Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
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Das Weinviertel-ABC Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel B a n d 1 www.weinviertelost.at www.weinviertel.at Mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union
A von Altlichtenwarth bis Zistersdorf D ieser erste Band des Weinviertel-ABC soll gleichzeitig auch der Auftakt für eine Rei- he von anekdotischen und wissenswerten Bei- Auftakt trägen sein. Mit etwas Glück finden wir eine interessante Mischung und tragen so dazu bei, dass wir selbst mehr über unser Weinviertel Kapellmeister Christian Peter © Musikverein Spannberg / Marlene Bugl Von einem Auftakt spricht man in der Musik, lernen und einiges davon unseren Gästen ver- wenn eine oder mehrere Noten auf den Beginn mitteln können. Wir hoffen, dass auch andere einer musikalischen Phrase hinführen und so Personen und Organisationen diese Idee auf- den Einstieg in das eigentliche Stück erleichtern greifen und die „erlesene Einstiegshilfe“ in die oder ankündigen. Mit der vorliegenden Broschü- „Materie Weinviertel“ durch eigene Bände er- re wollen wir ähnliches erreichen: Anhand eini- gänzen. ger Begriffe, sortiert in alphabetischer Reihen- Den Anfang dürfen wir im Namen der LEADER folge, bieten wir eine erste Orientierung für eine Region Weinviertel Ost machen. Das hat zur Reise in ein besonderes Stück Österreich: in das Folge, dass zumindest dieser erste Band viel- Weinviertel. leicht etwas „ostlastig“ ausfällt. Die interes- Das ist notwendig, weil das Weinviertel weder zu sierte Leserin und den interessierten Leser den bekanntesten noch zu den lautesten Regio- bitten wir daher, nicht nach geografischer Aus- nen zählt und einige Schätze erst beim zweiten gewogenheit zu suchen. Beide bitten wir üb- Hinsehen erkannt werden. Für manche Entde- rigens auch, sich in der Folge immer gleicher- ckungen muss man überhaupt erst auf den Ge- maßen angesprochen zu fühlen, selbst wenn schmack kommen und tiefer in die Erlebniswelt wir nicht immer jede geschlechterspezifische Weinviertel eintauchen. Und so bieten wir einige Endung anführen werden. hoffentlich interessante und wissenswerte Kost- Dieser Band deckt natürlich nur einen Bruchteil proben. Ihre Entdeckungsreise wird aber so indi- dessen ab, was es in der Region zu erkun- viduell und vielseitig sein, wie das Land selbst. den gibt. Der Anspruch auf Vollständig- keit kann nicht erhoben werden. Vielmehr bleibt den interessierten Heimatforschern und den geschätzten Besuchern das Glück, sich mit großer Lust und Freude auf Entdeckungsreise zu begeben und den einen oder anderen Vermerk zu er- gänzen. Vielleicht entsteht dabei auch Ihr ganz persönliches Weinviertel-ABC. Viel Spaß dabei! p DI Johannes Wolf sch ntschit Kurt Ja 2
Wolkersdorf a. d. Ostbahn 1820 © Stefan Eminger B Mit Betty Bernstein, dem Maskottchen der Bernsteinstraße, können Kinder die spannendsten Betty Bernstein © Die Österreichische Bernsteinstraße Abenteuer in Museen, Burgen und Naturparks Brünner Straße erleben. www.betty-bernstein.at Doch auch unzählige Kriegsheere waren auf Die Weinviertler Verkehrsader diesen Straßen unterwegs und oftmals war das Weinviertel Schauplatz von Kämpfen und teils historischen Schlachten. In Friedenszeiten stand D ie Brünner Straße (B7), die vormals den klingenden Namen „Kaiserstraße“ trug, war seit jeher die wichtigste Nord-Süd-Verbin- der Transport von Waren im Vordergrund, und so fand nicht nur der Bernstein an die Adria, sondern etwa auch der Weinviertler Wein seinen Weg bis dung im Osten Österreichs. Seit dem Bau der an den Hof des russischen Zaren. Unter dem Titel „Weinviertel-Autobahn“ (A5 Nordautobahn) hat „Straßengeschichte(n) – Handelswege quer durch sie jedoch als Hauptverkehrsweg ausgedient. Europa und mitten durchs Weinviertel“ gestal- teten Stefan Eminger und Wolfgang Galler 2013 Die Bernsteinstraße eine ausgezeichnete Ausstellung samt Katalog im Schloss Wolkersdorf. p Ein ebenso wichtiger und historisch bedeu- tender Verkehrsweg durch das Weinviertel abgeschnitten und inmitten war und ist die sogenannte „Bernsteinstraße“. Vor rund 25 Jahren war das Weinviertel das Diese legendäre und sagenumwobene Straße Ende der westlichen Welt am Eisernen Vor- ist der älteste Handelsweg Mitteleuropas, der hang. Heute gehört es zur „Europa Region den Bernstein (ein fossiles Harz, dass vor ca. Mitte“, in der rund 6,5 Millionen Menschen am 40 bis 50 Millionen Jahren in nördlichen Pini- Schnittpunkt von 4 Staaten und 4 Sprachen enwäldern entstanden ist) auf seinem Weg von leben. Inmitten Europas gelegen, sorgten die Wendungen der europäischen Geschichte den Bernsteinküsten der Ostsee zu den Han- immer auch für große Herausforderungen für delshäfen des Mittelmeeres auch durch das das Weinviertel und seine Bewohner. Weinviertel führte. 3
Chöre & Klänge C Marschierender Musikverein Hochleithen © Musikverein Hochleithen / Christine Friedl Der Chorgesang hat in seiner kirchenhistori- Musik und Kunst – schen Bedeutung auch immer wieder die Men- klingendes Weinviertel schen im Weinviertel inspiriert und so gibt es bis heute zahlreiche Chöre und Vokalensemb- les, die sich im Weinviertel von aufmerksamen Ohren immer wieder gerne entdecken lassen.p W ie überall gibt es natürlich auch im Weinviertel eine lange Tradition an Musikvereinen und Blasmusikkapellen. In der Weinviertler Komponisten Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich im Weinviertel sogenannte „Kirtagsorchester“. › Julius Bittner (1874 –1939) Wie bei den Wiener Walzerkomponisten war › Max Brand (1896 –1980) › Nico Dostal (1895 –1981) auch hier der Kapellmeister „Stehgeiger“ – in › Gottfried von Einem (1918 –1996) weiterer Besetzung mit 2. Geige, Viola, Kon- › Franz Xaver Frenzel (* 1945), trabass, Flöte, 1. und 2. Klarinette, 1. und 2. (wirklicher Name: Friedemann Katt) Trompete, 1. und 2. Waldhorn und Posaune. › Thaddäus Huber (1742 –1798) › Ignaz Josef Pleyel (1757–1831) Musik mit Tradition › Gottfried von Preyer (1807–1901) › Kaspar Schrammel (1811–1895) Heute gibt es wieder Musikensembles, die › Johannes Matthias Sperger (1750 –1812) sich dieser Tradition annehmen, wie etwa die „Weinviertler Kirtagsmusi“, die in traditionel- 3 NÖ-Blasmusikverband: www.noebv.at ler Besetzung Stücke von Weinviertler Kompo- 3 Chorverband NÖ & Wien: nisten spielen, beispielsweise von Josef Krickl www.noe-chorverband.at (1870 –1953, aus Eichenbrunn). 4
ernkrieg (1523 –1526) damit, und während der Hussitenkriege (1419 –1434 bzw. 1439) waren Dreschflegel die stärksten Waffen. Der D „Nunchaku“, den man aus den asiati- schen Kampfkünsten kennt, ist ebenfalls ein Dreschflegel, den Bauern zum Reis- Dreschen benutzten. Dreschflegel Getreide mit Geschichte Drischl dreschen © Sammlung augustin / Museumsdorf Niedersulz Auch im Weinviertel war und ist Agrarwirt- schaft wichtig. Der Bezirk Hollabrunn etwa die Spreu vom Weizen trennen war schon vor 6.000 Jahren mit Bauern be- siedelt, die in Flechtwerkhäusern lebten und D as Wort Flegel leitet sich vom lateini- schen Wort für Peitsche ab: „flagellum“. Der Dreschflegel besteht aus einem hölzernen Ackerbau und Viehzucht betrieben. Der Stellenwert der Getreideernte zeigt sich in den Erntedankfesten, die in vielen Gemeinden Stiel, an dem ein beweglicher Holzprügel be- aufwendig begangen werden. festigt ist. Mit diesem wurde mit großer Kraft Während in den letzten Jahrzehnten die Sor- auf die am Boden liegenden Getreidebündel tenvielfalt der Getreidearten großteils der In- eingedroschen, um die Getreidekörner heraus- dustrialisierung der Landwirtschaft zum Opfer zuschlagen, welche aufgrund ihres Gewichts fiel, ging man in den letzten Jahren auch im liegen blieben, während die leichteren Anteile Weinviertel dazu über, wieder alte Kultursor- vom Wind weggeweht wurden. ten anzubauen. Seither finden sich vermehrt Dieses Arbeitsgerät ist eines der ältesten Ern- schmackhafte und widerstandsfähige Sorten tegeräte. Seine Bedeutung für die Menschen wie Buchweizen und Amaranth in den Getrei- zeigte sich beispielsweise im alten Ägypten, demühlen des Weinviertels. p wo er neben dem Hirtenstab das wichtigste At- tribut der ägyptischen Gottheit Osiris war. Er wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Fakten: Anbauflächen Österreich und Deutschland durch maschinelle Anbau auf dem Ackerland in NÖ 2012: Dreschmaschinen ersetzt. Brotgetreide auf 230.865 ha Quelle: STATISTIK AUSTRIA Waffe der Bauern Ackerland 2012 in den Bezirken Gänserndorf: 84.730 ha Wegen seiner enormen Schlagkraft wurde der Mistelbach: 95.000 ha Dreschflegel im Mittelalter häufig als einfache Hollabrunn 59.400 ha Bauernwaffe verwendet. Ein Großteil der Bau- Quelle: LK Mistelbach, Gänserndorf, Hollabrunn ern kämpfte beispielsweise im deutschen Bau- 5
E Vom Wind zum Öl und wieder retour W ährend das letzte Jahrhundert im Weinviertel von der Förderung des Erdöls geprägt wurde, scheint das neue Jahr- hundert ganz im Zeichen der Windenergie zu stehen. Das Erdölgebiet „Matzner Feld“ (rund um die Gemeinden Matzen und Prottes) war, als noch ergiebig gefördert wurde, das „größte geschlossene Erdölfeld Mitteleuropas“. Durch Energie die fossilen Ablagerungen urzeitlicher Mee- resbewohner konnten seit Ende der 40er-Jahre Energie im Weinviertel © Leader Region Weinviertel Ost / Sophie Doppler des vorigen Jahrhunderts gigantische Mengen Fakten: Erdöl Erdöl gefördert werden. Das Erschließen des Matzner Feldes trug maßgeblich dazu bei, dass Die von 1930 bis 2012 in Österreich geför- Österreich mit den Reparationszahlungen nach derte Menge Erdöl beträgt rund 120,5 Mio. Tonnen. Davon stammen 111,2 Mio. – also dem zweiten Weltkrieg wesentlich früher fertig über 92 % – aus dem Wiener Becken, was war, als ursprünglich geplant. im Bezug auf die Erdöl- und Erdgasförde- rung mit dem Weinviertel (inkl. Marchfeld) Der Wind kommt wieder gleichzusetzen ist. Im Jahr 2012 wurden 738.443 Tonnen Öl Heute sind die Erdölvorkommen weitgehend produziert. In den Statistiken werden noch erschöpft und auf der Suche nach alternativen 80.000 Tonnen NGL (Natural Gas Liquids Energieformen wurde das Weinviertel als öster- wie z. B. Propan, Butan ...) dazugezählt. reichischer Windkraftstandort entdeckt. Wäh- Diese werden aus Gas abgeschieden und, weil flüssig, dem Erdöl zugerechnet, sodass rend in früherer Zeit Windmühlen das Land- als Erdölförderung auch rund 817.600 Ton- schaftsbild prägten, drehen sich heute allerorts nen für das Jahr 2012 ausgewiesen werden. Windkraftanlagen. Die Anzahl der vereinzelt Bei einer österreichischen Gesamtförderung in der Landschaft verteilten Windkraftanlagen von 917.300 Tonnen stammen also 89,1 % steigt jährlich und der Ausbau der Windenergie aus dem Wiener Becken. Mit seiner Erdöl- ist ein Schwerpunkt in der Energiepolitik des produktion kann Österreich knapp 8 % sei- Landes. Schon heute wird ein Vielfaches der im nes Bedarfes decken. Bei gleichbleibender Weinviertel benötigten Energie mit Windstrom Förderung und keinen Neufunden hätten erzeugt – ein Ende dieser Entwicklung ist der- wir noch Öl für rund 12 Jahre. zeit nicht abzusehen. p Quelle: Univ.Prof. Dr. Gerhard Ruthammer, OMV AG 6
Kellergassenführer Richard Stöger © AGRAR Plus F Fiata Der Fiata war der integrative Bestandteil win- Das Fürtuch – zerlichen Arbeitseifers. Kaum angelegt, über- Der Weinviertler Lendenschurz zeugte er Träger und Mitmenschen von Fleißig- keit und Arbeitseifer und wurde auch während des Hauerrasterls kaum abgelegt. p D as Fürtuch, also eigentlich „das“ Fiata, wurde zu allererst, wie im Weinviertel nführerInnen / SEYMANN üblich, mit dem falschen Artikel versehen und sollte als „der Fiata“ die Kleidung vor Ver- im Weinviertel rein Kellergasse schmutzung schützen. Der Fiata wurde wäh- rend der Arbeitswoche – also fast immer – über dem normalen „Olle-Tag-G’wand“ „aug’legt“. Kalmuck © Ve Man zog sich damals nicht an, man legte an … Der „Kalmuck“ oder auch „Kalmuk“ – eine Bezeich- Kalmuck-Janker In der ländlichen Bevölkerung unterschied sich nung für sein Baumwoll- das „Olle-Tag-G’wand“ in der Regel nicht sehr Doppelgewebe – gab dem vom „Sunndag’wand“ (Sonntagsgewand). Die Janker den Namen, der wegen seiner Robustheit ursprünglich gerne von den Donau-Flößern getragen Herstellung von Kleidung war meist kostspielig wurde. Der Kalmuck wurde mit seinem typischen und zeitaufwendig, man – oder besser: frau – Muster in einigen Regionen Österreichs u. a. musste ja noch selber nähen. als Winzer-Tracht übernommen. 7
G geh Meist in der Zeit um Ostern In die Grea Gmorigeh, als besinnlicher Spaziergang und Treffen in der Natur Grea & … unter freiem Himmel praktiziert, um das erwachende Frühjahr zu begrüßen. Beide Fotos: Lewa bessern © Leader Region Weinviertel Ost / christine Friedl wieder auf. Heute noch wird in vielen Gemein- Kulturgut oder biederer Kitsch den das „Gmahrischau’n“ als feierlicher Akt am 1. Mai betrieben und beworben. Ein weiterer, bis heute lebendiger Brauch im D ie Herkunft der im Weinviertel zu fin- denden Bräuche ist so vielfältig und verschieden wie die Bräuche selbst. Ob reli- Frühjahr erinnert an den Gang der Jünger nach Emmaus (Neues Testament). Im Weinviertel ist dieser Brauch als „in die Grea geh“ (Gang ins giösen Ursprungs oder einfach dem Lauf der Grüne) erhalten. p Jahreszeiten – und daher mit den bäuerlichen Feldrhythmen – verbunden: bis zum einfachen Abgehen der Dorfgrenzen wurden viele lebens- Emmausgang notwendige Tätigkeiten in den Stand eines Ri- tuals erhoben. Der Emmausgang ist heute noch lebendi- Das „Gmorigeh“, „Gmahrischau’n“ oder „Le- ger christlicher Brauch, vor allem in Süd- wabessern“ ist die einmal jährlich praktizierte deutschland und in Österreich, in Erinne- Begehung der Dorfgrenzen. Vom Bürgermeister rung an den Gang der Jünger nach Emmaus, bis zum Schulkind beteiligen sich die Dorfbe- denen sich Jesus Christus unerkannt an- schloss (Lukas 24, 13 –29). wohner an diesem „Wandertag“. Mit Pinsel und Ausgeführt wird der Emmausgang als ein Kübel werden die Grenzsteine abgegangen und geistlicher Gang mit Gebet und Gesang oder neu gekalkt. Da dies meist in den heißen Mona- als ein besinnlicher Spaziergang durch die ten praktiziert wird, löst sich die Wandertruppe erwachende Natur am Ostermontag, der naturgemäß erst nach ausgiebigem Umtrunk deshalb auch Emmaustag heißt. im Dorfwirtshaus zu sehr später Abendstunde 8
H I Hintaus Introvertiert © Weinviertel Tourismus GmbH / MICHAEL HIMML Scheunen in Pettendorf © Thomas Hofmann Das Gegenteil von voraus ein Weinviertler Urzustand W ährend nach vorne hin alles seine Ordnung hatte (Fassade, Fenster- und Türanstrich, penible Gestaltung der schmu- A ls der Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung (1875 –1961) den Begriff der Intro- vertiertheit definierte, war er wahrscheinlich cken Vorgärten etc.), durfte sich im Hintaus kurz davor im Weinviertel zu Besuch. Die Er- diese Ordnung sanft auflösen. Hintaus waren kenntnis, dass introvertierte Menschen ihre die Stadl fürs Arbeitsgerät, die Stallungen samt Aufmerksamkeit und Energie stärker auf ihr Misthaufen und auch so mancher Platz zum Innenleben richten und in Gruppen dazu nei- Abstellen alter Feldgeräte und Wagenteile. Das gen, zu passiven Beobachtern zu werden, kann Hintaus war der Ort, wo sich die Strenge der wahrlich nur im Weinviertel gewonnen werden! Welt in der geordneten Unordnung verlieren Die sprichwörtliche „Gelassenheit“ der Wein- konnte. Die Hintausstraße verläuft parallel zur viertler lässt sich in kurzer Form nicht erklä- Straße an der die Haupteingänge sind. Von dort ren, begründen lässt sie sich noch schwerer. konnte man mit Fuhrwerk und Geräten bequem Die Menschen in diesem Landstrich haben ihre ein- und ausfahren. p „Geschwindigkeit“ dem Lauf der Zeit eben nicht angepasst. Der Eindruck der Introvertiertheit, die den Kultur hintaus Weinviertlern zugeschrieben wird, ermöglicht es ihnen, viele Entwicklungen und Veränderungen Der Begriff „Hintaus“ wurde in den letzten aus einer „Beobachterposition“ zu beurteilen Jahren von verschiedenen Kulturschaffenden und Vereinen als romantisch-philosophischer – diese ist jedoch nicht mit Teilnahmslosigkeit Begriff entdeckt und wird seitdem in diversen zu verwechseln, denn das sind die Weinviertler Publikationen, Bildern, Liedern und Festen trotz aller Gelassenheit nicht. Anstatt auf über- als der „Inbegriff des Weinviertler Wesens“ schwängliche Begeisterung hat man aber hier- gehandelt. orts die Chance, auf ehrliches Interesse und Ver- 3 www.hintaus.at bundenheit zu stoßen, sobald man sich die Zeit und die Muße nimmt, dies auch zuzulassen. p 9
J sich um Lebensräume und gesunde Wildtierbestände sorgt, ist Grund- lage der Genussregion Weinviertler Wild. Dank spezieller Qualitätsrichtli- nien finden hochwertige und gesunde Pro- dukte aus heimischen Beständen und freier Wildbahn den Weg auf die Teller und in die Regale der Region. Schutz durch Nutzung bleibt hier kein leeres Motto, die Genussregion trägt maßgeblich dazu bei, dass Feldhase, Fa- Jagdhorn san, Wildschwein und Co fixer Bestandteil der Weinviertler Landschaft bleiben. p Jagdhornbläser © © Leader Region Weinviertel Ost / christine Friedl VOM SIGNAL ZUR MUSIK I n ihrer ursprünglichen Verwendung dienten Jagdhörner zum Abgeben von Signalen und zum Informationsaustausch über große Ent- fernungen. Musik war demnach nicht schmü- ckendes Beiwerk, sondern entscheidend für Erfolg und Sicherheit der Jagd in der Gruppe. Heute werden Jagdhörner auch als reine Mu- sikinstrumente verwendet. Dabei bilden die notwendigen Signale der Jäger den Ursprung der gesamten jagdmusikalischen Entwicklung, die mittlerweile bis zu hochwertigsten Jagd- AUSGEZEICHNETE QUALITÄT hornbläserkonzerten reicht. Wildfleisch hatte stets seinen festen Platz in Die Genussregion Weinviertler Wild der Weinviertler Gastronomie. In den letzten Jahren sind zudem eine Reihe hochqualita- Vielfältig und fruchtbar präsentiert sich das tiver Veredelungsprodukte entstanden. Um Weinviertel seinen Besuchern ebenso wie den diese näher zu erfassen, wurde 2009 der heimischen Wildtieren. Von solcherlei Arten- Produktwettbewerb LEPUS – benannt nach vielfalt können andere Regionen – ausgeräumte dem lateinischen Namen des Feldhasen – ins Leben gerufen. Seither werden die bes- Agrarlandschaften oder technisch überformte ten Pasteten, Sulzen, Pökelwaren, Roh– und Ballungsräume – nur noch träumen. Brühwürste rund um das Weinviertler Wild Ein nachhaltiges Jagdwesen, das Wildtie- auch offiziell ausgezeichnet. ren mit Achtung und Respekt begegnet und 10
Bedrohte Idylle Heute hat sich die Weinproduktion so weit verändert, dass den Kellergassen kaum mehr wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die Win- zer produzieren ihre Weine in großen K Hallen und haben zur Verarbeitung und Lagerung Metalltanks, die sich leichter handhaben lassen als Holz- fässer in verwinkelten Kellergewöl- ben. Lediglich die Rotweine werden noch von manchen Winzern in den dafür sehr geeigneten kleinen Holzfässern im Dunkel der Erde gela- gert. Doch allen technischen Errungenschaften zum Trotz wird eine „Kellerpartie“ erst dann romantisch, wenn man sich beim Genuss der Kellergasse edlen Tropfen im feuchten Erdreich im Endlos der Zeit verlieren kann … Kellergasse © Leader Region Weinviertel Ost / Sophie Doppler Die Menschen im Weinviertel sind sich der Verantwortung gegenüber der Kultur der Kel- das Dorf im Dorf lergassen sehr wohl bewusst und es gibt immer mehr Initiativen zur Erhaltung dieser einzigar- tigen Denkmäler erhabener Trinkfreude. p D ie Wein- und Erdkeller haben im Wein- viertel eine sehr lange Geschichte. Seit Ur- zeiten haben sich die Menschen die Löss- und Lehmböden des Weinviertels zunutze gemacht und die gegrabenen Stollen als Kühl- und La- gerräume, aber auch als Verstecke genutzt. Der Umstand, dass die Lufttemperatur im Wein- keller relativ gleichbeibend ist, machte die Erd LeseTipp Broschüre stollen zum idealen Lagerplatz für Wein. Dieser „Kellergassen im Weinviertel“ hat es gerne konstant und schätzt keine großen Temperaturschwankungen. Herausgegeben von der Um den Arbeitsablauf zu vereinfachen, wurde LEADER Region Weinviertel Ost. Mit Wissenswertem zu Geschichte das „Presshaus“ gleich an die „Kellerröhre“ an- und Entstehung der Kellergassen gebaut – und so kam das Weinviertel zu seinen sowie deren Architektur, Nutzung unverwechselbaren Kellergassen. und richtige Instandhaltung. 11
L Fast vergessen – jetzt wiederentdeckt Im letzten Jahrhundert kam Lehm als „Arme- Leute-Baustoff“ in Verruf und wurde immer mehr von industrialisierten Produkten ersetzt. Erst Mitte der 80er-Jahre wurde er als Baustoff wiederentdeckt. Die Vorteile von Lehm als Bau- stoff sind bis heute unerreicht: lange Haltbarkeit und hohe Wartungsfreundlichkeit. Lehm ist zu 100 % recyclingfähig, konserviert pflanzli- che Stoffe wie Holz, bindet Schadstoffe aus der Lehm & Löss Raumluft und reguliert die Luftfeuchtigkeit. p Langhaus © Urgeschichtemuseum NÖ Asparn a.d. Zaya Bauformen im Weinviertel Baustoff der Urzeit Schon wegen der frühen Besiedlung ist das Weinviertel ein siedlungsgeschichtlich inter- L ehm ist als Baustoff seit mehr als 9.000 Jahren bekannt und noch heute lebt etwa ein Drittel der Erdbevölkerung in Lehmhäu- essantes Gebiet. Anger- oder Straßendör- fer gelten hier als klassische Siedlungsfor- men. Das Anordnungssystem blieb immer sern. Die Wichtigkeit des Lehms war enorm dasselbe: die Hausparzelle mit dem Gehöft und so ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass an der Straßenseite, gefolgt vom Hof, dem in der Bibel Gott den ersten Menschen auch aus Hausgarten und dem Hausacker. Die Gehöfte diesem Material formte ... standen dicht nebeneinander, lediglich eine So wie überall wurde auch im Weinviertel mit schmale „Reihe“ zum Abrinnen des Regen- wassers bildete die Grenze. Gelegentlich gab Lehmziegeln gebaut. Die Ziegel wurden meist es einen Durchgang in der lang gestreckten von den Menschen selbst gestochen und ge- Dorfzeile zur Hintausgasse oder zur Bachzeile. formt. Gebrannt werden durften sie aber nur Wesentlicher Bestandteil des Bauernho- von den Herrschenden der jeweiligen Zeit. Das fes war der Wohnbau, der ausgehend vom Ziegelbrennen war bis 1848 ein Privileg der Streckhof durch Erweiterung oder Drehung Adelsschicht, die damit gutes Geld verdiente. des Quertraktes die Bezeichnung „Zwerch- Erst nach der Revolution von 1848, als es je- hof“ erhielt und in den Weinbaugebieten dem freigestellt war ein Gewerbe auszuüben, zur bevorzugten Hausform wurde. In der li- nearen Abfolge der Bereiche Wohnen, Vorrä- schossen Ziegelöfen im ganzen Land wie Pilze te, Stall erfolgte eine straßenseitige Erweite- aus dem Boden. rung durch eine Stube. Im Freiluft-Urgeschichte-Museum Asparn an Der Hakenhof erhielt den Quertrakt hofsei- der Zaya demonstriert ein jungsteinzeitliches tig, dabei konnte es sich um eine Erweiterung Langhaus den Einsatz von Lehm als Baustoff zu Wohn- oder Wirtschaftszwecken handeln. vor ca. 12.000 Jahren (www.urgeschichte.at). 12
M LeseTipp Mühlen Wolfgang Galler: „Unser täglich Brot“ Von Bäckern, Müllern und Bauern im Weinviertel. Mit traditionellen Hofmühle aus Walterskirchen © Museumsdorf Niedersulz/Michael Loizenbauer Brotgerichten von Manfred Buchinger. Edition Winkler-Hermaden Wenig Wasser, viel Wind D as Weinviertel ist und war eher arm an Wasser führenden Bächen, die zum Be- trieb von Wassermühlen geeignet wären. Wäh- mühlen zusehends an Bedeutung. So ging mit den Mühlen wohl auch ein Stück kultureller Identität verloren und es stellt sich die „augen- rend entlang der Donau und der March ab dem zwinkernde“ Frage, warum bei so vielen „Still- 15. Jahrhundert zahlreiche Schiffsmühlen in legungen“ die Welt immer lauter wird ... p Betrieb waren, drohte anderswo im Weinvier- tel, besonders in heißen Sommern, eine Unter- versorgung an Mühlen. Typische Mühlen Der Plan Kaiser Josephs II., das Land flächen- deckend mit Lebensmitteln zu versorgen, führ- Anfangs waren die Windmühlen im Wein- te zum Bau von zahlreichen Windmühlen im viertel „Bockwindmühlen“. Sie waren aus Weinviertel. Holz und im Gesamten auf einem Holzbock platziert, so dass bei Bedarf das ganze Mühl- haus mit den Windflügeln in die Windrich- Dampfkraft und tung gedreht werden konnte. Diese Mühlen Ökologischer Fußabdruck waren eher klein und hatten daher nur ge- ringe Mahlkapazitäten. Viele der alten Mühlen wurden dem architekto- nischen Zeitgeschmack angepasst. Meist wur- Weitere Mühlentypen im Weinviertel: den Wind- und Wasserkraft genutzt, wodurch › Ober-/Unterschächtige Wassermühlen der heute viel diskutierte „Ökologische Fußab- › Unterschächtige Schiffsmühlen druck“ sehr klein gehalten werden konnte. Mit 3 www.mehl.at/geschichte.html Einführung der Dampfkraft verloren die Wind- 13
N D as Weinviertel zählt, floristisch betrach- tet, zur sogenannten Pannonischen Florenprovinz, welche Teil der Südsibirisch- Pontisch-Pannonischen Florenregion ist. Ein submediterraner Einfluss ist durch die trocke- nen und warmen Sommer hierzulande deutlich erkennbar. Aufgrund der jahrhundertelangen Nutzung als Acker- und Weideland wurde das Weinviertel gerodet und ist somit vorwiegend unbewaldet. Das Weinviertel ist weitgehend mit Löss bedeckt, einem Sediment, das wäh- rend der Kaltzeiten vom Wind hierher getragen Natur und abgelagert wurde. Durch das Pannonische Klima und die Lössböden ist das Weinviertel, Naturpark Leiser Berge © KEM Leiser Berge wie der Name schon verrät, hervorragend für den Weinbau geeignet – es ist das größte Wein Von warmen Sommern anbaugebiet Österreichs. und Sandigen hügeln Bedeutend für die Region sind die March-Taya- Auen, eine einzigartige Natur- und Kulturland- schaft, die eine außergewöhnlich hohe Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Sie bie- Naturpark Leiser Berge tet Lebensraum für seltene Vogelarten wie z. B. den Kaiseradler, den Rotmilan oder auch den Auf den Spuren alter Kulturen Schwarzstorch. Der Pulsschlag jeder intakten Der Naturpark Leiser Berge liegt im Herzen Aulandschaft sind regelmäßige Überflutungen. p des Weinviertels. Von der Aussichtswarte am Oberleiser Berg überblickt man die viel- fältige Landschaft mit ihren Äckern, Wäl- Ramsar-Gebiet March-thaya dern und Trockenwiesen, die seit der Jung- steinzeit bewirtschaftet werden. Die Felder schmiegen sich in geometrischen Figuren 1971 wurde in der iranischen Stadt Ramsar an die sanften Hügel und wechseln bis zur eine Konvention zum Schutze von Feucht- Ernte ständig ihr Farbenkleid. Aufgrund gebieten mit internationaler Bedeutung ins des teilweise plateauartigen Charakters der Leben gerufen. Seit 1983 ist Österreich Mit- Wald- und Heideberge ist das weitläufige glied dieser Konvention. Gebiet des Naturparks für bequeme Fami- Die March-Thaya-Auen zählen, in Verbindung lienwanderungen besonders gut geeignet. mit den Donau-Auen, zu den bedeutendsten Ramsar-Gebieten Mitteleuropas. 3 www.naturparke.at/de/Naturparke/ Niederoesterreich/Leiser_Berge 3 www.march-thaya-auen.at 14
Erntedankfest in Spannberg © Maria wiesinger Odamasch O Tradition trifft Zeitgeist Vom Ernten und Feiern Die Tradition der Erntedankfeste im Herbst ist im Weinviertel noch sehr lebendig und wird vie- D ie Feier von Erntedankfesten geht weit in die vorchristliche Zeit zurück. Rituelle Feiern sind vor allem aus Nordamerika, Israel, lerorts in Verbindung mit der Kirche gepflegt. Dem heutigen Zeitgeist entsprechend, werden diese traditionellen Feste oft auch eventartig Griechenland oder aus dem Römischen Reich aufgezogen – wie etwa das Laaer Zwiebelfest, bekannt. In der katholischen Kirche ist das das alljährlich viele Besucher anlockt. p Erntedankfest seit dem 3. Jahrhundert belegt. Einen einheitlichen Termin gab es nie, da die Erntedankessen Ernte je nach Klimazone zu verschiedenen Zeiten eingebracht wird. Weil er keine Eier legt … Ein typisches Erntedankessen lässt sich im Das besonders im östlichen Weinviertel so ge- Weinviertel nicht finden, da es je nach fa- läufige Wort „Odamasch“ (oder „Halamasch“) miliärer Tradition variierte. Zur Zeit der stammt aus der Zeit, in der vor allem Erntehel- Lohndrescher und -schnitter fand sich im- fer aus der heutigen Slowakei die Arbeitskraft mer wieder der Hahn auf dem Speisezettel. in der heimischen Landwirtschaft verstärkten. Dieser wurde aus wirtschaftlichen Gründen gewählt, weil er keine Eier liefert und so als Slowakische Erntearbeiter aus Oberungarn, die billiges Lebensmittel den hungrigen sich in jedem Jahr sehr zahlreich bei der Ernte Erntearbeitern serviert wurde. verdingten, haben diesen Begriff mitgebracht. 15
Produktkorb P Weinsujet © Weinviertel Tourismus GmbH / christine wurnig EIN LAND FÜR GENIESSER regionalen Produkten ist also reichlich gedeckt. Weinviertel Genussrolle Edition © Leader Region Weinviertel Ost Manchen werden eigene Feste gewidmet. Dazu zählen etwa das Retzer Kürbisfest oder das A ls Weinbaugebiet erfreut sich das Wein- viertel zunehmender Bekannt- und Be- liebtheit. Man könnte es unter anderem aber Zwiebelfest in Laa an der Thaya. Erdäpfel fehlen im Weinviertel natürlich nie. Spargel und Ge- müse – vorwiegend aus dem Marchfeld – kennt auch als Obstgarten, Gemüseland und – nicht und schätzt man in ganz Europa. Dem Thema zuletzt – als Kornkammer Österreichs bezeich- „Brot und Wein“ wurde die Niederösterreichi- nen. Denn fruchtbare Böden und das milde sche Landesausstellung 2013 gewidmet. Wo? Weinbauklima sorgen im weiten Nordosten Natürlich im Weinviertel! p Österreichs in der Regel für reiche Ernten. Das gilt zumindest solange es Niederschläge gibt. Weinviertel genussrolle Schließlich regnet es hier im Schnitt nur etwa halb so viel wie in alpinen Lagen. So schmeckt das Weinviertel Die Weinviertel Genussrolle bietet Kost- Kostbares Weinviertel bares aus dem Weinviertel, edel verpackt in verschiedenen Varianten als „Geschenk mit Geschmack“. Seit der Landesaustellung Die Palette an landwirtschaftlichen Rohproduk- „Brot und Wein“ dient die Genussrolle ge- ten und veredelten Kostbarkeiten ist enorm. meinsam mit dem Weinviertel DAC auch als So verwundert es wenig, dass das Weinviertel Souvenir und Genuss-Botschafter. eine eigene Ernährungspyramide zusammen- Weitere Details und Bezugsquellen finden stellen kann, der es auch aus ernährungsphy- Sie unter 3 www.kostbares-weinviertel.at siologischer Sicht an nichts fehlt. Der Tisch mit 16
Hawelka Denkmal in Mistelbach © Christine Friedl Q Hermann Nitsch (geb. 1938) Maler und Aktionskünstler (Wr. Aktionismus) „Auferstehung“ © www.nitsch.org Querdenker keller zu verbringen. Dort kann man schweigend die Probleme der Welt „diskutieren“ oder – wie das Weinviertel es der Wolkersdorfer Literat und Anwalt Martin als Künstler-enklave Neid bezeichnet – sich der großen Weinviertler Tugend hingeben: Der wunschlosen Trägheit!p D as Weinviertel hat immer schon Denker, Künstler und Philosophen inspiriert und angelockt. Ob es die Unaufdringlichkeit der Weinviertler Originale Landschaft oder der zurückhaltende Charme der Eine unvollständige Liste Menschen ist, darüber kann nur spekuliert wer- › ferdinand Altmann – Grafiker den. Fakt ist, dass sich Menschen verschiedens- › Werner Auer – Musiker, Intendant ter musischer Zünfte im Weinviertel wohl und › Hermann Bauch – Künstler geborgen fühlen. Die im Weinviertel erfahrene › Nico Dostal – Filmkomponist Inspiration manifestiert sich in diversen Publika- › Gottfried von Einem – Komponist tionen und Produkten der Kunstschaffenden. Ob › Günther Frank – Schauspieler Film, Bildende Kunst, Literatur, Lyrik und Prosa, › Franz Haas – Maler Gedichte oder Lieder – das Weinviertel findet sich › Adolf Frohner – Maler › Leopold Hawelka – Cafetier & Legende in vielen Arbeiten „seiner“ Künstler wieder. › Gottfried Helnwein – Maler › Renate Holm – Opernsängerin Querdenken ist ansteckend › Alfred Komarek – Schriftsteller › Martin Neid – Autor Die Weinviertler sind durchaus als Experten › Hermann Nitsch – Künstler des Langmutes zu bezeichnen. Wer sich den › Eva Rossmann – Autorin wichtigen Themen der Welt widmen möchte, › Jimmy SCHLAGER – Texter, Musiker › Peter Turrini – Schriftsteller sei hier herzlich eingeladen, sich Zeit zu neh- men und den einen oder anderen Tag in einem und viele andere mehr … Weinviertler Wirtshaus oder in einem Wein- 17
R D as Weinviertel weist im Vergleich zu manch anderen Landschaften Österreichs eine dichte ur- und frühgeschichtliche Besied- lung auf. Ursachen dafür sind die günstigen klimatischen Verhältnisse und die Beschaffen- heit der Böden. Dieses Land zwischen Thaya und Donau, March und Manhartsberg liegt im Kreuzungsbereich der Bernsteinstraße und des Donauweges und war durch Handel, aber auch durch Kriegszüge beeinflusst. Frühe menschliche Spuren finden sich etwa in Regenten Großweikersdorf und Stillfried. Nach dem Aus- sterben der Babenberger in männlicher Linie wurde Österreich zum Zankapfel europäischer Ritterfest Jedenspeigen © RutH Trinkler Dynastien, die um die Regentschaft in diesem Die Habsburger waren’s ... begehrten Landstrich buhlten und das Land mit Kämpfen und Schlachten überzogen. Die wohl bedeutendste davon war die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen (1278), in der Ru- Ritterfest in Dürnkrut dolf I. von Habsburg den Böhmenkönig Ottokar II. Přemysl besiegte und so auch das Weinvier- und Jedenspeigen tel unter Habsburgische Herrschaft brachte. Tradition und Geschichte als Event Die Heirat brachte Im August veranstalten die Orte Jedenspei- gen und Dürnkrut ein Fest zum Gedenken (damals noch) den Frieden an die Schlacht zwischen Ottokar II. Přemysl und Rudolf I. von Habsburg. Unter den Habsburgern wurde es im Weinvier- Im Rahmen eines Ritterfestes finden Tur- tel nicht unbedingt friedlicher, denn das Adels- nierkämpfe und Schlachten in historischen geschlecht der Luxemburger gab in Böhmen Kostümen statt. Von alter Handwerkskunst und Mähren die politische Linie vor. Erst als bis zu kulinarischen und gesellschaftlichen durch Beharrungsvermögen und Heiratsver- Traditionen lässt sich im bunten Treiben der träge das Erbe der Luxemburger auch auf die Aussteller das Mittelalter neu erleben. Habsburger überging, wurde das Weinviertel 3 www.ritter-jedenspeigen.at ein Kernland des sich entwickelnden Habsbur- gerbesitzes. p 18
Bäcker bei der Arbeit © Philipp Stoiber Sauerteig S zugt zur Herstellung von Roggenbrot und Rog- was scheinbar verdorben, genmischbrot verwendet. Für Weizenteige wird bringt erst den Geschmack meist Hefe als Triebmittel genommen. Diese lässt den Teig mittels Kohlensäure aufgehen, die S echs Getreidearten waren es, die den Men- schen hauptsächlich ernährt haben: Hirse, Hafer, Gerste, Reis, Weizen und Roggen. durch die Vergärung des Zuckes entsteht. p Weinviertel-Brot Der Zufall führte Regie Anlässlich der Niederösterreichischen Lan- Vor ca. 5.000 Jahren begannen die Menschen desausstellung 2013 wurde das „Weinviertel Brot zu backen. Durch Zufall entstand der Sau- Brot“ zum essbaren Botschafter der Genuss- erteig. Ein liegengelassenes Stück Teig für die region Weinviertel. Das Brot ist mit 1,5 kg ein gewichtiger Ver- Weinviertel Brot © Leader Region Weinviertel Ost / Foto Semrad Fladenbrotherstellung war in Gärung überge- treter der Region und durch die quadrati- gangen und wurde trotzdem gebacken. Das sche Form sowie den inte- Gebackene war nicht verdorben, sondern von grierten Brotstempel leicht innen her durch viele kleine Gasbläschen porig zu erkennen. Je größer das aufgelockert und daher besser kaufähig. Brot, desto saftiger bleibt Bis heute ist Sauerteig im Wesentlichen ein es. Außerdem ist es durch Roggenmehlteig, der hauptsächlich essig- und die Form das einzige Brot milchsäurebildende Bakterien (Säurebakteri- mit vier „Scherzln“. en) sowie Sauerteighefe enthält, wobei sich als 3 www.weinviertelbrot.at Stoffwechselprodukte Kohlendioxyd (CO2) und Gärungssäuren bilden. Sauerteig wird bevor- 19
U Tischgebet Umgangssprache Stilvoller Tisch © Weinviertel Tourismus GmbH / Lois Lammerhuber Kellergassenführung © Weinviertel Tourismus GmbH / Michael Himml Das Weinviertler tischgebet Muida, da Bui haut d’kui bis a(u)f’s Bluid W as aufgesetzt wird auf den Tisch, das segne uns, Herr Jesus Christ. Speis uns, o Herr, mit deinem Wort, auf dass wir satt wer- D ie im Weinviertel meist noch von den Äl- teren gesprochene UI-Mundart ist leider im Aussterben begriffen. Sie ist noch vereinzelt den hier und dort. O lieber Herr, Du wollest uns in Südmähren und im Burgenland zu finden. geben, nach dieser Welt das ewige Leben. Amen. Bezeichnet wird sie deshalb so, weil das mittel- hochdeutsche lange „u“ durch ein „ui“ ersetzt Das Weinviertler Tischgebet ist offizieller Bot- und so wiedergegeben wird. Aus der „Glut“ schafter der Niederösterreichischen Landesaus- wird so die „Gluit“. Um die Mitte des 19. Jahr- stellung 2013 – und der Prolog für ein wohl- hunderts wurde dieser Dialekt auch von den verdientes Mahl. Es ist Dank für die Gaben einfachen Leuten in Wien gesprochen. In der der Natur, mit denen das Weinviertel so bäuerlichen Mundart gewinnt das Hochdeut- reichlich gesegnet ist. Die erste schriftliche sche erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ei- Überlieferung des Weinviertler Tischge- nigen Einfluss. Um 1920 sprachen noch etwa bets stammt aus dem Jahr 1785. Aus den 5 Millionen Menschen die UI-Mundart. Im Lau- zahlreichen Aufzeichnungen geht hervor, fe des letzten Jahrhunderts wurde sie auf Grund dass das Weinviertler Tischgebet sowohl des Auspendelns aus der Region stark von der gesprochen als auch gesungen wird. Da- „Wiener Verkehrssprache“ abgelöst. p mit prägt das Weinviertler Tischgebet seit Jahrhunderten das religiöse Leben der Menschen der Region. p LeseTipp Michael Staribacher: „Weinviertler Dialektlexikon“ T Band 1 & Band 2. Verlag Günther Hofer © http://goestl.globl.net/Design/f. d. l. v.: Knittelfelder/Bildungshaus Großrußbach 20
Foto: Bildtitel © Max Mustermann Volkskultur Kulturorganisation und Management D ie KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH GmbH bildet ein Netzwerk aus Institu- tionen und Personen, die im Kulturbereich tätig sind. Mit den Teilbereichen Volkskultur, Musikschulmanagement und Museumsdorf Volkstanzgruppe © Christian fichtinger Niedersulz werden die strukturellen Voraus- setzungen für ein professionelles Kulturma- Aufgaben & Zielsetzungen der nagement in ganz Niederösterreich geschaffen. Volkskultur Niederösterreich Museumsdorf Niedersulz › Geschäftsbesorgung für das Land NÖ in den Bereichen Museums- und Das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz Volkskulturförderung ist die zentrale museale Institution im Wein- › Abwicklung der Musikschulförderung auf viertel. Einmalig ist die Idee des Gründers, Grundlage des NÖ Musikschulgesetzes 2000 sowie verschiedener Aufgaben in mit der Schaffung eines dörflichen Ensembles den Bereichen Musikausübung und zur Abbildung der anonymen Architektur des Musikvermittlung Weinviertels auch das zugehörige Inventar zu › Organisation und Durchführung erhalten, das eine Vielfalt von formalen Details landesweiter Großveranstaltungen zeigt. Als Freilichtmuseum sammelt, bewahrt, › Umfangreiches Beratungs- und Service- erforscht, präsentiert und vermittelt das Wein- angebot in allen volkskulturellen Belangen viertler Museumsdorf: › Organisation von Veranstaltungen › Baukultur und Sachzeugnisse in ihren und Schulungen jeweiligen kulturellen, wirtschaftlichen › Führung des NÖ Volksliedarchivs in St. Pölten und gesellschaftlichen Zusammenhängen, › Herausgabe zahlreicher Publikationen › geistige Zeugnisse (die teilweise zum und Tonträger immateriellen Kulturerbe gehören) sowie › Durchführung von Projekten mit Partnern › ökologischen Grünraum und historische aus dem Kreis der Mitglieder – seien dies Gärten ab dem späten 18. Jahrhundert nun Gruppen oder Vereine, Kulturinitiati- (mit Schwerpunkt auf dem 19. Jh.) p ven, Einzelpersonen, Unternehmen, Gemeinden oder Schulen V 3 www.volkskulturnoe.at 3 www.museumsdorf.at 21
W Hiatahüttn – Hüter des edlen Schatzes Reife Trauben in saftigen Weinbergen waren oft begehrtes Ziel von Traubendieben. Um den Lohn der intensiven Arbeit zu schützen, ver- brachten die „Hiatamauna“ Tage und Nächte Weinberge in den Weinbergen. Als Behausung diente eine karge „Hiatahüttn“, von der aus die – zum Teil auch bewaffneten – Hiata durch die Weinberge patrouillierten, um Dieben das Leben schwer Hiatahüttn © Leader Region Weinviertel Ost / Christine Friedl VON DER STOCKKULTUR zu machen. p ZUR HOCHKULTUR D ie Weinstöcke des Weinviertels wurden Rebsorten im Weinviertel über viele Jahrhunderte als Stockkulturen gezogen. Dabei wurde neben dem „Setzling“ – sortiert nach Anbaumenge also der Rebpflanze – ein Stock eingeschlagen, WeiSSweine Rotweine an dem die Pflanze emporwachsen konnte. In Grüner Veltliner Blauer Portugieser den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ent- Welschriesling Zweigelt wickelte der Wachauer Winzer und Önologe Müller Thurgau Blauburger Lenz Moser die „Hochkultur“ und revolutio- Weißburgunder/ Gemischter Satz nierte so den Weinbau. Er pflanzte die Reben Chardonnay Pinot Noir mit einem Reihenabstand von 3 bis 3,5 Me- Riesling St. Laurent tern und reduzierte die Anzahl der Rebstöcke Gemischter Satz Cabernet Sauvignon Frühroter Veltliner Roesler auf rund 3000 Reben pro Hektar. Der einzelne Jubiläumsrebe Merlot Weinstock hat somit drei bis vier Quadratmeter Roter Veltliner Blaufränkisch Platz, erhält mehr Sonnenlicht und wird besser Neuburger Syrah durchlüftet. Es werden Stammhöhen von 1,2 Rotgipfler Cabernet Franc bis 1,4 Metern erreicht. Für die Triebe werden Scheurebe/Sämling 88 auf einem Unterstützungsgerüst mehrere Dräh- Traminer te gespannt, sodass Stockpflegearbeiten nun Muskat-Ottonel wesentlich leichter und in angenehmer Arbeits- Sauvignon-Blanc höhe erledigt werden können. Außerdem bietet Goldburger Grauer Burgunder die Hochkultur zwischen den Reihen ausrei- Muskateller chend Platz für Zuggeräte. Mit ihrer regelmäßi- Bouvier gen Zeilenstruktur prägen die Weinstockreihen Sylvaner der Hochkultur seither das Landschaftsbild der Zierfandler (Spätrot) Weinberge des Weinviertels. 22
geblieben ist. Im Weinviertel gibt es natürlich noch vieles, was bis jetzt unerwähnt Hier haben Sie die Möglichkeit, Weinviertler Begriffe für sich selbst etwaige zukünftige Weinviertel-ABC-Bände festzuhalten. oder für XY Senden Sie uns Ihre Ideen & Vorschläge: leader@weinviertelost.at Hintergrund-Foto: Reife Weintraube © Christne wurnig www.istock.com 23
Z Zum Weiterlesen Manfred Buchinger & wolfgang Krammer & Hans Traxler: Ferdinand altmann: Wolfgang Galler: johannes Rieder: „Nur ka Wasser net. „A Gulasch und a Bier. „Weinviertel Kochbuch. „Weinviertler Kellergassen Zur Geschichte von Weinbau und Von Wirtshäusern, Wirtsleuten Mehr als Brot & Wein“ – Unsterblicher Kulturschatz“ Weingenuss im östlichen Weinviertel“ und deren Gästen im Weinviertel“ Metroverlag Edition Winkler-Hermaden Edition Winkler-Hermaden Edition Winkler-Hermaden Christian Jostmann: Eva Rossmann & Reinhard Mandl & Freya Martin: „Die Brünner Straße – eine Manfred buchinger: Thomas Hofmann: „Das etwas andere Weinviertel“ Gechichte des Verkehrsweges „Auf ins Weinviertel: Verborgenes. „Weinviertel – Land und Leute“ Styria Regional von Wien nach Brünn in Bildern“ Kulinarisches. Skurriles Hubert Krenn Verlag Edition Winkler-Hermaden – 55 Reiseverführungen“ Folio Verlag Martin Neid: Martin Neid: Richard Edl: Maria Heinrich, Thomas „Na ja ... und andere „Alles vorbei? „Östliches Weinviertel Hofmann & Reinhard roetzel: Weinviertler Seufzer“ Geschichten von Hintaus“ – Alltag im Dorf“ „Geologie & Weinviertel“ Edition Winkler-Hermaden Verlag Günther Hofer Sutton Verlag Herausgeber: Geologische Bundesanstalt IMPRESSUM Herausgeber: LEADER Region Weinviertel Ost, 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 31 ZVR 220134510, Geschäftsführer: DI Johannes Wolf Redaktion: DI Johannes Wolf (LEADER Region Weinviertel Ost), Marlene Bugl (LEADER Region Weinviertel Ost), Christine Friedl (Regionale Vorbereitung, Weinviertel Tourismus GmbH), Jimmy Schlager (Texter, Musiker) GrafikDesign: luisehofer.net | Druck: Riedeldruck Auersthal, Stand: Dezember 2013 Titelbild: In der grünen Wiese, MICHAEL HIMML | Bilder: Seite 15 & Seite 22 (Zeichnungen), Tafel-Foto: www.istock.com Eine Initiative der Trotz sorgfältiger Recherchen sind Änderungen, Irrtümer, Satz- und Druckfehler vorbehalten. LEADER Region Weinviertel Ost
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