Automatisierung im Personalmanagement - arbeitsrechtliche Aspekte und Beschäftigtendatenschutz - Prof. Dr. Peter Wedde 2. März 2020

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Automatisierung im Personalmanagement –
arbeitsrechtliche Aspekte
und Beschäftigtendatenschutz

Prof. Dr. Peter Wedde
2. März 2020

Eine Publikation von         gefördert von der
Automatisierung im Personalmanagement –
                                                   arbeitsrechtliche Aspekte und
                                                   Beschäftigtendatenschutz

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung................................................................................................................................................................. 4

B. Fragestellung........................................................................................................................................................... 7

C. Automatisierung im Personalmanagement –
arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen.......................................................................................................... 9

       I. Individualrechte Einzelthemen................................................................................................................. 9

              1. Schutz des Persönlichkeitsrechts.......................................................................................................... 10

              2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Beschäftigtendatenschutz........................... 15

              3. Einsicht in die Personalakte (§ 83 BetrVG)........................................................................................... 17

       II. Kollektivrechtliche Einzelthemen........................................................................................................19

              1. Unterrichtungs- und Beratungsrechte................................................................................................. 19

                     a) Unterrichtung und Beratung im Rahmen allgemeiner Aufgaben (§ 80 BetrVG) ................. 19

                     b) § 90 BetrVG Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei bestimmten Planungen................ 23

                     c) Personalplanung (§ 92 BetrVG)....................................................................................................... 24

                     d) Beschäftigungssicherung (§ 92a BetrVG)..................................................................................... 25

                     e) Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG).............................................................................................. 26

                     f) Exkurs: Kollektivrechtliche Auskunftspflicht versus „Nichtwissen“........................................ 26

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                                arbeitsrechtliche Aspekte und
                                                Beschäftigtendatenschutz

             2. Mitbestimmungsrechte........................................................................................................................... 29

                    a) Ordnung im Betrieb und Verhalten der Arbeit­nehmer im Betrieb
                    (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) .................................................................................................................... 29

                    b) Verhaltens- und Leistungskontrollen mittels technischer Einrichtungen
                    (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)..................................................................................................................... 31

                    c) Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)...................................................... 33

                    d) Personalfragebogen (§ 94 BetrVG)................................................................................................. 34

                    e) Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG)................................................................................................... 35

D. Zulässigkeit der Steuerung und Überwachung von Arbeitnehmern
im Rahmen eines automatisierten Personalmanagements ...............................................................37

E. Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten.................................................................................41

      I. Individualrechtlicher Bereich..................................................................................................................41

      II. Kollektivrechtlicher Bereich...................................................................................................................42

F. Zusammenfassung der Ergebnisse.............................................................................................................45

G. Literaturverzeichnis..........................................................................................................................................48

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                                       Beschäftigtendatenschutz

A. Einleitung

Die Arbeitswelt steht vor grundlegenden Veränderun-                 beschreiben, mit denen ein Ablaufplan als eine Folge
gen, die ihre Ursache im massiven Vordringen unter-                 von Verarbeitungsschritten spezifiziert wird. Algo-
schiedlicher Digitalisierungsprozesse haben. Diese                  rithmen sollen ein angestrebtes Ergebnis durch die
Veränderungen betreffen alle Bereiche und können                    schrittweise Transformation von Eingangsdaten er-
zu gänzlich neuen Arbeitssituationen und Arbeitsbe-                 zielen.5
dingungen führen. Diskutiert werden die Möglichkei-
ten und Perspektiven unter Überschriften wie „Indus-                Der zentrale Anknüpfungspunkt der folgenden juris-
trie 4.0“ oder „Arbeit 4.0“.1                                       tischen Bewertung ist die Automatisierung des Perso-
                                                                    nalmanagements. Der Begriff der „Automatisierung“
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist kein neues Phä-             steht in diesem Rahmen vorrangig für den Einsatz
nomen, sondern wird seit mehr als einem Vierteljahr-                unterschiedlicher Systeme der Informationstechnik
hundert prognostiziert und diskutiert. Neu sind die                 (IT), die auf der Grundlage vorhandener oder von
technischen Möglichkeiten, die inzwischen zur Ver-                  den IT-Systemen mittels entsprechender Program-
fügung stehen. Konventionelle Computertechnik, die                  me und / oder Algorithmen erzeugter Informationen,
auf eigene Server und versionierte Software zurück-                 Aufgaben des Personalmanagements automatisiert
greift, wird in vielen Bereichen durch das sogenannte               durchführen. Für diese Untersuchung wird davon
Cloud-Computing und „Software as a Service“ (SaaS)                  ausgegangen, dass hierfür unterschiedliche Software
ersetzt.2                                                           aus dem Bereich der KI zur Anwendung kommt. Die
                                                                    KI-Systeme werden von Algorithmen gesteuert, die
Ein großer Automatisierungssprung verbindet sich                    teilweise „selbstlernend“ sind, d. h. aus vorhandenen
mit neuartigen Software-Anwendungen aus dem                         Informationen Muster ableiten und hieraus Hand-
Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ (KI). Der Begriff             lungsvorschläge generieren können.
„KI“ wird im Folgenden für Systeme verwendet, die
auf der Basis von Methoden aus den Bereichen Ma-                    Der zu bewertende Bereich des „Personalmanage-
thematik und Informatik konkrete Anwendungspro-                     ments“ wird in der folgenden Darstellung verstanden
bleme lösen und die dabei zur Selbstoptimierung                     als
in der Lage sind.3 KI-Software enthält in der Regel
„selbstlernende Algorithmen“. Der Begriff „Algorith-                     „die Summe aller betrieblichen personalen
mus“ steht nach der sprachlichen Definition für ei-                      Gestaltungsfelder und Einzelmaßnahmen zur
nen Rechenvorgang nach einem bestimmten Sche-                            Unterstützung der aktuellen und zukünftigen
ma, der sich wiederholt.4 Bezogen auf KI lassen sich                     Unternehmensentwicklung (Business De-
Algorithmen als operative Verarbeitungsvorschriften                      velopment) und der damit einhergehenden

1	Vgl. etwa BMAS, S. 18 ff.
2	Vgl. Wedde-Höller/Wedde, S. 455 ff. m. w. N.
3	Vgl. ähnlich die Definition in Bundesregierung-KI, S. 4.
4	Vgl. die Definition des Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Algorithmus (Abruf: 07.02.2020).
5	Vgl. Datenethikkommission, S. 54.

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                                         arbeitsrechtliche Aspekte und
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     Veränderungsprozesse (Organisationsentwick-                          zu notwendigen Aus- und Weiterbildungen. Kommt
     lung). Vergleichbare Begriffe sind „Personalwe-                      es zu einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses,
     sen“ oder „Personalwirtschaft“.6                                     können auch die hierfür notwendigen Schritte durch
                                                                          Programme strukturiert werden – bis hin zur kollek-
Die verwendete Definition ist in vielen Aspekten in-                      tivrechtlich notwendigen Anhörung des Betriebsrats
haltsgleich mit der in § 92 Abs. 1 BetrVG angespro-                       vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Gleiches
chenen Personalplanung, die alle Planungen des                            gilt für Personalabbaumaßnahmen, die auf Empfeh-
Arbeitgebers erfasst, die sich in qualitativer oder                       lungen aus KI-Systemen basieren können.
quantitativer Hinsicht auf den gegenwärtigen oder
künftigen Personalbedarf beziehen sowie auf dessen                        Die nächste Entwicklungsstufe bilden „Sprachanalyse-
Deckung bzw. auf das Vorhalten notwendiger Perso-                         systeme“, die auf der Basis von KI Informationen über
nalkapazitäten.7                                                          Gesprächspartner gewinnen, deren Inhalte deutlich
                                                                          über die vorher direkt mitgeteilten Angaben hinaus-
Auf der operativen Ebene finden Personalmanage-                           gehen. Ein Einsatzschwerpunkt solcher KI-Systeme
mentprozesse vielfach in immer wieder gleicher                            liegt derzeit vermutlich im Bereich der Bewerberaus-
Form und Struktur statt. Dies beginnt bei der Perso-                      wahl. Zu den gewonnenen Informationen können
nalauswahl und den sich anschließenden Vertrags-                          beispielsweise Hinweise zur momentanen Verfas-
verhandlungen und setzt sich in laufenden Beschäf-                        sung von Gesprächspartner gehören, aber auch Ein-
tigungsverhältnissen in der Personalbetreuung und                         schätzungen zum Wahrheitsgehalt getätigter Aussa-
-qualifikation fort. Auch die Prozesse bei Beendigung                     gen. Werden diese softwaregenerierten Hinweise den
von Beschäftigungsverhältnissen folgen stets den                          Verwendern während eines Gesprächs angezeigt,
gleichen Mustern.                                                         können sie die computergenerierten Einschätzungen
                                                                          durch spezifische Nachfragen überprüfen.
Wegen der wiederkehrenden Prozesse ist das Perso-
nalmanagement für den Einsatz von automatisierten                         Im Bereich der Bewerberauswahl kommt in Deutsch-
Prozessen prädestiniert. Im Rahmen der Bewerbe-                           land auch vereinzelt bereits automatisierte Interview-
rauswahl können beispielsweise vollautomatisierte                         Software zum Einsatz, die aus dem Sprechverhalten
Verfahren eingesetzt werde, bei denen Bewerber ihre                       Rückschlüsse auf den Charakter von Personen ablei-
Unterlagen in strukturierter Form online selbst in vor-                   tet.8 Bei der Software Precire des Aachener Unterneh-
handene IT-Systeme eingeben müssen. Dort werden                           mens Precire Technologie GmbH, einem der deut-
die Unterlagen automatisch bewertet und geeignete                         schen Marktführer auf diesem Gebiet, soll beispiels-
Bewerber identifiziert. Alle diese Arbeitsschritte wer-                   weise bereits eine fünfzehnminütige Stimmprobe
den nicht mehr von Menschen durchgeführt, sondern                         ausreichen, um von der individuellen Sprache auf die
von Computerprogrammen. Bezogen auf bestehen-                             dahinter liegende Persönlichkeit zu schließen.9 Die
de Arbeitsverhältnisse können die Beschäftigten mit-                      Funktionsweise von Precire wird wie folgt beschrie-
tels entsprechender Programme ihre Stammdaten                             ben:
selbst pflegen. Vorgaben zur Gehaltsfindung können
durch KI gesteuerte Personalinformationssysteme                                  „PRECIRE® ist eine innovative sprachbasierte
ebenso automatisch erzeugen wie Empfehlungen                                     Technologie, die gesprochene und geschriebene

6	Bartscher, Personalmanagement, In: Gabler Wirtschaftslexikon, abrufbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/
   personalmanagement-44033 (Abruf: 23.12.2019).
7	Vgl. Fitting, § 92 BetrVG, Rn. 9; ausführlich Kapitel C.II.1. Buchstabe e).
8	Eingesetzt werden derartige Systeme etwa beim Versicherungsunternehmen Talanx, bei der Zeitarbeitsfirma Randstadt, bei
   Fraport AG und bei RWE – vgl. Bärschneider, Sprachanalysesoftware – das Recruitingtool der Zukunft?, abrufbar unter www.
   humanresourcesmanager.de/news/sprachanalysesoftware-das-recruitingtool-der-zukunft.html (Abruf: 9.12.2019) und Wolfangel,
   Stimme verrät Charakterzüge, abrufbar unter https://www.heise.de/newsticker/meldung/Stimme-verraet-Charakterzuege-4285505.
   html?view=print (Abruf 9.12.2019).
9	Vgl. Stulle-Schaumlöffel/Hübner/Thiel/Stulle, S. 58.

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                                       Beschäftigtendatenschutz

     Sprache auf psychologische Merkmale hin un-                     verwaltet und gesteuert. Das Spektrum der automati-
     tersucht.                                                       sierbaren Möglichkeiten beinhaltet beispielsweise die
                                                                     Verwaltung und Pflege der Stammdaten, die Berech-
     Diese Softwarelösung konzentriert sich auf                      nung und Auszahlung der Gehälter, die Verwaltung
     das gesamte Sprachkonstrukt und macht die                       von Reisekosten und Spesen, aber auch die Perso-
     einzelnen darin enthaltenen Bestandteile                        nalentwicklung und -qualifikation einschließlich des
     mess- und abbildbar. Die über das standardi-                    Lernmanagements, die Nachfolgeplanung oder das
     sierte Interview gewonnene Spontansprache                       Beendigungsmanagement von Beschäftigungsver-
     wird in kleine Informationsbausteine zerlegt                    hältnissen.
     und durch ein IT-System anhand definierter
     Messpunkte auf linguistische und prosodische
     (akustische) Auffälligkeiten der Sprache hin ana-
     lysiert. Diese Auffälligkeiten werden dann mo-
     dular zu psychologisch validen Aussagen über
     stabile Merkmale oder momentane Zustände
     zusammengesetzt.“10

Die Aussagekraft der von Precire generierten Messer-
gebnisse und die hieraus abgeleiteten Erkenntnisse
über Bewerber werden in der Diskussion in Zweifel
gezogen. So wird etwa die Aussagekraft entspre-
chender Messergebnisse „nach bisherigen Untersu-
chungen für nicht erwiesen“ gehalten und selbst die
vorteilhaftesten Zahlen in entsprechenden Studien
sollen kein Argument dafür sein, „so etwas seriös ein-
zusetzen in der Eignungsdiagnostik“.11 Für „ihre wis-
senschaftlich zweifelhafte, wahrscheinlich rechtswid-
rige und gefährliche Sprachanalyse“ erhielt die Preci-
re Technologies GmbH den Negativpreis „Big Brother
Award 2019“.12 Trotz derart kritischer Einschätzungen
zeichnet sich indes bereits die nächste Generation
von KI-Systemen ab, die in der Lage sein sollen , Be-
werberinterviews eigenständig und aktiv zu führen.

Kommt es im Ergebnis eines Bewerbungsverfahrens
zu einem Vertragsabschluss, können die im Rah-
men des automatisierten Bewerbungsverfahrens
gesammelten und erzeugten Daten und Informati-
onen unmittelbar in betriebliche Personalinforma-
tionssysteme überführt werden. In diesen werden
die laufenden Beschäftigungsverhältnisse insgesamt

10	Vgl. Stulle-Linnenbürger/Greb, S. 23 f.
11	Vgl. Kanning, zitiert nach Bergmann, Wie künstliche Intelligenz die Personalsuche verändert, Deutschlandfunk 6.1.2020, abrufbar
    unter https://www.deutschlandfunk.de/vorstellungsgespraech-mit-einem-roboter-wie-kuenstliche.680.de.html?dram:article_
    id=438701 (Abruf: 8.1.20); ähnlich kritisch Thiel, Sprachanalyse: Wunschdenken oder Wissenschaft?, AlgorithmWatch 23.9.2019,
    abrufbar unter https://algorithmwatch.org/story/sprachanalyse-hr/ (Abruf 8.1.2020).
12	Vgl. insgesamt die Laudatio von Tangens zur Preisverleihung, abrufbar unter https://bigbrotherawards.de/2019/kommunikation-
    precire-technologies-gmbh (Abruf 8.1.2020).

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                                      Beschäftigtendatenschutz

B. Fragestellung

Vor dem Hintergrund der aktuellen technischen Ent-                  Anwendung kommen, und auf die Daten, auf die die-
wicklung soll dieses Gutachten bezogen auf die Au-                  se zugreifen können. Hiervon ausgehend ist zu prü-
tomatisierung des Personalwesens bewerten, welche                   fen, welche Mitbestimmungsmöglichkeiten bestehen
Gestaltungsspielräume es hierfür aus arbeitsrechtli-                und ob bzw. wie diese eingesetzt werden können, um
cher Sicht gibt. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt,              einerseits die Rechte der betroffenen Beschäftigten
mit welchen Kontrollmaßnahmen Beschäftigte kon-                     zu wahren und andererseits das Potenzial zu nutzen,
frontiert werden können und welchen individual-                     dass die Systeme für eine Verbesserung der Perso-
bzw. kollektivrechtlichen Rahmen es für die Durch-                  nalarbeit beinhalten.
führung entsprechender Datenverarbeitungen gibt.
                                                                    Im Mittelpunkt des dritten Teils der Untersuchung
Auf der Ebene des Individualrechts steht mit Blick                  (Kapitel D) steht die Frage nach der Zulässigkeit der
auf die Bewertungs-, Analyse- und Kontrollmöglich-                  Steuerung und Überwachung von Arbeitnehmern
keiten, die sich mit automatisierten Formen des Per-                durch verschiedene Ausprägungen des automatisier-
sonalmanagements verbinden, im ersten Teil der                      ten Personalmanagements. Hieran schließen sich im
Untersuchung (Kapitel C.I.) der Schutz der Persönlich-              abschließenden letzten Teil (Kapitel E) Ausführungen
keitsrechte der Arbeitnehmer bzw. Beschäftigten13 im                zum juristischen Handlungsbedarf und zu Hand-
Mittelpunkt. Darüber hinaus werden hier auch ein-                   lungsmöglichkeiten an, die in Bezug auf die Automati-
schlägige datenschutzrechtliche Vorgaben bewertet,                  sierung des Personalmanagements aus arbeitsrecht-
die im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes zu-                   licher Sicht bestehen.
gunsten der Beschäftigten wirken.
                                                                    Aus Platzgründen ausgespart werden Überlegungen
Für den Bereich des Kollektivrechts wird im zweiten                 zu tarifvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten, die es
Teil (Kapitel C.II) bewertet, welche Mitwirkungs- und               für Gewerkschaften bezogen auf die Automatisierung
Mitbestimmungsrechte Betriebsräten nach dem Be-                     des Personalmanagements gibt. Es steht aber außer
triebsverfassungsgesetz (BetrVG) bezogen auf die                    Frage, dass tarifvertraglichen Regelungen zur Ausge-
Automatisierung des Personalmanagements zuste-                      staltung des Personalmanagements und insbesonde-
hen. Ausgangspunkt sind die gesetzlichen Auskunfts-                 re zum Einsatz von Anwendungen aus dem Bereich
ansprüche, die Betriebsräte gegenüber Arbeitgebern                  der KI in Zukunft eine herausragende Bedeutung
haben, und die sich hieraus ableitenden Beratungs-                  zukommen kann. Das gilt insbesondere bezogen auf
möglichkeiten. Es wird bewertet, welche Tiefe der                   Bereiche, die der Mitbestimmung nach dem BetrVG
Information sie vom Arbeitgeber verlangen können                    mangels einschlägiger gesetzlicher Regelungen ver-
bezogen auf die Einführung neuer bzw. auf die Ver-                  schlossen sind, beispielsweise die Mitbestimmung
änderung bereits verwendeter IT-Systeme, auf die                    bei der Entscheidung des Arbeitgebers zwischen al-
Art der KI-Systeme bzw. der Algorithmen, die dort zur               ternativen technischen Anwendungen. Mit Blick auf

13	Aus Gründen der guten Lesbarkeit wird im folgenden Text für alle Geschlechter die Bezeichnung „Arbeitnehmer“ verwendet. Sie ist
    geschlechtsneutral zu verstehen. Weiterhin werden die Bezeichnungen „Arbeitnehmer“ und „Beschäftigte“ synonym verwendet, es
    sei denn, einschlägige gesetzliche Bestimmungen verwenden nur eine bestimmte Bezeichnung.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                     arbeitsrechtliche Aspekte und
                                     Beschäftigtendatenschutz

§ 1 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) sind zudem tarif-
vertragliche Regelungen möglich, durch die die Rech-
te von Betriebsräten über den im BetrVG verankerten
Rahmen hinaus erweitert und verstärkt werden kön-
nen.14

14	Vgl. grundlegend BAG vom 10.2.1988 – 1 ABR 70/86, NZA 1988, 699 sowie vom 18.8.1987 – 1 ABR 30/86, NZA 1987, 779; ErfK-
    Franzen, § 1 TVG, Rn. 48.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                     arbeitsrechtliche Aspekte und
                                     Beschäftigtendatenschutz

C. Automatisierung im Personalmanagement –
arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen

I. Individualrechte Einzelthemen                                   zu einer Erhöhung der Leistungsanforderungen führt
                                                                   oder wenn sich hiermit eine permanente Erhebung
Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich aus zi-                   von Leistungs- und Verhaltensdaten verbindet, die in
vilrechtlicher Sicht im Arbeitsverhältnis als Vertrags-            der Folge für Kontrollzwecke verwendet werden.
partner formal gleichberechtigt gegenüber. Tatsäch-
lich ist das arbeitsrechtliche Vertragsverhältnis aber             Bestehende Kontrollmöglichkeiten sind aus Sicht von
durch eine ausgeprägte Disparität zu Ungunsten und                 Arbeitnehmern dann besonders kritisch, wenn sie
zu Lasten der Arbeitnehmer gekennzeichnet. Diese                   nicht wissen, welche personenbezogenen Daten Ar-
Disparität ist der Grund für zahlreiche arbeitsrechtli-            beitgeber wann und für welche Zwecke erheben und
che Regelungen, die den Schutz der Beschäftigten in                verarbeiten. Die arbeitsrechtlich grundsätzlich zuläs-
den Mittelpunkt stellen. So schützt beispielsweise § 3             sige Kontrolle der Erbringung der geschuldeten Ar-
Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Arbeitnehmer vor zu langen               beitsleistung kann sich gegen elementare Interessen
Arbeitszeiten und § 9 Abs. 1 ArbZG im Regelfall vor                der Beschäftigten richten, wenn sie dauerhaft und
Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Das Arbeitsschutz-                 umfassend ist bzw. wenn sie in geschützte Persön-
gesetz (ArbSchG) nebst zugehöriger Einzelgesetze                   lichkeitsrechte eingreift Dies gilt erst recht, wenn Da-
dient nach der Regelung in seinem § 1 Abs. 1 dazu,                 tenverarbeitungen verdeckt oder heimlich erfolgen.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu                    Dies alles kann beim Einsatz von Personalmanage-
verbessern. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)                     mentsystemen der Fall sein, wenn Anwendungen mit
schützt mit seinen Regelungen Arbeitnehmer vor so-                 Algorithmen eingesetzt werden, deren Funktionswei-
zial ungerechtfertigten Kündigungen.                               sen und Verarbeitungsmöglichkeiten für Arbeitneh-
                                                                   mer und Betriebsräte nicht transparent und nachvoll-
Die unterschiedliche Situation von Arbeitgebern und                ziehbar sind.
Arbeitnehmern prägt auch das Herangehen an die
Frage der arbeitsrechtlichen Aspekte der Automa-                   Die Zulässigkeit von automatisierten Bewertungen
tisierung im Personalmanagement. Aus Sicht von                     und Kontrollen von Arbeitnehmern im IT-Bereich
Arbeitnehmern ist die Frage von großer Bedeutung,                  des Personalmanagements lässt sich aus juristischer
welche Vor- und Nachteile sie in diesem Bereich zu                 Sicht unter Rückgriff auf die Bewertungen ableiten,
erwarten bzw. zu befürchten haben, wenn durch die                  die es im arbeitsrechtlichen Bereich zu anderen Kon-
verwendete Technik die Art und Weise der Erbrin-                   trollthemen gibt. Aufschlussreich sind diesbezüglich
gung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen              arbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Zulässigkeit
unterstützt, gesteuert oder kontrolliert wird. Der Ein-            verschiedener Formen der Videoüberwachung.15 Im
satz entsprechender Software kann für Beschäftigte                 Mittelpunkt dieser Entscheidung steht der Schutz der
beispielsweise dann negative Folgen haben, wenn er                 Beschäftigten und ihrer Persönlichkeitsrechte vor

15	Vgl. etwa BAG vom 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193; vom 29.6.2004 – 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278; vom 14.12.2004 – 1 ABR
    34/03, NZA 2005, 839, vom 26.8.2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187; vom 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571; vom 21.6.2012
    – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025; vom 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, NZA 2015, 994; vom 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112; vom
    20.1.2016 – 2 AZR 395/15, NZA 2017, 443; vom 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329; vom 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, NZA 2019,
    1212.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                              arbeitsrechtliche Aspekte und
                                              Beschäftigtendatenschutz

heimlichen, permanenten oder ausufernden Kontrol-                         „Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Ar-
len. Sie geben deshalb auch für die Bewertung von                         beitnehmers können durch Wahrnehmung
Möglichkeiten und Grenzen eines automatisierten                           überwiegend schutzwürdiger Interessen des
Personalmanagements einen belastbaren juristi-                            Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kolli-
schen Maßstab vor.                                                        sion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit
                                                                          den Interessen des Arbeitgebers ist somit durch
                                                                          eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln,
1. Schutz des Persönlichkeitsrechts                                       ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vor-
                                                                          rang verdient.“ 20
Der Begriff des Persönlichkeitsrechts steht für das
Recht einzelner Arbeitnehmer auf Achtung ihrer Men-                   Lässt sich eine im Ergebnis einer Verhältnismäßig-
schenwürde und damit für den Schutz ihrer Persön-                     keitsprüfung grundsätzlich zulässige Kontrolle auf
lichkeitssphäre sowie für die Garantie der freien Ent-                verschiedene Art und Weise sowie mit unterschied-
faltung ihrer Persönlichkeit und ihrer Freiheitssphä-                 lichen Mitteln realisieren, muss der Arbeitgeber die
re.16 Das sich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG            Ausgestaltung wählen, die sich mit dem geringsten
ableitende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt                    Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen
die individuelle Privatsphäre von Menschen vorrangig                  Arbeitnehmer verbindet. Einen entsprechenden Maß-
gegen Eingriffe des Staats.17 Im Arbeitsrecht folgt aus               stab beschreibt ein Urteil des BAG vom 27.3.2003:
dem verfassungsrechtlich garantierten Schutzrecht
im Rahmen der Drittwirkung der Grundrechte ein Ab-                        „Danach ist die heimliche Videoüberwachung ei-
wehrrecht von Beschäftigten gegenüber rechtswid-                          nes Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete
rigen Eingriffen von Arbeitgebern in ihre Persönlich-                     Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer
keitsrechte, das auch die Rechtsgrundlage für Unter-                      anderen schweren Verfehlung zu Lasten des
lassungsansprüche gegen den Arbeitgeber ist.18 Nach                       Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende
Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) schützt                        Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausge-
                                                                          schöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung
      „das allgemeine Persönlichkeitsrecht (…) den                        praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt
      Arbeitnehmer nicht nur vor einer lückenlosen                        und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.“21
      technischen Überwachung am Arbeitsplatz (bei-
      spielsweise BAG 27. März 2003 aaO), sondern                     Das zu schützende Persönlichkeitsrecht der Arbeit-
      auch vor anderen Eingriffen.“ 19                                nehmer setzt im Rahmen der Verhältnismäßigkeits-
                                                                      prüfung berechtigten Interessen von Arbeitgebern an
Die Gewährleistung des Persönlichkeitsrechts im Ar-                   intensiveren Kontrollmaßnahmen klare Grenzen. Es
beitsverhältnis ist nicht schrankenlos. Kollidiert der                ist diesbezüglich im Arbeitsleben nicht alles erlaubt,
Schutz des Persönlichkeitsrechts mit ebenfalls verfas-                was geht, sondern nur, was einerseits aus objektiver
sungsrechtlich begründeten Rechten oder Interessen                    Sicht erforderlich ist und was andererseits von meh-
des Arbeitgebers oder Dritter, ist der zu beachtende                  reren Alternativen diejenige ist, die am wenigsten in
Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts durch ei-                     das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreift.
ne Güter- und Interessenabwägung zu bestimmen,
die die Verhältnismäßigkeit möglicher Eingriffe be-                       „Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung
stimmt. Hierzu führt das BAG aus:                                         gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht

16	Vgl. Schaub-Koch, § 106 Rn. 52.
17	Vgl. MünchArbR-Reichold, § 94 Rn. 3.
18	Vgl. MünchArb-Blomeyer, § 94, Rn. 4.
19	Vgl. etwa BAG vom 13.12.2007 – 2 AZR 537/06, NZA 2008, 2732.
20	Vgl. BAG, a. a. O. unter II. 2. c) bb).
21	BAG vom 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                     arbeitsrechtliche Aspekte und
                                     Beschäftigtendatenschutz

     der Arbeitnehmer weniger einschränkenden                      Eine weitere Beschränkung der Auswahlmöglichkei-
     Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismä-                ten besteht, wenn eingesetzte Anwendungen oder IT-
     ßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist                 Systeme Arbeitnehmer permanent kontrollieren und
     gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei                   / oder wenn sie verdeckt bzw. heimlich eingesetzt
     einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis                   werden.
     zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grün-
     de steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -               Bezogen auf die Unverhältnismäßigkeit permanenter
     zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320; BAG               Kontrollen, die mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht
     29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014            von Arbeitnehmern unzulässig sind, heißt es in einer
     - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -ver-             Entscheidung des BAG vom 28.3.2019:
     arbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige
     Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und                       „Eine Unverhältnismäßigkeit der Datenerhe-
     muss der Bedeutung des Informationsinter-                           bung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF läge aber
     esses des Arbeitgebers entsprechen. Danach                          auch dann vor, wenn die Videoaufzeichnungen
     muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüber-                     einen solchen psychischen Anpassungs- und
     wachung vergleichbar eingriffsintensiven Maß-                       Leistungsdruck erzeugt hätten, dass sie als eine
     nahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt                     der verdeckten Videoüberwachung vergleichbar
     werden soll, der auf konkrete Tatsachen begrün-                     eingriffsintensive Maßnahme anzusehen wä-
     dete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch                         ren, ohne dass ein durch konkrete Tatsachen
     nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine                   begründeter Verdacht einer schwerwiegenden
     entsprechende verdeckte Ermittlung ‚ins Blaue                       Pflichtverletzung bestand. Dies wäre jeden-
     hinein‘, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig                     falls dann anzunehmen, wenn eine lückenlose,
     verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG                      dauerhafte sowie sehr detaillierte Erfassung
     unzulässig (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 -                      des Verhaltens der Klägerin während ihrer ge-
     aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme,                     samten Arbeitszeit stattgefunden hätte, so dass
     ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden                       sie davon ausgehen musste, dass jede ihrer
     waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhält-                      Bewegungen überwacht wurde. In diesem Fall
     nismäßig im engeren Sinne).“ 22                                     hätte für die Klägerin – vergleichbar mit der Si-
                                                                         tuation einer verdeckten Überwachung – keine
Insoweit ist das Auswahlermessen von Arbeitgebern                        Möglichkeit einer unbewachten und ungestör-
beschränkt. Sie müssen sich über vorhandene Alter-                       ten Wahrnehmung ihres Persönlichkeitsrechts
nativen informieren und anschließend auf der Basis                       bestanden.24
dieser Informationen die Verarbeitungsmöglichkeit
oder das IT-System auswählen, das sich mit dem ge-                 Betriebliche Situationen, aus denen eine permanen-
ringsten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Be-             te Überwachung von Beschäftigten resultieren kann,
schäftigten verbindet.                                             gibt es in vielen Zusammenhängen. Hierzu gehört
                                                                   auch die Erstellung von sogenannten Belastungssta-
Die Zulässigkeit möglicher Kontrollmaßnahmen wird                  tistiken, mit deren Zulässigkeit sich das BAG im Jahr
maßgeblich durch die im konkreten Fall feststellbare               2017 befasst hat. In den Urteilsgründen heißt es:
Kontrollintensität bestimmt, die sich insbesondere
aus der Dauer der Überwachung, ihrer konkreten                           „Eine Betriebsvereinbarung über eine ‚Be-
technischen Ausgestaltung, ihrem Anlass sowie aus                        lastungsstatistik‘, die durch eine technische
der Zahl der beobachteten Personen ableitet.23                           Überwachungseinrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6

22	BAG vom 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, NZA 2017, 1327.
23	Vgl. BAG vom 29.6.2004 – 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278; Schaub-Koch § 53 Rn. 27.
24	BAG vom 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, NZA 2019, 1212.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                        arbeitsrechtliche Aspekte und
                                        Beschäftigtendatenschutz

     BetrVG dauerhaft die Erfassung, Speicherung                    und zugleich detaillierte Überwachungen aller Ar-
     und Auswertung einzelner Arbeitsschritte und                   beitsschritte im Ergebnis einer Interessenabwägung
     damit des wesentlichen Arbeitsverhaltens der                   die Ausnahme bleiben müssen.
     Arbeitnehmer anhand quantitativer Kriterien
     während ihrer gesamten Arbeitszeit vorsieht,                   Gleiches gilt für heimliche Überwachungsmaßnah-
     stellt einen schwerwiegenden Eingriff in deren                 men. Als „heimlich“ sind solche Kontrollen zu quali-
     Persönlichkeitsrecht dar. Ein solcher Eingriff ist             fizieren, die vor andern verborgen bleiben oder die
     nicht durch überwiegend schutzwürdige Belan-                   so unauffällig sind, dass andere nicht merken, was
     ge des Arbeitgebers gedeckt.“25                                geschieht.27 Ob und unter welchen Voraussetzungen
                                                                    heimliche Kontrollmaßnahmen ausnahmsweise zu-
Bezogen auf den Kontrolldruck, den ein derartiges                   lässig sind, hat das BAG in einer Reihe von Entschei-
System erzeugt, führt das BAG in dem Beschluss aus:                 dungen präzisiert. In einem Urteil zur Zulässigkeit
                                                                    einer verdeckten Videoüberwachung vom 20.10.2016
     „Das wesentliche Arbeitsverhalten und die Ar-                  heißt es beispielsweise:
     beitsleistung des einzelnen Sachbearbeiters un-
     terliegt damit durch die Kennzahlen einer detail-                   „Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am
     lierten quantitativen Beobachtung, die am Ende                      eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwa-
     jeder Arbeitswoche anhand der zu erstellenden                       chung sind dann zulässig, wenn der konkrete
     1-Wochen-, 4-Wochen- und 26-Wochensichten                           Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer
     stets eine erneute – mit den Ergebnissen der                        anderen schweren Verfehlung zu Lasten des
     Gruppe vergleichende – Auswertung erfährt. Da-                      Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende
     durch steht der Sachbearbeiter unter ständiger                      Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos
     Beobachtung. Dies erzeugt einen schwerwiegen-                       ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwa-
     den und zudem dauerhaften Anpassungsdruck,                          chung damit das praktisch einzig verbleibende
     möglichst in allen maßgebenden Arbeitsberei-                        Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unver-
     chen in Bezug auf die Kennzahlen unauffällig zu                     hältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März
     arbeiten, um nicht aufgrund ‚erheblicher Abwei-                     2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe,
     chungen‘ später Personalgesprächen oder gar                         BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Be-
     personellen Maßnahmen ausgesetzt zu sein.“26                        zug auf eine konkrete strafbare Handlung oder
                                                                         andere schwere Verfehlung zu Lasten des Ar-
Die Ausführungen des BAG verdeutlichen die Not-                          beitgebers gegen einen zumindest räumlich und
wendigkeit, auch bei IT-Systemen, deren betrieblicher                    funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitneh-
Einsatz bezogen auf stattfindende Eingriffe in das                       mern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die
Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer grundsätzlich                      allgemeine Mutmaßung beschränken, es könn-
zulässig ist, eine zeitliche Begrenzung stattfindender                   ten Straftaten begangen werden. Er muss sich
Kontrollen vorzunehmen. Eine permanente Kontrol-                         andererseits nicht notwendig nur gegen einen
le der Arbeitnehmer, deren Daten erfasst werden,                         einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten.
ist dabei ebenso unzulässig wie eine entsprechende                       Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weite-
Überwachung der Beschäftigten, die aktiv mit diesen                      ren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen
Systemen arbeiten. Dies gilt besonders im Bereich                        müssen weniger einschneidende Mittel als eine
des Personalmanagements, in dem es keine zwingen-                        verdeckte Videoüberwachung zuvor ausge-
den Gründe für eine permanente Kontrolle der ein-                        schöpft worden sein (BAG 22. September 2016
zelnen Arbeitsschritte gibt. Hier werden dauerhafte                      - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung

25	BAG vom 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205, Leitsatz.
26	BAG, a.a.O., unter II.2.(4)(b) der Gründe.
27	Vgl. die Definition des Duden, abrufbar unter www.duden.de/rechtschreibung/heimlich (Abruf 10.12.19).

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                    arbeitsrechtliche Aspekte und
                                    Beschäftigtendatenschutz

     steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang (EGMR             Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen
     5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).               zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf
     Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat                   diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es,
     der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG                 ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil
     einen entsprechenden Erlaubnistatbestand                   sowohl von der privaten als auch dienstlichen
     ‚zur Aufdeckung von Straftaten‘ normiert. Nach             Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen.
     der Gesetzesbegründung soll die Regelung die               Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfas-
     Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, son-               sungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter
     dern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschluss-             Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder
     empfehlung und Bericht des Innenausschusses                Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nach-
     BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013              vollziehen. Darüber hinaus können besondere
     - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).“28                Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9
                                                                BDSG oder – so im Streitfall – andere hochsen-
Damit kann eine verdeckte Überwachungsmaßnah-                   sible Daten wie z. B. Benutzernamen, Passwör-
me ausnahmsweise nur dann in Betracht kommen,                   ter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten,
wenn Arbeitgeber einen konkreten Verdacht auf das               PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne
Vorliegen einer strafbaren Handlung oder einer an-              dass dies für die verfolgten Kontroll- und Über-
deren schweren Verfehlung zu ihren Lasten haben.                wachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat
                                                                der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlas-
Die Feststellungen des BAG zur ausnahmsweisen Zu-               sung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte
lässigkeit verdeckter Kontrollen sind nicht auf den             als privat oder gar höchstpersönlich zu kenn-
Bereich der Videoüberwachung begrenzt. Dies ver-                zeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeit-
deutlicht ein Urteil des Gerichts zum Thema „Über-              gebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit
wachung mittels Keylogger“ aus dem Jahr 2017. Dort              überschießende Eingriff in das Recht auf infor-
heißt es in den Gründen:                                        mationelle Selbstbestimmung des Betroffenen
                                                                wird noch verstärkt, wenn – wie hier – regelmä-
     „Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten            ßig Screenshots gefertigt werden.“29
     Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC
     handelt es sich um eine Datenerhebung, die hin-        Wendet man die Grundsätze der Rechtsprechung
     sichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen       zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
     Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht       vor heimlichen oder offenen Überwachungen auf die
     des Betroffenen mit einer – verdeckten – Vi-           Automatisierung des Personalmanagements unter
     deoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar            Einsatz von KI-Systemen und Algorithmen an, führt
     ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers         dies zu den folgenden Feststellungen.
     grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild,
     insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet,         —— Arbeitnehmer    müssen den Einsatz von durch
     Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von              Algorithmen gesteuerten KI-Systemen, mit de-
     dem Betroffenen als peinlich empfunden wer-                nen ihre personenbezogenen Daten verarbeiten
     den. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch               werden, im Bereich des Personalmanagements
     einen Keylogger massiv in das Recht des Betrof-            grundsätzlich hinnehmen, wenn der Arbeitgeber
     fenen auf informationelle Selbstbestimmung                 deren Einsatz für erforderlich hält. Arbeitgeber
     eingegriffen. Es werden – für den Benutzer                 müssen bei der Bewertung der Erforderlichkeit
     irreversibel – alle Eingaben über die Tastatur ei-         des Einsatzes derartiger KI-Systeme aber die ein-
     nes Computers einschließlich des Zeitpunkts der            schlägigen gesetzlichen Vorgaben beachten wie

28	BAG vom 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, NZA 2017, 443.
29	BAG vom 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, NZA 2017, 1327.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                        arbeitsrechtliche Aspekte und
                                        Beschäftigtendatenschutz

     etwa die zur Zulässigkeit der Verarbeitung von                          auch dann gegeben, wenn Arbeitgeber bestimm-
     Beschäftigtendaten in § 26 Abs. 1 Satz BDSG.                            te Kontrollverfahren zwar für üblich halten, wenn
                                                                             Arbeitnehmer hiervon nach der allgemeinen Le-
—— Sollen     KI-Systeme zum Einsatz kommen, mit                             benserfahrung nicht wissen oder nicht wissen
     denen umfassende Auswertungen vorliegen-                                können, dass sie im konkreten Fall stattfinden.
     der Beschäftigtendaten erfolgen oder die mit                            Gleicht ein Arbeitgeber beispielsweise mit dem
     selbstlernenden Algorithmen aus dem Bereich                             Ziel der Entdeckung von „Arbeitszeitbetrügern“
     KI ausgestattet sind, ist ihre Zulässigkeit mit ei-                     Daten aus einem Arbeitszeiterfassungssystem
     ner Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen,                           mit Zeitinformationen der automatisierten Zu-
     die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht der                            gangskontrolle oder mit Bezahldaten der Kanti-
     Beschäftigten ausgeht. Ist der zu erwartende                            ne ab, ist dies eine Kontrollmaßnahme, mit der
     Eingriff in das Persönlichkeitsrecht unverhältnis-                      Arbeitnehmer nach der allgemeinen Lebenser-
     mäßig, muss der Einsatz der KI-Systeme unter-                           fahrung nicht rechnen müssen. Gleiches gilt für
     bleiben. Stehen auf dem Markt unterschiedliche                          das gezielte heimliche Mithören von Telefonge-
     automatisierte Verfahren bzw. KI-Systeme zur                            sprächen mit Kunden in Call-Centern, wenn dies
     Verfügung, müssen Arbeitgeber das mit der ge-                           bisher im Betrieb noch nicht üblich war.
     ringsten Eingriffstiefe auswählen bzw. einsetzen.
                                                                       —— Nach      der Rechtsprechung sollen Ausnahmen
—— Im Regelfall unzulässig ist eine dauerhafte Kon-                          vom Grundsatz der Unzulässigkeit heimlicher
     trolle von Beschäftigten mittels automatisierter                        Überwachungen möglich sein, wenn ein Ver-
     Systeme. Ausnahmen von diesem Grundsatz                                 dacht der Begehung einer Straftat oder einer
     kann es nur geben, wenn es für eine permanen-                           schweren arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung
     te Kontrolle herausragend bedeutsame Grün-                              vorliegt.32 Diese Ausnahmen könnten auch für
     de bzw. Interessen der Arbeitgeber gibt, hinter                         den Bereich des automatisierten Personalma-
     denen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitneh-                           nagements einschlägig sein.
     mer zurückstehen muss. Dies könnte etwa im
     Bereich der Gehaltsabrechnung der Fall sein,                      Bezug zur Automatisierung des
     wenn Beschäftigte hier eigenständig Zahlungen                     ­Personal­managements
     veranlassen können und wenn deshalb von ih-
     nen jegliche Dateneingaben aufgezeichnet wer-                     —— Aus     dem zu schützenden Persönlichkeitsrecht
     den. Allerdings stellt sich für diesen Fall die Frage                   der Beschäftigten folgen dann keine Einschrän-
     nach Alternativen, die weniger in das allgemeine                        kungen für die Automatisierung des Personalma-
     Persönlichkeitsrecht eingreifen, etwa ein „Vier-                        nagements, wenn hiermit Verhaltens- oder Leis-
     Augen-Prinzip“ oder die Beschränkung auf Stich-                         tungskontrollen technisch nicht möglich sind.
     proben.                                                                 Damit sind etwa durch entsprechende Software
                                                                             und Algorithmen gesteuerte Prozesse wie allge-
—— Heimliche Kontrollmaßnahmen sind in der Regel                             meine Abläufe in einem Personalinformations-
     ebenfalls unzulässig.30 Die Heimlichkeit des Han-                       system möglich.
     delns besteht bereits dann, wenn Beschäftigte
     von bestimmten Kontrollmaßnahmen nicht in                         —— Werden hingegen durch automatisierte Verfah-
     Kenntnis gesetzt werden.31 Heimlichkeit ist aber                        ren Arbeitsvorgaben und Arbeitsanweisungen

30	Vgl. Wedde, AuR 2009, 373.
31	Vgl. etwa BAG vom 12.01.2006 – 2 AZR 179/05, NZA 06, 980, das eine allgemeine Relation zwischen Heimlichkeit und Unkenntnis
    herstellt – hier allerdings bezogen auf die heimliche Installation einer Software durch einen Beschäftigten; BAG vom 14.12. 04 – 1
    ABR 34/03, AuR 2005, 456 stellt eine Beziehung zwischen Heimlichkeit und nicht sichtbarer Kontrolle her.
32	Vgl. hierzu etwa BAG vom 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112; BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, ZA 2014, 243 bezüglich
    einer heimlichen Überwachung mit Zustimmung des Betriebsrats; a. A. bezüglich der heimlichen Videoüberwachung durch einen
    Detektiv BAG vom 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, NZA 2015, 994.

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Automatisierung im Personalmanagement –
                                      arbeitsrechtliche Aspekte und
                                      Beschäftigtendatenschutz

     für Arbeitnehmer generiert, hängt der Grad                     —— Unumgänglich ist die Durchführung einer Ver-
     möglicher Beeinträchtigungen der schützenden                        hältnismäßigkeitsprüfung, wenn Verhaltens- und
     Persönlichkeitsrechte entscheidend von der                          Leistungskontrollen nicht nur eine Begleiter-
     Transparenz der ablaufenden Prozesse ab. Ist                        scheinung des Einsatzes von Algorithmen oder
     diese gegeben und können Beschäftigte stets                         ein Nebeneffekt sind, sondern wenn sie gezielt
     nachvollziehen, welche Faktoren und Sachver-                        dafür eingesetzt werden, strafbare Handlungen
     halte die verwendeten Programme berücksichti-                       von Arbeitnehmern oder andere schwere Ver-
     gen und nach welchen Regeln diese verwendet                         fehlungen zu Lasten des Arbeitgebers zu erken-
     und verarbeitet werden, steht dies der unzuläs-                     nen oder aufzudecken. Bezogen auf diese Kon-
     sigen „Heimlichkeit“ der Verarbeitung entgegen.                     stellationen lassen sich aus der Rechtsprechung
     Für Arbeitnehmer muss in diesem Rahmen bei-                         auch bezogen auf die Zulässigkeit entsprechen-
     spielsweise nachvollziehbar sein, wie sich das                      der Analysen oder Überwachungen durch Algo-
     eigene Arbeitsverhalten sowie das von anderen                       rithmen klare Grenzen ableiten: Der Einsatz ent-
     Beschäftigten oder von Arbeitsgruppen auf sie                       sprechender Kontrollsysteme darf nur erfolgen,
     auswirkt. Auch die Faktoren, mit denen Prozesse                     wenn es einerseits einen konkreten Verdacht ge-
     beeinflusst werden können, müssen nachvoll-                         gen einzelne Arbeitnehmer oder eine abgrenzba-
     ziehbar sein. Eine solche Transparenz käme dem                      re Gruppe von Beschäftigten gibt. Andererseits
     Persönlichkeitsschutz zugute und würde für die                      dürfen Arbeitgebern keine Handlungsalternati-
     Zulässigkeit des Einsatzes sprechen.                                ven zur Verfügung stehen, deren Einsatz weni-
                                                                         ger einschneidend für die Persönlichkeitsrechte
—— Haben     Beschäftigte diese Informationen nicht                      der Beschäftigten wäre, wie etwa offene statt
     und ist für sie unklar, nach welchen Regeln und                     heimliche Kontrollen oder Stichproben statt ei-
     Verfahren ihre personenbezogenen Daten in                           ner permanenten Überwachung. Die rechtliche
     Personalsystemen verarbeitet werden, sind sie                       Situation schließt beispielsweise den Einsatz von
     den verwendeten Programmen ausgeliefert und                         präventiven Kontrollsystemen, die auf entspre-
     können nicht absehen, ob und wenn ja, welche                        chenden Algorithmen basieren, aus.
     Kontrollen es gibt. Im Rahmen der vorzuneh-
     menden Verhältnismäßigkeitsprüfung spricht
     fehlende Transparenz regelmäßig gegen die Zu-                  2. Recht auf informationelle
     lässigkeit entsprechender Systeme.                             Selbstbestimmung und
                                                                    Beschäftigtendatenschutz
—— Ermöglichen eingesetzte Systeme und Program-
     me neben ihrem eigentlichen Zweck eine Bewer-                  Eine spezifische Ausprägung des allgemeinen Per-
     tung oder Kontrolle des individuellen Verhaltens               sönlichkeitsrechts ist das Recht auf informationelle
     oder der individuellen Leistungen, ist das all-                Selbstbestimmung. Dieses wurde vom Bundesverfas-
     gemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen                   sungsgericht (BVerfG) am 15.12.1983 durch ein Ur-
     Arbeitnehmer immer tangiert. Dies steht dem                    teil33 zur in der Bundesrepublik Deutschland geplan-
     Einsatz entsprechender Technik grundsätzlich                   ten Volkszählung begründet. Durch die Entscheidung
     entgegen. Machen Arbeitgeber demgegenüber                      hat das Gericht allen Bürgern das Recht eingeräumt,
     eigene Positionen geltend, muss eine Abwägung                  über die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten ei-
     bezüglich der Verhältnismäßigkeit des geplanten                genständig zu entscheiden. Im ersten Leitsatz des Ur-
     Einsatzes erfolgen. Kommt diese Abwägung zu                    teils heißt es hierzu:
     der Feststellung, dass die Interessen eines Ar-
     beitgebers überwiegen, kann der Einsatz erfol-                      „Unter den Bedingungen der modernen Da-
     gen. Ansonsten muss er unterbleiben.                                tenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen

33	Vgl. BVerfG vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 – BVerfGE 65, 1-71 = NJW 1984, 419.

                                                                                                                  Seite 15
Automatisierung im Personalmanagement –
                                    arbeitsrechtliche Aspekte und
                                    Beschäftigtendatenschutz

     gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung,               Abs. 1 DSGVO können die Mitgliedsstaaten durch
     Verwendung und Weitergabe seiner persönli-             Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarun-
     chen Daten von dem allgemeinen Persönlich-             gen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung
     keitsrecht des GG Art 2 Abs 1 in Verbindung            des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich
     mit GG Art 1 Abs 1 umfaßt. Das Grundrecht              der Verarbeitung von Beschäftigtendaten durch Ar-
     gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzel-        beitgeber vorsehen. Für die Ausgestaltung einschlä-
     nen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe           giger Vorschriften gibt Art. 88 Abs. 2 DSGVO vor,
     und Verwendung seiner persönlichen Daten zu            dass diese geeignete und besondere Maßnahmen
     bestimmen.“34                                          zur Wahrung der menschlichen Würde, der berech-
                                                            tigten Interessen und der Grundrechte der betroffe-
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist          nen Person enthalten müssen. Diese Maßnahmen
nicht grenzenlos. Nach den Ausführungen des Bun-            müssen sich nach der beispielhaften Aufzählung in
desverfassungsgerichts können Begrenzungen im               der Vorschrift insbesondere auf die Transparenz der
überwiegenden Allgemeininteresse zulässig sein:             Verarbeitung und auf Überwachungssysteme am Ar-
                                                            beitsplatz beziehen. Dieser Hinweis in Art. 88 Abs. 2
     „Einschränkungen dieses Rechts auf ‚informa-           DSGVO verdeutlicht, dass Regelungen zur Nachvoll-
     tionelle Selbstbestimmung‘ sind nur im über-           ziehbarkeit der Verarbeitung und zur Gestaltung von
     wiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie be-         Kontrollsystemen am Arbeitsplatz weiterhin von ele-
     dürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen           mentarer Bedeutung bei der Ausgestaltung betriebli-
     Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der         cher Verarbeitungsregelungen sind.
     Normenklarheit entsprechen muß. Bei seinen
     Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den              Die durch das Recht auf informationelle Selbstbestim-
     Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.         mung garantierte Entscheidungsfreiheit der einzel-
     Auch hat er organisatorische und verfahrens-           nen Arbeitnehmer findet sich in der DSGVO an pro-
     rechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der         minenter Stelle als individuelle Einwilligung in Art. 6
     Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeits-           Abs. 1 Nr. 1 DSGVO als erster datenschutzrechtlicher
     rechts entgegenwirken.“35                              Erlaubnistatbestand wieder. Nach dieser Vorschrift
                                                            ist die Verarbeitung personenbezogener Daten i. S. v.
Dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestim-            Art. 4 Nr. 1 DSGVO rechtmäßig, wenn die betroffene
mung kommt auch nach Inkrafttreten der Europäi-             Person ihre Einwilligung hierzu für bestimmte Zwecke
schen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und                gegeben hat.
des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) im
Anwendungsbereich des deutschen Arbeitsrechts               Bezogen auf Beschäftigungsverhältnisse präzisiert
bezogen auf die elektronische Verarbeitung von Be-          § 26 Abs. 2 BDSG die Anforderungen an eine wirk-
schäftigtendaten weiterhin eine große Bedeutung zu.         same Einwilligung von Beschäftigten. Insbesondere
Die im Urteil statuierten Grundsätze sind bei der Aus-      werden hier Vorgaben für die Beurteilung der not-
legung der einschlägigen Datenschutzvorschriften zu         wendigen Freiwilligkeit der Einwilligung gemacht, wie
beachten.                                                   insbesondere die bestehende Abhängigkeit vom Ar-
                                                            beitgeber sowie die Umstände, unter denen die Ein-
Bezogen auf Beschäftigungsverhältnisse und den              willigung erteilt wurde. In § 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG ist
dort zu garantierenden Schutz personenbezogener             festgeschrieben, dass die Einwilligung schriftlich oder
Daten von Arbeitnehmern enthält Art. 88 DSGVO un-           elektronisch erfolgen muss, soweit nicht wegen be-
ter der Überschrift „Datenverarbeitung im Beschäfti-        sonderer Umstände eine andere Form angemessen
gungskontext“ spezifische Regelungen. Nach Art. 88          ist.

34	BVerfG a. a. O., 1. Leitsatz.
35	BVerfG a. a. O., 2. Leitsatz.

                                                                                                           Seite 16
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