Aschermittwoch der Frauen - Texte und Materialien
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Aschermittwoch der Frauen Texte und Materialien
Aschermittwoch – ein Tag für Grenzgänge. Ein Zeichen dieser Grenzerfahrung ist das Aschenkreuz, das uns an diesem Tag erinnert, dass wir Menschen sterblich sind und unser Leben begrenzt ist. Wir laden am Beginn der Fastenzeit ein, die unterschiedlichen Grenzen unseres Lebens zu erkennen und zu erfahren und sie auf Ostern hin – auf Gott hin – zu weiten. Ausschreibungstext aus dem Programmheft „Angebote. Katholische Frauenpastoral im Erzbistum Köln“. Es ist zu beziehen über www.frauenseelsorge-koeln.de und www.kfd-koeln.de
Aschermittwoch der Frauen | „Meine engen Grenzen …“ Grenz-Erfahrungen Waltraud Grießer, Ohne Öffnung sind wir eingesperrt (farbige Abbildung auf der beiliegenden CD) aus: W. Brunders et al., Wechselndes Licht oder das Fenster im Kasten, Düsseldorf 2004, S. 31
| Aschermittwoch der Frauen Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Beispiel für ein Faltblatt für die Teilnehmerinnen des Tages . . . . . . . . . . . . . . 6 „Meine engen Grenzen…“ – G R E N Z - E R F A H R U N G E N – . . . . . . . . . . . 7 Ablauf und Impulse des Tages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Gesprächs- und Arbeitsgruppen AG I: „Erst der Einbezug von Grenzen eröffnet den Raum der Möglichkeiten.“ > Eine Annäherung an positive Aspekte von Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . 11 AG II: „Auf eine offene Tür zu – Leben mit Sterbenden“ > Film mit anschließendem Gespräch zum Umgang mit dem Tod eines nahen Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 AG III: „GrenzWorte – WortGrenzen“ > Literarische Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Texte zu AG III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 AG IV: „Meine engen Grenzen“ > Mein Weg zu mir durchs Labyrinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 AG V: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22) > Gebet zwischen Klage und Lobpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Themen und Orte für den „Grenzparcours“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Anhang/Links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 GRENZERFAHRUNG: Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 GRENZERFAHRUNG: schuldig werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 GRENZERFAHRUNG: kraftvoll in meinen Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 GRENZERFAHRUNG: eingebunden in die Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 32 GRENZERFAHRUNG: Rückzug in die Einsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 GRENZERFAHRUNG: „Hungern nach Gott“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 GRENZERFAHRUNG: Anruf und Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die „GRENZÜBERSCHREITERIN“ Edith Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 GRENZERFAHRUNG: Aufstieg und Gipfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 GRENZERFAHRUNG: Tod – und was kommt dann? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Vorschlag für einen Gottesdienst zum Abschluss des Tages . . . . . . . . . . . . . 40 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Aschermittwoch der Frauen | Vorwort Liebe Leser/innen, Mit all diesen so wichtigen Aspekten mensch- lichen Seins hat sich der Aschermittwoch Gerade in der österlichen Bußzeit geraten wir der Frauen 2009 beschäftigt und Grenz- oft an unsere körperlichen Grenzen, wenn wir Erfahrungen möglich gemacht. ganz bewusst auf Lebens- und Genussmittel zu mindestens für den Augenblick der Fastenzeit Programm verzichten. Loslassen – Neuwerden – Annehmen heißt es in einer Übung des Aschermittwochs der Aber, was sind Hunger und Durst oder der Kick Frauen 2009. Gleichsam ist in diesen drei auf das süße Stückchen Schokolade gegenü- Worten das Programm des Tages aufgehoben. ber den echten, den tiefen Grenz-Erfahrungen menschlichen Lebens. Loslassen, um freizuwerden, Neuwerden, um zu entfalten und Annehmen, um heil zu werden. Menschen, die vor zwanzig Jahren ganz be- wusst den Mauerfall erlebt haben und aus der Aschermittwoch der Frauen vor Ort Enge der DDR erstmals die Luft der Freiheit Wir möchten Sie auch mit dieser zwei- atmen durften, können uns vielleicht erzählen, ten Ausgabe einladen und ermutigen, was Ihnen Grenzen bedeuten, nämlich vor Ort in Ihrem Seelsorgebereich, einen Enge, Unüberwindlichkeit, Beklommenheit, Aschermittwoch der Frauen durchzuführen. Ausweglosigkeit, Starre, Abgrenzung, Das thematische Angebot unserer Broschüre Einschränkung, Eingeschlossensein. möge Ihnen viele Anregungen geben, einen solchen Tag oder einen Einkehrtag in der Frauen und Männer, die eine schwere Fastenzeit zu gestalten. Erkrankung erfahren haben, wissen um die „BeGrenzung“ der eigenen Existenz. Zur inhaltlichen Gestaltung des Tages stellen wir Ihnen unsere praxiserprobten Materialien zur Menschen, die einen lieben Menschen, ein Verfügung, die Sie auch im Internet herunterladen eigenes Kind, den Ehemann durch Tod verlo- können unter folgenden Adressen: ren haben, wissen um die Extreme, die diese www.frauenseelsorge-koeln.de und Ereignisse ins eigene Leben bringen. www.kfd-koeln.de. Eine CD mit allen Texten, Abbildungen und Liedern Aber oft setzen wir uns selber Grenzen, be- finden Sie am Ende des Heftes. grenzen unser „Ich“, lassen zu, dass unsere Seele eingegrenzt und unsere Lebenskraft Wir wünschen Ihnen wieder viel Freude beschränkt wird. In diesen Stunden der bei der Planung und Durchführung Ihres Dunkelheit sind wir so allein wie Christus im Aschermittwochs der Frauen, gute und heil- Garten von Gethsemane, wo er mit dem eige- same Grenz-Erfahrungen und das Erleben nen Vater ringt und sich allein gelassen fühlt. eines neuen Morgens! Und dann gibt es auch noch die andere Seite Köln, im November 2009 der Medaille: Wir Menschen müssen uns manchmal auch selber Grenzen setzen, um das Leben nicht zu verlieren. Manchmal sind Einschränkungen und Abgrenzungen wichtig, um sich selber nicht zu aufzugeben. Monika Kurth Eva-Maria Will Diözesanvorsitzende Leiterin des Referates der kfd Köln Frauen- und Männerseelsorge im Erzbistum Köln
| Aschermittwoch der Frauen Beispiel Faltblatt Den Teilnehmerinnen des Tages hilft es, wenn Sie Ihnen am Beginn der Veranstaltung ein Faltblatt mit dem Ablauf des Tages und Angaben zu den einzelnen Angeboten (Thema, Raum etc.) an die Hand geben. Die Vorlage finden Sie auf der beiliegenden CD.
Aschermittwoch der Frauen | „Meine engen Grenzen…“ –GRENZ-ERFAHRUNGEN– Ablauf und Impulse 2. Begrüßung des Tages Die Leiterin begrüßt die anwesenden Frauen, Idee, inhaltliche und organisatorische gibt einen kurzen Impuls zum Thema des Verantwortung: Gertrud Ganser und Astrid Overath Tages und stellt den Ablauf vor, z. B. mit folgenden Worten: 1. Vorbereitung „Ganz herzlich begrüße ich Sie heute, an Im Raum ist ein Stuhlkreis gestellt. Die Mitte diesem Aschermittwoch, den wir zusammen wird gestaltet z. B. durch grüne Tücher, eine verbringen werden. Ich freue mich, dass Sie Schale mit alten Palmzweigen, drei unter- sich entschieden haben zu kommen und hoffe, schiedlich große Kerzen, einfaches Kreuz, dass es für Sie ein Tag wird, der Ihnen Impulse und eine aufgeschlagene Bibel. und Anstöße geben kann. An Stellwänden sind die Buchstaben Unser Thema lautet heute „Meine engen G R E N Z - E R F A H R U N G befestigt. Grenzen…“, und es wird um unsere per sönlichen Erfahrungen mit Grenzen gehen. Diese 15 Buchstaben – auch der Grenzerfahrungen können ganz unterschied Bindestrich – werden entsprechend der lich sein, manche sind Ihnen vielleicht Teilnehmerinnenzahl auf Papier in unter- vertraut, andere völlig fremd. schiedlichen Farben kopiert, und unter die Stühle im Raum verteilt, so dass jede Sie sind immer mit Unruhe und Spannung Teilnehmerin ein Blatt erhält. verbunden und künden Neues an. Grenz erfahrungen verändern uns und lassen uns Stifte, Moderationskarten, CD Player, eine CD manches Mal an Gott zweifeln und nach für den Schwellentanz (z. B.: „Traumtänze, Gott einem Sinn fragen. Oft wissen wir nicht, wie in unserer Mitte finden“ von Jonny Lamprecht), es weitergehen kann. Aber sie können auch eine Klangschale und Kopien der weiter unten „durchsichtig“ für Gott sein, gerade in ihnen vorgestellten Stationenblätter liegen bereit. können wir Gott erfahren, ihm begegnen. Ich wünsche uns allen einen guten Verlauf des Tages, an dem etwas von Gottes wohlwollender Anwesenheit spürbar wird.
| Aschermittwoch der Frauen Zum Ablauf des Tages: Im Mittelpunkt 5. Informationen zum „Grenzparcours“ des Vormittags wird die persönliche Aus einandersetzung mit einzelnen Erfahrungen „Sie erhalten gleich ein Blatt, das 10 stehen. Dazu laden wir sie gleich ein, sich auf Themenbereiche benennt, die alle aus un den Weg zu machen zu ausgewählten Orten. serem diesjährigen Titel des Aschermittwochs Genaueres erfahren Sie nach dem hinführen „Meine engen Grenzen“ abgeleitet sind. den, gemeinsamen Tun in diesem Kreis. Wir haben uns gefragt, an welche Grenzen Am Nachmittag bieten wir Ihnen verschiedene Menschen in ihrem Leben stoßen können. Arbeitsgruppen zur Auswahl an. Der Tag endet Zehn solcher Grenzerfahrungen haben wir mit dem Gottesdienst (siehe Anhang/CD). für heute ausgewählt und ihnen Orte der Auseinandersetzung und Besinnung zugeord Nun zum ersten Impuls und zu den Buchstaben net. Es sind Orte, die einen besonderen Zugang unter Ihren Stühlen und an der Stellwand.“ zum Thema ermöglichen können. 3. Gemeinsames Singen des Lieds Wir laden Sie ein, sich ein, zwei oder drei dieser „Meine engen Grenzen…“ Themen auszusuchen und sich dann alleine auf den Weg zu machen. An den ausgewähl 4. Impuls im Plenum ten Orten finden Sie jeweils ein Textblatt als Anregung für persönliche Auseinandersetzung, „Sie finden an ihrem Platz einen Buchstaben Besinnung oder Gebet. Setzen Sie sich bitte aus dem Wortpaar G R E N Z – E R F A H R U N G nicht das Ziel, alle Orte zu besuchen, sondern (14 Buchstaben und ein Bindestrich in unter nehmen Sie sich Zeit, sich in Ruhe ein, zwei schiedlichen Farben). oder drei Themenbereichen zu öffnen. Finden Sie sich mit dem gleichen Buchstaben Sollte Sie ein Thema aus der Innenstadt von in entsprechenden Gruppen zusammen. Siegburg interessieren, Sie aber nicht dorthin Sammeln Sie Assoziationen zum Thema Grenz- gehen können oder wollen, erhalten Sie das Erfahrung, die mit „Ihrem Buchstaben“ begin dazu gehörige Textblatt von uns, um sich hier nen und tauschen Sie sich dazu aus. an einem ruhigen Ort damit zu beschäftigen. Einigen sie sich als Gruppe auf 3 Begriffe und Für das Aufsuchen der Orte, für die schreiben Sie diese auf Moderationskarten. Auseinandersetzung und Besinnung haben Sie haben dazu ca. 15 Minuten Zeit.“ Sie Zeit bis zum Mittagessen. Für alle, die das Bedürfnis haben, sich auszutauschen, bieten Anschließend werden alle Assoziationen wir eine halbe Stunde vor dem Mittagessen vorgetragen und unter dem betreffenden in den Räumen der Arbeitsgruppen die Buchstaben an der Stellwand angebracht. Gelegenheit dazu. Die Leiterin liest zum Abschluss alle Begriffe Zu Ihrer Orientierung erhalten Sie nun das zum Wortpaar „Grenz – Erfahrung“ langsam Blatt mit Orten und Themen. vor, wie eine Klangcollage. Den Übergang aus diesem Raum zu den Orten der persönlichen Auseinandersetzung möch ten wir durch einen Schwellentanz gestalten.“ Die Kopiervorlagen mit Skizze, Orten und Themen werden verteilt (siehe Anlage/CD).
Aschermittwoch der Frauen | 6. Hinführung zum Schwellentanz Es ist auch möglich folgenden Text vorzulesen: Schwellen – Grenz-Tanz An der Schwelle Über Schwellen – neue Räume beschreiten. Ich möchte wohnen dürfen, zu Hause sein Vorsicht Schwelle – weist ein Schild auf eine und daheim. Bodenerhebung hin. Nicht stolpern! Ich möchte mich lassen dürfen, ausatmen Achtung, wohin gehst du? und ausruhen. Grenzen – Schwellen – Türschwellen: Du rufst mich immer neu heraus, sie grenzen eindeutig Raum von Raum. dass ich aufbreche und gehe, Draußen und drinnen: Schutz oder Hemmnis? dass die Zukunft Ziel bleibt Mit der Tür ins Haus fallen und die Schwelle mein Ort. „Zwischen Tür und Angel“ kennen wir als Sprichwort. Du rufst mich immer neu in dein Haus. Schwelle als Grenze – Ort dazwischen. Die Zu Hause möchte ich sein bei dir. Türschwelle ist der Ort des Übergangs. Und ich werde. Betrete ich einen neuen Raum, so verlasse ich zugleich den, aus dem ich komme. 7. Schwellentanz Raum der Entscheidung! 8. Individuelle Beschäftigung mit ausgewählten Stationen des Wir laden Sie jetzt ein, sich Zeit zu nehmen „Grenzparcours“ und ihre Grenzthemen zu wählen und dann bewusst über die Schwelle zu gehen – hier Hierfür sollten etwa 1 ½ bis 2 Stunden zur konkret aus dem Raum. Verfügung stehen. Schön wäre es, dies gemeinsam zu tun. (Textblätter Grenzerfahrungen im Anhang/CD) Die Größe der Gruppe lässt uns die prak tischen Grenzen erfahren. Wir können dies nicht gemeinsam tun! Gehe jede von Ihnen ihren Weg über ihre Schwelle.
10 | Aschermittwoch der Frauen 9. Möglichkeit zum Austausch über 11. Gesprächs- und Arbeitsgruppen gemachte Erfahrungen in Kleingruppen angebote am Nachmittag Diejenigen, die über ihre Erfahrungen spre- Für die Dauer von 75 Minuten werden chen möchten, haben dazu Gelegenheit. Gesprächs-/Arbeitsgruppen angeboten, Die Gruppen sollten von einer Moderatorin die sich auf je andere Art und Weise einem geleitet werden, die darauf achtet, dass alle, Teilaspekt des Tagesthemas nähern. Fünf die möchten, zu Wort kommen und dass die verschiedene Möglichkeiten sind im Anhang geschilderten Erfahrungen wertschätzend beschrieben. Bei den folgenden Modellen aufgenommen werden. 30 Minuten Zeit sind kann es sinnvoll sein, jeweils aus der Fülle ausreichend. der Elemente auszuwählen und dafür zu sor- gen, dass die Gruppen etwa gleich groß sind 10. Mittagessen und Pause und dennoch die Frauen möglichst an ihrer Wahlgruppe teilnehmen können. Sofern ein Es wird eine einfache Fastensuppe gereicht. Priester zur Verfügung steht, kann parallel Wenn die Möglichkeit besteht, sollten zwei zu den Arbeitsgruppen die Möglichkeit zum Räume zur Verfügung stehen, so dass das Essen Beichtgespräch angeboten werden. in einem der beiden Räume im Schweigen ein- genommen werden kann. Erfahrungsgemäß 12. Aschermittwochsliturgie wird diese Möglichkeit von etwa zwei Drittel der Frauen genutzt. 1 ½ Stunden für Essen, evtl. Den Tagesabschluss bildet die Feier der Stehkaffee und Pause sind empfehlenswert. Aschermittwochsliturgie. (Vorschlag für einen Gottesdienst zum Abschluss des Tages siehe Anhang/Links)
Aschermittwoch der Frauen | AG I | 11 Gesprächs-/Arbeitsgruppe I „Erst der Einbezug von Grenzen eröffnet den Raum der Möglichkeiten.“1 > Eine Annäherung an positive Aspekte von Grenzen von Gertrud Ganser Material: 3. Auswertung des „Stummen Dialogs“ · Großes Papierstück (ca. 2 x 3 Meter) Im ersten Schritt geht es darum, Verständnis · dicke Filzstifte fragen zu den Texten auf dem Plakat oder · Textblatt Missverständnisse zu klären. Danach wird · evtl. Briefpapier, Umschläge und Stifte das Gespräch über den Prozess des stummen Aufschreibens und auf die Inhalte gelenkt. Mögliche Fragen sind dabei: Ablauf: Wie war es für Sie stumm zu bleiben? Welche Themenschwerpunkte finden sich auf dem 1. Einführung Plakat? Was davon möchten sie gerne vertie- fen? Was ist Ihnen besonders wichtig? Fehlt Die Teilnehmerinnen kommen in den vorberei- aus Ihrer Sicht noch etwas? teten Raum mit Stuhlkreis. Im Inneren liegt das große Papierstück, auf dem in der Mitte – so dass noch viel Platz rundherum ist – der Titel 4. Schreiben eines Briefes der Arbeitsgruppe steht. Dicke Stifte liegen an sich selbst bereit. Die Leiterin begrüßt die Anwesenden (falls genügend Zeit zur Verfügung steht) Die Teilnehmerinnen werden eingeladen, einen 2. „Stummer Dialog“ Brief an sich selbst zu schreiben, in dem sie die Gedanken für sich selbst bündeln und mit Der Titel der Arbeitsgruppe wird vorgelesen. der eigenen momentanen Lebenssituation in Dann werden alle aufgefordert aufzustehen Verbindung bringen. Der Brief wird verschlos- und ihre Assoziationen dazu auf die freie sen, an sich selbst adressiert und der Leiterin Fläche zu schreiben. Dabei ist es möglich, gegeben. Diese versendet den Brief nach etwa immer wieder auf schon Geschriebenes mit 4 bis 8 Wochen. Es ist wichtig, darauf hinzu- einem eigenen Text zu reagieren, es schriftlich weisen, dass es ein Brief werden soll, den man zu kommentieren, zu verstärken oder auch zu gerne in Empfang nehmen wird und auf den befragen. Während der ganzen Zeit wird ge- man sich freut. schwiegen. Die Leiterin beendet diese Phase nach etwa 20 bis 30 Minuten und bittet die Teilnehmerinnen nochmals um das Plakat zu 5. Abschluss mit einem Text gehen und wahrzunehmen, was alles niederge- Es ist schön, die Gruppenarbeit mit dem ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. schrieben wurde. Verlesen eines passenden Textes zu beenden und diesen auch den Teilnehmerinnen in Kopie mitzugeben. Auf der Rückseite finden Sie eine Auswahl: 1) Zitat aus B. Gussone und G. Schiepek, Die „Sorge um sich“. Burnout-Prävention und Lebenskunst in helfenden Berufen (Tübingen; dgtv 2000), S. 95
12 | Aschermittwoch der Frauen a) „Ich bin mir gegeben worden.“ d) NIEMAND SUCHT AUS Romano Guardini Man sucht sich das Land seiner Geburt nicht aus, b) Ich glaube, dass Gott mich geschaffen hat, und liebt doch das Land, wo man geboren wie ich bin, wurde. ich glaube an seine Kraft, die in meiner Seele liegt. Man sucht sich die Zeit nicht aus, in der man die Welt betritt, Ich glaube, dass Gott meine Freiheit will, aber muss Spuren in seiner Zeit die Entfaltung meiner Kräfte, hinterlassen. die Entwicklung meiner Möglichkeiten, meine Art zu sein. Seiner Verantwortung kann sich niemand entziehen. Ich glaube, dass Gott mich begleitet, mich wachsen und reifen lässt, Niemand kann seine Augen verschließen, mich fördert – und fordert, nicht seine Ohren, stumm werden und sich sein Werkzeug zu sein. die Hände abschneiden. Ich glaube, dass Gott mich liebt, Es ist die Pflicht von allen zu lieben, durch mich wirken will, ein Leben zu leben, an sein Ja zu mir, ein Ziel zu erreichen. das ich nicht verdienen kann. Wir suchen den Zeitpunkt nicht aus, zu Ich glaube an die unermessliche dem wir die Welt betreten, Weisheit Gottes, aber gestalten können wir diese Welt, die mir Grenzen setzt worin das Samenkorn wächst, und das Vertrauen schenkt, das wir in uns tragen. gehalten und geborgen zu sein. aus: Gioconda Belli, Wenn du mich lieben willst Peter Hammer Verlag Wuppertal, 2000 Ich glaube, das lässt mich leben. aus: Jeden Augenblick segnen. e) Gut geeignet ist auch das Bild von Segensworte für jeden Tag des Jahres, Joachim Kögel „Orientierung“ mit dem © Verlag am Eschbach der Schwabenverlag AG, interpretierenden Text von Patrik Scherrer. Eschbach/Markgräflerland, 2. Auflage 2008 Sie finden es im Internet unter c) WUNSCH AN DAS LEBEN www.bildimpuls.de Zu sein, wer ich bin, nicht mehr aber auch nicht weniger und ganz, um da zu sein für die, die ich liebe. ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. Catarina Carsten
Aschermittwoch der Frauen | AG II | 13 Gesprächs-/Arbeitsgruppe II „Auf eine offene Tür zu – Leben mit Sterbenden“ > Film mit anschließendem Gespräch zum Umgang mit dem Tod eines nahen Angehörigen von Dr. Hedwig Lamberty-Zielinski Den vorgenannten Film kann man in der Einführung Medienzentrale des Erzbistums Köln (Kardinal-Frings-Str. 1-3, 50668 Köln, Ich begrüße Sie hier zum Film „Auf eine offene Tel.: 0221/16 42 33 33) als Video ausleihen. Tür zu“. Wir werden ihn zusammen anschauen und dann darüber sprechen. Wichtiger Hinweis Der Film handelt von einer etwa 40-jährigen Bevor Sie den Film zeigen, schauen Sie sich Frau, die im Rückblick den Krankheitsverlauf ihn mindestens zweimal selbst an, damit Sie ihres Mannes, sein Sterben und ihr Leben mit dem Inhalt und einzelnen Szenen vertraut danach beschreibt. Der Mann ist an einem sind. Außerdem ist das Thema sehr existentiell: Gehirntumor erkrankt und hat nur noch einige Ein ca. 40-jähriger Mann stirbt an einem Monate zu leben. Als er stirbt, hinterläßt Gehirntumor und hinterläßt Frau und 3 Kinder. er neben seiner Frau drei noch minder- Erzählt wird die Geschichte, wie die Frau mit jährige Kinder. der Krankheit und dem Tod ihres Mannes umgeht. Es ist eine hoffnungsvolle Geschichte, Der Film ist sehr bewegend, da er sich mit da die Frau diesen Schicksalsschlag aus ihrem der schwierigsten Situation des Menschen Glauben heraus annehmen und nach dem beschäftigt – mit dem Tod. Deshalb ist er hier Tod ihres Mannes wieder Mut zum Leben zum Thema „Kreuz“ bewußt ausgewählt - Das fassen kann. Kreuz als „Ärgernis“, aber auch als „Leben“. Der Film ist von 1982, d.h. bereits etwas älter – er ist Der Film ist ein hoffnungsvoller Film, bei aller aber in seiner Grundbotschaft zeitlos. Trauer. Lassen Sie ihn zunächst einfach auf sich wirken. Filmvorführung Gespräch Lassen Sie nach dem Film Raum, dass alle das sagen können, was sie in der ersten Betroffenheit sagen möchten (nichts bewer- ten – alles darf sein). Vielfach ruft der Film Erinnerungen an ähnlich gelagerte Schicksale ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. im Familien- oder Freundeskreis wach. Hier Raum lassen für Erinnerungen.
14 | Aschermittwoch der Frauen | AG II Besprechen Sie in einem zweiten Schritt ein- zelne Szenen/Themen – z.B.: • Krankheitsbeginn und Verlauf – und dazu die Gedanken und das Verhalten der Frau • Tod und die Wochen danach – und dazu die Gedanken und das Verhalten der Frau • Die Frage nach dem „Warum“ – Warum stirbt dieser noch so junge Mann und hin- terlässt Frau und Kinder? (Die Frage ist kaum zu beantworten, muss aber benannt werden, da sie sehr bedrän- gend sein kann) • Die Bedeutung der Kinder • Die Bedeutung von Menschen, die die Familie/Frau begleiten • Umgang der Witwe mit ihrer Trauer – wo findet sie Trost und Hilfe • Der neue Lebensmut der Witwe • … Versuchen Sie im Gespräch immer wieder, gerade die hoffnungsvolle Botschaft des Films heraus zu stellen: Unser Glaube an die Auferstehung kann und will uns Kraft geben, solche Schicksalsschläge anzunehmen. > Weitere Anregungen für das Gespräch finden Sie auch im Begleitmaterial zum Film. ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen.
Aschermittwoch der Frauen | AG III | 15 Gesprächs-/Arbeitsgruppe III „GrenzWorte – WortGrenzen“ > Literarische Impulse von Hildegard Müller-Brünker Material: Schule. Es geht darum, sich von den Texten · Raumgestaltung: Stuhlkreis ohne Tische inspirieren und ansprechen zu lassen, aufkom · Zur Gestaltung der Mitte ein Tuch, evtl. mende Gefühle wahrzunehmen, Gedanken der Blumen oder eine Pflanze, Kerze anderen Teilnehmerinnen zu hören und dann · Material mit dem Sie eine Grenze darstellen diese Texte in den Bezug zum eigenen Leben können oder Fotos/Bilder von Grenzen setzen. · Blatt mit den kopierten Texten (siehe Arbeitsblatt) Auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Text ist fruchtbar, sogar ablehnende Aussagen können weiterbringen. Vorbereitung: Die Texte sind immer subjektive Sichtweisen der jeweiligen Autorin oder des jeweiligen Kopieren Sie die Texte, die Sie bearbeiten Autors, es besteht eine Eigenheit der Dichtung, wollen und stellen Sie sie als kleines Textheft die mitunter eigenen Erfahrungen entgegen zusammen. steht. Begrüßung: Ablauf: Ich begrüße Sie zu diesem Gesprächskreis 1. Lesen Sie als Leiterin das Gedicht laut vor GrenzWorte – WortGrenzen. Schon dieses Wortspiel zeigt deutlich, dass der Arbeitskreis 2. Lassen Sie die Teilnehmerinnen assoziieren: sich mit Worten, aber auch mit den Grenzen, Welche Worte fallen auf? Warum fallen diese die Worte nun einmal sind, auseinander setzen Worte auf? Welche Gedanken oder Gefühle wird. Worte können Grenzen aufzeigen, aber kommen auf? Welche Bilder verbinden Sie Grenzen können auch durch Worte überwun damit? Was könnte das bedeuten? den werden. Und manchmal setzt die Sprache uns Grenzen, weil wir nicht die passenden 3. Sammeln Sie als Leiterin diese Aussagen Worte finden, Gedachtes, Gefühltes, Erlebtes ggf. auf einem Papier und achten Sie unbedingt auszudrücken. darauf, dass Aussagen nicht bewertet werden, alles darf gesagt werden. Es gibt keine fertige Ich habe Texte von Dichterinnen und Dichtern Interpretation. Fassen Sie ggf. Gesagtes zu- aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sammen. ausgewählt, die diese Thematik in mehr oder ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. weniger verschlüsselten Bildern enthält. 4. Für den Zeitrahmen von ca. 1,5 Stunden ma- Manche Gedichte mögen auf den ersten ximal 3 – 4 Gedichte nehmen. Die Entscheidung Blick schwer verständlich und wenig anspre für die Auswahl hängt auch von den chend sein. Aber im gemeinsamen Lesen und Erfahrungen der TN ab. Interpretieren der Texte werden sie sich er schließen. Es geht hier im Arbeitskreis nicht um eine richtige oder falsche Interpretation der Texte. Alles darf gesagt werden, und es gibt keine Noten für eine Gedichtinterpretation wie in der
16 | Aschermittwoch der Frauen Arbeitsblatt für die Teilnehmerinnen Texte zu AG III Als ich über die Schwelle trat Credo Mysterium Als ich über die Schwelle trat Ich glaube an Gott Die Seele der Dinge heute aber ich weiss nicht lässt mich ahnen spürte ich den Segen der Erde glaubst die Eigenheiten unter mir Du Geliebter unendlicher Welten ich glaube an Dich Sei fest verankert sprechen wir nicht mehr Beklommen Sei tief gegründet davon such ich das Antlitz Tochter von Mutter Erde aber wie ist es denn eines jeden Dinges Und deshalb wer dringt denn und finde in jedem wage den Sprung durch meine Latten ein Mysterium Schreite weit aus herein Überschreite die Schwelle! lichtflüssiges Geheimnisse reden zu mir Gottesnichts eine lebendige Sprache Brigitte Enzer-Probst, über die Herdasche her Aus der Fülle Leben, S. 59 Claudius Verlag, München worinnen ich liege Ich höre das Herz des Himmels wer ist denn das pochen wer anderes in meinem Herzen Ich weiß nicht Glauben sprechen wir nicht mehr Rose Ausländer, aus: dies., Wieder ein Tag aus Glut und Wind. Gedichte 1980 – 1982. Ich weiß nicht wie ich davon © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1986 vom heutigen Ufer gestehe es ans Ufer von morgen gelangen soll. mein Erlöser du nahmst mich Traumsicher Der Fluss entführt inzwischen mitsamt meiner Hütte die Wirklichkeit dieses Abends mit An der Regengrenze in Meere ohne Hoffnung. nach Hause Augenblicksworte Amen Ich blicke nach Osten, nach Westen. Stolpernd Ich blicke nach Süden und nach Silja Walter über den Schatten Norden… über die flüchtige Brücke Die ganze goldene Wahrheit, gehen wir die meine Seele umgab – Kurzes Gebet traumsicher gleich einem vollendeten Himmel – Mensch an Mensch an Mensch fällt, zerbrochen und falsch. Herr, lass mich werden, der ich bin In jedem Augenblick. Lichtstrategie … Ich weiß nicht, wie ich Und gib, dass ich von Anbeginn Rose Ausländer, aus: dies., Und preise die ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. vom heutigen Ufer Mich schick in mein Geschick. kühlende Liebe der Luft. Gedichte 1983 – 1987. ans Ufer von morgen gelangen soll. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1988 Ich spür, dass eine Hand mich hält aus: Juan Ramón Jiménez Herz, stirb oder singe Und führt, - bin ich auch nur Copyright © 1958 Diogenes Verlag AG Zürich Auf schwarzem oder weißem Feld Die stumme Schachfigur. Mascha Kaléko: In meinen Träumen läutet es Sturm. © 1977 Deutscher Taschenbuch Verlag, München.
Aschermittwoch der Frauen | AG III | 17 Gegen den Strom Ziehende Landschaft Auf Wolkenbürgschaft Schwimm Man muß weggehen können Ich habe Heimweh nach einem Land gegen den Strom und doch sein wie ein Baum: in dem ich niemals war, als bliebe die Wurzel im Boden, wo alle Bäume und Blumen Der Strom schwimmt als zöge die Landschaft und wir stän- mich kennen, gegen den Himmel den fest. in das ich niemals geh, Man muß den Atem anhalten, doch wo sich die Wolken Seine bis der Wind nachläßt meiner verschlossenen Türen und die fremde Luft um uns zu kreisen genau erinnern, sind offen beginnt, ein Fremder, der sich bis das Spiel von Licht und Schatten, in keinem Zuhause Rose Ausländer, aus: dies., Und preise die von Grün und Blau, ausweinen kann. kühlende Liebe der Luft. Gedichte 1983 – 1987. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1988 die alten Muster zeigt und wir zuhause sind, Ich fahre wo es auch sei, nach Inseln ohne Hafen, Viele Vögel flattern auf und niedersitzen können und uns an- ich werfe die Schlüssel ins Meer lehnen, gleich bei der Ausfahrt. Viele Vögel flattern auf, als sei es an das Grab Ich komme nirgends an. verzückt im Flügelschlag – unserer Mutter. Mein Segel ist wie ein Spinnweb im Wind, Ich habe gewartet, Hilde Domin, aus: dies., Gesammelte Gedichte. aber es reißt nicht. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1987 meine maßlosen Sinne zerbrechend, Und jenseits des Horizonts, und saß viele Stunden, gebeugt wo die großen Vögel über das Ausgestrecke meiner Hände. Über die Grenze gehen am Ende ihres Flugs Aber du riefst nicht. die Schwingen in der Sonne trocknen, Wer einen Menschen liegt ein Erdteil Bis an diesem Abend Wieder zum Lachen bringt, wo sie mich aufnehmen müssen, sich dein Wort warf der schließt ihm das Himmelreich auf. ohne Paß, in mein horchendes Zimmer, Wer einem Menschen Geduld schenkt, auf Wolkenbürgschaft. jäh, wie ein fallender Stern. der infiziert ihn mit Hoffnung. Wer einen Menschen aufnimmt, Hilde Domin, aus: dies., Gesammelte Gedichte. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1987 Nun jagen über die Grenzen des so wie er selber Himmels von Christus aufgenommen ist, die Schreie meiner Freude, der löst ihm die Zunge zum Loben. Neue Wege und der Weg zu dir wandelt sich zum Choral, Lasst uns ausziehen Neue Wege möchte ich finden wiedergebend die Melodie meiner Aus unseren Gewohnheiten, schmerzhaft ungegangene ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. Füße. um an der Bibel das Hoffen zu lernen. vom Du zum Ich. Lasst uns ausziehen Eine Welt lag in schweren Gewändern, Und über die Grenze gehen, Keine Handbreit an mir bis deine Stimme, um das Leben mit Hoffnung zu infizie- die deinem Eintritt lächelnde Allmacht, ren. widersteht. die Schwere nahm. Lass uns keine Grenze mehr achten; Hilde Domin, aus: dies., Gesammelte Gedichte. Sondern nur noch den, © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 1987 Paula Ludwig, in: Gedichte der die Grenze öffnet. Jürgen Moltmann, in: Frauen vor Gott
18 | Aschermittwoch der Frauen | AG III Mild und leise Gebet Weltflucht Wenns auch nur anhebt Ich suche allerlanden eine Stadt, Ich will in das Grenzenlose anhebt, mild und leise, Die einen Engel vor der Pforte hat. Zu mir zurück, Ich trage seinen großen Flügel Schon blüht die Herbstzeitlose Seht ihr’s Freunde, seht Gebrochen schwer am Schulterblatt Meiner Seele, ihr’s nicht? Denn Und in der Stirne seinen Stern als Vielleicht – ist’s schon zu spät zurück! Siegel. O, ich sterbe unter Euch! wer möchte leben, Da Ihr mich erstickt mit Euch. wenn er zu Atmen Und wandle immer in die Nacht ... Fäden möchte ich um mich ziehn – nicht hat, das schwarze Ich habe Liebe in die Welt gebracht – Wirrwarr endend! Segel immer aufgezogen Dass blau zu blühen jedes Herz Beirrend, vermag, Euch verwirrend, Wer möchte leben Und hab ein Leben müde mich Um zu entfliehn wenn er nicht zu Atmen hat, gewacht, Meinwärts! das schwarze Segel immer In Gott gehüllt den dunklen aufgezogen. Atemschlag. Else Lasker-Schüler, in: Sämtliche Gedichte den Tag nur eine Nacht die Nacht nur Tag, O Gott, schließ um mich deinen wenn alles geht und Mantel fest; Mein Herz ruht müde nicht mehr kommt und Ich weiß, ich bin im Kugelglas nie mehr kommen wird. der Rest, Mein Herz ruht müde Und wenn der letzte Mensch Auf dem Samt der Nacht Am Tag, die Wüstenei die Welt vergießt, Und Sterne legen sich auf meine geliebt noch so gehassten. Du mich nicht wieder aus der Augenlide… Allmacht läßt Ingeborg Bachmann, aus dem Verlagswerk Und sich ein neuer Erdball um Ich fließe Silbertone der Etüde – „Ich weiß keine bessere Welt“; S. 97 mich schließt. Und bin nicht mehr and doch vertausendfacht. Else Lasker-Schüler, in: Sämtliche Gedichte Und breite über unsere Erde: Friede. Ich habe meines Leben Schlußakkord vollbracht – Bin still verschieden – wie es Gott in mir erdacht: Ein Psalm erlosender – damit die Welt ihn übe. Else Lasker-Schüler, in: Sämtliche Gedichte ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen.
Aschermittwoch der Frauen | AG IV | 19 Gesprächs-/Arbeitsgruppe IV „Meine engen Grenzen“ > Mein Weg zu mir durchs Labyrinth von Astrid Overath Materialien: leicht nach vorne, hinten, oben, unten und las • Legen des Labyrinthes: Blumen, Pflanzen, se sie dann einfach hängen. Die Hände kann Tücher, Seile, Schalen, Steine, Kreuz ich wie eine offene Schale ineinander legen. Klangschale, Spiegelscherben, Scherben eine Tontopfes, Sand, Muscheln, Federn, Ich überprüfe meine Kopfhaltung und bringe mein Edelsteine, Schale mit Wasser… Kinn noch etwas in Richtung Brustbein. Meine • In der Mitte des Labyrinthes: Kerze, Kreuz, Lippen und Zähne liegen locker aufeinander. Bibel, Blume (siehe Foto) Eventuell muss ich meine Sitzhaltung nochmals • Außerdem bitte noch folgendes bereithalten: verändern, um möglichst entspannt zu sitzen. · Streichhölzer · Regenbogenteelichte Nun versuche ich, meinen ATEM wahrzu · Farbiges DINA 4 Papier für Fußabdruck nehmen, möglichst ohne ihn zu beeinflussen · Stifte – einfach zu spüren, wie er von selbst kommt. · Scheren Es atmet mich. · Kopie vom Labyrinth (Arbeitsblatt S. 23) · Kopie vom Labyrinth aus Helfta mit Gebet Zunächst widme ich meiner Ausatmung. · CD-Player Ich spüre, wie mein Atem „tief nach unten“ · CD: Tänze zum Labyrinth ausströmt. Mit jeder Atemwelle gebe ich ver brauchte Luft ab und kann vielleicht etwas von meinen Spannungen loslassen. Nur wenn ich loslasse, aus mir herausgehe, abgebe, kann 1. Übung zum Ankommen ich etwas Neues aufnehmen. Einfach Da – sein – ganz einfach? Ich lade Sie ein, sich einen guten Platz auf Ihrem Stuhl zu suchen. Nehmen Sie Ihren Stuhl in Besitz. Legen Sie alles bei Seite und versuchen Sie sich auf sich selbst zu konzen trieren. Vielleicht mögen Sie mal die Augen schließen und sich selber wahrnehmen. Spüren Sie den Kontakt zur Sitzfläche Ihres Stuhls. Wie bin ich auf diesem Stuhl? Setzen Sie sich möglichst aufrecht, das geht am bes ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. ten, wenn Sie auf dem vorderen Drittel Ihres Stuhles sitzen. Legen Sie die Hände flach auf die Oberschenkel. Der Beckenraum ist die MITTE meines Körpers. Meine Knie und Füße sind etwa hüftbreit auseinander. Ich bewege die Fußzehen ein wenig, kralle und spreize sie, versuche wahrzunehmen, wo meine Fußsohlen aufliegen und wie ich Kontakt zum Boden habe. Dann richte ich vom Beckenraum aus meinen Oberkörper auf. Ich bewege meine Schulter
Nach dem Ausatmen entsteht eine kurze 2. Malen der Umrisse des Fußes der „schöpferische Pause“, meine Lunge ist jetzt Teilnehmerinnen auf farbiges DIN A4 Papier, fast luftleer, und ich bin ganz bei mir selbst. ausschneiden und den Namen in den Fuß Kann ich spüren, wie ohne großes Zutun wie schreiben. der ein neues Atem einsetzt? Anschließend sich mit dem Symbol des gemal- ten Fußes kurz vorstellen. Ich verfolge den Weg der Luft, wie sie in meine Nase oder durch meinen Mund einströmt, wie 3. Impulse zum Labyrinth sie am Gaumen vorbei durch die Bronchien in Labyrinth bezeichnet ein auf einen die Lunge strömt, wie sich mein Brustkorb und Mittelpunkt ausgerichtetes System von mein Bauch weiten und zurückgehen. Linien oder Wegen, das durch zahlreiche Richtungsänderungen ein Verfolgen oder Ich weiß, dass der Sauerstoff mein Blut anrei Abschreiten des Musters zu einem Rätsel chert und so mein ganzer Körper mit Wärme macht. Labyrinthe können als Bauwerk, und Energie versorgt wird. Mit jedem Atemzug Ornament, Mosaik, Pflanzung (wie in Helfta), wird mir neues Leben geschenkt. Ich lasse Steinsetzung, als Zeichnung oder Felsritzung die Gedanken kommen und gehen, wie sie mir ausgeführt sein. Auch in gedruckter Form exis- gerade einfallen, ohne sie festzuhalten. tieren Abbildungen labyrinthischer Muster. Wenn ich zu grübeln beginne, versuche ich Darüber hinaus wird der Begriff im übertragenen wieder, mein Aus- und Einatmen mit drei Sinne verwendet, um einen Sachverhalt als ver- Worten, die Grundvollzüge des Lebens zu be worren, schwierig und begrenzt zu kennzeichnen. nennen: Das Wort Labyrinth (griechisch LOSLASSEN beim Ausatmen labyrinthos: Irrgarten; wahrscheinlich abge- leitet von labrys: Doppelaxt; Haus der Labrys). NEUWERDEN in der Atempause Seine ursprüngliche Bedeutung ist nicht mehr genau nachvollziehbar. Es ist allgemein be- ANNEHMEN beim Einatmen kannt durch die Theseus-Sage. Labyrinthe gibt es außerhalb Europas vereinzelt auch auf an- Atem ist Bewegung und Ruhe in einem. deren Kontinenten der Nordhalbkugel. Atmen ist ein Geschenk Gottes: Gott haucht dem Menschen seinen Atem ein und er wurde Im heutigen Sprachgebrauch werden das lebendig... Labyrinth und der Irrgarten meist miteinander gleichgesetzt und verwechselt. Ein Irrgarten Sagen mir solche Gedanken etwas über das ist ein verschlungenes Netz von Wegen, das Geheimnis meines Atmens – meines Lebens? vor immer neue Wahlmöglichkeiten stellt, die Ich darf vor Gott dasitzen und mich annehmen, jeweils in die Irre, an Grenzen führen können so wie ICH nun einmal bin. – so dass der Ausweg nur gefunden wer- den kann, wenn man zurückgeht und neue Er schaut mich liebevoll an und gibt mir immer Möglichkeiten ausprobiert. wieder neue Kraft, jeder von uns egal ob ich Mann oder Frau bin, egal für welches Leben – für Ein Labyrinth dagegen ist ein kreuzungsfreier, ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. welche Lebensform ich mich entschieden habe. einliniger Weg, der niemals zur Entscheidung zwingt, sondern auf eine Mitte – dem Ende des Ich bin einmalig und unwiderruflich in Gottes Weges hinführt. Hand geschrieben. Atmen wir diese Gedanken. Das Labyrinth wird durch eine Öffnung be- Kommen wir wieder langsam in treten, der Weg führt dann durch zahlreiche unseren Kreis zurück. Räkeln und Umwege – die sich nicht umgehen oder über- strecken Sie sich. Atmen Sie tief durch und springen lassen – von der Peripherie zur Mitte. gähnen Sie(es darf auch hörbar sein).
Aschermittwoch der Frauen | AG IV | 21 4. Übung mit dem Labyrinth (auf dem 6. Rundgespräch: Arbeitsblatt S. 23) Was bedeutet für mich das Gehen im Labyrinth? Gehen Sie zunächst den Weg des Labyrinthes Welche Erfahrungen habe ich jetzt mitge- nur mit den Augen. bracht? Jedes Labyrinth hat einen Eingang. Er öffnet Erfahrungsaustausch: Wie ist es mir dabei sich für das Unerwartete. ergangen? Trete ich ein? Bleibe ich lieber zurück? Gehen Sie den Weg des Labyrinthes dann mit einem Finger oder Stift. Zunächst führt der Weg einfach geradeaus: Dann wird der Weg gebogen, hier und da eine Erfahrungsaustausch: War es unter Kurve, Kehrtwende. Es wird unübersichtlich Zuhilfenahme des Fingers/ Stiftes einfacher? und der Weg scheint sehr lang. Ich begegne Frauen, mal nah, mal weit weg. 5. Sich dem Treiben entziehen Es ist notwendig, Kann ich Nähe und Distanz zu lassen? manchmal anzuhalten, auszusteigen, Bin ich auf dem richtigen Weg? Wer sagt mir, sich dem Treiben zu entziehen, ob diese Richtung stimmt? selbst wenn es noch gut geht, selbst wenn es noch läuft, Warum dieses Hin und Her? selbst wenn ich noch produktiv bin. Kein Weg ist gradlinig, sondern meistens kom- Ich will anhalten, pliziert, verzweigt, begrenzt. meinen Atem spüren, mir in die Augen sehen, Gehe ich nicht plötzlich in die entgegen gesetz- meine inneren Bilder leuchten lassen. te Richtung? Es kommt mir vor, als ob ich dort angelangt bin, wo ich am Anfang war. Weg von Ich muss anhalten, der Mitte, der ich mich schon so nah glaubte. zur Ruhe kommen, zu mir kommen, Oder habe ich mich getäuscht? damit ich anderen begegnen kann. (Max Feigenwinter: Martin Schmeisser, Monika und Was erwartet mich am Ende? Was ist eigent- Andreas Pfeffer (Hg.): Lass meine Seele aufatmen, lich das Ziel? Verlag am Eschbach. 2. Auflage 1998) Das Labyrinth ist schon in den ersten christ- Jede Frau geht mit ihren eigenen Gedanken ih- lichen Jahrhunderten in die Symbolwelt des ren je eigenen Weg durchs Labyrinth auf dem Christentums integriert worden. Leicht ließ Boden und legt ihren gemalten Fuß an den Ort sich seine Ursymbolik auf das Geheimnis des ab, der für sie jetzt von Bedeutung ist! Glaubens hin umdeuten: auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Christus konnte - Zeit lassen bis alle wieder auf ihren Plätzen sogar als der neue Theseus gedeutet werden, ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. sitzen! der die Unterwelt besiegt hat und endgültig das neue Leben hervorgebracht hat. Wer sich mit ihm auf den Weg des Labyrinths einlässt als einem Weg, der mit dem eigenem Tod und der Todverfallenheit der ganzen Schöpfung konfrontiert, findet schließlich in der Mitte den Ort der Gnade, des Erbarmens und wird mit Christus zu einem neuen Leben geboren.
22 | Aschermittwoch der Frauen | AG IV Labyrinthe sind Zeichen für den Weg, den Umkehr-Weg: - vom Tod zur Auferstehung - von der Trauer zu neuer Lebensfreude - von schwierigen Lebensphasen zur Erlösung - von der Enge, den Grenzen in die Freiheit - vom Abschied zum Neubeginn - von der Begegnung mit sich selbst und der gewandelten Rückkehr ins Leben. 7. Gebet im Labyrinth (siehe Arbeitsblatt S. 24) Das Gebet wird gemeinsam gesprochen. Jede Frau bekommt ein Regenbogenteelicht. 8. Gemeinsames Gehen im Labyrinth mit Regenbogenteelicht (dazu Musik von der CD im Hintergrund, Tänze zum Labyrinth) Die Frauen stellen ihre Kerzen an den Ort im Labyrinth, der jetzt zu ihrem Lebenslabyrinth passt. 9. Zum Abschluss beten alle das Vater unser mit geöffneten Händen. Helge Burggrabe/ Christof Fankhauser, Klänge des Labyrinths (Köselverlag) An der Schwelle, Marie-Luise Langwald : Hannelie Jestädt, Traumtänze – Gott in unserer Mitte finden (Chorosverlag, Viersen 2004), 110. ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen.
Aschermittwoch der Frauen | AG IV | 23 Arbeitsblatt für die Teilnehmerinnen „Meine engen Grenzen“ ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen.
24 | Aschermittwoch der Frauen | AG IV Gebet im Labyrinth Alles erscheint in einem neuen Licht. Gott meines Lebens, In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines ich bin unterwegs auf dem Weg durch mein neuen Tages, sagt man, und ich spüre die Lebenslabyrinth. Wahrheit in diesen Worten und die Kraft, die von ihnen ausgeht. Niemand hat mich gefragt, ob ich es betreten will, aber nun gehe ich Schritt für Schritt. Manchmal verliere ich völlig die Orientierung und weiß nicht mehr, bin ich unterwegs zur Manchmal ist der Blick frei auf die Mitte, Mitte oder auf dem Weg zum Rand? dann hat alles seinen Sinn, ein Ziel, Der Boden unter den Füßen gerät ins Wanken. mein Leben ist erfüllt und reich, es lohnt sich, zu leben. Wer sagt mir, wie es weitergeht? Manchmal allerdings führt der Weg wieder an Wer sagt mir, wie ich mich richtig entscheide? den Rand, alles scheint sinnlos zu sein, niedergeschlagen und mutlos stelle ich die Gott meines Lebens, auf dem Weg durch das Frage, was das alles noch soll. Labyrinth bist du bei mir als Begleiter und Ziel. Vergessen sind die Augenblicke auf die Mitte, Ich glaube an dich. Ich hoffe auf dich. Ich und Trostworte kommen nicht an. vertraue dir. Aus: Angedacht; Klauke/Brockmann, Grünewald Und dann, ganz am Rand, wenn alles nicht mehr schlimmer kommen kann, kommt plötzlich eine Wende. ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen.
Aschermittwoch der Frauen | AG V | 25 Gesprächs-/Arbeitsgruppe V „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22) > Gebet zwischen Klage und Lobpreis von Eva-Maria Will Material: Zum Ablauf der Gesprächseinheit: • CD-Player und eine CD mit meditativer Musik Zunächst werde ich Ihnen den kompletten, • Din A 4 Blätter mit ausgewählten sehr langen Psalm vortragen. Danach möchte Psalmversen ich mit Ihnen einzelne Verse und die darin auf • andersfarbige Papierstreifen mit scheinenden verschiedenen Dimensionen des Stichworten, die die einzelnen Psalmverse Psalms betrachten und besprechen. Zum bes charakterisieren seren Verständnis werde ich Ihnen dann einige • Unbeschriebene Papierstreifen und Hintergrundinformationen zum Psalm geben. dicke Stifte Bei allem sind Sie eingeladen, sich selbst in • Zahlreiche Gegenstände (Steine, Beziehung zu diesem Psalm zu bringen“. Strohhalme, Scherben, Strick, Messer, Kerzenwachs, Glasmurmeln, Perlen, Samen, 2. Die L trägt den langen Ps 22 einmal komplett Spiegel, Kreuz, Rosenkranz etc.) vor. Die TN haben den Text noch nicht vorlie- • Kopie mit dem kompletten Psalm für die TN gen, sondern hören nur zu. 3. Anschließend legt die L mit einigen aus- gewählten Psalmversen (auf insgesamt 9 Din Gestaltung des Raumes: A4-Blättern notiert) hintereinander einen Weg: • Die Stühle stehen in einem Oval. An einem von einem Oval bis zum anderen Ende (Ziel: Ende des Ovals liegen eine brennende Kerze, brennende Kerze, Bild und Bibel/siehe Foto). ein Christusbild und eine geöffnete Bibel. Von diesem Ende des Ovals bis zum anderen Ende ist genügend Raum, um später einen Weg mit Blättern (s.u.) und ggf. ein paar Teelichten zu gestalten. Ablauf: 1. Die TN setzen sich und die Leiterin (L) begrüßt sie: „Ich begrüße Sie herzlich in dieser Runde. Ich möchte mit Ihnen ein sehr altes Gebet betrachten, das ein Gemisch von Gefühlen widerspiegelt, die vom tiefsten Schrei der ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. Verzweiflung bis zum Ausdruck höchsten Glücks, oder wie Nelly Sachs sagt, vom „Äon gebrochener Herzen“ bis zum „Äon seidener Schmetterlinge“ reichen. Während der Anfangsvers von Psalm 22 noch manchem von uns vertraut ist, so kennen viele den voll ständigen Psalm nicht mehr. Ich möchte gern mit Ihnen die Vielschichtigkeit dieses alten Gebetes entdecken und für uns persönlich fruchtbar werden lassen.
26 | Aschermittwoch der Frauen | AG V „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich 7. Austausch: Die L fragt, was den TN bei die- verlassen, bist fern meinem Schreien, den sem Psalmenweg im Zusammenhang mit den Worten meiner Klage?“ (V. 1) charakterisierenden Stichworten aufgefallen ist und wie sich der Psalm entwickelt, wo er „Dir haben unsere Väter/Mütter vertraut, sie ansetzt und wo er endet (Hinweis: von der haben vertraut, und du hast sie gerettet“ (V. 5). Klage zum Lob). Die L fragt, wie der Psalm nun auf sie wirkt. „Alle, dich mich sehen, verlachen mich, ver ziehen die Lippen, schütteln den Kopf“ (V. 8). 8. Information: Die L trägt die folgenden Erläuterungen zu Psalmen im allgemeinen sowie „Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, zu Ps 22 im besonderen (Zum Hintergrund) vor: vom Mutterleib an bist du mein Gott“ (V. 11). „Sei mir nicht fern, denn die Not ist nahe, und niemand ist da, der hilft“ (V. 12). Zum Hintergrund: „Ich bin hingeschüttet wie Wasser, gelöst Die Psalmen haben sich alle meine Glieder. Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen“ (V. 15). Die 150 Psalmen sind ein herausragendes Beispiel für das biblische Beten. Sie werden „Ich will deinen Namen meinen Brüdern/ zu Recht auch „Gottesdichtung“ (Theopoesie) Schwestern verkünden, inmitten der genannt, denn in ihnen geht es nicht um Gemeinde dich preisen“ (V. 23). Randfragen des Lebensalltags, sondern um Gott als den Grund und Sinn allen Lebens. „Denn er (= Gott) hat nicht verachtet, nicht verabscheut das Elend des Armen“ (V. 25). Seine heutige Gestalt hat der Psalter (= Sammlung der Psalmen) in einem langen „Vom Herrn (=Gott) wird man dem künftigen Entstehungsprozess gefunden. Die Dichter Geschlecht erzählen, seine Heilstat verkün sprechen in den Psalmen sehr unterschied det man dem kommenden Volk; denn er hat liche Lebensrealitäten an und bringen sie in das Werk getan“ (V. 31f). Form von Dank, Klage und Bitte vor Gott. Im Judentum ist der Psalter das Gebetbuch für 4. Die TN werden gebeten, den Weg der den Gottesdienst und auch für das Beten der Psalmenverse langsam bei meditativer Musik Einzelnen. Als frommer Jude hat auch Jesus abzuschreiten und den einzelnen Versen nach- selbst die Psalmen gebetet. zuspüren. Das von Jesus gesammelte neutestamentliche 5. Danach fragt die L, was die TN bei dieser Gottesvolk übernimmt dann die Psalmen als Übung beobachtet haben. Dabei werden die Gebetbuch für den Gottesdienst und für das TN sicher auch die Tatsache benennen, dass persönliche Gebet. Die Männer und Frauen der die Verse ganz unterschiedliche Gefühle und Kirche betrachten nun die Psalmen auf dem ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. Haltungen wiedergeben. Hintergrund von Jesu Tod und Auferstehung in der Erwartung seiner Wiederkunft. Damit 6. Die TN werden nun gebeten, charakterisie- führt die Kirche die Gebetstradition des rende Stichworte (auf insgesamt 9 andersfar- jüdischen Volkes weiter, das zu bestimmten bigen Papierstreifen notiert) den Psalmversen Stunden des Tages feste Gebetszeiten kannte. entsprechend zuzuordnen: In den christlichen Gemeinden entwickelt sich so das Tagzeitengebet (= Stundengebet), Klage (zu V. 1), Vertrauensbekenntnis (zu in dem Frauen und Männer Gott für das Heil V. 5), Klage (zu V. 8), Vertrauensbekenntnis in Christus preisen und sich gegenseitig im (zu V. 11), Bitte (zu V. 12), Klage (zu V. 15), Glauben bestärken. Die Wiederentdeckung der Lobversprechen (zu V. 23), Dank der Armen (zu Psalmen und des Tagzeitengebetes ist für viele V. 25), Endzeitliches Lob (zu V. 31f). Gemeinden heute ein großer Gewinn.
Aschermittwoch der Frauen | AG V | 27 Psalm 22 dreitägigen Feier von Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag wider, die die Kirche jedes Psalm 22 gehört zu den klassischen Jahr begeht. Die Feier der Auferstehung am Klagepsalmen. In der Klage werden die Ostersonntag ist nicht zu haben ohne die Feier Gefühle (Leid, Schmerz, Trauer) zur Sprache des Karfreitags, ohne das Gedächtnis von gebracht, die der Beter/die Beterin durch den Leiden und Tod Jesu Christi. Dies kann auch Einbruch von Unerwartetem im Leben erlei uns helfen, die dunklen Seiten in unserem all det, der zur Krise führt (Krankheit, ein Unfall, täglichen Leben nicht auszublenden, sondern Gewalterfahrung, Kriegsfolgen, Tod eines ge diese auszuhalten und anzunehmen in dem liebten Menschen usw.). Uns heute ist vielfach Sinn: „Was nicht angenommen wird, kann die Fähigkeit zur Klage abhanden gekommen, nicht geheilt werden“ (Gregor von Nazianz, weil wir Leid gar nicht erst wahrnehmen und/ Ep. 101,32). oder die Linderung von Leid denen überlassen, die professionell dafür zuständig sind. Wer aber Leid sieht und angesichts dessen klagen und weinen kann, setzt sich damit auseinander, 9. Rundgespräch: Die L lässt Rückfragen zu lernt es anzunehmen und seine Einstellung und geht auf sie ein. Sie fragt die TN, was sie zum eigenen Leid und Schmerz zu verändern. bei diesem Psalm persönlich angesprochen Dadurch können allmählich Vertrauen und hat, womit sie möglicherweise Schwierigkeiten Zuversicht wachsen, die bei der Bewältigung haben und ob sie diesen Psalm so beten von Leid helfen. könnten. In Ps 22 wird exemplarisch vorgeführt, wie sich 10. Die L lädt die TN ein, sich aus den zahl- eine Klagesituation vollziehen kann: Von der reichen ausliegenden Gegenständen (Steine, Klage, dem Widerstand über die Hoffnung zur Strohhalme…) welche auszusuchen, die sie Zuversicht, Annahme und zum Lobpreis Gottes. bei einem weiteren meditativen Abschreiten Dies ist jedoch kein Automatismus, der sich des Psalmes an den entsprechenden Versen innerhalb einer einzigen Gebetszeit einstellt, niederlegen möchten. Wer keinen passenden sondern ein Prozess, der sich über Wochen, Gegenstand findet, kann auch auf einen Monate und Jahre entwickeln kann, wenn in Papierstreifen ein Stichwort notieren (Zorn, der Wiederholung des Gebetes allmählich die Trauer, Verzweiflung, Zuversicht, Heilung…). Zuversicht und die Erhörungsgewissheit des Beters/der Beterin wächst. Insofern ist Ps 22 11. Zum Schluss liest die L noch einmal den zwar ein Klagepsalm, der aber in der festen kompletten Psalm vor und händigt allen TN Zuversicht auf Gottes Hilfe und Rettung endet. diesen als Kopie aus. Die L beschließt dankend die Runde. Die Anfangszeilen von Ps 22 sind uns aus den Passionsevangelien bekannt (vgl. Mt 27,46; Mk 15,34). In seiner Verzweiflung und Not klagt Jesus Gott an und meldet seinen Widerstand an; er fragt nach dem Warum seins Leidens ggfs. ausschneiden und als Kopiervorlage benutzen. und Sterbens. In dem Schrei seiner ----------------- Gottverlassenheit ist kein Platz für die Anrede Weitere Literatur zum Thema: „abba“ (= lieber Vater). Ist dies Ausdruck man - Ulrike Bechmann, „Mein Gott, mein Gott, warum hast gelnden Glaubens? Der Blick auf den gesamt du mich verlassen?“, in: FrauenBibelArbeit Band 8=Frauentrauer (2002), S. 44-51. en Psalm hat gezeigt, dass dieser zwar mit der - Frank-Lothar Hossfeld, in: Ders./Erich Zenger, Klage beginnt, aber dort nicht endet, sondern Die Psalmen I. Psalm 1-50=Die neue Echter dass er in einer Spannung zwischen Klage Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung (Würzburg: Echter 1993), S. 144-151. und Lobpreis Gottes steht. Diese Spannung - Erich Zenger, Die Psalmen, in: Stuttgarter Altes von Verzweiflung, Zorn und Zuversicht, die Testament. Einheitsübersetzung mit Kommentar und Jesus in den Stunden seines Leidens und Lexikon, hrsg. von Erich Zenger (Stuttgart: Kath. Bibelanstalt 2. Auf., 2004), S. 1036-1040. Sterbens durchlebt, spiegelt sich auch in der
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