Behörden, der Pflege       dann grösser.                               bekundungen während der Coro-         versetzen und solidarisch zu
älteren Leuten telefonisch in Ver-      und den Freiwilligen in Kontakt                                                   na-Pandemie ausdrückt. Caring         handeln. Diese Grundhaltung ist
bindung. Sie kontaktiert nicht nur      steht. Deshalb arbeiten wir an        Es gibt aber auch Situationen,              Communities oder Sorgende Ge-         das Fundament jeder sorgenden
die, die sie bereits kennt, sondern     diesem koordinierten Netzwerk,        die zu belastend sind. Auch für             meinschaften beinhalten jedoch        Gemeinschaft. Vor zwei Jahren
auch andere Kunden der Spitex           zu dem neue Berufsprofile wie die     die Angehörigen.
                                                                                                                          mehr als reine Hilfeleistungen        entstand das nationale Netzwerk
und des Einkaufsdiensts. Sie fragt      custode sociale oder die collabora-   RM: Ja. Und auch in diesem Fall ist
nach aktuellen Bedürfnissen und         trici familiari condivise gehören     eine Person da, zum Beispiel die
                                                                                                                          oder die Versorgung von Notlei-       «Caring Communities», welches
schaut, dass sich niemand zu sehr       und ebenso die freiwilligen Helfer.   custode sociale, die das merkt und          denden. Sie fokussieren auf die       sorgende Gemeinschaften för-
allein fühlt.                           Dadurch können wir für die Viel-      einen guten Weg aus der Situation           Gemeinschaft und den Aufbau           dert und sich als Gegentrend zu
                                        falt von Lebenssituationen passen-    sucht, bespricht und vorbereitet.           von tragfähigen Beziehungen. Wo       Selbstoptimierung versteht. Es
In der Krise profitiert Cadenazzo        de Lösungen anbieten – auch nach      Wenn die passende Lösung im                 Menschen sich umeinander küm-         unterstützt Caring Communities
also davon, dass Spitex und Gemein-     der Pandemie.                         Zentrum steht, dann profitieren             mern, entstehen Caring Communi-       aus allen Lebensbereichen und
de bereits eng zusammenarbeiten                                               alle.
                                                                                                                          ties und stärken den gesellschaft-    fördert den Dialog auf Augenhöhe
und mit der custode sociale jemand      Massgeschneiderte Lösungen
da ist, die den Kontakt zur Risiko-     und deren Koordination sind                                                       lichen Zusammenhalt in Städten        zwischen den Akteurinnen und Ak-            Robert Sempach
gruppe hält.                            aber aufwendig.                                                                   und Dörfern.                          teuren. Initiativen zur Bewältigung      Dr. Robert Sempach ist
RM: Für die Einzelperson ist es         RM: Viele Betagte haben ein so-                                                      Der Begriff «Caring Communi-        der Corona-Krise, welche über            Pädagoge und Psycho-
egal, ob sie wegen der Pandemie         ziales Netzwerk – Angehörige,                                                                                                                                      loge. Als Projektleiter
                                                                                         Mehr wissen:                     ties» ist relativ jung. Nun gilt es   das Anbieten von Unterstützung
                                                                                                                                                                                                          in der Direktion Kultur
oder bspw. wegen einem Sturz            Freunde und Nachbarn. Sie alle                                                    einen breiten gesellschaftlichen      hinausgehen und die Entwicklung
                                                                                   Spitex-Organisation ABAD:                                                                                                 und Soziales des
plötzlich in der Mobilität oder im      tragen zum Sicherheitsgefühl und
                                                                                        bit.ly/2T0G9mE                    Diskurs zu führen und ein gemein-     einer Sorgekultur anstreben, kön-            Migros-Genossen-
Sozialleben eingeschränkt ist. Ak-      zur Unabhängigkeit im vertrau-                                                                                                                                   schafts-Bundes verant-
tuell sind alle betroffen und es wird    ten Wohnumfeld bei. Entlasten               Förderprogramme des BAG               sames Verständnis von Caring          nen eine Anschubfinanzierung bis            wortet er Projekte im
                                                                                      und Praxismodelle zur               Communities zu entwickeln. Wir        CHF 5000 beim Netzwerk beantra-             Bereich Gesundheit.
deutlich, dass Lösungen schneller       und ergänzen wir dieses sorgende           Entlastung der Angehörigen:
umgesetzt sind, wenn die Betei-         Netzwerk, dann funktioniert es                    bit.ly/2YVslh2                  müssen aufzeigen, was eine Ca-        gen.                                         robert.sempach@
ligten vernetzt und die Angebote        weiterhin. Wenn jemand wegzie-                   bit.ly/2yGgNDS                   ring Community im alltäglichen        caringcommunities.ch/foerderimpuls/             mgb.ch

8 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                              GERONTOLOGIE CH 2/2020    9
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
THEMA
SCHWERPUNKT

Das neue Berufsfeld
                                                                                                                                  net werden, steht angesichts der       die Zuspruch brauchen, begleiten
                                                                                                                                  Coronavirus-Pandemie gerade            Arbeitsgruppen per E-Mail oder
                                                                                                                                  Kopf: Das Leben der Menschen           tauschen sich mit Kooperations-

Nachbarschaftsarbeit                                                                                                              verändert sich, wenn die Arbeit
                                                                                                                                  wegfällt, wenn die Menschen
                                                                                                                                  zu Hause bleiben und physische
                                                                                                                                                                         partnern per Videotelefonie aus.
                                                                                                                                                                         Und in alldem sind viel Kreativi-
                                                                                                                                                                         tät, Flexibilität und Engagement
                                                                                                                                  Kontakte vermieden werden              gefordert.
In immer mehr Siedlungen, Quartieren und                                                                                          müssen. Viele Themen haben sich
                                                                                                                                  zugespitzt, dies spüren auch die       Ein neues Berufsfeld kompetent
Gemeinden arbeiten Fachpersonen mit dem Auftrag,                                                                                  Fachpersonen. Einerseits verstär-      (weiter-)entwickeln:
das Zusammenleben der Menschen professionell                                                                                      ken sich Nachbarschaftskonflikte,      Hinweise für Trägerschaften
zu begleiten und zu gestalten. Eine Studie zeigt,                                                                                 Existenzsorgen und psychische          Damit solche nachbarschaftsorien-
                                                                                                                                  Probleme. Andererseits wächst die      tierten Fachstellen erfolgreich
worauf es besonders zu achten gilt.
                                                                                                                                  Hilfsbereitschaft in der Nachbar-      wirken können, müssen ihre Trä-
Text: Christian Reutlinger und Nicola Hilti                                                                                       schaft, während neue Ideen und         gerschaften diese sorgfältig planen
                                                                                                                                  Unterstützungsnetzwerke rasch          und einführen. Die verschiedenen
                                                                                                                                  und pragmatisch realisiert werden.     Herausforderungen und Erfolgs-

                                                                                           I
                                                                                              n manchen professionell be-                                                faktoren dabei lassen sich entlang
                                                                                              gleiteten Nachbarschaften                                                  von fünf Themenfeldern zusam-
                                                                                              leben ausschliesslich ältere            «Gegenseitiges                     menfassen.
                                                                                           Menschen, in anderen sind die                Sorgetragen
                                                                                           Bewohnerinnen und Bewohner             funktioniert dort besser,              1 Ziele und Aufgaben
                                                                                           altersdurchmischt. Übergeordnet                                                 der Stelle klären
                                                                                                                                     wo man sich in der
                                                                                           lässt sich hier ein neues Berufsfeld                                            Zunächst ist wichtig, dass die
                                                                                           beschreiben, das mit vielfältigen       Nachbarschaft kennt.»                   Trägerschaft die Ziele und Auf-
                                                                                           Chancen und Herausforderun-                                                     gaben der Stelle (grob) vorde-
                                                                                           gen – nicht zuletzt aufgrund der                                                finiert. Sie können transparent
                                                                                           aktuellen Coronavirus-Pandemie –       Ältere Menschen betrifft die              kommuniziert werden und
                                                                                           verbunden ist. Wie lassen sich also    Krise in besonderer Weise. Für sie       dienen Stellenbewerberinnen
                                                                             Fotos: xxxx
                                                                                           solche nachbarschaftsorientierten      können die Einschränkungen in            und -bewerbern als gute Orien-
                                                                                           Stellen gut konzipieren, einführen     der Bewegung und im Kontakt zu           tierung. Das Pflichtenheft sollte
                                                                                           und entwickeln? Antworten auf          Familie, Freundeskreis und Nach-         dabei nicht überfrachtet wer-
                                                                                           diese Frage liefern die Ergebnisse     barschaft verstärkte Einsamkeit          den, vielmehr braucht es genug
                                                                                           der Studie «Nachbarschaften als        und Hilfsbedürftigkeit bedeuten.         Offenheit und Gestaltungsspiel-
                                                                                           Beruf», welche das Institut für        Nachbarschaftliche Unterstützung         raum, damit die Fachperson Zie-
                                                                                           Soziale Arbeit und Räume der FHS       kann hier entgegenwirken, z. B. ein      le und Aufgaben selbst konkre-
                                                                                           St.Gallen zusammen mit 15 ge-          Botengang, ein Anruf, ein Schwatz        tisieren und weiterentwickeln
                                                                                           meinnützigen, privaten und kom-        auf Distanz. Hierbei zeigt sich, wie     kann.
                                                                                           munalen Organisationen von 2017        wichtig nachbarschaftsorientierte
                                                                                           bis 2019 durchgeführt hat.             Fachstellen sind. Denn gegenseiti-     2 Die Ausrichtung des
                                                                                                                                  ges Sorgetragen funktioniert dort        Angebots gestalten
                                                                                           Nähe trotz «Social Distancing»:        besser, wo man sich in der Nach-         Die Trägerschaft sollte klären,
 Oft reichen kleine                                                                        Die Arbeit steht Kopf                  barschaft kennt, wo Unterstüt-           welches Angebot sie mit der
 Unterstützungs-                                                                           Die Arbeit nachbarschaftsorien-        zungsstrukturen vorhanden sind,          Stelle machen möchte und für
 angebote, damit                                                                           tierter Fachpersonen, die beispiels-   wo es professionelle Ansprech-           wen. Einerseits kann man An-
 ältere Menschen                                                                           weise als «Siedlungsbetreuerin»,       personen gibt – auch wenn diese          gebote für vordefinierte Ziel-
 länger autonom                                                                            «Gemeinschaftsentwickler» oder         derzeit «auf Distanz» arbeiten:          gruppen schaffen, bspw. für die
 wohnen können.
                                                                                           «Gesellschaftsgärtnerin» bezeich-      Sie telefonieren mit Menschen,           Bewohnerschaft einer Alters-
                                                    © Age-Stiftung, Foto: Ursula Meisser

10 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                          GERONTOLOGIE CH 2/2020   11
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
siedlung. Andererseits kann                                               Vorstand unterstellt werden.                      und Anerkennung der Stelle.        schaften und weiteren Expertinnen
                                       auch von thematischen Ideen      3 Die organisatorische Einbettung        Wichtig ist auch, wie die Zu-                     Vor ihrer Einführung kann die      und Experten. Er stellt sicher, dass
                                       ausgegangen werden, die dann       und die Ressourcen der Stelle          sammenarbeit der verschie-                        Trägerschaft diese durch die       die Erkenntnisse aus dem Projekt
                                       mit den jeweils Interessierten     definieren                              denen Bereiche gestaltet wird.                    konzeptionelle Beteiligung von     die Fachpersonen bei ihren Auf-
                                       umgesetzt werden. In beiden        Die Trägerschaft muss für die          Die Basis dafür bildet eine gute                  Mitarbeiterinnen und Mitarbei-     gaben unterstützen – ob für ältere
                                       Fällen ist es wichtig, von den     Stelle nicht nur die finanziellen,     kommunikative Einführung der                      tern sowie künftigen Zielgrup-     Generationen oder alle, ob im
                                       Anliegen und Bedürfnissen der      personellen und infrastrukturel-       Stelle. Insgesamt hilfreich ist                   pen unterstützen. Danach sind      «Normalbetrieb» oder in Krisen-
                                       Menschen vor Ort auszugehen.       len Ressourcen, etwa ein Büro          eine Organisationskultur, in der                  regelmässige Austauschgefässe      zeiten.
                                       Zu klären ist, ob und welche       oder einen Gemeinschaftsraum,          soziale Themen einen hohen                        für die unterschiedlichen Or-
                                       gegenseitigen Erwartungen          zur Verfügung stellen. Sie muss        Stellenwert geniessen.                            ganisationeinheiten förderlich.
                                       an die Mitwirkung von Träger-      auch entscheiden, wie die Stelle                                                         Legitimation und Anerkennung
                                       schaft, Fachperson und Ziel-       in der Organisation eingebettet      4 Legitimation und Anerkennung                      werden auch gestärkt, wenn es
                                       gruppe bestehen und wie diese      werden soll. So kann sie etwa          der Stelle unterstützen                           gelingt, den (längerfristigen)
                                       angemessen unterstützt werden      der Geschäftsleitung zugeord-          Zu den Erfolgsfaktoren zäh-                       «Mehrwert» der Stelle sichtbar
                                       kann.                              net oder als Stabsstelle dem           len die (interne) Legitimation                    zu machen. Vermeiden sollte
                                                                                                                                                                   man, schnelle und eindeutig
                                                                                                                                                                   messbare Resultate einzufor-
                                       Nachbarschafts-                                                                                                             dern.
                                       orientierte Fach-
            Publikation                person (Mitte)                                                                                                                                                               Nicola Hilti
                                       unterstützt ein                                                                                                           5 Ausbildung, professionelles
  Die Publikation «Nachbarschaf-                                                                                                                                   Selbstverständnis und                 Prof. Dr. Nicola Hilti ist Soziologin
                                       Rentnerpaar bei
    ten als Beruf. Stellen konzipie-                                                                                                                                                                        und Co-Leiterin des Schwer-
   ren, einführen und entwickeln»
                                       administrativen                                                                                                             Persönlichkeit der Fachperson          punkts «Wohnen und Nachbar-
                                       Aufgaben.                                                                                                                   berücksichtigen
   beinhaltet Ergebnisse aus dem                                                                                                                                                                         schaften» am Institut für Soziale
     Projekt «Nachbarschaften als                                                                                                                                  Die Trägerschaft sollte sich vor        Arbeit und Räume der FHS St.
  Beruf», zahlreiche praxisrelevan-                                                                                                                                der Stellenbesetzung damit             Gallen. Sie forscht insbesondere
    te Hintergrundinformationen,                                                                                                                                   befassen, welche formellen Aus-        zu den Themenfeldern Wohnen,
     Tipps und Anregungen sowie                                                                                                                                                                            Nachbarschaften und (Sozial-)
                                                                                                                                                                   bildungsprofile infrage kommen
  eine Checkliste für Trägerschaf-                                                                                                                                                                               Raumentwicklung.
   ten. Sie steht zum kostenlosen                                                                                                                                  und welche informellen Bil-
                                                                                                                                                                   dungsaspekte und Persönlich-                   nicola.hilti@ost.ch
       Download zur Verfügung.
                                                                                                                                                                   keitsmerkmale ihr wichtig sind.
          bit.ly/3czKOUy
                                                                                                                                                                   Passen Know-how, Rollenerwar-
                                                                                                                                                                   tungen und Persönlichkeit der
                                                                                                                                                                   Bewerberin oder des Bewerbers
                                                                                                                                                                   nicht zu den Vorstellungen der
                                                                                                                                                                   Trägerschaft, besteht im konkre-
           Weiterbildung
                                                                                                                                                                   ten Arbeitskontext die Gefahr
    Der Verband Wohnbaugenos-
                                                                                                                                                                   von Konflikten zwischen der
      senschaften Schweiz bildet
   einen Weiterbildungskurs zum                                                                                                                                    Fachperson und ihren Vorge-                 Christian Reutlinger
     Thema «Nachbarschaften als                                                                                                                                    setzten, Arbeitskolleginnen und       Prof. Dr. Christian Reutlinger ist
   Beruf» an. Dieser richtet sich an                                                                                                                               -kollegen oder Zielgruppen.           Sozialgeograph und Erziehungs-
  interessierte Trägerschaften und                                                                                                                                                                         wissenschaftler. Er leitet das
  beantwortet Fragen zu Konzep-                                                                                                                                  Jetzt und in Zukunft:                    Institut für Soziale Arbeit und
    tion, Aufbau und Entwicklung                                                                                                                                                                           Räume (IFSAR) an der FHS St.
                                                                                                                                                                 Im Dialog mit der Praxis
     von Nachbarschafts-Stellen.                                                                                                                                                                           Gallen, wo er zu den Themen
   Der nächste Kurs findet am 24.                                                                                                                                Das Projekt «Nachbarschaften als
                                                                                                                                                                                                          «Wohnen und Nachbarschaf-
     August 2020 in Zürich statt.                                                                                                                                Beruf» war und ist bis heute ge-         ten», «öffentliches Leben und
      Weitere Informationen und                                                                                                                                  tragen vom intensiven Dialog mit         Teilhabe» sowie «Aufwachsen
          Anmeldung unter:                                                                                                                                       nachbarschaftsorientiert arbei-               und Bildung» forscht.
           bit.ly/360jdte                                                                                                                                        tenden Fachpersonen, mit Träger-            christian.reutlinger@ost.ch
                                                                                                                          © Age-Stiftung, Foto: Ursula Meisser

12 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                                         GERONTOLOGIE CH 2/2020         13
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
NOTIZEN

                                                                                                                                           Coronakrise:
                                                     Eine Generation wird unwichtig erklärt:
                                                     COVID­19 Tote aus
                :
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           de i

                                                                                                                                     Drei Altersstimmen aus
         el m
             un

                                                     britischen Alters­ und
                 !
        m r
Je u e h t

                                                     Pflegeheimen kommen
                                                                                                                                        drei Landesteilen
 n e Ac
  tz r

                                                     nicht in die offizielle
    t

                                                     Corona­Statistik.
                                                                                                                                    Wie beurteilen Sie die Situation in Bezug
                                                     Seniorenvertretende und Betreibende                                            auf COVID-19 und die BAG-Richtlinien für
                                                     von Alterseinrichtungen zeigen sich                                                    Personen ab 65 Jahren?
                                                     alarmiert über die Lage in den briti-
                                                     schen Alters- und Pflegeheimen, die

                                                                                                                             «                                      «                                     «
                                                     mehr oder weniger sich selbst über-
                                                                                                                             Aufgezeichnet Ende April
  2. Nationale Fachtagung GERONTOLOGIE CH            lassen werden. Die Infektionsrate ist
                                                     hoch, es mangelt an Test-Kits und                                                Ich bin 85 Jahre alt, bei              Wir müssen diese Situation            Mich erinnert die Situation
  Autonomie                                          Schutzmaterial. Und vor allem werden                                             sehr guter Gesundheit und              akzeptieren und die Regeln            an den zweiten Weltkrieg,

  dank Innovation!?                                  an COVID-19 verstorbene Bewohne-
                                                     rinnen und Bewohner nicht einmal in
                                                                                                                                      lebe in einer geschützten
                                                                                                                             Wohnung. Ich gelte jetzt als ein äl-
                                                                                                                                                                             respektieren, die zum
                                                                                                                                                                    Schutz unserer Gesundheit und
                                                                                                                                                                                                                   da mussten wir abends
                                                                                                                                                                                                          immer alle Fenster verdunkeln
                                                                                                                             terer Mann, der gefährdet und aller    der Gesundheit anderer aufgestellt    und man sah auf den Strassen kein
  Best Practice­Modelle                              die offizielle Statistik aufgenommen,                                    Aktivitäten beraubt ist. Ich kann      wurden. Ich persönlich sehe das       Licht. Die COVID-19-Situation
                                                     da nur in Krankenhäusern verstorbe-
  im Dienste der Senioren                                                                                                    diese Freiheit unter hohem Schutz      ziemlich positiv. Wenn wir uns die    empfinde ich aber wegen der Iso-
                                                     ne Corona-Patienten in die Statistik                                    nicht ertragen. Dutzende von           Entwicklung der Pandemie auf          lation als schlimmer. Ich leide sehr
                                                     des National Health Service (NHS)                                       Experten sagen uns immer wieder,       globaler Ebene ansehen, verste-       darunter – bin einsam. Wenn man
  Montag, 25. Januar 2021                            kommen. Was sagt dies über den ge-                                      dass wir bald zu einem fast norma-     hen wir, dass wir diese Situation     keinen Besuch mehr haben darf,
  Hotel Arte, Olten                                                                                                          len Leben zurückkehren können,         nicht unterschätzen sollten. Das      entfällt einer der wichtigsten Teile
                                                     sellschaftlichen und politischen Stel-
                                                                                                                             aber nur für Menschen ohne Risi-       Tessin war stärker betroffen als die   für uns Heimbewohner. Meine
                                                     lenwert älterer Menschen aus? Sowie                                     ken. Die älteren Menschen, die auf     übrige Schweiz. Deshalb stimme        grösste Angst: Sollte ein Coronafall
  Anmelden: info@gerontologie.ch                     über den Stellenwert der Mitarbeiter                                    freiwilliger Basis eingesperrt sind,   ich den Richtlinien der Behörden      im Pflegeheim eintreten, dürften
  Informationen: www.gerontologie.ch                 in diesen Institutionen?                                                werden daher die letzten sein, die     zu, denn die am meisten gefähr-       wir das Zimmer nicht verlassen
                                                                                  Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/
                                                                                                                             in ein Leben zurückkehren, in dem      deten Personen sind letztlich die     und nicht mehr gemeinsam Essen.
                                                              Briten-zaehlen-Pflegeheim-Tote-nicht-mit-article21713712.html   ihnen viele gesellige Freiheiten       über 65-Jährigen, und ich denke,      Vor einer Ansteckung habe ich
                                                                                                                             wieder offen stehen. Nach dem 85.       dass diejenigen, die entscheiden,     keine Angst. Ich habe mein Leben
                                                                                                                             Lebensjahr schwindet die Hoff-          gut informierte Fachleute sind,       gelebt und wenn ich deswegen
                                                                                                                             nung auf eine bessere Zukunft, so-     die wissen, was sie tun. Natürlich    sterben würde, wäre es mir egal.
                                                                                                                             lange es keine Medikamente oder        fühlte ich ein gewisses Unbehagen,    Ich habe vor kurzem in meiner
                                                                                                                             Impfstoffe gibt. Welchen Sinn hat       weil ich nicht mehr hinausgehen       Patientenverfügung den Nachtrag
                                                                                                                             es, ältere Menschen um jeden Preis     konnte, aber ich fand immer Lö-       gemacht, auf eine allenfalls nötige
                            Fachseminar Sexualität                                                                           zu schützen, wenn sie dadurch kein     sungen.»                              Anschliessung an ein Beatmungs-
                            und sexuelle Gesundheit                                                                          erfülltes Leben führen können und      Giovanni Genucchi
                                                                                                                                                                                                          gerät zu verzichten. Die Pflegen-
                                                                                                                             ihrer verfassungsmässigen Rechte       69 Jahre alt, Kanton Tessin           den haben sich in der Coronakrise
                                   im Alter                                                            nnen
                                                                                                                             beraubt werden?»                                                             verändert. Sie wirken oft übermü-
                                                                                    ü r f n is se erke                                                                                                    det. Wegen den Schutzausrüstun-
                                                                               Be d                     tegien               Willie Anhorn
                                   27. bis 29. August 2020                           a  n d  lu ngsstra                      85 Jahre alt, Kanton Waadt                                                   gen kann man auch kein Lächeln
                                                                              und H                 n
                                                                                           ableite                                                                                                        mehr wahrnehmen.»
                              Weitere Informationen: hslu.ch/s105
                                                                                                                                                                                                          Ruth Hugi
                                                                                                                                                                                                          86 Jahre alt, Kanton Bern

14 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                                             GERONTOLOGIE CH 2/2020   15
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
FILMPROJEKT

                            Altersdiskriminierung:     Diskriminierung aufgrund des Alters ist ein

                                 ein Virus, über das
                                                       häufiges, aber wenig beachtetes Phänomen.
                                                       Altersdiskriminierung soll verbreiteter sein als
                                                       Rassismus und Sexismus. Erhellend war die
                            wenig gesprochen wird      Situation auch im Zusammenhang mit COVID-19.
                                                       Text: Delphine Roulet Schwab und Tenzin Wangmo

                                                       D
                                                                as Konzept der Altersdiskri-     Menschen übernommen, was dazu               ist, gefolgt von der ethnischen Her-
                                                                minierung bezieht sich auf       führt, dass sie sich selbst abwerten        kunft.
                                                                alle altersbedingten Vorur-      («in meinem Alter bin ich nicht                 Altersdiskriminierung ist vor al-
                                                       teile, Stereotypen und Diskriminie-       mehr nützlich») oder sich selbst            lem in der Arbeitswelt (z.B. Nicht-
                                                       rungen. Die Altersdiskriminierung         einschränken («in meinem Alter              beschäftigung einer Person kurz
                                                       besteht darin, ältere Menschen            bin ich nicht mehr in der Lage, den         vor der Rente bei gleicher Quali-
                                                       (und manchmal auch junge Men-             Umgang mit dem Internet zu er-              fikation) und in der Pflege (z.B.
                                                       schen) als Individuen von geringe-        lernen»).                                   Nichtrückerstattung bestimmter
                                                       rem Wert zu betrachten, basierend                                                     medizinischer Leistungen ab
                                                       auf der Verallgemeinerung von             Häufige Diskriminierung                      einem bestimmten Alter) zu be-
                                                       Klischees: «Ältere Menschen sind          Viele Arbeiten zeigen, dass Alters-         obachten. Sie betrifft auch andere
                                                       zerbrechlich und abhängig, sie            diskriminierung sehr verbreitet             Aspekte des täglichen Lebens wie
                                                       kosten viel, sie sind widerstandsfä-      ist und dass sie eine viel stärker          Autovermietung, Bankkredite
                                                       hig gegen Veränderungen, sie sind         gesellschaftlich akzeptierte Form           und Hypotheken, die für ältere
                                                       egoistisch» usw. Diese negativen          der Diskriminierung darstellt als           Menschen erschwert oder sogar
                                                       Darstellungen führen dazu, dass           Rassismus und Sexismus. Das Eu-             unmöglich gemacht werden.
                                                       ältere Menschen aufgrund ihres            robarometer der Diskriminierungs-           Zusätzlich zu den direkten Aus-
                                                       Alters anders behandelt werden            statistik in Europa (2015) zeigt,           wirkungen – insbesondere bei
                                                       als jüngere. Manchmal werden              dass der am häufigsten genannte             Verweigerung der Pflege – zeigen
                                                       solche Darstellungen von älteren          Diskriminierungsgrund das Alter             viele Studien, dass Altersdiskrimi-

                                                       Ein Projekt zur Prävention von Altersdiskriminierung
«Wenn du 20 bist,
geben sie dir ein Buch.                                Mit der Unterstützung des       diengangs Film an der ECAL     den Publikum gezeigt, das         ren Menschen verbundenen
Wenn du 90 bist,                                       Schweizerischen National-       (Ecole cantonale d‘art de      sich aus Schülerinnen und         Klischees beleuchtet wurden.
schenken sie dir Blu-                                  fonds (SNF agora) haben das     Lausanne) haben im Auftrag     Schülern der Sekundarstufe        Am Ende der Veranstaltung
men, um zu sterben...                                  Institut und die Hochschule     der beiden Institutionen zum   II und Bewohnenden eines          wurde eine Informations-
um sie auf den Friedhof                                für Gesundheit La Source        Thema Altersbilder kurze       Altersheims und betreuter         broschüre mit einem Quiz,
zu legen.» 90-jährige                                  (HES-SO) und das Institut für   Dokumentarfilme produziert,    Wohnungen zusammen-               Faktenblättern und prakti-
Hauptdarstellerin (2.v.l)                              Biomedizinische Ethik der       die 2019 in den Kinos der      setzte. Andere Filme waren        schen Ratschlägen ausgeteilt.
aus dem Kurzfilm «A                                     Universität Basel ein Projekt   Westschweiz sowie in den       für die breite Öffentlichkeit     Aufgrund des Projekterfolgs
nos aînés» von Lou                                     durchgeführt, das unsere        Regionen Basel und Zürich      bestimmt. An die Filmvor-         sind weitere Vorführungen
Rambler Preiss (2017).                                 Sichtweise des Alterns          kostenlos gezeigt wurden.      führungen schloss sich eine       für 2020 und 2021 geplant.
                                                       hinterfragen soll. Studie-      Einige Filme wurden einem      Debatte an, in der die Vielfalt
                                                       rende des Bachelor-Stu-         generationenübergreifen-       des Alterns und die mit älte-

16 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                 GERONTOLOGIE CH 2/2020   17
Altersdiskriminierung: Ein Virus, über das wenig - gesprochen wird.
Äusserungen von Studierenden
                                                                                                                                                                                                  der Kunsthochschule Lausanne
                                                                                                                                                                                                       über die Filmdrehs:

                                                                                                                                                                                                   «Das Alter ist keine
Bildausschnitte                                                                                                                                                                                   Frage des Alters, es
aus verschiedenen
Kurzfilmen von                                                                                                                                                                                   hat nichts damit zu tun.
Studierenden der                                                                                                                                                                                 Es geht um Persönlich­
Kunsthochschule
Lausanne.
                                                                                                                                                                                                     keit und um den
                                                                                                                                                                                                       Lebenslauf.»

                                                                                                                                                                                                 «Das Thema Altersdis­
                                     nierung wichtige Konsequenzen                                                 Da Altersdiskriminierung gesell-
                                                                                           Es gilt:                                                                                              kriminierung stellt uns
                                     für die Gesundheit und das Selbst-                                            schaftlich stark akzeptiert und
                                     wertgefühl älterer Menschen hat:           In der Schweiz gibt                trivialisiert wird, ist es notwendig,                                           Fragen über die Art
                                     schlechtere Gedächtnisleistung,           es einen rechtlichen                die eigenen Vorurteile und Einstel-                                           und Weise, wie wir uns
                                     schlechterer Gesundheitszustand,                                              lungen gegenüber älteren Men-                                                  in unserem täglichen
                                                                                 Schutz vor Alters­
                                     häufigere Herz-Kreislauf-Proble-                                              schen zu hinterfragen. Um sich                                                Leben verhalten: Wann
                                     me, geringere Lebenserwartung.               diskriminierung.                 dem eigenen diskriminierenden
                                                                                   Die Schweizer                                                                                                  tragen wir selber zur
                                                                                                                   Denken und Verhalten bewusst
                                     Die COVID-19-Krise als Augenöffner        Verfassung (Art. 8.2.)              zu werden, kann es helfen, sich                                               Altersdiskriminierung
                                     Altersdiskriminierung ist ein The-          verbietet explizit                folgende Fragen zu stellen: Würde                                             bei? Die Teilnahme an
                                     ma, über das allgemein zu wenig
                                                                                  Diskriminierung
                                                                                                                   ich sie so behandeln, wenn sie eine                                            diesem Dokumentar­
                                     berichtet wird. Die Situation im                                              jüngere Person wäre? Was sagt                                                   film-Workshop und
                                     Zusammenhang mit der COVID-               aufgrund des Alters.                meine Art zu sprechen darüber
                                                                                                                                                                                                 die Herstellung dieses
                                     19-Krise hat die Altersdiskriminie-                                           aus, wie ich ältere Menschen sehe?
                                     rung jedoch viel deutlicher sichtbar                                          Würde ich mir erlauben, dasselbe                                               Kurzfilms waren sehr
                                                                                                                                                              Delphine Roulet Schwab
                                     gemacht. Dies gilt insbesondere                                               über andere Bevölkerungsgruppen,                                                   bereichernd.»
                                                                                                                                                           Dr. phil., Professorin am «Institut
                                     für die in einigen Ländern veröf-      Was kann man gegen                     zum Beispiel Frauen oder Homo-            et Haute École de la Santé La
                                     fentlichten Richtlinien zur Pa-        Altersdiskriminierung tun?             sexuelle, zu sagen? Es ist wichtig,      Source (HES-SO)» in Lausanne.
                                     tienten-Triage (Nicht-Einweisung       Der Mangel an Wissen über das          dass diese Reflexion in der Alters-     Präsidentin GERONTOLOGIE.CH
                                                                                                                                                                                                      «Ich bin mir ein
                                     auf die Intensivstation ab einem       Altern und ältere Menschen ist         arbeit auch in Teams durchgeführt                d.rouletschwab@
                                     bestimmten Alter und unabhängig        eine der Hauptursachen für Alters-     wird.                                           ecolelasource.ch
                                                                                                                                                                                                 bisschen mehr bewusst
                                     von der Prognose). Sie sind auch       diskriminierung. Information und                                                                                      geworden, wie es ist,
                                     in den Reaktionen eines Teils          Ausbildung spielen daher eine                                                                                        alt zu werden. Ich sehe
                                     der Bevölkerung zu beobachten:         wesentliche präventive Rolle.                                                                                           besser, wie meine
                                     Erleichterung darüber, dass das        Fachleute sollten sich vor Augen                                                                                       Familie mit meinem
                                     Virus «nur» ältere Menschen tötet;     halten, dass das Altern ein äusserst
                                     Wut und Beleidigungen gegenüber        heterogener Prozess ist, dass das
                                                                                                                                                                                                 Grossvater umgeht, ihn
                                     älteren Menschen, die sich nicht       so genannte «Alter» tatsächlich                                                                                       bevormundet, und wie
          Literaturhinweise          strikt an die Eindämmung halten,       mehrere Generationen umfasst
                                                                                                                               Mehr wissen:
                                                                                                                                                                                                      sich die Rollen
                                     während der Rest der Bevölkerung       und dass das chronologische Alter                                                      Tenzin Wangmo                        verändern.»
     Gleiche Rechte im Alter – Ein
                                                                                                                        ecolelasource.ch/vieux-alt/
     Grundrechtskatalog für ältere   Anstrengungen «für sie» unter-         die Bedürfnisse, Wünsche und                                                      PD Dr., Senior Researcher,
                                                                                                                       ibmb.unibas.ch/en/vieux-alt/
      Menschen in der Schweiz.       nimmt; Vorschlag, die älteren          Sorgen der so genannten «älte-                 Trailer der Kurzfilme:
                                                                                                                                                             Institut für biomedizinische
        Gratis Download unter:       Menschen viel länger einzusperren      ren» Menschen nur unzureichend                                                     Ethik, Universität Basel
                                                                                                                               youtube.com/
       https://bit.ly/2Zoux0K        als den Rest der Bevölkerung.          widerspiegelt.                                watch?v=ySdL-684Sbs                  tenzin.wangmo@unibas.ch

18 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                               GERONTOLOGIE CH 2/2020   19
PORTRÄT

«Das Risiko einer
                                                 Aufgezeichnet von:                      Leben der Menschen zu verschö-            nämlich dann, wenn die betreute                  Badanti im Tessin
                                                 Barbara Masotti Doktorin der            nern, ihnen einen Grund zu geben,         Person stirbt. Dann ist die Stelle
                                                 Sozioökonomie, Forscherin am Centro     morgens aufzustehen.»                     weg – und eine kleine Reserve über-                Über 600

Überbelastung
                                                 competenze anziani der SUPSI
                                                                                             Um einmal im Monat nach               lebenswichtig. Wichtig ist auch zu
                                                    barbara.masotti@supsi.ch                                                                                                     Care­Migrantinnen
                                                                                         Rumänien fahren zu können, kann           wissen, wie man in kritischen Situ-

                                                 S
                                                        ilvia ist 64 Jahre alt und       Silvia nicht mitten in der Woche          ationen richtig reagieren und dabei
                                                                                                                                                                                sind im Tessin offiziell

ist gross»                                              arbeitet seit 15 Jahren als
                                                        «Badante» (italienischer Be-
                                                 griff für Betreuerin). In Rumänien,
                                                                                         frei nehmen oder das Haus verlas-
                                                                                         sen. «Am Anfang war es schwierig,
                                                                                         weil ich ein sehr aktiver Mensch
                                                                                                                                   die nötige Distanz wahren kann.
                                                                                                                                   Wir müssen auf unsere Gesund-
                                                                                                                                   heit achten, denn das Risiko einer
                                                                                                                                                                                     angemeldet.

                                                 ihrem Heimatland, war sie als           bin, aber mit der Zeit habe ich           Überbelastung ist gross – auch                    Ost­Europa
Wie lebt es sich als Care-Migrantin im
                                                 Lehrerin tätig; ein Beruf, den sie      mich daran gewöhnt. Lesen, On-            wenn das viele von uns nicht einse-         Ist das Herkunftsgebiet
Tessin? Silvia Dragoi, gebürtige Rumänin,        mit Leidenschaft ausübte. Ihr Lohn      line-Recherche oder Stricken – ich        hen wollen oder sich nicht trauen,
                                                                                                                                                                                   der meisten Care-
erzählt von ihrer Geschichte und ihrem Alltag.   und das Einkommen ihres Mannes          finde immer eine Beschäftigung.»          ihren Familien rechtzeitig zu sagen,
                                                 reichten, um als Familie gemein-                                                  dass sie nicht mehr können.»               Migrantinnen. Gleichzeitig
                                                 sam über die Runden zu kommen.          Durch Ausbildung gestärkt                                                                nimmt die Zahl von
                                                 Die Situation änderte sich jedoch       Silvia ist seit fünf Jahren im Be-        Gegenseitiger Halt und                     Grenzbetreuerinnen und
                                                 schlagartig, als ihr Mann wegen         sitz des «kantonalen Diploms für          Unterstützung                              -betreuern aus Italien zu.
                                                 einer Lungenentzündung ins Kran-        Familienarbeiterinnen» (siehe auch        Wie die Rolle der Care-Migran-
                                                 kenhaus eingeliefert werden muss-       Artikel «Plattform für Care-Arbeit»       tinnen im Tessin wahrgenommen
                                                 te. «Ersparnisse hatten wir keine       in Gerontologie CH Ausgabe 1/2020)        wird, hat sich auch dank der neuen
                                                                                                                                                                                       Morenal
                                                 und unser Sohn besuchte noch            und ist in der Zwischenzeit im            Berufsqualifikation und gewerk-
                                                 die Schule – ich wusste, dass die       Rahmen derselben Ausbildung zur           schaftlicher Bemühungen stark               Die von Pro Senectute
                                                 Verantwortung ganz bei mir lag.»        Hilfslehrerin geworden. «Viele von        verbessert. Seit 2013 besteht ein             Ticino und Moesano
                                                 Es war der 26. November, kurz           uns fragen sich, was sie überhaupt        Unia-Kollektiv von Tessiner Care-          verwaltete Liegenschaft
                                                 vor den Schulferien. Ihre Familie       Neues lernen können und staunen           Migrantinnen. Jedes Jahr findet              beherbergt eine Not-
                                                 erfuhr erst einen Tag vor der Ab-       dann, wie viele wichtige Inhalte im       eine kantonale Konferenz statt.             wohnung für arbeitslos
                                                 reise, dass sie Rumänien verlassen      Ausbildungsmodul vermittelt wer-          Die rund 62 Mitglieder stehen über
                                                                                                                                                                              gewordene Care-Migran-
                                                 würde. In Italien bei einem Freund      den.» Die Themen reichen von der          eine WhatsApp-Gruppe in regel-
                                                 eines Freundes untergebracht, trat      Pflege der häuslichen Umgebung            mässigem Kontakt. «Wir sind von
                                                                                                                                                                               tinnen – die einzige im
                                                 Silvia nur eine Woche später ihre       über Trauer- und Verlustbewälti-          der Idee ausgegangen, dass diese                 Kanton Tessin.
                                                 erste Stelle an. Sie blieb drei Jahre   gung bis hin zur Verwaltung des           Arbeit eigentlich gar nicht exis-
                                                 bei dieser Familie.                     Haushalts- und des persönlichen           tiert, doch auf einmal werden wir
                                                                                         Budgets. «Wir schicken oft alles          gehört. Das macht Mut. Wir hof-                 Keine Kurzarbeit
                                                 Befriedigende Arbeit – kaum Freizeit    Geld nach Hause», erzählt Silvia.         fen, dass wir morgen nicht mehr              Care-Migrantinnen kön-
                                                 Wie in Italien hat Silvia auch in der   «Das ist gefährlich, denn unser Le-       das Aschenputtel der Sozialdienste
                                                                                                                                                                               nen nicht von Kurzarbeit
                                                 Schweiz das Glück, bei Familien         ben kann sich von einem Moment            sind, sondern zu 100 % anerkannt
                                                 zu arbeiten und zu leben, die ihre      auf den anderen radikal verändern,        werden.»                                   profitieren. Dies macht die
                                                 Arbeit wertschätzen und anerken-                                                                                              Situation der Betreuerin-
                                                 nen. Die Dame, für die sie heute         Erschwerte Bedingungen durch COVID-19:                                               nen und Betreuer beson-
                                                 arbeitet, ist 94 Jahre alt und leidet                                                                                        ders prekär, vor allem der
                                                                                          Das Gespräch mit Silvia Dragoi fand      Zeit, in der ich nicht nach Rumänien
                                                 an Alzheimer. Silvia mag sie sehr                                                                                             Grenzbetreuerinnen und
                                                                                          Ende März statt, mitten in der CO-       reisen kann», sagt sie. Die Tagesstätte,
                                                 gern: «Sie ist eine schöne Frau, die     VID-19-Notlage im Tessin. Ihre freie     wohin sie normalerweise «ihre Dame»          -betreuer, die in Zeiten
                                                 es liebt, sich hübsch zu machen          Woche, das heisst die Woche, die sie     begleitet, ist geschlossen, ebenso
                                                                                                                                                                              des Covids Gefahr laufen,
                                                 und unter Menschen zu sein. Im           monatlich ansammelt, um zu ihren         viele andere Dienste. Zu Zeiten von
                                                 Tageszentrum hat sie sich in den         Liebsten nach Rumänien zurückzukeh-      COVID-19, in denen selbst Familien         von einem Tag auf den an-
                                                 Tanzlehrer verliebt. Das Befriedi-       ren, verbringt sie im Haus der Familie   ihre Angehörige nicht besuchen kön-        deren nicht mehr ins Land
                                                                                          eines früheren Arbeitgebers. «Sie        nen, ist die Arbeitsbelastung für die
                                                 gende an diesem Beruf ist, dass du
                                                                                          helfen mir sehr in dieser schwierigen    Betreuenden besonders hoch.
                                                                                                                                                                                  gelassen zu werden.
                                                 jeden Tag die Möglichkeit hast, das                                                                                                    Quelle: UNIA

20 GERONTOLOGIE CH 2/2020                        Foto: Alessandro Ligato                                                                                                            GERONTOLOGIE CH 2/2020   21
INTERVIEW

                                                                                                                                                                                   Prof. Dr. François Höpflinger
                                                                                                                                                                                     ist emeritierter Titularpro-

«Gemeinschaft fördern wird
                                                                                                                                                                                    fessor für Soziologie an der
                                                                                                                                  «Häufigkeit und Wert                            Universität Zürich. Aktuell ist
                                                                                                                                   der grosselterlichen                                er Mitglied der Leitungs-

eine Gemeindeaufgabe»
                                                                                                                                                                                       gruppe des Zentrums für
                                                                                                                                Kinderbetreuung wurden                                Gerontologie an der UZH.
                                                                                                                                lange Zeit unterschätzt.»                                 www.hoepflinger.com

Wie der führende Altersforscher
François Höpflinger die Auswirkungen                                                                                             keit und Wert der grosselterlichen       gessen, dass viele Grosseltern –           entsprechen würde? Soll Arbeit, die
der Corona-Krise auf die intergenerationellen                                                                                   Kinderbetreuung lange Zeit unter-        speziell bei der Geburt eines ersten       im Rahmen der Solidarität zwischen
Beziehungen in der Familie einschätzt.                                                                                          schätzt. Laut neuester Erhebun-          Enkelkindes – deutlich jünger sind         den Generationen geleistet wird,
                                                                                                                                gen engagieren sich mehr als drei        als 65. Abgesehen davon ist die            monetär beziffert und abgegolten
Aufgezeichnet von:                                                                                                              Viertel der Grossmütter und zwei         Altersdefinition 65 gerontologisch-        werden?
Hildegard Hungerbühler, Sozialanthropologin, Schweizerisches Rotes Kreuz,                                                       Drittel der Grossväter in der Be-        geriatrisch veraltet.                      FH: Das Bundesamt für Statistik
Departement Gesundheit und Integration                                                                                          treuung von Enkelkindern. Die                Mittelfristig werden durch             rechnet unbezahlte, freiwillige
   hildegard.hungerbuehler@redcross.ch                                                                                          Kinderbetreuung durch vertraute          die Corona-Krise intergenera-              Arbeit monetär auf. Der Wert
                                                                                                                                Familienmitglieder ist für junge El-     tionelle familiale Beziehungen             unbezahlter Arbeit – zu 60 % von
                                                                                                                                tern eine wesentliche Entlastung,        und Solidarität eher gestärkt als          Frauen geleistet – wird auf nahe-
                                                                                                                                selbst bei Nutzung von Kinderkrip-       geschwächt. Generell führen                zu 410 Mrd. Franken jährlich
                                                                                                                                pen und Tagesschulen – etwa bei          soziale und wirtschaftliche Kri-           geschätzt. Eine teilweise schon
Sie haben u.a. zur Beziehung zwi-        beinhaltet: Enkelkinder bedeuten               Familienphasen an. Via Grossel-         Erkrankung kleiner Kinder oder           sen und Unsicherheiten zu einer            praktizierte Form anerkannter
schen Grosseltern und Enkelkindern       einerseits eine Weiterführung der              ternschaft werden frühere Le-           weil Schulferien länger sind als Be-     Aufwertung intergenerationeller            Freiwilligenarbeit sind Zeitvor-
geforscht. Was ist das Spezielle an      familialen Generationenfolge. Die              benserfahrungen in Bezug auf die        rufsferien der Eltern. Massgeblich       familialer Beziehungen. Wer sich           sorgesysteme: Personen, die in
dieser Beziehung?                        Zukunft der Familie ist gesichert              eigene Kindheit und Elternschaft        für eine regelmässige Betreuung ist      gut kennt und liebt, kann Unter-           gesunden Lebensjahren hilfebe-
François Höpflinger: Grosselternschaft   – was speziell für Familien- und               in einer neuen Gestalt aktualisiert.    allerdings die Wohnortsnähe. Mig-        brüche persönlicher Kontakte gut           dürftige Menschen unterstützen,
ist eine der wenigen positiven           Bauernbetriebe zentral sein kann.              Damit wird sowohl Kontinuität           rationsbedingte Wohnentfernung           bewältigen, zumindest kurzfristig.         erhalten dafür Zeitgutschriften,
Altersrollen. Das Spezielle an der       Oft verstärken sich die Beziehun-              im Sinn von ‚man hat das Früher         reduziert die Möglichkeit, regel-        Anfälliger sind eher ausserfamilia-        die sie später bei Bedarf selbst
Beziehung zwischen Grosseltern           gen zu erwachsenen Kindern mit                 auch schon erlebt‘ als auch Wandel      mässig zu betreuen. In der Schweiz       le Generationenbeziehungen, wo             gegen Hilfeleistungen eintauschen
und Enkelkindern ist, dass die Ge-       der Geburt von Enkelkindern.                   im Sinn von ‚Säuglingspflege war        haben gut zwei Fünftel der Kinder        sich eine längere Sistierung von           können. In den letzten Jahren
burt von Enkelkindern für ältere         Andererseits knüpft der Umgang                 früher anders’ oder ‚Schulen haben      ihre Grosseltern im Ausland.             Generationenprojekten nachteilig           haben Konzepte einer sorgenden
Menschen immer eine doppelte             mit Enkelkindern für ältere Men-               sich verändert‘ thematisiert. Idea-                                              auswirken kann. Die Corona-Krise           Gemeinschaft, der ‚caring com-
zeitlich-biografische Perspektive        schen an frühere Lebens- und                   lerweise bietet Grosselternschaft       Angesichts von COVID-19 hat der          und die damit verbundene Staats-           munity‘, an Beachtung gewonnen,
                                                                                        die Möglichkeit, sich durch Enga-       Bundesrat geraten, auf Enkelbetreu-      verschuldung wird zudem Fragen             weil solidarische Gemeinschaften
 Grosseltern spie-                                                                      gement zugunsten der jüngsten           ung durch Grosseltern zu verzichten,     des sozialpolitischen Genera-              in Zeiten von Umbruch, Unsicher-
 len eine entschei-                                                                     Generation sozial und familial zu       um die Risikogruppe der älteren          tionenvertrags – Junge zahlen für          heit und neuer gesundheitlicher
 dende Rolle in der
                                                                                        verjüngen, etwa via Kinderspie-         Menschen 65+ zu schützen. Gleich-        Alte – und Fragen einer Erhöhung           Bedrohungen wie etwa das Coro-
 Enkelbetreuung.
                                                                                        le mit Enkel, und sich à jour zu        zeitig waren berufstätige Eltern         des Rentenalters vermehrt in den           na-Virus widerstandsfähiger sind
                                                                                        halten, etwa durch Erleben neuer        stärker denn je auf genau diese          Fokus rücken.                              als atomisierte Gesellschaften. So
                                                                                        Familien- und Erziehungsformen          Unterstützung angewiesen. Könnte                                                    wie eine gute Wasser- und Energie-
                                                                                        oder digitale Kommunikation.            eine solche Situation langfristig Aus-   Eine Krise zeigt auf, was eine Arbeit      versorgung Grundaufgaben einer
                                                                                                                                wirkungen haben auf die intergene-       gesellschaftlich bedeutet, wenn            Gemeinde sind, wird deshalb in
                                                                                        Die Enkelbetreuung durch Grossel-       rationellen Beziehungen?                 sie unter Druck gerät oder nicht           Zukunft auch die Förderung und
                                                                                        tern beziffert sich in der Schweiz      FH: Aufgrund dieses bundesrät-           mehr geleistet werden kann. Das            Stärkung gemeinschaftlicher sozia-
                                                                                        jährlich auf ca. CHF 8 Milliarden und   lichen Ratschlags entsteht eine          gilt gerade für den Care Bereich, zu       ler Beziehungen zu den steuerlich
                                                                                        ist somit ein unverzichtbarer Pfeiler   grosse Lücke, die nur abgefedert         dem Enkelbetreuung gehört. Was             finanzierten Gemeindeaufgaben
                                                                                        in der Kinderbetreuung der Schweiz.     wird, weil mehr berufstätige Eltern      müsste die Schweiz tun, damit diese        gehören müssen.
                                                                                        Was sagen Sie als Soziologe dazu?       krisenbedingt zuhause arbeiten.          Arbeit die Wertschätzung erhält, die
                                                                                        FH: Tatsächlich wurden Häufig-          Bei den Empfehlungen ging ver-           ihrer volkswirtschaftlichen Leistung
                                                                   Foto: Shutterstock

22 GERONTOLOGIE CH 2/2020                                                                                                                                                                                                     GERONTOLOGIE CH 2/2020   23
Unverzichtbare Grosseltern –
                                                                                                                                                                                                                                                         RUBRIK

                                     auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive
                                         Des grands-parents indispensables –

24 GERONTOLOGIE CH 1/2020
                                     aussi dans une perspective macroéconomique
                                  Häufigkeit der Kontakte mit                                                                                    Häufigkeit der Betreuung
                                  den Enkelkindern, 2018                                                                                        der Enkelkinder, 2018
                                  Fréquence des contacts avec                                                                                   Fréquence de garde des
                                  les petits-enfants, en 2018                                                                                   petits-enfants, en 2018

                            70%                                                                                                           70%
                                           70,0
                            60%                                                                                                           60%
                                                    62,6
                            50%                                                                                                           50%

                            40%                                                                                                           40%          45,2

                            30%                                                                                                           30%                     33,1                                                                          33,6

                            20%                                                   25,4                                                    20%                                                                                         23,6
                                                                         21,1
                                                                                                                                                                                   17,5      18,2
                            10%                                                                                                           10%                                                               13,7       15,1
                                                                                                                12,0
                                                                                                       8,9
                            0%                                                                                                            0%
                                              ns he ne ne                  ns at ne ois                  al ie is is                                     ns he ne ne             ns at ne ois                  ro en ois es                re ht as ts
                                                                                                                                                                             s                                                          ih nic t p fan
                                          s te oc s u mai
                                                   n                   s te on s u r m
                                                                              n                       n m r n e fo ma                                s te oc s u mai
                                                                                                                                                              n
                                                                                                                                                                               te on s u r m
                                                                                                                                                                                    n                     a l p eri r m anc
                                                                                                                                                                                                                F a c                 n    r n n
                                        de W oi se                   de M oi pa                     ei de n ja                                     de W oi se              de M oi pa
                                     in pro m ar                   in pro m is                  a ls t o d’u s ou                               in pro m ar              in pro m is                 i
                                                                                                                                                                                                   e d
                                                                                                                                                                                                       nm en is p s va          r e ue de rde ts-e
                                                                                                                                                                                                                                      n      a i
                                   m l Au s p                   m al Au f     o                r na ns oi                                      m l Au s p              m al Au fo                                             et lki e g pet
                                       a         i                 m                       i                                                      a         i                                  a ls in e fo t le
                                                                                                                                                                                                     r    n      n          b   k e   N      s
                                     m        fo                 n
                                                                                             ge Mo oi r m
                                                                                                    M a                                        nm        fo             nm                   er e ’u da                                   ur
                              e   in                          ei                         en o          p                                    ei                       ei                    ig t od s d en                    En        le
                                                                                        w pr                                                                                             n
                                                                                                                                                                                        e a i      n     p
                                                                                                                                                                                      w on Mo ou
                                                                                                                                                                                        M

                                  Grosseltern, die mindestens ein Enkelkind haben, das nicht im gleichen                                    Grosseltern, die mindestens ein Enkelkind unter 13 Jahren haben, das nicht
                                  Haushalt lebt; Enkelkind, mit dem die Grosseltern am meisten Kontakt haben                                im gleichen Haushalt lebt; Enkelkind, das am häufigsten betreut wird
                                  Grands-parents ayant au moins un petit-enfants hors du ménage;                                            Grand-parents ayant ou moins un petit-enfant de moins de 13 ans
                                  petit-enfant avec la plus grande fréquence de contact                                                     hors du ménage; petit-enfant gardé le plus souvent

                                  Anzahl Stunden, die Grossmütter und Grossväter pro
                                  Woche für die Betreuung der Enkelkinder aufwenden, 2018
                                  Nombre d’heures consacrées par semaine
                                  à la garde des petits-enfants, en 2018

                                                            6,0%
                                                                                                                                7,6%*

                                               12,9%                                                                    10,4%

                                                                                                                                                                                                          CHF
                                                                                                                                                                                                    8 000 000 000.–
                                                                                       51,9%                                                                                                So hoch ist ungefähr der volkswirt-
                                                                                                                                                         53,2%                             schaftliche Wert der Enkelbetreuung
                                                                                                                                                                                                  in der Schweiz pro Jahr.
                                            29,2%                                                                  28,8%                                                                   Valeur économique estimée de la prise
                                                                                                                                                                                             en charge annuelle, en Suisse, des
                                                                                                                                                                                                   petits-enfants par leurs
                                                                                                                                                                                                       grands-parents.

                                              1–9 Stunden                         10–19 Stunden                          20–29 Stunden                   30 Stunden und mehr
                                              1 à 9 heures                        10 à 19 heures                         20 à 29 heures                  30 heures ou plus

                                  Grosseltern, die mindestens ein Enkelkind haben, das nicht im gleichen
                                  Haushalt lebt; Enkelkind, mit dem die Grosseltern am meisten Kontakt haben
                                  Grands-parents gardant un ou plusieurs petits-enfants de moins de 13 ans au
                                  moins une fois par semaine; petit-enfant gardé le plus longtemps
                                  * Extrapolation aufgrund von weniger als 30 Beobachtungen.
                                    Die Resultate sind mit grosser Vorsicht zu interpretieren.
                                  * Extrapolation basée sur moins de 30 observations.
                                    Les résultats sont à interpréter avec beaucoup de précaution.
                                                                                                                                                          Quelle: BFS – Erhebung zu Familien und Generationen (EFG) © BFS 2019
GERONTOLOGIE CH 1/2020

                                                                                                                                                           Source : OFS – Enquête sur les familles et les générations (EFG) © OFS 2019
                                                                                                                                                                                                                       bit.ly/2ZmDs2D
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                                                                                                                                                                                                                                                         RUBRIK
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