Magazin - Die Organspende in der Schweiz und im internationalen Vergleich - Swisstransplant

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Magazin - Die Organspende in der Schweiz und im internationalen Vergleich - Swisstransplant
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                                  no 37 | 6/18

                                          Die Organspende in der Schweiz
 Organspende bis ins hohe Alter
                                          und im internationalen Vergleich

Die Niederlande führen vermutete
                                                 Innovation: der Atomicer©
        Zustimmung ein
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Ihr Partner in der Transplantation

                                                      Hochzeit

                                                       Geburt der Kinder

                                                         Organversagen

                                                             Transplantation

                                                                 Hochzeit der Kinder
                                                                           Geburt der Enkelkinder

Jede Lebenslinie
erzählt eine Geschichte
                                                                                                    APCHADVIN0517d

Astellas Pharma AG, Richtiring 28, 8304 Wallisellen
www.astellas.ch
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Liebe Leserin, lieber Leser

Nach gut drei Jahren des Blended-Learning-Angebots ziehen           Die Jeune Chambre Internationale Riviera (JCI), die Initianten
wir eine positive Bilanz: Von den insgesamt 148 schweizweit         der eidgenössischen Volksinitiative «Organspende fördern –
tätigen Fachpersonen in der Organ- und Gewebespende                 Leben retten», haben am ersten nationalen Sammeltag etwa
FOGS wurden per Ende März bereits 111 zertifiziert, was            3000 Unterschriften für ihr Volksbegehren zusammen­
einem Anteil von 75 Prozent entspricht. Für die FOGS, die in        gebracht. Das Ziel ist klar: Bis im April 2019 braucht die
den Schweizer Spitälern für die Organ- und Gewebespende             Initiative mindestens 100 000 gültige Unterschriften.
als Expertinnen und Experten im Einsatz sind, ist das Blended
Learning mit der Zertifizierung obligatorisch (S. 14).              Herzlichen Dank an alle, die mit uns den Weg gehen und sich
                                                                    für die Organ- und Gewebespende einsetzen.
Aktiv und innovativ ist Wolfgang Ender, Transplantationskoor-
dinator im Kantonsspital St. Gallen (KSSG), unterwegs. Er hat
ein Gerät erfunden und entwickelt, das bei einer Organentnah-
me im Operationssaal zur Eiszerkleinerung eingesetzt wird.
Damit lassen sich die Organe schnell und steril wieder kühl
halten. Lesen Sie mehr dazu in diesem Heft auf Seite 22.            PD Dr. med. Franz F. Immer, Direktor Swisstransplant

Inhaltsverzeichnis

Editorial	                                                                         3

Die Niederlande führen vermutete Zustimmung ein                                    4

FDP-Politiker Felix Gutzwiller begrüsst einen Systemwechsel                        5

Volksinitiative zur Organspende – erfolgreicher erster Sammeltag                   6

Organhandelskonvention – ein klares Zeichen gegen den illegalen Organhandel        8

Die Organspende in der Schweiz und im internationalen Vergleich                  11

Blended Learning auf Kurs – eine Revision steht an                               14

Organspende bis ins hohe Alter                                                   18

Neuer Leiter im Organspende-Netzwerk Luzern                                      20

Innovation: der Atomicer©                                                        22

Ausblick Events 2018 – Swisstransplant ist vor Ort                               24

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Fokus

Die Niederlande führen vermutete
Zustimmung ein

M    it einer knappen Mehrheit hat das Parlament in Den Haag im Februar 2018 ein neues Gesetz
zur Organspende angenommen. Künftig wird in den Niederlanden jede volljährige Person
automatisch als Spender erfasst – es sei denn, sie widerspricht dem ausdrücklich. Bislang mussten
sich die niederländischen Bürgerinnen und Bürger aktiv registrieren lassen, wenn sie nach
ihrem Tod Organe spenden wollten.

Katrin Uhlmann

Die Gesetzesänderung hin zur vermuteten     Nach dem neuen Gesetz sollen alle            Auch mit dem neuen System besteht
Zustimmung (auch Widerspruchs­lösung        Bürger angefragt werden, ob sie nach         keine Registrierungspflicht. Ab dem 18.
genannt) wurde im niederländischen          ihrem Tod Organe spenden wollen oder         Lebensjahr ist jedoch jeder Niederländer
Senat mit einer knappen Mehrheit von        nicht. Wer sich nicht entscheidet, wird      mit einem Spenderformular registriert.
zwei Stimmen angenommen. Die zweite         automatisch als Spender registriert.         Wer nicht auf dieses Formular antwortet,
Kammer des Parlaments hatte bereits         Das Zu­stimmungssystem wird durch ein        wird als Person registriert, die keine Ein-
2016 mit ähnlich knapper Mehrheit zu­       ADR-­System (Active Donor Registration)      wände gegen eine Organspende hat. Die
gestimmt. Die Niederlande sind damit        er­setzt. In einem ADR-System können die     betroffene Person erhält eine Bestäti-
bereits das 18. europäische Land, das die   gleichen vier Wahlmög­lichkeiten aufge-      gung. Eine Änderung der Registrierung ist
vermutete Zustimmung bei der Organ-         zeichnet werden wie im aktuellen Zustim-     jederzeit möglich. Auf diese Weise werden
spende einführt. Bis das neue Gesetz        mungssystem: Ich gebe die Erlaubnis / Ich    die Menschen ermutigt, aktiv über ihre
jedoch in Kraft tritt, wird es mindestens   gebe keine Erlaubnis / Meine Verwandten      Wahl der Organspende nachzudenken.
zwei Jahre dauern. Voraussichtlich wird     entscheiden / Eine bestimmte Person          Das entlastet im Ernstfall die Angehöri-
es ab dem 1. Juli 2020 Gültigkeit haben.    entscheidet.                                 gen und das medizinische Personal.

                                             «Wichtig ist eine sorgfältige              änderung unter Berücksichtigung aller
                                             Umsetzung»                                 Aspekte der öffentlichen Bildung so­-
                                             Bernadette Haase-Kromwijk, Direktorin      wie der Unterstützung und Änderung
                                             der Niederländischen Transplantations-     der Verfahren in den Krankenhäusern
                                             stiftung (NTS), nimmt Stellung zu den      sorgfältig umzusetzen. Unsere Aufga-
                                             Auswirkungen des Systemwechsels.           be ist es, die Fachkräfte in den Kran-
                                             «Wir sehen den Systemwechsel hin           kenhäusern bei der Bewältigung der
                                             zur vermuteten Zustimmung als grosse       neuen Situation zu unterstützen. Ein
                                             Chance. Im Moment vor allem, um den        Komitee aus Ärzten, Mitgliedern des
                                             Patienten auf der Warteliste Hoffnung      Gesundheitsministeriums und der NTS
                                             zu geben. Denn zum jetzigen Zeitpunkt      wird einen Leitfaden erarbeiten, um die
                                             ist es noch zu früh, um etwas über die     Anforderungen an die Rolle der Ange-
                                             tatsächlichen Auswirkungen zu sagen.       hörigen und die Kommunikation rund
                                             Es ist jedoch wichtig, die Gesetzes­       um die Spende festzuhalten.»

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FDP-Politiker Felix Gutzwiller
begrüsst einen Systemwechsel

F  DP-Politiker Felix Gutzwiller gehört zu den Unterstützern der
Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten». Im Interview
wollte Swisstransplant von ihm wissen, warum er sich für die                                      Felix Gutzwiller ist emeritierter
Initiative einsetzt und wo er die Vorteile eines Systemwechsels sieht.                            Medizinprofessor der Universität
                                                                                                  Zürich. Er war 16 Jahre Mitglied
Katrin Uhlmann                                                                                    im eidgenössischen Parlament
                                                                                                  für die FDP, von 1999 bis 2007
                                                                                                  als Nationalrat und von 2007 bis
                                                                                                  2015 als Ständerat. Im September
                                                                                                  2010 reichte er ein Postulat «Für
                                                                                                  mehr Organspender» im Stände­
Herr Gutzwiller, was ist Ihre Motivation,       gewollt hätte. Die Initiative sorgt für eine      rat ein, in dem er den Bundes­rat
die Volks­ini­tiative «Organspende för­         Entlastung der Angehörigen, indem sie             aufforderte, verschiedene
dern – Leben retten» zu unterstützen?           die Menschen zu einer Willensäusserung            mögliche Massnahmen zur Er­
Als einziger Ständerat, der gleichzeitig        bewegt. So wird Klarheit geschaffen.              höhung der Spende­rate in der
Politiker und Arzt war, interessierte und                                                         Schweiz zu prüfen, unter anderem
engagierte ich mich schon immer für             Welche Effekte erhoffen Sie sich durch            die Einführung der vermuteten
Gesundheitsthemen wie die Organ-                das Zustandekommen der Initiative?                Zustimmung (Widerspruchs­
spende. Das Ungleichgewicht zwischen            In meinen Augen ist die vermutete Zustim-         lösung). Der Bundesrat war be­
Anzahl Menschen auf der Warteliste              mung ein besseres Abbild der Grund­               reit, die Frage der Widerspruchs­
und Spendebereitschaft in der Bevölke-          haltung der Bevölkerung, die sagt: Es ist         lösung und andere Massnahmen
rung stellt in meinen Augen einen Not-          ­eigentlich normal, dass ich zum Spenden          zu prüfen. Im März 2013 lancierte
stand dar, der mich zum Handeln bringt.         bereit bin. Ich könnte ja auch einmal in die      der Bundesrat den Aktionsplan
                                                Lage kommen, ein Organ zu empfangen.              «Mehr Organe für Transplantatio­
Welchen Vorteil sehen Sie in der Ein­           Für mich war diese ethische Grundhaltung          nen» ohne Widerspruchs­lösung.
führung der vermuteten Zustimmung?              immer klar – geben und nehmen. Durch              Der Aktionsplan wird im Herbst
Natürlich kann man die Zahl gespendeter         die Annahme dieser Initiative würden wir          2018 abgeschlossen.
Organe nicht aktiv erhöhen, da eine             als Gesellschaft unsere positive Grund-
Organspende – Lebendspenden einmal              haltung zur Organspende bekunden. Es           Wagen wir einen Ausblick: Inwieweit
ausgenommen – den Tod eines Men-                ist niemand verpflichtet, nach seinem Tod      denken Sie, könnten grosse Parteien
schen voraussetzt. Was man aber durch-          Organe zu spenden. Durch den Eintrag in        uns bei der Sammlung der Unter­
aus verändern kann, ist, ob sich die            ein Register erhalten alle, die der Organ-     schriften und dem Vorantreiben der
Menschen zu Lebzeiten zur Organspen-            spende ablehnend gegenüberstehen,­             Initiative unterstützen?
de äussern oder nicht. Hier setzt die           die Sicherheit, dass ihre Organe nicht         Die Frage, ob wir einen Systemwechsel
­Initiative an. Es ist sehr schwierig für die   entnommen werden. Die Grundannahme             zur vermuteten Zustimmungslösung
Angehörigen eines potenziellen Organ-           wird aber so geändert, dass man im Nor-        wollen, ist eine gesellschaftspolitische
spenders, eine Entscheidung für oder            malfall von einer Zustimmung ausgeht.          Angelegenheit, es geht hier nicht um links
gegen eine Organspende zu treffen,              Jeder erhält also die Sicherheit, dass sein    oder rechts. Deshalb könnten alle Par-
wenn nicht klar ist, was der Verstorbene        Wunsch berücksichtigt wird.                    teien die Initiative unterstützen.

                                                                                                                                      5
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Fokus

Volksinitiative zur Organspende –
erfolgreicher erster Sammeltag

D   ie Schweiz will es den Niederlanden gleich tun. Dazu braucht es eine Gesetzesänderung
von der expliziten zur vermuteten Zustimmung. Dies ist das klare Ziel der Volksinitiative
«Organspende fördern – Leben retten». Am ersten nationalen Sammeltag am 21. April
wurden fleissig Unterschriften gesammelt. An 18 Ständen in zwölf Städten sind rund 3000
Unterschriften zusammengekommen.

Katrin Uhlmann

Stimmen zum ersten nationalen Unterschriften-Sammeltag

«Wir sammelten bei strahlen­                «Ich bin überzeugt, dass diese                 «Danke an alle, die unter­
dem Sonnenschein im Herzen                  Initiative im Sinne der                        schrieben haben und die beim
von Zürich. Die Aktion war                  Patienten ist. Aus humanitä­                   Sammeln geholfen haben.
ein voller Erfolg. 800 Un­                  rer und medizinischer Sicht                    Wir haben noch einen langen
terschriften haben wir gesam­               ergibt die Initiative Sinn und                 Weg vor uns. Sprecht darüber,
melt und zusätzlich viele                   deshalb unterstütze ich auch                   informiert euch und entschei­
Organspende-Karten an Inte­                 persönlich die Unterschriften­                 det euch.»
ressierte abgegeben. Wir                    sammlung.»                                     Michelle Hug-Seitz ist herztransplan-
freuen uns auf die nächste                  Thomas Bregenzer ist Chefarzt Innere           tiert und hat mit der Gruppe Spender-
Gelegenheit.»                               Medizin am Spital Lachen und hat einen         herz in Ibach SZ gesammelt.
Rudolf Gerber wartet auf eine Spender-      Unterschriftenbogen mit nach Hause
niere und hat mit einem Team von 23         genommen. Seine Frau, die vier erwach-
Freiwilligen in der Zürcher Innenstadt      senen Kinder und er persönlich haben
gesammelt.                                  unterschrieben.

Ihre Unterstützung zählt!                   Dispenser, Poster, Roll-ups und Hand­          −− Samstag, 30. Juni 2018
Ob Sie nun aktiv auf der Strasse Unter-     spiegel, um auf die Leute zuzugehen. Sie       −− Samstag, 15. September 2018
schriften sammeln gehen oder in Ihrem       kön­­nen Unterschriftenbogen zudem von            (na­tionaler Tag der Organspende)
Betrieb Material auflegen möchten, die      der Website www.initiativeorganspende.ch
Jeune Chambre Internationale Riviera        her­unterladen und beliebig oft ausdru-        Alle Informationen zur Initiative und zu
(JCI) stellt Ihnen für Ihre Sammelaktion    cken. O
                                                  ­ rganisieren Sie in Ihrer Region eine   den nationalen Sammeltagen finden Sie
kostenlos das entsprechende Material        Unterschriften-Sammelaktion an einem           unter www.initiativeorganspende.ch
zur Verfügung: Faltflyer mit integriertem   beliebigen Datum oder an einem der zwei
vorfrankiertem Unterschriftenbogen,         weiteren nationalen Sammeltagen:

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Sitten

                                                                                          Martigny

                                                                                             Zürich

                                                                         Lausanne
    Siders

                                                                                            Siders

                                                                                Bulle

                                                                                                Ibach

                          Morges
                                                                                Payerne

Vor Ort am ersten nationalen Unterschriften-Sammeltag, 21. April 2018.

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Magazin - Die Organspende in der Schweiz und im internationalen Vergleich - Swisstransplant
Fokus

Organhandelskonvention – ein klares
Zeichen gegen den illegalen Organhandel

A   m 10. November 2016 hat die Schweiz das Übereinkommen des Europarats gegen
den Handel mit menschlichen Organen unterzeichnet. Die Ratifikation der Organhandels­-
konvention bedingt nun Anpassungen im Schweizer Transplantationsgesetz.

Jeanne Kreis

Der Organhandel gehört zu den bedeutendsten illegalen             Istanbul gegen Organhandel und Transplantationstourismus»
Aktivitäten weltweit. Gemäss Schätzungen der Weltgesund-          ab. Mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine straf­
heitsorganisation aus dem Jahr 2007 werden jährlich über          rechtliche Konvention gegen den Handel mit menschlichen
10 000 Schwarzmarktorgane und somit rund 5 bis 10 Prozent         Organen tätigte auch der Europarat 2012 wichtige Schritte
aller Organe gesetzwidrig transplantiert. 2015 warteten allein    zur Bekämpfung des illegalen Organhandels und der da­-
im EU-Raum über 100 000                                                                         mit einhergehenden Verletzung
Per­­sonen auf ein lebensretten-                                                                der Menschenwürde. Neben
des Organ. Da westliche Län-                                                                    der körperlichen Integrität der
der grösstenteils über strikt      «Die Umsetzung der Meldenorm für Organ­                      Opfer sollte die Organhandels­
reglementierte Transplantati-       handelsdelikte erfordert grösste Sorgfalt.»                 konvention auch das Vertrauen
onssysteme verfügen, reisen                        PD Dr. med. Franz F. Immer                   in staatlich organisierte Trans-
sogenannte «Transplantations-                                                                   plantationssysteme sichern,
touristen» wohlhabender Nationen in der Hoffnung auf              Strafbestimmungen international harmonisieren und die
­lebensrettende Eingriffe in Schwellenländer wie Indien,          Rechte der Opfer besser schützen. 2015 wurde das verab-
Kolumbien, Brasilien oder China. Die dort meist rudimentär        schiedete Übereinkommen von 14 Nationen, darunter bei-
durchgeführten illegalen Transplantationen gefährden nicht        spielsweise Norwegen, Italien, Albanien und Portugal, unter-
nur das Leben der Spender, sondern – aufgrund unzureichen-        schrieben. Mit der Unterzeichnung der Organhandels­konvention
der medizinischer Versorgung – auch das Überleben der             im November 2016 setzte auch die Schweiz ein klares Zeichen
Empfänger. Aller negativen Folgen zum Trotz floriert der          gegen den illegalen Organhandel.
­illegale Organhandel. Jährlich wird ein Gewinn von schät-
zungsweise über eine Milliarde Euro erzielt.*                     Änderungen im Schweizer Transplantationsgesetz
                                                                  Obwohl die Schweiz den Anforderungen der Organhandels-
Der Europarat wird aktiv                                          konvention weitgehend gerecht wird, bedingt die Ratifikation
Um dem oftmals mit Menschenhandel verschränkten illegalen         der Übereinkunft punktuelle Anpassungen im Schweizer
Organhandel und dessen Kommerzialisierung entgegenzuwir-          Transplantationsgesetz. Heute verbietet das hiesige Gesetz
ken, tagten bereits 2008 über 150 Gesundheitsfachpersonen         den Handel mit Organen, Geweben und Zellen, wenn er inner-
aus 78 Nationen und gaben gemeinsam die «Erklärung von            halb der Schweiz oder von der Schweiz ins Ausland erfolgt

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Magazin - Die Organspende in der Schweiz und im internationalen Vergleich - Swisstransplant
Fokus

(vgl. Transplantationsgesetz Art. 69
Abs. 4). Mit der Organ­handelskonvention
sollen künftig auch Organhandelsdelik-
te, die von Schweizerinnen und Schwei-
zern im Ausland verübt werden, strafbar
sein. Zudem erfordert das Überein­
kommen des Europarats unter anderem
auch die Benennung einer nationalen
Kontaktstelle, die für den Austausch
von Informationen über den Handel mit       Mit dem «Walk against organ traffiking» 2015 wurde öffentlich ein Zeichen
                                            gegen den illegalen Organhandel gesetzt.
menschlichen Organen wie auch für
die Meldung von Organhandelsfällen
zuständig ist. Diese Rolle einer nationa-
len Kontaktstelle soll gemäss Geset-
zesentwurf dem Bundesamt für Ge-            Organen, und neu auch mit Geweben                oder zu anderen Zwecken bestimmt
sundheit (BAG) zuteilwerden. Neben          oder Zellen, verhindert und Artikel 1 des        sind, soll auf diese Weise ausgeschlos-
den genannten Änderungen hinsichtlich       Transplantationsgesetzes entsprechend            sen sein.
Strafbarkeit von Organhandelsdelikten       erweitert werden. Zudem verbietet Arti-
im Ausland und der Festsetzung einer        kel 6 Absatz 1 des Transplantationsge-
Kontaktstelle sind weitere gesetzliche      setzes, für die Spende von menschlichen
Anpassungen nötig. Während sich die         Organen, Geweben oder Zellen einen
Organhandelskonvention auf den Um-          finanziellen Gewinn oder einen anderen
gang mit Organen beschränkt, gilt das       Vorteil zu gewähren, entgegenzuneh-              *	Erläuternder Bericht zur Geneh­migung
Transplantationsgesetz auch für Gewe-       men oder neu anzubieten, zu gewähren,               des Übereinkommens des Europarats ge-
                                                                                                gen den Handel mit menschlichen Organen
be und Zellen. Unter Berücksichtigung       zu fordern oder anzunehmen. Ein Handel
                                                                                                (Organhandelskonvention) und zu seiner
der Europaratskonvention soll der miss-     mit Organen, Geweben oder Zellen, die               Umsetzung (Änderung des Transplantati-
bräuchliche Handel mit menschlichen         zur Transplantation auf den Menschen                onsgesetzes. BAG 2017).

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Island

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                                                          Norwegen

                                                                          Schweden
                                                                                                    Estland

                                                                                                    Lettland
                                                            Dänemark
                       Vereinigtes                                                                Litauen
                       Königreich                                                                                             Russland
              Irland                              Niederlande                        Polen
                                                          Deutschland
                                              Belgien
                                                   Luxemburg         Tschechien                                  Ukraine
                                                                                       Slowakei
                                                                       Österreich
                                     Frankreich            Liechtenstein               Ungarn              Moldawien
                                                        Schweiz        Slowenien                    Rumänien
                                                            Italien       Kroatien      Serbien
                                                     Monaco           San        Bosnien und
                                                                      Marino     Herzegowina
                                       Andorra                                                        Bulgarien
                                                                                      Montenegro                                          Georgien
                       Spanien                                                               Mazedonien                                            Aserbaidschan
                                                                                        Albanien
                                                                                                                                            Armenien
          Portugal                                                                                Griechenland             Türkei

                                                                          Malta
                                                                                                                           Zypern

         Diese Länder haben die Organhandelskonvention unterzeichnet (Stand: April 2018).

         Vernehmlassung
         Im Vernehmlassungsverfahren vom 22. November 2017 bis                                  Dank einer intensivierten länderübergreifenden Zusammen-
         zum 8. März 2018 stiess der Entwurf einer Gesetzesänderung                             arbeit sollen Organhandelsdelikte künftig besser verfolgt
         bei Kantonen, Verbänden, politischen Parteien und übrigen                              werden können. Inwiefern es mithilfe der Organhandels­
         Organisationen grossmehrheitlich auf positive Resonanz. Auch                           konvention gelingt, Verbrechen aufzudecken und die Verant-
         die Stiftung Swisstransplant unterstützt die Anliegen der                              wortlichen strafrechtlich zu belangen, wird sich zeigen. Mit der
         europarätlichen Organhandelskonvention und die damit ein-                              Ratifikation der Organhandelskonvention setzt jedoch auch
         hergehenden Anpassungen im Transplantationsgesetz. PD Dr.                              die Schweiz ein klares Zeichen, dem illegalen Organhandel
         med. Franz F. Immer, Direktor der Stiftung Swisstransplant,                            entschieden entgegenzutreten.
         gibt aber auch zu verstehen, dass sich eine Verschärfung des
         Transplantationsgesetzes nicht ungünstig auf ethisch vertret-                          Weitere Informationen zu Gesetzesänderungen
         bare, aber kostenpflichtige Vorgänge wie Kultivierung, Präpa-                          und Vernehmlassung finden Sie unter:
         ration und Lagerung von Geweben und Zellen, wie sie etwa im                            www.bag.admin.ch
         Rahmen von Corneatransplantationen erfolgen, auswirken                                 www.coe.int
         darf. Auch die Umsetzung der Meldenorm für Organhandels-
         delikte er­fordert grösste Sorgfalt. «Behandelnde Ärzte unter-
         liegen der ärztlichen Schweigepflicht. Eine Meldepflicht darf
         nicht dazu führen, dass die dringend erforderliche medizini-
         sche Nachsorge durch Spezialisten vermieden wird.

         10
Forschung und Medizin

Die Organspende in der Schweiz und
im internationalen Vergleich

E  ine Studie des Europarats, unter der Leitung von Swisstransplant, hat die Effizienz
nationaler Organspendeprogramme in 27 europäischen Ländern und den USA untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass es in der Schweiz noch Optimierungspotenzial gibt, auch
wenn sie sich im internationalen Vergleich im vorderen Drittel bewegen.

Julius Weiss

Seit 2014 ist Swisstransplant durch PD Dr. med. Franz F. Immer    sehr groben und daher wenig aussagekräftigen Vergleich
als Delegierter der Schweiz aktiv im Europarat vertreten. In      zulässt. Denn die in einem Land lebende Bevölkerung kann
dieser Funktion leitet er eine internationale Arbeitsgruppe im    nur im weitesten Sinne als Ausgangswert für die Organspen-
Rahmen des Council of Europe’s European Committee on              de nach Hirntod oder Herz-Kreislauf-Stillstand betrachtet
Organ Transplantation, der neben der Schweiz Frankreich,          werden, da für eine solche Spende aus medizinischen Gründen
Italien, Slowenien, Spanien und die Niederlande angehören.        nur ein sehr kleiner Teil aller Verstorbenen überhaupt infrage
Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es zu untersuchen, welche           kommt. Will man analysieren, wie gut das Potenzial für die
Massnahmen zur Erhöhung der Organspenderzahlen in den             Organspende ausgeschöpft wird, ist es unumgänglich, dass
Mitgliedsländern des Europarats umgesetzt wurden und ob           man dieses zuerst bestimmen oder zumindest realistisch
diese erfolgreich waren. Zu diesem Zweck wurde ein Frage-         einschätzen kann. Genau dies wurde nun in der Studie
katalog für eine Erhebung unter den Mitgliedsländern ent­         «Evolution of deceased organ donation activity vs. efficiency
wickelt und in einer in der Fachzeitschrift «Transplantation»     over a 15 year period: an international comparison» der oben
erschienenen Studie die Spendeeffizienz in 28 Ländern             erwähnten Arbeitsgruppe untersucht.
untersucht.
                                                                  Beachtliche Unterschiede innerhalb von Europa
Potenzial für die Organspende wird untersucht                     Das Potenzial für die Organspende wurde in dieser Studie
Die am häufigsten verwendete Kennzahl für den internationa-       anhand der jährlichen Todesfälle bestimmt, die auf Schlagan-
len Vergleich des Spendenaufkommens ist die Anzahl Or­            fälle, anoxische Hirnschäden sowie schwere Schädel-­Hirn-
ganspender pro Million Einwohner, abgekürzt pME. Diese            Traumata bei Verkehrsunfällen zurückzuführen sind. Dabei
Spenderate pME ist ein Vergleichswert, der zeigt, wie gross       hat sich gezeigt, dass es innerhalb von Europa beachtliche
die Spendeaktivität in einer Region oder in einem Land ist –      Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf die Sterb-
und hier gibt es international beträchtliche Unterschiede. Die    lichkeit dieser für die Organspende relevanten Todesursachen
Spenderate hat den Vorteil, dass sie einfach berechnet werden     gibt. Am höchsten war sie in Bulgarien, Lettland und Rumänien,
kann und die Basis für den Vergleich liefert, wie viele Spender   am niedrigsten in der Schweiz, Luxemburg und Irland; in
in einem Jahr in verschiedenen Ländern zu verzeichnen waren.      Bulgarien war sie rund sechsmal höher als in Irland. Dies lässt
Der Nachteil dieser Berechnung ist jedoch, dass sie nur einen     vermuten, dass das Potenzial für die Organspende nach

                                                                                                                             11
Forschung und Medizin

Hirntod oder Herz-Kreislauf-Stillstand in Ländern mit einer      Stetige Förderung der Organ- und Gewebespende
höheren Sterblichkeit bei den ausgewählten Todesursachen         Swisstransplant setzt sich zusammen mit den Fachpersonen
grösser ist als in den anderen Ländern. Ein Vergleich der        in den Spitälern dafür ein, das Organ- und Gewebespende-
Spenderate pME liefert daher ein verzerrtes Bild der Situation   wesen der Schweiz, durch eine kontinuierliche Verbesserung
der Organspende in den verschiedenen Ländern und ist nicht       der fachlichen Kompetenzen und der Abläufe, zu einem ver-
für eine Beurteilung der Spendeeffizienz geeignet.               lässlichen Partner für die Menschen zu machen. Unter ande-
                                                                 rem durch die kontinuier­liche Aus- und Weiterbildung im
Der Donor conversion index DCI                                   Organspendeprozess in­volvierter Fachper­sonen sowie durch
Das Kernelement der Studie und des internationalen Ver-          eine Verbesserung der Prozesse in enger Zusammenarbeit mit
gleichs ist der sogenannte Donor conversion index DCI. Dieser    den Spitälern, beispielsweise bei der Entwicklung und Einfüh-
Wert zeigt, wie viele Organspender aus 100 Todesfällen           rung von Mindestanforderungen.
resultieren, die für eine Organspende infrage kommen. Mit dem
DCI wird – im Gegensatz zur Spenderate pME – die Anzahl          Literaturhinweis
                                                                 Weiss J. / Elmer A. / Mahíllo B. / Domínguez-Gil B. /Avsec D. /Nanni
Organspender pro Land in ein Verhältnis zum Potenzial
                                                                 Costa A. / Haase-Kromwijk B. / Laouabdia K. / Immer F. F. / on behalf of
gebracht. Dies lässt die Effizienz verschiedener nationaler      the Council of Europe European Committee on Organ Transplan­tation
Organspendeprogramme ermitteln und vergleichen: Denn eine        (CD-P-TO). Evolution of deceased organ donation activity vs. efficiency
                                                                 over a 15 year period: an international comparison. Transplantation.
hohe Spenderate pME bedeutet nicht automatisch, dass ein
                                                                 Forthcoming 2018.
Land auch tatsächlich über ein effizientes Organspendewesen
verfügt. Ebenso lässt sich aus einer niedrigen Spenderate pME
nicht zwingend auf mangelnde Effizienz schliessen, sondern
sie ist möglicherweise Ausdruck davon, dass das Potenzial
auch entsprechend gering ist.

Die Spendeeffizienz im internationalen Vergleich auf Seite 13.

                           Swisstransplant setzt sich zusammen mit
                          den Fachpersonen in den Spitälern dafür
                          ein, das Organ- und Gewebespendewesen
                           der Schweiz, durch eine kontinuierliche
                          Verbesserung der fachlichen Kompetenzen
                           und der Abläufe, zu einem verlässlichen
                            Partner für die Menschen zu machen.

12
Forschung und Medizin

Ausgewählte Länder im Vergleich: Spendeeffizienz

  Im internationalen Vergleich der Spendeeffizienz zwischen
  2001 und 2015 hat Spanien am Ende der Studienperiode
  den höchsten Spendeeffizienzwert erreicht (5,0 Prozent),
  gefolgt von Frankreich und den USA (beide 3,9 Prozent).
  Die Schweiz liegt mit 2,7 Prozent auf Platz sieben von
  28 untersuchten Ländern. Neben Frankreich hat von unseren
  Nachbar­ländern nur Österreich eine (leicht) höhere Spende­
  effizienz mit einem DCI-Wert von 3,0 Prozent und ist
  somit auf Platz sechs in der Länderrangliste. Die Effizienz
  im italienischen und deutschen Spendewesen liegt hin­
  gegen mit 1,8 Prozent respektive 1,2 Prozent deutlich hinter                                                       Finnland
                                                                                                                      2,3 %
  derjenigen der Schweiz zurück.

                                                                                             Schweden
                                                                                               2,2 %                       Estland
                                                                                                                            1,9 %

                                                                                                                          Lettland
                                                                                                                           0,7 %

                                                                         Dänemark                                        Litauen
                                                                           2,0 %                                          0,9 %
                                     Irland
                                   3,1 %
                                              Grossbritannien
                                                  2,5 %             Niederlande
                                                                       2,2 %                                 Polen
                                                                                                             1,4 %
                                                                   Belgien     Deutschland
                                                                                  1,2 %
                                                                   3,7 %                      Tschechische
                                                                                                Republik
                                                                   Luxemburg                     2,1 %     Slowakei
                                                                     0,9 %                                   1,5 %
                                                                                                Österreich
                                                                                                              Ungarn
                                                         Frankreich          Schweiz
                                                                                                  3%           1,6 %               Rumänien

                                                         3,9 %               2,7 %           Slowenien
                                                                                                       Kroatien
                                                                                                                                     0,2 %
                                                                                               2,3 %
                                                                                                        2,0 %
                                                                                  Italien
                                                                                   1,8 %
                                                                                                                                      Bulgarien
                                                                                                                                       0,2 %

             Portugal
              2,3 %
                               Spanien

                              5,0 %                                                                                             Griechen-
                                                                                                                                   land
                                                                                                                                  0,2 %

Werte im Jahr 2015, Datenquelle siehe Literaturhinweis Seite 12.

                                                                                                                                              13
Partner

Blended Learning auf Kurs –
eine Revision steht an

D    er Ablauf einer Organspende ist komplex und erfordert von den beteiligten
Fachpersonen ein breites Wissen. Dieses Fachwissen wurde 2014 im Swiss Donation
Pathway gebündelt. Der Swiss Donation Pathway beinhaltet die im Spendeprozess
notwendigen Richtlinien und ist als nationaler Standard für Spitäler konzipiert
worden. Allerdings dient der detaillierte und umfangreiche Pathway mehr als Grund­
lagenwerk denn als Lehrmittel. Im Zusammenhang mit der schweizweiten Harmoni­-
­sierung der Spende­prozesse entstand daher das Blended Learning, ein online-basierter
Selbststudium Lehrgang, der mit zwei Präsenzkursen ergänzt wird.

Dr. sc. Moana Mika

                                                                          Auf den Grundlagen des Swiss Dona­-
                                                                          tion Pathway, dem «Handbuch» für
                                                                          die Organspende auf den Notfall- und
                                                                          Intensivstationen, wurde im Herbst 2016
                                                                          durch Swisstransplant und den Nationa-
                                                                          len Ausschuss für Organspende (CNDO:
                                                                          Comité National du Don d’Organes) das
                                                                          «Blended Learning» umgesetzt. Zehn
                                                                          Module online-basiertes Selbststudium
                                                                          bilden das Kernstück und werden durch
                                                                          zwei klassische Präsenzkurse ergänzt.
                                                                          Nebst medizinischen Themen wie dem
                                                                          Hirntodkonzept, der Spenderbehand-
                                                                          lung oder der Qualität im Spendeprozess
                                                                          werden im Blended Learning auch
                                                                          Themen wie die Kom­munikation im me-
                                                                          dizinischen Umfeld, das Überbringen
                                                                          schlechter Nachrichten und dem Führen
                                                                          von schwierigen Gesprächen im Organ-
                                                                          spendeprozess behandelt. Der modu­
                                                                          lare Aufbau und die Kombination von
                                                                          Präsenzkursen und E-Learning-Modu-
Rollenspiel: Angehörigengespräch in einem Präsenzkurs Kommunikation.      len ermöglichen ein dynamisches und

14
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Teilnehmende eines Präsenzkurses Kommunikation.

individuelles Lernen und bieten somit eine attraktive Möglich-   deckend ausgebildete Expertinnen und Experten im Spende-
keit, Fachkenntnisse zu erarbeiten. Wer alle E-Learning-­        prozess zu haben, ist in Reichweite. Damit hat auch die
Module erfolgreich bearbeitet und die beiden Präsenzkurse        zweijährige Pilotphase ein Ende: Das Blended Learning
besucht hat, kann mit dem Abschlusstest die Zertifizierung zum   wird standardisiert ins Curriculum der FOGS einfliessen und
«Schweizerischen Experten Organspendeprozess» bzw. zur           sie müssen innerhalb der ersten zwei Jahre ihrer Tätigkeit
«Schweizerischen Expertin Organspendeprozess» erlangen.          den Lehrgang durchlaufen und abgeschlossen haben. Das
                                                                 Blended Learning ist nicht nur für die FOGS zugänglich.
Das Zertifizierungsziel ist in Reichweite                        Weitere Fachpersonen, die direkt oder indirekt in ihrem
Für die Fachpersonen in der Organ- und Gewebespende              ­Berufsalltag mit dem Thema Organspende zu tun haben,
FOGS, die in den Schweizer Spitälern für die Organ- und          können sich auf der Website von Swisstransplant für einen
Gewebespende als Experten im Einsatz sind, ist das Blended       zeitlich befristeten Zugang zum Blended Learning anmelden.
Learning mit der Zertifizierung obligatorisch. Von den ins­
gesamt 148 schweizweit tätigen FOGS wurden per Ende März         Eine Revision steht an
bereits 111 zertifiziert, was einem Anteil von 75 Prozent ent-   Änderungen von Richtlinien, neue me­dizinische Erkenntnisse
spricht, wovon rund die Hälfte Frauen sind. Wenn von einer       und techno­logische Verbesserungen machen eine erste Revi-
personellen Fluktuation von rund 10 Prozent pro Jahr aus­        sion des Blended Learning notwendig. Bis Mitte 2019 sollen
gegangen wird, so sollten zwei Jahre nach Implementierung        alle E-Learning-Module überarbeitet und auf den aktuellsten
des Blended Learning, also im Herbst 2018, rund 80 Prozent       Standard gebracht werden. Zudem wird auch gleich noch
aller FOGS zertifiziert sein. Das hochgesteckte Ziel, flächen-   ein neues Modul entstehen. Dieses gibt einen Überblick

                                                                                                                         15
Partner

der Spende nach Herz-Kreislauf-Stillstand – die sogenann-      Swiss Donation Pathway:
te DCD-Spende (Donation after Cardiocirculatory Determi-       www.swisstransplant.org/swiss-donation-pathway
nation of Death).
                                                               Online-Anmeldung Blended Learning:
Die DCD-Spende ist in den letzten Jahren vermehrt in der       www.swisstransplant.org/blendedlearning
Schweiz eine Option für Patienten geworden, die zwar eine
infauste Prognose haben, aber nicht in den Hirntod gelangen.
Die DCD-Spenden haben in den letzten Jahren stark
­zu­genommen: 2013 waren 10,9 Prozent aller Spenden DCD-
Spenden, 2017 bereits 26,9 Prozent.

Das Blended Learning ist und wird auch in Zukunft weiter­-
hin die Standardausbildung für Fachpersonen im Organ-
und Gewebespendeprozess in der Schweiz sein. Mit der
­an­stehenden Überar­beitung der E-Learning-Module wird
sichergestellt, dass durch gut ausgebildetes Personal der
Spendeprozess in der Schweiz auch in Zukunft auf höchster
Qualität erhalten bleibt.

16
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Swisstransplant hat zwei Blended-Learning-Absolventinnen interviewt

Danick Ernst
Dipl. Expertin Intensiv­pflege               Welche Tipps geben Sie einer Fach­           Gewebespende für das Ärzte- und
                                             person mit, die das Blended Learning         Pflegepersonal vom HUG und nimmt
Welches sind Ihre Aufgaben im                absolvieren möchte?                          an öffentlichen Aufklärungskampagnen
Spital im Zusammenhang mit der               Sich Zeit zu nehmen und sich intensiv        teil (Veranstaltungen, Gespräche mit
Organspende und weshalb haben Sie            mit dem Thema bzw. dem Lehrgang zu           Jugendlichen und Senioren).
das Blended Learning abgelegt?               beschäftigen.
Ich arbeite im Spital Interlaken, Spitäler                                                Von welchem Modul haben Sie
fmi AG, auf der Intensivstation als dipl.    Emilie Arnaud                                besonders profitiert?
Expertin Intensiv­pflege. Davor war ich      Pflegeexpertin Organ- und                    Von allen. Ganz besonders hat mich das
vier Jahre bei Swiss­transplant als nati-    Gewebespende                                 Kommunikations-Modul angesprochen.
onale Koordinatorin tätig. Als ich wieder
im Spital Interlaken angefangen habe,        Welches sind Ihre Aufgaben im Spital         Welches war das schwierigste Modul?
war es naheliegend, dass ich die Aufga-      im Zusammenhang mit der Organ­               Nicht alle Spitäler sind gleich organi-
be als lokale Koordinatorin übernehme,       spende und weshalb haben Sie das             siert, dadurch verwenden wir Fach­
da ich mit dem Thema sehr vertraut bin.      Blended Learning abgelegt?                   personen für eine Aufgabe nicht dieselbe
Ich gebe regelmässig Weiterbildungen         Als Pflegeexpertin Organ- und Gewe-          Bezeichnung, was in einigen Tests zu
zum Thema Organspende, erfasse Da-           bespende des Hôpitaux universitaires         Missverständnissen führte.
ten für SwissPOD und bin Ansprech­           de Genève HUG übernehme ich viel­
person für dieses Thema. Ich habe            fältige Aufgaben. Unser Team ist «der        Wie beurteilen Sie die Präsenzkurse,
das Blended L
            ­ earning in der Testphase       Ansprechpartner» im Spital für alle          in denen das erlernte Wissen vertieft
absolviert und mich danach zertifiziert.     Themen rund um Organ- und Gewebe-            und geübt wird?
                                             spenden. Auf der Notfallaufnahme so-         Die Präsenzkurse waren sowohl von der
Von welchem Modul haben Sie                  wie der Erwachsenen- und Kinderinten-        Organisation als auch vom Inhalt her von
besonders profitiert?                        sivstation setzen wir in Zusammenarbeit      hoher Qualität. Ich konnte die Theorie
Ich fand alle Module hilfreich.              mit den Ärzte- und Pflegeteams das           wiederholen und Fachpersonen aus an-
                                             Organ- und Gewebespendeprogramm              deren Spitälern kennenlernen.
Welches war das schwierigste Modul?          bei Patienten im Hirntod und Spendern
Obwohl ich mit dem Thema vertraut bin,       nach Herz-Kreislauf-Stillstand, die nach     Welche Tipps geben Sie einer Fach­
empfand ich alle Module als anspruchs-       dem Therapieabbruch verstorben sind,         person mit, die das Blended Learning
voll, besonders das Modul zum Thema          um und führen die Angehörigenge­
                                                                            -             absolvieren möchte?
Hirntod.                                     s­präche. Um die Qualität sicherzustellen,   Wer das Programm absolviert, sollte
                                             betreuen und entwickeln wir das Organ-       dies vor dem Hintergrund tun, dass in
Wie beurteilen Sie die Präsenzkurse,         und Gewebespendeprogramm in unse-            der Schweiz nicht alle Spitäler gleich
in denen das erlernte Wissen vertieft        rem Spital immer weiter. 2013 wurde          organisiert sind und die Abläufe nicht
und geübt wird?                              zusammen mit der Gewebe-Biobank ein          alle einheitlich vonstattengehen.
Die Präsenzkurse empfand ich als sehr        Programm zur Augenhornhautspende
hilfreich, der Austausch unter den Teil-     für therapeutische Zwecke ins Leben
nehmern und der Simulationsunterricht        gerufen. Weiter organisiert unser Team
waren aufschlussreich.                       Schulungen zum Thema Organ- und

                                                                                                                                 17
Aktiv

Organspende bis ins hohe Alter

B  is zu welchem Alter bleibt man potenzieller Organspender? Welche Organe können
im hohen Alter überhaupt noch entnommen werden? Diese Fragen tauchen häufig
auf, wenn ältere Personen sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Das
Ehepaar Bühlmann hat sich informiert und weiss nun, dass es zum Spenden keine Alters­
grenze gibt – und wie wichtig der offene Austausch mit den nächsten Angehörigen ist.

Katrin Uhlmann

Klaus und Monika Bühlmann sind pensioniert und haben schon        Die ältesten Spender der letzten fünf Jahre
viele Themen hinsichtlich ihrer Vorsorge zusammen bespro-
chen. Erst kürzlich kam es zum längst überfälligen Gespräch                  Herz: 67-jährig
über eine Organspende. Diesem Thema hatten sie sich bislang
nie gemeinsam gewidmet. Plötzlich stand die Frage im Zent-                   Lunge: 84-jährig
rum, bis zu welchem Alter man denn ein Organ spenden kann.
Bei Swisstransplant erhielten sie Antworten auf ihre Fragen.                 Leber: 87-jährig

Massgebend ist die Funktion der Organe                                       Niere: 87-jährig
Die Bühlmanns erfuhren, dass es bei der Organspende keine
obere Altersgrenze gibt. Massgebend dafür, ob ein Organ                      Pankreas: 67-jährig
einem Empfänger zugeteilt werden kann oder nicht, ist letztlich
die Funktionstüchtigkeit des Organs, wenn der Hirntod ein­        (In der Schweiz werden Pankreata von Personen über 6    ­ 0 Jahren aus
                                                                   medizinischen Gründen nicht transplantiert. Die Inselzellen hingegen
getreten ist. Mit fortschreitendem Alter wird es beim Herzen
                                                                   können auch von älteren Menschen transplantiert werden. Der älteste
schwierig, das Spenderorgan einem Menschen, der auf der            Spender in den letzten fünf Jahren war 87 Jahre alt.)
Warteliste ist, zuzuteilen. Anders sieht es aber bei der Leber
sowie teilweise auch bei der Lunge und bei der Niere aus.
Diese Organe funktionieren meist auch bis ins hohe Alter gut             	Dünndarm: 43-jährig
und können einem Menschen, der auf ein neues Organ wartet,
zu neuer Lebensqualität verhelfen oder gar das Leben retten.      (Isolierte Dünndarmtransplantationen sind selten. Meist braucht
                                                                   der Empfänger noch weitere viszerale Organe. Da vorwiegend Kinder
Der älteste Schweizer Spender in den letzten fünf Jahren war
                                                                   oder junge Erwachsene eine solche Transplantation benötigen, sind
87 Jahre alt. Organe von älteren Menschen werden auch              die Spenderinnen und Spender entsprechend jung. In den letzten fünf
tendenziell älteren Empfängern auf der Warteliste zugeteilt.       Jahren wurde in der Schweiz nur ein Dünndarm transplantiert.)

So kann eine gespendete Niere einen älteren Menschen,
der dreimal in der Woche zur blutreinigenden Dialyse muss,        Quelle
                                                                  Swisstransplant. Älteste Spender im Zeitraum vom
von dieser belastenden Behandlung befreien sowie von
                                                                  1.1.2013 bis 31.12.2017
den damit verbundenen Nebenwirkungen. Für den Empfän­-
ger bedeutet das wiedergewonnene Selbstständigkeit und
­Lebensqualität.

18
Aktiv

Austausch und Information sind wesentlich                              auf der Intensivstation wesentlich, dass der Verstorbene sei-
Monika Bühlmann besitzt bereits seit zehn Jahren eine Organ-           nen Wunsch zeitlebens mitgeteilt hat. Noch viel zu oft sind die
spendekarte. Ihr Mann Klaus Bühlmann hatte sich nie im Detail          betroffenen Fachkräfte in den Spitälern mit der Situation
mit der Thematik befasst. Auch wusste er nicht, dass seine­            konfrontiert, dass der Wunsch des Verstorbenen nicht bekannt
Frau bereits eine Organspendekarte ausgefüllt hat. Nach                ist, was für die Familien und für das Fachpersonal eine grosse
ausführ­licher Diskussion und zusätzlichen Informationen über          Belastung in einem sonst schon sehr schwierigen Moment
www.swisstransplant.org war auch Klaus Bühlmann über-                  darstellt. Deshalb ist es wichtig: Entscheiden Sie sich und
zeugt: «Auch als Senioren können wir noch etwas weitergeben.           informieren Sie Ihre Angehörigen. Sie entlasten damit Ihre
Und wenn das ein Organ ist, das jemand benötigt, ist das eine          Familie, aber auch das Fachpersonal im Spital.
gute Sache!»

                                                                           
Weil man bis ins hohe Alter Organe spenden kann, bedeutet
dies, dass man sich auch in einem späteren Lebensabschnitt             Die Minidoku «Ein wichtiges Gespräch» mit dem Ehepaar
mit dieser Thematik auseinandersetzen und die nächsten                 Bühlmann zeigt eindrücklich, wie wichtig das offene Gespräch
Angehörigen über den Entscheid informieren sollte. Denn bei            über die Organspende zwischen den Partnern und mit den
einer Organspende muss die Einwilligung des Verstorbenen               erwachsenen Kindern ist. Die Minidoku können Sie anschauen
oder jene der nächsten Angehörigen vorliegen.                          unter www.swisstransplant.org/minidoku

Im Familienkreis darüber sprechen
Nachdem sich nun auch Klaus Bühlmann eine Organspende-­
karte zugelegt hatte, folgte ein Gespräch mit den gemein­
samen erwachsenen Kindern. Im Ernstfall ist es für die
nächsten Angehörigen, aber auch für das behandelnde Team

Monika und Klaus Bühlmann haben mit der Familie über ihren Entscheid gesprochen – eine obere Altersgrenze
für eine Organspende gibt es nämlich nicht.

                                                                                                                                  19
Partner

Neuer Leiter im Organspende-
Netzwerk Luzern

D   as Organspende-Netzwerk Luzern ist dem Luzerner Kantonsspital angegliedert.
Das Netzwerk übernimmt für die Kantone Luzern, Obwalden, Nidwalden und Uri zentra­
le Aufgaben im Organspendeprozess. Swisstransplant wollte vom neuen Netzwerkleiter,
Dr. med. Christian Brunner, wissen, wie sein erster Eindruck ist.

Claudia Zbinden

Herr Brunner, seit Anfang Jahr leiten Sie das Organ­            Trotz den Anstrengungen (Ausbildung und Finanzierung
spende-Netzwerk Luzern. Wie ist Ihre Bilanz nach                der Fachpersonen, Anpassung der Strukturen und Prozes­
den ersten Monaten?                                             se im Organspendewesen) ist es bisher nicht gelungen,
Bereits während meiner Zeit als lokaler Koordinator am          die generell wohlwollende Einstellung der Bevölkerung in
­Luzerner Kantonsspital hat sich abgezeichnet, dass das         eine nachhaltig höhere Spenderate umzu­setzen. Im Jahr
Thema Organspende weiter an Fahrt aufnimmt. Aus Sicht des       2017 betrug die Spenderate nur 17,2 pro Million Einwohner.
Netzwerkleiters kann ich bestätigen, dass die Evaluation        Wo sehen Sie im Organspende-Netzwerk Luzern Optimie­
(Zahlen aus dem SwissPOD*) eine hohe Ablehnungsrate zeigt       rungsmöglichkeiten, um die Anzahl Spenderorgane zu
und die Schlussfolgerungen aus dem ausgeführten Aktions-        erhöhen?
plan neue ambitionierte Aufgabengebiete erschliessen.           Ein zentraler Punkt ist sicherlich die hohe Ablehnungsrate. Wir
                                                                erleben immer wieder, dass die Angehörigen in den sorgsam
Wie ist das Organspende-Netzwerk Luzern organisiert             geführten Gesprächen entweder eine ablehnende Haltung
und wer nimmt welche Aufgaben wahr?                             des Patienten/der Patientin wiedergeben oder dessen/deren
Wir sind ein verhältnismässig kleines Netzwerk, bestehend aus   persönliche Haltung zur Organspende nicht kennen. Meist
dem Luzerner Kantonsspital (LUKS) als Organentnahme-­           entscheiden sich die Angehörigen dann gegen eine Organ-
Spital sowie weiteren sieben Spitälern in der Zentralschweiz,   spende. Eine konkrete Willensäusserung in Form einer
mit denen wir zusammenarbeiten. Gemeinsam übernehmen            Patientenver­fügung oder einer Organspendekarte finden wir
wir die Grund- und Spezialversorgung von rund 700 000           leider selten. Es ist bedrückend, zu beobachten, wie die
Einwohnern. Jedes Spital stellt einen lokalen Koordinator zur   ­Angehörigen in diesen Momenten mit der Entscheidung ringen.
Ver­fügung, der für die Spendererkennung, die Datenerhebung     Inzwischen ist vielen bewusst, wie viel von dieser Aussage
(SwissPOD) und die Schulungsmassnahmen zuständig ist. Die       abhängt. Zusätzlich zu unseren bereits etablierten Mass­
lokalen Koordinatorinnen und Koordinatoren sind in Kontakt      nahmen wie Schulungen, Öffentlichkeitsarbeit und das Prä-
mit der Netzwerkkoordination, die seit Januar dieses Jahres     senthalten des Organspende­themas in den Spitälern sehe ich
vom LUKS Luzern aus erfolgt. Die Netzwerkkoordinatoren und      auf Netzwerkebene in Bezug auf die ablehnende Haltung ein
ich als Netzwerkleiter stellen das Bindeglied zu Swisstrans-    begrenztes Handlungspotenzial.
plant dar: Wir sorgen für die Umsetzung der national ange-
strebten Ziele im Netzwerk und geben Rückmeldung über die
Organspendetätigkeit in der Region.

20
«Es ist bedrückend, zu beobachten,
               wie die Angehörigen in diesen Momenten
                    mit der Entscheidung ringen.»
                              Dr. med. Christian Brunner

Für Swisstransplant ist die Sensibili­       Die Zahlen von Swisstransplant der         kenntnissen in der Gesprächsführung ist
sierung der Öffentlichkeit hinsichtlich      letzten Jahre zeigen, dass DCD zu          viel Erfahrung und gewiss auch Empa-
Organspende ein zentraler Punkt.             einem Anstieg der Spenderzahlen führt.     thie nötig, um Menschen, die mit Sorge,
Welche Massnahmen sind Ihrer Mei­            Wir erleben auch in den Gesprächen,        Trauer und Hoffnungslosigkeit zu kämp-
nung nach zielführend?                       dass Angehörige immer öfter nach die-      fen haben, durch dieses Themengebiet
In unseren bisherigen Standaktionen          ser Spendeform fragen. Darüber hinaus      zu führen. Darüber hinaus dürfen in
haben wir eine durchweg sehr positive        ist es auch ethisch nicht vertretbar, in   medizinischen Fragestellungen und in
Haltung der Innerschweizer Bevölkerung       einigen Spitälern nur eine Spendemög-      den Abläufen nicht die geringsten Zwei-
erlebt. Wir geben jeweils grosse Mengen      lichkeit anzubieten. Somit erwarte ich     fel bestehen. Trotz guter Vorbereitung
an Organspendekarten an unseren Ver-         schon, dass das Angebot von DCD eine       und vielen begleiteten Angehörigen
anstaltungen ab. Dies deckt sich ja          Auswirkung auf die Spenderzahl hat und     frage ich mich immer noch vor jedem
­offensichtlich mit Ihrer Statistik. Mög­    greift, bevor der oben genannte Gesin-     Gespräch, mit welchen Situationen ich
licherweise sind etwas Zeit und ein          nungswandel einsetzt.                      wohl diesmal konfrontiert sein werde.
Generationenwechsel nötig, bis sich
dieser Gesinnungswandel in einer effek-      Die Schweiz verzeichnet im internati­      Welche Herausforderungen stehen
tiven Organspendebereitschaft nieder-        onalen Vergleich eine hohe Ableh­          dem Organspende-Netzwerk Luzern
schlägt. Ungeachtet dessen warten            nungsrate. Was unternehmen Sie im          in den nächsten Jahren bevor?
etwa 1500 Personen auf eine Trans-           Organspende-Netzwerk Luzern, um            Zum einen ist uns der Erhalt der Zusam-
plantation. Diese Patienten, die von Tag     dieser entgegenzuwirken?                   menarbeit mit den Netzwerkspitälern
zu Tag um ihr Leben fürchten müssen,         Wir erreichen die Öffentlichkeit in Form   wichtig. Interne Fortbildungen und An-
kann man nicht mit einem Jahre dauern-       von Standaktionen und Vorträgen und        gebote für die Öffentlichkeit werden
den Gesinnungswandel vertrösten. Ich         suchen das direkte Gespräch. Ausser-       weiter zu unseren Aufgaben zählen.
denke, dass Swisstransplant das Thema        dem haben die Netzwerkspitäler die         Ausserdem muss sich das Organspende-
Organspende in der Öffentlichkeit dau-       Bereitschaft gezeigt, Informations­        Netzwerk mit der DCD-Spende ausein-
erhaft präsent halten muss. Zudem            material über Organspende flächen­         andersetzen.
lohnt es sich, objektiv zu beleuchten,       deckend bereitzustellen. Zudem ist es
warum die Ablehnungsrate so hoch ist.        unser Ziel als Intensivmediziner, die
Dazu ist es mehr als sinnvoll, die Ange-     Gespräche mit den Betroffenen im Falle     * 	Die SwissPOD-Datenbank wurde für die
hörigengespräche zu begutachten. Eine        einer Organspende unter besten Bedin-          Intensiv- und Notfallpflege-Gemeinschaft
                                                                                            entwickelt. Sie ermöglicht allen Spitälern,
weitere Massnahme ist die Förderung          gungen zu führen.
                                                                                            Einfluss auf die Qualität ihres Spende­
beider Spendeformen, die Spende nach                                                        prozesses zu nehmen, wie dies durch das
Hirntod (DBD) und nach Kreislaufstill-       Was steht für Sie im Gespräch mit              Schweizer Transplantationsgesetz verlangt
stand (DCD).                                 den Angehörigen im Vordergrund?                wird. Das System ist dazu bestimmt,
                                                                                            mög­liche Organ- und Gewebespender nach
                                             Wer denkt, so ein Gespräch mühelos und
                                                                                            dem Hirntod (DBD) und Tod nach Herz-
Erwarten Sie eine höhere Spende­             ohne Vorkenntnisse führen zu können,           Herz-Kreislauf-Stillstand (DCD) zu identi-
rate, wenn alle Netzwerke das                hat die hohe Emotionalität in diesen           fizieren und zu verfolgen.
DCD-Programm einführen würden?               Momenten verkannt. Neben Grund-                www.swisstransplant.org/statistiken

                                                                                                                                   21
Forschung und Medizin

Innovation: der Atomicer ©

S  eit zehn Jahren ist Wolfgang Ender Transplantationskoordinator im Kantonsspital
St. Gallen (KSSG). Er hat ein Gerät erfunden und entwickelt, das bei einer
Organ­entnahme im Operationssaal Eis zerkleinert. Damit lassen sich die Organe
schnell wieder kühl halten. Eine Innovation!

Patricia Schauenburg

                                                          Nach dem Durchtrennen der Hauptschlagader werden die
                                                          Organe entnommen und müssen sofort gekühlt werden. Die
                                                          Chirurgen benötigen daher eine grosse Menge zerstossenes
                                                          Eis, das mit kalter physiologischer Kochsalzlösung vermischt
                                                          wird. Früher wurde das Eis von Hand mit einem Hammer
                                                          ­zerkleinert. Dies war für die Pflegenden im Operationssaal
                                                          aufwendig, anstrengend, sehr laut und zeitintensiv. Bis zu
                                                          einer Stunde benötigte man, um die gewünschte Menge Eis
                                                          klein zu hacken.

                                                          Die zündende Idee
                                                          2012 hatte Wolfgang Ender die Idee: Es musste ein Gerät her,
                                                          das die Arbeit erleichtert, zeitsparend ist und für eine bessere
                                                          Homogenität des zerstossenen Eises sorgt. Er diskutierte sein
                                                          Vorhaben mit Dr. med. Wolfgang Nagel, dem damaligen Leiter
                                                          der Transplantationschirurgie des KSSG. Dieser war von
                                                          Enders Idee sofort begeistert. Mit seinem Wissen als gelern-
                                                          ter M
                                                              ­ echaniker, tüftelte Wolfgang Ender bei sich zu Hause an
                                                          der Erfindung des Atomicer©.

                                                          Von der Testphase zur Produktion
                                                          Er baute einen Prototyp, der während eines Jahres im Opera-
                                                          tionssal des KSSG bei Organentnahmen getestet wurde.
                                                          Die externen medizinischen Entnahmeteams waren von der
                                                          Erfindung angetan, da kein Hammer mehr erforderlich war, um
Der   Atomicer©   zerkleinert Eis, um Organe zu kühlen.   das Eis in kleine Stückchen zu zerschlagen.

22
Von 1993 bis 1996 absolvierte
                                                                                        Wolfgang Ender eine Kranken­
                                                                                        pflegeausbildung an der Uni­
                                                                                        versitätsklinik Innsbruck, Öster­
                                                                                        reich. Er blieb der Klinik treu
                                                                                        und bildete sich 2000/2001 zum
                                                                                        Pflegefachmann für Anästhesie
                                                                                        aus. 2005 bis 2007 erwarb
                                                                                        Wolfgang Ender den Master-
                                                                                        Abschluss (M. Sc.) in Gesund­
                                                                                        heitsmanagement und 2010
Wolfgang Ender machte sich auf die          zeichnung) und in den USA (FDA)             bis 2012 den Master-Abschluss
Suche nach einem Unternehmen im Be-         zugelassen. Auf dem Kongress der            (MBA) in Health Service
reich Medizintechnik, das den   Atomicer©   «International Society for Organ Dona­      Management. Neben seiner Tätig­
herstellen konnte.                          tion and Procurement – ISODP» im            keit in der Transplantations­
                                            September 2017 in Genf war Wolfgang         koordination am KSSG ist er
Dank dem     Atomicer©   wird Zeit          Ender mit einem Stand vor Ort und           heute als Qualitäts­beauftragter
eingespart                                  konnte den Atomicer© mehreren interes-      für die Klinik «Nephrologie und
Durch die einfache Bedienung des            sierten internationalen Fachpersonen        Transplantationsmedizin» tätig.
­Atomicer© wird Personal und Zeit für die   vorstellen. Sein Atomicer© ist bereits in
Eiszerkleinerung eingespart: Die Zer-       Spanien und den Niederlanden im Ein-
kleinerung von zehn Litern Eis dauert       satz. Des Weiteren laufen Verhandlungen
nur noch 15 Minuten und nicht mehr eine     mit Polen, Birmingham in Grossbritanni-
ganze Stunde. Zudem ist das zerstos-        en, Deutschland und Frankreich, Texas,
sene Eis von besserer Qualität und die      New York und Wisconsin in den USA
Stücke sind gleichmässiger. Durch die       sowie Südkorea. Wolfgang Ender liefert
Zuführung von kalter physiologischer        alle seine Geräte selbst aus und bietet
Kochsalzlösung wird das Eis steril.         am Lieferort eine Schulung für das
                                            Operationsteam sowie die Entnahme-
Swisstransplant war von der Neuerfin-       und Transplantationskoordinatoren an.
dung fasziniert und hat die Produktion
und die Auslieferung von zehn Atomicer©     Er hat bereits weitere Ideen für zukünf-
in die Entnahme- und Transplantations-      tige Erfindungen im Kopf. Wir freuen uns
spitäler der Schweiz finanziert.            darauf, diese kennenzulernen!

Bereits international im Einsatz
Das Gerät ist heute in Europa (CE-Kenn-

                                                                                                                      23
Information

Ausblick Events 2018 –
Swisstransplant ist vor Ort

Jahrestagung SGI                                                    Planète Santé live, Palexpo Genf
19. – 21.9.2018                                                     4. – 7.10.2018

Jahrestagung der schweizerischen Gesellschaft für Intensiv­         Die Schweizer Gesundheitsmesse «Planète Santé live» bringt
medizin (SGI) und des schweizerischen Vereins der Amts- und         die grössten Institutionen und die meisten Akteure des
Spitalapotheker (GSASA) im Congress Center Kursaal Interlaken.      Gesundheitswesens zusammen und bietet der breiten Öffent-
                                                                    lichkeit ein spannendes interaktives Programm.
Ein Themenschwerpunkt ist die Organspende, Gewebespende
und Transplantation.

Swiss Football League SFL,                                          Messe Zukunft Alter,
Themenwoche Organspende                                             Messe Luzern
19.10. – 29.10.2018                                                 30.11.– 2.12.2018

Schweizer Fussball-Profi-Klubs machen die Organspende               «Zukunft Alter» schafft einen Treffpunkt für alle, die sich auf
zum Thema und klären ihre Zuschauer und Fans mit Kurz-              eine weitere Lebensphase vorbereiten und neue Netzwerke
filmen und Aktivitäten auf.                                         knüpfen wollen. Rund 130 Aussteller, Mitaussteller und
                                                                    Partner bieten mit ihren Produkten, Dienstleistungen und
                                                                    Informationen ein reichhaltiges Angebot.

Mehr zu den Events:
www.swisstransplant.org/events

Impressum

Herausgeberin                              Titelbild                                      Kontakt
Swisstransplant                            Swisstransplant                                T 058 123 80 12
Schweizerische Nationale Stiftung                                                         magazine@swisstransplant.org
für Organspende und Transplantation        Layout
Effingerstrasse 1                          visu’l AG, Bern                                Ausgaben 2018
Postfach                                                                                  Nr. 36 März
CH-3011 Bern                               Korrektorat / Druck                            Nr. 37 Juni
                                           Diction AG, St. Gallen                         Nr. 38 November
Redaktion                                  Stämpfli AG, Bern
Claudia Zbinden (Projektleitung)                                                          Spendekarten
PD Dr. med. Franz F. Immer                                                                T 0800 570 234, info@swisstransplant.org
Charlotte Schläpfer                                                                       swisstransplant.org

                                                                                          Möchten Sie das Swisstransplant
                                                                                          Magazin lieber online anstatt
                                                                                          gedruckt erhalten?
                                                                                          Schicken Sie uns eine E-Mail an
                                                                                          magazine@swisstransplant.org.

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