BergwaldprojektJournal - Bergwaldprojekt eV
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EDITORIAL DRAUßEN Liebe Wald-Verliebte, für das Bergwaldprojekt ist ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen: Wir haben Ende letzten Jah- res gemeinsam mit der Umweltstiftung Greenpeace einen Wald gekauft. Das Gebiet ist 200 ha groß und liegt am malerischen Rennsteig-Wanderweg im Thüringer Wald bei Unterschönau. Auch in unserem Wald sind die Folgen der letzten Dürrejahre, von Klimakrise und Schädlingskalamitäten deutlich zu sehen. Dem Wald gehts nicht gut. So werden wir alle in den nächsten Jahren viel Zeit und Herzblut in das neue Projekt stecken und gemeinsam mit zahlreichen Freiwilligen auch dort die naturnahe Waldwirtschaft voranbringen. Diese Wirtschaftsweise im Einklang Unser Zukunftswald mit natürlichen Prozessen soll dann auch Vorbild sein für viele andere WaldbesitzerInnen. Wir dürfen derzeit coronabedingt keine Einsätze in Unterschönau durchführen und sehnen uns nach dem Leben in der Natur, den handfesten Arbeiten mit vielen tatkräf- tigen Menschen und dem inspirierenden Austausch und hoffen, dass wir bald wieder loslegen können. Bis Impressum oder was Wald mit Quantenphysik zu tun hat – von Hendrik von Riewel es soweit ist, soll das vorliegende Journal schonmal Lust machen auf den neuen Einsatzort in unserem Herausgeber: eigenen Wald. Wir schauen uns in diesem Zuge u. Bergwaldprojekt e.V. a. das Konzept zur naturnahen Waldbewirtschaftung Veitshöchheimer Str. 1b vor Ort an, blicken bei der Waldinventur über die 97080 Würzburg Das Bergwaldprojekt e.V. und die Umwelt- Beispiel wichtige Ökosystemleistungen wie Schulter, haben ein Interview mit Melanie Stöhr, Tel: 0931 - 45 26 26 1 stiftung Greenpeace haben Ende letzten Trinkwassergenerierung, Bodengesundheit, Vorständin der Umweltstiftung Greenpeace, zum info@bergwaldprojekt.de Jahres 200 Hektar Wald im Thüringer Wald Artenvielfalt etc., werden nicht ermittelt gemeinsamen Projekt vorbereitet und betrachten die www.bergwaldprojekt.de bei Unterschönau gekauft. Vor dem Hinter- und in den Kosten-Nutzenrechnungen nicht historischen Wälder um Unterschönau. grund der aktuellen Waldschäden wollen wir berücksichtigt, werden als kostenlos und un- Redaktion: Lena Gärtner (V. i. S. d. P.) Was ist sonst los im Bergwaldversum? Wir sind im Layout: Annegret Range versuchen, ein Modell der Waldbewirtschaf- begrenzt wiederholbar angesehen bei gleich- Februar der Gemeinwohlökonomie Bayern beigetre- Fotos (sämtliche Bildnachweise beim tung vor Ort zu etablieren, das gemeinwohl- zeitiger Ausbeutung und Zerstörung. Und ten und werden dieses Jahr beginnen, eine Gemein- Herausgeber): Matthäus Holleschovsky, fördernd und nicht gemeinwohlschädigend das, obwohl diese Ökosystemleistungen die wohl-Bilanz für den Verein zu erstellen. Mehr dazu Jan Köhl, Hendrik von Riewel und ist. Denn auch die Wirtschaft im Wald wird Lebensgrundlage für uns Menschen und un- in diesem Heft. Und dann steht im Herbst noch die Barbara Ritzkowski u. a. heute wesentlich von kapitalistischen Zielen zählige Arten auf unserem Planeten darstel- Bundestagswahl an, die einmal mehr eine Klimawahl wie Zuwachs- und Gewinnmaximierung, len und damit auch die Grundlage der Wirt- Die hier vertretenen Standpunkte sind ist, und deren Ausgang essenzielle Weichen für die die Standpunkte der AutorInnen und Arbeitseffizienz, Produktivitätssteigerung, schaft sind – mit negativen Auswirkungen Entwicklung unserer Lebensgrundlagen stellen wird. müssen nicht identisch sein mit den Marktkonkurrenz etc. bestimmt. für das Gemeinwohl. Setzen wir also wache und beherzte Kreuzchen und Ansichten unserer Mitglieder und Dabei werden in der Preisfindung von Ein Beispiel dafür ist die Holzernte mit mischen wir uns deutlich ein! FörderInnen. Zum regelmäßigen Bezug Produkten, also der Marktgleichung von schweren Maschinen. Die Zerstörung von dieser Publikation genügt es, Fördermit- Angebot und Nachfrage, vorwiegend die Boden durch diese Maschinen wird nirgend- glied zu werden: www.bergwaldprojekt. Elemente berücksichtigt, die sich monetär wo in das Produkt Holz mit eingepreist. de/foerdern. bewerten lassen. Die Werte von Gütern, die Im Gegenteil, das Produkt wird durch den Mit freundlicher Unterstützung der schwer zu bewerten sind oder als frei von hocheffizienten Ernteprozess sogar günstiger. Lena Gärtner Rolle-Stiftung. der Natur verfügbar angesehen werden, zum Vielleicht ist das Problem aber noch grund- 2 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 3
DRAUßEN Schnell wachsende Fichtenmonokulturen werden von der Klimaveränderung be- sonders hart getroffen, da sie eine geringere Resilienz als Mischwälder aufweisen. tionshiebe hatten massiven Einfluss auf den heute im Ansatz der naturnahen Waldnut- Wald. Entwaldung und Devastierung wa- zung. Damit sind wir nicht die Ersten, wie ren die Folge. Die damalige Forstwirtschaft beispielsweise das Modell im Stadtwald Lü- setzte für die Aufforstung weiter Kahlflächen beck zeigt. Auf großer Fläche durchgesetzt auf schnellwüchsige, Freiflächenklima ertra- hat sich die naturnahe Waldnutzung in gende, wirtschaftlich interessante und viel- Deutschland bisher nicht. fältig nutzbare Baumarten mit ausreichender Unser Wald, in seiner Naturferne repräsenta- Verfügbarkeit an Saat- und Pflanzgut. Im tiv für viele naturferne Wälder Deutschlands, Mittleren Thüringer Wald war das die Fich- soll ein weiteres, reproduzierbares Beispiel te. Noch heute wird das Waldbild des Mittel- für einen nachhaltigen, naturnahen Um- gebirges davon geprägt. gang mit unseren Waldökosystemen liefern. Die Wasserversorgung im Zukunftswald ist im Vergleich zu vielen anderen Standorten noch gut. Die flächige Wiederaufforstung des Thürin- So vielfältig der Wald ist, so viele Modelle ger Waldes stellt eine durchaus beachtliche und Versuche einer naturnahen Nutzung legender: Was, wenn gar nicht alle Kompo- zu den naturfernen Wäldern Deutschlands, Leistung dar. Das Problem jedoch ist ein an- bräuchte es. Zentral geht es hier um das Zu- nenten in die Preisfindung eines Produktes denn die Fichte kommt im Thüringer Wald deres und zwar die Welt- und Natursicht der lassen oder Fördern natürlich ablaufender, mit einfließen können, weil sich lebendige kaum natürlicherweise vor. Ohne mensch- damaligen Gesellschaft und ergo der Förste- Jahrmillionen alter Prozesse und der daran Systeme in ihrer Komplexität der vollstän- lichen Einfluss würde ein Buchenwald mit rInnen, die dieser zu Grunde lag. Eine Welt- gekoppelten Artenvielfalt. digen Erklärbarkeit entziehen? Aber dazu Beimischungen von Weißtanne, Bergahorn sicht, die bis heute dominiert, die die Natur später mehr. und anderen Laubhölzern die Höhenzüge als mechanisches Uhrwerk sieht, frei durch Leitlinien einer naturnahen Waldnutzung (zwischen ca. 500 bis 800 Meter über NN) den Menschen beinfluss- und formbar. Eine sind z. B.: um Unterschönau bedecken. Die Fichte ist Weltsicht, die dem Satz „Macht euch die Waldbilder Erde untertan“ entspringt. Der naturferne > Minimumprinzip bei forstlichen Maß- und war nie an die dortigen Standortsbe- Wald wird hier zum Sinnbild einer aus dieser nahmen für möglichst große Stö- Das Bergwaldprojekt setzt sich seit seinem dingungen angepasst. In der Folge der sich mechanistischen Sicht (Natur = Maschine) rungsfreiheit in naturnahen Struk- Bestehen für den Schutz und die Pflege un- klimatisch verschärfenden Rahmenbedin- resultierenden Waldwirtschaft, deren Schei- turen (Reduzierung der Eingriffsstär- serer natürlichen Lebensgrundlagen und ins- gungen (v. a. Wassermangel während der tern uns von der Natur aufgezeigt wird. ke und -frequenz) besondere für den Wald ein. Ganz wesent- Vegetationszeit) wird sie nun zunehmend > Geringere Holzerntemenge und Vor- lich werden wir dabei von dem Gedanken geschwächt, kränkelt, wird von Schädlingen Ein neues Waldbild: ratsaufbau geleitet, dass naturnahe Strukturen immer befallen und stirbt ab. Bisher zum Glück Die naturnahe Waldnutzung > Referenzflächen ohne forstliche Nut- ökologisch wertvoller, stabiler, stärker ge- noch nicht flächig wie in großen Teilen zung (Lernflächen) sowie Biotop- und meinwohlfördernd und letztlich damit auch Deutschlands bereits geschehen. Warum haben wir einen naturfernen, kran- Totholzkonzept (Förderung der Biodi- ökonomisch nachhaltiger sind als naturferne Wie bei so vielen Wäldern deutscher Mittel- ken Wald gekauft? Wir wollen den Versuch versität) Forste. Bestätigt wird diese Überzeugung gebirge ist auch die Geschichte des Thürin- wagen, ein auf einem anderen Naturver- > Einzelbaumnutzung nach Zielstärke durch das flächige Absterben vornehmlich ger Waldes grundlegend geprägt vom Ein- ständnis beruhendes Modell der Waldbewirt- ohne Kahlschläge und über Dauer- naturferner Monokulturen während der letz- setzen der Industrialisierung und dem damit schaftung zu etablieren. Ein Modell, dessen waldwirtschaft altersgemischte und ten drei Dürrejahre. rapide steigenden Holzbedarf für z. B. die Leitplanken das Ökosystem Wald vorgibt strukturreiche Wälder Tatsächlich gehört auch unser Wald mit Eisen- und Glasverhüttung. Auch die beiden und nicht primär unsere menschlichen An- > Vorrang von Naturverjüngung mit einem Flächenanteil von ca. 70 % Fichte Weltkriege und die darauffolgenden Repara- sprüche. Solcher Art Bestrebungen münden standortheimischen Baumarten 4 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 5
DRAUßEN Was demnächst zu tun ist: > Bei Fehlen entsprechender Ausgangs- bestockung Überführen naturferner und instabiler Strukturen hin zu na- Die ökologisch ausgerichtete Jagd Bau von Hordengattern ... turnahen Strukturen (z. B. Initiierung reguliert waldverträgliche Bestän- von Baumartenwechsel, auch über de von Reh- und Rotwild. künstliche Verjüngungsmethoden) > Schutz der natürlichen Ressourcen (v. a. auch Boden) bei allen Maßnah- men durch Einsatz schonender Verfah- ren und Techniken > Integrierte Förderung der Sozialfunk- tion des Waldes (z. B. Erholung, Wald- ... und Jagdeinrichtungen Ästhetik, gesundheitsfördernde Wir- kung des Waldes, Umweltbildung etc.) > Ökologisches Jagdmanagement zum Das Holzrücken mit Erhalt waldbaulich tragbarer, gesund- dem Pferd schont die er und angepasster Wildbestände sensiblen Waldböden. > Verbot des Einsatzes von Pestiziden jeglicher Art sultierende Aussagekraft über die Fauna der Jahres erhoben. Dabei wurden an festen Der Mensch als Teil der Ökosphäre kann Meere ist sehr begrenzt. Das bedeutet nicht, Aufnahmepunkten von mehreren Aufnah- dem Ökosystem Wald auch eigene, wert- dass Wissenschaft keine wertvollen Erkennt- meteams des Bergwaldprojekt e.V. über drei volle, vorher nicht existierende Komponen- nisse über die Zusammenhänge in der Natur Wochen verschiedene waldökologische Para- ten hinzufügen: Die ökologisch wertvollen liefern kann, das tut sie. Man sollte sich nur meter erhoben, die jetzt ausgewertet werden. Bewirtschaftungsformen Nieder- oder Mit- immer über die begrenzte Aussagefähigkeit Beispiele solcher Parameter sind z. B. das telwald würde es ohne den Menschen so ihrer Erkenntnisse im Klaren sein. Totholzvorkommen, Biotopmerkmale an Initialpflanzungen von standortheimsichen Baumarten nicht geben. Im Gegensatz dazu bereichern Das hat Auswirkungen für unser Wirtschaf- Bäumen, die Vitalität der Bäume, die Ver- wir unsere Ökosysteme heute jedoch nur ten im Wald. Wenn man ein System nicht jüngung etc. selten, überformen sie aber häufig bis zur vollumfänglich kennt, sollte man vorsichtig Der Vorteil einer permanenten Stichprobe Unkenntlichkeit oder zerstören sie gar völlig. sein im Umgang mit ihm und sich an den ist, dass an den Stichprobepunkten exakt ge- mit wissenschaftlichen Institutionen wird Die naturnahe Waldnutzung folgt dem Pri- natürlich vorgegebenen Rahmen halten. messen wird und diese für eine wiederholte angestrebt. Wir hoffen, dass darüber und mat der ökologischen Funktionsfähigkeit Aus wissenschaftlichen Studien resultieren- Messung in Zukunft wieder auffindbar sind. über weitere Modellbetriebe ein lernendes vor dem der menschlichen ökonomischen de Maßnahmenempfehlungen „bieten“ wir Auf Basis dieser Erhebung wird es möglich Netzwerk im Sinne einer nach ökologischen Interessen und zwar aus folgenden Gründen: der Natur an, überprüfen die Maßnahmen sein, Veränderungen im Waldökosystem zu Gesichtspunkten ausgerichteten, naturnahen Waldökosysteme sind sich selbst regulieren- hinsichtlich ihrer Einbettung in den ökolo- erfassen und so Rückschlüsse auf die getäti- Waldnutzung entsteht. de, sich an ständig ändernde Umweltein- gischen Kontext, prüfen verschiedene Varian- gten Maßnahmen zu ziehen. Steigt mit dem Wie gesagt, die Ersten sind wir nicht, die flüsse anpassende Lebensgefüge mit einer ten und dokumentieren unser Vorgehen. An- Totholz die Artenvielfalt? Entwickelt sich der eine naturnahe Waldnutzung in Deutsch- Jahrmillionen alten Evolutionsgeschichte. dere WaldbesitzerInnen wiederum können Wald hin zu einer naturnäheren Artenzu- land umsetzen wollen. Im Mainstream an- Die Komplexität der Zusammenhänge von das nutzen und eigene Erkenntnisse gene- sammensetzung? Orientierungsmaßstab für gekommen ist die damit verbundene Sicht Ursache und Wirkung in diesen Systemen rieren. Es entsteht eine Art Kommunikation unser Handeln ist ein gesundes, naturnahes auf die Natur und ihre Nutzung aber noch entzieht sich einer voll umfänglichen Be- mit der Natur, für die neben einem Reinden- Waldökosystem. Eine solche Erstinventur, lange nicht. Um unsere Überzeugungen wei- schreibbarkeit. Wissenschaft stößt hier mit ken auch ein Reinfühlen wesentlich ist. wie wir sie jetzt durchgeführt haben, über- ter bekannt zu machen und andere Waldbe- reduktionistischen Methoden an ihre Gren- steigt von der Konzeption über die Durch- sitzerInnen von einer ökologisch denkenden ze. Das heißt, das große Ganze kann nicht Kommunikation und Allianzen führung bis zur Auswertung den Rahmen Waldwirtschaft zu überzeugen, war es nahe- durch die Zerlegung in seine Einzelteile üblicher Inventuren bei weitem. Insofern ist liegend, dass wir uns mit Gleichgesinnten erklärt werden. WissenschaftlerInnen mit Mit unserem Wald gingen wir zunächst mit so etwas nicht durch jedeN WaldbesitzerIn zusammenschließen. So ist die Waldallianz ihren Messinstrumenten sind hier ein we- der Frage nach seinem momentanen Zu- reproduzierbar. Als Modellbetrieb werden entstanden, ein Zusammenschluss von Or- nig wie FischerInnen mit ihren Netzen, mit stand in Kontakt. Mittels einer aufwändigen wir die Resultate der Erhebungen der inte- ganisationen, Firmen und Einzelpersonen, einer bestimmten Maschengröße fange ich Erst-Inventur wurde dieser Zustand als eine ressierten Öffentlichkeit natürlich zugäng- denen das öffentliche Werben für eine na- auch nur bestimmte Fische. Die daraus re- der ersten Maßnahmen am Anfang dieses lich machen. Auch die Zusammenarbeit turnahe Waldnutzung am Herzen liegt. Wir 6 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 7
den kann, aus der Quantenphysik. Auf der Suche nach dem kleinsten unteilbaren Teil- chen, nach der Frage, was die Welt im In- nersten zusammenhält, war die Physik lange selbst reduktionistisch unterwegs. Mit dem Atom dachte man, dieses unteilbare Teilchen gefunden zu haben. Doch dem war nicht so; man entdeckte Elektronen, Protonen, Quanten etc. Noch viel tiefgreifender jedoch war die Entdeckung, dass sich auf dieser subatomaren Ebene die Teilchen nicht mehr nach den klassischen Gesetzen der Physik Waldästhetik verhielten. Die klassische Physik steht für beflügelt unser Gefühl von Verbundenheit. die Teilgebiete der Physik, die ohne die Kon- zepte der Quantenphysik auskommen und vorwiegend physikalische Vorgänge auf ma- kroskopischer Ebene untersuchen und be- schreiben, z. B. die Schwerkraft. So werden diese Teilchen der Quantenwelt erst zu dem, lichen Prozesse in unserer Welt gibt, über Vielmehr sind wir ein untrennbarer Teil von was sie sind, indem man sie misst. unsere Welt aus? Vielleicht, dass sie nicht ihr und somit, wie alle anderen Lebewesen Bekannt ist das als Welle-Teilchen-Dua- so ist, wie sie uns scheint? Uff, harter To- auch, in der Lage, uns mit ihr zu verbinden, lismus. Klassische Wellen breiten sich im bak! So beschreibt Dürr lebendige Prozesse uns in sie einzufühlen. Diese Verbundenheit Aufwendige Erstinventur: Digitale Er- Raum aus, überlagern sich und können sich als hochsensibilisierte, instabile Zustände, ist zutiefst in uns angelegt und elementarer fassung des aktuellen Bestands, sei- so gegenseitig verstärken oder abschwächen. die dynamisch über die Zufuhr von Ener- Bestandteil unserer Erfahrungswelt. Der nes Zustands und der Totholzmenge. Das kennt jedeR, der / die schon mal einen gie (Sonnenenergie), Information bezüglich Mensch ist nicht zufällig in der Lage, sich in Stein in einen Teich geworfen hat. Eine Wel- der Nutzung dieser Energie und Vernetzung andere Menschen oder auch in seine Umwelt le kann gleichzeitig an mehreren Stellen im der Organismen (Ökosystem) stabilisiert einzufühlen. Neben dem wissenden Men- brauchen eine gesamtgesellschaftliche Wen- Raum sein, wie die Ringe des vom Stein auf- werden. Diese Funktionsweise erkennen wir schen gewinnt der empathische Mensch in de, um die sich im Klimawandel, dem Arten- geworfenen Wassers. Teilchen hingegen kön- auch, wenn wir Waldökosysteme betrachten. dieser Weltsicht stark an Bedeutung. sterben etc. abzeichnenden Katastrophen für nen zu einem bestimmten Zeitpunkt nur an Sonnenenergie wird über die Photosynthese Naturferne Wirtschaftsweisen funktionieren unseren Planeten abzuwenden. Ein Baustein einem bestimmten Ort sein. Auch das ken- nutzbar gemacht, die unzähligen Lebewesen nicht, weil sie den Grundprinzipien, auf de- davon ist eine Waldwende, eine Wende be- nen wir. Ein Gegenstand bleibt an seinem verfügen über die Information / Erfahrung, nen die lebendige Welt fußt, zuwiderläuft: züglich unserer Sicht auf den Wald und un- Ort und kann nicht einfach verschwinden. diese zu nutzen und sind über unzählige Be- „Probleme kann man niemals mit dersel- seres Umgangs mit ihm. Für diesen Wandel Diese beiden Eigenschaften, die Eigenschaft ziehungsgefüge miteinander verbunden. Es ben Denkweise lösen, durch die sie ent- setzt sich die Waldallianz ein. einer Welle und die Eigenschaft eines Teil- entsteht das Bild einer hochgradig vernetzten standen sind“ (Albert Einstein, einer der chens, scheinen sich also eigentlich gegen- und damit im Kern kooperativen Welt, die BegründerInnen der Quantenphysik). Dies Ein neues Weltbild: Quantenphysik seitig auszuschließen und unsere makrosko- mehr ist als die Summe ihrer Teile. sollte zu denken geben, wenn im Zuge des pische Erfahrungswelt scheint das auch zu Waldsterbens heute nach exotischen, fremd- Und auch ein Wandel unseres Denkens und bestätigen. Ein Stein ist ein Ding, und Licht Verbundenheit mit der Natur ländischen Baumarten zur Lösung der Krise unserer Glaubenssätze ist teilweise vonnö- ist eine Welle. Die Teilchen der Quantenwelt gerufen wird. ten: Z. B., um den Gedankengang von vor- besitzen jedoch beide Eigenschaften, je nach- Die lebendige Natur stellt sich in der Fol- Unsere durch maßlose Übernutzung und her nochmal aufzugreifen, sind rein reduk- dem, was ich messe, also mir anschaue. Mes- ge also nicht als eine Maschine mit vielen unreflektierte Zerstörung gebeutelte Welt tionistische Ansätze eines mechanistischen se ich, ob sie Teilchen sind, sind sie Teilchen, Rädchen dar, eine Maschine, die sich voll- braucht Heilung. Ein Weltbild, in dem Wer- Weltbildes denkbar ungeeignet, um allge- messe ich, ob sie Welle sind, sind sie Welle. ständig beschreiben und dann vollständig te wie Verbundenheit, Empathie, Kooperati- mein gültige Aussagen über Natur und ihre Das scheint für uns unbegreiflich, fast schon kontrollieren lässt. Sie ist vielmehr kreativ, on etc. zentral sind, würde einen wichtigen Funktionsweise treffen zu wollen. Nach dem märchenhaft. Das Deterministische, das fes- offen, chaotisch und für uns Menschen nicht Beitrag zu einer solchen Gesundung liefern. deutschen Physiker Hans-Peter Dürr (1929– te Gesetz, verliert seine Gültigkeit. An seine vollständig durchdring- und verstehbar. Be- Ein Waldkonzept, das diese Werte verinner- 2014) erwächst die revolutionäre Erkenntnis, Stelle treten Möglichkeiten, tritt Offenheit, schränktes Wissen bedeutet aber nicht, dass licht, mag hoffentlich zur Gesundung einer dass unsere Welt nicht „dinglicher Natur“ ist man könnte fast sagen, tritt Kreativität. Was wir orientierungslos im Dunkeln tappen durch den Menschen stark geschädigten Na- und nicht deterministisch beschrieben wer- sagt die Tatsache, dass es solche wunder- in unserer Beziehung zur lebendigen Welt. tur beitragen. 8 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 9
DRAUßEN PARTNER DES BERGWALDPROJEKTS Die Zusammenarbeit der Umweltstiftung mit einzigartige Arten- und Naturreichtum un- lose Gegenden mit natürlichem Mischwald dem Bergwaldprojekt in anderen Projekten serer Erde bewahrt wird. Ein so langfristig wieder aufgeforstet. Ähnlich wie bei den hat eine lange Tradition. Wie kam es dazu und angelegtes Projekt wie der Zukunftswald Bergwaldprojekt-Wochen geht es auch hier welche Synergien werden hier frei? Unterschönau passt daher ganz wunderbar darum, mit einem pädagogischen Ansatz Von Anfang an sind wir eng mit dem Berg- zur Philosophie der Umweltstiftung Green- Jugendliche und Erwachsene für den Wald- waldprojekt e.V. verbunden. Beide Organi- peace. schutz zu begeistern. sationen stehen für dieselben Ziele und sind In Deutschland fördern wir die Aktivitäten aus einer Greenpeace-Idee geboren. Für uns Welche anderen Waldprojekte unterstützt ihr einiger WaldökologInnen zur Ausweitung lag es daher auch nah, das Bergwaldprojekt noch? von Schutzflächen im „Märchenwald Ein- um das Pflanzen unserer Stifterbäume zu Zurzeit fördern wir die Waldschutzarbeit beck“ in Niedersachsen. Auch wenn der Zu- bitten. Von Beginn an pflanzt die Umwelt- von Greenpeace Kanada und der kana- kunftswald Unterschönau kein Schutzgebiet stiftung Greenpeace für jede neue Stifterin dischen David Suzuki Foundation. Auch werden soll, geht es ja auch dort um eine na- und jeden neuen Stifter zum Dank einen hier geht es um eine Wende von einer in- türliche Waldentwicklung. Und ein Teil der Baum. Einmal im Jahr werden diese Stifter- tensiven Forstindustrie mit verheerenden Waldfläche in Unterschönau wird sich selbst bäume im Rahmen von Freiwilligenwochen Kahlschlägen hin zu einer verträglichen, na- überlassen, um die natürliche Entwicklung des Bergwaldprojekts gepflanzt. So ent- turnahen Waldnutzung. Und um die Stär- zu beobachten und daraus zu lernen. standen in Forbach im Schwarzwald unser kung der Rechte indigener Gemeinschaften, Streuobstwiesenprojekt „Stifterhain“ und die seit Jahrhunderten im Einklang mit und Haben sich die Förderschwerpunkte der Um- im Tierpark Arche Warder in Schleswig- von den Wäldern leben. weltstiftung seit der Gründung z. B. wegen der Holstein die „Allee der Stifter“. Wir freuen Ein weiteres Projekt, das wir unterstützen, sich dramatisch verschlimmernden Klimakrise uns über diese lange partnerschaftliche Zu- ist das Aufforstungsprojekt „Kids for Fo- verschoben? sammenarbeit. rests“ von Greenpeace Russland. Hier ziehen Wir arbeiten zum Thema Wald- und Klima- Melanie Stöhr Was hat euch an dem Projekt Zukunftswald Unterschönau in Zusammenarbeit mit dem Schülerinnen und Schüler unter Anleitung von Greenpeace und ehrenamtlichen Trai- nerInnen Baumsetzlinge in ihren Schulgär- schutz, aber auch zu anderen Themen wie dem Meeres- oder Artenschutz, ökologischer Landwirtschaft oder der Friedensforschung. Melanie Stöhr ist Geschäftsführerin und von Bergwaldprojekt begeistert? ten. Diese werden einmal im Jahr bei einem Wir unterstützen jährlich etwa 30 Projekte Beginn an Vorstand der 1999 errichteten Um- Angesichts der momentanen Waldkrise großen Pflanzevent mit hunderten Freiwil- aus diesen Bereichen. Die Zahl der geför- weltstiftung Greenpeace. Sie war viele Jahre ein gemeinsames Projekt ins Leben zu ru- ligen ausgepflanzt. So werden heute baum- derten Waldschutzprojekte ist seit einigen ehrenamtlich in der Berliner Greenpeace- fen, finden wir großartig. Die Wälder in Jahren deutlich gestiegen. Aber uns liegen Gruppe und bei Greenpeace-Aktionen aktiv, Deutschland befinden sich in einem alar- auch die anderen genannten Themen am bevor sie vor 20 Jahren als Fundraiserin den mierenden Zustand. Wir betrachten das mit Herzen. Letztlich hängt ja vieles zusammen. Bereich Großspenden- und Erbschaftsfund- großer Sorge. Uns begeistert, dass wir mit Auch Meeresschutz hat mit Klimaschutz zu raising beim Greenpeace e.V. mit aufbaute. unserem Projekt ganz konkret neue Wege tun, Waldschutz mit Artenschutz und auch Melanie Stöhr ist u. a. Dozentin und Studien- im Umgang mit unseren Wäldern aufzeigen Friedensprojekte werden in Zeiten der Kli- gangsleiterin an der Fundraising Akademie und unser Wissen weitergeben können. Wir makrise immer wichtiger. Frankfurt. Sie lebt mit ihrem Mann, fünf Kat- wollen einen Beitrag für eine ökologische zen und zwei Islandpferden am Stadtrand von Waldwende und mehr naturnahe Waldnut- Die Umweltstiftung Greenpeace gehört zur Was wünschst du dir für unseren gemein- Hamburg. zung leisten, schätzen die hohe Kompetenz internationalen Greenpeace-Familie. Sie samen Wald in Thüringen? des Bergwaldprojekt-Teams und verfolgen widmet sich dem Schutz der Umwelt und Einem so stark vom Menschen geprägten dieselben Ziele. Natur und fördert die Friedensforschung. und übernutzten Wald die Chance zu geben, Sie will den einzigartigen Naturreichtum sich zu regenerieren und sich wieder natür- Was ist deine Lieblingsbaumart? Welche Werte sind der Umweltstiftung Green- unseres Planeten erhalten. Die Stiftung ar- lich zu entwickeln, ist keine leichte, aber Mein Lieblingsbaum ist der Ginko, der ei- peace wichtig und wie wollt ihr diese gemein- beitet international, denn Naturzerstörung eine wunderbare Aufgabe. Ich wünsche mir, nen zentralen Platz in meinem Garten hat. sam mit dem Bergwaldprojekt im Zukunfts- kennt keine Grenzen. In einer globalisierten dass unser Vorbild und die Erkenntnisse, die Mich fasziniert diese uralte Baumart, die wald Unterschönau umsetzen? Wirtschaft wirkt das Stiftungskapital mit wir im Verlauf des Projekts gewinnen, viele uns hoffentlich noch lange überlebt. Sie ist Eine Stiftung ist für die Ewigkeit angelegt. ethischen, sozialen und ökologischen Stan- Interessierte und NachahmerInnen finden. unheimlich anpassungsfähig und quasi ein Auch das Kapital bleibt dauerhaft erhalten. dards im Sinne des Gemeinwohls. Die Um- Dass unser Projekt noch mehr Öffentlich- lebendes Fossil. Diese Fakten beeindrucken Mit unserer Arbeit wollen wir dafür sorgen, weltstiftung Greenpeace ist überparteilich keit für die naturnahe Waldnutzung schafft mich. Auch Blatt und Form finde ich ein- dass kommende Generationen eine gesi- sowie politisch und finanziell unabhängig. und wir so einen Beitrag zu der dringend fach toll. cherte Lebensgrundlage vorfinden und der Mehr Infos: umweltstiftung-greenpeace.de. nötigen Waldwende leisten. 10 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 11
FÖRSTERLATEIN bewirtschaften sowie einen hinreichenden Anteil standortheimischer Forstpflanzen einzuhalten. Diese Vorgaben bleiben sehr offen. Vor diesem Hintergrund wurde 2003 das Gutachten „Naturschutz und Forstwirt- schaft – Kriterienkatalog zur guten fach- lichen Praxis“ vom vom Bundesamt für Naturschutz beauftragten Institut für Forst- politik der Universität Freiburg vorgestellt. Das Ergebnis ist mit 17 Kriterien ausgespro- Gute fachliche Praxis – von Christoph Wehner chen weich formuliert und traf trotzdem auf massive Kritik der VertreterInnen privater WaldbesitzerInnenverbände. Es beschreibt lediglich die zuvor bereits erwähnte natur- schutzfachliche Mindestanforderung an die WaldbesitzerInnen auf der Basis der Sozial- Auf der Suche nach vorhandenen Regeln wie Förderungen oder Zuschüsse für die pflichtigkeit des Eigentums und bildet einen für die forstliche Praxis findet sich im Bun- WaldbesitzerInnen finanziell ausgegli- Sockel der Anforderungen des integrativen deswaldgesetz und in den Waldgesetzen der chen werden müssen. Naturschutzes an die Forstwirtschaft. Länder der Verweis auf die ordnungsgemäße Im deutschen Recht bezeichnet die gute So ist die oft zitierte gute fachliche Pra- bzw. sachgemäße Forstwirtschaft. Allerdings fachliche Praxis die Einhaltung gewisser xis der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft wurde der unbestimmte Rechtsbegriff „ord- rechtlich verankerter ökologischer und na- durch die Blockade verschiedener Forst- nungsgemäß“ gesetzlich nicht abschließend turschutzfachlicher Mindestanforderungen und Holz-Interessensgruppen bis heute definiert. Die Einhaltung der Regeln der in der Forst-, Land- und Fischereiwirtschaft. nicht gesetzlich bindend definiert. Es gibt ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sind aber Sie kann als ein Handlungsrahmen verstan- in Forstkreisen zwar einen breiten inhalt- Stadtwald von Lübeck: Mehr Artenvielfalt, Bäu- ein Bewirtschaftungsstandard, der zwingend den werden und umfasst Maßnahmen, die lichen Konsens über Eckpunkte einer guten me aller Altersklassen, hohe Holzvorräte, weni- und ohne Entschädigungsanspruch von je- >> in der Wissenschaft als gesichert gelten, fachlichen Praxis, sie lassen aber doch einen ger Rückegassen und erhöhte Totholzmengen dem / jeder WaldbesitzerIn im Rahmen der >> aufgrund praktischer Erfahrungen als weiten Interpretationsspielraum. prägen das Waldbild auch im Wirtschaftswald. Sozialbindung des Eigentums einzuhalten geeignet, angemessen und notwendig aner- Eine Rolle spielt aber auch noch die Haltung ist. kannt sind, zum Wald. In der Fortwirtschaft weit ver- Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) >> von der amtlichen Beratung empfohlen breitet ist die Gleichrangigkeit und Gleich- regelt zudem, dass die Forstwirtschaft nicht werden und wertigkeit von Nutz-, Schutz- und Erho- bilden einen Entwicklungskorridor, der un- als Eingriff anzusehen ist, wenn dabei die >> den sachkundigen AnwenderInnen be- lungsfunktion der Wälder, basierend auf den bedingt zu beachten ist. Nur innerhalb die- Ziele des Naturschutzes und der Land- kannt sind. drei Dimensionen der schwachen Nachhal- ses Korridors besteht ein Spielraum zur Um- schaftspflege berücksichtigt werden und Ohne eine Präzisierung bleibt dieser Rah- tigkeit – ökonomisch, ökologisch und sozial. setzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele. vermutet, dass Forstwirtschaft in der Regel men für die forstliche Praxis sehr weit. Verbindliche und konkrete Handlungsopti- Das Naturkapital, von dessen Nutzung nicht den Zielen des Naturschutzes wi- Erstmals klare Regeln der guten fachlichen onen sind aus diesem Modell aufgrund un- alles Wirtschaften vital abhängt, muss derspricht. Allerdings sind die genannten Praxis wurden für die Landwirtschaft Mit- genauer Definitionen auch nicht ableitbar. langfristig erhalten bleiben. Die natür- Regeln abstrakt und können wegen ihrer te der 1980er Jahre in den Vorschriften So führte die Substituierbarkeitsannahme lichen Ressourcen werden als nicht aus- Unverbindlichkeit auch nicht durch be- des Pflanzenschutz- und später des Dünge- zwischen den drei Säulen seit Jahrzehnten tauschbar angesehen und müssen deshalb hördliche Anordnungen konkretisiert und mittelrechts gesetzt. Unter dem Eindruck meist zur vorrangigen Durchsetzung öko- unter allen Umständen geschützt werden. durchgesetzt werden. Eine Vereinbarkeit massiver Umweltbelastungen durch die nomischer Ziele, die auch immer mit den Ihre Leistungsfähigkeit soll dauerhaft er- von Forstwirtschaft mit den Zielen des Entwicklungen in der Landwirtschaft wur- Zielen der Forstwirtschaft begründet werden halten oder wieder regeneriert werden, wo Naturschutzes ist also nicht automatisch de die gute fachliche Praxis im Sinne einer konnten. sie vermindert wurde. Diese Haltung zum sichergestellt. Daher ist es nötig, über die Grundsatzregelung 2002 in die Neufassung Die starke Nachhaltigkeit als Gegenent- Wald führt zu anderen Vorstellungen und ordnungsgemäße Forstwirtschaft hinaus- des BNatSchG aufgenommen. Für die wurf zum Drei-Säulen-Modell legt den Waldbildern der guten fachlichen Praxis. gehende ökologische, naturschutzrele- Forstwirtschaft formuliert das BNatSchG Schwerpunkt auf Ökologie. Die ökolo- Ganz praktisch zu sehen in Lübeck, Augs- vante Leistungen als gute fachliche Praxis nur das Ziel, naturnahe Wälder aufzubau- gischen Parameter, die langfristig stabile burg oder in unserem Zukunftswald in Un- zu definieren, welche durch Instrumente en, diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu Lebensbedingungen auf der Erde sichern, terschönau. 12 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 13
RESTROSPEKTIVE Zur historischen Situation rund um den Zukunftswald Unterschönau von Cai-Olaf Wilgeroth Geschäft erfolgreicher Landesherrschaft – gerade um Bestandsaufnahme zu machen. Dementsprechend zuverlässig waren solche Übersichten. Zunächst fällt auf: Die „Bergen, thalen, ... Gehöltzen“ sind verschieden dargestellt – hellgrün und dunkelgrün eingefärbt, dicht und locker schraffiert. Die Farben könnten Laub- oder Nadelholz unterscheiden; das wäre nicht unüblich. Hier trennen hell und Ausschnitt Wahrhafter Abriss und eigentliche Beschreibung des Amtes Schmalkalden von Joist Moers anno dunkel aber Hoheitsbezirke. Im Wald ha- 1589; Quelle: Hessisches Staatsarchiv Marburg HStAM Karten P II 10391. ben wir noch überall von Laubholz mit nur beigemischtem, randständigen Nadelholz stände doch selbst aus. Zum anderen besaß den.“ Man war im 19. Jh. wie andernorts auszugehen. Wichtiger sind die Schraffuren: Unterschönau, wie viele Dörfer, gar keinen den schnellen Weg der Nadelholzsaat gegan- Dicht bewaldete Berge stehen locker be- eigenen Wald. Die Menschen verschafften gen. Daher würden „seit den letzten Jahr- stockten Hängen gegenüber. Das entsprach sich notgedrungen Zugang zum Staatswald. zehnten ... gefällte Bäume geschält, um der Cai-Olaf Wilgeroth ist Umwelthistoriker und seit den Tatsachen. Schon 1474 zeigt eine Berg- Ihre Existenz hing davon ab. Ausbreitung des Fichten-Borkenkäfers ent- 2008 als Gruppenleiter beim Bergwaldprojekt e.V. ordnung an, wie sehr der Wald im Mittel- 1894 schrieb der Steinbacher Apotheker gegenzutreten“; und „der fast ausschließliche alter im Dienste von Bergbau, Köhlerei, Ei- Dr. Alexander Köbrich die „Geschichte Bestand der Wälder mit Nadelholz (habe) senhütten, Hammerschmieden stand. Hinzu von Steinbach und Amt Hallenberg“. Da- den Kindern Flora‘s nur einen mageren Ti- kam siedlungsnah der Bedarf an Hausbrand, rin behandelt er auch das „Forstwesen“: An sche hergerichtet, da die sich aufhäufenden, Bauholz, Nutzholz und Waldweide. Das er- der Situation im Wald hatte sich nach Joist der Verwesung schwer zugänglichen Nadeln 2021 findet der erste Einsatz des Bergwald- klärt die lichten, kahlen Flächen unserer Ab- Moers nichts geändert. „Der Hüttenbetrieb erstickend für das Aufkommen der zarteren projekts im eigenen Wald statt. In Unter- bildung. Der Wald stellte sich als „devastiert“ beschäftige Fuhrleute, Holzhauer, Köhler, Pflanzen wirken.“ Monokultur um 1900. schönau am Rand des Thüringer Waldes. (verwüstet) dar. Schmelzer, Hammerschmiede ...“ in 17 Gru- Mit all ihren Nachteilen schon damals. Schauen wir uns daher zur Einstimmung In den nächsten vier Jahrhunderten war die ben, 5 Schmelzhütten, 44 Schmieden. „Die Damit endet der historische Streifzug durch und Orientierung ein wenig genauer um in Geschichte des Waldes von widerstreitenden starke, einstens (!) bis zur Thalsole herabge- die Wälder um Unterschönau. Es war nur den historischen Wäldern zwischen Schmal- Waldbildern bestimmt: Denn BürgerInnen hende Bewaldung“ ging weiter zurück. Und eine Stippvisite. Die letzten rund 100 Jahre kalden, Steinbach und Oberhof. und BäuerInnen brauchten andere Wälder die Landwirtschaft trug stets ihr Übriges bei. sahen aus wie überall: Die Fichte war „Brot- Einen frühen Einblick gewährt uns der als Bergmänner, Köhler und Hüttenleute. Ackerbau ging kaum, das Vieh weidete im baum“ einer Forstwirtschaft geworden, die „Warhaffte Abriss und eigentliche Beschrei- Mancher Landesfürst hingegen wollte ei- Wald. So sehr die Forstverwaltung immer zuvorderst der Logik knapper Ressourcen bungk des Ampts Schmalkalden ... mit ihren gentlich nur jagen. Und alles sollte der eine wieder Waldverbote erließ: Mensch und Tier folgte. ingelegenen und zu gehorigen nahmhafften Wald liefern. Der erstarkende Staat zog die mussten sich ernähren. Ab 1850 entschärf- Am Schluss seines Buches kehrt unser Chro- Stetten, Schlossen, Torffen, Meierhöven, Wälder immer mehr an sich, beschränkte te die Eisenbahn dann manches Problem: nist noch einmal in den Wald zurück: „Die Muelen, Halsgerichten, Bergen, thalen, bisherige Nutzungen der Bevölkerung oder Erst brachte sie günstige Lebensmittel, dann erfrischende Luft dieser Wälder, ihre herr- Brunquellen, Wasserflüssen, Gehöltzen und verdrängte sie ganz. Versperrte Wälder! Eine Steinkohle, dann billiges Eisen. Der Berg- lichen Trinkwasserquellen bieten neben Felder“ von Joist Moers aus dem Jahr 1589. lange Liste staatlicher Forstordnungen be- und Hüttenbetrieb ging bei dieser Konkur- dem Erhabenen des Naturgenusses das Er- Das bunte Kartenbild (auf der rechten Sei- gründete dies immer wieder mit dem Schutz renz zusehends ein. quicklichste für den ermüdeten und ner- te oben) ist ein typisches Dokument jener des Waldes. Forsthoheit im Staatswald – Dem Wald nutzte es. Allerdings sind nun venschwachen Kulturmenschen. … Da lie- Zeit. Moers war Landvermesser und Karto- Ruhe, Ordnung, Holzwachstum. Klingt toll, seine „Forstorte fast ausnahmslos mit Nadel- gen in den weltabgeschiedenen herrlichen graph der Landgrafen von Hessen-Kassel. funktionierte aber noch lange nicht. Kein holz bestanden, worunter zuerst die Fichte Waldungen mächtige Reize, die den Besu- Die herrschten damals über das Gebiet um Wunder, bedenkt man zum einen das finan- zu nennen ist, zwischendurch die Edeltanne, cher immer wieder und immer mehr an- Unterschönau, und im 16. Jh. gehörten zielle Interesse notorisch klammer Landes- die Kiefer, auch die Lärche. (Und) nur kleine ziehen und ihm Ruhe und Frieden geben.“ Grenzkarten und Gebietsrisse zum täglichen herren an „ihrem“ Wald. Beuteten sie die Be- Haine sind mit Buchen und Birken bestan- Irgendwie klingt das bemerkenswert aktuell. 14 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 15
BERICHT DES VORSTANDS Liebe Freundinnen „Der Kronenzustand hat sich bei und Freunde des vielen Baumarten weiter ver- schlechtert. Auch 2020 sind der Waldes, Anteil der deutlichen Kronenver- lichtung und die mittlere Kro- nenverlichtung gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die mittlere Kronenverlichtung ist im Durch- die Weltgemeinschaft ist nun über ein Jahr schnitt aller Baumarten mit 26,5 damit beschäftigt, sich vor einem Virus zu Stephen Wehner, % so hoch wie noch nie. Nur schützen. Die trotz aller kostspieligen Maß- Geschäftsführer und Vorstand noch 21 % aller Bäume weisen nahmen fast 3 Millionen registrierten To- des Bergwaldprojekt e.V. keine Kronenverlichtungen auf. desfälle weltweit und die laut Statistischem Außerdem zeigt sich eine stark Bundesamt um bis zu 24 % über dem Mit- zunehmende Absterberate. Vor tel erhöhten bundesweiten Sterbefallzahlen Laut Waldzustandserhebung 2020 der Bun- allem unsere älteren Wälder über machen deutlich, dass die Situation für viele desregierung sind jetzt bei 80 % aller Bäume 60 Jahre sind von Absterbe- Menschen eine sehr fordernde und unsere Kronenverlichtungen erkennbar. Wenn die erscheinungen betroffen. Doch Sicherheit empfindlich in Frage stellende Anpassungsfähigkeit der Lebensgemein- auch die jüngeren Bäume zeigen neue kollektive Erfahrung darstellt. schaft Wald überschritten wird, stirbt dieser. einen negativen Trend.“ Waldzu- Eine mögliche Schlussfolgerung dieser Er- Dies ist in vielen Regionen in Deutschland standserhebung 2020 fahrung könnte sein, dass wir angesichts un- Realität. serer vielfältigen Bedürfnisse nicht nur auf Mit schwindendem Skeptizismus steigt die unser eigenes Wohlergehen achten können, Bereitschaft zur gesellschaftlichen Anpas- sondern dass dies vollkommen aussichtslos sung. Die findet in den hochrelevanten Sek- ist, wenn wir nicht das Wohl anderer achten. toren wie Mobilität und Energieversorgung Gegenüber kollektivem Wegschauen, wie im Bereich technischer Anpassungen statt. von VertreterInnen eines erneuerten Skep- Diese kann aber die große sozial-ökolo- weltstiftung Greenpeace 200 Hektar Wald Unternehmen diskutieren wir ihre Anstren- tizismus gefordert wird, ist das Virus nicht gische Transformation weder ersetzen noch in der Gemarkung Unterschönau in Stein- gungen zur Einhaltung der Klimaschutz- nur „immun“, sondern es beflügelt dieses verhindern. Auch der vorläufige Entwurf der bach-Hallenberg in Thüringen kaufen, den Ziele von Paris und der 17 Ziele für nachhal- direkt. Waldstrategie 2050 der Bundesregierung er- wir naturnah bewirtschaften und kleineren tige Entwicklung der Vereinten Nationen. Die Epidemie hat auch unsere Projekte mit kennt die Notwendigkeit einer Waldwende Privat- und KommunalwaldbesitzerInnen Projekte zur Kompensation von Treibhaus- Freiwilligen und somit einen wesentlichen und hebt den Erhalt der Wälder als bedeu- als nachhaltige Alternative zur Waldnutzung gasemissionen bieten wir nicht an. Wir hal- Teil unserer Arbeit erneut zum Erliegen tende CO2-Senke hervor, ohne sich jedoch vorstellen wollen. ten den Dialog mit Wirtschaftsunterneh- gebracht. Seit dem geplanten Start unserer zu den wesentlichen Elementen der Trans- Auch die Bereitschaft vieler kleiner und auch men für sinnvoll, um die ökologisch-soziale 31. Projektsaison mit einem Neihaufescht formation der Waldbewirtschaftung zu be- einiger großer Unternehmen, unsere Arbeit Transformation zu unterstützen. in Eußenheim am 30.01. mussten wir von kennen und auf die dringenden Herausfor- zum Schutz und Erhalt der Wälder, Moore In der Umweltbewegung ist die Idee tief ver- den insgesamt 150 von unserem Team orga- derungen der Biodiversitäts- und Klimakrise und Biotope und unseren damit verbun- wurzelt, dass wir Menschen ein Problem auf nisierten Projektwochen 51 Einsatzwochen einzugehen. Diese Beispiele zeigen, dass denen Bildungsauftrag zu unterstützen, ist diesem Planeten sind und die Natur zerstö- mit Freiwilligen und 11 Projektwochen trotz vieler Erkenntnisse um die globalen in den vergangenen 48 Monaten erkennbar ren. Dabei sollten wir nicht übersehen, dass der Waldschule absagen oder in die zweite ökologischen Krisen unser Bewusstsein gestiegen. wir selbst Teil der uns immer und überall Jahreshälfte verlegen. Im vergangenen Jahr für die Tiefe und Bedeutung des notwen- Dadurch konnte trotz der entgangenen Pro- umschließenden und durchdringenden Na- hatten wir insgesamt 56 von 123 geplanten digen Wandels fehlt. jekteinnahmen ein Haushaltsdefizit vermie- tur sind. Wochen absagen müssen. Krisen und Herausforderungen sind aber den werden. So konnten wir neue Projekte Während die Zahl der Corona-Skeptike- auch Antrieb für Entwicklung und öffnen in die Jahresplanung aufnehmen und der Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre rInnen in Deutschland zunimmt, verlieren uns für neue Erfahrungen. Dank eines groß- erfreulichen Bereitschaft vieler Menschen, vielfältige Unterstützung, die Klimawandel-SkeptikerInnen angesichts en Vermächtnisses aus dem Familienkreis sich für die Natur zu engagieren, zusätzliche der weltweit im Anpassungskampf kollabie- einer privaten Stiftung konnten wir zum Möglichkeiten anbieten. Ihr Stephen Wehner, renden Ökosysteme ihre AnhängerInnen. Jahresende 2020 zusammen mit der Um- Im Rahmen der Kooperationsgespräche mit Vorstand Bergwaldprojekt e.V. 16 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 17
BLÄTTERRAUSCHEN SPRINGBOARD lig unterschiedliche Menschen. Man fragt sich beim Lesen anfangs, wie aus diesen so verschiedenen Geschichten und den so Her mit der UTOPIE! Das Bergwaldprojekt erstellt eine Gemeinwohl-Bilanz – von Jakob Reuter gänzlich unterschiedlichen Menschen eine „Die Wurzeln des Lebens“ Handlung werden soll, aber bereits nach wenigen Zeilen ist man eingetaucht in die verschiedenen Leben und ihre Schicksale. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) be- der gesamten Wertschöpfungskette über die Denn alles wird mit einem so gefühlvoll zeichnet ein Wirtschaftsmodell, welches eigenen Organisationsgrenzen hinaus) ver- und poetisch gesponnenen Band verwoben das Ziel verfolgt, ein gutes Leben für alle – pflichtend. Die abschließende Bewertung und mit der Magie, Kraft und Ausdauer des Mensch, Tier und Natur – zu ermöglichen. und Überführung in die GWÖ-Bilanz erfol- Baumes verbunden. Egal ob alt, klein, groß, Damit stellt die GWÖ das vorherrschende, gen durch externe AuditorInnen. als Gebüsch, alleine oder in der Gruppe, je- auf Wachstum und individuellen Wohl- Seit Februar 2021 ist der Bergwaldprojekt dem verschiedenen Baum haucht Powers das ein Buchtipp von Friederike Zingler-Methner stand ausgerichtete System in Frage. Auf e.V. GWÖ-Mitgliedsorganisation. Wir wol- in ihm wohnende Leben auf so wundervolle verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen soll len dieses Jahr nutzen, um die Arbeit an un- Weise ein, dass man spürt, wie groß seine durch die Etablierung partizipativer, demo- serem ersten Gemeinwohlbericht zu begin- Ehrfrucht vor dem Lebewesen ist, das mit kratischer und ergebnisoffener Prozesse eine nen. Eine besondere Rolle wird dabei unser uns diesen Planeten bewohnt und doch so Richard Powers: „Die Wurzeln Justierung des Wert- Zukunftswald Unterschönau einnehmen. oft nicht als solches erkannt wird. des Lebens“, Fischer Verlag, 624 „Das Wohl von Mensch und Um- schöpfungsbegriffes Wir stehen am Anfang eines spannenden Auch die Menschen in Powers Geschich- Seiten, Taschenbuch, welt wird zum obersten Ziel des vorgenommen wer- und erkenntnisreichen Lernprozesses, an ten sehen nicht alle von Beginn an, wie eng 15,00 Euro Handels und Wirtschaftens.“ den – die Werte der dem wir wachsen und durch den wir zum unser aller Leben mit dem der Bäume ver- Gesellschaft werden ermutigenden Vorbild für die notwendige knüpft ist und wie sehr unsere Schicksale zu- Christian Felber, Initiator der so zu den Werten Transformation in Gesellschaft, Politik und sammenhängen. Manch eineR muss sich erst Gemeinwohlökonomie der Wirtschaft und Wirtschaft werden wollen. Nun gilt es, An- entwickeln, muss Gutes und auch Schlech- gesellschaftliche Inte- spruchsgruppen zu definieren und Gemein- tes erleben, Verlust und Freude, ebenso wie ressen die Grundlage wohlwerte mit Leben zu füllen. Damit ste- das auch vielen von uns vielleicht ergangen unternehmerischer hen wir übrigens nicht allein da, über 2.000 ist, bis in ihm oder ihr die Erkenntnis um Entscheidungen. In eben einem solchen Pro- Organisationen unterstützen die GWÖ be- Mir wurde vor einiger Zeit ein die großen Zusammenhänge reift, bis sich zess wurden die Indikatoren festgelegt, nach reits weltweit – wir steigen freudig mit ein! Buch empfohlen, und ganz ge- die eigenen Schwerpunkte neu sortieren und am Ende alle Lebenswege zusammenlaufen denen Organisationen aller Größen und gen meine sonstige Gewohn- Zum Weiterlesen: und einander treffen. Quasi wie die Wurzeln Rechtsformen ihren Beitrag zum Gemein- heit habe ich mir das Buch https://web.ecogood.org/de/ vieler Bäume einander treffen und dann zu- wohl bilanzieren können. tatsächlich gekauft. Seitdem Felber, Christian: „Gemeinwohl-Ökonomie“, sammenwirken können und sich der großen Die Gemeinwohlmatrix besteht aus 20 Fel- habe ich es schon viele Male überarbeitete Neuauflage, Pieper 2018. Gemeinsamkeit bewusst werden, die ein Le- dern (Gemeinwohl-Themen), mit Hilfe de- weitergeschenkt, denn meine ben auf diesem Planten bedeutet. rer eine Evaluierung der Beziehung zu den Bekannte lag absolut richtig, Powers Buch ist für mich eine Ode an die wichtigsten Berührungsgruppen (Lieferan- als sie meinte, ich müsse es Natur, aber auch ein Appell an die Fähigkeit tInnen, EigentümerInnen und Finanzpart- unbedingt lesen. Und vom er- der Menschen, zu erkennen, zu verstehen nerInnen, Mitarbeitende, KundInnen und ÖKOLOGIE sten Moment an hatte ich den und dann gemeinsam etwas zu bewegen. Mitunternehmen, gesellschaftliches Umfeld) Gedanken, dass es ein Muss lebensfähige Welt Und gleichzeitig ist es ein Hilferuf im Na- anhand der Gemeinwohlwerte (Menschen- für jedeN Bergwaldprojektle- men der Natur, im Namen der großen Ma- würde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökolo- rIn ist. In „Die Wurzeln des Lebens“ jestäten des Waldes, im Namen aller Bäume gische Nachhaltigkeit und Transparenz und ÖKONOMIE und Pflanzen, sie als Lebewesen wahrzuneh- Mitentscheidung) erfolgt. Die bilanzieren- von Richard Powers geht es um men und einzutauchen in das besondere de Organisation erhebt den Status quo von gerechte Welt „unser“ Thema: Bäume. Bäu- Gefühl, das auch mich immer überkommt, Ethik und Nachhaltigkeit in Bezug auf die me unterschiedlicher Arten. wenn ich mir das Werden und Wachsen Gemeinwohl-Themen und fasst diesen in lebenswerte Welt Sie übernehmen eine zentrale eines Baumes vorstelle, mich an seinen einem Gemeinwohlbericht zusammen. Da- Rolle, bekommen eine ganz SOZIALLES Stamm setze und mir seiner Beständigkeit bei ist die Identifikation von und Stellung- spezielle Bedeutung, stehen als und gleichzeitig der großen Verletzlichkeit nahme zu Negativaspekten (beispielsweise Symbol in neun verschiedenen bewusst werde. Missachtungen der Menschenwürde entlang Geschichten über neun völ- 18 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 19
HOLZWEG 7000 Eichen mit Fettecken ren fällt seine berühmte Capri-Batterie ein Fragen der Ökologie zum Gegenstand seiner (die Glühbirne, die aus der sonnengereiften Arbeit machte. Während der Holzschneider Zitrone mit Energie gespeist wird). Neben- HAP Grieshaber Anfang der 1970er-Jahre oder weshalb Joseph Beuys das Bergwaldprojekt lieben würde – von Eberhard Stett Aufbäumen ! bei gründete er noch seine eigene Akade- aktionistisch mit dem Kauf von Wachol- mie, die „Freie Internationale Universität“, derheideflächen auf der Schwäbischen Alb und forcierte durch Denken und Taten die versuchte, seine Wahlheimatlandschaft vor Gründungswehen der Partei „Die Grünen“, „zivilisatorischen Fortschrittsschäden“ zu Leben erschaffen. Mit so musste aber schnell erkennen, dass er nicht schützen, entwickelte Beuys 1971 in Düs- einer Vita lässt sich gut zum Realo taugte. seldorf das Konzept der Baumbesetzung. Philosoph und Künstler Zusammen mit StudentInnen kämpfte er werden, und was für einer. Mit großen Ausstellungen und allerhand gegen die Erweiterung einer Tennisanlage Ein aufsässiger Hochschul- virtuellen Events ist er 2021 anlässlich seines zulasten eines Waldstücks: „Sollte je einer lehrer, ein umtriebiger 100. Geburtstags im Mai mal wieder in aller versuchen, diese Bäume abzusägen, dann Schamane, ein Munde. Eine Chance, werden wir in den Kro- getriebenes Ge- „Das können sie (die ihn und sein vielschich- „Also es ist wie alles, was Menschen tun, nen sitzen!“ nie, ein Freak, großen negativen tiges Werk kennenzu- ein Experiment, allerdings ein Experi- Als im Juni 1987 der der allen stau- Geister) nicht ertragen: lernen. Glücklich, wer ment, was auf jeden Fall seine positiven letzte der 7000 Bäume nend erklärte: einen lachenden ihn dabei in seiner Viel- Wirkungen in der Zeit behalten wird.“ in Kassel gepflanzt wur- „Jeder Mensch Menschen.“ gestaltigkeit erkennen (Joseph Beuys) de, war Beuys bereits ein ist ein Künst- (Joseph Beuys) und verstehen wird oder Jahr tot. Die Idee und ler.“ Eine For- seine Ideen für radikale Ökologie entdeckt. das Dauerprojekt der Verwaldung hat ihn mel, die Beuys aus seiner überlebt und wird ihn noch viele weitere Beschäftigung mit der An- Um sein nachhaltigstes Werk und eine seiner Jahre überleben. Zufall, dass in seinem Ster- © documenta archiv / Foto: Dieter Schwerdtle throposophie entwickelte Glanzleistungen zu erkunden, führt der Weg bejahr auch der erste Bergwaldprojekteinsatz und die auch jedeR Wal- nach Kassel: zur immerwährenden Aktion in der Schweiz stattfand. Ersonnen in einer dorfschülerIn lebt. „7000 Eichen“. Das dynamisch-wachsende Hamburger WG von Menschen, die unbe- Weitere Pfeiler seiner Ar- Projekt wurde zum Symbol der Beuys-Mar- wusst und ungewollt die Ideen von Beuys in beit resultieren dagegen ke „Soziale Plastik“. Plusminus 7000 Bäume das neue Bergwaldprojekt einbrachten. Ge- aus der Naturwissenschaft verschiedener Arten wachsen im Kasseler meinsam in und für die Natur wirken, um und seinem intensiven Stu- Stadtgebiet neben Basaltblöcken, die 1982 nebenher geistige Prozesse für gesellschaft- dium der Bienenzucht und zu documenta7-Beginn als Aktion „Stadt- liche Veränderung in Gang zu setzen. Beuys des Biens, dem Superor- verwaldung statt Stadtverwaltung“ zu einem würde das Bergwaldprojekt lieben. ganismus als Bienenstock, großen Keil auf Kassels Friedrichsplatz auf- der ihn zu seiner Idee von geschichtet waren. Rund 30 verschiedene Plastik führte. Das „orga- Baumarten bilden die „weltweit einmalige Joseph Beuys und seine Eichen nische Bilden von innen Raum-Zeit-Skulptur“. Eine Stiftung, die her“, das aus dem Lebens- Bürgerschaft und die Stadt Kassel kümmern prozess des Bien resultiert, sich um die Bäume Filz und Fett, Wachs und Honig, Kojoten führte zur „Sozialen Plastik“ als universellem „Ideen leben im Menschen fort, und notwendige Verlosung: Als Einsteiger- und tote Hasen: bevorzugte Materialien im Begriff, um mittels der Kunst auf die Trans- während sie in Kunstwerken Neupflanzungen, lektüre zu Beuys verlost das © Willi Blöss Verlag Werk des Joseph Heinrich Beuys. Der Mann formation der Gesellschaft zu wirken. Wie erstarren und schließlich wenn bestehende Bergwaldprojekt drei Comic- mit grauem Hut und Sportanglerweste. die einzelne Biene nicht für den Bien re- absterben.“ (Joseph Beuys) Bäume aufgrund Biographien „Joseph Beuys. Unterm Hut ein Schädel mit Silberplatte, levant ist, so ist mit der „Sozialen Plastik“ von Dürre, Krank- Der lächelnde Schamane“. Kriegsfolge. Seine selbst überlieferten Bio- auch die Vorstellung eines nur von einem heit oder Bautätigkeiten der wachsenden Teilen Sie uns einfach den grafieanteile sind Tataren-Legende: im zwei- Künstler geschaffenen Kunstwerks passé. Skulptur abhandenkommen. Nachnamen des Kasseler ten Weltkrieg als Kampfflieger (ausgebildet vom späteren Tierfilmgott Heinz Sielmann) Viele denken bei Beuys zunächst aber eher Die Kasseler Pflanzjahre Beuys‘ waren nicht Oberbürgermeisters mit, der 1982 den Beginn in Russland abgeschossen und anschließend an seine Fettecken, verbinden sein Tun mit seine erste Umweltschutzaktion, auch war er der Pflanzungen von 7000 Bäumen mit ermög- von Krimtataren in Filz und Fett gepackt der zum Postkartenspruch mutierten Frage nicht der einzige Künstler, der sich konkret licht hat und Kassel damit zu viel Grün verhalf. und mit wochenlanger Pflege zu neuem „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Ande- um den Erhalt der Natur kümmerte und E-Mail mit dem Lösungswort als Betreff bis 8. Juni an es@bergwaldprojekt.de. 20 BergwaldprojektJournal BergwaldprojektJournal 21
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