Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause

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Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Neue Galerie Graz

Artothek Steiermark 2019
Kunst aus dem Museum
für zu Hause
08. 11. – 01. 12. 2019

Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum
Joanneumsviertel, 8010 Graz
T +43–316/8017-9100, Dienstag–Sonntag, 10–17 Uhr
joanneumsviertel@museum-joanneum.at, www.neuegaleriegraz.at
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Sehr geehrte Damen und Herren!

Seit 2016 richtet die Neue Galerie Graz nunmehr jeweils im Herbst eine
Artothek ein. Einige Wochen lang präsentiert sie auch in diesem Jahr eine
Ausstellung mit einer Auswahl von Kunstwerken aus dem Museumsbestand,
die das Publikum anschließend für zehn Monate gegen eine geringe Leihgebühr
entlehnen kann. So wird interessierten Menschen die Möglichkeit geboten,
sich über einen längeren Zeitraum hinweg mit qualitativ hochstehender Kunst
auseinanderzusetzen, die sonst nur im Museum zu erleben ist. Originalwerke
temporär im privaten Umfeld zu beherbergen, gibt allen Interessierten die
Gelegenheit zu intensiver Begegnung mit der bildenden Kunst.
Darüber hinaus ist die Artothek auch ein Beitrag zu einem meiner großen
kulturpolitischen Anliegen: die Verbindung zwischen den Steirerinnen und
Steirern und den Kulturinstitutionen unseres Landes weiter zu stärken und
zu intensivieren. In der Hoffnung, dass Sie dieser tägliche Umgang mit Kunst
im eigenen unmittelbaren Umfeld auch neugierig machen wird, weitere
Ausstellungen im Museum zu besuchen, lade ich Sie herzlich ein, dieses
Angebot anzunehmen und sich Ihr Kunstwerk auf Zeit mit nach Hause zu
nehmen.

Christopher Drexler
Landesrat für Kultur, Gesundheit, Pflege und Personal
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Artothek Steiermark – Kunst aus dem Museum für zu Hause                             Möglichkeit auch weiterentwickelt werden. Dazu braucht es Urteilsvermögen,
                                                                                    Qualitätsbewusstsein und vor allem Offenheit nicht nur in Bezug auf
Nun ist die alljährliche Präsentation von Kunstwerken, die für ein interessiertes   künstlerische Formulierungen. Das Museum als Institution, die sich genau
Publikum zur privaten Entlehnung bereitgestellt werden, fast schon zur              mit diesen Fragen befasst, kann hier impulsgebend und als Korrektiv wirken.
Tradition geworden. Erneut wurden aus der Sammlung der Neuen Galerie                Verunsicherte Kunstkonsumentinnen und -konsumenten, Kunstbetrachter/
Graz am Universalmuseum Joanneum Gemälde und Skulpturen ausgewählt,                 innen und Kunstliebhaber/innen werden solcherart unterstützt. Mit der Artothek
mit denen man sich im Rahmen der Artothek Steiermark zehn Monate lang               Steiermark soll auch die Problematik vermindert werden, dass Kunst stets mit
zu Hause intensiv beschäftigen kann. Die Zusammenstellung der Werke folgt           einer monetären Besserstellung zu tun haben muss. Die Kunst wie das Museum
dabei einerseits der Struktur der Museumssammlung, andererseits will man            werden hier zu etwas sehr Niederschwelligem. Trotzdem bleibt die Möglichkeit
den Interessierten eine möglichst große Bandbreite an internationalen und           der geistigen Auseinandersetzung gleichermaßen bestehen, so wie die Dimension
heimischen, an älteren und jüngeren, an prominenten und (noch) unbekannteren        des visuellen Genießens eine neue Qualität erfährt.
Künstlerinnen und Künstlern bieten.                                                 In Zeiten der allgemeinen visuellen Flut ist eine derartige Aktivität des Museums
Auch die künstlerischen Richtungen sind historisch wie inhaltlich breit gestreut:   durchaus als Taktik der Verlangsamung, der Entschleunigung zu begreifen. Nicht
Die expressive, gegenständliche Gestaltung ist etwa durch die Gemälde von           Beginn- oder Öffnungszeiten bzw. aufzusuchende Orte sind bestimmend für den
Richard Larsen oder Werner Augustiner vertreten, während die Bilder von Walter      Kunstgenuss, sondern der eigene Wohnbereich wird gleichsam zum Museum und
Eckert, Friedrich Ehrbar, Bernhard Eisendle und Gerhard Lojen unterschiedliche      bietet auch im gesellschaftlichen Zusammenhang eine reizvolle Perspektive.
Aspekte der Abstraktion bringen. Beide Strömungen wiederum stehen in starkem        Der soziale Austausch im eigenen Haus wird so zu etwas Besonderem, vielleicht
Kontrast zu den rational-konstruktiven Objekten von Walter Kaitna oder Ugo La       fällt auch das eine oder andere Mal ein Satz zur Kunst ganz allgemein oder zum
Pietra. Der „Neuen Malerei“, die sich in der Sammlung der Neuen Galerie Graz mit    geliehenen Kunstwerk im Speziellen. Einen derartigen Demokratisierungsprozess
umfangreichen Beständen qualitativ hochwertig repräsentiert findet, sind die        einzuleiten, ist für das Museum auch deswegen wünschenswert, weil es dadurch
Bilder von Gunter Damisch, Johannes Deutsch, Angela Flois und Alfred Klinkan        näher an sein Publikum herankommt und ihm die Bedürfnisse, Wünsche und
zuzurechnen. Das Bild von ABLEO hingegen, die Fotodrucke von Bazon Brock            Ansichten seiner Besucher/innen nähergebracht werden. Formen der Kunst
oder die Bildserie von Helga Knöbl könnte man bei aller Unterschiedlichkeit unter   im öffentlichen Raum – auch im medialen Raum – leisten Ähnliches, aber auf
dem Überbegriff einer konzeptionellen Kunst erfassen. Überlegungen zu Bild,         völlig unterschiedliche Art und Weise. Die Artothek konfrontiert nicht mit dem
Objekt und Skulptur finden sich in den Arbeiten von Róza El-Hassan, Dominique       einen und ausschließlichen Kunstwerk, sondern erweitert die Partizipation um
Figarella, Stefan Glettler und Heribert Michl umgesetzt.                            den Bereich der subjektiven Selektion. Die Möglichkeiten für die Connaiseuse,
Die Idee von Artotheken ist nicht neu. Seit dem 19. Jahrhundert wurden              den Connaisseur sind in der Artothek der Neuen Galerie Graz ebenfalls in
sie, zunächst meist im Verbund mit Bibliotheken oder Buchhandlungen,                hohem Maße gegeben, sind doch sehr qualitätsvolle und prominente Werke zur
mit der Intention eingerichtet, die Bildung zu befördern. Die repräsentative        Auswahl gestellt. Bereits getätigte eigene Sammelaktivitäten lassen sich so
Ausstattung von Privaträumen stand dabei durchaus im Hintergrund. Vielmehr          auch temporär ergänzen bzw. um wesentliche Aspekte erweitern. Die Anregung
sollten die Artotheken zu einem intensiven Verständnis für Kunst bei einem          zu geben, sich eines Tages selber ein derartiges Kunstwerk zu kaufen, sollte die
breiten Publikum beitragen und dieses fördern. Heute bieten Museen,                 Artothek auch zu leisten imstande sein. Das Museum hat es sich grundsätzlich
Galerien, Offspaces, Auktionshäuser und diverse andere Präsentationsorte            zur Aufgabe gemacht, seinem Publikum die Welt zu zeigen. Die Welt durch die
wie Wirtschaftsunternehmen, Kanzleien oder gastronomisch-touristische               Kunst zu zeigen, mag andere Sichtweisen auf die Realität ermöglichen, ja sogar
Betriebe (von Hotels bis zu Thermalbädern) eine nahezu überreiche                   fördern. Die Artothek ermöglicht es allen Interessierten, das Museum nicht nur
Palette an Möglichkeiten sowohl zur Präsentation als auch zur Rezeption             geistig bereichert, mit Erkenntnissen gut ausgestattet, sondern auch mit dem
unterschiedlicher Formulierungen von Kunst bzw. Nichtkunst. Grundsätzlich           Kunstwerk unter dem Arm zu verlassen.
soll der kreative Anteil einer bzw. eines jeden von uns gefördert und nach                                        Gudrun Danzer, Günther Holler-Schuster, Peter Peer
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
ABLEO (Carmine Limatola)                                                      Die Anfänge des süditalienischen Künstlers, der in seiner Heimatstadt Salerno
                                                                              auch als Ausstellungskurator und Kulturpublizist hervorgetreten ist, liegen im
                                                                              Umfeld der Arte Povera (dieser Begriff, der „arme Kunst“ bedeutet, wurde 1967
Plein Air, 1980
                                                                              von dem italienischen Kunstkritiker und Kurator Germano Celant für eine Kunst
Öl auf Jute
                                                                              aus „armen“, also sozusagen gewöhnlichen Materialien geprägt) und seines
50 × 50 cm
                                                                              Künstlerkollegen Michelangelo Pistoletto. Das Werk von ABLEO kann man der
Inv.-Nr. I/1928
                                                                              nachkonzeptuellen Malerei zurechnen.
                                                                              Die hier präsentierte Arbeit Plein Air ist 1980 während der von der Neuen
                                                                              Galerie Graz veranstalteten XV. Internationalen Malerwochen in der Steiermark
                                                                              entstanden. ABLEO kombiniert darin Elemente der Malerei (das Bildgeviert
                                                                              mit Rahmen, das Material und die Technik – Ölfarbe auf Jute) mit solchen der
                                                                              visuellen Poesie (die Buchstaben und der sprachliche Begriff). Mit beiden nimmt
                                                                              er auf die Tradition der Malerei, hier speziell der Landschaftsmalerei, Bezug,
                                                                              ohne uns aber eine bestimmte oder auch eine idealisierte Landschaft vor Augen
                                                                              zu führen. Das französische „en plein air“ bedeutet „im Freien“ und steht in
                                                                              der Kunstgeschichte für den Beginn der realistischen bzw. der direkt vor Ort
                                                                              geschaffenen Landschaftsmalerei. Der Begriff ist eng mit der Malerkolonie im
                                                                              französischen Barbizon bei Paris verbunden, wo diese Form der Malerei in den
                                                                              1830er-Jahren erfunden wurde. Die sogenannte „Schule von Barbizon“ gilt als
                                                                              Vorläufer und Ursprung des Impressionismus. ABLEO wendet sich mit seinem
                                                                              Gemälde an die Fantasie und Vorstellungskraft seines Publikums: Mit dem Blau
                                                                              des Himmels und dem Schriftzug „PLEIN AIR“ lässt er uns an jede mögliche
                                                                              Landschaft denken und an jedes mögliche Gemälde, das im Freien nach der
                                                                              Natur entstanden ist oder entstehen könnte. (GD)

1944 geboren in Salerno, Italien
Studium am Istituto Statale d’Arte di Salerno
1969 Luci astratte, Libreria Einaudi, Salerno (solo)
1971 Pesi simulati, Galleria 2000, Bologna (solo)
1980 Riquadro, Galerie Insam, Wien (solo)
1980 XV. Internationale Malerwochen, Neue Galerie Graz
1991 Transitions, Christopher John Gallery, Santa Monica, California (solo)
2008 Viaggio in Italia, Neue Galerie Graz
2010 da Thanatos all’ideale, Parco Urbano ex Salid, Salerno (solo)
Lebt und arbeitet in Salerno
www.carminelimatola.com
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Werner Augustiner                                                                     Werner Augustiner hat in der österreichischen und steirischen Kunst der Jahre
                                                                                      nach dem Zweiten Weltkrieg eine besondere und eigenständige Position
                                                                                      inne. Geprägt durch die Meisterklasse von Rudolf Szyszkowitz an der Grazer
Blumenstillleben, 1958/59
                                                                                      Ortweinschule blieb er zeitlebens auch dessen Kunstidealen – im Wesentlichen
Öl auf Leinwand
                                                                                      der Gegenständlichkeit – treu. Augustiner war ein christlich-gläubiger Mensch,
90 × 70 cm
                                                                                      der jedoch der offiziellen Kirche kritisch gegenüberstand. Aus dieser Haltung
Inv.-Nr. I/1220
                                                                                      bezog er seine Auffassung von der Kunst und vom Künstler. Er sah die
                                                                                      künstlerische Begabung als etwas von Gott Gegebenes an, das den Künstler
                                                                                      dazu verpflichtet, seinem Talent zu folgen und „es rein zu erhalten“, wie er
                                                                                      selbst schrieb. Entsprechend führte er das Leben eines Bohemiens, vor allem
                                                                                      während seiner oftmaligen langen Aufenthalte in Süditalien und in Paris.
                                                                                      Stilistisch ist die Malerei Augustiners einem späten Expressionismus
                                                                                      zuzuordnen. Seine Vorbilder waren Vincent van Gogh und Henri Matisse bzw.
                                                                                      die französische Malergruppe der Fauves, für seine zahlreichen weiblichen Akte
                                                                                      unverkennbar auch Amadeo Modigliani. Das Blumenstillleben vom Ende der
                                                                                      1950er-Jahre zeichnet sich durch eine kontrastreiche, frische Farbigkeit aus.
                                                                                      Augustiner legt hier wenig Wert auf die detaillierte Ausführung oder Abbildung
                                                                                      seiner Gegenstände. Vielmehr scheinen die Gefäße, die Muschel, das Tuch und
                                                                                      die Blumen in schnellen Pinselzügen mit großer Sicherheit auf die Leinwand
                                                                                      gebracht worden zu sein. Entstanden ist ein farbenfrohes, fröhliches Gemälde,
                                                                                      das den Betrachterinnen und Betrachtern die Freude an der Vielfalt und
                                                                                      Schönheit der bunten Blüten zu vermitteln imstande ist. (GD)

1922 geboren in Graz
1936–1940 Kunstgewerbeschule Graz
1940–1943 Meisterklasse für Malerei (Rudolf Szyszkowitz)
1943–1950 Akademie der bildenden Künste Wien (Karl Sterrer, Albert Paris Gütersloh)
1950 Aktpreis Boeckl
1954 Rom-Stipendium des Bundesministeriums für Unterricht
1960 Medaille der Stadt Graz
1982 Ehrenmedaille der Stadt Graz
1986 gestorben in Graz
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Bazon Brock                                                                                           „Wir müssen lernen, in Bildern zu denken“, fordert Bazon Brock 1977
                                                                                                      und moniert in dieser prädigitalen Zeit bereits, dass in den Schulen nur
                                                                                                      Wortsprachen vermittelt würden. Er gründet deshalb die „Besucherschule“,
Friedrich Nietzsche in Amerika, 1969/2006          Warum wird man Historiker?, 2006
                                                                                                      die einen Beitrag zum Erlernen der Bildsprachen leisten will. Es gilt die
Computerdruck auf Leinwand                         Computerdruck auf Leinwand
                                                                                                      zentrale Frage – die spätestens seit Anbeginn der Verbreitung der Fotografie
42 × 42 cm                                         42 × 42 cm
                                                                                                      gestellt wurde – nach dem Wirklichkeitsanspruch der Bilder, wobei Brock im
Inv.-Nr. I/2716                                    Inv.-Nr. I/2717
                                                                                                      engeren Sinn mediale Bilder meint. Besonders interessiert haben ihn dabei die
                                                                                                      Bilderwelten aus der Werbung.
                                                                                                      Sieht man sich die beiden Arbeiten an, fällt auf, dass Brock mit der Inszenierung
                                                                                                      von Bild und Text spielt, indem er seine Mitteilungen als Interpretation und
                                                                                                      Lesemöglichkeit der reproduzierten Abbildung mitgibt. „Warum wird man
                                                                                                      Historiker? Um mit den Toten zu sprechen!“, textet Brock, der sich im Profil in
                                                                                                      einer Porträtausstellung ablichten lässt, auf (geschlossener) Augenhöhe und im
                                                                                                      Dialog mit einer historischen Persönlichkeit.
                                                                                                      Was Friedrich Nietzsche mit einem historischen Cowboy zu tun hat, der der
                                                                                                      Zähmung eines wilden Pferdes gerecht werden will, erschließt sich nicht auf den
                                                                                                      ersten Blick. Dafür muss man die (bezweifelbare, aber berühmte) Anekdote über
                                                                                                      Friedrich Nietzsche kennen, die davon erzählt, wie er an einem Jännermorgen
                                                                                                      1889 in Turin ein geschlagenes Droschkenpferd umarmt haben soll. Die
                                                                                                      intensive Mitleidsregung der festen Umklammerung mündet im Zusammenbruch
                                                                                                      des Denkers, dessen Leben von da an in völliger Umnachtung Fortsetzung
1936 geboren in Stolp in Pommern (heute Polen)                                                        findet.
1957–1965 Studium der Germanistik, Philosophie, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte in
Hamburg, Frankfurt und Zürich
                                                                                                      Wie in seinen frühen Arbeiten des Fluxus, als dessen bedeutender
Ab 1959 erste Happenings (mit Hundertwasser, Alan Kaprow, Nam June Paik, Joseph Beuys)                Vertreter Bazon Brock gilt, stellt er nicht die Ausführung des Werkes in den
In den 1960er-Jahren Entwicklung der Methode des „Action Teachings“                                   Vordergrund, sondern seine Idee, die im Wechselspiel von Kunst und Leben als
1965–1978 Professor für nichtnormative Ästhetik an der Hochschule für bildende Künste Hamburg         Diskussionsbeitrag verstanden werden kann. (MHK)
1978–1981 Professor für Gestaltungslehre an der Hochschule für angewandte Kunst Wien
1981–2001 Professor für Ästhetik/Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal
1992 Ehrendoktorwürde der ETH Zürich
2001 Gründung der Forschungsgruppe „Kunst und Strategie e.V.“
2004 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
2006 Durchführung von „Lustmärschen durchs Theoriegelände“ in elf großen Museen, darunter
die Neue Galerie Graz
2012 Ehrendoktorwürde der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
2014 Honorarprofessur für Prophetie an der HBKsaar in Saarbrücken
2016 Von-der-Heydt-Preis der Stadt Wuppertal
2017 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse
2011 Gründer der „Denkerei/Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen
Hand“ mit Sitz in Berlin (Mitglieder: Arno Bammé, Roland Brock, Peter Sloterdijk, Wolfgang Ullrich,
Peter Weibel)
Lebt und arbeitet in Wuppertal-Cronenberg
https://bazonbrock.de; www.denkerei-berlin.de
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Gunter Damisch                                                              Kraftvoll-pastose, expressive Gesten verdichtet Gunter Damisch zu dunklen
                                                                            Farbakkumulationen. Wie ausgefranste Zellen besiedeln sie das weiße Feld
                                                                            der Leinwand. Sie wirken wie Mikroorganismen, die den Ursprung eines
Weißfeld, 1989
                                                                            möglichen Seins bilden, wie Keimzellen, aus denen Größeres wird. Langsam
Öl auf Papier auf Leinwand
                                                                            ist die Malweise, in der die Bilder entstehen. In vielen Schichten lagern sich
45 × 39,5 cm
                                                                            Farben über Farben. Das Weiß scheint als letzte Schicht alles zuzudecken, um
Inv.-Nr. I/2920
                                                                            darauf erneut Farbzellen entstehen zu lassen. Das Malen wird vergleichbar
                                                                            mit einem organischen Prozess, die Bildwerdung zum Wachstum von Farben,
                                                                            an der Oberfläche sichtbar pastos verdichtet, um zum Schluss zum Weiß
                                                                            zurückzukehren, mit dem die Malerei auf der weißen Leinwand ihren Anfang
                                                                            nahm. Gunter Damisch wollte das „Alles“ malen, das „Alles“ als das Gegenüber
                                                                            des „Nichts“, schreibt Rainer Metzger. Vielleicht ist das „Alles“ die Summe
                                                                            jeden Werdens und in gewisser Weise hier der Kreislauf der Malerei selbst. Das
                                                                            Weißfeld erscheint nicht als fertiges oder abgeschlossenes Werk. Vielmehr ist
                                                                            es von einer Offenheit geprägt, mit der nicht nur Malprozess oder Bildgrenzen
                                                                            gemeint sind, sondern Raum für Verinnerlichung, Sensibilität, Gefühl und
                                                                            Sinnesfreude.
                                                                            Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre griffen eine Reihe junger
                                                                            Maler wieder zu Pinsel und Palette und ließen die totgesagte Malerei
                                                                            wiederauferstehen. Wilfried Skreiner, zu jener Zeit Leiter der Neuen Galerie Graz,
                                                                            förderte die sogenannten „Jungen Wilden“, zu denen auch Gunter Damisch oder
                                                                            Alfred Klinkan zu zählen sind. In dieser Szene der „Neuen Malerei in Österreich“
                                                                            ging man auf Distanz zum vorangegangenen Wiener Aktionismus und der
                                                                            Selbstzerstörung. Es wurde wieder – vielfach auch großformatig –
                                                                            gemalt und den vorangegangenen Strömungen mit lebendiger, unbekümmerter
                                                                            und unmittelbarer Malerei entgegengetreten, die lebensbejahend an den
                                                                            Expressionismus der französischen Fauves anschloss. (MHK)
1958 geboren in Steyr, Oberösterreich
1977–1983 Akadamie der bildenden Künste Wien (Max Melcher, Arnulf Rainer)
1983 Römerquelle Kunstpreis
1985 Otto-Mauer-Preis
1985 Max-Weiler-Preis
1992 Gastprofessur an der Akademie der bildenden Künste Wien
1995 Preis der Stadt Wien
1996 Anton-Faistauer-Preis für Malerei des Landes Salzburg
1998 Ordentliche Professur an der Akademie der bildenden Künste Wien
1998 Preis bei der 2. Internationalen Graphiktriennale, Prag
1998 Oberösterreichischer Landeskulturpreis für Graphik
2011 Würdigungspreis Land Niederösterreich
2016 gestorben in Wien
www.gunter-damisch.at
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Johannes Deutsch                                                                            Von 1984 bis 1989 war Johannes Deutsch Kustos des Sigmund Freud Museums
                                                                                            in Wien. In dieser Zeit arbeitete er in seiner Malerei mit Themen, die ihm
                                                                                            im Museum begegneten. Intensiv beschäftigte er sich „mit den visuellen
Der Gottarmhalter, 1987
                                                                                            Aspekten des Traumes, des Witzes, der Wortspiele und Phantasien“. Die damals
Öl auf Leinwand
                                                                                            entstandene Werkserie subsumiert er unter der Überschrift Der konstruierte
100 × 80 cm
                                                                                            Inhalt. Er skizzierte nicht, sondern malte spontan und änderte viel in seinen
Inv.-Nr. I/2313
                                                                                            Bildern. Mit diesem sehr unmittelbaren Verständnis von Malerei lud ihn Wilfried
                                                                                            Skreiner, Förderer der „Neuen Malerei in Österreich“ und damaliger Leiter der
                                                                                            Neuen Galerie Graz, zu den XXII. Internationalen Malerwochen in der Steiermark
                                                                                            ein. Damit verbunden war 1987 auch die erste Ausstellungsbeteiligung von
                                                                                            Johannes Deutsch, über die Der Gottarmhalter in die Sammlung der Neuen
                                                                                            Galerie Graz einging.
                                                                                            Ein Kopf- oder vielmehr ein einarmiger Gesichtsfüßer mit ernstem Blick hält in
                                                                                            seiner überdimensionalen Hand einen Arm, dessen Hand das hell erleuchtete
                                                                                            Gesicht Gottes umrahmt. Der dunkelgrüne Arm durchbricht in seiner vertikalen
                                                                                            Ausrichtung nicht nur die rot-orange Aura des gelben Kopfes, sondern teilt auch
                                                                                            das Bild fast diagonal in zwei Hälften. Wie aus der tiefen Nacht scheint die
                                                                                            Hand in den Himmel nach Gott zu greifen, ihn einzufangen, kann ihn aber doch
                                                                                            nicht ganz fassen. Während in den Darstellungen, die der Bibel folgen („Siehe,
                                                                                            des Herrn Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte“, Jes. 59,1), es die
                                                                                            Hand Gottes ist, die sich machtvoll und hilfreich den Gläubigen annähert, ist es
                                                                                            bei Deutsch der menschenlose Arm, mit dem der kopfschwere Mensch Gott vom
                                                                                            Himmel zu holen scheint – oder ihn vielleicht einfach auch nur festhält. (MHK)

1960 geboren in Linz
1975–1980 Höhere Lehranstalt und Meisterschule für Kunst und Design an der HTBLA in Linz
1984–1989 Kustos am Sigmund Freud Museum in Wien
1988 3. Preis des 8. Römerquelle-Kunstwettbewerbs
1990 Auslandsstipendium des OÖ. Landeskulturbeirats
1990–1992 Postgraduate-Studium an der Städelschule – Institut für neue Medien, Staatliche
Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt/Main
1994 Preis des Landes Oberösterreich beim 24. Österreichischen Graphik-Wettbewerb
Lebt und arbeitet in Wien
www.johannes-deutsch.at
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Walter Eckert                                                                                  Der 1913 in Leobersdorf geborene und 2001 in Wien verstorbene Maler Walter
                                                                                               Eckert gehört einer Generation von Künstlerinnen und Künstlern an, die den
                                                                                               Krieg und die Nazigräuel direkt erlebt haben. Die traumatischen Erlebnisse
Ohne Titel (Kopf), 1992
                                                                                               haben sich in dieser Generation zu einem massiven Auslöser für Kunst als
Mischtechnik auf Leinwand
                                                                                               Überwindung des Schreckens ergeben. Die informelle Formensprache, der
65 × 50,5 cm
                                                                                               auch Eckert anhing, bildete international betrachtet die zentrale Chance, den
Inv.-Nr. I/2770
                                                                                               Wahnsinn der unmittelbaren Vergangenheit visuell zu erfassen, sich ein wie
                                                                                               auch immer geartetes Bild vom Unsäglichen zu machen.
                                                                                               Eckert, der als Student auf der Wiener Akademie bei Boeckl sowohl die
                                                                                               expressive Formensprache als auch die Auseinandersetzung mit dem
                                                                                               menschlichen Körper für sein weiteres Werk entdeckte, ist ein typischer
                                                                                               Vertreter dieser künstlerischen Sprache. Seine „Köpfe“ – allesamt anonymisierte
                                                                                               Opfer – wurden berühmt. Er setzte sie bis an sein Lebensende weiter fort.
                                                                                               Blutend und zerstört sehen sie aus und lassen das Publikum erschrecken. Man
                                                                                               ist häufig erinnert an den höchst sensibel arbeitenden Wols, dessen informelle
                                                                                               Strukturen auch oft an Organisches bzw. an Köpfe erinnern.
                                                                                               Eckart war nicht nur als Maler bedeutend. Sein Weg war auch ein institutioneller.
                                                                                               So war er von 1967 bis 1969 Rektor der Akademie der bildenden Künste in Wien.
                                                                                               Ab 1952 war er Mitglied der Wiener Secession und von 1965 bis 1968 deren
                                                                                               Präsident. (GHS)

1913 geboren in Leobersdorf, Niederösterreich
1935–1939 Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien (Herbert Boeckl)
1939–1945 Einberufung als Soldat im Zweiten Weltkrieg und französische Kriegsgefangenschaft
Ab 1945 freischaffender Künstler in Wien
Ab 1952 Mitglied der Wiener Secession
1965–1968 Präsident der Wiener Secession
1967–1983 Professur für Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien (1967–1969 Rektor)
2001 gestorben in Wien
Artothek Steiermark 2019 Kunst aus dem Museum für zu Hause
Friedrich Ehrbar                                                                       Im Vorjahr verstarb der Köflacher Künstler Friedrich Ehrbar im 95. Lebensjahr.
                                                                                       Er war Privatschüler von Fritz Aduatz, Meisterschüler von Kurt Weber und
                                                                                       ab 1955 Mitglied der Sezession Graz. Als solcher war er eingebunden in
Landschaft, 1960
                                                                                       die künstlerischen Entwicklungen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Eine
Öl und Acryl auf Leinwand
                                                                                       zaghafte, gemäßigte Moderne kontrastierte damals mit der traditionellen,
60 × 79,5 cm
                                                                                       sogar reaktionären Kunsteinstellung der Jahre davor, die immer noch wirksam
Inv.-Nr. I/2861
                                                                                       war. Die Totalzerstörung durch den Krieg, das unsägliche Leid, das damit und
                                                                                       mit der Naziherrschaft verbunden war, fand auch in der bildenden Kunst ihren
                                                                                       Niederschlag. Das Informel als Sinnbild der Zerstörung, der Auflösung und des
                                                                                       Existenzialismus der Zeit ließ sehr viele Künstler ihre traumatischen Erlebnisse
                                                                                       der unmittelbaren Vergangenheit bewältigen. So auch Friedrich Ehrbar. Seine
                                                                                       „Mauerbilder“, seine „gekippten Landschaften“ sind keine Darstellungen der
                                                                                       Idylle, des besseren Lebens oder der Hoffnung. Vielmehr sind es Anklagen,
                                                                                       Protokolle des Schreckens und emotionale Zuspitzungen.
                                                                                       Die Landschaft ist hier eine verbrannte, eine aufgerissene. In der Abstraktion
                                                                                       besteht allerdings die Chance, dem Elend zu entkommen, sich der
                                                                                       Ästhetisierung dessen anzuschließen, was real nicht fassbar ist und nicht
                                                                                       bewältigt werden kann. Ehrbar geht in der Folge weiter und stellt, neben den
                                                                                       sogenannten „haptischen Bildern“, in seinem späteren Werk hochinteressante
                                                                                       Bezüge zwischen Zwölftonmusik und bildender Kunst her – das Akustische
                                                                                       gleichsam ins Visuelle zu transformieren, war sein großes Ziel dabei. (GHS)

1923 geboren in Köflach, Steiermark
Schüler von Friedrich Aduatz und in der Lehrerbildungsanstalt in Graz von Franz Zach
1941 Matura und Einberufung als Soldat im Zweiten Weltkrieg
1946 Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft
1954 und 1955 Meisterschüler bei Kurt Weber
Ab 1954 Mitglied der Sezession Graz
Zahlreiche Ausstellungen, vor allem im Rahmen der Sezession
Biobauer, Pferdezüchter, Handballpräsident
1977 Wandgestaltung, Eingangsbereich der Sporthalle Bärnbach
2008 Haptisch, Gekippt, Monochrom, Kunsthaus Köflach (solo)
2018 Eröffnung seiner Galerie in Bärnbach
2018 gestorben in Bärnbach
Bernhard Eisendle                                                        Der ursprünglich aus Osttirol stammende Künstler lebt seit 1982 in Graz.
                                                                         Seine Malerei hat er aus seiner zweiten großen Begeisterung entwickelt – der
                                                                         Beobachtung und dem Sich-Einfühlen in die Natur, dem Sich-Aufhalten im
Wasserfall, 2018
                                                                         Freien. Im Besonderen hat Eisendle viele Jahre lang den Segelsport ausgeübt,
Öl und Wachs auf Leinwand
                                                                         und zwar nicht nur auf dem oft sanften Mittelmeer, sondern gerne auch auf der
80 × 80 × 4,5 cm
                                                                         rauen Nordsee. Voraussetzung für die Liebe zu diesem Sport ist eine bestimmte
Inv.-Nr. VIII/1229
                                                                         Haltung zur Natur bzw. zu den elementaren Kräften auf unserer Erde: Diese
                                                                         muss der Segler gut kennen, mit ihnen vertraut sein – sich ihnen wohl auch
                                                                         gerne aussetzen –, damit er ihnen standhalten und sie für seine Fortbewegung
                                                                         nutzen kann.
                                                                         Auf dieser genauen Kenntnis der Natur und ihrer Kräfte – auf dem Meer, aber
                                                                         auch auf dem Land und in den Bergen – beruht die Malerei Eisendles, die fast
                                                                         immer Landschaftsmalerei ist. Stilistisch kann man sie als Naturabstraktion
                                                                         bezeichnen, eine Richtung, die in Österreich eine große und variantenreiche
                                                                         Tradition hat. Eisendle bildet die von ihm ausgewählten Naturausschnitte nicht
                                                                         detailgetreu und quasi realistisch ab. Vielmehr übersetzt er den sinnlichen
                                                                         Eindruck, den er durch seine Einfühlung empfängt, in abstrahierender Weise mit
                                                                         Farbe auf Leinwand. Nur hin und wieder definiert er eine Landschaft näher durch
                                                                         die eindeutigen Formen etwa eines Hauses oder einer Baumgruppe.
                                                                         Bei unserem Bild erscheint das Naturvorbild – ein Wasserfall – in ineinan­
                                                                         dergeschobene, teilweise durchscheinende Farbformen aufgelöst. Das Bild wirkt
                                                                         wie ein Nachhall des frischen, sprudelnden Wassers, in das man eine längere
                                                                         Weile geblickt hat. Durch eine spezielle Technik, die Eisendle in den letzten
                                                                         Jahren entwickelt hat und bei der er die Ölfarbe mit Wachs kombiniert, erhält die
                                                                         Bildoberfläche einen besonderen Glanz und eine zusätzliche Tiefe. (GD)

1939 geboren in Lienz, Osttirol
Künstlerische Ausbildung in München und Stuttgart
Seit 1966 freischaffender Maler
Ausstellungen in Österreich, Frankreich, Schweden, Holland und Belgien
Drei Jahre Mitglied der International Arts Guild
Lebt und arbeitet in Graz
Róza El-Hassan                                                                         „Ich zeichne unaufhörlich: Ich fühle mich nur gut, wenn ich den Tag mit Zeichnen
                                                                                       beginne“, sagte Róza El-Hassan 1997, als sie den ungarischen Pavillon bei der
                                                                                       Biennale in Venedig mit einer Serie von 18 „Knäuelzeichnungen“ ausstattete.
Stretched Objects/Stretched Tangle, 1995
                                                                                       Zentral war dabei ein Wandbild, das ein Liniennetz auf der Wand verdichtete
Eisen, Kabel
                                                                                       und mit Drähten in den Raum hinaus fortsetzte. Knäuel sind flexibel, nicht so
25 × 60 × 20 cm
                                                                                       fest wie Knoten oder Verstrickungen. Oft kulminieren sie im Chaos, wie auch der
Inv.-Nr. III/586
                                                                                       Stretched Tangle von 1995. Unterschiedliche Kabel und Drähte formen einen
                                                                                       verwickelten und verdichteten Knäuel, der mit Eisenfedern an die Wand gehängt
                                                                                       wird und damit gewissermaßen als dreidimensionales Liniengewächs in den
                                                                                       Raum hinausragt.
                                                                                       Die Arbeit ist Teil einer ganzen Serie von Stretched Objects, die die Künstlerin in
                                                                                       den 1990er-Jahren über Ungarn hinaus international bekannt gemacht haben.
                                                                                       Sessel, Gläser, Steine oder andere Alltagsobjekte sind es, die sie dabei mit
                                                                                       Stahlseilen an die Wand hängt, als wolle sie sie auseinanderziehen. In dieser
                                                                                       sehr konzeptuellen Arbeitsweise tanzt der Knäuel als abstraktes Liniengeflecht
                                                                                       aus der Reihe. Die verdichtete und konzentrierte Zeichnung im Raum scheint
                                                                                       eher die Arbeit für die Biennale vorwegzunehmen. (MHK)

1966 geboren in Budapest
1972–1984 in Westfalen, Deutschland
1987 Rückkehr nach Budapest
1987–1990 Malereistudium an der Akademie der bildenden Künste, Budapest
1991 Städelschule – Staatliche Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt/Main
1991–1992 Intermedia Department, Akademie der bildenden Künste, Budapest
2001 Gastkünstlerin am Collegium Helveticum, ETH Zürich
2003–2007 Dozentin am Intermedia Department, Akademie der bildenden Künste, Budapest
2008–2011 Dokoratsabschluss an der Akademie der bildenden Künste, Budapest
2017 Studio-Stipendium (Iaspis) in Stockholm
Lebt und arbeitet in Budapest
www.roza-el-hassan.hu
Dominique Figarella                                                                     Der junge französische Künstler Dominique Figarella war 1994 in der Neuen
                                                                                        Galerie Graz als „Artist in Residence“ zu Gast. Sein künstlerischer Zugang
                                                                                        entwickelte sich aus der Malerei. Es war, den 1990er-Jahren entsprechend,
Ohne Titel, 1994
                                                                                        keine konventionelle Malerei mit klassischen Materialien, sondern eine
Holzplatte, Holzleiste, Kaugummi
                                                                                        Hybridform der Kunst. Die Werke Figarellas sind mehrschichtig. Das kann man
50 × 50 × 4 cm
                                                                                        inhaltlich, aber genauso gut auch materialtechnisch sehen. Einerseits sind
Inv.-Nr. I/2492
                                                                                        diese Arbeiten zwischen Bild und Objekt angesiedelt, andererseits versuchen
                                                                                        die verwendeten Materialien auch Inhalte zu generieren. Nicht das armselige
                                                                                        Material (Arte Povera) oder die Warenästhetik einer Pop-Art-Rezeption
                                                                                        (Kaugummi) ist hier gemeint. Es ist ein allgemeiner Zugang zum Material und
                                                                                        zum Bild. Die einzelnen Gegenstände, die der Künstler ins Werk einbaut, sind
                                                                                        nicht zu einem neuen Ganzen zusammengeführt. Es geht dem Künstler darum,
                                                                                        die Objekthaftigkeit des Werkes zu unterstreichen. Daher sind beispielsweise
                                                                                        Kissen, Fetzen, Bälle, Kaugummi, Holzstücke so angebracht, dass sie von einer
                                                                                        Plexiglasschicht, die am Ende über die gesamte Bildoberfläche geschraubt
                                                                                        wird, in ihrer Existenz nicht bedroht sind. Sie werden nicht zu etwas anderem,
                                                                                        sondern sie vollziehen den Abstraktionsprozess mit, sind Akzente in der
                                                                                        Bildkomposition. Figarellas Bilder, Objekte sind analytisch. Sie lassen das
                                                                                        Publikum am Abstraktionsprozess gleichsam teilhaben. Was wird aus inhaltlich
                                                                                        stark festgelegten Materialien, Gegenständen (Kaugummi, Tennisbälle)? Sie
                                                                                        sind austauschbar, sie sind Akzente innerhalb der Gestaltung. Ebenso sind sie
                                                                                        auch im Prozess der Transformation vom Gegenständlichen ins Abstrakte wie
                                                                                        eingefroren. Damit ist die Malerei natürlich nicht mehr nur Darstellung, sondern
                                                                                        der Bereich, in dem Sehen und Wahrnehmen stattfindet. (GHS)

1966 geboren in Chambéry, Savoyen, Frankreich
1987 Studium an der Villa Arson, école nationale supérieure d’art, Nizza
1994 Artist in Residence, Neue Galerie Graz
Seit 2001 Professor an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris (ENSBA)
2018 Bienvenue, Cité internationale des arts, Paris
2019 Pardon my French, Galerie Anne Barrault, Paris (solo)
2019 One Way or Another, La Box, Bourges
Lebt und arbeitet in Paris und Jacou bei Montpellier (Hérault), Frankreich
Angela Flois                                                                        Man mag der Farbe Grau nicht einmal zugestehen, dass sie überhaupt eine
                                                                                    ist. Gilt Grau doch als Ausdruck der Neutralität schlechthin. Angela Flois, die
                                                                                    seit den 1980er-Jahren, damals im Zuge der „Neuen Malerei“, künstlerisch
Rauhes Grau, 1994
                                                                                    hervorgetreten ist, geht hier sehr behutsam mit dem Material um. Mit wenigen
Öl auf Leinwand
                                                                                    Farbnuancierungen erreicht sie eine höchst spannende und gar nicht farblose
60 × 50 cm
                                                                                    Komposition, die natürlich sofort an kosmische Weiten denken lässt. Mikro
Inv.-Nr. I/2534
                                                                                    und Makro sind hier keinesfalls definiert. Man ist als Beschauer/in hin- und
                                                                                    hergerissen. Die abstrakte Komposition ist nicht als Zeugnis eines gestischen
                                                                                    Ausbruchs zu sehen. Vielmehr bekommt man den Eindruck des organisch oder
                                                                                    auch kosmisch Wachsenden, des sich langsam Entwickelnden. Der fleckige
                                                                                    Farbauftrag lässt die Bildoberfläche sehr dynamisch erscheinen, bildet Schatten
                                                                                    und lässt die kleinen, zaghaften Farbakzente leuchtend hervortreten – Sterne,
                                                                                    Blüten, Luftspiegelungen. Man muss sich auch nicht mit Naturanalogien
                                                                                    beschäftigen, um das Bild in einen scheinbar lesbaren Zustand bringen zu
                                                                                    können. Die Abstraktion kann auch einfach akzeptiert und entsprechend
                                                                                    behandelt werden. Das kosmische Rauschen und die abstrakte Vorstellung
                                                                                    davon stehen hier in perfekter Proportion. (GHS)

Geboren in Grafendorf bei Hartberg, Steiermark
Ausbildung zur AHS-Lehrerin, Bildnerischen Erzieherin und Museumspädagogin an der
Pädagogischen Akademie in Graz-Eggenberg
Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz
Studium der Kunstgeschichte und Soziologie an der Universität Graz
Studium der Malerei an der Europäischen Akademie für bildende Kunst in Trier
1982 Preis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst (Kunstpreis Köflach)
Lebt und arbeitet in Graz
Stefan Glettler                                                                      Fast lebensgroß ist der fruit dancer von Stefan Glettler, der still auf
                                                                                     seinem Sockel ruht. Als Tänzer will er bewegt werden, angestoßen wie ein
                                                                                     Stehaufmännchen, und frei im Raum schwingen. Wie die Passstücke von Franz
fruit dancer, 2016
                                                                                     West wollen die organischen Formen mit dem menschlichen Körper in Beziehung
Epoxidharz, Beton
                                                                                     treten, verlangen nach improvisierter Interaktion. Das Werk vollendet sich der
150 × 36 × 36 cm
                                                                                     Intention nach nicht in der Betrachtung, sondern in der Verschmelzung mit den
Inv.-Nr. III/997
                                                                                     Interagierenden. Auf den Sockel gestellt jedoch wird es zum musealen Objekt,
                                                                                     das den Einzelnen überdauern will. Aus diesem Dilemma heraus wird ihm eine
                                                                                     reife Erhabenheit zuteil, die ihm seine Zukunft sichert.
                                                                                     Wenig spricht Stefan Glettler über seine Kunst, seine Intentionen und
                                                                                     Motivationen. Auffallend jedoch ist die Intensität der Farbe, in die der Maler
                                                                                     und Bildhauer seinen „Tänzer“ getaucht hat. Unmittelbar rückt er damit auch
                                                                                     die Materialität in den Vordergrund und verstärkt die räumliche Präsenz der
                                                                                     abstrakten Frucht, deren Verlockung süß und reif wie eine malerische Geste in
                                                                                     den Raum hinausgreift. (MHK)

1980 geboren in Graz
2000–2005 Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der bildenden Künste Wien
(Walter Obholzer)
2012 Artist in Residence, Bukarest, Land Steiermark
2016 Walter Koschatzky Kunst-Preis Stipendium, Rotary Club Wien-Albertina
2016 Artist in Residence, Budapest, Stadt Wien
Lebt und arbeitet in Wien und der Steiermark
https://www.stefanglettler.com
Walter Kaitna                                                                                     „Die Verbindung von Grundfragen künstlerischer Gestaltung mit mathematisch
                                                                                                  beschreibbaren, gesetzmäßigen Zusammenhängen ist keine Erfindung unseres
                                                                                                  Jahrhunderts. In der europäischen Kulturgeschichte begegnen wir diesem
Kräftesystem 28, 1963
                                                                                                  Denken in regelhaften Beziehungsgefügen bereits in der altgriechischen
Stahlstäbe, Aluminium, Textil
                                                                                                  Philosophie. […] Die Quelle des Schönen wird schon hier als mathematische
51,3 × 14,8 × 9,9 cm
                                                                                                  Beziehung erkannt. Forschendes Interesse, mathematisches Denken und
Inv.-Nr. III/668
                                                                                                  schöpferisches Gestalten gehen seither oft eine enge Verbindung ein. […] In
                                                                                                  der Kunst unseres Jahrhunderts findet die Diskussion um das Verhältnis des
                                                                                                  Schönen zum rational Verstehbaren vor allem im Rahmen der konstruktiven
                                                                                                  Bewegung statt.“ (Dieter Bogner, „Intuition und Kalkül“, in: Ausstellungskatalog
                                                                                                  Walter Kaitna, Kräftesysteme, NÖART Galerie, Wien 1982, o. S.)
                                                                                                  Die künstlerischen Gestaltungen – Gemälde und räumliche Objekte – des
                                                                                                  Bauingenieurs Walter Kaitna haben in diesen konstruktiven Überlegungen ihre
                                                                                                  Grundlage. Mit seinen Objekten aus gebogenen Stahlstäben, die er seit Anfang
                                                                                                  der 1960er-Jahre konstruierte, versuchte er, sinnlich nicht wahrnehmbare
                                                                                                  Kräfte anschaulich zu machen. So entstanden zarte, ästhetische Objekte,
                                                                                                  die er seit 1963 verschiedentlich auf Ausstellungen präsentierte. Er selbst
                                                                                                  schrieb dazu: „Durch die Beschränkung auf ein einheitliches Element, den in
                                                                                                  eine Bodenplatte eingespannten und durch eine angreifende Kraft elastisch
                                                                                                  gekrümmten Stahlstab, dessen einzige Variabilität im Grad seiner Krümmung
                                                                                                  besteht, werden Kräfte sichtbar. Die kooperative Wechselwirkung von Gesetz
                                                                                                  und Freiheit manifestiert sich an der räumlichen Lage der unteren und
                                                                                                  oberen Stabenden. Die Spitzen der Stäbe sind durch die innere Struktur der
                                                                                                  jeweiligen Kräftekonstellation festgelegt. Die Lage der Fußpunkte kann ich frei
                                                                                                  entscheiden. Auf diese Weise entwickle ich das gesamte Formenrepertoire für
                                                                                                  meine räumlichen Objekte.“ (a. a. O., o. S.) (GD)

1914 geboren in Wien
1936–1942 Bauingenieurwesen, Technische Universität Wien
1946–1977 Chefingenieur und Technischer Direktor in der Bau- und Baustoffindustrie
1952 Olympische Spiele in Helsinki, Hockey, 7. Platz
1963 Atelier Ernst Hartmann, Mödling, Niederösterreich (solo)
1978 Logische Kunst, Wiener Secession
1979 Kräftesysteme und Gleichgewichtsordnungen, Neue Galerie Graz (solo)
1980 Ein Künstler – ein Prinzip, Museum moderner Kunst, Wien
1983 Exakte Tendenzen 1983, Schloss Buchberg, Niederösterreich
1984 Kräftekonstellationen. In Memoriam Walter Kaitna, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien (solo)
1996 Jenseits von Kunst, Ludwig Múzeum, Budapest, Neue Galerie Graz, MuHKA Antwerpen
1983 gestorben in Wien
www.walterkaitna.at
Alfred Klinkan                                                                             Es ist eine Besonderheit Klinkans, sich immer wieder auf andere Menschen,
                                                                                           Künstlerkollegen und auch auf Tiere so einzulassen, dass man in vielen
                                                                                           Fällen sogar von Identifikation sprechen kann. So geschah es auch mit
Pictor Gryllorum, 1986
                                                                                           Adriaen Brouwer (genannt: „Gryllorum Pictor“, der „Maler der Grillen“), einem
Öl auf Leinwand
                                                                                           flämisch-niederländischen Meister des „Low-Life“. Klinkan bezog sich Mitte der
100 × 70 cm
                                                                                           1980er-Jahre sehr explizit auf Brouwers Szenen vom Leben in den Schenken,
Inv.-Nr. I/2981
                                                                                           in denen allerlei getrieben wurde – Genuss von Tabak, Alkohol, Raufhändel,
                                                                                           Baderei und andere Verrichtungen des Alltags, des Lasters und des Ausdrucks
                                                                                           einer dunklen Volksseele fanden dort statt. Klinkan identifizierte sich nicht
                                                                                           nur mit der Person des Malers, sondern auch mit den Protagonisten der derben
                                                                                           Szenen. Diese vermischt er oft mit eigenen Charakteren – z. B. aus der Fabel-
                                                                                           bzw. Tierwelt – und lässt so einen eigenen Kosmos entstehen, der weder in
                                                                                           das 17. Jahrhundert Brouwers passen will noch in die Entstehungszeit des
                                                                                           Gemäldes.
                                                                                           Alfred Klinkan ist damit auch typisch für die „Neue Malerei“ der 1980er-Jahre,
                                                                                           die gerade in der Neuen Galerie Graz so vehement von ihrem damaligen Leiter,
                                                                                           Wilfried Skreiner, propagiert wurde. Wenn er in seinen Bildern neue, sehr
                                                                                           persönliche, aber an allgemeingültige Mythologien erinnernde Erzählstrukturen
                                                                                           erfindet, trifft er den Zeitgeist genauso, wie er höchst subjektiv bleibt.
                                                                                           Klinkan ist sicherlich der erzählerischste der „Neuen Maler“ der 1980er-Jahre.
                                                                                           Entsprechend umfangreich ist sein Werk. Der 1994 so jung verstorbene Künstler
                                                                                           hat mehrere Tausend Werke hinterlassen und damit einen eigenen Kosmos
                                                                                           geschaffen. Selbstverständlich gelten dort auch eigene Gesetze … (GHS)

1950 geboren in Judenburg, Steiermark
1970–1974 Akademie der bildenden Künste Wien (Josef Mikl, Wolfgang Hollegha)
1976 Kunstpreis des Landes Steiermark
1976–1977 Auslandsstipendium für die Koninklijke Academie voor Schone Kunsten, Antwerpen
1977 Österreichisches Staatsstipendium für Bildende Kunst
1979–1981 und 1984 Aufenthalt vorwiegend in Antwerpen
1981 Otto-Mauer-Preis
1994 gestorben in Wien
alfred.klinkan.net
Helga Knöbl                                                                         Die Bandbreite der künstlerischen Medien und der Gestaltungsfelder, in
                                                                                    denen Helga Knöbl arbeitet und ihre Ideen zum Ausdruck bringt, ist enorm.
                                                                                    Sie ist als Porträt- und Landschaftsmalerin tätig, hält ihre Überlegungen in
Goldbild 2–4, 2012
                                                                                    programmatischen Gemälden fest, widmet sich der Kunstpädagogik, machte –
Blattgold auf Faserplatte in Holzrahmen, 3 Stück
                                                                                    in den 1980er- und 1990er-Jahren – Videoinstallationen und Filme, lotete in
je 38,2 × 28,4 × 3,5 cm
                                                                                    ihrer Ausbildung zur „Clownin“ ihre schauspielerischen Fähigkeiten aus und
Inv.-Nr. I/2854, 1–3
                                                                                    erprobt diese im Kontakt mit ihrem Publikum. Dabei liegt ihren künstlerischen
                                                                                    Gestaltungen und Tätigkeiten immer die wache und kritische Beobachtung der
                                                                                    gesellschaftlichen Bedingungen für das Leben und die Entfaltungsmöglichkeiten
                                                                                    der/des Einzelnen zugrunde sowie ein sensibles Einfühlungsvermögen in und
                                                                                    großer Respekt für die Menschen.
                                                                                    Die Serie der Goldbilder hat Helga Knöbl 2012 gestaltet. Es handelt sich hier
                                                                                    um eine konzeptuelle Arbeit mit Tiefgang und Humor: Auf Holzfaserplatten
                                                                                    hat sie rechteckige Felder mit abgerundeten Ecken aus Blattgold angebracht.
                                                                                    Die Platten wurden mit profilierten Zierrahmen aus Holz gerahmt und
                                                                                    mit Hängevorrichtungen versehen, sodass sie wie Gemälde an der Wand
                                                                                    montiert werden können. Damit nimmt sie Bezug auf die Mechanismen des
                                                                                    Kunstmarktes, wo der oft enorme Preis eines Kunstwerkes nicht unbedingt
                                                                                    seiner Qualität entsprechen muss, wo es häufig nicht um Inhalte, sondern um
                                                                                    andere, außerhalb der eigentlichen Kunst liegende Kriterien geht. So zieht die
                                                                                    Künstlerin den Schluss und präsentiert statt anderer Inhalte das Gold selbst als
                                                                                    Inbegriff bzw. Symbol für das Kostbare, den hohen Preis – und das auf einem
                                                                                    ganz billigen, banalen Material, den Holzplatten. Die Wirkung der Arbeit lebt von
                                                                                    diesem Kontrast. (GD)

1962 geboren in Graz
1981–1987 Studium der Germanistik und Soziologie in Wien und Zürich
1989 Teilnahme an den Österreichischen Filmtagen Wels
1993 Preisträgerin beim Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische
bildende Kunst
1994 Sappi-Europe Bronzemedaille
2001 Preisträgerin Biennale Florenz – Internationale dell’arte contemporanea
2002 Award-Women’s Congress – El Paso, Texas
Lebt und arbeitet in Graz
helgaknöbl.at
Ugo La Pietra                                                                                      Der italienische Künstler, Architekt, Designer, Wissenschaftler, Journalist,
                                                                                                   Experimentalfilmer und Ausstellungskurator ist zweifellos als „Homo
                                                                                                   universalis“ anzusprechen. Seine künstlerische Vielfalt und Flexibilität leitet
Progressione multipla, 1969
                                                                                                   sich nicht nur von der Tradition des Konkreten ab, die im Italien der 1960er- und
Plexiglas
                                                                                                   1970er-Jahre besonders bedeutend war, sondern auch von sozialen Konzepten
27 × 27 × 7,7 cm
                                                                                                   und den radikalen Überlegungen der „Situationistischen Internationale“.
Inv.-Nr. III/314
                                                                                                   Ugo La Pietra, der mit Lucio Fontana eng befreundet war, hat seine Kunstwerke
                                                                                                   immer in Zwischenbereichen, in Übergangsbereichen angesiedelt. So ist
                                                                                                   auch das Objekt Progressione multipla ein vielschichtiges Kunstwerk. Man
                                                                                                   möchte es als Designobjekt (Aschenbecher) einordnen, vermisst aber sofort
                                                                                                   den funktionellen Teil. Dieser vollzieht sich offenbar nur visuell. Das Objekt
                                                                                                   demonstriert eine physikalische Gesetzmäßigkeit – die der gegenläufigen Zu-
                                                                                                   und Abnahme von im Plexiglasblock befindlichen Bohrungen. Die offensichtliche
                                                                                                   Ästhetik der industriellen Produktion erlaubt es, den Bogen von „Minimal Art“
                                                                                                   bis „Konkreter Kunst“ zu spannen. Keine individuelle künstlerische Handschrift
                                                                                                   lässt das Werk besonders aussehen, sondern eine kühle technoide Anonymität
                                                                                                   zeichnet es aus. Es scheint kein Geheimnis in sich zu bergen und für jeden
                                                                                                   Techniker nachvollziehbar und wiederholbar zu sein. Genau das waren auch
                                                                                                   die zentralen Forderungen der „Konkreten Kunst“ – Wissenschaftlichkeit,
                                                                                                   Funktionalität, industrielles Design und fehlende individuelle Handschrift. Somit
                                                                                                   erübrigen sich die klassischen kategorischen Zuordnungen zu Skulptur oder
                                                                                                   Bild. Dieses Kunstwerk ist zweifellos beides und noch einiges mehr. (GHS)

1938 geboren in Bussi sul Tirino, Italien
1957–1964 Architekturstudium am Politecnico di Milano
Seit 1964 Lehrtätigkeit für Architektur und Design in Mailand, Pescara, Palermo, Turin und
Venedig, am Politecnico di Milano, am Istituto d’arte in Monza u. a.
1968 Gestalter des Ambiente Audiovisivo bei der XIV Triennale di Milano
1969 Premio Termoli, Premio Joan Miró, Premio Cesare da Sesto (für Malerei)
1972 Italy: The New Domestic Landscape, MoMA, New York
1973 Gestalter des Films La grande occasione
1975 1. Preis beim Nancy Film Festival
1979 Premio Compasso d’Oro für das Projekt L’occultamento
1981 Kurator von Lo spazio scenografico nella televisione italiana, XVI Triennale di Milano
1992 Kurator von La vita tra cose e natura, sezione naturale virtuale, XVIII Triennale di Milano
2009 Professor am Politecnico di Milano (Design) und an der NABA in Mailand
2016 Premio Compasso d’Oro für sein Lebenswerk
Lebt und arbeitet in Mailand
https://ugolapietra.com
Richard Larsen (Larsenson)                                                                     Richard Larsen (Larsenson) war in beiden Weltkriegen eingerückt, beide Male
                                                                                               an der Front mit anschließender Kriegsgefangenschaft. Während es ihm in der
                                                                                               Zwischenkriegszeit gelang, als Maler Fuß zu fassen und auch als Lehrer tätig
Die kleine Bucht, um 1952
                                                                                               zu werden, blieb ihm als Kriegsoffizier Letzteres nach 1945 verwehrt. So erklärt
Öl auf Holzfaserplatte
                                                                                               sich, dass Richard Larsen sich in vielen seiner Bilder mit dem Erlebnis des
49 × 58 cm
                                                                                               Krieges auseinandersetzte. Er scheute auch nicht die realistische und durchaus
Inv.-Nr. I/1121
                                                                                               neusachliche Darstellung sozialer Probleme, von denen er besonders nach dem
                                                                                               Zweiten Weltkrieg auch persönlich sehr gezeichnet war.
                                                                                               Die kleine Bucht scheint diesbezüglich auf den ersten Blick unverfänglicher
                                                                                               zu sein. Doch auch wenn man Larsen die Liebe für den Impressionismus und
                                                                                               dessen Farbigkeit nachsagt, hängt der dunkle Himmel hier tief. In rascher und
                                                                                               gestischer Malweise fängt er den Eindruck der Bucht ein. Schemenhaft reihen
                                                                                               sich die Häuser in die Landschaft ein, während zwei kleine Segelboote in der
                                                                                               Bucht Schutz zu suchen scheinen. Das Bild Die kleine Bucht war 1952 bei der
                                                                                               Eröffnungsausstellung des Künstlerhauses zu sehen und wurde im Zuge dessen
                                                                                               von der Neuen Galerie Graz erworben. (MHK)

1897 geboren in Sinj, heute Kroatien
1913 und 1920–1921 Besuch der Kunstschule Graz bei Alfred Schrötter-Kristelli (Unterbrechung
durch den Ersten Weltkrieg)
1922–1926 Studium an der Kunstgewerbeschule Wien bei Berthold Löffler, danach Direktor und
Lehrer an der Berufsschule für das grafische Gewerbe
1924 Verleihung der Silbermedaille der Stadt Graz
1924 Beteiligung an der Eröffnungsausstellung der Sezession Graz
Mitglied im Künstlerbund Graz und in der Vereinigung bildender Künstler Steiermarks
1950 Beteiligung an der Kollektivausstellung des Künstlerbundes Graz
Ab 1960 Beteiligungen an (Kollektiv-)Ausstellungen vor allem in Graz
1975 gestorben in Graz
Gerhard Lojen                                                                Gerhard Lojen zählt als Künstler wie als Pädagoge zu den prägenden
                                                                             Persönlichkeiten des steirischen Kulturlebens der zweiten Hälfte des 20.
                                                                             Jahr­­hunderts. Durch seine frühen Materialbilder gehört er zu den wichtigsten
Ohne Titel, um 1961/62
                                                                             Vertretern der abstrakten Malerei in Österreich nach 1945. Während seines
Öl auf Leinwand
                                                                             Architekturstudiums an der Grazer Technischen Hochschule schloss er
81 × 58 cm
                                                                             Freundschaft mit zwei Menschen, deren Haltung und Werk für ihn grundlegend
Inv.-Nr. I/2785
                                                                             wurden – mit seinem Lehrer Kurt Weber, der den Studenten die internationale
                                                                             Moderne, damals vor allem das Informel und den Tachismus nahebrachte, und
                                                                             mit seinem Mitstudenten Hans Bischoffshausen. Letzterer gab das Studium der
                                                                             Architektur bald zugunsten der bildenden Kunst auf, fand in Paris Anschluss an
                                                                             die dortige Avantgarde und wirkte als deren Vermittler in die steirische Provinz.
                                                                             Im Zuge des lebenslangen freundschaftlichen und künstlerischen Austausches
                                                                             mit Bischoffshausen kam es in den 1980er-Jahren zu einer Zusammenarbeit der
                                                                             beiden Künstler an einer Reihe von gemeinsamen Werken auf Papier.
                                                                             Das frühe Bild von Gerhard Lojen, das hier präsentiert wird, entstand zu Beginn
                                                                             der 1960er-Jahre und zeigt bereits seine intensive Auseinandersetzung mit
                                                                             der Abstraktion. Er versteht ein Gemälde nicht als Abbildung einer außerhalb
                                                                             desselben liegenden Realität, sondern als autonome Gestaltung. In etliche
                                                                             andere Bilder dieser Zeit hat er natürliche Materialien wie Sand, Textilien oder
                                                                             Steine integriert. Hier beschränkt er sich allein auf die Farbe, die aber eben nicht
                                                                             repräsentativ eingesetzt wird. Sie steht für sich, sie selbst ist das Material – und
                                                                             wird sehr pastos aufgetragen. Die verschiedenen Farben wirken wie geknetet
                                                                             und erhalten auf diese Weise eine eigene Körperlichkeit. Sie scheinen sich
                                                                             geradezu aus dem blauen, sie begrenzenden Feld nach vorne in den realen Raum
                                                                             herauszudrängen. Das abbildende Gemälde ist hier zum für sich stehenden
                                                                             Objekt geworden. (GD)

1935 geboren in Graz
1954–1962 Architekturstudium an der TU Graz
1958–1977 Mitglied der Sezession Graz
1960 Ankaufspreis des BMfU beim Joanneums-Kunstpreis
1976 Kunstpreis der Stadt Köflach
1977 Mitbegründer der Künstlergruppe 77 in Graz
1987–2000 Leiter der Meisterschule für Malerei an der Grazer Ortweinschule
1990 Wettbewerb Johannes-Kepler-Denkmal in Graz: 1. Preis und Ausführung
1999 Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst
2005 gestorben in Graz
www.lojen.at
Heribert Michl                                                              Heribert Michl war zeit seines Lebens auf der Suche nach neuen
                                                                            experimentellen, ästhetischen und künstlerischen Erfahrungen. Eine persönliche
                                                                            künstlerische Handschrift, die sein Werk kennzeichnet, war ihm dabei nicht
N.O.T. (aus der Werkgruppe Faltbilder), 2007
                                                                            wichtig. Das lässt sich in seinen Arbeiten, die stets in größeren Werkgruppen
Acryl auf Leinwand auf Leinwand
                                                                            entstehen, gut nachvollziehen, zumal sie in sich ästhetisch verbunden sind,
100 × 100 cm
                                                                            untereinander aber jeweils sehr unterschiedlich ausfallen können.
Inv.-Nr. VIII/1148
                                                                            Heribert Michl war der Meinung, dass Kunst im Kopf erzeugt wird und meinte
                                                                            damit, dass die Betrachtenden Kunst definieren und nicht die Kunstschaffenden
                                                                            selbst. Zentral war für ihn dabei die Frage nach den Möglichkeiten der Kunst,
                                                                            persönlichkeitsbildende und darüber hinaus auch gesellschaftliche Wirkung
                                                                            zu erzeugen. In der Offenheit gegenüber Neuem in der Kunst liegt somit
                                                                            das Potenzial, das Interesse am Anderen im Allgemeinen zu wecken. Aus
                                                                            philosophischer Sicht hängt er einem radikalen Konstruktivismus an und meint
                                                                            damit seine Überzeugung, dass es die eine Wirklichkeit nicht gibt. Schon gar
                                                                            nicht eine, die sich auch abbilden ließe.
                                                                            Heribert Michl strebt nach einfachen, klaren Formen, das zeigen besonders
                                                                            seine Arbeiten, bei denen er Farbe und Form auf ein Minimum reduziert. Beim
                                                                            Falten des Malgrundes kommt dann noch die dritte Dimension dazu, das Bild
                                                                            wird zum Relief, die Falte zur Linie, der Faltenwurf zur schattierten Fläche. Das
                                                                            Bild tritt in Dialog mit dem Raum, mit der Architektur und wird für Michl zur
                                                                            „Poetisierung des Raumes“.
                                                                            N.O.T. – noch ohne Titel nennt Heribert Michl nicht nur dieses Bild, sondern
                                                                            auch die ganze Werkgruppe der Faltbilder, denen im Museum der Wahrnehmung
                                                                            in Graz 2007 auch eine gleichnamige Ausstellung gewidmet war. In der NOT
                                                                            liegt für Heribert Michl die Aufforderung zur Selbstermächtigung des Publikums,
                                                                            sich auf die Kunst einzulassen und damit die eigenen kreativen Kräfte in Gang
                                                                            zu bringen. Was ist es, was ich sehe, was löst die Bildbetrachtung in mir aus?
                                                                            (MHK)

1938 geboren in Köflach, Steiermark
Studium der Pädagogik, Soziologie, Kunstgeschichte und Philosophie an der
Karl-Franzens-Universität Graz
Mitglied der Künstlergruppe 77
2010 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse
2017 gestorben in Graz
https://www.heribertmichl.at
Worauf Sie bei Kunstwerken                                ZUGLUFT: Schützen Sie das Objekt vor Zugluft.
                                                          Keilrahmen können sich durch Zugluft verziehen, und
achtgeben sollten!                                        außerdem trocknen die Objekte aus, was Folgeschäden
                                                          mit sich bringt.
Zu viel LICHT, WÄRME, FEUCHTIGKEIT sowie ZUGLUFT
können dem Werk schaden!                                  SAUBERKEIT: Greifen Sie das Objekt nur mir sauberen
                                                          und trockenen Händen an. Benutzen Sie dazu nach
UV-LICHT (als Teil des natürlichen Sonnenlichtes)         Möglichkeit die beigepackten Baumwollhandschuhe.
schadet nicht nur dem Menschen. Setzen Sie das
Objekt daher nicht dem direkten Sonnenlicht aus,          MANIPULATION: Halten Sie Gemälde immer mit beiden
z. B. unmittelbar vor einem Fenster. Materialien altern   Händen und seitlich am Rahmen fest. Heben Sie
im UV-Licht schneller als sonst, sie bleichen aus und     Gemälde niemals an der oberen Rahmenleiste hoch.
werden spröde. Suchen Sie eine Wand aus, die nicht
von der Sonne beschienen wird.                            REINIGUNG: Grundsätzlich sollten Sie das Reinigen des
                                                          Objektes unterlassen. Sie können aber bei Bedarf den
WÄRME ist Energie! Hängen Sie das Objekt nicht            Rahmen eines Gemäldes mit einem neuen, sauberen,
direkt über eine Wärmequelle wie beispielsweise einen     trockenen und weichen Staubtuch vorsichtig mit wenig
Heizkörper oder einen Heiz­strahler. Dadurch kann         Druck abwischen. Bei verglasten Arbeiten können Sie
es zu Ausdehnungen und Schrumpfungen kommen,              auch das Glas auf diese Weise vorsichtig reinigen.
wodurch die Festigkeit des Materials auf Dauer            Wischen Sie nie direkt über die Bildfläche!
nachlässt. Sprünge und Absplitterungen sind die Folge.
Überheizte Räume sind für das Kunstwerk ebenso
schädlich wie für ihre Bewohner/innen.

FEUCHTIGKEIT, dazu zählt auch Luftfeuchtigkeit,
dringt in das Kunstwerk ein und kann bei hoher
Intensität zu Quellungen der Grundierung führen.
Wie bei zu großer Wärme, kann es auch hier zu
Ausdehnungen und Schrumpfungen kommen,
welche die Festigkeit und Haltbarkeit des Materials
beeinflussen. Feuchtigkeit fördert zudem das
Schimmelwachstum – auch bei Kunstwerken.
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