"An unserer Internationalisierung wird sich auch in Zukunft nichts ändern." - Henkel
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
BEGEGNUNG „An unserer Internationalisierung wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“ Bertrand Conquéret Der Franzose Bertrand Conquéret ist seit 2006 CPO bei Henkel. Seit Anfang 2014 ist er zudem President Henkel Global Supply Chain B.V., der in Amsterdam ange- siedelten Supply-Chain-Organisation des Unternehmens. Conquéret (Studium Wirtschaftsrecht und MBA) hat seine Karriere 1989 im Einkauf bei Henkel in Frankreich begonnen und wechselte 1996 in die Konzernzentrale des Konsumgü- ter- und Industriekonzerns nach Düsseldorf. Bevor er CPO wurde, war er drei Jahre Global Vice President Human Resources im Geschäftsbereich Klebstoffe. Conquéret ist seit Mai 2019 außerdem Vorsitzender von „Together for Sustaina- bility“, einer Nachhaltigkeitsinitiative führender Unternehmen der Chemiebran- che mit Sitz in Brüssel.
„In der Krise zeigt sich der Charakter“ Bertrand Conquéret hat nahezu sein gesamtes Berufsleben im Einkauf verbracht. Der CPO von Henkel spricht im BIP-Interview über Lehren aus der Corona-Krise, Aufstellung und Ziele der Supply-Chain-Organisation und über den Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit, dem sich der Konzern verschrieben hat. Monsieur Conquéret, wie waren oder sind Ihre Supply Chains gen in den drei Unternehmensbereichen (Klebstoff-Technolo- und Liefernetzwerke von Covid-19 betroffen? gie, Pflegeprodukte, Wasch- und Reinigungsmittel, Anm.d.Red.) und Bertrand Conquéret: Die Krise beschäftigt uns, das heißt ich als CPO ein Konzept entwickelt, uns unter einem Dach das gesamte Einkaufsteam sowie die Kollegen aus dem Sup- zu vereinen, um Systeme, Prozesse und Herangehensweisen ply Chain Management, seit Ende Januar. Unsere höchste zu standardisieren und besser aufeinander abstimmen zu Priorität gilt der Sicherheit und dem Wohlergehen unserer können. Das hat uns jetzt in der Corona-Krise sehr geholfen. Mitarbeiter. Covid-19 hat Auswirkungen auf unsere gesam- Wir denken aber langfristig. Denn jeder von uns hat – zu- ten Beschaffungsprozesse, und um die Produktion und Lo- sätzlich zu seiner fachlichen Verantwortung – die Aufgabe, gistik aufrechtzuerhalten, mussten wir uns sehr schnell an- die vier Kernprozesse des Unternehmens in allen drei Ge- passen. Obwohl sich das Virus rasch auf die unterschied- schäftsbereichen weiter zu verbessern. Das ist das, was die lichen Regionen der Welt ausgebreitet hat, haben wir und Arbeit von One GSC treibt. Es ist eine starke Plattform, weil auch unser Lieferantennetzwerk sehr gut reagiert. Die Zu- es ein starkes Netzwerk von Menschen ist. sammenarbeit sowohl mit den Kolleginnen und Kollegen in- tern als auch mit unseren Lieferanten während dieser her- Warum wurde Amsterdam als Sitz gewählt und nicht Düsseldorf? ausfordernden Zeit war außerordentlich gut. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass steuerliche Gründe mitausschlaggebend waren. Hatten Sie irgendwo größere Unterbrechungen oder gar Ausfälle Weil wir hier die Möglichkeit hatten, das für die oben be- in Lieferketten zu beklagen? schriebenen Aufgaben passende Umfeld zu entwickeln. Zu- Wir hatten einige Herausforderungen zu meistern, aber kei- sätzlich bietet sich uns die Chance, dort hochqualifizierte ne, die unser Geschäft zum Erliegen gebracht haben. Das Mitarbeiter mit internationaler Supply-Chain- und Logistik- Engagement, die Zusammenarbeit und die Fähigkeit, erfahrung zu rekrutieren. Wir sind 200 Mitarbeiter aus 40 schnell Lösungen zu finden – egal ob im Einkauf der direk- Ländern! Die Positionierung der Organisation in Amsterdam ten und indirekten Materialen, in der Logistik, der Nachfra- verstärkt Diversity und Leadership. geplanung oder der Produktion –, waren wirklich sehr gut. Und das über alle Regionen hinweg. Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als CPO und Leiter von One GSC? Die Henkel-Supply-Chain-Organisation ist unter dem Namen Meine Rolle ist klar: Ich leite die One-GSC-Einheit, gemein- „One Global Supply Chain“ (One GSC) in Amsterdam gebündelt. sam mit meinen Kollegen aus den Unternehmensbereichen Warum diese Aufstellung? bilden wir das Führungsteam. Um die Erfahrungen über die Foto: Henkel AG & Co. KGaA Vor sechs Jahren hat Henkel erkannt, dass es für die End-to- einzelnen Bereiche hinaus auszutauschen, haben wir zudem End Supply Chain wichtig ist, Harmonisierung, Standardisie- „Steering Committees“ für die Aktivitäten in den drei Ge- rung und auch das Teilen von Best Practices für die Kern- schäftsbereichen etabliert. Darüber hinaus hat jeder von uns prozesse „Sourcing, Planning, Making, Delivering“ voranzu- noch seine spezifische Verantwortung, in meinem Fall Ein- treiben. So haben die verantwortlichen Supply-Chain-Kolle- kauf. Das macht One GSC sehr dynamisch, vielfältig und » BIP 4/5 · 2020, 11. Jahrgang 27
BEGEGNUNG kraftvoll. Wir haben ein starkes Netzwerk aus Experten und sind gemeinsam verantwort- lich, die Transformation der globalen Supply Chain von Henkel voranzutreiben. In den ver- gangenen fünf Jahren haben wir schon viel erreicht, darauf sind wir sehr stolz. One GSC wurde seinerzeit vom damaligen CEO Kasper Rorsted als „globale IT-Plattform“ bezeichnet. Sind Einkauf und Supply Chain Management mittlerweile Teil der IT geworden? Nicht organisatorisch, aber IT ist natürlich ei- ner der Eckpfeiler in unserem Transformations- prozess. Wir haben eine gemeinsame Plattform namens „Horizon“ geschaffen, in der wir Daten harmonisieren und Prozesse standardisieren. Flüssigwaschmittelproduktion am Standort Düsseldorf ... Das schafft Transparenz über unsere Prozesse, was wiederum Voraussetzung dafür ist, die Di- gitalisierung der Supply Chains und somit unseres Geschäfts Ich finde, diese Verbindung ist zu kurz gedacht. Ich glaube, voranzutreiben. Das war ein wichtiger Schritt. dass wir beginnen müssen, diese Debatte anders zu führen. Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil unserer Prozesse Damals hieß es, dass One GSC seine volle Wirkung frühestens und Produktentwicklung und das Thema wird auch für un- 2018 entfalten werde: Einsparungen bei der Beschaffung, eine sere Verbraucher immer wichtiger. Nachhaltigkeit ist nicht schnellere Belieferung der Kunden, Reduktion von Lagerbestän- nur ein klarer Wettbewerbsvorteil, sondern auch einer unse- den, eine schnellere Reaktion auf Veränderungen der Nachfrage rer Unternehmenswerte. Wir haben in den vergangenen rund um den Globus. Haben Sie Ihre Ziele schon erreicht? Jahren viele Aktivitäten gestartet, die nicht zu einem Wir sind voll im Zeitplan, die Antwort ist also ja. Seit 2018 „Mehr“, sondern zu einem „Weniger“ führen sollen: Prozes- setzen wir aber noch einiges drauf. Wir haben die standardi- se, die schneller, besser, ressourcenschonender sind; weni- sierten Prozesse und die Horizon-Plattform inzwischen in 48 ger CO2, weniger Transporte. Wir sollten auch das in einem Ländern implementiert und der Roll-out wird weiter fortge- positiven Licht betrachten. Nachhaltigkeit ist Voraussetzung setzt. Nach fünf Jahren können wir sagen, dass unser positi- für die Resilienz von Supply Chains, für Innovation unseres ver Einfluss auf die Geschäftsprozesse noch größer gewor- Geschäfts und für den Schutz unseres Planeten. den ist. Jetzt verfolgen wir im Rahmen unserer Wachstums- strategie Ziele für die kommenden Jahre. Bis 2025 sollen 100 Prozent der Verpackungen von Henkel recycelbar oder wiederverwendbar sein. Sie wollen die Menge Ist KI in der Supply Chain eines dieser Ziele? an neuen Kunststoffen aus fossilen Quellen in Konsumgüter- KI ist kein Ziel an sich, sondern ein gutes Mittel, um unsere verpackungen um 50 Prozent reduzieren. Welchen Beitrag hat Ziele zu erreichen. Sie steht deshalb weit oben auf unserer hierzu der Einkauf zu leisten? Agenda, als Teil von Industrie 4.0 bei Henkel. Wir setzen KI Es geht darum, ökologische und soziale Prinzipien in unse- unter anderem bereits in der Produktion ein. Die Erfahrungen ren Lieferketten zu verankern. Beim Beispiel der Verpackun- gen, das Sie ansprechen, bedeutet das, dass wir Material aus nachhaltigen Quellen einsetzen, zum Beispiel zuneh- „Schulungen können nicht mend biobasierte Kunststoffe. Außerdem wollen wir mehr Rezyklat in unseren Verpackungen einsetzen. Das ist auch allein die Sensibilität ein Thema für uns im Einkauf, denn hochwertiges Rezyklat ist nicht unbegrenzt verfügbar. Wir achten zudem darauf, für Nachhaltigkeit erhöhen.“ dass unsere Lieferanten nachhaltig wirtschaften. Wenn Sie unsere strategische Agenda lesen, werden Sie dort „100 Prozent verantwortungsvolle Beschaffung“ finden. Die Initi- teilen wir in SCM und Einkauf, aber auch unter den Geschäfts- ativen dafür wurden bereits vor zehn Jahren gesetzt – insbe- bereichen. Ziel ist die digitale End-to-End Supply Chain. sondere mit den Anforderungen der Initiative „Together for Sustainability“ (TfS; eine Nachhaltigkeitsinitiative von 26 Unter- Henkel möchte „Nachhaltigkeit als klares Differenzierungsmerk- nehmen der chemischen Industrie, Anm.d.Red.). Wenn wir nun mal im Wettbewerb stärken“. Warum sollte ein Kunde bereit unsere Ziele für die Kreislaufwirtschaft, für den Einsatz er- sein, einen Aufpreis für Nachhaltigkeit zu bezahlen? neuerbarer Rohmaterialien und erneuerbarer Energien mit 28 BIP 4/5 · 2020, 11. Jahrgang
das läuft zentral über TfS. Hierbei geht es vor allem um Befähigung und Verbesserung. Welche Schlüsse für Ihre Supply Chains ziehen Sie schon jetzt aus den Erfahrungen in der Corona-Krise? Dass wir sehr demütig und bescheiden sein sollten. Wir haben alle sehr viel aus der Coro- na-Krise gelernt und tun es weiterhin jeden Tag. Das macht uns stärker für zukünftige Herausforderungen. In der Krise zeigt sich aus meiner Sicht der Charakter von Men- schen und Organisationen, ihre Widerstands- fähigkeit genauso wie ihre Agilität. Ich sehe Corona als Stresstest: Haben wir weiterhin ... und Produktion von Pflegeprodukten (hier Haarshampoo) in Wassertrüdingen. den Fokus voll auf unseren Kunden und den Konsumenten? Konkret auf den Einkauf bei Henkel bezogen, hat die Krise uns bestätigt, den Compliance-Anforderungen summieren, haben wir, dass wir die Fähigkeit besitzen, einen Mehrwert für das denke ich, eine gute Chance, die angestrebten 100 Prozent Business zu leisten. Natürlich gibt es auch eine Menge Fra- „responsible sourcing“ zu erreichen. gestellungen: Haben wir überall die passenden Daten? Sind Wie messen Sie Nachhaltigkeit? Um die Compliance sicherzustellen, nutzen wir das sehr um- fangreiche und detaillierte Rahmenwerk von TfS. Dessen Ein- „One GSC ist eine starke satz beschleunigt unseren Fortschritt, weil wir Audits und As- Plattform, weil es ein starkes sessments von Lieferanten unter den 26 Mitgliedsunterneh- men koordinieren. Bei den Themen Kreislaufwirtschaft und Netzwerk von Menschen ist.“ Kunststoffverpackungen geht es darum, jenen Teil des Ein- kaufsvolumens zu identifizieren, den wir beeinflussen kön- nen. Daran arbeiten wir mit eigenen Projektteams. wir an manchen Stellen womöglich zu abhängig von einzel- nen Lieferanten oder Regionen? Ist unser Digitalisierungsni- Wie bewerten Sie Lieferanten und wählen sie aus? veau schon so hoch, dass wir auf spontane Veränderungen Wir haben einen sehr strengen mehrstufigen Bewertungs- in der Nachfrage unmittelbar reagieren und unsere Produk- prozess, der auch ein Assessment des jeweiligen Lieferanten tion entsprechend anpassen können? Sind unsere Lieferan- inkludiert. Am Ende dieses Prozesses steht die Entschei- ten mit allem ausgestattet, was sie brauchen, um weiterhin dung, mit einem Lieferanten zusammenzuarbeiten oder nicht. liefern zu können? Wie schulen Sie Ihre Mitarbeiter im Einkauf, um sie für das The- Einige sagen, dass sich durch die Corona-Krise der Trend hin ma Nachhaltigkeit zu sensibilisieren? zu globalen, weit verzweigten Wertschöpfungsketten umkehren Schulungen und Trainings sind wichtig, können aber nicht wird. Was erwarten Sie für Henkel? allein die Sensibilität für Nachhaltigkeit erhöhen. Zu aller- Henkel ist weltweit aktiv und in allen Regionen vertreten. erst geht es darum zu erkennen, dass Nachhaltigkeit Teil Dasselbe gilt somit auch für unsere Supply Chain und den unserer Strategie ist: Wir haben einen klaren Fahrplan für Einkauf. Wir haben einen Zentraleinkauf und den Einkauf in alle unsere Aktivitäten im Einkauf bezogen auf die Nachhal- den Regionen. Zusammen treiben wir unsere globalen, loka- tigkeitsziele in den Unternehmensbereichen. Diese Ziele zu len und regionalen Agenden voran. An dieser Internationali- kennen hilft, zu verstehen, welchen wichtigen Beitrag wir sierung wird sich auch nichts ändern. Aber gleichzeitig im Einkauf leisten, und uns entsprechend zu organisieren. müssen wir natürlich immer das Versprechen unseren Kun- Nur dann wird Nachhaltigkeit auch als etwas mit „Purpose“, den gegenüber im Blick haben. Wenn die Kunden regional also mit einer konkreten Zielsetzung wahrgenommen. Für oder lokal neue Verhaltensmuster in ihrer Nachfrage an den Fotos: Henkel AG & Co. KGaA die in der TfS-Initiative festgelegten Prozesse wiederum gibt Tag legen, müssen wir diese verstehen, darauf reagieren es Workshops zur Klärung und zum Verständnis von Rollen und ein ergänzendes Angebot machen können. Es ist also und Zielen: Was wollen wir erreichen? Was wird von mir als mehr eine evolutionäre Entwicklung als ein radikaler Wan- Einkaufsmanager erwartet? Wie laufen Assessments und del vom Globalen zum Regionalen. Audits ab? Trainings machen wir dann mit den Lieferanten, Das Gespräch führte Tobias Anslinger, BME BIP 4/5 · 2020, 11. Jahrgang 29
Sie können auch lesen