Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel

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Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
Das Weinviertel-ABC
Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel

                                                          B a n d 1

                                                              www.weinviertelost.at
                                                                www.weinviertel.at

Mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
A                    von Altlichtenwarth
                                                                                                                                                   bis Zistersdorf

                                                                                                                                D       ieser erste Band des Weinviertel-ABC soll
                                                                                                                                        gleichzeitig auch der Auftakt für eine Rei-
                                                                                                                                    he von anekdotischen und wissenswerten Bei-

                                                                                       Auftakt
                                                                                                                                    trägen sein. Mit etwas Glück finden wir eine
                                                                                                                                    interessante Mischung und tragen so dazu bei,
                                                                                                                                    dass wir selbst mehr über unser Weinviertel
Kapellmeister Christian Peter © Musikverein Spannberg / Marlene Bugl

                                                                           Von einem Auftakt spricht man in der Musik,              lernen und einiges davon unseren Gästen ver-
                                                                           wenn eine oder mehrere Noten auf den Beginn              mitteln können. Wir hoffen, dass auch andere
                                                                           einer musikalischen Phrase hinführen und so              Personen und Organisationen diese Idee auf-
                                                                           den Einstieg in das eigentliche Stück erleichtern        greifen und die „erlesene Einstiegshilfe“ in die
                                                                           oder ankündigen. Mit der vorliegenden Broschü-           „Materie Weinviertel“ durch eigene Bände er-
                                                                           re wollen wir ähnliches erreichen: Anhand eini-          gänzen.
                                                                           ger Begriffe, sortiert in alphabetischer Reihen-         Den Anfang dürfen wir im Namen der LEADER
                                                                           folge, bieten wir eine erste Orientierung für eine       Region Weinviertel Ost machen. Das hat zur
                                                                           Reise in ein besonderes Stück Österreich: in das         Folge, dass zumindest dieser erste Band viel-
                                                                           Weinviertel.                                             leicht etwas „ostlastig“ ausfällt. Die interes-
                                                                           Das ist notwendig, weil das Weinviertel weder zu         sierte Leserin und den interessierten Leser
                                                                           den bekanntesten noch zu den lautesten Regio-            bitten wir daher, nicht nach geografischer Aus-
                                                                           nen zählt und einige Schätze erst beim zweiten           gewogenheit zu suchen. Beide bitten wir üb-
                                                                           Hinsehen erkannt werden. Für manche Entde-               rigens auch, sich in der Folge immer gleicher-
                                                                           ckungen muss man überhaupt erst auf den Ge-              maßen angesprochen zu fühlen, selbst wenn
                                                                           schmack kommen und tiefer in die Erlebniswelt            wir nicht immer jede geschlechterspezifische
                                                                           Weinviertel eintauchen. Und so bieten wir einige         Endung anführen werden.
                                                                           hoffentlich interessante und wissenswerte Kost-          Dieser Band deckt natürlich nur einen Bruchteil
                                                                           proben. Ihre Entdeckungsreise wird aber so indi-            dessen ab, was es in der Region zu erkun-
                                                                           viduell und vielseitig sein, wie das Land selbst.            den gibt. Der Anspruch auf Vollständig-
                                                                                                                                        keit kann nicht erhoben werden. Vielmehr
                                                                                                                                         bleibt den interessierten Heimatforschern
                                                                                                                                         und den geschätzten Besuchern das
                                                                                                                                          Glück, sich mit großer Lust und Freude
                                                                                                                                          auf Entdeckungsreise zu begeben und
                                                                                                                                           den einen oder anderen Vermerk zu er-
                                                                                                                                           gänzen. Vielleicht entsteht dabei auch
                                                                                                                                              Ihr ganz persönliches Weinviertel-ABC.
                                                                                                                                              Viel Spaß dabei!                   p
                                                                       DI Johannes Wolf                                       sch
                                                                                                                      ntschit
                                                                                                               Kurt Ja

                                                                           2
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
Wolkersdorf a. d. Ostbahn 1820 © Stefan Eminger
                                                                                                                                                B

                                                                                                   Mit Betty Bernstein, dem Maskottchen der
                                                                                                   Bernsteinstraße, können Kinder die spannendsten

                                                                                                                                                          Betty Bernstein © Die Österreichische Bernsteinstraße
                                                                                                   Abenteuer in Museen, Burgen und Naturparks

                                                     Brünner Straße                                erleben. www.betty-bernstein.at

                                                                                                   Doch auch unzählige Kriegsheere waren auf
                                                  Die Weinviertler Verkehrsader                    diesen Straßen unterwegs und oftmals war das
                                                                                                   Weinviertel Schauplatz von Kämpfen und teils
                                                                                                   historischen Schlachten. In Friedenszeiten stand

                                                  D    ie Brünner Straße (B7), die vormals den
                                                       klingenden Namen „Kaiserstraße“ trug,
                                                  war seit jeher die wichtigste Nord-Süd-Verbin-
                                                                                                   der Transport von Waren im Vordergrund, und so
                                                                                                   fand nicht nur der Bernstein an die Adria, sondern
                                                                                                   etwa auch der Weinviertler Wein seinen Weg bis
                                                  dung im Osten Österreichs. Seit dem Bau der      an den Hof des russischen Zaren. Unter dem Titel
                                                  „Weinviertel-Autobahn“ (A5 Nordautobahn) hat     „Straßengeschichte(n) – Handelswege quer durch
                                                  sie jedoch als Hauptverkehrsweg ausgedient.      Europa und mitten durchs Weinviertel“ gestal-
                                                                                                   teten Stefan Eminger und Wolfgang Galler 2013
                                                             Die Bernsteinstraße                   eine ausgezeichnete Ausstellung samt Katalog
                                                                                                   im Schloss Wolkersdorf.                           p
                                                  Ein ebenso wichtiger und historisch bedeu-
                                                  tender Verkehrsweg durch das Weinviertel             abgeschnitten und inmitten
                                                  war und ist die sogenannte „Bernsteinstraße“.
                                                                                                      Vor rund 25 Jahren war das Weinviertel das
                                                  Diese legendäre und sagenumwobene Straße            Ende der westlichen Welt am Eisernen Vor-
                                                  ist der älteste Handelsweg Mitteleuropas, der       hang. Heute gehört es zur „Europa Region
                                                  den Bernstein (ein fossiles Harz, dass vor ca.      Mitte“, in der rund 6,5 Millionen Menschen am
                                                  40 bis 50 Millionen Jahren in nördlichen Pini-      Schnittpunkt von 4 Staaten und 4 Sprachen
                                                  enwäldern entstanden ist) auf seinem Weg von        leben. Inmitten Europas gelegen, sorgten die
                                                                                                      Wendungen der europäischen Geschichte
                                                  den Bernsteinküsten der Ostsee zu den Han-
                                                                                                      immer auch für große Herausforderungen für
                                                  delshäfen des Mittelmeeres auch durch das
                                                                                                      das Weinviertel und seine Bewohner.
                                                  Weinviertel führte.

                                                                                                                                                      3
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
Chöre & Klänge                                                                    C
Marschierender Musikverein Hochleithen © Musikverein Hochleithen / Christine Friedl

                                                                                                                                        Der Chorgesang hat in seiner kirchenhistori-
                                                                                               Musik und Kunst –                        schen Bedeutung auch immer wieder die Men-
                                                                                            klingendes Weinviertel                      schen im Weinviertel inspiriert und so gibt es
                                                                                                                                        bis heute zahlreiche Chöre und Vokalensemb-
                                                                                                                                        les, die sich im Weinviertel von aufmerksamen
                                                                                                                                        Ohren immer wieder gerne entdecken lassen.p

                                                                                      W       ie überall gibt es natürlich auch im
                                                                                              Weinviertel eine lange Tradition an
                                                                                      Musikvereinen und Blasmusikkapellen. In der             Weinviertler Komponisten
                                                                                      Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich im
                                                                                      Weinviertel    sogenannte   „Kirtagsorchester“.     › Julius Bittner (1874 –1939)
                                                                                      Wie bei den Wiener Walzerkomponisten war            › Max Brand (1896 –1980)
                                                                                                                                          › Nico Dostal (1895 –1981)
                                                                                      auch hier der Kapellmeister „Stehgeiger“ – in
                                                                                                                                          › Gottfried von Einem (1918 –1996)
                                                                                      weiterer Besetzung mit 2. Geige, Viola, Kon-
                                                                                                                                          › Franz Xaver Frenzel (* 1945),
                                                                                      trabass, Flöte, 1. und 2. Klarinette, 1. und 2.       (wirklicher Name: Friedemann Katt)
                                                                                      Trompete, 1. und 2. Waldhorn und Posaune.           › Thaddäus Huber (1742 –1798)
                                                                                                                                          › Ignaz Josef Pleyel (1757–1831)
                                                                                                    Musik mit Tradition                   › Gottfried von Preyer (1807–1901)
                                                                                                                                          › Kaspar Schrammel (1811–1895)
                                                                                      Heute gibt es wieder Musikensembles, die            › Johannes Matthias Sperger
                                                                                                                                            (1750 –1812)
                                                                                      sich dieser Tradition annehmen, wie etwa die
                                                                                      „Weinviertler Kirtagsmusi“, die in traditionel-
                                                                                                                                          3 NÖ-Blasmusikverband: www.noebv.at
                                                                                      ler Besetzung Stücke von Weinviertler Kompo-
                                                                                                                                          3 Chorverband NÖ & Wien:
                                                                                      nisten spielen, beispielsweise von Josef Krickl       www.noe-chorverband.at
                                                                                      (1870 –1953, aus Eichenbrunn).

                                                                                      4
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
ernkrieg (1523 –1526) damit, und während der
                                                                                                                  Hussitenkriege (1419 –1434 bzw. 1439) waren
                                                                                                                        Dreschflegel die stärksten Waffen. Der

                                                                                                        D
                                                                                                                        „Nunchaku“, den man aus den asiati-
                                                                                                                        schen Kampfkünsten kennt, ist ebenfalls
                                                                                                                       ein Dreschflegel, den Bauern zum Reis-
                                                                                                                      Dreschen benutzten.

                                                                       Dreschflegel                                          Getreide mit Geschichte
Drischl dreschen © Sammlung augustin / Museumsdorf Niedersulz

                                                                                                                  Auch im Weinviertel war und ist Agrarwirt-
                                                                                                                  schaft wichtig. Der Bezirk Hollabrunn etwa
                                                                 die Spreu vom Weizen trennen
                                                                                                                  war schon vor 6.000 Jahren mit Bauern be-
                                                                                                                  siedelt, die in Flechtwerkhäusern lebten und

                                                                D    as Wort Flegel leitet sich vom lateini-
                                                                     schen Wort für Peitsche ab: „flagellum“.
                                                                Der Dreschflegel besteht aus einem hölzernen
                                                                                                                  Ackerbau und Viehzucht betrieben.
                                                                                                                  Der Stellenwert der Getreideernte zeigt sich in
                                                                                                                  den Erntedankfesten, die in vielen Gemeinden
                                                                Stiel, an dem ein beweglicher Holzprügel be-      aufwendig begangen werden.
                                                                festigt ist. Mit diesem wurde mit großer Kraft    Während in den letzten Jahrzehnten die Sor-
                                                                auf die am Boden liegenden Getreidebündel         tenvielfalt der Getreidearten großteils der In-
                                                                eingedroschen, um die Getreidekörner heraus-      dustrialisierung der Landwirtschaft zum Opfer
                                                                zuschlagen, welche aufgrund ihres Gewichts        fiel, ging man in den letzten Jahren auch im
                                                                liegen blieben, während die leichteren Anteile    Weinviertel dazu über, wieder alte Kultursor-
                                                                vom Wind weggeweht wurden.                        ten anzubauen. Seither finden sich vermehrt
                                                                Dieses Arbeitsgerät ist eines der ältesten Ern-   schmackhafte und widerstandsfähige Sorten
                                                                tegeräte. Seine Bedeutung für die Menschen        wie Buchweizen und Amaranth in den Getrei-
                                                                zeigte sich beispielsweise im alten Ägypten,      demühlen des Weinviertels.                         p
                                                                wo er neben dem Hirtenstab das wichtigste At-
                                                                tribut der ägyptischen Gottheit Osiris war. Er
                                                                wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in              Fakten: Anbauflächen
                                                                Österreich und Deutschland durch maschinelle
                                                                                                                     Anbau auf dem Ackerland in NÖ 2012:
                                                                Dreschmaschinen ersetzt.
                                                                                                                     Brotgetreide auf 230.865 ha
                                                                                                                     Quelle: STATISTIK AUSTRIA

                                                                             Waffe der Bauern
                                                                                                                     Ackerland 2012 in den Bezirken
                                                                                                                     Gänserndorf: 84.730 ha
                                                                Wegen seiner enormen Schlagkraft wurde der
                                                                                                                     Mistelbach: 95.000 ha
                                                                Dreschflegel im Mittelalter häufig als einfache
                                                                                                                     Hollabrunn 59.400 ha
                                                                Bauernwaffe verwendet. Ein Großteil der Bau-         Quelle: LK Mistelbach, Gänserndorf, Hollabrunn

                                                                ern kämpfte beispielsweise im deutschen Bau-

                                                                                                                                                                      5
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
E
                                                                                                                                        Vom Wind zum Öl
                                                                                                                                       und wieder retour

                                                                                                                             W       ährend das letzte Jahrhundert im
                                                                                                                                     Weinviertel von der Förderung des
                                                                                                                             Erdöls geprägt wurde, scheint das neue Jahr-
                                                                                                                             hundert ganz im Zeichen der Windenergie zu
                                                                                                                             stehen. Das Erdölgebiet „Matzner Feld“ (rund
                                                                                                                             um die Gemeinden Matzen und Prottes) war,
                                                                                                                             als noch ergiebig gefördert wurde, das „größte
                                                                                                                             geschlossene Erdölfeld Mitteleuropas“. Durch
                                                                                              Energie                        die fossilen Ablagerungen urzeitlicher Mee-
                                                                                                                             resbewohner konnten seit Ende der 40er-Jahre
Energie im Weinviertel © Leader Region Weinviertel Ost / Sophie Doppler

                                                                                                                             des vorigen Jahrhunderts gigantische Mengen
                                                                                              Fakten: Erdöl                  Erdöl gefördert werden. Das Erschließen des
                                                                                                                             Matzner Feldes trug maßgeblich dazu bei, dass
                                                                              Die von 1930 bis 2012 in Österreich geför-
                                                                                                                             Österreich mit den Reparationszahlungen nach
                                                                              derte Menge Erdöl beträgt rund 120,5 Mio.
                                                                              Tonnen. Davon stammen 111,2 Mio. – also        dem zweiten Weltkrieg wesentlich früher fertig
                                                                              über 92 % – aus dem Wiener Becken, was         war, als ursprünglich geplant.
                                                                              im Bezug auf die Erdöl- und Erdgasförde-
                                                                              rung mit dem Weinviertel (inkl. Marchfeld)              Der Wind kommt wieder
                                                                              gleichzusetzen ist.
                                                                              Im Jahr 2012 wurden 738.443 Tonnen Öl          Heute sind die Erdölvorkommen weitgehend
                                                                              produziert. In den Statistiken werden noch     erschöpft und auf der Suche nach alternativen
                                                                              80.000 Tonnen NGL (Natural Gas Liquids
                                                                                                                             Energieformen wurde das Weinviertel als öster-
                                                                              wie z. B. Propan, Butan ...) dazugezählt.
                                                                                                                             reichischer Windkraftstandort entdeckt. Wäh-
                                                                              Diese werden aus Gas abgeschieden und,
                                                                              weil flüssig, dem Erdöl zugerechnet, sodass    rend in früherer Zeit Windmühlen das Land-
                                                                              als Erdölförderung auch rund 817.600 Ton-      schaftsbild prägten, drehen sich heute allerorts
                                                                              nen für das Jahr 2012 ausgewiesen werden.      Windkraftanlagen. Die Anzahl der vereinzelt
                                                                              Bei einer österreichischen Gesamtförderung     in der Landschaft verteilten Windkraftanlagen
                                                                              von 917.300 Tonnen stammen also 89,1 %         steigt jährlich und der Ausbau der Windenergie
                                                                              aus dem Wiener Becken. Mit seiner Erdöl-       ist ein Schwerpunkt in der Energiepolitik des
                                                                              produktion kann Österreich knapp 8 % sei-
                                                                                                                             Landes. Schon heute wird ein Vielfaches der im
                                                                              nes Bedarfes decken. Bei gleichbleibender
                                                                                                                             Weinviertel benötigten Energie mit Windstrom
                                                                              Förderung und keinen Neufunden hätten
                                                                                                                             erzeugt – ein Ende dieser Entwicklung ist der-
                                                                              wir noch Öl für rund 12 Jahre.
                                                                                                                             zeit nicht abzusehen.                        p
                                                                          Quelle: Univ.Prof. Dr. Gerhard Ruthammer, OMV AG

                                                                          6
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
Kellergassenführer Richard Stöger © AGRAR Plus

                                                                                                                                                         F

                                                                Fiata
                                                                                                  Der Fiata war der integrative Bestandteil win-
                                                         Das Fürtuch –                            zerlichen Arbeitseifers. Kaum angelegt, über-
                                                 Der Weinviertler Lendenschurz                    zeugte er Träger und Mitmenschen von Fleißig-
                                                                                                  keit und Arbeitseifer und wurde auch während
                                                                                                  des Hauerrasterls kaum abgelegt.                      p

                                                 D    as Fürtuch, also eigentlich „das“ Fiata,
                                                      wurde zu allererst, wie im Weinviertel
                                                                                                                                          nführerInnen
                                                                                                                                           / SEYMANN

                                                 üblich, mit dem falschen Artikel versehen und
                                                 sollte als „der Fiata“ die Kleidung vor Ver-
                                                                                                                           im Weinviertel
                                                                                                                         rein Kellergasse

                                                 schmutzung schützen. Der Fiata wurde wäh-
                                                 rend der Arbeitswoche – also fast immer – über
                                                 dem normalen „Olle-Tag-G’wand“ „aug’legt“.
                                                                                                                      Kalmuck © Ve

                                                      Man zog sich damals nicht an,
                                                            man legte an …                        Der „Kalmuck“ oder auch
                                                                                                  „Kalmuk“ – eine Bezeich-            Kalmuck-Janker
                                                 In der ländlichen Bevölkerung unterschied sich   nung für sein Baumwoll-
                                                 das „Olle-Tag-G’wand“ in der Regel nicht sehr    Doppelgewebe – gab dem
                                                 vom „Sunndag’wand“ (Sonntagsgewand). Die         Janker den Namen, der wegen seiner Robustheit
                                                                                                  ursprünglich gerne von den Donau-Flößern getragen
                                                 Herstellung von Kleidung war meist kostspielig
                                                                                                  wurde. Der Kalmuck wurde mit seinem typischen
                                                 und zeitaufwendig, man – oder besser: frau –     Muster in einigen Regionen Österreichs u. a.
                                                 musste ja noch selber nähen.                     als Winzer-Tracht übernommen.

                                                                                                                                                         7
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
G

                                                                                                                                                                                       geh
                                                                                                                                  Meist in der Zeit um Ostern            In die Grea

                                                                                        Gmorigeh,                                 als besinnlicher Spaziergang
                                                                                                                                  und Treffen in der Natur

                                                                                         Grea & …
                                                                                                                                  unter freiem Himmel praktiziert, um
                                                                                                                                  das erwachende Frühjahr zu begrüßen.
Beide Fotos: Lewa bessern © Leader Region Weinviertel Ost / christine Friedl

                                                                                                                                  wieder auf. Heute noch wird in vielen Gemein-
                                                                               Kulturgut oder biederer Kitsch                     den das „Gmahrischau’n“ als feierlicher Akt am
                                                                                                                                  1. Mai betrieben und beworben.
                                                                                                                                  Ein weiterer, bis heute lebendiger Brauch im

                                                                               D     ie Herkunft der im Weinviertel zu fin-
                                                                                     denden Bräuche ist so vielfältig und
                                                                               verschieden wie die Bräuche selbst. Ob reli-
                                                                                                                                  Frühjahr erinnert an den Gang der Jünger nach
                                                                                                                                  Emmaus (Neues Testament). Im Weinviertel ist
                                                                                                                                  dieser Brauch als „in die Grea geh“ (Gang ins
                                                                               giösen Ursprungs oder einfach dem Lauf der         Grüne) erhalten.                                p
                                                                               Jahreszeiten – und daher mit den bäuerlichen
                                                                               Feldrhythmen – verbunden: bis zum einfachen
                                                                               Abgehen der Dorfgrenzen wurden viele lebens-                      Emmausgang
                                                                               notwendige Tätigkeiten in den Stand eines Ri-
                                                                               tuals erhoben.                                         Der Emmausgang ist heute noch lebendi-
                                                                               Das „Gmorigeh“, „Gmahrischau’n“ oder „Le-              ger christlicher Brauch, vor allem in Süd-
                                                                               wabessern“ ist die einmal jährlich praktizierte        deutschland und in Österreich, in Erinne-
                                                                               Begehung der Dorfgrenzen. Vom Bürgermeister            rung an den Gang der Jünger nach Emmaus,
                                                                               bis zum Schulkind beteiligen sich die Dorfbe-          denen sich Jesus Christus unerkannt an-
                                                                                                                                      schloss (Lukas 24, 13 –29).
                                                                               wohner an diesem „Wandertag“. Mit Pinsel und
                                                                                                                                      Ausgeführt wird der Emmausgang als ein
                                                                               Kübel werden die Grenzsteine abgegangen und
                                                                                                                                      geistlicher Gang mit Gebet und Gesang oder
                                                                               neu gekalkt. Da dies meist in den heißen Mona-         als ein besinnlicher Spaziergang durch die
                                                                               ten praktiziert wird, löst sich die Wandertruppe       erwachende Natur am Ostermontag, der
                                                                               naturgemäß erst nach ausgiebigem Umtrunk               deshalb auch Emmaustag heißt.
                                                                               im Dorfwirtshaus zu sehr später Abendstunde

                                                                               8
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
H                                                                                                     I

                                                        Hintaus                                         Introvertiert

                                                                                                                                                      © Weinviertel Tourismus GmbH / MICHAEL HIMML
Scheunen in Pettendorf © Thomas Hofmann

                                               Das Gegenteil von voraus                              ein Weinviertler Urzustand

                                          W         ährend nach vorne hin alles seine
                                                    Ordnung hatte (Fassade, Fenster- und
                                          Türanstrich, penible Gestaltung der schmu-
                                                                                                  A    ls der Schweizer Psychologe Carl Gustav
                                                                                                       Jung (1875 –1961) den Begriff der Intro-
                                                                                                  vertiertheit definierte, war er wahrscheinlich
                                          cken Vorgärten etc.), durfte sich im Hintaus            kurz davor im Weinviertel zu Besuch. Die Er-
                                          diese Ordnung sanft auflösen. Hintaus waren             kenntnis, dass introvertierte Menschen ihre
                                          die Stadl fürs Arbeitsgerät, die Stallungen samt        Aufmerksamkeit und Energie stärker auf ihr
                                          Misthaufen und auch so mancher Platz zum                Innenleben richten und in Gruppen dazu nei-
                                          Abstellen alter Feldgeräte und Wagenteile. Das          gen, zu passiven Beobachtern zu werden, kann
                                          Hintaus war der Ort, wo sich die Strenge der            wahrlich nur im Weinviertel gewonnen werden!
                                          Welt in der geordneten Unordnung verlieren              Die sprichwörtliche „Gelassenheit“ der Wein-
                                          konnte. Die Hintausstraße verläuft parallel zur         viertler lässt sich in kurzer Form nicht erklä-
                                          Straße an der die Haupteingänge sind. Von dort          ren, begründen lässt sie sich noch schwerer.
                                          konnte man mit Fuhrwerk und Geräten bequem              Die Menschen in diesem Landstrich haben ihre
                                          ein- und ausfahren.                                p   „Geschwindigkeit“ dem Lauf der Zeit eben nicht
                                                                                                  angepasst.
                                                                                                  Der Eindruck der Introvertiertheit, die den
                                                        Kultur hintaus
                                                                                                  Weinviertlern zugeschrieben wird, ermöglicht es
                                                                                                  ihnen, viele Entwicklungen und Veränderungen
                                              Der Begriff „Hintaus“ wurde in den letzten
                                                                                                  aus einer „Beobachterposition“ zu beurteilen
                                              Jahren von verschiedenen Kulturschaffenden
                                              und Vereinen als romantisch-philosophischer         – diese ist jedoch nicht mit Teilnahmslosigkeit
                                              Begriff entdeckt und wird seitdem in diversen       zu verwechseln, denn das sind die Weinviertler
                                              Publikationen, Bildern, Liedern und Festen          trotz aller Gelassenheit nicht. Anstatt auf über-
                                              als der „Inbegriff des Weinviertler Wesens“         schwängliche Begeisterung hat man aber hier-
                                              gehandelt.                                          orts die Chance, auf ehrliches Interesse und Ver-
                                              3 www.hintaus.at                                    bundenheit zu stoßen, sobald man sich die Zeit
                                                                                                  und die Muße nimmt, dies auch zuzulassen. p

                                                                                                                                                 9
Band 1 Das Weinviertel-ABC - Wissenswertes aus dem östlichen Weinviertel
J             sich um Lebensräume und gesunde
                                                                                                                                Wildtierbestände sorgt, ist Grund-
                                                                                                                                 lage der Genussregion Weinviertler
                                                                                                                            Wild. Dank spezieller Qualitätsrichtli-
                                                                                                                       nien finden hochwertige und gesunde Pro-
                                                                                                                       dukte aus heimischen Beständen und freier
                                                                                                                       Wildbahn den Weg auf die Teller und in die
                                                                                                                       Regale der Region. Schutz durch Nutzung
                                                                                                                       bleibt hier kein leeres Motto, die Genussregion
                                                                                                                       trägt maßgeblich dazu bei, dass Feldhase, Fa-

                                                                                 Jagdhorn                              san, Wildschwein und Co fixer Bestandteil der
                                                                                                                       Weinviertler Landschaft bleiben.                  p
Jagdhornbläser © © Leader Region Weinviertel Ost / christine Friedl

                                                                               VOM SIGNAL ZUR MUSIK

                                                                      I    n ihrer ursprünglichen Verwendung dienten
                                                                           Jagdhörner zum Abgeben von Signalen und
                                                                      zum Informationsaustausch über große Ent-
                                                                      fernungen. Musik war demnach nicht schmü-
                                                                      ckendes Beiwerk, sondern entscheidend für
                                                                      Erfolg und Sicherheit der Jagd in der Gruppe.
                                                                      Heute werden Jagdhörner auch als reine Mu-
                                                                      sikinstrumente verwendet. Dabei bilden die
                                                                      notwendigen Signale der Jäger den Ursprung
                                                                      der gesamten jagdmusikalischen Entwicklung,
                                                                      die mittlerweile bis zu hochwertigsten Jagd-          AUSGEZEICHNETE QUALITÄT
                                                                      hornbläserkonzerten reicht.

                                                                                                                         Wildfleisch hatte stets seinen festen Platz in
                                                                           Die Genussregion Weinviertler Wild            der Weinviertler Gastronomie. In den letzten
                                                                                                                         Jahren sind zudem eine Reihe hochqualita-
                                                                      Vielfältig und fruchtbar präsentiert sich das      tiver Veredelungsprodukte entstanden. Um
                                                                      Weinviertel seinen Besuchern ebenso wie den        diese näher zu erfassen, wurde 2009 der
                                                                      heimischen Wildtieren. Von solcherlei Arten-       Produktwettbewerb LEPUS – benannt nach
                                                                      vielfalt können andere Regionen – ausgeräumte      dem lateinischen Namen des Feldhasen –
                                                                                                                         ins Leben gerufen. Seither werden die bes-
                                                                      Agrarlandschaften oder technisch überformte
                                                                                                                         ten Pasteten, Sulzen, Pökelwaren, Roh– und
                                                                      Ballungsräume – nur noch träumen.
                                                                                                                         Brühwürste rund um das Weinviertler Wild
                                                                      Ein nachhaltiges Jagdwesen, das Wildtie-           auch offiziell ausgezeichnet.
                                                                      ren mit Achtung und Respekt begegnet und

                                                                      10
Bedrohte Idylle

                                                                                                                   Heute hat sich die Weinproduktion so weit
                                                                                                                   verändert, dass den Kellergassen kaum mehr
                                                                                                                   wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die Win-
                                                                                                                              zer produzieren ihre Weine in großen

                                                                                                             K
                                                                                                                              Hallen und haben zur Verarbeitung
                                                                                                                              und Lagerung Metalltanks, die sich
                                                                                                                              leichter handhaben lassen als Holz-
                                                                                                                              fässer in verwinkelten Kellergewöl-
                                                                                                                   ben. Lediglich die Rotweine werden noch von
                                                                                                                   manchen Winzern in den dafür sehr geeigneten
                                                                                                                   kleinen Holzfässern im Dunkel der Erde gela-
                                                                                                                   gert. Doch allen technischen Errungenschaften
                                                                                                                   zum Trotz wird eine „Kellerpartie“ erst dann
                                                                                                                   romantisch, wenn man sich beim Genuss der

                                                                       Kellergasse                                 edlen Tropfen im feuchten Erdreich im Endlos
                                                                                                                   der Zeit verlieren kann …
Kellergasse © Leader Region Weinviertel Ost / Sophie Doppler

                                                                                                                   Die Menschen im Weinviertel sind sich der
                                                                                                                   Verantwortung gegenüber der Kultur der Kel-
                                                                          das Dorf im Dorf                         lergassen sehr wohl bewusst und es gibt immer
                                                                                                                   mehr Initiativen zur Erhaltung dieser einzigar-
                                                                                                                   tigen Denkmäler erhabener Trinkfreude.      p

                                                               D    ie Wein- und Erdkeller haben im Wein-
                                                                    viertel eine sehr lange Geschichte. Seit Ur-
                                                               zeiten haben sich die Menschen die Löss- und
                                                               Lehmböden des Weinviertels zunutze gemacht
                                                               und die gegrabenen Stollen als Kühl- und La-
                                                               gerräume, aber auch als Verstecke genutzt. Der
                                                               Umstand, dass die Lufttemperatur im Wein-
                                                               keller relativ gleichbeibend ist, machte die Erd­
                                                                                                                                   LeseTipp
                                                                                                                                       Broschüre
                                                               stollen zum idealen Lagerplatz für Wein. Dieser       „Kellergassen im Weinviertel“
                                                               hat es gerne konstant und schätzt keine großen
                                                               Temperaturschwankungen.                                      Herausgegeben von der
                                                               Um den Arbeitsablauf zu vereinfachen, wurde          LEADER Region Weinviertel Ost.
                                                                                                                   Mit Wissenswertem zu Geschichte
                                                               das „Presshaus“ gleich an die „Kellerröhre“ an-
                                                                                                                    und Entstehung der Kellergassen
                                                               gebaut – und so kam das Weinviertel zu seinen        sowie deren Architektur, Nutzung
                                                               unverwechselbaren Kellergassen.                           und richtige Instandhaltung.

                                                                                                                                                               11
L               Fast vergessen – jetzt wiederentdeckt

                                                                                                     Im letzten Jahrhundert kam Lehm als „Arme-
                                                                                                     Leute-Baustoff“ in Verruf und wurde immer
                                                                                                     mehr von industrialisierten Produkten ersetzt.
                                                                                                     Erst Mitte der 80er-Jahre wurde er als Baustoff
                                                                                                     wiederentdeckt. Die Vorteile von Lehm als Bau-
                                                                                                     stoff sind bis heute unerreicht: lange Haltbarkeit
                                                                                                     und hohe Wartungsfreundlichkeit. Lehm ist
                                                                                                     zu 100 % recyclingfähig, konserviert pflanzli-
                                                                                                     che Stoffe wie Holz, bindet Schadstoffe aus der

                                                          Lehm & Löss                                Raumluft und reguliert die Luftfeuchtigkeit. p
Langhaus © Urgeschichtemuseum NÖ Asparn a.d. Zaya

                                                                                                         Bauformen im Weinviertel
                                                            Baustoff der Urzeit
                                                                                                       Schon wegen der frühen Besiedlung ist das
                                                                                                       Weinviertel ein siedlungsgeschichtlich inter-

                                                    L    ehm ist als Baustoff seit mehr als 9.000
                                                         Jahren bekannt und noch heute lebt etwa
                                                    ein Drittel der Erdbevölkerung in Lehmhäu-
                                                                                                       essantes Gebiet. Anger- oder Straßendör-
                                                                                                       fer gelten hier als klassische Siedlungsfor-
                                                                                                       men. Das Anordnungssystem blieb immer
                                                    sern. Die Wichtigkeit des Lehms war enorm          dasselbe: die Hausparzelle mit dem Gehöft
                                                    und so ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass     an der Straßenseite, gefolgt vom Hof, dem
                                                    in der Bibel Gott den ersten Menschen auch aus     Hausgarten und dem Hausacker. Die Gehöfte
                                                    diesem Material formte ...                         standen dicht nebeneinander, lediglich eine
                                                    So wie überall wurde auch im Weinviertel mit       schmale „Reihe“ zum Abrinnen des Regen-
                                                                                                       wassers bildete die Grenze. Gelegentlich gab
                                                    Lehmziegeln gebaut. Die Ziegel wurden meist
                                                                                                       es einen Durchgang in der lang gestreckten
                                                    von den Menschen selbst gestochen und ge-
                                                                                                       Dorfzeile zur Hintausgasse oder zur Bachzeile.
                                                    formt. Gebrannt werden durften sie aber nur        Wesentlicher Bestandteil des Bauernho-
                                                    von den Herrschenden der jeweiligen Zeit. Das      fes war der Wohnbau, der ausgehend vom
                                                    Ziegelbrennen war bis 1848 ein Privileg der        Streckhof durch Erweiterung oder Drehung
                                                    Adelsschicht, die damit gutes Geld verdiente.      des Quertraktes die Bezeichnung „Zwerch-
                                                    Erst nach der Revolution von 1848, als es je-      hof“ erhielt und in den Weinbaugebieten
                                                    dem freigestellt war ein Gewerbe auszuüben,        zur bevorzugten Hausform wurde. In der li-
                                                                                                       nearen Abfolge der Bereiche Wohnen, Vorrä-
                                                    schossen Ziegelöfen im ganzen Land wie Pilze
                                                                                                       te, Stall erfolgte eine straßenseitige Erweite-
                                                    aus dem Boden.
                                                                                                       rung durch eine Stube.
                                                    Im Freiluft-Urgeschichte-Museum Asparn an
                                                                                                       Der Hakenhof erhielt den Quertrakt hofsei-
                                                    der Zaya demonstriert ein jungsteinzeitliches      tig, dabei konnte es sich um eine Erweiterung
                                                    Langhaus den Einsatz von Lehm als Baustoff         zu Wohn- oder Wirtschaftszwecken handeln.
                                                    vor ca. 12.000 Jahren (www.urgeschichte.at).

                                                    12
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                                                                                                                                                                  LeseTipp

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                                                                                                                                              Von Bäckern, Müllern und Bauern
                                                                                                                                               im Weinviertel. Mit traditionellen
Hofmühle aus Walterskirchen © Museumsdorf Niedersulz/Michael Loizenbauer

                                                                                                                                          Brotgerichten von Manfred Buchinger.
                                                                                                                                                     Edition Winkler-Hermaden
                                                                                Wenig Wasser, viel Wind

                                                                           D    as Weinviertel ist und war eher arm an
                                                                                Wasser führenden Bächen, die zum Be-
                                                                           trieb von Wassermühlen geeignet wären. Wäh-
                                                                                                                            mühlen zusehends an Bedeutung. So ging mit
                                                                                                                            den Mühlen wohl auch ein Stück kultureller
                                                                                                                            Identität verloren und es stellt sich die „augen-
                                                                           rend entlang der Donau und der March ab dem      zwinkernde“ Frage, warum bei so vielen „Still-
                                                                           15. Jahrhundert zahlreiche Schiffsmühlen in      legungen“ die Welt immer lauter wird ...          p
                                                                           Betrieb waren, drohte anderswo im Weinvier-
                                                                           tel, besonders in heißen Sommern, eine Unter-
                                                                           versorgung an Mühlen.                                       Typische Mühlen
                                                                           Der Plan Kaiser Josephs II., das Land flächen-
                                                                           deckend mit Lebensmitteln zu versorgen, führ-      Anfangs waren die Windmühlen im Wein-
                                                                           te zum Bau von zahlreichen Windmühlen im           viertel „Bockwindmühlen“. Sie waren aus
                                                                           Weinviertel.                                       Holz und im Gesamten auf einem Holzbock
                                                                                                                              platziert, so dass bei Bedarf das ganze Mühl-
                                                                                                                              haus mit den Windflügeln in die Windrich-
                                                                                       Dampfkraft und
                                                                                                                              tung gedreht werden konnte. Diese Mühlen
                                                                                   Ökologischer Fußabdruck                    waren eher klein und hatten daher nur ge-
                                                                                                                              ringe Mahlkapazitäten.
                                                                           Viele der alten Mühlen wurden dem architekto-
                                                                           nischen Zeitgeschmack angepasst. Meist wur-        Weitere Mühlentypen im Weinviertel:
                                                                           den Wind- und Wasserkraft genutzt, wodurch         › Ober-/Unterschächtige Wassermühlen
                                                                           der heute viel diskutierte „Ökologische Fußab-     › Unterschächtige Schiffsmühlen

                                                                           druck“ sehr klein gehalten werden konnte. Mit      3 www.mehl.at/geschichte.html
                                                                           Einführung der Dampfkraft verloren die Wind-

                                                                                                                                                                              13
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                                                                                               D    as Weinviertel zählt, floristisch betrach-
                                                                                                    tet,   zur   sogenannten    Pannonischen
                                                                                               Flo­ren­provinz, welche Teil der Südsibirisch-
                                                                                               Pontisch-Pannonischen Florenregion ist. Ein
                                                                                               submediterraner Einfluss ist durch die trocke-
                                                                                               nen und warmen Sommer hierzulande deutlich
                                                                                               erkennbar. Aufgrund der jahrhundertelangen
                                                                                               Nutzung als Acker- und Weideland wurde das
                                                                                               Weinviertel gerodet und ist somit vorwiegend
                                                                                               unbewaldet. Das Weinviertel ist weitgehend
                                                                                               mit Löss bedeckt, einem Sediment, das wäh-
                                                                                               rend der Kaltzeiten vom Wind hierher getragen

                                                              Natur                            und abgelagert wurde. Durch das Pannonische
                                                                                               Klima und die Lössböden ist das Weinviertel,
Naturpark Leiser Berge © KEM Leiser Berge

                                                                                               wie der Name schon verrät, hervorragend für
                                                                                               den Weinbau geeignet – es ist das größte Wein­
                                                     Von warmen Sommern                        anbaugebiet Österreichs.
                                                     und Sandigen hügeln                       Bedeutend für die Region sind die March-Taya-
                                                                                               Auen, eine einzigartige Natur- und Kulturland-
                                                                                               schaft, die eine außergewöhnlich hohe Vielfalt
                                                                                               an Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Sie bie-
                                                    Naturpark Leiser Berge                     tet Lebensraum für seltene Vogelarten wie z. B.
                                                                                               den Kaiseradler, den Rotmilan oder auch den
                                                       Auf den Spuren alter Kulturen           Schwarzstorch. Der Pulsschlag jeder intakten
                                                 Der Naturpark Leiser Berge liegt im Herzen    Aulandschaft sind regelmäßige Überflutungen. p
                                                 des Weinviertels. Von der Aussichtswarte
                                                 am Oberleiser Berg überblickt man die viel-
                                                 fältige Landschaft mit ihren Äckern, Wäl-
                                                                                                  Ramsar-Gebiet March-thaya
                                                 dern und Trockenwiesen, die seit der Jung-
                                                 steinzeit bewirtschaftet werden. Die Felder
                                                 schmiegen sich in geometrischen Figuren         1971 wurde in der iranischen Stadt Ramsar
                                                 an die sanften Hügel und wechseln bis zur       eine Konvention zum Schutze von Feucht-
                                                 Ernte ständig ihr Farbenkleid. Aufgrund         gebieten mit internationaler Bedeutung ins
                                                 des teilweise plateauartigen Charakters der     Leben gerufen. Seit 1983 ist Österreich Mit-
                                                 Wald- und Heideberge ist das weitläufige        glied dieser Konvention.
                                                 Gebiet des Naturparks für bequeme Fami-         Die March-Thaya-Auen zählen, in Verbindung
                                                 lienwanderungen besonders gut geeignet.         mit den Donau-Auen, zu den bedeutendsten
                                                                                                 Ramsar-Gebieten Mitteleuropas.
                                                 3 www.naturparke.at/de/Naturparke/
                                                   Niederoesterreich/Leiser_Berge                3 www.march-thaya-auen.at

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Erntedankfest in Spannberg © Maria wiesinger
         Odamasch                                                                              O
                                                             Tradition trifft Zeitgeist
      Vom Ernten und Feiern
                                                   Die Tradition der Erntedankfeste im Herbst ist
                                                   im Weinviertel noch sehr lebendig und wird vie-

D    ie Feier von Erntedankfesten geht weit
     in die vorchristliche Zeit zurück. Rituelle
Feiern sind vor allem aus Nordamerika, Israel,
                                                   lerorts in Verbindung mit der Kirche gepflegt.
                                                   Dem heutigen Zeitgeist entsprechend, werden
                                                   diese traditionellen Feste oft auch eventartig
Griechenland oder aus dem Römischen Reich          aufgezogen – wie etwa das Laaer Zwiebelfest,
bekannt. In der katholischen Kirche ist das        das alljährlich viele Besucher anlockt.           p
Erntedankfest seit dem 3. Jahrhundert belegt.
Einen einheitlichen Termin gab es nie, da die
                                                               Erntedankessen
Ernte je nach Klimazone zu verschiedenen
Zeiten eingebracht wird.
                                                               Weil er keine Eier legt …
                                                     Ein typisches Erntedankessen lässt sich im
Das besonders im östlichen Weinviertel so ge-        Weinviertel nicht finden, da es je nach fa-
läufige Wort „Odamasch“ (oder „Halamasch“)           miliärer Tradition variierte. Zur Zeit der
stammt aus der Zeit, in der vor allem Erntehel-      Lohndrescher und -schnitter fand sich im-
fer aus der heutigen Slowakei die Arbeitskraft       mer wieder der Hahn auf dem Speisezettel.
in der heimischen Landwirtschaft verstärkten.        Dieser wurde aus wirtschaftlichen Gründen
                                                     gewählt, weil er keine Eier liefert und so als
Slowakische Erntearbeiter aus Oberungarn, die
                                                     billiges Lebensmittel den hungrigen
sich in jedem Jahr sehr zahlreich bei der Ernte
                                                     Ernte­arbeitern serviert wurde.
verdingten, haben diesen Begriff mitgebracht.

                                                                                                      15
Produktkorb                                                       P
Weinsujet © Weinviertel Tourismus GmbH / christine wurnig

                                                                   EIN LAND FÜR GENIESSER                       regionalen Produkten ist also reichlich gedeckt.

                                                                                                                                                                   Weinviertel Genussrolle Edition © Leader Region Weinviertel Ost
                                                                                                                Manchen werden eigene Feste gewidmet. Dazu
                                                                                                                zählen etwa das Retzer Kürbisfest oder das

                                                            A    ls Weinbaugebiet erfreut sich das Wein-
                                                                 viertel zunehmender Bekannt- und Be-
                                                            liebtheit. Man könnte es unter anderem aber
                                                                                                                Zwiebelfest in Laa an der Thaya. Erdäpfel fehlen
                                                                                                                im Weinviertel natürlich nie. Spargel und Ge-
                                                                                                                müse – vorwiegend aus dem Marchfeld – kennt
                                                            auch als Obstgarten, Gemüseland und – nicht         und schätzt man in ganz Europa. Dem Thema
                                                            zuletzt – als Kornkammer Österreichs bezeich-       „Brot und Wein“ wurde die Niederösterreichi-
                                                            nen. Denn fruchtbare Böden und das milde            sche Landesausstellung 2013 gewidmet. Wo?
                                                            Weinbauklima sorgen im weiten Nordosten             Natürlich im Weinviertel!                    p
                                                            Österreichs in der Regel für reiche Ernten. Das
                                                            gilt zumindest solange es Niederschläge gibt.            Weinviertel genussrolle
                                                            Schließlich regnet es hier im Schnitt nur etwa
                                                            halb so viel wie in alpinen Lagen.                          So schmeckt das Weinviertel
                                                                                                                  Die Weinviertel Genussrolle bietet Kost-
                                                                       Kostbares Weinviertel                      bares aus dem Weinviertel, edel verpackt
                                                                                                                  in verschiedenen Varianten als „Geschenk
                                                                                                                  mit Geschmack“. Seit der Landesaustellung
                                                            Die Palette an landwirtschaftlichen Rohproduk-
                                                                                                                  „Brot und Wein“ dient die Genussrolle ge-
                                                            ten und veredelten Kostbarkeiten ist enorm.
                                                                                                                  meinsam mit dem Weinviertel DAC auch als
                                                            So verwundert es wenig, dass das Weinviertel
                                                                                                                  Souvenir und Genuss-Botschafter.
                                                            eine eigene Ernährungspyramide zusammen-              Weitere Details und Bezugsquellen finden
                                                            stellen kann, der es auch aus ernährungsphy-          Sie unter 3 www.kostbares-weinviertel.at
                                                            siologischer Sicht an nichts fehlt. Der Tisch mit

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Hawelka Denkmal in Mistelbach © Christine Friedl
                                                                                                  Q                         Hermann Nitsch (geb. 1938)
                                                                                                                 Maler und Aktionskünstler (Wr. Aktionismus)
                                                                                                                                             „Auferstehung“

                                                                                                                                                               © www.nitsch.org
                                                          Querdenker
                                                                                                        keller zu verbringen. Dort kann man schweigend
                                                                                                        die Probleme der Welt „diskutieren“ oder – wie
                                                              das Weinviertel
                                                                                                        es der Wolkersdorfer Literat und Anwalt Martin
                                                           als Künstler-enklave
                                                                                                        Neid bezeichnet – sich der großen Weinviertler
                                                                                                        Tugend hingeben: Der wunschlosen Trägheit!p

                                                   D    as Weinviertel hat immer schon Denker,
                                                        Künstler und Philosophen inspiriert und
                                                   angelockt. Ob es die Unaufdringlichkeit der                Weinviertler Originale
                                                   Landschaft oder der zurückhaltende Charme der
                                                                                                                  Eine unvollständige Liste
                                                   Menschen ist, darüber kann nur spekuliert wer-
                                                                                                          › ferdinand Altmann – Grafiker
                                                   den. Fakt ist, dass sich Menschen verschiedens-
                                                                                                          › Werner Auer – Musiker, Intendant
                                                   ter musischer Zünfte im Weinviertel wohl und           › Hermann Bauch – Künstler
                                                   geborgen fühlen. Die im Weinviertel erfahrene          › Nico Dostal – Filmkomponist
                                                   Inspiration manifestiert sich in diversen Publika-     › Gottfried von Einem – Komponist
                                                   tionen und Produkten der Kunstschaffenden. Ob          › Günther Frank – Schauspieler
                                                   Film, Bildende Kunst, Literatur, Lyrik und Prosa,      › Franz Haas – Maler
                                                   Gedichte oder Lieder – das Weinviertel findet sich     › Adolf Frohner – Maler
                                                                                                          › Leopold Hawelka – Cafetier & Legende
                                                   in vielen Arbeiten „seiner“ Künstler wieder.
                                                                                                          › Gottfried Helnwein – Maler
                                                                                                          › Renate Holm – Opernsängerin
                                                          Querdenken ist ansteckend                       › Alfred Komarek – Schriftsteller
                                                                                                          › Martin Neid – Autor
                                                   Die Weinviertler sind durchaus als Experten            › Hermann Nitsch – Künstler
                                                   des Langmutes zu bezeichnen. Wer sich den              › Eva Rossmann – Autorin
                                                   wichtigen Themen der Welt widmen möchte,               › Jimmy SCHLAGER – Texter, Musiker
                                                                                                          › Peter Turrini – Schriftsteller
                                                   sei hier herzlich eingeladen, sich Zeit zu neh-
                                                   men und den einen oder anderen Tag in einem             und viele andere mehr …
                                                   Weinviertler Wirtshaus oder in einem Wein-

                                                                                                                                                         17
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                                                                                              D    as Weinviertel weist im Vergleich zu
                                                                                                   manch anderen Landschaften Österreichs
                                                                                              eine dichte ur- und frühgeschichtliche Besied-
                                                                                              lung auf. Ursachen dafür sind die günstigen
                                                                                              klimatischen Verhältnisse und die Beschaffen-
                                                                                              heit der Böden. Dieses Land zwischen Thaya
                                                                                              und Donau, March und Manhartsberg liegt im
                                                                                              Kreuzungsbereich der Bernsteinstraße und des
                                                                                              Donauweges und war durch Handel, aber auch
                                                                                              durch Kriegszüge beeinflusst.
                                                                                              Frühe menschliche Spuren finden sich etwa in

                                                        Regenten
                                                                                              Großweikersdorf und Stillfried. Nach dem Aus-
                                                                                              sterben der Babenberger in männlicher Linie
                                                                                              wurde Österreich zum Zankapfel europäischer
Ritterfest Jedenspeigen © RutH Trinkler

                                                                                              Dynastien, die um die Regentschaft in diesem
                                                Die Habsburger waren’s ...                    begehrten Landstrich buhlten und das Land
                                                                                              mit Kämpfen und Schlachten überzogen. Die
                                                                                              wohl bedeutendste davon war die Schlacht bei
                                                                                              Dürnkrut und Jedenspeigen (1278), in der Ru-

                                                  Ritterfest in Dürnkrut                      dolf I. von Habsburg den Böhmenkönig Ottokar
                                                                                              II. Přemysl besiegte und so auch das Weinvier-
                                                     und Jedenspeigen
                                                                                              tel unter Habsburgische Herrschaft brachte.

                                                  Tradition und Geschichte als Event
                                                                                                         Die Heirat brachte
                                               Im August veranstalten die Orte Jedenspei-
                                               gen und Dürnkrut ein Fest zum Gedenken
                                                                                                      (damals noch) den Frieden
                                               an die Schlacht zwischen Ottokar II. Přemysl
                                               und Rudolf I. von Habsburg.                    Unter den Habsburgern wurde es im Weinvier-
                                               Im Rahmen eines Ritterfestes finden Tur-       tel nicht unbedingt friedlicher, denn das Adels-
                                               nierkämpfe und Schlachten in historischen      geschlecht der Luxemburger gab in Böhmen
                                               Kostümen statt. Von alter Handwerkskunst       und Mähren die politische Linie vor. Erst als
                                               bis zu kulinarischen und gesellschaftlichen    durch Beharrungsvermögen und Heiratsver-
                                               Traditionen lässt sich im bunten Treiben der
                                                                                              träge das Erbe der Luxemburger auch auf die
                                               Aussteller das Mittelalter neu erleben.
                                                                                              Habsburger überging, wurde das Weinviertel
                                               3 www.ritter-jedenspeigen.at                   ein Kernland des sich entwickelnden Habsbur-
                                                                                              gerbesitzes.                                 p

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Bäcker bei der Arbeit © Philipp Stoiber
           Sauerteig                                                                          S
                                                  zugt zur Herstellung von Roggenbrot und Rog-
   was scheinbar verdorben,
                                                  genmischbrot verwendet. Für Weizenteige wird
   bringt erst den Geschmack
                                                  meist Hefe als Triebmittel genommen. Diese
                                                  lässt den Teig mittels Kohlensäure aufgehen, die

S   echs Getreidearten waren es, die den Men-
    schen hauptsächlich ernährt haben: Hirse,
Hafer, Gerste, Reis, Weizen und Roggen.
                                                  durch die Vergärung des Zuckes entsteht.        p

                                                             Weinviertel-Brot
          Der Zufall führte Regie
                                                    Anlässlich der Niederösterreichischen Lan-
Vor ca. 5.000 Jahren begannen die Menschen          desausstellung 2013 wurde das „Weinviertel
Brot zu backen. Durch Zufall entstand der Sau-      Brot“ zum essbaren Botschafter der Genuss-
erteig. Ein liegengelassenes Stück Teig für die     region Weinviertel.
                                                    Das Brot ist mit 1,5 kg ein gewichtiger Ver-

                                                                                                                                                  Weinviertel Brot © Leader Region Weinviertel Ost / Foto Semrad
Fladenbrotherstellung war in Gärung überge-
                                                    treter der Region und durch die quadrati-
gangen und wurde trotzdem gebacken. Das
                                                    sche Form sowie den inte-
Gebackene war nicht verdorben, sondern von          grierten Brotstempel leicht
innen her durch viele kleine Gasbläschen porig      zu erkennen. Je größer das
aufgelockert und daher besser kaufähig.             Brot, desto saftiger bleibt
Bis heute ist Sauerteig im Wesentlichen ein         es. Außerdem ist es durch
Roggenmehlteig, der hauptsächlich essig- und        die Form das einzige Brot
milchsäurebildende Bakterien (Säurebakteri-         mit vier „Scherzln“.
en) sowie Sauerteighefe enthält, wobei sich als
                                                    3 www.weinviertelbrot.at
Stoffwechselprodukte Kohlendioxyd (CO2) und
Gärungssäuren bilden. Sauerteig wird bevor-

                                                                                                   19
U

                                                                                   Tischgebet                                Umgangssprache
Stilvoller Tisch © Weinviertel Tourismus GmbH / Lois Lammerhuber

                                                                                                                                                                              Kellergassenführung © Weinviertel Tourismus GmbH / Michael Himml
                                                                        Das Weinviertler tischgebet                             Muida, da Bui haut d’kui
                                                                                                                                    bis a(u)f’s Bluid

                                                                   W            as aufgesetzt wird auf den Tisch, das
                                                                                segne uns, Herr Jesus Christ. Speis uns,
                                                                   o Herr, mit deinem Wort, auf dass wir satt wer-
                                                                                                                           D    ie im Weinviertel meist noch von den Äl-
                                                                                                                                teren gesprochene UI-Mundart ist leider
                                                                                                                           im Aussterben begriffen. Sie ist noch vereinzelt
                                                                   den hier und dort. O lieber Herr, Du wollest uns        in Südmähren und im Burgenland zu finden.
                                                                   geben, nach dieser Welt das ewige Leben. Amen.          Bezeichnet wird sie deshalb so, weil das mittel-
                                                                                                                           hochdeutsche lange „u“ durch ein „ui“ ersetzt
                                                                   Das Weinviertler Tischgebet ist offizieller Bot-        und so wiedergegeben wird. Aus der „Glut“
                                                                   schafter der Niederösterreichischen Landesaus-          wird so die „Gluit“. Um die Mitte des 19. Jahr-
                                                                        stellung 2013 – und der Prolog für ein wohl-       hunderts wurde dieser Dialekt auch von den
                                                                        verdientes Mahl. Es ist Dank für die Gaben         einfachen Leuten in Wien gesprochen. In der
                                                                         der Natur, mit denen das Weinviertel so           bäuerlichen Mundart gewinnt das Hochdeut-
                                                                          reichlich gesegnet ist. Die erste schriftliche   sche erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ei-
                                                                           Überlieferung des Weinviertler Tischge-         nigen Einfluss. Um 1920 sprachen noch etwa
                                                                            bets stammt aus dem Jahr 1785. Aus den         5 Millionen Menschen die UI-Mundart. Im Lau-
                                                                             zahlreichen Aufzeichnungen geht hervor,       fe des letzten Jahrhunderts wurde sie auf Grund
                                                                              dass das Weinviertler Tischgebet sowohl      des Auspendelns aus der Region stark von der
                                                                              gesprochen als auch gesungen wird. Da-       „Wiener Verkehrssprache“ abgelöst.           p
                                                                               mit prägt das Weinviertler Tischgebet
                                                                                seit Jahrhunderten das religiöse Leben
                                                                                 der Menschen der Region.             p                 LeseTipp
                                                                                                                              Michael Staribacher:
                                                                                                                            „Weinviertler Dialektlexikon“

                                                                                                                   T
                                                                                                                                      Band 1 & Band 2.
                                                                                                                                   Verlag Günther Hofer

                                                                   © http://goestl.globl.net/Design/f. d. l. v.:
                                                                   Knittelfelder/Bildungshaus Großrußbach

                                                                   20
Foto: Bildtitel © Max Mustermann

        Volkskultur
        Kulturorganisation
         und Management

D    ie KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH
     GmbH bildet ein Netzwerk aus Institu-
tionen und Personen, die im Kulturbereich
tätig sind. Mit den Teilbereichen Volkskultur,
Musikschulmanagement       und   Museumsdorf

                                                                                                       Volkstanzgruppe © Christian fichtinger
Niedersulz werden die strukturellen Voraus-
setzungen für ein professionelles Kulturma-        Aufgaben & Zielsetzungen der
nagement in ganz Niederösterreich geschaffen.      Volkskultur Niederösterreich

        Museumsdorf Niedersulz                     ›	Geschäftsbesorgung für das Land NÖ
                                                     in den Bereichen Museums- und
Das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz            	Volkskulturförderung
ist die zentrale museale Institution im Wein-      ›	Abwicklung der Musikschulförderung auf
viertel. Einmalig ist die Idee des Gründers,       	Grundlage des NÖ Musikschulgesetzes
                                                     2000 sowie verschiedener Aufgaben in
mit der Schaffung eines dörflichen Ensembles
                                                     den Bereichen Musikausübung und
zur Abbildung der anonymen Architektur des
                                                     Musikvermittlung
Weinviertels auch das zugehörige Inventar zu       ›	Organisation und Durchführung
erhalten, das eine Vielfalt von formalen Details     landesweiter Großveranstaltungen
zeigt. Als Freilichtmuseum sammelt, bewahrt,       › Umfangreiches Beratungs- und Service-
erforscht, präsentiert und vermittelt das Wein-      angebot in allen volkskulturellen Belangen
viertler Museumsdorf:                              ›	Organisation von Veranstaltungen
› Baukultur und Sachzeugnisse in ihren               und Schulungen
  jeweiligen kulturellen, wirtschaftlichen         ›	Führung des NÖ Volksliedarchivs
                                                     in St. Pölten
  und gesellschaftlichen Zusammenhängen,
                                                   ›	Herausgabe zahlreicher Publikationen
› geistige Zeugnisse (die teilweise zum
                                                     und Tonträger
  immateriellen Kulturerbe gehören) sowie          ›	Durchführung von Projekten mit Partnern
› ökologischen Grünraum und historische              aus dem Kreis der Mitglieder – seien dies
  Gärten ab dem späten 18. Jahrhundert               nun Gruppen oder Vereine, Kulturinitiati-
  (mit Schwerpunkt auf dem 19. Jh.)          p      ven, Einzelpersonen, Unternehmen,
                                                   	Gemeinden oder Schulen

                                                                                               V
                                                   3 www.volkskulturnoe.at
                                                   3 www.museumsdorf.at

                                                                                                  21
W               Hiatahüttn – Hüter des edlen Schatzes

                                                                                                                  Reife Trauben in saftigen Weinbergen waren
                                                                                                                  oft begehrtes Ziel von Traubendieben. Um den
                                                                                                                  Lohn der intensiven Arbeit zu schützen, ver-
                                                                                                                  brachten die „Hiatamauna“ Tage und Nächte

                                                                        Weinberge
                                                                                                                  in den Weinbergen. Als Behausung diente eine
                                                                                                                  karge „Hiatahüttn“, von der aus die – zum Teil
                                                                                                                  auch bewaffneten – Hiata durch die Weinberge
                                                                                                                  patrouillierten, um Dieben das Leben schwer
Hiatahüttn © Leader Region Weinviertel Ost / Christine Friedl

                                                                       VON DER STOCKKULTUR                        zu machen.                                  p
                                                                         ZUR HOCHKULTUR

                                                                D    ie Weinstöcke des Weinviertels wurden            Rebsorten im Weinviertel
                                                                     über viele Jahrhunderte als Stockkulturen
                                                                gezogen. Dabei wurde neben dem „Setzling“ –                     sortiert nach Anbaumenge
                                                                also der Rebpflanze – ein Stock eingeschlagen,
                                                                                                                    WeiSSweine            Rotweine
                                                                an dem die Pflanze emporwachsen konnte. In
                                                                                                                    Grüner Veltliner      Blauer Portugieser
                                                                den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ent-       Welschriesling	Zweigelt
                                                                wickelte der Wachauer Winzer und Önologe            Müller Thurgau        Blauburger
                                                                Lenz Moser die „Hochkultur“ und revolutio-          Weißburgunder/	Gemischter Satz
                                                                nierte so den Weinbau. Er pflanzte die Reben        Chardonnay	Pinot Noir
                                                                mit einem Reihenabstand von 3 bis 3,5 Me-           Riesling	St. Laurent
                                                                tern und reduzierte die Anzahl der Rebstöcke        Gemischter Satz	Cabernet Sauvignon
                                                                                                                    Frühroter Veltliner	Roesler
                                                                auf rund 3000 Reben pro Hektar. Der einzelne
                                                                                                                    Jubiläumsrebe         Merlot
                                                                Weinstock hat somit drei bis vier Quadratmeter
                                                                                                                    Roter Veltliner       Blaufränkisch
                                                                Platz, erhält mehr Sonnenlicht und wird besser
                                                                                                                    Neuburger	Syrah
                                                                durchlüftet. Es werden Stammhöhen von 1,2           Rotgipfler	Cabernet Franc
                                                                bis 1,4 Metern erreicht. Für die Triebe werden      Scheurebe/Sämling 88
                                                                auf einem Unterstützungsgerüst mehrere Dräh-        Traminer
                                                                te gespannt, sodass Stockpflegearbeiten nun         Muskat-Ottonel
                                                                wesentlich leichter und in angenehmer Arbeits-      Sauvignon-Blanc
                                                                höhe erledigt werden können. Außerdem bietet        Goldburger
                                                                                                                    Grauer Burgunder
                                                                die Hochkultur zwischen den Reihen ausrei-
                                                                                                                    Muskateller
                                                                chend Platz für Zuggeräte. Mit ihrer regelmäßi-
                                                                                                                    Bouvier
                                                                gen Zeilenstruktur prägen die Weinstockreihen       Sylvaner
                                                                der Hochkultur seither das Landschaftsbild der      Zierfandler (Spätrot)
                                                                Weinberge des Weinviertels.

                                                                22
geblieben ist.
                 Im Weinviertel gibt es natürlich noch vieles, was bis jetzt unerwähnt
                 Hier haben Sie die Möglichkeit, Weinviertler Begriffe für sich selbst
                 etwaige zukünftige Weinviertel-ABC-Bände festzuhalten.
                                                                                       oder für
                                                                                                         XY
                 Senden Sie uns Ihre Ideen & Vorschläge: leader@weinviertelost.at

                                                                                                               Hintergrund-Foto: Reife Weintraube © Christne wurnig
www.istock.com

                                                                                                          23
Z                    Zum Weiterlesen

Manfred Buchinger &                      wolfgang Krammer &                        Hans Traxler:                          Ferdinand altmann:
Wolfgang Galler:                         johannes Rieder:                          „Nur ka Wasser net.                    „A Gulasch und a Bier.
„Weinviertel Kochbuch.                   „Weinviertler Kellergassen                Zur Geschichte von Weinbau und         Von Wirtshäusern, Wirtsleuten
Mehr als Brot & Wein“                    – Unsterblicher Kulturschatz“             Weingenuss im östlichen Weinviertel“   und deren Gästen im Weinviertel“
Metroverlag                              Edition Winkler-Hermaden                  Edition Winkler-Hermaden               Edition Winkler-Hermaden

Christian Jostmann:                      Eva Rossmann &                            Reinhard Mandl &                       Freya Martin:
„Die Brünner Straße – eine               Manfred buchinger:                        Thomas Hofmann:                        „Das etwas andere Weinviertel“
Gechichte des Verkehrsweges              „Auf ins Weinviertel: Verborgenes.        „Weinviertel – Land und Leute“         Styria Regional
von Wien nach Brünn in Bildern“          Kulinarisches. Skurriles                  Hubert Krenn Verlag
Edition Winkler-Hermaden                 – 55 Reiseverführungen“
                                         Folio Verlag

Martin Neid:                             Martin Neid:                              Richard Edl:                           Maria Heinrich, Thomas
„Na ja ... und andere                    „Alles vorbei?                            „Östliches Weinviertel                 Hofmann & Reinhard roetzel:
Weinviertler Seufzer“                    Geschichten von Hintaus“                  – Alltag im Dorf“                      „Geologie & Weinviertel“
Edition Winkler-Hermaden                 Verlag Günther Hofer                      Sutton Verlag                          Herausgeber:
                                                                                                                          Geologische Bundesanstalt

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Herausgeber: LEADER Region Weinviertel Ost, 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 31
ZVR 220134510, Geschäftsführer: DI Johannes Wolf
Redaktion: DI Johannes Wolf (LEADER Region Weinviertel Ost), Marlene Bugl (LEADER Region Weinviertel Ost),
Christine Friedl (Regionale Vorbereitung, Weinviertel Tourismus GmbH), Jimmy Schlager (Texter, Musiker)
GrafikDesign: luisehofer.net | Druck: Riedeldruck Auersthal, Stand: Dezember 2013
Titelbild: In der grünen Wiese, MICHAEL HIMML | Bilder: Seite 15 & Seite 22 (Zeichnungen), Tafel-Foto: www.istock.com     Eine Initiative der
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