Getaktete Fertigung im Werkzeugbau - Werkzeugbau Akademie
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Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2015 Günther Schuh Martin Pitsch Hagen Ziskoven Helmut Lieb Christoph Kelzenberg
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen steht mit seinen 900 Mitarbeitern weltweit als Synonym für erfolgreiche und zukunftsweisende Forschung und Innovation auf dem Gebiet der Produktionstechnik. In vier Forschungsbereichen werden sowohl grundlagenbezogene als auch an den Erfordernissen der Industrie ausgerichtete Forschungsvorhaben durchgeführt. Darüber hinaus werden praxisgerechte Lösungen zur Optimierung der Produktion erarbeitet. Das WZL deckt mit den vier Lehrstühlen Fertigungs- technik, Werkzeugmaschinen, Messtechnik und Qualität sowie Produktionssystematik sämtliche Teilgebiete der Produktionstechnik ab. Impressum Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Copyright © 2015 Autoren: Prof. Dr. Günther Schuh, Dr. Martin Pitsch, Dr. Hagen Ziskoven, Dr. Helmut Lieb, Christoph Kelzenberg ISBN: 978-3-9816802-5-6 1. Edition Werkzeugmaschinenlabor WZL der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Steinbachstrasse 19 D-52074 Aachen www.wzl.rwth-aachen.de
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2015 Günther Schuh Martin Pitsch Hagen Ziskoven Helmut Lieb Christoph Kelzenberg 5
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Inhaltsverzeichnis 1 Motivation zur Industrialisierung 1.1 Ausgangssituation im Werkzeugbau 1.2 Gestaltungsmodell für den industriellen Werkzeugbau 2 Konzept zur Taktung im Werkzeugbau 2.1 Übertragbarkeit der Taktung aus der Serienfertigung 2.2 Ablauf der Taktfertigung im Werkzeugbau 2.3 Kombination von Takt- und Werkstattfertigung 2.4 Grundlegende Vorgehensweise zur Implementierung 3 Implementierung der Taktfertigung 3.1 Schrittweise Implementierung der Taktfertigung 3.2 Vorgehensweise zur Gestaltung der Taktfertigung 3.3 Schritt 1: Definition von Taktvolumen und -linien 3.4 Schritt 2: Festlegung der Taktstationsgestaltung 3.5 Schritt 3: Bestimmung von Taktabfolge und Taktrhythmus 3.6 Schritt 4: Skalierung der Größe der Taktpaletten 4 Operative Auftragseinplanung in die Taktfertigung 4.1 Vorgehensweise zur operativen Auftragseinplanung 4.2 Schritt 1: Zuordnung der Werkzeugkomponenten 4.3 Schritt 2: Auftragseinplanung in der Taktfertigung 4.4 Schritt 3: Auftragseinplanung in der Werkstattfertigung 6
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 5 Layoutgestaltung und Ressourcen in der Taktfertigung 5.1 Vorgehensweise zur Anpassung von Layout und Ressourcen 5.2 Schritt 1: Implementierung einer Pilot-Taktlinie 5.3 Schritt 2: Kontinuierliche Erweiterung der Taktlinienanzahl 5.4 Schritt 3: Erste Anpassungen im Layout 5.5 Schritt 4: Durchgängige Segmentierung der Fertigung 6 Mitarbeitereinbindung und -motivation 6.1 Vorgehensweise zur Mitarbeitereinbindung und -motivation 6.2 Schritt 1: Kommunikation der Veränderung 6.3 Schritt 2: Definition von Verantwortlichkeiten 6.4 Schritt 3: Workshop zur Vermittlung der Grundkonzepts 6.5 Schritt 4: Mitarbeiterbegleitung bei der Einführung 6.6 Schritt 5: Kontinuierliche Weiterentwicklung 7 Zusammenfassung und Fazit 8 Literaturverzeichnis 7
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 1 Motivation zur Industrialisierung Es erscheint zunächst unmöglich bzw. sehr abläufe ermöglicht und somit zu schwierig, die mechanische Fertigung von Produktivitätssteigerungen führt. Gleichzei- Unikaten und Kleinstserien im Werkzeugbau tig können Durchlaufzeiten und Bestände zu takten. Warum sollte ausgerechnet ein gesenkt, Steuerungsaufwände minimiert aus der variantenarmen Serienproduktion und die Termintreue mithilfe einer stammendes Organisationskonzept dazu erhöhten Planbarkeit der Prozessabläufe beitragen, die Effizienz der Unikatfertigung gesteigert werden. Das Ziel für den und -montage im Werkzeugbau zu verbes- Werkzeugbau besteht in der Anpassung und sern? Der zentrale Ansatz hierfür besteht in Anwendung der Prinzipien der Lean der Ausrichtung der Fertigung am Flussprin- Production auf den Werkzeugerstellungs- zip der Lean Production, welches verschwen- prozess, um Effizienzsteigerungen in der dungsfreie und synchronisierte Fertigungs- Auftragsabwicklung zu erzielen. 1.1 Ausgangs- Die Branche Werkzeugbau zeichnet sich Werkzeuge zu kompensieren. Aber die situation im durch ein sehr variantenreiches Pro- kontinuierliche Optimierung der Werk- Werkzeugbau duktspektrum aus, da die Werkzeuge auf zeuge kann auf Dauer nicht allein dazu Basis der Kundenanforderungen individuell beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit entwickelt und hergestellt werden. Mehrere deutscher Werkzeugbaubetriebe sicherzu- Werkzeuge des gleichen Typs, wie bspw. die stellen. Hieraus resultiert ein großer Bedarf Werkzeuge der Massivumformung, die an innovativen Produktionskonzepten zur wegen ihres hohen Verschleißes in den Steigerung der Produktivität und der Pressen in erhöhtem Maße in Kleinserien flexibleren und schnelleren Erfüllung von oder als Wiederholanfertigungen hergestellt Kundenwünschen.1 werden, werden selten benötigt. Fehlende Skaleneffekte, steigende Energie- Die vorhandenen Betriebsmittel und kosten, höhere Löhne und Lohnnebenkosten Technologien im Werkzeugbau müssen bei gleichzeitig hohem Handarbeitsanteil aufgrund der Unikatfertigung flexibel für führen dazu, dass sowohl eigenständige verschiedene Fertigungsaufträge eingesetzt Werkzeugbaubetriebe als auch interne werden. Die häufigen Auftragswechsel Werkzeugbauabteilungen besonders von führen dazu, dass ein hoher Anteil der Wettbewerbern aus Niedriglohnländern Auftragsdurchlaufzeit durch Unproduktivi- bedroht sind. Daher haben die vergleichs- tät geprägt ist, bspw. durch Liege-, Such-, weise hohen Lohnkosten in Verbindung mit Rüst- und Nebenzeiten. Die hohe Varianz dem zunehmenden Wettbewerb asiatischer bedingt zudem komplexe, sich kreuzende Staaten stärkere Auswirkungen auf die Fertigungsflüsse und führt zu einer Wettbewerbsfähigkeit als in der Serienferti- intransparenten Werkzeugfertigung (siehe gung. Bislang versuchen die überwiegend Abbildung 1.1). klein- und mittelständischen deutschen Werkzeugbaubetriebe den Nachteil ihres In Verbindung mit häufigen Umpriorisie- hohen Lohnkostenanteils durch eine rungen führt die intransparente Werkzeug- überlegene Fertigungstechnologie sowie fertigung zu schlecht prognostizierbaren hohe Qualität und Produktivität der Fertigungsdurchläufen der Werkzeuge. 8
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 1.1: Typische Fertigungsflüsse im Werkzeugbau Häufig ist bereits in frühen Fertigungsstati- keit des Fortschritts der Werkzeugherstel- onen ein hoher Anstieg der Wartezeiten zu lung unzureichend. Auch die Umlaufbe- verzeichnen. Zum Zeitpunkt des Ferti- stände sind hierdurch häufig höher als gungsstarts einer Werkzeugkomponente an nötig. einer Maschine ist die jeweilige Wartezeit nicht prognostizierbar. Daher treten nicht Eine für Werkzeugbaubetriebe typische planbare Verzögerungen auf. In der Folge Zeitverteilung auf die drei zentralen ist die Planung der Fertigung häufig bereits Bestandteile der Gesamtdurchlaufzeit nach den ersten Bearbeitungsschritten Bearbeitung, Transport und Warten ist in wieder obsolet. Dieses Defizit der Planung Abbildung 1.2 dargestellt. Im Werkzeugbau muss durch intensive Steuerungsaktivitäten sind Warte- und Liegezeitanteile von bis zu ausgeglichen werden. Entsprechend 95% an der Gesamtdurchlaufzeit eines zeitaufwändig fällt die Verfolgung und Werkzeugs durch die Fertigung nicht händische Überwachung einzelner Aufträge unüblich.2 in der Fertigung aus. Die Intransparenz in der Fertigung resultiert zudem in Widersprüchen bei den lokalen Steuerungseingriffen, sodass sich ein sehr ungleichmäßiger Fertigungsdurch- lauf von Werkzeuge und Komponenten ergibt. Trotz des hohen Steuerungsauf- wands ist die Termintreue gegenüber dem Kunden aufgrund der schlechten Planbar- 1 Vgl. Schuh et al. (Strategien), 2008. 2 Vgl. Mohr (Synchronisierte Produktion), 2008, S. 3.; Vgl. Schuh et al. (Operative Exzellenz), 2010, S. 16. 9
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 1.2: Aufteilung der Gesamtdurchlaufzeit von Werkzeugen Zur nachhaltigen Sicherung ihrer Wettbe- Durchlaufzeiten und die Werkzeugqualität werbsposition müssen sich deutsche neben der Differenzierung dem Verkaufs- Werkzeugbaubetriebe daher von ihren preis der Werkzeuge relevante Differenzie- Mitbewerbern differenzieren. Nach rungsmerkmale dar (siehe Abbildung 1.3). Einschätzung von Experten aus der Branche stellen vor allem die Termintreue, geringe Abbildung 1.3: Differenzierungspotenziale im Werkzeugbau Die derzeit vorherrschende werkstattorien- Produktivität zu steigern und langfristig ihre tierte Fertigung im Werkzeugbau erschwert Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. jedoch eine Realisierung aller wichtigen Das erste zentrale Ziel eines neuen Ansatzes Differenzierungspotenziale, insbesondere zur Fertigungssteuerung und -organisation erfüllt sie die zentralen Voraussetzungen zur im Werkzeugbau ist daher die Reduktion der Verbesserung der Termintreue sowie zur Warte- und Liegezeiten im Fertigungspro- Senkung der Durchlaufzeit nicht. Den zess, da dies sowohl eine Verbesserung der deutschen Werkzeugbaubetrieben bleibt Termintreue ermöglicht, als auch zu einer daher keine Alternative als das Überdenken Senkung der Bestände führt (siehe Abbil- der vorhandenen Strukturen, um ihre dung 1.4). 10
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 1.4: Reduzierung der Wartezeiten Bisher werden Durchlaufzeitenreduzierung erzeugt, die es den fachlich sehr gut und Termintreue durch hohen manuellen ausgebildeten und teuren Mitarbeiter im Steuerungsaufwand adressiert. Aufgrund Werkzeugbau erlaubt, sich zukünftig auf der hohen Anzahl an einzelnen Fertigungs- ihre Kernaufgaben und -kompetenzen zu aufträgen wird jedoch die Leistungsfähig- konzentrieren. keit dieses Ansatzes deutlich überschritten. Eine verbesserte Termintreue bei gleichzei- Ein zweites zentrales Ziel ist daher die tiger Kompensation des hohen Steuerungs- Minimierung des Steuerungsaufwandes und Priorisierungsaufwandes kann durch mittels fester Prozessflüsse in Kombination eine Prozesssynchronisierung in der mit zuverlässig planbaren Weitergabeme- Kleinserienfertigung gewährleistet werden. chanismen (siehe Abbildung 1.5). Hier- durch wird eine höhere Transparenz Abbildung 1.5: Minimierung des Steuerungsaufwands 11
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 1.2 Gestaltungs- modell für den In der Serienfertigung haben Ansätze wie Lean Production zu revolutionären Effizienz- rung nach dem „One-Piece-Flow“ und einer maximalen Flexibilität zeigt deutliche industriellen sprüngen geführt. Durch Standardisierung, Gemeinsamkeiten zu den Anforderungen in Synchronisierung und kontinuierliche der Einzel- und Kleinstserienfertigung auf. Werkzeugbau Verbesserung konnten erhebliche Optimie- Die Übertragung der industriellen Struktu- rungspotenziale bei Beständen, Durchlauf- ren verspricht, die notwendige hohe Flexibi- zeiten und Produktivität erschlossen lität im Werkzeugbau nahezu uneinge- werden. Bisher galten die Prinzipien jedoch schränkt zu erhalten und dennoch große als unvereinbar mit der Einzel- und Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Kleinstserienfertigung. Daher findet Lean KLOTZBACH erarbeitet ein umfassendes Production bislang nur in Insellösungen Gestaltungsmodell für den industriellen Anwendung, wobei oftmals eine Beschrän- Werkzeugbau. Dieses umfasst die Kernele- kung auf eine reine Methodenanwendung zu mente der Industrialisierung (siehe beobachten ist. Die heute in der Serienferti- Abbildung 1.6).4 gung in den Vordergrund gerückte Forde- Abbildung 1.6: Gestaltungsmodell des industriellen Werkzeugbaus5 Das Gestaltungsmodell kann in drei sowie der Ausgestaltung eines entsprechen- Teilbereiche untergliedert werden. Das den Änderungsmanagements. Fundament bilden Fokussierung und Kooperation. Diese sind Voraussetzungen Um die zentralen Elemente des industriel- zur Industrialisierung des Werkzeugbaus. len Werkzeugbaus realisieren zu können, Darauf aufbauend folgt das industrielle muss eine Fokussierung des Angebotsspek- Wertschöpfungssystem, bestehend aus vier trums vorliegen. Der Werkzeugbau muss Kernelementen: Produktstandardisierung, sich in seinem Leistungsangebot auf seine Prozessstandardisierung, Fließfertigung und Kernkompetenzen konzentrieren. Nur so ist Taktung. Das Wertschöpfungssystem wird es möglich, hinsichtlich der technologi- von den administrativen, indirekten schen Ausstattung und des Knowhows Bereichen eingerahmt. Diese dienen der sowie der Effizienz der Prozessabläufe inter- Anpassung der unterstützenden Prozesse national wettbewerbsfähig zu bleiben und 12
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau seine Kunden durch innovative Ideen und Zusätzlich zur Standardisierung der Konzepte zu unterstützen. Die Fokussierung physischen Produkte ist eine Prozessstan- des internen Leistungsspektrums ist um eine dardisierung erstrebenswert, die mittels außerbetriebliche Kooperation zu ergän- einer Reduktion der hohen Anzahl zen. Kooperationen bieten die Möglichkeit, unterschiedlicher Prozessfolgen weitere das bestehende Leistungsspektrum um Potenziale zur Produktivitätssteigerung Werkzeugkomponenten außerhalb des bietet. Der ungeordnete Materialfluss im eigenen Fokus zu erweitern. Durch den Werkzeugbau ist im Zuge der Industrialisie- Einbezug von Kooperationspartnern, die rung neu anzuordnen, um einen klaren sich auf andere Komponenten fokussieren, Wertschöpfungsfluss zu erzeugen. Eine können Werkzeugkomponenten günstiger bessere Planung anhand eines an Hauptpro- als bei einer Eigenfertigung beschafft zessflüssen orientierten Durchlaufs der werden. Gezielte Kooperationen können Werkzeuge hingegen legt die Basis für somit für beide Seiten zu einer Steigerung schnellere Durchlaufzeiten, einen ver- der Wettbewerbsfähigkeit beitragen.6 gleichsweise ungestörteren Prozessablauf und eine höhere Termintreue der Ausliefe- Für die Industrialisierung des Werkzeugbaus rung. ist es erforderlich ein Wertschöpfungssystem zu definieren, das einen Handlungsrahmen Die Königsdisziplin der Industrialisierung angibt. im Werkzeugbau stellt die Überführung der Fließfertigung, der standardisierten Das erste Kernelement industrieller Hauptprozessfolgen der Einzelkomponen- Wertschöpfung ist die Produktstandardi- ten, in ein Fertigungssystem mit festen sierung. Eine gezielte Modularisierung und Fertigungszeitfenstern und Übergabezeit- Standardisierung der Werkzeugkomponen- punkten dar. Obwohl solch eine Taktung ten bietet großes Potenzial zur Reduktion aufgrund der großen Heterogenität der der internen Aufwände entlang der Produktkomponenten bislang als unmög- gesamten Prozesskette. Eine gezielte lich angesehen wurde, belegen erfolgreiche Minimierung der Variantenvielfalt schafft Praxisbeispiele, dass eine getaktete die Basis für einen Werkzeugbaukasten und Produktion von Werkzeugkomponenten die Ausgestaltung einer einheitlichen grundsätzlich möglich ist. In Praxisbeispie- Konstruktionslogik. Innerhalb des Baukas- len konnten angestrebte Potenziale tens können einerseits Standardkomponen- hinsichtlich der Reduktion von Durchlauf- ten oder -module Verwendung finden, zeiten und Beständen, Minimierung des andererseits aber auch Freiräume für enormen Steuerungsaufwands sowie spezifische Kundenprobleme geschaffen wer- Erhöhung der Termintreue erreicht werden. den. Ein solcher Baukasten schränkt die Kreativität der Konstrukteure nicht ein, sondern fokussiert diese auf die zentralen Herausforderungen.7 Mögliche Ausprägun- gen können standardisierte Einzelkompo- nenten oder aber standardisierte, gehärtete Rohlinge sein. 4 Vgl. Klotzbach (Gestaltungsmodell), 2006, S. 180ff. 5 Vgl. Klotzbach (Gestaltungsmodell), 2006, S. 181. 6 Vgl. Schleyer (Kooperationsmanagement), 2006, S. 120ff. 7 Vgl. Klotzbach (Gestaltungsmodell), 2007, S. 194. 13
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2 Konzept zur Tak- tung im Werkzeugbau Die Ausgangssituation des Werkzeugbaus Beschreibung der Probleme bei der Übertra- und die Grundlagen des sich derzeit in der gung der Taktung aus der Serienfertigung Branche vollziehenden Wandels von der sowie die notwendige Anpassung des traditionellen, handwerklichen Werkzeug- Taktprinzips an die Rahmenbedingungen fertigung hin zu einer industrialisierten im Werkzeugbau. Abschließend wird eine Produktion wurden im vorherigen Kapitel Vorgehensweise zur Implementierung einer erläutert. Im folgenden Kapitel wird das im getakteten Fertigung im Werkzeugbau Fokus dieses Handlungsleitfadens stehende anhand eines Beispiels beschrieben. Diese Prinzip der werkzeugbauspezifischen dient als Grundlage für die Umsetzung im Taktung erläutert. Hierzu erfolgen eine eigenen Betrieb. 2.1 Übertrag- barkeit der Die Übertragung des Fertigungskonzepts der phie und der Serienproduktion stammen- Serienproduktion auf den Werkzeugbau den Konzept erforderlich gewesen. Taktung aus der stellt eine große Herausforderung dar. Der Während viele Aspekte und Methoden der Serienfertigung zentrale Ansatz hierfür besteht in der Lean Production bereits erfolgreich aus der Ausrichtung der Werkzeugfertigung am Serienproduktion in die Einzel- und Flussprinzip. Dieses ermöglicht es, auf die Kleinstserienfertigung übernommen bislang hauptsächlich händische und von werden, ergeben sich etliche Herausforde- häufigen Umpriorisierungen geprägte rungen bei der Übertragung von Flussprin- Steuerung zu verzichten und die Planbarkeit zip und Taktfertigung. Letztere ist jedoch der Prozessabläufe zu erhöhen. Gleichzeitig ein fundamentaler Baustein zur Realisie- kann der Bearbeitungszeitanteil an der rung dieser Potenziale. Der vorliegende Gesamtdurchlaufzeit der Werkzeuge erhöht Handlungsleitfaden wurde im Rahmen der werden, welcher heute meist lediglich Ergebnisse des Forschungsprojekts zwischen 1% bis 5% liegt und ein umfang- InSynchroPro entwickelt. Dessen Zielset- reiches Steigerungspotenzial bietet. zung ist ein Konzept zur Implementierung der Taktung im eigenen Unternehmen, um Die Realisierung dieser Ziele in Partnerun- die Wettbewerbsfähigkeit im internationa- ternehmen innerhalb des Forschungspro- len Konkurrenzkampf zu erhalten und jekts InSynchroPro8 hat gezeigt, dass die auszubauen. Die bestehenden Unterschiede Vorteile einer getakteten Fertigung grund- hinsichtlich gefertigter Stückzahlen und sätzlich in Einklang mit den spezifischen Produktvarianz zwischen den einzelnen Anforderungen des Werkzeugbaus gebracht Werkzeugbaubetrieben werden durch eine werden können. Hierfür sind zahlreiche unternehmensspezifisch konfigurierbare Anpassungen an dem aus der Lean-Philoso- Gestaltung der Taktfertigung berücksichtigt. 8 IGF-Vorhaben 16498 N, „Industrialisierung und Synchronisierung von Produktionsprozessen im Werkzeugbau der Massivumformbranche“. 14
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Ähnlich der Serienfertigung sieht die gleichmäßiger Rhythmus einzelner Taktung im Werkzeugbau einen gleichmäßi- Werkzeugkomponenten aufgrund der sehr gen Durchlauf der Werkzeuge durch die unterschiedlichen Bearbeitungszeiten zu Fertigung vor. In der Serienfertigung großen Leerzeiten (siehe Abbildung 2.1). wandern die Produkte einzeln über die Um dennoch einen gleichmäßigen, verschiedenen Bearbeitungsstationen. Ein getakteten Durchlauf der Werkzeugkompo- gleichmäßiger Rhythmus wird durch die nur nenten durch die Fertigung zu ermöglichen, marginal unterschiedlichen Bearbeitungszei- werden mehrere Werkzeugkomponenten ten der Produkte an jeder Taktstation ermög- innerhalb eines Taktes bearbeitet. licht. Im Werkzeugbau hingegen führt ein Abbildung 2.1: Bearbeitungsinhalte pro Takt Um einen gemeinsamen Weitertransport zu gewährleisten, ist der Einsatz von Transport- behältnissen notwendig. Hierzu eignen sich Holz- oder Metallpaletten, da der Transport im Werkzeugbau meist mit Hubwagen erfolgt. Da gegebenenfalls nicht alle Werkzeugkomponenten auf eine Holzpalette passen, hat sich für die Zusammenstellung der gemeinsam in einem Takt zu bearbeiten- den Werkzeugkomponenten der Begriff „Taktpalette“ bewährt. 15
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2.2 Ablauf der Taktfertigung im Das Taktungskonzept und die einhergehen- den Vorteile gegenüber der bisherigen aufwand – zum einen durch Kartenlesen und zum anderen durch ständige Neuberech- Werkzeugbau werkstattorientierten Fertigung im Werk- nung der Ankunftszeit sowie der Umorgani- zeugbau können mithilfe von Fallbeispielen sation von Folgeterminen. Übertragen auf aus dem Alltag veranschaulicht werden. die Werkzeugfertigung bedeutet dies einen Die bisherige, traditionelle Fertigung im hohen Umplanungsaufwand.9 Werkzeugbau entspricht dabei einer Autofahrt. Wie die Fahrt mit dem Auto ist Die Taktung hingegen bietet den Vorteil auch die auftragsindividuelle Fertigung im konstanter und transparenter Durchlaufzei- Werkzeugbau bei ausreichender Ressourcen- ten. Ihr Ablauf kann mit dem Fahrplan einer kapazität sehr schnell und hinsichtlich der S-Bahnlinie verglichen werden (siehe benutzten Wege bzw. Ressourcen äußerst Abbildung 2.2). Die Werkzeuge werden auf flexibel. Im Falle von auftretenden Staus diese Weise zuverlässig zum definierten verlängert sich die Fahrtzeit und die Endtermin fertiggestellt, sodass der planmäßige Ankunftszeit kann nicht Werkzeugbau seine Termintreue deutlich eingehaltenwerden. Analog dazu kann sich steigern kann. Die Einführung von getakte- die Durchlaufzeit aufgrund von unvorherge- ten Fertigungslinien schafft somit eine sehenen Kapazitätsengpässen verlängern und wesentlich höhere Transparenz über den somit zu unvorhersehbaren Fertigstellungs- Werkzeugdurchlauf sowie den Bearbeitungs- terminen führen. Zudem erfordert die fortschritt und dadurch nicht zuletzt eine individuelle Fahrt einen hohen Steuerungs- höhere Planbarkeit. Abbildung 2.2: Vergleich S-Bahnfahrplan und Taktfertigungsstationen Aufgrund der festen Einplanung der Einstieg in die S-Bahn bzw. der Einlastung Taktfertigung in Verbindung mit einer des Werkzeuges auf die Taktpalette bis zur regelmäßigen Weiterleitung der Taktpaletten Ankunft bzw. Fertigstellung kein Eingriff können Kapazitätsengpässe vermieden mehr erforderlich. Dies garantiert, dass werden. Der hohe manuelle Steuerungs- und sich die hochbezahlten Mitarbeiter auf ihre Planungsaufwand beschränkt sich folglich Kerntätigkeiten konzentrieren können und auf ein Minimum. Im Regelfall ist nach dem somit maximal wertschöpfend tätig sind. 9 Vgl. Hinsel (Synchrone Fließfertigung), 2008, S. 13ff. 16
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Die Taktpaletten werden am Taktende stets Die Zusammenstellung der Taktpaletten zur nächsten Bearbeitungsstation weitergelei- wird im Zuge ihres Taktliniendurchlaufs tet, sodass ein rhythmischer Fluss der entlang der verschiedenen Stationen nicht Taktpaletten durch den Werkzeugbau mehr geändert. Das Ein- und Ausschleusen entsteht (siehe Abbildung 2.3). Die optimale von einzelnen Werkzeugkomponenten ist Taktdauer ist nicht allgemeingültig festgelegt nicht vorgesehen. Dies würde nicht nur den und muss unternehmensspezifisch erfolgen. Planungsaufwand deutlich erhöhen, sondern Sie erlaubt eine individuelle Anpassung des auch die gleichmäßige Weiterleitung der Taktungsgrundkonzepts an die jeweiligen Taktpaletten stören und somit die Transpa- Rahmenbedingungen des Werkzeugbaube- renz der Taktung reduzieren. Außerdem triebs. würde die Anfälligkeit für Störungen erhöht und die für eine Taktung notwendige Prozesssicherheit verringert. Abbildung 2.3: Beispielhafter Durchlauf der Taktpaletten durch die Taktfertigung In der werkzeugbauspezifischen Taktung gung erheblich sinken. Dies kann vor allem müssen geringe Wartezeiten für diejenigen damit begründet werden, dass der Bearbei- Werkzeugkomponenten in Kauf genommen tungszeitanteil im Werkzeugbau mit werden, die sich an der jeweiligen Taktsta- Werkstattfertigung in der Regel bei 1% bis tion nicht in Bearbeitung befinden. Deshalb 5% der Durchlaufzeit liegt.10 kann die theoretisch minimale Durchlaufzeit nie erreicht werden. Dennoch zeigen alle bisherigen Praxiserfahrungen, dass die Durchlaufzeiten der Werkzeugkomponenten gegenüber der zuvor üblichen Werkstattferti- 10 Vgl. Mohr (Synchronisierte Produktion), 2008, S. 3. 17
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2.3 Kombination von Takt- und Eine getaktete Werkzeugherstellung ist in den meisten Anwendungsfällen nicht für das steht, eine vollständige Umstellung auf Taktfertigung. In einem solchem Fall sind Werkstattferti- gesamte Werkzeugkomponentenspektrum aufgrund der hohen entstehenden Kosten für umsetzbar. Allerdings belegen erste Praxisbei- den Kunden des Werkzeugbaus keine gung spiele, dass es auch im Werkzeugbau gelingen Wartezeiten auf der Taktlinie akzeptabel. kann, deutlich über 75% aller Einzelkompo- Daher sollte der Großteil der Aufträge nenten im Takt zu fertigen. Gleichzeitig kann mittels ähnlicher Bearbeitungsfolgen im Takt festgehalten werden, dass bereits die Taktung hergestellt werden, während die Bearbeitung von ca. 30% der Einzelkomponenten zu der restlichen Aufträge in der Werkstattferti- erheblichen Vorteilen im Ablauf und zu einer gung mit flexiblen Arbeitsgangfolgen erfolgt. Steigerung der Produktivität führt. Im Regelfall werden Takt- und Werkstattfer- Die notwendige Flexibilität der Fertigung ist tigung parallel betrieben und müssen über eine Kombination von im Takt und aufeinander abgestimmt werden (siehe innerhalb einer traditionell üblichen Abbildung 2.4). Diese Abstimmung erhält Werkstattfertigung gefertigten Werkzeug- insbesondere dann eine hohe Relevanz, komponenten zu erreichen. Dies resultiert wenn Takt- und Werkstattfertigung auf aus den unterschiedlichen Bearbeitungsfol- gleiche Ressourcen zurückgreifen. Ein gen der Werkzeugkomponenten, die nicht solches Vorgehen ist immer dann zweckmä- immer eine eigene Taktlinie auslasten ßig, wenn die jeweilige Maschine durch können. Außerdem erschweren Eilaufträgen, Takt- bzw. Werkstattfertigung nicht die sich beispielsweise dann ergeben, wenn vollständig ausgelastet werden kann. das in der Endkundenteilproduktion befindliche Werkzeug unerwartet zerstört wurde und die gesamte Produktionsanlage Abbildung 2.4: Kombination von Takt- und Werkstattfertigung 18
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 2.4 Grundlegende Nach der Beschreibung des werkzeugbauspe- zifischen Taktungsprinzips und der damit Werkzeugbau nach KLOTZBACH. Dieser zeigt im Detail aber eine stärkere Fokussie- Vorgehensweise angestrebten Produktivitätssteigerungen wird rung auf die Realisierung einer getakteten zur Implemen- im Folgenden eine generische Vorgehens- Fertigung. Die abgebildete Vorgehensweise weise zur Implementierung der Taktfertigung bildet zugleich die Struktur für die folgenden tierung im eigenen Unternehmen vorgestellt (siehe Kapitel dieses Handlungsleitfadens, welche Abbildung 2.5). Die Vorgehensweise zur grundsätzlich der Chronologie eines Projekts Implementierung der Taktfertigung basiert zur Implementierung der Taktfertigung im grundsätzlich auf dem ganzheitlichen Werkzeugbau entspricht. Gestaltungsmodell für einen industriellen Abbildung 2.5: Vorgehensweise und Zeitplan zur Implementierung Ausgangspunkt für die Realisierung einer Taktfertigung nur bei häufig vorkommenden getakteten Fertigung im Werkzeugbau ist Prozessfolgen wirtschaftlich eingesetzt zunächst die Bildung eines Projektteams und werden kann. die Vergabe von Verantwortungsbereichen im Rahmen des Projektstarts und -koordi- Die Produktstandardisierung als zweiter nation. Wichtig ist hierbei sowie im weiteren inhaltlicher Baustein erleichtert die Projektverlauf eine frühzeitige Kommunika- Realisierung einer getakteten Fertigung, ist tion der Veränderungen und deren Motiva- jedoch keine notwendige Voraussetzung. Sie tion gegenüber den jeweils betroffenen sollte zu Beginn der Implementierung einer Mitarbeitern. Diese sollten intensiv in die getakteten Fertigung durchgeführt werden Erarbeitung der Taktfertigung und der und liefert ohnehin einen wichtigen Beitrag vorgelagerten Schritte eingebunden werden. zur Wettbewerbsfähigkeit des Unterneh- mens. Allerdings erfährt der Start der Den ersten inhaltlichen Baustein stellt die Taktfertigung eine höhere Priorität als eine Fokussierung des Betrachtungsbereichs abgeschlossene Produktstandardisierung auf die Kernkompetenzen und -prozesse des und sollte keinesfalls verzögert werden. Es jeweiligen Werkzeugbaubetriebs dar, da eine ist nicht erforderlich die komplexe und 19
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau zeitintensive Produktstandardisierung vor im eigenen Betrieb im Vorfeld der Implemen- Einführung der Taktung abzuschließen. Das tierung erforderlich. Daher hat es sich als Vorgehen zur Produktstandardisierung ist in erfolgreich erwiesen, neben Schulungen und der Regel iterativ, da eine sukzessive Lernspielen die Taktung zunächst in einem Betrachtung der einzelnen Werkzeugtypen Pilotbereich umzusetzen. Dadurch können erfolgt. grundlegenden Zweifel an der Vereinbarkeit der Taktfertigung mit der Einzel- und Den dritten Baustein bei der Implementie- Kleinstserienfertigung im Werkzeugbau rung einer getakteten Fertigung bildet die ausgeräumt werden. Prozessstandardisierung. Die zahlreichen bestehenden Prozessfolgen in der Fertigung Den fünften Baustein bildet die Implemen- werden hinsichtlich ähnlicher Prozessschritte tierung der Pilot-Taktlinie. Um den untersucht und Hauptprozessfolgen Aufwand hierfür zu begrenzen und eine identifiziert. Anschließend erfolgt eine schnelle Umsetzung zu ermöglichen, sollten Anpassung der übrigen Prozessfolgen an die noch keine Veränderungen am Werkzeug- identifizierten Hauptprozessfolgen, soweit baulayout vorgenommen werden. Die dies technisch möglich ist. Dieses Vorgehen Pilot-Taktlinie wird daher im bestehenden führt zu einer Verringerung der Prozessfol- Layout realisiert. Daher kommt der genvarianz und erzeugt die der Taktung Visualisierung der Taktlinie, deren Taktstati- zugrunde liegende Fließfertigung. onen sowie den Taktpaletten und deren Stellflächen eine hohe Bedeutung zu. Der vierte Baustein ist die Gestaltung der Taktfertigung. Diese schließt sich unmittel- Im sechsten Baustein erfolgt schließlich der bar an die Prozessstandardisierung an und Ausbau der Taktfertigung. Hierzu wird die wird mehrfach durchlaufen. Die Begründung Vorgehensweise zur Gestaltung, gegebenen- hierfür liegt in den großen Unterschieden falls nach erneuter Prozessstandardisierung, zwischen der bislang im Werkzeugbau für zusätzliche Taktlinien durchlaufen. üblichen Werkstattfertigung und der zu Durch eine sukzessive Etablierung zusätzli- implementierenden Taktfertigung. Um den cher Taktlinien ergibt sich eine Erhöhung der Mitarbeitern ein Umdenken zu erleichtern Anzahl der Werkzeugkomponenten, die über und die Motivation für die Veränderung zu die Taktlinien gefertigt werden kann, sodass verdeutlichen, ist eine praktische Erfahrung der Anteil der Taktfertigung am gesamten Fertigungsvolumen stetig ausgebaut wird. 20
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 3 Implementierung der Taktfertigung Im Rahmen dieses Kapitels wird der Schritt Taktstationsgestaltung, Taktfolge/-rhyth- zur Implementierung und Gestaltung der mus und Taktpalettenskalierung. Im Taktfertigung adressiert. Dies geschieht Folgenden wird zunächst eine erfolgreich nach erfolgreicher Standardisierung der getestete Strategie zur Implementierung der Fertigungsprozesse im Werkzeugbau. Diese Taktfertigung im Werkzeugbau vorgestellt. ist auf die besonderen Charakteristika der Anschließend werden die unterschiedlichen Einzel- und Kleinstserienfertigung angepasst Ausprägungsoptionen der Gestaltungspara- und basiert auf der unternehmensspezifi- meter detailliert beschrieben und eine schen Gestaltung der fünf Parameter schrittweise Vorgehensweise bezüglich Taktungspotenzial, Taktlinienanzahl, ihrer Anpassung präsentiert. 3.1 Schrittweise Um die Einführung der für den Werkzeug- und der Anteil an der Gesamtfertigung Implementierung bau bislang unüblichen Taktfertigung zu schrittweise erhöht werden (siehe Abbil- erleichtern, bietet sich die Einführung einer dung 3.1). der Taktfertigung Pilot-Taktlinie an. Die Pilot-Taktlinie unterstützt maßgeblich das notwendige Die Gestaltung der Taktfertigung ist Umdenken der Mitarbeiter, da Werkstattfer- abhängig von den Rahmenbedingungen im tigung und Taktfertigung sowie deren jeweiligen Werkzeugbaubetrieb und erfolgt Auswirkungen im eigenen Betrieb unmittel- daher unternehmensspezifisch. Diese bar gegenübergestellt werden können. Erst unternehmensspezifische Gestaltung der wenn die Pilot-Taktlinie ihre Leistungsfähig- Taktfertigung ist einerseits Grundlage für keit unter Beweis gestellt hat, sollte ein eine erfolgreiche Anwendung in den kontinuierlicher Ausbau der Taktfertigung unterschiedlichen Werkzeugbaubetrieben, erfolgen. erschwert aber andererseits eine allgemein- gültige Beschreibung der Vorgehensweise Da für die Einführung einer Pilot-Taktlinie zur Implementierung. Daher beschränkt zunächst keine Anpassungen im Layout sich der vorliegende Handlungsleitfaden erforderlich sind, ermöglicht eine Pilot-Takt- auf die stets gleiche Abfolge der erforderli- linie eine sehr schnelle Realisierung der chen Schritte zur Implementierung der taktungsspezifischen Vorteile wie die Taktfertigung. Die Bestimmung eines Senkung des Steuerungsaufwands, einen Optimums der Gestaltungsparameter ist gleichmäßigen Fertigungsfluss oder erhöhte nicht möglich. Vielmehr werden Beispiele für Planbarkeit und Termintreue. Allerdings verschiedene Ausprägungen der Gestal- bedarf es einer Anlaufzeit, bis die beschrie- tungsparameter genannt. Diese sollen zu benen Vorteile ersichtlich sind. Im Rahmen einem besseren Verständnis beitragen und einer mehrfachen Durchführung der zu Ideen anregen. Die Ausprägungen der Vorgehensweise zur Gestaltung und Gestaltungsparameter können unterneh- Implementierung der Taktfertigung kann mensindividuell abweichen, ohne eine diese anschließend stufenweise ausgebaut wertende Aussage zu treffen. 21
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 3.1: Iteratives Vorgehen zum Ausbau der Takfertigung Die wichtigsten Einflussfaktoren, die im Zuge einer Implementierung der Taktferti- gung berücksichtigt werden müssen, sowie die durch die Taktfertigung primär beein- flussten Kenngrößen der Fertigung stellt Abbildung 3.2 dar. Abbildung 3.2: Einflussfaktoren und resultierende Kenngrößen der Taktfertigung 22
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abhängig von den bestehenden Rahmenbe- Die genannten Fertigungskenngrößen dingungen und Einflussfaktoren ist ein korrelieren teilweise und beeinflussen sich unternehmensspezifisches Taktungskonzept in der Regel positiv. Ihre Optimierung hängt zu erarbeiten. Dessen Gestaltung hat von der jeweiligen Ausprägung der Gestal- zentralen Einfluss auf die Güte der tungsparameter der Taktfertigung ab. Kenngrößen in der Fertigung. Grundsätz- Abbildung 3.3 zeigt eine Übersicht der fünf lich ermöglicht die Taktfertigung eine Gestaltungsparameter und deren Extre- deutliche Verbesserung der Termintreue mausprägungen. Eine detaillierte Erläute- sowie eine Reduktion von Durchlaufzeiten rung der Gestaltungsparameter findet sich in und Umlaufbeständen. Die gleichmäßige, den folgenden Unterkapiteln. Zuvor wird im festen Rhythmus erfolgende Weiterlei- jedoch die grundlegende Vorgehensweise tung der Taktpaletten führt außerdem zu zur Gestaltung der Taktfertigung vorgestellt. einem minimalen Steuerungsaufwand und Diese beinhaltet eine schrittweise Festlegung ist mit einer erheblich verbesserten der einzelnen Gestaltungsparameter. Planbarkeit verbunden. Auch die Produkti- vität der Maschinen kann durch verringerte Such- und Abstimmtätigkeiten erhöht werden. Abbildung 3.3: Gestaltungsparameter der Taktfertigung11 11 Vgl. Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 101. 23
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 3.2 Vorgehens- weise zur Es wurde ein mehrstufiges Vorgehen zur Gestaltung und Implementierung der Im ersten Schritt werden der Anteil der im Takt gefertigten Teile am Gesamtprodukti- Gestaltung der Taktfertigung entwickelt, welches einen onsvolumen bestimmt und die Taktlinien Leitfaden für die Realisierung in der definiert. Die Identifizierung der richtigen Taktfertigung Unternehmenspraxis darstellt (siehe Hauptprozessfolge dient dabei als Abbildung 3.4). Ausgangsbasis für die weiteren Schritte. Abbildung 3.4: Vorgehensweise zur Gestaltung und Implementierung der Taktung Stehen die einzelnen Bearbeitungsoperatio- Innerhalb des vierten Schrittes wird die nen der Taktlinie fest, sind diese im zweiten Taktpalettengröße skaliert. Während Schritt den Taktstationen zuzuordnen. Taktpaletten mit einer geringen Gesamtbe- Hierbei kann in der Dimensionierung arbeitungszeit eine kürzere Gesamtdurch- zwischen einer Bearbeitungsoperation je laufzeit ermöglichen, erleichtern Taktpalet- Taktstation und mehreren Bearbeitungsstati- ten mit einer höheren onen an einer Taktstation unterschieden Gesamtbearbeitungszeit hingegen eine werden. Im dritten Schritt erfolgt die bessere Nivellierung der einzelnen Bestimmung der Taktabfolge und des Bearbeitungszeit je Werkstück. Somit Taktrhythmus. Dieser definiert den Weiter- ermöglichen sie eine bessere Auslastung der leitungsrhythmus der Taktpaletten und Ressourcen. Hier gilt es den bestmöglichen bestimmt den Umfang der Werkstattferti- Kompromiss für das Unternehmen zu gung auf den Maschinen innerhalb der finden. Im Folgenden werden die vier vorge- Taktlinie. Eine solche Kombinationsnutzung stellten Schritte zur Gestaltung und ist im Werkzeugbau dann zweckmäßig, Implementierung der Taktung vorgestellt. wenn weder Takt-, noch Werkstattfertigung alleine eine ausreichende Auslastung der entsprechenden Maschinen erzielen können. 3.3 Schritt 1: Definition von Bevor eine detaillierte Beschreibung der form der Gestaltungsparameter zu einzelnen Gestaltungsparameter und deren erläutern. Der Wertebereich jedes einzelnen Taktvolumen und unternehmensspezifische Ausprägungen Gestaltungsparameters spannt sich erfolgen kann, ist zunächst das Verständnis zwischen zwei Extremwerten auf. Diesen -linien des Wertebereichs und der Darstellungs- Extremwerten ist jedoch keine inhaltliche 24
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Wertung zugeordnet. Es gilt daher nicht, schlechter ist. Vielmehr gilt es, die für das dass eine Positionierung weiter rechts oder jeweilige Unternehmen optimale Positionie- links auf der jeweiligen Skala besser oder rung zu identifizieren (siehe Abbildung 3.5). Abbildung 3.5: Darstellung des Wertebereichs der Gestaltungsparameter Die Bestimmung des Taktvolumens und die und Taktlinienanzahl. Das Taktungspoten- Definition der Taktlinien im ersten Schritt zial beschreibt den Anteil der Taktfertigung der Vorgehensweise fokussiert zwei am Gesamtproduktionsvolumen des inhaltlich miteinander verbundene Werkzeugbaus (siehe Abbildung 3.6). Die Gestaltungsparameter: Taktungspotenzial Taktlinienanzahl hingegen legt fest, über wie viele Taktlinien für die Bearbeitung des zu taktenden Produktionsvolumens erfolgen soll. Abbildung 3.6: Gestaltungsparameter 1 - Taktungspotenzial12 Beim Taktungspotenzial muss zwischen Werkzeugbau wird der unternehmensspezi- dem bisher realisierten Taktungsanteil und fisch maximal mögliche Taktungsanteil in dem unternehmensspezifisch maximal der Regel nicht der theoretisch maximal möglichen Taktungsanteil unterschieden möglichen Taktung entsprechen. Dies ist werden (siehe Abbildung 3.7). Letzterer aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbe- kann als Zielwert für die zukünftige dingungen nicht problematisch und ist nicht Erweiterung der Taktfertigung dienen, um zwangsläufig anzustreben. Beispielsweise eine Optimierung von Durchlaufzeiten, kann die Produktion von Einzelkomponenten Beständen, Steuerungsaufwand und mit gegenüber den Taktlinien grundsätzlich Planbarkeit zu gewährleisten.13 Aufgrund unterschiedlichen Fertigungsschritten aus der Einzel- und Kleinstserienfertigung im Gründen des Knowhow-Schutzes sinnvoll sein und einer Taktung entgegenstehen. 12 Vgl. Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 98. 13 Eine besonders wichtige Unterstützung einer Erhöhung des Taktungspotenzials bietet die in Kapitel 2 beschriebene Fokussierung und Kooperation. 25
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 3.7: Aktueller und betriebsspezifisch maximal möglicher Taktungsanteil Bei der Festlegung der Ausprägung des Taktfertigung integriert werden, bei denen Taktungspotenzials hängt das optimale eine Umsetzung der Taktfertigung deutlich Verhältnis zwischen Takt- und verbleibender schwieriger erscheint.14 Werkstattfertigung vom jeweiligen Werk- zeugbaubetrieb und dessen Produkt- und Den zweiten Gestaltungsparameter bildet Technologiespektrum ab. Für die Einführung die Taktlinienanzahl (siehe Abbildung 3.8). einer Pilot-Taktlinie kann bereits ein Es empfiehlt sich, bei der Ausprägung dieses Taktungsanteil von 20% als erste Stufe zur Gestaltungsparameters zunächst mit einer Einführung der Taktfertigung ausreichend einzelnen Pilot-Taktlinie zu starten. Für den sein. Wichtiger für die Pilot-Taktlinie ist Fall der gleichzeitigen Definition und insbesondere die Eignung der Werkstücke Implementierung mehrerer Taktlinien ist für eine Taktfertigung, damit die Pilot-Taktli- eine sequentielle Betrachtung der Taktlinien nie möglichst schnell und erfolgreich hinsichtlich der Ausprägung ihrer Gestal- implementiert werden kann. Anschließend tungsparameter erforderlich. Die Ausprä- können auf Basis der gesammelten Erfah- gung der Gestaltungsparameter kann dabei rungen auch weitere Werkstücke in die unterschiedlich dimensioniert werden. Abbildung 3.8: Gestaltungsparameter 2 - Taktlinienanzahl Ausgangsbasis für die Definition einer Reihenfolge der einzelnen Bearbeitungs- Taktlinie sind die während der Prozessstan- operationen ist nicht zulässig, da hierdurch dardisierung identifizierten Hauptprozess- der gleichmäßige Rhythmus des getakteten folgen (siehe Abbildung 3.9). Die ausge- Ablaufs nachhaltig gestört wird und die wählte Hauptprozessfolge gibt die angestrebten Vorteile der Taktfertigung Bearbeitungsfolge der Taktlinie vor. Diese nicht realisierbar sind. Bearbeitungsfolge stellt für alle auf der Taktlinie zu fertigenden Werkzeugkompo- Es besteht die Möglichkeit, dass ebenfalls nenten eine Vorgabe dar. Eine Änderung der Werkzeugkomponenten die Taktlinie 26
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau durchlaufen, die nicht an jeder Taktstation bewahren. Die hierbei entstehenden bearbeitet werden müssen. Diese Werk- Liege- und Wartezeiten auf den Taktpaletten zeugkomponenten bleiben an der jeweili- unterschreiten in allen bekannten Praxisbei- gen Taktstation unbearbeitet auf der spielen deutlich die Liege- und Wartezeitan- Taktpalette liegen. Ein Überholen von teile der Werkstattfertigung. Die Identifika- anderen Werkzeugkomponenten ist nicht tion dieser Liege- und Wartezeiten vorgesehen, um die Zusammenstellung der verdeutlicht die hohe Transparenz der Taktpaletten über den gesamten Durchlauf Taktfertigung. Hierdurch werden Verbesse- nicht zu verändern und somit die Gleichmä- rungspotenziale aufgezeigt und können ßigkeit des Fertigungsfortschritts zu kontinuierlich adressiert werden. Abbildung 3.9: Auswahl einer Hauptprozessfolge als Basis der Taktlinie Aufgrund der Bündelung verschiedener können, kann aber auch den Nutzungsgrad Prozessfolgen zu einer Hauptprozessfolge der ersten bzw. letzten Taktstation reduzie- ergeben sich durch die verschiedenen ren. Daher kann es sinnvoll sein, die Werkzeugkomponenten unterschiedliche Taktlinie auf einen Teil der Hauptprozess- Nutzungsgrade der verschiedenen Taktsta- folge zu beschränken (siehe Abbildung tionen entlang der Taktlinie. Dies erhöht 3.10), um hohe Liegezeiten von Werkzeug- zwar die Anzahl der Werkstücke, die auf der komponenten an der ersten bzw. letzten jeweiligen Taktlinie gefertigt werden Taktstation zu vermeiden. 14 Eine Vertiefung zur richtigen unternehmensspezifischen Ausprägung des Gestaltungsparameters Taktungspotenzial bietet Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 109f. 27
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 3.10: Festlegung der optimalen Länge der Taktlinie Eine Längenbeschränkung eröffnet die Implementierung neuer Taktlinien. Hierbei Möglichkeit, mit einer Taktlinie zwei oder können die Taktlinien voneinander mehrere Hauptprozessfolgen durch eine unabhängig sein oder miteinander Taktlinie abzubilden, die sich nur in der gekoppelt werden. Eine solche Kopplung ersten bzw. letzten Bearbeitungsoperation stellt beispielsweise die sequentielle unterscheiden. Eine Alternative, die es Verkettung von Taktlinien dar. So erfolgt in erlaubt, zwei oder mehrere ähnliche der ersten Taktlinie die Weichbearbeitung Hauptprozessfolgen zu einer Taktlinie der Werkzeugkomponenten und in der zusammenzufassen, bietet ein sequentieller zweiten Taktlinie die Hartbearbeitung.15 Durchlauf der unterschiedlichen ersten bzw. letzten Bearbeitungsoperationen. Dadurch Eine weitere, in der Praxis existente ergibt sich jedoch eine deutlich höhere Ausbaustufe der Taktlinienimplementie- Durchlaufzeit der Taktlinie. Sind die beiden rung besteht in der Verbindung mehrere ersten Gestaltungsparameter definiert, ist der Taktlinien über einen Umladebahnhof. erste Schritt der Gestaltung abgeschlossen. Nach dem Durchlauf einer der vorgezoge- nen Taktlinien wechseln die Werkzeugkom- Ein erneuter Durchlauf der Gestaltung zum ponenten am Umladebahnhof die Taktlinie Ausbau der Taktfertigung bietet zwei zur Fertigbearbeitung. Grundsätzlich ist Optionen: Erweiterung bestehender dabei eine beliebige Kombination aus Taktlinien um zusätzliche Prozessketten und vor- und nachgelagerten Taktlinien möglich. 15 Eine Vertiefung des Ausprägungsmöglichkeiten des Gestaltungsparameters Taktlinienanzahl bietet Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 112f. 28
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 3.4 Schritt 2: Im zweiten Schritt der Gestaltung der Taktfer- tigung wird der Gestaltungsparameter Taktlinien bestimmt, andererseits erfolgt die Zuordnung der Arbeitssysteme zu den Festlegung der Taktstationsgestaltung betrachtet (siehe einzelnen Taktstationen. Taktstations- Abbildung 3.11). Hierbei wird einerseits die Anzahl der Taktstationen innerhalb der gestaltung Abbildung 3.11: Gestaltungsparameter 3 - Taktstationsgestaltung Die einfachste und gleichzeitig häufigste Für die Zusammenfassung mehrerer Variante der Taktstationsgestaltung stellt die Maschinen an einer Taktstation gibt es Zuordnung jeder einzelnen Bearbeitungsope- vielfältige Gründe. Der einfachste besteht in ration zu einer eigenen Taktstation dar. einer zu geringen Kapazität einer einzelnen Zentraler Vorteil ist die hohe Transparenz, die Maschine zur Bearbeitung aller Werkstücke, eine Einführung der Taktfertigung erleichtert was die Installation parallel arbeitender und die Auftragseinplanung vereinfacht. Eine Maschinen erfordert. Eine andere Option ist zielführende Alternative ist die Zusammen- die sequentielle Zusammenfassung fassung von zwei oder mehr Maschinen pro unterschiedlicher Bearbeitungsoperationen Taktstation. bzw. Maschinen innerhalb einer Taktstation (siehe Abbildung 3.12). Abbildung 3.12: Zuordnung der Bearbeitungsoperationen zu den Taktstationen 29
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Dies ist insbesondere immer dann zweckmä- an einer Taktstation die verfügbare ßig, wenn die Bearbeitungszeiten der Bearbeitungszeit pro Takt besser genutzt Werkzeugkomponenten an zwei oder mehr werden. So können Liegezeiten der aufeinander folgenden Arbeitssystemen in Werkzeugkomponenten und damit die Summe kleiner sind als die längste Bearbei- Gesamtdurchlaufzeit reduziert werden. tungszeit der übrigen Arbeitssysteme. Eine notwendige Vorrausetzung ist jedoch Besonders häufig wird diese Variante der die räumliche Nähe der Bearbeitungsopera- Taktstationsbildung gewählt, wenn eine tionen an der betreffenden Taktstation, um Bearbeitungsoperation nur von wenigen innerhalb des Taktes die Werkzeugkompo- Werkzeugkomponenten auf der Taktlinie nenten einer Taktpalette möglichst kompakt benötigt wird. In beiden Fällen kann durch zu halten und die Wege zu minimieren. die Zusammenfassung von zwei oder mehr Daher kann gegebenenfalls eine minimale Bearbeitungsoperationen bzw. Maschinen Layoutanpassung notwendig sein.16 3.5 Schritt 3: Bestimmung von Im dritten Schritt der Gestaltung der komponenten durch die Taktlinie bzw. den Taktfertigung erfolgt die Bestimmung des Rhythmus der Weiterleitung der Taktpalet- Taktabfolge und Gestaltungsparameters Taktabfolge/-rhyth- ten vor (siehe Abbildung 3.13). Taktrhythmus mus. Dieser Gestaltungsparameter gibt die „Durchlaufgeschwindigkeit“ der Werkzeug- Abbildung 3.13: Gestaltungsparameter 4 - Taktabfolge/-rhythmus In der Serienfertigung, dem üblichen geschlossene Taktung bezeichnet (siehe Anwendungsgebiet der Taktfertigung, Abbildung 3.14). Im Hinblick auf das werden alle Maschinen innerhalb der werkzeugbauspezifische Taktungskonzept Taktlinie ausschließlich für die Taktfertigung bedeutet die geschlossene Taktung, dass die verwendet. An jeder Taktstation steht somit Gesamtbearbeitungszeit der Taktpalette an die vollständige Zeit pro Takt für die der Taktstation dem Rhythmus ihrer Bearbeitung der getakteten Werkstücke zur Weiterleitung an die jeweils nächste Verfügung. Diese Art der Taktung wird als Taktstation entspricht. 16 Eine Vertiefung des Ausprägungsmöglichkeiten des Gestaltungsparameters Taktstationsgestaltung sowie zum Umgang mit langen Bearbeitungsoperationen bietet Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 113f. 30
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau Abbildung 3.14: Aufteilung der Bearbeitungszeit pro Takt Im Werkzeugbau stellt die geschlossene die Werkstattfertigung oder eine andere Taktung bisher die Ausnahme dar. Auf- Taktlinie zur Verfügung. Man spricht von grund der durchschnittlich geringen sich kreuzenden Taktlinien.18 Betriebsgröße innerhalb der Branche Werkzeugbau sind Investitionen in eigene Demnach ist eine definierte, prozentuale Ressourcen für die Taktfertigung bedingt Aufteilung der Zeitdauer des Taktrhythmus durch die geringe Auslastung nicht auf Taktlinien und Werkstattfertigung wirtschaftlich. Um im Werkzeugbau eine erforderlich. Dabei können sich unterschied- Taktfertigung dennoch realisieren zu liche Aufteilungen zwischen den Taktstatio- können, ermöglicht das werkzeugbauspezi- nen ergeben und die Zeitaufteilung kann fische Taktungskonzept auch dann eine flexibel an den Zeitbedarf der Taktlinie Taktfertigung, wenn nur ein Teil der angepasst werden. Dies beeinflusst die für Werkzeugkomponenten im Takt gefertigt die Werkstattfertigung zur Verfügung wird. Dieser Anwendungsfall, der eine stehende Zeit. Dadurch können Leerzeiten kombinierte Nutzung der Ressourcen durch der Maschinen vermieden werden. Gleich- Taktlinie und Werkstattfertigung vorsieht17, zeitig garantiert der feste Taktrhythmus wird als unterbrochene Taktung bezeichnet. einen gleichmäßigen und planbaren Die pro Takt verfügbare Gesamtbearbei- Bearbeitungsfortschritt. Die hohe Effizienz tungszeit ist somit kürzer als der Weiterlei- der Fertigung wird mit den variantenreichen tungsrhythmus der Taktpaletten. Die übrige Werkzeugkomponenten des Werkzeugbaus Zeit innerhalb des Taktrhythmus steht für verknüpft. 17 Siehe zur kombinierten Ressourcennutzung auch Kapitel 2.3. 18 Eine Vertiefung des Ausprägungsmöglichkeiten des Gestaltungsparameters Taktabfolge/-rhythmus sowie zu sich kreuzenden Taktlinien bietet Ziskoven (Getaktete Fertigung), 2013, S. 115f. und 184f. 31
Getaktete Fertigung im Werkzeugbau 3.6 Schritt 4: Skalierung der Nachdem zwischen geschlossener oder unterbrochener Taktung unterschieden und wird die prozentuale Aufteilung zwischen der betrachteten Taktlinie, gegebenenfalls Größe der der jeweilige Anteil am Taktrhythmus für weiteren Taktlinien und der Werkstattferti- jede Taktstruktur festgelegt wurde, sind die gung in konkrete Zeitintervalle überführt, Taktpaletten exakte Länge des Taktrhythmus sowie die für die Bearbeitung einer Taktpalette zur dessen Startzeitpunkt (Uhrzeit) zu definie- Verfügung stehen. Zudem wird der Zeit- ren. Dies geschieht durch die Taktpalettens- punkt des jeweiligen Bearbeitungsbeginns kalierung (siehe Abbildung 3.15). Dabei an den Taktstationen definiert. Abbildung 3.15: Gestaltungsparameter 5 - Taktpalettenskalierung Für die optimale Bearbeitungszeit pro Grundsätzlich ist die Skalierung der Taktpalette existiert im Werkzeugbau kein Taktpaletten bzw. die Länge des Taktrhyth- allgemeingültiger Wert. Die optimale mus so zu wählen, dass mehrere Werkzeug- Skalierung der Taktpaletten ist abhängig von komponenten pro Takt gefertigt werden der durchschnittlichen Bearbeitungszeit pro können. Dadurch wird ein guter Ausgleich Werkzeugkomponente. Aufgrund der der unterschiedlich langen Bearbeitungszei- unterschiedlichen Bearbeitungszeiten der ten ermöglicht. Je mehr Werkzeugkompo- verschiedenen Werkzeugkomponenten kann nenten pro Takt gefertigt werden, desto bei einer vorgegebenen, konstanten leichter fällt dieser Ausgleich, wobei der Gesamtbearbeitungszeit die Komponenten- Taktrhythmus proportional steigt. Anderer- anzahl pro Taktpalette variieren. Im Zuge seits steigt mit dem Taktrhythmus proporti- der Gestaltung der Taktlinien wird daher onal die Gesamtdurchlaufzeit der Taktlinie statt einer fest definierten Anzahl von an, die sich aus der Multiplikation des Werkzeugkomponenten pro Taktpalette die Taktrhythmus und der Anzahl der Taktstati- Länge des Taktrhythmus als Definitions- onen ergibt. Die Gesamtdurchlaufzeit wird größe des Gestaltungsparameters Taktpalet- durch die Vorgabe der Lieferzeiten seitens tenskalierung festgelegt. Aus der Länge des der Kunden des Werkzeugbaus nach oben Taktrhythmus, der für alle Taktstationen begrenzt. Daher ist ein Kompromiss aus gleich ist, ergibt sich spezifisch für die dem Ausgleich der Bearbeitungszeiten und Taktstation die Bearbeitungszeit für eine der Gesamtdurchlaufzeit zu finden (siehe Taktpalette. Abbildung 3.16). 32
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