Applying Science Magazin der Hochschule München Ausgabe 1/2021 - Hochschule München
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Applying Science Magazin der Hochschule München Ausgabe 1/2021 se aus mmeln z u Hau rung sa Von iserfah Prax e 6 Seit imE is n g o rschu F e 21 Seit r uck in igkeit D 3D- werelos Sch e 30 Seit
Editorial Alles neu – versprechen viele, halten die wenigsten. Wir sind der Meinung: Wir haben es mit diesem Maga- zin ganz gut hinbekommen! Neuer Titel, neues Logo inklusive neuem Corporate Design und neuer Look – insgesamt ein ganz neues Magazingefühl. Der CI-Relaunch der HM im letzten Jahr war ein willkommener Anlass, auch bei den bisherigen Maga- zinen der Hochschule aufzuräumen. Wir haben die se- mester@HM und die forschungsNEWS zu in einem Magazin unter dem Namen „Applying Science“ ver- eint. Denn das ist es, was mit der Wissenschaft an der HM passiert: Sie bleibt keine reine Theorie, sondern wird angewendet. Die Projekte und vorgestellten Per- sonen in dieser Ausgabe verdeutlichen dies in bester Manier. Dabei war der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Hochschulwelt in den letzten beiden Semestern natürlich immens. Den aufmerksamen BeobachterIn- nen wird nicht entgangen sein, dass sich die Redak- tion der Hochschulkommunikation nicht wirklich vor Ort zum traditionellen Gruppenfoto im Park hinter dem Roten Würfels versammeln konnte. Wir mussten dafür kreativ werden. So wie alle HM-Angehörigen, die trotz der widrigen Umstände Lehre angeboten, Prüfungen durchgeführt, geforscht und gelernt haben. Und dabei haben sie das Beste aus der Situation her- ausgeholt, sodass zukunftsfähige Lösungen für die (hoffentlich bald) coronafreie Zeit mit Präsenzlehre vorliegen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen! Ihre Hochschulkommunikation Applying Science 1/2021 — Hochschule München 3
Inhalt 6 21 Studium Forschung 6 21 Zu Hause Praxiserfahrung sammeln „Unsere Gletscher funkeln wie Die Fakultät für angewandte Naturwissenschaften Diamanten“ und Mechatronik bietet ihren Studierenden Professor Wilfried Hagg erforscht Gletscher aus Praxiserfahrung von zu Hause aus. Leidenschaft. Sein nächstes Projekt: Keiner kennt die bayerischen Gletscher so gut wie er. 10 Masken, die nachhaltig schützen 24 Wie lassen sich Einmalmasken nachhaltig Beraten beim Einfädeln in die Berufswelt produzieren? Studierende entwickelten Die Beratung junger Geflüchteter zu beruflichen dafür gemeinsam mit dem Unternehmen Perspektiven birgt zahlreiche Herausforderungen. Textilmacher Lösungen. Welche das sind, erforscht Prof. Nicole Pötter. 14 Professor goes Influencer Professor Holger Fink erklärt via Social Media komplexe Wirtschafts- und Finanzthemen verständlich. 16 Ein Wertstoffhof als Ort der Begegnung Architektin Franziska Häfele entwarf den „Wertstoffhof der Zukunft“ und erhielt dafür den Kulturpreis Bayern. 20 „Ich arbeite daran, ganzheitliche Lösungen zu finden“ Esther Pausch startete nach 35 Jahren Erfahrung als Krankenpflegerin nochmal durch und studierte Advanced Nursing Practice (ANP). 4 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
26 37 Transfer Menschen 26 37 Teilen für mehr Nachhaltigkeit Optimistin mit analytischem Blick Wie passen Landmaschinen, Nachhaltigkeit, Selbst aus einer Familie von Nicht-AkademikerInnen Digitalisierung und vier junge Frauen zusammen? stammend, berät Manuela Tischler heute an der HM Sehr gut, wie das Projekt „Green Machine Sharing“ zum Thema Promotion. zeigt. 30 Faszination Weltall Forschen zu 3D-Drucktechnik in der Schwerelosigkeit – für vier Studierende wurde dieser Traum wahr. 34 Karriere virtuell gestalten Die Karrieremessen HOKO und MUT2go fanden im letzten Jahr komplett online statt. Möglich machten dies engagierte Studierende. Applying Science 1/2021 — Hochschule München 5
Studium Zu Hause Praxiserfahrung sammeln Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung einen enormen Schub verpasst – und alles musste in Rekordzeit umgesetzt werden. Die Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik hat dies beispielhaft gemeistert. Foto: Johannes Lesser Das Setup für die Online-Praktika im Sensorik-Labor hat Prof. Dr. Georg Eggers selbst entwickelt 6 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Bei diesem Praktikum ver- messen die Studierenden mithilfe eines Vibrometers einen Lautsprecher Foto: Georg Eggers Der Hammer schwingt – zu wenig. Er trifft nicht. Nochmal die Werte höhersetzen. „Dong“! Jetzt bringt der Hammer den Metallzylinder in Schwingung. Ein Beschleunigungssensor misst die Ausbreitung der Schwingung im Zylinder, die Messwerte werden über ein Interface an einen Computer übertragen. Soweit wirkt alles wie immer bei diesem Versuch des Senso- rik-Laborpraktikums, das Prof. Dr. Georg Eggers jedes Semester im Studiengang Mechatronik der HM anbietet. Das Besondere diesmal: Der Stuhl vor dem Versuchsaufbau ist leer, die Studentin steuert den Hammer vom heimischen Computer aus. Mit dem Versuchs-Setup, das Eggers seit dem Frühjahr 2020 entwickelt hat, kann die Teilnehmerin alle Messungen des Laborversuchs per Fernsteuerung durchführen. Möglich machen dies Webcams, die Konferenzsoftware Zoom, die Steuersoftware Lab- VIEW und ein Sammelsurium von Motoren, Relais und Elektromagneten, die manuelle Kurbeln und Schalter ersetzen. Die Messwerte werden nicht lokal auf dem PC im Labor gespeichert, sondern per E-Mail an die Studierenden versandt. Auf diese Weise konnte die Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik seit dem Sommersemester 2020 drei Sensorik-Praktika für 75 Teilnehmende anbieten. Mit erfreulicher Zuverlässigkeit: Nur in einem Fall brach mitten im Versuch die Verbindung ab. So konn- ten die Studierenden trotz aller Corona-Einschrän- kungen neben dem Beschleunigungssensor auch Ex- perimente mit einem Michelson-Interferometer durchführen und mit einem Laser-Doppler-Vibrome- ter die Membran eines Lautsprechers vermessen. Applying Science 1/2021 — Hochschule München 7
Studium Zu Hause Praxiserfahrung sammeln Was dem Remote-Praktikum natürlich fehlt, ist die handgreifliche Auseinandersetzung der Studierenden mit dem technischen Aufbau. „Im Präsenzpraktikum müssen die Studierenden den Versuch inklusive Ver- kabelung und Justierung selbst aufbauen. Jetzt steht schon alles fertig da“, sagt Eggers. Aber auch an die- sem Problem wird in der Fakultät bereits getüftelt: Die Weiterentwicklung der Sensortechnik macht für viele Experimente Lösungen denkbar, die so kompakt und preiswert sind, dass sie den Studierenden per Post ins Haus geschickt werden können. Und zwar zerlegt in Einzelteile. Damit hieße es dann trotz Distanzun- terricht: Hand anlegen. Portable Praxiserfahrung Foto: Mirja Fürst Ein solches Praktikum haben die beiden Ingenieure und Mediziner Prof. Dr. Christian Hanshans und Prof. Dr. Herbert Plischke bereits für die medizinnahen Stu- Prof. Dr. Christian Hanshans zeigt die kleine Platine des EKG-Bausatzes, diengänge Augenoptik und Optometrie, Bioingenieur- die das Original-Laborgerät im Hintergrund ersetzen soll wesen und Mechatronik/Medizintechnik entwickelt. So ließ sich trotz der SARS-CoV-2 Pandemie eine Al- ternative zu den Hörsaal- und Praktikumsversuchen der Fächer Anatomie, Physiologie, Humanbiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie, Medizinischer Bildgebung sowie Medizinischer Messtechnik schaffen. Für einen portablen Versuchsaufbau beschafften Hanshans und Plischke kleine medizinische Messge- räte oder bauten mithilfe von Steckbrettern, einigen Kabeln, Mikrocontrollern und etwas Software große und teure Medizingeräte nach – und steckten diese in einen kleinen schwarzen Koffer. So können die Stu- Foto: BioMedLab dierenden zu Hause beispielsweise eine EKG-Messung an sich selbst durchführen und die Daten auswerten. Dass die Studierenden den Versuch aus einzelnen 3D-Drucker verwandeln die digitalen 3D-Modelle in „echte“ Knochenmo- Komponenten zu einem funktionstüchtigen Gerät zu- delle zum Anfassen sammenbauen sowie zusätzliche kleine Program- mierarbeiten vornehmen müssen, führt zu einem tie- Vorbereitet für die Post-Corona-Zeit feren Verständnis der Funktionsweise von Medizinge- Der Remote-Versuchsaufbau wird der Lehre auch in räten oder Messprinzipien. der Post-Corona-Zeit nützlich sein. „Es gibt immer Für die Datenverarbeitung und Visualisierung hat wieder Fälle, in denen Studierende nicht persönlich ins das Fakultätsteam mit der freien Software R mehrere Labor kommen können“, erklärt Eggers. „Außerdem Programme erstellt. Der Programmcode liegt offen lassen sich die Versuche auch für andere Hochschulen vor, was den Studierenden – zusammen mit eigens er- freischalten, die die Versuchsaufbauten nicht besitzen. stellen Lernvideos für R – den Einstieg in die Program- Eine Liveschalte zu den Versuchen während der Vorle- mierung eigener Datenverarbeitungsskripte bietet. sung ist ebenfalls möglich.“ In Zukunft sollen sich Stu- Neben Versuchen zur medizinischen Messtechnik wie dierende zu jeder Tages- und Nachtzeit über eine EKG, Pulsoxymetrie, Elektromyographie, Nervenleit- Kennwortsicherung für den Versuch einloggen kön- geschwindigkeit oder Lungenfunktionsdiagnostik nen. Derzeit ist dies nur möglich, wenn ein Betreuen- wurden auch biomedizinische Versuche im Koffer aus- der vor Ort ist, da alle Geräte eingeschaltet und Zoom geliefert. Hierzu zählen zum Beispiel die im Rahmen manuell gestartet werden muss. Auch eine kosten- des Themenblocks „Blut“ vermittelten theoretischen günstigere Version der Versuche, die zu den Studie- wie praktischen Grundlagen zur Bestimmung der ei- renden nach Hause geschickt werden kann, ist geplant. genen Blutgruppe oder ein Diabetes-Screening. 8 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
fahren, insbesondere der Schnittbildgebung, vermit- telt. Im zugehörigen Praktikum entstehen aus anony- misierten CT- oder MRT-Rohdaten echter PatientIn- nen mithilfe eines Verfahrens, der sogenannten Segmentierung, dreidimensionale Modelle von Kno- chen oder Organen. Bisher wurden diese am Bild- schirm oder über Virtual Reality in Präsenz betrachtet und besprochen. 3D-Drucker verwandeln die digitalen 3D-Modelle in „echte“ Modelle zum Anfassen. Da ein Kilo Fila- ment, das Material, das für den 3D-Druck benötigt wird, mit einem Preis von 25 Euro nicht kostengünstig ist, werden die Organe und Knochen nicht im Origi- nalmaßstab angefertigt. Jedem Studierenden stehen Foto: Katharina Götz 500 Gramm Filament und 24 Stunden Druckzeit zur Verfügung. Den Druck können die PraktikantInnen mithilfe einer Webcam von zu Hause aus überwachen. Läuft etwas schief, erhalten sie eine Benachrichti- Das studentische Filmteam der Fakultät unterstützt mit der Produktion von gung. Eine spezielle Software für diesen Kontrollvor- Filmen die Online-Lehre gang wurde eigens für das Praktikum aus Open- Source-Softwarekomponenten entwickelt. An der Hygiene und Anleitung Optimierung dieser zentralen Druckerplattform ar- Den Nachteil einer fehlenden persönlichen Betreuung beitet das Team weiterhin. direkt vor Ort gleichen ausführliche Anleitungen, ver- fasst von den Mitarbeitenden der Fakultät, mit Hin- Film ab! tergrundwissen und Hinweisen zur korrekten Aus- Ein wichtiges Lehrmedium während der Corona-Pan- führung aus. Die Ergebnisdarstellung und -interpre- demie sind Filme. Da der Bedarf in diesem Bereich in tation der Daten wird in diesen ebenfalls erläutert. den letzten beiden Semestern immens gestiegen ist, Fotos, Screenshots sowie Videoanleitungen veran- unterstützt eine Gruppe von fünf Studierenden der schaulichen den fachgerechten Einsatz der Geräte Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und und des Zubehörs. Jedem Praktikumsversuch ist ein Mechatronik die ProfessorInnen in Sachen Filmarbeit. spezialisierter Betreuer oder eine Betreuerin zugeteilt, Initiiert hat die Gründung der neuen Filmtruppe Stu- um bei Fragen auch per Videokonferenz zur Verfü- diendekan Prof. Dr. Ulrich Wagner. Filmen benötigt gung zu stehen. vor allem eines: Technik. Deshalb stellten die Studie- Wichtig für die Übergabe der Koffer-Praktika: renden im Vorfeld ein Paket mit Soft- und Hardware Ein Hygienekonzept. Namentlich beschriftete Folien- zusammen, das den Budgetrahmen der Fakultät nicht beutel mit Einweg-Materialien wirken präventiv, das sprengte. Mit der Open Broadcaster Software werden Einweg-Zubehör entsorgen die Studierenden nach PC-Inhalte abgefilmt, geschnitten wird mit Kdenlive, Gebrauch. Messgeräte und Mehrweg-Zubehör wer- beides freie Software-Pakete. den vor der Übergabe desinfiziert, die dafür nötigen Im Durchschnitt produziert das Team fünf bis Utensilien liegen den Koffern bei. zehn Videos pro Monat, diese können Studierende über Moodle abrufen. Neben dem Filmen von Versu- Organmodelle aus dem 3D-Drucker chen oder Vorlesungen bietet das Studierendenteam, Neben den anatomisch-physiologischen oder human- Katharina Götz, Gennadi Saitschenko, Frederik Bed- biologischen Fächern steht im Fach Medizinische rich, Tim Kollmann und Georg Hübner, auch den Bildgebung auch ein Praktikum zur Rekonstruktion Schnitt und technischen Support an, beispielsweise medizinischer Bilddaten auf dem Lehrplan zu einem für Bild-in-Bild-Technik, wodurch die Qualität von der wichtigsten Zukunftsthemen in der Medizintech- Online-Vorlesungen erhöht wird. Denn verglichen nik: 3D-Druck. „Auch ich musste mich in den letzten mit reinen Textinhalten steigern Bewegtbilder mit beiden Semestern neu in das Thema 3D-Druck einar- praktischen Beispielen den Lerneffekt deutlich. „Die beiten – die Lernkurve war steil“, lacht Hanshans. In Professoren, die das Angebot annehmen, sind sehr der Vorlesung werden zunächst die physikalischen froh über die Unterstützung“, sagt das Team. Mirja und mathematischen Grundlagen bildgebender Ver- Fürst Applying Science 1/2021 — Hochschule München 9
Fotos: Textilmacher Die Textilmacher stellen bereits jetzt unter anderem FFP2-Masken in München her. Mit den Ideen aus dem Studierenden-Projekt möchten sie ihr Angebot noch nachhaltiger machen 10 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Studium Masken, die nachhaltig schützen Einige Zeit werden sie wohl noch am Handgelenk baumeln, sich beim Aufsetzen verheddern, einem den letzten Nerv rauben und trotzdem unbezahlbar sein: Masken zum Schutz vor Coronaviren. Wie die Einmalmasken unter ihnen nachhaltig, vor Ort und renta- bel produziert werden können, dazu steckten Studierende des Maschinenbaus gemeinsam mit dem Unternehmen Textilmacher die Köpfe zusammen. Die Latte liegt hoch. Eine FFP2-Maske mit einer Le- Nachhaltige Masken: recherchieren, testen bensdauer von höchstens acht Stunden soll nachhal- und entscheiden tig werden. Und auch für andere Macken der Masken- Sechs Studierendengruppen gingen während des Ent- verwendung wie beschlagene Brillengläser, hinter wicklungsprozesses mit verschiedenen Ansätzen dem Ohr drückende Bänder und dem wackeligen Sitz ganz unterschiedliche Wege. Aus ihrem Studium auf schmalen Gesichtern sollten die Studierenden- waren sie es gewohnt, methodisch vorzugehen, um gruppen bessere Alternativen finden. Auf Initiative kreative Lösungen zu finden. Das brachte sie zu Kons- von Textilmacher, einem Unternehmen, das bereits truktionen, bei denen sie sich von Brillengestellen Masken aus regionalen Rohstoffen in München produ- oder Tauchermasken inspirieren ließen. Sie suchten ziert. Zu hundert Prozent recyclingfähige Atem- nach kompostierbarem Kunststoffmaterial oder kleb- schutz-Masken, die sich mit hohem Automatisie- ten die Maskenschichten mit Wachs aufeinander – rungsgrad herstellen lassen, war die Zielvorgabe für immer auf der Suche nach einem Dreh, mit möglichst die Studierenden des Maschinenbaus von der Fakultät einfachen Mitteln Neues zu produzieren. In Coronazei für Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Flugzeugtech- ten musste der Produkttest oft am eigenen Kopf statt- nik. Denn für die Rentabilität in Deutschland müssen finden. Dass sich Maschinenbaustudierende der Sache die Lohnkosten möglichst gering ausfallen. annahmen, mag auf den ersten Blick verwundern. Applying Science 1/2021 — Hochschule München 11
Studium Masken, die nachhaltig schützen Doch die Entwicklung neuer Produkte ist eine der Haupttätigkeitsgebiete von MaschinenbauerInnen und beginnt nicht erst, wenn es an die Fertigung geht. In der Veranstaltung „Nachhaltige, innovative Pro- duktentwicklung“ können sie sich mit Nachhaltigkeit und ihren vielfältigen Dimensionen auseinanderset- zen. Insgesamt befinden sich sechs Kandidaten im Rennen um nachhaltige Masken. Die Eines-für-alles-Maske mit Wechsel bändern Ein Konzept sieht eine FFP2-Maske mit wiederver- wendbaren Bändern vor. Die Maske besteht rein aus Po- lypropylen (PP) – denn eines für alles ist ein gutes Prin- zip für die Materialwahl nachhaltiger Produkte. Bei den gängigen Masken dagegen sind die Zwischenschichten oft aus anderen Materialien, was das Recycling er- schwert. Reine Polypropylen-Masken sind derzeit nur wenige auf dem Markt, keine hat wiederverwendbare Der Prototyp einer Maske, deren Bänder wiederverwendbar sind. Das spart PP-Bänder. Doch diese Maske hat einen springenden Abfall Punkt: Wie klappt die Verbindung von Bändern und Maske, ohne diese undicht zu machen? Die Studieren- den setzen auf Ösen, durch die längenverstellbare Bän- der mit Endplättchen gezogen werden. Das verhindert das Ausreißen der Bänder. Anstelle der Metallklammer wird innen ein Nasenpolster angebracht. FFP3-Zertifizierung. Die weiche Gummilippe soll ge- Und wie schließt sich der Stoffkreislauf? Für das währleisten, dass die Maske auf jeder Gesichtsform Recycling schlägt die Gruppe einen Dienstleister vor, dicht und sicher sitzt. der die PP-Masken in Sammelbehältern etwa beim Und wie steht es um die Nachhaltigkeit? Die Arbeitgeber abholt, sie sortiert, mahlt und zu Granu- Gruppe rechnet mit einer Tragedauer von einem Jahr, lat verarbeitet: für 100 Prozent Wiederverwertung. der Kunststoff von Maske und Filterhülle ist kratz- Das Ergebnis: Trotz Nachhaltigkeit kaum Kostenstei- und spülmaschinenfest. Flugzeugfenster, ebenfalls gerung in der Herstellung und die Fertigung ändert aus diesem Material, werden einmal im Jahr ausge- sich nur geringfügig. tauscht. Allein die Filter würden laufend gewechselt werden. Fünf Kilogramm Müll ließe sich damit gegen- Die spülmaschinenfeste Transparente mit über gängigen Masken einsparen, berechnet die geringem Atemwiderstand Gruppe. Und mit Spritzgussverfahren lassen sich die Futuristisch mutet ein zweites Maskendesign an: eine Kunststoffteile fix in großer Stückzahl fertigen. Eine Konstruktion wie eine Taucherbrille, nur anders ge- Hochgeschwindigkeitsfaltmaschine für die Filter er- staltet. Eine farbige, weiche Gummilippe umgibt die ledigt den Rest. Was sagt Textilmacher dazu? Ge- feste, transparente Form, damit sie dicht auf der Haut schäftsführer Bernhard Mengele ist begeistert von aufliegt. Die Mimik bleibt also sichtbar. Rechts und der Lösung, aber auch etwas skeptisch: Versperren links des Mundes: zwei Einsätze für auswechselbare nicht Spucketropfen die wiedergewonnene Sicht? Filter. Das Innenleben der Filter schauten die Studie- Eine Antifog-Beschichtung ist die Lösung der Studie- renden Staubsaugerfiltern ab: Die für eine Maske übli- renden. Wie ist die Maske zu konstruieren, damit sie che Filteroberfläche wurde vergrößert, gefaltet und in sich innen wirklich gut reinigen lässt? Die spezielle den Einsätzen untergebracht. Das Tragen wird durch Form verhindert, dass sich Schmutz in den Ecken ab- den geringeren Atemwiderstand angenehmer. Wich- setzen kann und das Gummi lässt sich zur Reinigung tig war der Gruppe die Möglichkeit einer FFP2 oder abziehen. 12 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Die transparente Maske könnte wie andere Produkte auf den Webseiten der Textilmacher mit Farbvarianten sowie mit Logoaufdruck verkauft werden Ergebnisse real werden lassen Den Textilmachern ging es bei der Zusammenarbeit mit den HM-Studierenden um vielfältige Konzepte und Ideen, nicht um die „eine“ Lösung. Das ist auch das Seminarziel des betreuenden Maschinenbau-Pro- fessors, Prof. Dr. Andreas Eursch: „Ich bin begeistert, wie die Studierenden die gelernten Methoden bei der nachhaltigen Produktentwicklung anwenden. Durch die Arbeit mit dem Praxispartner, der sein Know-how und eine direkt Rückmeldung einbringt, sammeln sie wichtige Erfahrungen für später.“ Fotos/Illustrationen: Kilian Blumberg; Thomas Weinhauser Verena Dotter, die mit ihrer Gruppe Wachs als nachhaltiges Klebematerial untersuchte, ist mit dem Lerneffekt sehr zufrieden: „Da wir direkt mit einer Firma zusammenarbeiten, ist die Arbeit im Projekt für mich auch wirklich sinnvoll.“ Unter anderem mit dem neuen Wind der Studierendenideen planen die Textilmacher den Markt der Maskenproduktion wei- terhin zu erobern: „Der schönste Erfolg wäre, wenn Die Mimik des Gegenübers lässt sich bei dieser Maske erkennen, durch die die eine oder andere Maske vielleicht in diesem Jahr Gummilippen sitzt sie dicht am Gesicht produziert würde“, sagt Textilmacher-CMO Maximi- lian Hauck zur Abschlusspräsentation der HM-Stu- dierenden. Christiane Taddigs-Hirsch Applying Science 1/2021 — Hochschule München 13
Studium Professor goes Influencer Foto: Holger Fink Prof. Dr. Holger Fink dreht seine Videos im Homeoffice Unter der Marke Goldfink macht Holger Fink für Tausende von Followern komplexe Wirtschafts- und Finanzthemen verständlich. Roll-up-Screen, Handy, eine App für Schnitttechnik – mehr braucht es nicht für die YouTube-Videos und In- stagram-Beiträge von Holger Fink alias „Professor Goldfink“. Seit 2018 ist er HM-Professor an der Fakul- tät für Informatik und Mathematik mit den Fachge- bieten Finanzökonometrie, Quantitative Finance und Stochastik. Sein Wissen in diesen Bereichen vermit- telt er gerne auch außerhalb des Hörsaals. Kein Grund zur Sorge, der Name Goldfink hat nichts mit dem Schurken Goldfinger aus dem James-Bond-Film zu 14 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
tun. Fink veröffentlicht via YouTube und Instagram Link: aktuelle Beiträge zu Wirtschafts- und Finanzthemen, https://www.goldfink.tv/ gibt Einblicke in den Alltag eines deutschen Hoch- schulprofessors und informiert zum Thema Vermö- gensaufbau für PrivatanlegerInnen. Die Geburtsstunde Die Idee dazu entstand aus einem Witz heraus, berich- tet Fink. Alles begann, als er an seiner früheren Hoch- schule eine Statistik-Vorlesung hielt: „Statistik ist nicht immer das interessanteste Fach. Die Studieren- den spielten nebenbei mit dem Handy oder fotogra- fierten die Folien. Da dachte ich, wenn sie schon Fotos machen, dann können sie mich gleich taggen.“ Richtig los ging es aber erst mit den Social-Media-Kanälen, als er sich mit Schnitttechnik für das digitale Som- mersemester 2020 beschäftigen musste. Dies war die Geburtsstunde seines YouTube-Kanals. Up to date Foto: Holger Fink Eines von Finks Lieblingsthemen: die Makroökono- mie, insbesondere die Geldpolitik und deren Einfluss auf die internationalen Finanzmärkte. Für ihn ist die Geldpolitik der Zentralbanken das, was hauptsächlich In diesem Instagram-Post zeigt Fink die neusten Entwicklungen auf den die Märkte mittel- und langfristig treibt. Das Thema Finanzmärkten sei abstrakt und vielleicht nicht so spannend wie die monatliche Ausschüttung von Dividenden, aber dafür nicht weniger bedeutend für die Finanzwelt und die AnlegerInnen. Zur Frage „Wie entsteht Geld in unserem Wirt- Diesen Input nimmt er auch in den Hörsaal mit. In schaftssystem?“ drehte er bislang zwei Videos – eines einer Simulations-Vorlesung zeigte er Ergebnisse aus davon hat bis dato die meisten Aufrufe auf seinem der Finanzmarktforschung und erklärte seinen Stu- YouTube-Kanal. Seine Themen verknüpft er wö- dierenden anhand von Korrelationen, dass sich Fi- chentlich mit den neuesten Nachrichten in Montag- nanzrenditen eigentlich nicht vorhersehen lassen. Updates auf Instagram. Ein Dauerbrenner auf seinen Sind jedoch tausende simulierte HändlerInnen auf Kanälen ist seit dem letzten Jahr die Corona-Pande- dem Markt, dann wird es allein aus Zufall ein bis zwei mie, denn diese hat einen erheblichen Einfluss auf die scheinbar erfolgreiche Personen darunter geben. „In Märkte. „Innerhalb kurzer Zeit wurde z. B. in den USA meiner Grafik gibt es immer zwei Anleger, die wie ge- Geld im Umfang eines halben Deutschland-BIPs „ge- rade Linien hochgehen. Die beiden verkaufen dann druckt“, um die Wirtschaft zu stützen. So etwas hat- ihre Online-Trading-Kurse bei YouTube, habe ich den ten wir in dem Ausmaß noch nie“, erklärt der Finanz- Studierenden gesagt“, scherzt der Professor. professor. Auf seine Kanäle wird Fink öfters von Studieren- den und KollegInnen angesprochen. Explizit Wer- Finanzinfluenza bung dafür macht er aber nicht, denn die Trennung Dass er mit seinen Videos auch mal auf Kritik stößt, zwischen seiner Nebentätigkeit und seinem Beruf als motiviert Fink eher, sich auszutauschen und aufzu- Professor ist ihm wichtig. Langfristig möchte Fink klären. Besonders weit verbreitet sei der Irrglaube, seine Tätigkeit als „Finanzinfluenza“, wie er humor- dass private Geschäftsbanken ohne die Kontrolle der voll betont, weiter ausbauen: „Mittlerweile kriege ich Zentralbank Geld erschaffen könnten. Gleicherma- massig Input von meinen Followern. Ich habe so viele ßen beschäftigen ihn InfluencerInnen aus der Finanz- Ideen und Impulse bekommen, dass ich diese gar nicht Community, die überteuerte Online-Trading-Kurse so schnell umsetzen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.“ anbieten und astronomische Renditen versprechen. Amanda Shala Applying Science 1/2021 — Hochschule München 15
Illustration: Franziska Häfele 16 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Transfer Ein Wertstoffhof als Ort der Begegnung Der Wertstoffhof einer jeden Kommune hat eine wichtige Funktion, die ihn zum Begegnungszentrum macht. Diese Tatsache entwickelte die Archi- tektin Franziska Häfele weiter und entwarf den „Wertstoffhof der Zukunft“. Ihr Modell würdigte das Bayernwerk mit dem Kulturpreis Bayern. Der „WERT Stoff Hof 4.0“, den Franziska Häfele in Franziska Häfeles Konzept für einen Wertstoff- hof mutet an wie ein hochmodernes Begeg- ihrer Masterarbeit im Studiengang Architektur an der nungszentrum. Die Vision des WERT Stoff Hofs 4.0 macht Nachhaltigkeit erfahrbar, denn es HM entworfen hat, erinnert an ein Kulturzentrum: entsteht ein Ort, der gesellschaftliche Verände- BetrachterInnen sehen sofort: Hier sollen nicht nur rungen aufzeigt und Diskussionen über die im Gegenstand enthaltenen Werte anstößt. Dinge fachgerecht entsorgt sondern positive Impulse angestoßen werden. Die 25-jährige Architektin er- klärt ihr Konzept: „Es geht darum, kreativ zu werden und nachhaltiges Handeln zu praktizieren.“ Applying Science 1/2021 — Hochschule München 17
Transfer Ein Wertstoffhof als Ort der Begegnung „Übergeordnetes Ziel meiner Masterarbeit war es, einen Ort zu definieren, der das Thema Entsorgung und Recycling den Bürgern näherbringt und attraktiv gestaltet. Vor allem der Begriff Upcycling soll eine Rolle spielen.“ Franziska Häfele Foto: privat Die HM-Absolventin Franziska Häfele hat für ihre Masterarbeit letztes Jahr „Für mich ist der Wertstoffhof nicht der dreckige Ort, den Kulturpreis Bayern erhalten als der er immer dargestellt wird“, sagt Häfele. Im the- oretischen Teil ihrer Arbeit beschreibt sie eine Ein- richtung, die zugleich Wertstoffsammelstelle, Bauhof, Gebrauchtwarenkaufhaus und Lernort ist. Den Bür- gerInnen wird dort das Wiederverwerten näherge- bracht, „zum Beispiel mit Bildungsveranstaltungen zum Thema Fahrrad reparieren oder Informationen zum Erwerb von gebrauchten Gegenständen“, so die junge Architektin. Sie betont die Notwendigkeit eines Wertstoffkreislaufs und wie wichtig es ist, die Bürger Innen hierbei einzubeziehen. Initiativen dieser Art gibt es bereits in vielen Städten, beispielsweise das Gebrauchtwarenkaufhaus Halle 2 in München-Pasing. Häfeles Ziel in ihrer Arbeit war es, diese neuen Kon- zepte mit dem klassischen Wertstoffhof zu verbinden. Beispiel Augsburg Für ihren Entwurf wählte die angehende Architektin die Stadt Augsburg, wo sie zunächst eine Ortsanalyse durchführte, um einen geeigneten Platz für ihre Form des Wertstoffhofs zu finden. Das anvisierte Grund- stück befindet sich südlich des Bayerischen Landes- amtes für Umwelt auf dem „Alten Flugplatz“ des Mes- serschmitt-Geländes. Dieser Ort liegt am Stadtrand in 18 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Illustration: Franziska Häfele verkehrsgünstiger Lage. Auch das Design des Gebäu- Nutzungsverteilung – Wertstoffsammelstelle, Bauhof, Gebrauchtwaren- kaufhaus und vieles mehr unter einem Dach des spielte für Häfele eine sehr große Rolle: „Der Wertstoffhof soll nicht nur funktional sein, sondern auch ein attraktiver Ort, an dem Menschen gerne zu- sammenkommen wollen.“ Das Thema Recycling visu- alisiert sie in baulichen Elementen, unter anderem durch eine Fassade aus eingeschmolzenem Altglas. Aus Prinzip nachhaltig Der Name von Häfeles „WERT Stoff Hof 4.0“ leitet sich ab von dem Begriff Industrie 4.0, bei der durch den digitalen Wandel eine vierte industrielle Revolu- „Architektur kann einen wert tion eingeleitet werden soll. Der gesamte Gebäude- vollen Beitrag leisten, um komplex besteht aus möglichst vielen nachhaltigen und wiederverwertbaren Materialien. Häfeles modu- Recycling sichtbar zu machen.“ lares Konzept ermöglicht sowohl die gemeinsame als Franziska Häfele auch separate Nutzung der einzelnen Anlagen. Die Gebäudeteile sind als eigenständige Baukörper auf unterschiedlichen Höhen angeordnet. Die HM-Absolventin hat sich im Nachgang mit mehreren Gemeinden und einer Stadt getroffen, die ihre Arbeit lesen und sehen wollten. Auch das Bayern- werk war beeindruckt von der zukunftsweisenden Masterarbeit und verlieh Häfele den mit 2.000 Euro dotierten Kulturpreis Bayern. Ralf Kastner Applying Science 1/2021 — Hochschule München 19
Studium „Ich arbeite daran, ganzheitliche Lösungen zu finden“ Noch einmal durchstarten: Das Wissen aus ihrem Masterstudium ANP kann Esther Pausch direkt in ihr Berufsfeld einbringen Foto: Johanna Weber Der Pflegenotstand in Was hat Ihnen das Studium piert nach Vorbild der Fortbildungen gebracht? für Ärzte. Das Konsil ist ein Ort für den Deutschland dauert an. Studium und Job unter einen Hut zu Austausch zwischen den in der Psych- Es fehlt an Pflegekräften, bringen, war nicht einfach. Auch wenn iatrie Pflegenden untereinander und aber vor allem an der der Aufwand für das Studium enorm Medizinern. Es verbessert die Versor- Umsetzung neuer Kon- hoch war, bin ich begeistert. Ich habe gung psychiatrischer Patienten auf extrem viel gelernt und vieles vertie- den vielen anderen Stationen des zepte. Esther Pausch, seit fen können. Vor allem die Verknüp- Hauses. über 35 Jahren Kranken- fung von Wissenschaft und Praxis war pflegerin und heute Pfle- für mich spannend und wichtig für die Wie ist Ihre Meinung zur Akademi- gedienstleitung am Klini- tägliche Arbeit. sierung der Pflege? Meine fachlichen Stärken und das kum rechts der Isar in Lassen sich im derzeitigen Gesund- wissenschaftliche Fundament aus München, motivierte das heitssystem die neu gewonnenen meinem ANP-Studium bringen mich zu einem Studium. Neben Erkenntnisse in die Tat umsetzen? in meinen Gesprächen auf Augenhöhe ihrem Vollzeitjob absol- Obwohl sich in der Pflege alles auch mit den Ärzten. Viele dieser Ärzte wa- immer um den Kosten-Nutzen-Faktor ren über die Jahre bereits bei mir im vierte sie nach ihrem dreht, arbeite ich täglich daran, ganz- „Pflegepraktikum“, um selbst Einblick Bachelor den Masterstu- heitliche Lösungen zu finden, bei de in die Pflege zu erhalten. Die Akade- diengang Advanced Nur- nen die Patienten im Fokus stehen. misierung der Pflege ist ein dringend sing Practice (ANP) an der Während sich die Medizin rasant wei- notwendiger Schritt. Denn Empathie terentwickelt hat, ist die Pflege meiner ist für den Job wichtig, aber man Hochschule München. Meinung nach unterwegs stehen ge- muss auch in Prozessen denken kön- Heute ist sie auch Lehrbe- blieben. Das möchte ich ändern. Es nen. Für die Pflege reicht es nicht, nur auftragte an der HM und müssen dringend Lösungen gefunden nett zu sein. erzählt, warum es sich vor werden, wie man den Anforderungen in Zukunft gerecht wird. allem in Zeiten der Akade misierung der Pflege loh- Welche Änderungen konnten Sie nen kann, trotz erfolgrei- konkret in Ihren Arbeitsalltag ein- cher Karriere noch einmal bringen? Gemeinsam mit Kollegen konnte ich zu studieren. am Klinikum rechts der Isar inzwi- schen eine Fortbildung für alle Pfle- Das Interview führte genden im psychiatrischen Bereich Christiane Taddigs-Hirsch einführen. Ein Pflegekonsil – konzi- 20 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Forschung „Unsere Gletscher funkeln wie Diamanten“ Keiner hat die bayerischen Gletscher so gründlich erforscht wie Professor Wilfried Hagg. Schon während des Studiums entdeckte er seine Leidenschaft für Gletscher, seine Dissertation schrieb er 2003 über die Eisströme Zentralasiens. Da es sehr aufwendig ist, zu Asiens Gletschern zu reisen, hat er sich für seine nächsten Forschungspro jekte etwas Näheres ausgesucht: die Gletscher Bayerns. Foto: Matthias Siebers Messung der Oberflächenreflexion auf dem Muskulak-Gletscher im tadschikischen Pamir-Gebirge Applying Science 1/2021 — Hochschule München 21
Forschung „Unsere Gletscher funkeln wie Diamanten“ Wie entstehen eigentlich Gletscher? Drei Faktoren sind ausschlaggebend: Wasser, Kälte und Zeit. Im Winter fällt Schnee und bleibt auf dem Boden liegen. Wenn die Sommersonne den Schnee nicht wieder vollstän dig auftaut, dann kommt im nächsten Winter eine neue Schicht dazu. Durch den Druck entweicht die Luft und die Schneekristalle werden zu körnigem Gletschereis kompri miert. Wenn sich das Phänomen über viele Jahre wiederholt, dann wird die Masse größer, der Druck erhöht sich und das Eis beginnt zu deformieren und fließt wie zäher Honig in Richtung Tal. Was wird an Gletschern untersucht und mit welchen Mitteln? Es gibt eine Vielzahl von Forschungsfragen und dement sprechend ein ganzes Bündel an Techniken, die sich grob in Feldmethoden, Labormethoden, Fernerkundung und Mo dellierung untergliedern lassen. Allein für die Quantifizie rung von Massenänderungen gibt es unterschiedliche Her angehensweisen, vom traditionellen Graben von Schnee- schächten bis hin zur Satellitengravimetrie. Sehr häufig Foto: Johanna Weber benötigt werden Höhendaten der Gletscheroberfläche, die z. B. mit klassischen Vermessungsmethoden, Photogram metrie, GPS-Tracking oder Laserscanning erhoben werden können. Je nach Gletschergröße, Zugänglichkeit oder Ge nauigkeitsanforderungen sind die einzelnen Verfahren un Prof. Dr. Wilfried Hagg unterrichtet an der Fakultät für Geoinformation, terschiedlich gut geeignet. Auch Computersimulationen Studiengang „Kartographie und Geomedientechnik“ sind wichtige Werkzeuge in der Glaziologie. Ein Rest Feld arbeit wird aber immer notwendig sein, und sei es nur zur Validierung der anderen Ergebnisse. Aber das ist durchaus erwünscht und bereichert den Beruf natürlich sehr. „Gletscher sind nicht nur plaka tive Symbole des Klimawandels, ihr Verschwinden hat Konse quenzen für die Wasserversor gung vieler Menschen.“ Wilfried Hagg Was machen wir mit den Erkenntnissen, die wir über den Rückgang der Gletscher gewinnen? Gletscher sind wichtige Klimaindikatoren und Wasserspei cher. Sie helfen uns zum einen, den Klimawandel auch in Höhenlagen oder Regionen, in denen es keine Messungen gibt, zu belegen und zu beobachten. Außerdem verteilen sie die hohen Niederschlagsmengen, die in Hochgebirgen 22 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
fallen, zeitlich auf verschiedenen Skalen um. Weil sie gerade in trocken-heißen Perioden stark schmelzen, sorgen sie für einen ausgeglichenen Flusspegel und in manchen Regio nen für eine Sicherheit in der Wasserversorgung. Auf globa lem Maßstab ist der Rückgang vor allem der beiden Inland eise in der Antarktis und in Grönland von höchstem Inter- esse in Bezug auf den Meeresspiegelanstieg. Wie steht es um die Gletscher in Bayern und wie werden die Veränderungen die Umwelt beeinflussen? Im noch unveröffentlichten Gletscherbericht, den ich mit Kollegen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften für die Staatsregierung vorbereite, kommen wir zu einem sehr ernüchternden Urteil: Sie schrumpfen rapide. Von den Glet schern, die vor 20.000 Jahren die Landschaft großer Teile Oberbayerns geformt haben, gibt es nur noch drei Reste an der Zugspitze und zwei in den Berchtesgadener Alpen. Alle zusammen bedecken ungefähr die Fläche der Münchner Theresienwiese. Noch in diesem Jahrhundert werden die Gletscher in den niedrigeren Höhenbereichen der Alpen Geschichte sein. Foto: Ludwig Braun Berührt es Sie persönlich, dass die bayerischen Gletscher schmelzen? Unsere Gletscher sind wunderschön, sie sind nicht nur Kronzeugen des Klimawandels, sondern auch die Kronju Schneeschacht zur Messung der winterlichen Akkumulation auf dem welen unserer Hochgebirge. Hinterlassen werden sie graue Vernagtferner, Tirol Schuttlandschaften. Das macht mich schon nachdenklich, auch wenn das Verschwinden der Gletscher bei uns im Ge gensatz zu anderen Weltregionen keine dramatischen Fol gen haben wird. Die Alpengletscher sind für den Wasser kreislauf nicht so essenziell, weil im Sommer bei uns relativ viel Regen fällt. In den trockenen Vorländern des Tien Schan oder Pamir Gebirges in Asien ist Bewässerungslandwirt schaft nur mit der jahreszeitlichen Umverteilung des Was sers durch die Gletscher möglich. Wenn diese ausbleibt, sind die winterlichen Niederschläge nach der Schnee schmelze abgeflossen und das Wasser fehlt während der Hauptvegetationsperiode. Foto: David Kriegel Aktuell sind Sie in Forschungsarbeiten in Island einge- bunden, worum geht es da? In Kooperation mit der LMU und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erforsche ich im Rahmen des IsViews- Radarmessung zur Bestimmung der Eisdicke im Ak-Schyirak Massiv, Projekts dort die Geschwindigkeit des Gletscherschwunds kirgisischer Tienschan anhand der Satellitenbeobachtung von Aschebändern. Ziel ist es hier, lokale Massenveränderungen mit Fernerkun dungsmethoden abzuschätzen. Dadurch können zeit- und kostenintensive Geländekampagnen reduziert werden, was das Arbeiten in entlegenen Regionen natürlich auch nach haltiger und umweltverträglicher macht. Das Interview führte Ralf Kastner Applying Science 1/2021 — Hochschule München 23
Forschung Beraten beim Einfädeln in die Berufswelt Junge Geflüchtete brauchen eine berufliche Perspektive für ihr Leben in Deutschland. Auf ihrem Weg dorthin unterstützen sie vielfältige Beratungsangebote. Welche Herausforderungen sich den Beraten den in den unterschiedlichen Institutionen stellen, erforschte Profes sorin Nicole Pötter im Kooperationsprojekt BebjG. Foto: Panthermedia Beruflich Fuß fassen und vorankommen: Beratung Endlich in Deutschland, erst einmal zur Ruhe kom- und Unterstützung erfahren junge Geflüchtete durch eine Vielzahl an Institutionen in München men. Auf junge Geflüchtete, wie sie im Sommer der Migration 2015 nach Deutschland kamen, warten viele Herausforderungen: Deutsch lernen, in einem völlig fremden Land ankommen und beruflich Fuß fassen gehören dazu. Integrationsprogramme unter- stützen dabei bundesweit, die Beratungen zum Be- Link: rufseinstieg der Geflüchteten zwischen 16 und 27 Jah- Abschlussbericht 3.4.305 ren aber findet in den Kommunen statt. Im Vergleich https://www.bibb.de/ von München, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und Rostock begaben sich Prof. Dr. Nicole Pötter und ihre Koopera- tionspartner vom Bundesinstitut für Berufsbildung und der Universität Rostock über Interviews mit rund vierzig BeraterInnen und Führungskräften auf die Spur der unterschiedlichen Beratungsangebote. 24 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Wie tragen sie zur Orientierung bei der Berufswahl der Geflüchteten bei? Foto: Lena Schmidbauer Eine Vielfalt an Beratungsangeboten, widersprechende Ziele Insgesamt zeigen die drei Kommunen eine riesige Zahl an Angeboten, vor allem in München. Hauptanbieter sind Jobcenter, Kammern und Jugendmigrationsdiens- te. Gemeinsam ist den Beratenden das Ziel, die jungen Menschen zu einer realistischen Berufsperspektive zu „Das Bildungssystem in Deutschland begleiten. Doch die Institutionen treten mit jeweils ist noch sehr versäult und am ‚Nor ganz unterschiedlichen Beratungszielen an die jungen mallebenslauf‘ orientiert, der auch Geflüchteten heran: Das Jobcenter will sie fit machen in der Beratung noch favorisiert wird für ein Leben ohne staatliche Unterstützung mit dem und Quereinsteigen oft unmöglich Zielpunkt Lehrstelle. Die BeraterInnen sind in der Rolle macht.“ von „InstructorInnen“. Den Kammern wiederum geht Prof. Dr. Nicole Pötter es darum, sie als künftige Fachkräfte für Betriebe zu ge- winnen. Sie gehen auf diese als „RecruiterInnen“ zu. Jugendmigrationsdienste schließlich haben ne- ben der Berufs- auch die Lebenswelt der Geflüchteten und beschäftigungsorientierte Integration beim Sozi- im Blick und verstehen sich eher als „Personal Coa- alreferat der Landeshauptstadt München. Sie koordi- ches“. Wie die Beratenden auf die Jugendlichen zu- niert für München Bildungsangebote für diese Ziel- kommen, macht für sie einen Unterschied. Unter an- gruppe: „Wenn ich einen Jugendlichen in ein Angebot derem in diesen BeraterInnenrollen unterscheiden vermittle und er abbricht, dann fällt er, wenn es schief- sich auch die drei sogenannten „Gestaltungstypen läuft, aus dem Raster, weil keiner davon erfährt.“ Pöt- von Beratung“, die das Forschungsteam im Vergleich ter empfiehlt dafür künftig mehr verknüpfende Struk- der Institutionen herauskristallisierte. turen einzurichten und Lotsen einzusetzen, eine Funktion, die heute vor allem Ehrenamtliche für die Ein Leben im Zeitraffer voller Anforderungen Geflüchteten wahrnehmen. Auch wenn die Anbieter ihre Angebote laufend an die Das Forschungsprojekt „Chancen des Zugangs Bedürfnisse der Geflüchteten anpassen – die Berufso- zur beruflichen Bildung für bleibeberechtigte junge rientierung als vordringliches Thema passt oft nicht Geflüchtete“ (BebjG) führten Prof. Dr. Nicole Pötter in deren aktuelle Lebenswirklichkeit. Denn die jungen von der HM mit Dr. Bernhard Hilkert vom Bundesins- Menschen führen ein Leben wie im Zeitraffer: „Einige titut für Berufsbildung in Bonn und Prof. Dr. Andreas Berater nehmen Geflüchtete als Getriebene wahr – Diettrich von der Universität Rostock durch, geför- durch finanzielle Erwartungen der Herkunftsfamilie, dert durch das Bundesinstitut für Berufsbildung in Erwartungen an Sozialprestige und Anforderungen Bonn. Christiane Taddigs-Hirsch des deutschen Arbeitsmarkts“, sagt Pötter. Die Fluchterfahrungen im Gepäck und hin- und hergerissen zwischen den Anforderungen, fällt es manchen Jugendlichen nicht leicht, sich auf langfris- tige Berufsperspektiven einzulassen. Die Lebens- wirklichkeiten der jungen Geflüchteten unterschei- den sich stark voneinander – etwa ob sie allein, mit der Foto: Johanna Weber Herkunftsfamilie oder mit kleinen Kindern kamen. Obwohl die Träger versuchen, ihre Angebote darauf auszurichten, gibt es Lücken, beispielsweise bei Müt- tern mit Kindern, die noch keine Kita besuchen. Lotsen, damit niemand verloren geht „In München hat sich viel verändert. Neben der Passung der Angebote ist deren riesige Pa- Es herrscht das Credo, keiner soll ver lette für Pötter eine weitere Herausforderung: „Die loren gehen. Denn da geht es oft um Vielfalt ist zu begrüßen, weil sich auch die Lebensla- wertvolle Zeit in den Bildungsbio gen der Jugendlichen stark voneinander unterschei- graphien junger Menschen.“ den, aber sie führt auch zu Abstimmungsproblemen.“ Maria Prem Das weiß auch Maria Prem, tätig im Bereich Bildungs- Applying Science 1/2021 — Hochschule München 25
Transfer Teilen für mehr Nachhaltigkeit Foto: Johannes Lesser 26 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Landmaschinen, Nachhaltigkeit und vier junge Frauen – wie passt das zusammen? Sehr gut, wie das Projekt „Green Machine Sharing“ beweist. Landmaschinen sind in der Anschaffung teuer und nicht alle Maschinen werden täglich bei der Landar- beit benötigt. Für die Weinernte beispielsweise kom- men bestimmte Maschinen nur einmal im Jahr zum Einsatz. Deshalb teilen sich LandwirtInnen regelmä- ßig Traktoren und andere Landmaschinen. Diese Sha- ring-Idee ist nicht neu, es gibt sie schon seit den 50er- Jahren. Neu ist aber die Idee der HM-Studentinnen Elena Laufs, Anna-Sophie Peters, Wiebke Dörr und Annabel Egert, den Verleihprozess der Maschinen komplett zu digitalisieren. Bisher organisieren überwiegend Maschinen- ringe, von denen es bundesweit 260 gibt, den Verleih. Der Leihvorgang ist mit vielen manuellen Schritten verbunden, dabei machen die Kommunikationska- näle Telefon und E-Mail den Prozess umständlich und zeitaufwendig. Das Konzept der Masterabsolventin- nen der Studienrichtung Applied Business Innovation zeigt, wie die Organisation des Verleihs über eine In- ternet of Things (IoT)-Plattform besser funktionieren kann. In Kontakt treten MieterInnen und Vermiete- rInnen miteinander über eine App. CO₂-Emissionen reduzieren Aber wie kamen die Studentinnen auf die Idee für ihre Projektarbeit, die von Prof. Dr. Holger Günzel an der Fakultät für Betriebswirtschaft betreut wurde? „Elena hatte die Idee. Sie ist auf dem Land aufgewachsen“, er- klärt Annabel Egert. „Sie kennt deshalb zahlreiche Landwirte und weiß, welche Themen sie beschäftigen.“ Dem Team war bei der Entwicklung des „Green Ma- chine Sharing“ Konzepts vor allem wichtig, dass nicht nur der Verleihvorgang optimiert, sondern auch der Kohlendioxidausstoß reduziert wird. Denn die Land- wirtschaft trägt dazu in Deutschland maßgeblich bei: Im Jahr 2018 war laut dem Umweltbundesamt die deut- sche Landwirtschaft insgesamt für 63,6 Millionen Ton- nen Kohlendioxid verantwortlich. Das sind 7,4 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen des Jahres. Applying Science 1/2021 — Hochschule München 27
Transfer Teilen für mehr Nachhaltigkeit Noch stellen die heutigen elektronischen Traktoren- batterien für die tägliche Feldarbeit nicht genügend Energie zur Verfügung, doch in den nächsten fünf Jah- ren sollen leistungsstarke Maschinen auf den Markt kommen, wie das Team in Gesprächen mit Herstellern erfuhr. „Das langfristige Ziel ist deswegen vor allem das Teilen von E-Maschinen“, so Egert. In einer aus- führlichen Recherche prüfte das Team die Praxisnähe des Konzepts und befragte dazu drei LandwirtInnen und sechs Mitarbeitende verschiedener Maschinen- ringe. Die Gespräche machten deutlich: Das Thema Digitalisierung ist generell betrachtet in der Land- Foto: Hochschule München wirtschaft noch nicht präsent. „Es ist noch viel Luft nach oben“, so das Fazit der Studentinnen. Aber die Landwirte, vor allem die jüngeren, ste- hen digitalen Lösungen offen gegenüber. „Die Nach- wuchsbauern nutzen beispielsweise oft Melkroboter Elena Laufs, Anna-Sophie Peters, Wiebke Dörr und Annabel Egert und unterstützen damit ihre Eltern“, sagt Egert. „Der stellten ihr Green-Machine-Sharing-Konzept beim 5. Digi-Slam vor älteren Generation fehlt dagegen meist die Bereit- schaft, sich auf digitale Produkte einzulassen.“ Sehr interessiert sind die LandwirtInnen auch an der Pro- duktion von Strom auf dem eigenen Hof, beispiels- weise über Solarpanels auf dem Dach. So könnten sie E-Traktoren kostensparend mit dem eigenen Strom laden. Digitalisierte Kommunikation Ein appbasiertes Verleihsystem sehen die Landwirtin- nen und Landwirte, die alle Mitglied im Maschinen- ring sind, grundsätzlich positiv: Das Mieten und Ver- mieten ihrer Maschinen auf diesem Wege könnten sie sich gut vorstellen. Der App-Entwurf der Studentin- nen, der derzeit ein Klick-Dummie mit verschiedenen Screen-Oberflächen ist, sieht vor, dass in ihr die Kon- taktdaten sowie alle wichtigen Informationen zur Ma- schinenflotte hinterlegt werden. Vermietende kön- nen Angaben wie den verfügbaren Mietzeitraum, den Preis und den aktuellen Standort der Maschine kurz- fristig über die App per Smartphone oder PC eingeben. Darüber hinaus bietet das System Vorteile für den ver- stärkten Einsatz von Traktoren mit umweltfreundli- chen Antrieben wie über Strom oder Wasserstoff: Dafür lassen sich wichtige Daten wie Ladezustand oder verfügbare Ladestationen im Umkreis übermit- teln. Betriebe, die eine bestimmte Maschine suchen, können das verfügbare Angebot rund um die Uhr über eine Suchfunktion in der App abrufen. Für das Sharing-Konzept und die Einbettung in das IoT-System müssten die Maschinen mit Sim- Karte, Sensoren für die Daten- und GPS für die Stand- ortübertragung ausgestattet sein, so wie es bei gängi- gen Car-Sharing-Diensten bereits der Fall ist. 28 Applying Science 1/2021 — Hochschule München
Weiterentwickeln Die Verleih-App des Teams basiert auf einem Open- Source-Ansatz, die Daten stehen auf der c.lab-Web- seite der Hochschule München als Download für alle zur Verfügung. So können EntwicklerInnen das Kon- zept zukünftig weiter ausbauen. Das Entwicklungs team möchte das Konzept nicht als eigene Geschäfts- idee weiterverfolgen. Es sieht seinen Ansatz vielmehr als eine einheitliche, optimierte Basis für diejenigen Einrichtungen, die den Maschinenverleih bereits heute organisieren. Mirja Fürst Weitere Informationen https://www.ll4dt.org/archive/541 https://www.ll4dt.org/wp-content/uploads/ 2020/08/MUAS_Projektarbeit_Teilen_2020.pdf Fotos: Green Machine Sharing Oben rechts: Der Startbildschirm des Klick- Dummies der App Unten links: Die Landkarte zeigt die Stand- orte aller verfügbaren E-Maschinen sowie der Ladestationen an Unten rechts: In der App können alle Daten zu der Landmaschine eingetragen werden Applying Science 1/2021 — Hochschule München 29
Transfer Faszination Weltall Vier Studierende testeten 3D-Druckverfahren in der Schwerelosigkeit eines Parabelflugs für die Raumfahrt- technik. Das Team der Hochschule München forschte im Rahmen des FlyYourThesis!-Programms der Euro- päischen Weltraumorganisation (ESA). Hergestellt werden sollen mit der Technik zum Beispiel Struktur- teile für Solarpaneele oder Antennen für Satelliten. Michael Kringer, Projektleiter des HM-Teams, hatte Die Frage, ob er gern auch mal höher und länger hin- sich die Schwerelosigkeit schlimmer vorgestellt: „Es auswolle, bejaht Michael Kringer vehement: „Sehr ist ein sehr seltsames Gefühl zu schweben, aber kei- gerne, jeder von uns im Team. Wir sind Raumfahrten- nem von uns ist schlecht geworden dabei. Dafür sorgt thusiasten. Die Schwerelosigkeit über einen längeren schon eine Spritze, die man vor jedem Flug bekommt.“ Zeitraum zu erleben und dabei zu lernen, seine Bewe- Nach einem Belastungs-EKG, regelmäßigen Corona- gungen richtig zu koordinieren, muss ein faszinieren- tests und der beschriebenen Spritze startete das des Erlebnis sein.“ Abenteuer mit dem ersten Parabelflug im letzten No- vember bei Paris mit dem Airbus A310 Air Zero-g von Novespace. Komponenten für die Raumfahrt werden heute auf der Erde entwickelt, getestet und produziert. Trä- „Mit dem Projekt AIMIS-FYT gerraketen transportieren diese ins All. Die Kosten haben wir die Möglichkeit, die dafür sind immens und die Komponenten sind wäh- rend des Starts erheblichen Belastungen ausgesetzt. Zukunft der Raumfahrt aktiv Ein studentisches Team der HM forscht im Rahmen mitzugestalten.“ des FlyYourThesis!-Programms der ESA an einer Al- Michael Kringer ternative, bei der sich mithilfe von 3D-Druck Kompo- nenten wie Antennen und ähnliches im Weltall produ- Foto: ESA zieren lassen. Bei mehreren Parabelflügen testeten sie ihr Verfahren in Schwerelosigkeit. Applying Science 1/2021 — Hochschule München 31
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