Amtliche Lebensmittel- und Futter-mittelüberwachung 2019
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Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, die Verfügbarkeit sicherer und unbedenklicher Lebensmittel stellt für uns ein hohes und unab- dingbares Gut dar. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten zu Recht, dass Lebensmittel unter einwandfreien Bedingungen hergestellt werden und dass von ihnen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben die sächsischen Lebensmittelüberwachungs- behörden auch im Jahr 2019 wieder mit viel Einsatz und Entschlossenheit dazu beigetragen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sicherheit von Lebensmitteln zu stärken. Der vorliegende Bericht bietet Ihnen einen Überblick über die Kontrollaktivitäten der kommuna- len Behörden und fasst die Ergebnisse der amtlichen Probenahmen zusammen. Im Berichtszeit- raum wurden durch die Behörden mehr als 67.000 Inspektionsbesuche bei Lebensmittelunterneh- men durchgeführt und insgesamt über 21.700 Proben entnommen. Es ist erfreulich zu erwähnen, dass die sächsischen Betriebe die Bestimmungen des Lebensmittelrechts überwiegend eingehal- ten haben. Bei weniger als 3 Prozent aller Inspektionen wurden durch die Veterinär- und Lebens- mittelüberwachungsämter gravierende Verstöße festgestellt. Die Broschüre befasst sich auch mit besonderen Auffälligkeiten verschiedener Produktgruppen, wirft einen Blick auf potenzielle Gesundheitsgefahren, die von Lebensmitteln, Bedarfsgegenstän- den oder Kosmetika ausgehen können und beleuchtet aktuelle Herausforderungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung, wie beispielsweise die lebensmittelrechtlich problematische Beurtei- lung von Hanferzeugnissen. Die amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung verstehe ich als ein bedeutendes Sicherungssystem, welches vor gesundheitlichen Risiken und Irreführung schützen soll. Doch auch dieses System muss sich den wachsenden Herausforderungen unserer Zeit stellen. Unse- re Kompetenzen auf Gebieten der Digitalisierung, der globalisierten Wirtschaft und dem stetig wachsenden Lebensmittelhandel im Internet müssen gestärkt werden. Die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit müssen mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen Schritt halten. Die Optimierung unserer sächsischen Lebensmittelüberwachung steht daher nach wie vor im Fokus unserer Bemühungen. In diesem Sinne danke ich allen Kolleginnen und Kollegen des Kontroll- und Untersuchungsperso- nals, die mit viel Enthusiasmus und Sachverstand an der Lebensmittelüberwachung beteiligt sind und die Datenbasis für diesen Bericht geschaffen haben. Mein Dank gilt insbesondere auch den Fachleuten der Landesdirektion Sachsen, der Landesunter- suchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen und meinen Kollegen aus dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhang, die mit viel Einsatz und fachlicher Kompetenz im hohen Maße zum gemeinsamen Erfolg beigetragen haben. Ich freue mich, Ihnen den Jahresbericht 2019 zu präsentieren und bin überzeugt, dass Sie einen interessanten Einblick in die Tätigkeit der amtlichen Lebensmittelüberwachung mit all ihren As- pekten erhalten. Ihre Petra Köpping Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Foto: Pixabay/Ulrike Leone Inhaltsverzeichnis Die amtliche Lebensmittelüberwachung......................................................................................................4 Aufbau der amtlichen Lebensmittelüberwachung............................................................................................................. 4 Betriebskontrollen und Vollzug in Sachsen...............................................................................................5 Die Lebensmittelwirtschaft in Sachsen.................................................................................................................................. 5 Besonderheiten 2019................................................................................................................................................................... 6 Betriebskontrollen....................................................................................................................................................................... 11 Amtliche Maßnahmen...............................................................................................................................................................12 Probenuntersuchung..................................................................................................................................................................13 Gesundheitsschädliche Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Kosmetika........... 16 Pathogene Mikroorganismen – welch ein Schreck!.........................................................................................................16 Fremdkörper, Gifte, Verunreinigungen.................................................................................................................................18 Gesundheitsschädliche Bedarfsgegenstände und Kosmetika........................................................................................ 21 Ist gute Lebensmittelhygiene tatsächlich nur mit Einweghandschuhen zu gewährleisten?.......................................................................................................................................................... 24 Auffälligkeiten in verschiedenen Produktgruppen......................................................................... 27 Matcha – ein spezieller grüner Tee........................................................................................................................................27 Untersuchungen auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)............................................................29 Bedarfsgegenstände...................................................................................................................................................................30 Kosmetische Mittel..................................................................................................................................................................... 31 Europäisches Schnellwarnsystem Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF) ... 32 Die amtliche Futtermittelüberwachung in Sachsen...................................................................... 35 EU-Audit zu Insekten und verarbeitetem tierischem Protein (VTP) aus Insekten zur Verwendung in Futtermitteln..................................................................................................................................................36 Abkürzungsverzeichnis...............................................................................................................................................38
Die amtliche Lebensmittelüberwachung Aufbau der amtlichen Lebensmittelüberwachung Die amtliche Lebensmittelüberwachung hat zum Bedarfsgegenständen, Tabakerzeugnissen sowie Er- Ziel, die sächsischen Verbraucherinnen und Verbrau- zeugnissen des Weinrechts betrachtet. cher vor gesundheitlichen Gefahren durch den Ver- Die amtliche Lebensmittelüberwachung ist geglie- zehr nicht sicherer Lebensmittel sowie vor Täuschung dert in eine oberste, eine obere und die unteren im Lebensmittelverkehr zu schützen. Im Rahmen der Lebensmittelüberwachungsbehörden. Die folgende amtlichen Lebensmittelüberwachung wird gleicher- Übersicht zeigt die drei Ebenen mit ihren jeweiligen maßen auch der Verkehr mit kosmetischen Mitteln, Aufgaben. Aufbau der sächsischen Lebensmittelüberwachung 4 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Betriebskontrollen und Vollzug in Sachsen Die Lebensmittelwirtschaft in Sachsen Der amtlichen Lebensmittelüberwachung unterlie- Die größte Reduzierung der Anzahl von Betrieben gen alle Betriebe, die nach den rechtlichen Vorga- war bei den Erzeugern zu verzeichnen. Deren Anzahl ben regelmäßig amtlich zu kontrollieren sind. Hierzu nahm im Vergleich zum Vorjahr um 653 Betriebe gehören alle Betriebe, die an der Erzeugung, Herstel- (-4 %) ab. Es dominieren Dienstleistungsbetriebe wie lung und Vermarktung von Lebensmitteln beteiligt Küchen und Kantinen sowie Gaststätten und Imbiss- sind. Hinzu kommen noch Betriebe, die Bedarfsge- einrichtungen, nach wie vor mit 38 % aller erfassten genstände, kosmetische Mittel sowie Tabakerzeug- Betriebe, gefolgt von den Einzelhändlern mit 28 %. nisse herstellen und vermarkten. Handwerklich strukturierte Betriebe, wie Bäckerei- en und Fleischereien, sowie Direktvermarkter von 2019 waren in Sachsen insgesamt 66.365 Lebens- Lebensmitteln werden in der Statistik als Hersteller, mittelbetriebe registriert. Im Vergleich zum Vorjahr die im Wesentlichen auf der Einzelhandelsstufe ver- bedeutet dies einen Rückgang um -0,8 %. kaufen, erfasst. Ihr Anteil beträgt derzeit 5 %. Anteil der Betriebe einer Betriebsgattung an allen Lebensmittelbetrieben 2019 Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 |5
Besonderheiten 2019 WILKE – ein Wurst-Skandal lässt grüßen Foto: FRIEDEMANN VOGEL/EPA-EFE/Shutterstock Im Oktober 2019 sorgte die Wilke Waldecker Fleisch- Diese identifizierten Keime standen im Zusammen- und Wurstwaren GmbH & Co. KG für einen bundes- hang mit 37 Krankheitsfällen, darunter drei Todes- weiten Lebensmittelskandal: Am 1. Oktober 2019 fälle, welche mit den Produkten der Firma direkt in teilte das zuständige Lebensmittelüberwachungs- Verbindung gebracht wurden. Listeria monocytoge- amt Waldeck-Frankenberg mit, dass der Fleischher- nes kann bei einem geschwächtem Immunsystem le- steller Wilke aufgrund unhygienischer Zustände in bensgefährlich sein und schlimmstenfalls zum Tode der Herstellung geschlossen wurde. führen. Was war passiert? Der Prüfbericht der hessischen Task-Force Lebens- mittelsicherheit schilderte teilweise hygienisch un- Der Nachweis von Listerien in Wilke Wurstwaren haltbare Zustände im Betrieb. Es folgte daraufhin wurde mehrfach erbracht und könnte auch in Ver- eine weltweite Rückrufaktion, bei welcher bekannt bindung mit Todesfällen stehen. wurde, dass namhafte Großhändler, Einzelhändler Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte mittels einer und gar Möbelhäuser beliefert wurden. Seitens des sogenannten Genomsequenzierung einen Listeriose- Fleischunternehmers hieß es anfangs, dass Fleisch- Ausbruch mit einem bestimmten Listerien-Typ und Wurstwaren nur unter dem Firmennamen ver- identifiziert, für den der Name „Sigma 1“ vergeben kauft worden seien, was im Verlauf des Lebensmit- wurde. telrückrufes aber revidiert wurde. 6 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Folgen und Verantwortung des Lebensmittelunternehmers Letztlich landete das gesamte Wilke-Wurst-Sorti- werden. Die Aufgabe der Veterinärbehörden ist in ment auch in Kantinen, Restaurants, Krankenhäusern diesem Zusammenhang lediglich die Überwachung und schlussendlich beim Verbraucher auf dem Tisch. des ordnungsgemäßen Rückrufs, zum Beispiel durch Die Behörden veröffentlichten über www.lebensmit- stichprobenartige Überprüfungen, ob die Waren tat- telwarnung.de Informationen des Unternehmers zu sächlich aus dem Verkehr gezogen wurden. Die Lan- den betroffenen Produkten, welche zurückgerufen deskontaktstelle für Schnellwarnungen im Freistaat wurden. Aufgrund der weitverzweigten Lieferwege Sachsen erstellte im Falle Wilke zentral die Prüf- und der unterschiedlichen Produktnamen (Eigen- aufträge für die kommunalen Lebensmittelüberwa- und Handelsnamen) wurde die Nachvollziehbarkeit chungsbehörden, die den ordnungsgemäßen Rück- der Vertriebswege der Fleisch- und Wurstwaren im ruf überwachten und bei belieferten Firmen/Kunden Handel zum großen Problem. Dies stellte alle Betei- etc. überprüften, ob alle Produkte letztlich aus den ligten vor eine große Herausforderung. Denn über Regalen verschwunden waren. einen Produktrückruf zu informieren, ist Pflicht des Lebensmittelunternehmers, sowie der Groß- und Was ist aus dem Erkrankungsgeschehen Zwischenhändler. Es ist eine zentrale Aufgabe des Sigma 1 geworden? Lebensmittelunternehmers nicht sichere Lebensmit- tel unverzüglich vom Markt zu nehmen. Seit der Schließung von Wilke sind keine weiteren mit diesem Fall im Zusammenhang stehenden Er- Falls Produkte bereits an Kunden verkauft wurden, krankungsfälle aufgetreten. Die Firma Wilke hat müssen die Käufer mittels eines öffentlichen Rück- zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet und wird zu- rufs durch die Lebensmittelunternehmer informiert künftig keine Produkte mehr herstellen. Foto: FRIEDEMANN VOGEL/EPA-EFE/Shutterstock Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 |7
Hanf und dessen Inhaltsstoffe – rechtlich schwierig zu beurteilen Da nun aber Betäubungsmittel im Sinne der oben genannten UN-Konvention von 1961 und psycho- trope Stoffe gemäß der UN-Konvention über psy- chotrope Stoffe von 1971 nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO) vom Lebensmittelbegriff ex- plizit ausgenommen sind, stellt sich die Frage, inwie- weit eine Verwendung von Hanf, Hanfbestandteilen beziehungsweise Zubereitungen daraus als Lebens- mittel/-zutat überhaupt möglich ist. Rechtliche Vorgaben Hier gibt ein Blick in das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) Aufschluss. Zunächst sind Hanfsamen, die in der Regel keine Cannabinoide enthalten, von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausge- nommen, wenn sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind. Die Verwendung von Hanfsamen und daraus hergestellten Produkten wie Hanfsamenöl, -mehl oder fettfreies Hanfsamenprotein als Lebens- mittel beziehungsweise als Zutat von Lebensmitteln ist daher uneingeschränkt möglich und erfreut sich Foto: Pixabay/Julia Teichmann seit Jahren zunehmender Beliebtheit. Wie bereits im vergangenen Jahr berichtet, ist dabei aus Sicht der Überwachung jedoch besonderes Augenmerk auf Auch im Jahr 2019 beschäftigte das Thema Hanf die Kontrolle einer möglichen Kontamination mit (Cannabis sativa L.) mit der Frage, ob und wenn ja Cannabinoid-haltigen Pflanzenteilen zu legen. Eine unter welchen Voraussetzungen eine Vermarktung Überschreitung der akuten Referenzdosis (ARfD) für als Lebensmittel/-zutat möglich ist, die amtliche ∆9-Tetrahydrocannabinol (1 µg ∆9-THC pro Kilo- Lebensmittelüberwachung. gramm Körpergewicht) beziehungsweise die Nicht- einhaltung der vom Bundesinstitut für gesund- Warum ist das so? heitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV/jetzt BfR) für verschiedene Lebensmittel fest- Grundsätzlich unterliegt Cannabis dem Betäubungs- gelegten Gesamt-∆9-THC-Richtwerte kann zur Be- mittelgesetz (BtMG), wobei zwischen der Verwen- urteilung als nicht sicheres Lebensmittel führen. dung zu medizinischen (Anlage III) und nicht me- dizinischen Zwecken (Anlage I) unterschieden wird. Der zweite im BtMG festgelegte Ausnahmetatbe- Anlage I stuft Cannabis (Marihuana, Pflanzen und stand betrifft Hanfpflanzen und Pflanzenteile, die Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden aus dem Anbau in EU-Ländern mit zertifiziertem Pflanzen) und Cannabisharz (Haschisch) als nicht Saatgut stammen oder deren Gehalt an ∆9-THC verkehrsfähige Betäubungsmittel ein. Diese Einstu- 0,2 % nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen fung geht zurück auf das Einheits-Übereinkommen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerb- (UN-Konvention) über Suchtstoffe aus dem Jahr lichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die 1961, das Cannabis (die nicht entharzten Blüten- einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschlie- oder Fruchtstände von Pflanzen der Gattung Can- ßen. Diese Festlegung führte in der Vergangenheit nabis, ausgenommen Samen und Blätter), das Can- zu erheblichen Auslegungsproblemen. So vertritt nabisharz sowie aus Cannabis gewonnene Extrakte zum Beispiel der Europäische Hanfverband (EIHA) und Tinkturen als Suchtstoffe klassifizierte. die Auffassung, Hanfblüten und -blätter und auch 8 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Foto: LUA Sachsen Foto: c rezkrr/iStock Hanfprodukte mit traditionell hergestellten Extrakten können, dass die eingesetzte Konzentration an CBD mit dem natürlichen Vollspektrum der in der Hanf- keine pharmakologische Wirkung aufweist. Lebens- pflanze enthaltenen Cannabinoide seien rechtmäßig mittelrechtlich ist festzuhalten, dass Extrakte aus als Lebensmittel im Verkehr. Pflanzen der Gattung Cannabis und daraus gewon- nene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als neu- Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- artige Lebensmittel (Novel Food) angesehen werden, produkte (BfArM) dürfen dagegen aus betäubungs- da hierfür kein nennenswerter Verzehr vor 1997 mittelrechtlicher Sicht Produkte aus lediglich ge- nachgewiesen werden konnte. Dies gilt auch für trockneten und zerkleinerten Nutzhanfpflanzen, wie alle Produkte, denen sie als Zutat zugesetzt sind. All zum Beispiel Hanfblätter- und Hanfblütentee, nicht diese Produkte dürfen erst nach einem erfolgreich an den Endverbraucher abgegeben oder durch Pri- durchlaufenen Zulassungsverfahren als Lebens- vatpersonen eingeführt werden, da hier ein solcher mittel vermarktet werden und befinden sich daher Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen aktuell nicht rechtmäßig in Verkehr. Entsprechende werden kann. Dieser Auslegung folgte beispielswei- Untersagungsverfügungen der Lebensmittelüberwa- se das Landgericht Braunschweig, das die Betreiber chungsbehörden wurden inzwischen mehrfach ge- einer „Hanfbar“ wegen Verstößen gegen das Betäu- richtlich bestätigt. bungsmittelgesetz zu Freiheitsstrafen auf Bewäh- rung verurteilte (Urteil noch nicht rechtskräftig). Proben 2019 Den Markt überschwemmt haben seit einigen Jah- Von der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesund- ren Produkte, die in angereicherter Form das nicht heits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen wurden psychoaktive Cannabinoid Cannabidiol (CBD) ent- im Berichtsjahr vier Proben mit Hanfblättern bezie- halten. Das Angebot reichte von in Hanföl gelösten hungsweise -blüten, die als teeähnliche Erzeugnisse CBD-Extrakten, die als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht worden sind, untersucht und be- oder Lebensmittel eigener Art in Tropfflaschen ab- urteilt. Es handelte sich dabei um zwei Hanfblüten- gegeben wurden, bis hin zu Kaugummi und Mund- tees, einen Hanfblättertee sowie eine Teemischung pflege-Pastillen mit CBD. mit 35 % Hanfblättern. Bei den erstgenannten drei Proben wurde vorab eine Eignung als Lebensmittel in Einordnung als neuartiges Lebensmittel Frage gestellt, da Hanfblüten und -blätter unter die oben genannte Einstufung als Betäubungsmittel fal- Bei dieser Art von Produkten kann zwar davon aus- len. Dies muss jedoch abschließend durch die dafür gegangen werden, dass sie vom Betäubungsmittel- zuständige Bundesopiumstelle am BfArM bewertet recht ausgenommen sind, hier muss der Lebensmit- werden. Drei der vier Proben wurden aufgrund des telunternehmer jedoch unabhängig davon belegen ermittelten Gehaltes an Gesamt-∆9-THC als nicht Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 |9
Foto: LUA Sachsen sicher beurteilt, in einem Fall als gesundheitsschäd- Für alle an der CBD-Thematik interessierten sei ab- lich, in den beiden anderen Fällen als für den Verzehr schließend auf eine Äußerung des Bundesamtes für durch den Menschen ungeeignet. Unter lebensmit- Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) telrechtliche Gesichtspunkten sind die Hanfblüten auf dessen Internetseite, stellvertretend für die Le- zudem als nicht zugelassene, neuartige Lebensmittel bensmittelüberwachungsbehörden in Deutschland, anzusehen. verwiesen: „Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach CBD in Lebensmitteln, also auch in Gleiches gilt nach derzeitiger Datenlage auch für Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre.” Hanfsaft, der durch das Pressen der oberen Pflan- zenteile gewonnen wird. Getrockneter Hanfpresssaft war Bestandteil einer Probe mit der Bezeichnung „Cannabis-Shot“. Aufgrund der vielfachen Über- schreitung des für nicht alkoholische und alkoholi- sche Getränke abgeleiteten Richtwertes für Gesamt- ∆9-THC wurde auch diese Probe als für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet und somit nicht sicher beurteilt. Irreführend war zudem die auf dem Produkt enthaltene Auslobung „Ohne THC“. 2019 gingen in der LUA elf Proben Nahrungser- gänzungsmittel sowie drei Proben Kaugummi und Mundpflege-Pastillen mit Cannabinoid-angerei- cherten Hanfextrakten ein, die alle – wie bereits oben dargelegt – aufgrund der Verwendung einer nicht zugelassenen Novel-Food-Zutat als nicht ver- kehrsfähig eingestuft wurden. Foto: Pixabay/NickyPe 10 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Betriebskontrollen Wie fleißig war unser Überwachungspersonal? Durchsetzungswirkung folgen mussten (sogenannte formelle Maßnahmen). Bei erheblichen Mängeln mit Ein wesentlicher Bestandteil der amtlichen Überwa- daraus resultierenden formellen Maßnahmen spricht chungstätigkeit ist die Kontrolle der Einhaltung le- man auch von Verstößen. Es ist durchaus möglich, bensmittelrechtlicher Vorschriften durch Inspektion dass in einem Betrieb auch Verstöße verschiede- der Betriebe vor Ort. Von den insgesamt 66.365 er- ner Art (Mehrfachnennung) festgestellt werden. fassten Betrieben wurden im Jahr 2019 33.638 Be- Es wurden bei 1.603 Betrieben bei mindestens einer triebe (50,7 %) kontrolliert und dabei wurden 67.454 Kontrolle ein oder mehrere Verstöße festgestellt. Inspektionsbesuche durchgeführt. Dies entspricht Dies entspricht 4,8 % der kontrollierten Betriebe. im Schnitt 2,01 Kontrollen je kontrolliertem Betrieb. Die Verstöße werden für die statistische Auswertung in fünf Arten untergliedert. Eine Übersicht zu Ver- Bei 1.990 Kontrollen wurden erhebliche Mängel stoßarten und den jeweils zugrundeliegenden Män- festgestellt, sodass Maßnahmen mit besonderer geln enthält die nachfolgende Tabelle. Welche Verstöße gibt es? Art des Verstoßes Berücksichtigte Mängel bei der: Hygiene Eigenkontrolle betrieblichen Eigenkontrolle, HACCP und/oder Schulung der Mitarbeiter Hygiene allgemein baulichen und/oder technischen Ausstattung der Räume und Geräte, Hygiene des Personals Zusammensetzung Qualität der Rohstoffe oder hergestellten Lebensmittel, Rückstände Kennzeichnung/Aufmachung Kennzeichnung von Lebensmitteln beziehungsweise Warenpräsentation Andere Mängel Einhaltung weiterer lebensmittelrechtlicher Vorschriften (zum Beispiel Rückverfolgbarkeit) Zudem wurden bei 18.203 Kontrollen geringfügige Abweichungen festgestellt. Kontrollen mit Verstoß sowie Art und Anteil der Verstöße Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 11
Amtliche Maßnahmen Welche Maßnahmen wurden konkret veranlasst? Stellen die Lebensmittelüberwachungs- und Veteri arbeitungssystem LEVES-SN unter anderem unter närämter Verstöße fest, werden amtliche Maß- folgenden Punkten erfasst werden: nahmen veranlasst, die im sächsischen Datenver- ▪ Bescheid zur Mängelbeseitigung ▪ Einleitung eines Bußgeldverfahrens ▪ Betriebsbeschränkung ▪ Einleitung eines Strafverfahrens ▪ Betriebsschließung ▪ öffentliche Warnung ▪ Sicherstellung, Inverwahrnahme, ▪ Öffentlichkeitsinformation nach § 40 LFGB Beschlagnahme ▪ nicht näher spezifizierte Ordnungs ▪ Verbot des Inverkehrbringens/ verfügungen Verkaufsbeschränkung ▪ Entzug und Aussetzung der Zulassung ▪ Verwarnung ohne Verwarnungsgeld ▪ unschädliche Beseitigung/Vernichtung ▪ Verwarnung mit Verwarnungsgeld ▪ Ordnungsverfügung Rücknahme/Rückruf Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über In Fällen, in denen bei den Kontrollen geringfügige die Häufigkeit der Maßnahmen mit besonderer Abweichungen festgestellt werden, werden andere Durchsetzungswirkung in 2019 und den vorange- Maßnahmen, wie zum Beispiel Belehrungen/Bera- gangenen zwei Jahren. tungen oder Mängelberichte mit Anordnungen zur Abstellung der Abweichungen, ergriffen. Anzahl Kontrollen, aus denen sich allein oder gemeinsam mit anderen Kontrollen/Proben eine der dargestellten Maßnahmen ergeben haben Art der Maßnahme 2017 2018 2019 Bescheid zur Mängelbeseitigung 379 469 446 Betriebsbeschränkung 18 36 29 Sicherstellung, Inverwahrnahme, Beschlagnahme 14 17 16 nicht näher spezifizierte Ordnungsverfügungen 149 279 375 Verwarnung ohne Verwarngeld 555 674 688 Verwarnung mit Verwarngeld 494 572 485 Betriebsschließung 17 21 23 Entzug und Aussetzung der Zulassung 3 1 0 unschädliche Beseitigung/Vernichtung 12 24 14 Verbot des Inverkehrbringens/Verkaufsbeschränkung 29 27 34 Ordnungsverfügung – Rücknahme/Rückruf 1 3 2 Einleitung eines Bußgeldverfahrens 178 157 187 Einleitung eines Strafverfahrens 14 18 20 Öffentliche Warnung 6 0 1 Öffentlichkeitsinformation nach § 40 LFGB 0 1 1 12 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Probenuntersuchung Wer entnimmt eigentlich die Proben und wo Amtliche Proben werden planmäßig oder außer- werden diese untersucht? planmäßig als Verdachts-, Verfolgs- oder Beschwer- deprobe genommen. Der Anteil der Planproben liegt Neben der Inspektion der Betriebe vor Ort ist die in allen Berichtsjahren deutlich über 90 %. Untersuchung von Lebensmitteln, Wein, Tabaker- zeugnissen, kosmetischen Mitteln und Bedarfsge- Die planmäßige Entnahme von Proben erfolgt risi- genständen ein wesentlicher Bestandteil der amt- koorientiert. Risikoorientierte Probenahme bedeu- lichen Lebensmittelüberwachung. tet, dass anhand von Faktoren, wie zum Beispiel die Häufigkeit, mit der ein Lebensmittel auf den Tisch Die LÜVÄ nehmen beim Lebensmittelunternehmen kommt, oder die Anfälligkeit für Verderb eines Le- amtliche Proben. Diese werden dann an die LUA bensmittels, eine Risikoabschätzung für eine Waren- Sachsen gegeben, wo die amtlichen Proben unter- gruppe erfolgt. Zudem ist die Probenanzahl von der sucht werden. Die Probenuntersuchung umfasst zu- Einwohnerzahl in Sachsen abhängig. nächst eine Prüfung, ob das Lebensmittel korrekt gekennzeichnet ist, ob also alle gesetzlich vorge- Auf Grundlage der beiden Faktoren Proben je Ein- schriebenen Angaben auf der Verpackung stehen. wohner und Risiko einer Lebensmittelwarengruppe Natürlich folgt dem eine mikrobiologische, chemi- wird ein Plan erstellt, in dem die Anzahl und die Ver- sche und/oder physikalische Laboranalyse der Le- teilung der Proben auf die einzelnen Lebensmittel- bensmittel. In dieser wird geprüft, dass das Lebens- warengruppen festgelegt ist. mittel nicht gesundheitlich bedenklich ist und auch 2019 wurden insgesamt 21.722 Proben entnommen sonst alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. Es wird und zur Untersuchung eingesendet. Die Verteilung auch geprüft, ob die Angaben, die ein Hersteller zu der Proben auf vier Lebensmittelobergruppen ist aus seinem Produkt macht, stimmen, ob also zum Bei- der nächsten Grafik ersichtlich. spiel die Kennzeichnung auch die Zusammenset- Zusätzlich zu den in der Grafik aufgeführten Proben zung des Produkts widerspiegelt. wurden noch 43 Proben Tabak untersucht. Probenverteilung nach Lebensmittelobergruppen Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 13
Anteil der beanstandeten Proben und Verteilung der Beanstandungsgründe Insgesamt wurden 3.622 Proben aus den unter- aufgrund unzulässiger gesundheitsbezogener Anga- schiedlichsten Gründen beanstandet (16,7 %; ben und Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschrif- Vorjahr 16,8 %). Die Art der Beanstandungs- ten, verzeichnet. Zu dieser Gruppe gehören unter an- gründe sind in der oben abgebildeten Grafik derem Nahrungsergänzungsmittel (Quote: 65,5 %), dargestellt. diätetische Lebensmittel (Quote: 48,4 %) sowie Säuglings- und Kleinkindernahrung (Quote: 38,2 %). Die Beanstandungsquote variiert sehr stark zwischen Bei tierischen Lebensmitteln wie Käse und Fleisch- den einzelnen Produktgruppen. Eine verhältnismäßig erzeugnisse werden neben Verstößen gegen Kenn- hohe Anzahl an Beanstandungen wurde in der Grup- zeichnungsvorschriften häufig auch die mikrobio- pe Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke, logische Beschaffenheit der Produkte beanstandet. Foto: Pixabay/Bruno/Germany Foto: Pixabay/RitaF 14 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Anzahl der entnommenen Proben je Lebensmittelwarengruppe sowie deren Beanstandungsquote Anteil und Art der Beanstandung je Lebensmittelwarengruppe Wie sich aus der vorangegangenen Grafik erkennen mit besonders hoher Beanstandungsquote werden lässt, gibt es Warengruppen, bei denen jedes Jahr ein im Abschnitt „Auffälligkeiten in verschiedenen Pro- hoher Anteil der untersuchten Produkte beanstan- duktgruppen“ näher vorgestellt. det wird. Die Ergebnisse zu einigen Warengruppen Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 15
Gesundheitsschädliche Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Kosmetika Pathogene Mikroorganismen – welch ein Schreck! Im Jahr 2019 wurden insgesamt 55 Proben unter- Zusätzlich wurden in einer Probe Nudelsalat sehr schiedlichster Lebensmittel aufgrund des Nach- hohe Gehalte an Staphylococcus aureus mit posi- weises pathogener Mikroorganismen als gesund- tivem Nachweis von Enterotoxin, einem von Mikro- heitsschädlich beurteilt. Während bereits der reine organismen produzierten Giftstoff, nachgewiesen. Nachweis von Campylobacter spp., Salmonellen oder Auch diese Probe wurde als gesundheitsschädlich Verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC) in ver- beurteilt. zehrfertigen Lebensmitteln als gesundheitsschädlich gilt, erfolgt die Einstufung als gesundheitsschädlich in Bezug auf Listeria monocytogenes erst ab einem Vorsicht: Werden derartig belastete Lebensmittel quantitativen Nachweis von über 100 koloniebil- verzehrt, besteht für den Verbraucher immer die denden Einheiten pro Gramm Lebensmittel (KbE/g). Möglichkeit zu erkranken! Beanstandete Proben Nachweis von VTEC Salmonellen Listeria monocytogenes über 100 KbE/g Hackfleisch/Hackepeter 10 9 3 Rohwurst 5 6 5 Butter 4 Käse 2 Frischgemüse 2 Teig 1 Rohschinken 2 gegarte Entenbrust 1 Geflügelsalat 1 Graved Lachs 1 Sushi 1 schwarze Oliven 1 Summe 24 17 13 Erhitzen schützt! Etikett oder sonstiger Verpackung gekennzeichnet sind (zum Beispiel „Rohmilch vor Verzehr abkochen“ Wichtig zu wissen ist aber auch, dass gesundheitsge- oder „Hackfleisch zum Braten“). Diese werden üb- fährdende Erreger auch in Produkten nachgewiesen licherweise nicht roh verzehrt. Aufgrund dessen wurden, die mit einem Erhitzungshinweis auf dem wurden diese Proben nicht als gesundheitsschädlich 16 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
bewertet. Zum anderen wird in Fällen, in denen die teilt, so zum Beispiel für den Nachweis von Yersinia infektiöse Dosis einzelner Mikroorganismen bislang enterocolitica in Hackepeter. Die entsprechenden nicht bekannt ist, deren Nachweis in verzehrfertigen Untersuchungsergebnisse sind der nachfolgenden Lebensmitteln als nicht zum Verzehr geeignet beur- Tabelle zu entnehmen. Überblick zu Untersuchungen und Nachweise der fünf wichtigsten gesundheitsschädlichen Erreger in Lebensmitteln im Jahr 2019 Anzahl der qualitativen davon positiv davon Untersuchungen gesundheitsschädlich Salmonellen 9.801 55 17 Listeria monocytogenes, qual. 7.771 418 - Listeria monocytogenes, 2.452 16* 13 quant. Campylobacter spp. 473 113 0 Verotoxinbildende 630 38 24 Escherichia coli Yersinia enterocolitica 605 65 0 Summe 21.732 705 54 *> 100 KbE/g Von den in der vorangestellten Tabelle aufgezählten Mikroorganismen verteilten sich die drei häufigsten wichtigsten bakteriellen gesundheitsschädlichen wie folgt: Verteilung der drei wichtigsten gesundheitsschädlichen Erreger in verzehrfertigen Lebensmitteln im Jahr 2019 Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 17
Fremdkörper, Gifte, Verunreinigungen Des Weiteren wurden in 2019 insgesamt acht Proben beziehungsweise erhöhten gesundheitsschädlichen aufgrund anderer Ursachen wie zum Beispiel scharf- Inhaltsstoffen (siehe nachfolgende Tabelle) als ge- kantigen Fremdkörpern oder Nachweis von Toxinen sundheitsschädlich für die Verbraucher eingestuft. Nachweise von Fremdkörpern, Toxinen und Ähnlichem Produkt Beanstandungsgrund Laugenbrezeln zu hoher Gehalt an Aluminium 3-mal Nahrungsergänzungsmittel (NEM) zu hoher Gehalt an Aluminium mit Kieselerde NEM mit Vitamin A zu hoher Gehalt an Vitamin A Oregano gerebelt zu hohe Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden Hanfblüten-Tee zu hoher Gehalt an Δ-9-THC Hackepeter scharfkantiger harter Fremdkörper Foto: LUA Sachsen Foto: LUA Sachsen Hackepeter mit Fremdkörper – eklig! Bei einer Probe wird mit dem Produkt täglich eine Vitamin A-Menge zugeführt, die mit 7.500 μg um Bei einer Probe „Hackepeter“, die als Verbraucherbe- ein Vielfaches über der Referenzmenge für die täg- schwerde eingereicht wurde, ist ein schwarzer Fremd- liche Zufuhr des Vitamins in Höhe von 800 μg liegt. körper mit länglicher Gestalt und unregelmäßiger Auf Ersuchen der Europäischen Kommission werden Kontur, glatt und scharfkantig mit hartplasteartiger – beginnend durch den Wissenschaftlichen Lebens- Konsistenz, 15 mm lang und 2 mm dick festgestellt mittelausschuss (SCF) und nachfolgend durch das worden. Der Befund wurde dem zuständigen LÜVA EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Al- zwecks Ursachenermittlung vor Ort übermittelt. lergies (NDA) – seit dem Jahr 2000 für verschiedene Mineralstoffe und Vitamine tolerierbare Höchstauf- Nahrungergänzungsmittel – Vorsicht beim nahmemengen (Tolerable Upper Intake Levels – ULs) Verzehr! erarbeitet. Als UL wird der Höchstwert für die chro- nische Gesamtaufnahme eines Nährstoffs aus allen Auffällig waren zudem vier Nahrungsergänzungs- Quellen, bei denen das Risiko gesundheitsschädli- mittel (NEM), die als gesundheitsschädlich beurteilt cher Auswirkungen auf den Menschen als unwahr- werden mussten. scheinlich eingestuft wird, bezeichnet. 18 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Produktpalette NEMs Foto: LUA Sachsen Im Ergebnis der wissenschaftlichen Bewertung intake – TWI-Wert) für Aluminium in Höhe von wurde für Vitamin A durch den SCF ein UL von 1 mg/kg Körpergewicht herangezogen. Für einen Er- 3.000 μg/Retinol beziehungsweise Retinylester (RE) wachsenen mit einem Körpergewicht von 60 kg liegt für Erwachsene – ausgenommen postmenopausale der TWI somit bei 60 mg. Bei den vier genannten Frauen – abgeleitet. Proben war der TWI-Wert entsprechend Verzehr- empfehlung beziehungsweise angenommener Ver- Bei drei weiteren Proben Nahrungsergänzungsmit- zehrmenge deutlich überschritten. teln mit Kieselerde und einer Probe Laugenbrezeln führten zu hohe Gehalte an Aluminium zur Beurtei- Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist lung als gesundheitsschädlich. in einer Stellungnahme von 2008 darauf hin, dass der TWI-Wert von einem Einzellebensmittel maximal Für Aluminium in Lebensmitteln und Nahrungs- zu 50 % ausgeschöpft werden sollte. Aluminium ist ergänzungsmitteln existiert derzeit kein Grenz- nach aktuellem Stand der Forschung nicht genoto- wert. Zur Beurteilung des ermittelten Wertes wird xisch und nicht kanzerogen. Es wirkt allerdings neu- daher die von der EFSA veröffentlichte tolerierbare ro- und nierentoxisch, schädigt die Hoden und das wöchentliche Aufnahmemenge (tolerably weekly sich entwickelnde embryonale Nervensystem. Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 19
Foto: Pixabay/ariesa66 Gewürze/Kräuter – nicht ganz ungefährlich Für PA gab es 2019 noch keine rechtlich festgesetz- ten Höchstmengen – weder national noch EU-weit. Bei einer Probe „Oregano, gerebelt“ wurde ein aus- Allerdings existierten EU-weit toxikologische Refe- gesprochen hoher Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden renzwerte, die zur Beurteilung der Produkte heran- (PA) von 133.870 μg/kg bestimmt. PAs sind pflanz- gezogen wurden. Eine langfristige Aufnahme hoch liche Inhaltsstoffe, die von verschiedenen Pflanzen- belasteter Produkte sollte aus den oben genannten gattungen gegen Fraßfeinde gebildet werden. Durch Gründen vermieden werde. Verunreinigungen bei Anbau und Ernte mit Fremd- pflanzen (Unkräutern) können PAs in zum Beispiel Im vorliegenden Fall wurden die Referenzwerte Tees oder Gewürzen enthalten sein. Es sind mehr als durch den PA-Gehalt der Probe Oregano deutlich 660 PA und ähnliche Verbindungen bekannt, wobei überschritten. Von einer gesundheitlichen Unbe- insbesondere die 1,2-ungesättigten PA ein gesund- denklichkeit des Oreganos konnte somit nicht mehr heitsschädliches Potenzial haben; bestimmte Vertre- ausgegangen werden. Die Probe wurde als gesund- ter dieser PA gelten als krebserzeugend und erbgut- heitsschädlich eingestuft und in der Folge vom verändernd. Markt genommen. 20 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Gesundheitsschädliche Bedarfsgegenstände und Kosmetika Auch 2019 wurde einzelnen Proben von Bedarfs- men, aber auch Gegenstände des alltäglichen Le- gegenständen und Kosmetika eine gesundheits- bens, mit denen der Verbraucher Körperkontakt hat. schädliche Beschaffenheit attestiert, wie Sie der nachfolgenden Tabelle entnehmen können. Bei Be- Als Ursache der gesundheitsschädlichen Bewertung darfsgegenständen handelt es sich um eine Viel- sind häufig hohe mikrobielle Keimgehalte oder aber zahl an Produkten, die dieser Warenobergruppe unerwünschte Inhaltsstoffe zu nennen, die für die zuzuordnen sind, beispielsweise Kinderspielwaren, Verbraucher, mitunter auch Kindern, gefährlich wer- Folien, mit denen Lebensmittel in Kontakt kom- den können (siehe Tabelle). Übersicht über gesundheitsschädliche Bedarfsgegenstände und Kosmetika Produkt Beanstandungsgrund 2-mal Squishy Mesh Balls hoher Keimgehalt Duft-Schaumbad hoher Keimgehalt 3-mal Tätowierfarben hohe Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen 1-mal Tätowierfarbe hohe Gehalte an o-Toluidin (Nachweis verbotener Azofarbstoffe) Bleichcreme Gehalt an Kojisäure, Anwendung am ganzen Körper Spielwaren Bei den beiden Proben „Squishy Mesh Balls (Wab- belmasse)“ handelte es sich um Spielwaren, kon- kret um elastisch verformbare Bälle aus farblosem, transparentem Material mit grünem Glitter, gefüllt mit farblosen, transparenten Gelperlen und grünem Glitter in einem Netz aus Kunststoff. In den Gelperlen wurden sehr hohe Keimgehalte, un- ter anderem von Klebsiella oxytoca, nachgewiesen. Klebsiella oxytoca kann zu Sepsen, Gastrointestinal- und Atemwegsinfektionen führen. Die Übertragung des Erregers erfolgt hauptsächlich über direkten oder indirekten Kontakt mit kontaminierten Perso- nen oder Gegenständen. Problematisch ist, dass die Bakterien zunehmend multiresistent sind und eine Vielzahl von Antibiotika nicht mehr helfen. Die Zugänglichkeit der Kinder zu den Gelperlen ist gegeben, wenn die Kunststoffhülle Defekte aufweist oder im Laufe der Lebensdauer beschädigt wird. Eine begrenzte Stabilität solcher Bälle wird mehrfach be- schrieben. Einer der Bälle war bereits bei Probeneingang ka- putt, sodass Gelperlen austreten konnten. Die allei- nige bestimmungsgemäße Nutzung freiwerdender Foto: LUA Sachsen Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 21
Gelperlen als Spielzeug dürfte zwar nicht gehäuft durch Kinder dürfte ein umfassender Hautkontakt in umfangreichem Maß gegeben sein, jedoch ist ein gegeben sein. intensiver dermaler und gegebenenfalls oraler Kon- Zudem ist zu berücksichtigen, dass regelmäßiges, takt bei den beschriebenen Szenarien (zum Beispiel auch anlassbezogenes Händewaschen von Kindern direkter Austritt der Perlen in die Hand, Spritzen beim Spielen üblicherweise nicht praktiziert wird. und Umherfliegen) vorhersehbar. Auch im Rahmen Aufgrund der potenziellen Gefahr wurden die bei- der Entsorgung sowie der Erforschung des Materials den Erzeugnisse vom Markt genommen. Foto: itakdalee/iStock Tätowierfarben – schön aussehen mit Nebenwirkungen Im Berichtsjahr 2019 wurden auch in Tätowierfarben bereits durch Naturprozesse wie Waldbrände oder nicht tolerierbare Verunreinigungen nachgewiesen. Vulkanausbrüche, die nicht durch den Menschen Werte für technologisch unvermeidbare Gehalte beeinflussbar sind, in die Atmosphäre. Auch die von an Verunreinigungen wie zum Beispiel polyzykli- Menschen verursachten Emissionen stammen haupt- sche aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind in sächlich aus Verbrennungsprozessen: aus Kleinfeue- der Tätowiermittel-Verordnung bisher nicht fest- rungsanlagen, industriellen Prozessen, Feuerstellen geschrieben, obwohl zahlreiche PAK nachweislich oder Tabakrauch. Zudem ist diese Stoffgruppe ein krebserregend sind. PAK entstehen beispielsweise natürlicher Bestandteil der fossilen Rohstoffe Kohle bei der unvollständigen Verbrennung von organi- und Erdöl. schem Material wie Holz, Kohle oder Öl. Allgemein gilt: Je niedriger die Temperatur des Feuers und je Eine Festlegung zu technisch unvermeidbaren Ge- weniger Sauerstoff zur Verfügung steht, desto un- halten bestimmter Substanzen, basierend auf ge- vollständiger verbrennen die Materialien und desto sundheitlichen Bewertungen und unter Berück- mehr PAK entstehen. Ein großer Teil der PAK gelangt sichtigung der technischen Möglichkeiten, ist in der 22 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
Resolution ResAP (2008)1 erfolgt. Danach sollten Tattoofarben in der Summe nicht mehr als 0,5 mg/kg PAK enthalten. Für den verbotenen Stoff Ben- zo(a)pyren (BaP), der ebenfalls zu den PAK zählt, liegt der technologisch unvermeidbare Gehalt bei 5 μg/kg (= 0,005 mg/kg). Von BaP ist bekannt, dass es Krebs erzeugen, genetische Defekte verursachen sowie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Die Anforderungen der Resolution ResAP (2008)1 entsprechen sowohl den in Europa gültigen Rein- heitskriterien von Kohlenstoff schwarz (CI 77266) als Farbstoff in kosmetischen Mitteln als auch in den USA den Kriterien für eine FDA-Zulassung von Kohlen- Foto: LUA Sachsen stoff (CI 77266 beziehungsweise D&C Black No.2) als Farbstoff in kosmetischen Mitteln. Das BfR kommt in seiner Stellungnahme Nr. 044/2011 zu krebserregen- den PAK in Tätowiermitteln zu folgender Einschät- zung: „[…] PAK sollten nach Auffassung des BfR nicht in Tätowiermitteln enthalten sein. Technisch unver- meidbare Gehalte sollten sich an den in der „Reso- lution ResAP (2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and permanent make-up” des Europarates empfohlenen Werten von 0,5 mg/kg (Summe aller PAK) beziehungsweise 5 μg/kg für BaP orientieren. Tätowiermittel, die diese Gehalte über- schreiten, stellen aus Sicht des BfR eine ernste Ge- fahr dar. […]“. Bei den dargestellten Proben waren die Gehalte deutlich überschritten. Also Vorsicht bei der Auswahl Ihrer Tattoos! Foto: LUA Sachsen Foto: Pixabay/ilovetattoos Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 23
Ist gute Lebensmittelhygiene tatsächlich nur mit Einweghandschuhen zu gewährleisten? Seit vielen Jahren wenden sich Verbraucher regel- der amtlichen Überwachung vornehmlich über Ein- mäßig an die für sie örtlich zuständigen Lebensmit- richtungen des Lebensmitteleinzelhandels, in denen telüberwachungsbehörden, um sich über teilweise beim Verkauf von loser Ware durch das Verkaufs- nur vermeintlich unhygienische Umstände zu be- personal keine Einweghandschuhe getragen werden. schweren. Hierbei stehen erfahrungsgemäß vor allem Bäcke- rei- und Fleischerei(filial)betriebe im Fokus des Ver- Grundsätzlich sind die Lebensmittelüberwachungs- brauchers, ergänzt durch Gastronomiebetriebe mit und Veterinärämter im Freistaat Sachsen dankbar Zubereitung beziehungsweise Portionierung im, für für konkrete sowie berechtigte Hinweise zu hygie- den Kunden einsehbaren, Thekenbereich. nischen Mängeln in Lebensmittelbetrieben, da die Häufig werden dabei durch den Verbraucher die ob- planmäßige Routinekontrolle in diesen Unterneh- jektiven Umstände vor Ort, wie beispielsweise ein men jeweils nur eine Momentaufnahme zum Zeit- leicht erreichbares und mit Handseife und Einweg- punkt der Kontrolle darstellen kann und somit eine handtüchern ausgestattetes Handwaschbecken im flächendeckende beziehungsweise durchgängige unmittelbaren Verkaufsbereich oder Gerätschaften Kontrolle nicht gewährleistet und vom Gesetzgeber beziehungsweise Hilfsmittel zur berührungslosen so auch nicht vorgesehen ist. Entnahme von Lebensmitteln, als nicht vergleichbar Vielmehr steht die eigene Sorgfaltspflicht des Le- zum hygienischen Mehrwert von Einweghandschu- bensmittelunternehmers bezüglich der Unbedenk- hen angesehen. lichkeit und Rechtskonformität seiner Produkte als einer der wichtigsten Kernpunkte der zum Teil EU- Grundsätzlich fordert die Lebensmittelhygiene-Ver- weit gültigen Rechtsnormen. ordnung (LMHV) vom Unternehmer, Lebensmittel stets nur so herzustellen, zu behandeln oder in den Teilweise beeinflusst von aktuellen Medienberichten, Verkehr zu bringen, dass sie bei Beachtung der im häufen sich Beschwerden von Kunden gegenüber Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer Foto: ©adobe stock 24 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. In der Praxis bedarf es gerade im Umgang mit offenen Lebensmitteln häufig großer Anstrengungen, um eine ekelerregende oder sonstige Beeinträchtigung Einmalhandschuhe an Fleisch-/Wursttheken der Erzeugnisse, beispielsweise durch Mikroorganis- men, Verunreinigungen oder etwa Gerüche, bereits im Vorfeld zu verhindern. Als besonders geeignet haben sich hierbei in ers- ter Linie zum einen natürlich das regelmäßige und gründliche Reinigen der Hände beim Verkaufsperso- nal beziehungsweise zum anderen das berührungs- lose Entnehmen und Portionieren von Lebensmitteln Ohne Handschuhe – trotzdem hygienisch durch geeignete Gerätschaften wie Zangen, Greifer Sehr geehrte Kunden, oder Folien bewährt. bei Ihrem heutigen Einkauf haben Sie sicher bemerkt, dass unser Personal an der Fleisch- und Wursttheke keine Ich habe mich entschieden, auf das Tragen von Hand- schuhen im Verkauf zu verzichten. Handschuhe trägt. Vielleicht befürchten Sie, dass dadurch die Qualität Das Tragen von Handschuhen verbessert nicht die Hygiene. Auch die Aufteilung einzelner Arbeitsgänge auf ver- unserer Produkte beeinträchtigt wird. Es ist nachgewiesen, dass Handschuhe im Verkauf keine hygienischen Vorteile bringen. Im Gegenteil: schiedene Personen während des Verkaufsvorgan- Das ist nicht der Fall. Das ständige Tragen von Handschuhen schadet der Haut meiner Mitarbeiter, denn schwerwiegende Hauterkran- Zur ständigen Qualitätssicherung setzen wir eine Reihe kungen können die Folge sein. Das will ich auf keinen Fall! ges – ein Mitarbeiter wiegt und/oder verpackt die von betrieblichen und persönlichen Hygienemaßnahmen um. Dazu gehört u. a., dass meine Mitarbeiter insbe- Ich hoffe, dass Sie Verständnis für meine Entscheidung Produkte für den Kunden und ein weiterer widmet sondere an der Frischetheke Gabeln, Folien und andere geeignete Hilfsmittel benutzen, regelmäßig über den hygienisch sicheren Umgang mit der Ware geschult wer- haben, zumal die Qualität meiner Produkte dadurch in keiner Weise beeinträchtigt wird. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung. sich dem eigentlichen Kassiervorgang oder weiteren den und streng auf die Sauberkeit ihrer Hände achten. Ihr Fleischermeister Tätigkeiten – stellt eine andere denkbare Maßnahme Darüber hinaus wird die Einhaltung der gesetzlichen Hygienevorschriften durch mich und durch Behörden zur Reduzierung von hygienischen Risiken für offe- ständig überwacht. ne Lebensmittel dar. Name/Stempel Die Ausführungen entsprechen den Empfehlungen der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe Alternativ könnte auch der Einsatz von Einweg- Quelle: www.machmit-hautfit.de/11100/49192/1 handschuhen aus Überwachungssicht ein probates Mittel im hygienischen Umgang mit Lebensmit- teln sein. Allerdings gilt dies nur bis zu dem Zeit- Daher ist dem Arbeiten mit bloßen Händen bei ent- punkt, an dem die Handschuhe selbst mit kon- sprechender Sensibilisierung des Personals und un- taminierten Oberflächen wie etwa Türklinken, ter Berücksichtigung möglicher Alternativen zum Abfalleimern oder Ähnlichem in Kontakt kommen tatsächlichen Berühren von offenen Lebensmitteln und anschließend die so aufgenommenen Keime mit den Händen stets der Vorzug zu geben. Das Ge- direkt auf die jeweiligen Lebensmittel verteilen. fühl verschmutzter Hände führt automatisch zum Ein häufiger Wechsel der Einweghandschuhe be- häufigeren Händewaschen. ziehungsweise der einmalige Gebrauch bei der Aus- Darüber hinaus ist vor dem An- und Ablegen von übung unterschiedlicher Arbeiten im Verkaufs- oder Einweghandschuhen zur Vermeidung einer mög- Zubereitungsbereich stellt also die wichtigste Grund- lichen Verschleppung von Keimen auf den Hand- voraussetzung für ein funktionierendes Hygiene- schuh beziehungsweise vom Handschuh zurück auf regime dar. Im Rahmen der amtlichen Hygienekon- die Hände ebenfalls eine Desinfektion der Hände des trollen konnte die durchgängige Umsetzung dieser jeweiligen Trägers erforderlich. Welchen Mehrwert Anforderung in den Betrieben vor allem aus Zeit- und bieten sie dann also tatsächlich? Kostengründen nur bedingt bestätigt werden. Aus diesem Grund haben sich verschiedene Interes- Eine gesetzliche Forderung zum Tragen von Einweg- senvertretungen wie etwa die Berufsgenossenschaft handschuhen im Umgang mit Lebensmitteln exis- Nahrungsmittel und Gastgewerbe oder der Zentral- tiert im Lebensmittelrecht, mit wenigen Ausnahmen verband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. der wie etwa bei offenen Verletzungen an den Händen Frage angenommen und werben aktiv durch ver- oder Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten schiedene Maßnahmen beim Kunden um Verständ- Stoffen beim Personal, aus den oben genannten nis für den Verzicht auf Einweghandschuhe in den Gründen bewusst nicht. betroffenen Lebensmittelunternehmen. Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019 | 25
Grundsätzlich gilt es also in erster Linie, das Portio- In jedem Fall sollte der Verbraucher, bei einem aus nieren und die Abgabe von offenen Lebensmitteln seiner Sicht unzureichenden hygienischen Umgang mit geeigneten Gerätschaften zu bewerkstelligen. mit Lebensmitteln, diesen Mangel direkt vor Ort im Erst wenn dies nicht möglich ist, scheint das Tragen jeweiligen Lebensmittelunternehmen ansprechen von Einweghandschuhen, ausschließlich für diese und um eine entsprechende Erklärung bitten. Hier- eine Tätigkeit und in einem angepassten Wechsel- durch lassen sich schnell und einfach die jeweiligen rhythmus, als das geeignete Mittel der Wahl. Umstände klären. Verbraucherinfo: Im Jahr 2017 führte die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) eine bundes- weite Untersuchung von 44 Backwaren aus Handwerksbäckereien zur tatsächlichen Keimbelastung auf Backwaren und Bargeld durch. Bei der Untersuchung des Bargeldes in Form von Münzen und Scheinen bis 10 Euro konnte eine nur sehr geringe Keimbelastung nachgewiesen werden, die vergleichbar mit den durchschnittlichen Konta- minationsraten der normalen Umwelt ist. Bei der mikrobiologischen Untersuchung der Oberflächen von Backwaren aus Bäckereien wurde zwi- schen Betrieben, die mit und ohne Einweghandschuhe arbeiten, differenziert. Dabei war durch die BGN insgesamt festzustellen, dass die Oberflächen kaum mit Keimen besiedelt waren. Im Direktvergleich wiesen die Backwaren aus Bedienung mit Einweghandschuhen 15,1 Keime je cm2 auf. Bei Verzicht auf den Einsatz von Handschuhen lag der ermittelte Wert bei 14,8 Keimen je cm2. Beide Werte liegen im völlig unbedenklichen Bereich, zeigen jedoch deutlich, dass das Tragen von Ein- weghandschuhen keinen messbaren Vorteil in Bezug auf die Lebensmittelhygiene bringt. Der Verzicht auf Handschuhe hingegen führt im Ergebnis jedoch zu deutlich weniger Hauterkrankungen beim Ver- kaufspersonal und trägt somit auch auf diesem Wege zur Lebensmittelsicherheit bei. Weiterführende Infos unter www.baeckerhandwerk.de/politik-presse/pressemitteilung/bundesweite-untersuchung-bestaetigt- kein-hygienevorteil-durch-handschuhe-beim-backwarenverkauf/ 26 | Amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung 2019
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