BAURECHT UND BAUSTANDARDS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Die vorliegende Publi- IMPRESSUM kation ist der Tagungs- band zur Jahrestagung Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. 2019 für Baurecht und Alle Rechte vorbehalten. Fotos: © Austrian Standards/ Baustandards, die am 5. Peter Tuma (Sehstern), 2019, andere Bildrechte sind bei Dezember 2019 im Mee- den betroffenen Bildern angeführt. ting Center von Austrian Nachdruck oder Vervielfältigung, Aufnahme auf oder Standards stattgefunden in sonstige Medien oder Datenträger, auch bei nur hat. Die Veranstaltung auszugsweiser Verwertung, sind nur mit ausdrück- war eine Kooperation von licher Zustimmung der Austrian Standards plus GmbH Austrian Standards mit gestattet. der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorg- Österreich. Sie wurde fältiger Bearbeitung ohne Gewähr und eine Haftung des unterstützt vom Hauptmedi- Herausgebers, des Autors, des Bearbeiters oder des enpartner a3BAU und dem Verlages ist ausgeschlossen. Aus Gründen der besseren Medienpartner Österrei- Lesbarkeit wird in vorliegendem Werk die Sprachform chische Bauzeitung. des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. Idee, Design, Text © Austrian Standards plus GmbH, Wien 2019 und Redaktion: Die Austrian Standards plus GmbH ist ein Unternehmen Herbert Hirner, h2p_ von Austrian Standards International. Büro für Kommunikation Austrian Standards Plus GmbH www.h2p.at 1020 Wien, Heinestraße 38 T +43 1 213 00-300 JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
INHALT Erste Schritte sind getan, 3 viele weitere werden folgen! DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha Bewegung bei Bauregeln! 4 Zusammenfassung der zweiten Jahrestagung für Baurecht und Baustandards. Grußbotschaft Dipl.-Ing. Dr. Rainer Pawlick 7 Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien Das Dialogforum entfaltet Wirkung 10 Vier Jahre nach dem Start gibt es konkrete Fort- schritte bei der Normung und einen Wandel in den Diskussionen, doch es bleibt noch viel zu tun. Andreas Kovar Eindrücke von der Jahrestagung 16 Diskussionsrunde zu Haftungsfragen 18 Die Norm richtig interpretieren 20 Die ÖNORM B 1300 und die ÖNORM B 1301 können bei der Organisation erforderlicher Objektsicherheisprü- fungen helfen. Mag. Doris Wirth JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 1
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH INHALT Baurecht und Verkehrssicherheitspflicht 22 Praxiserfahrungen aus der Sicht eines Sachverstän- digen. Arch. Dipl.-Ing. Christoph Geisler Sanierungsbedarf bei Bauregeln 24 Problemstellungen und Lösungen moderner Denk- malpflege. Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg Die Kostentreiber bei Bauprojekten 26 Die wichtigsten Einflussfaktoren in der Kostenentwick- lung. Dipl.-Ing. Architekt Dietmar Walberg Normungsroadmap als Kostensenker 28 Ziele und Status quo der Normungsroadmap Bauwerke. Dr.-Ing. Matthias Witte und Dipl.-Ing. Roland Jörger. Mobilfunker frühzeitig einbeziehen! 31 Die Möglichkeiten von 5G bestmöglich nutzen. Dipl.-Ing. Thomas Sigl Kostendruck durch höhere Ansprüche 32 Trotz stabiler Preise steht der öffentliche Wohnbau unter Druck. Dipl.-Ing. Herwig Pernsteiner . Der Stand der Technik ist zu definieren! 34 Problemstellungen und Haftungsfragen aus Sicht des Flughafen Wien. Dipl.-Ing. Judith Engel MBA, MSc JAHRESTAGUNG 2019 2 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Erste Schritte sind getan, viele weitere werden folgen! DDR. ELISABETH STAMPFL-BLAHA 2016 hat Austrian Standards die Initiative men sich dem Problem paralleler Standards DIALOGFORUM ergriffen und gemeinsam mit der Bundes- und der systematischen und nachhaltigen BAU ÖSTERREICH innung Bau der Wirtschaftskammer Ös- Weiterentwicklung der Normung. terreich das „Dialogforum Bau Österreich Das Dialogforum Bau Öster- – gemeinsam für klare und einfache Bau- Die zweite Jahrestagung Baurecht und reich wurde Anfang 2016 regeln“ aus der Taufe gehoben. Ein wesent- Baustandards hat sich drei großen Themen ins Leben gerufen, um Bau- liches Ergebnis der Initiative ist die – 2019 im „reality check“ gewidmet: der korrekten regeln (ÖNORMEN, Gesetze, bereits zum zweiten Mal stattfindende Jah- Anwendung von Bauregeln, dem Umgang Richtlinien, Verordnungen restagung Baurecht und Baustandards. mit Bestandsbauten und der Frage der Haf- etc.) zu vereinfachen. In Als Mitinitiatorin freue ich mich besonders tung. Wie sich gezeigt hat, sind auch hier einer ersten Phase wurde über die beeindruckend hohe Beteiligung schon erste Schritte getan. Um ans Ziel zu in offener Diskussion die und die Fülle von Reaktionen. Die teilneh- kommen, müssen aber noch viele weitere Problematik analysiert, seit menden Institutionen und Persönlichkeiten folgen. Im vorliegenden Tagungsband ha- Mai 2017 wird in 5 Hand- bilden einen unglaublich vielfältigen und ben wir die Vorträge und Diskussionsbei- lungsfeldern an der Vereinfa- spannenden Mix, der die Vielfalt des heimi- träge für Sie zusammengefasst. chung von Baunormen und schen Bauwesens repräsentiert. Allen Be- baurelevanten gesetzlichen teiligten danke ich bei dieser Gelegenheit Ich lade Sie ein, sich auch an den weiteren Regelungen gearbeitet. sehr herzlich für das Engagement. Aktivitäten des Dialogforum Bau Österreich Lösungsansätze für klare zu beteiligen und ihr Wissen einzubringen. und einfache Bauregeln Um Normen besser von anderen Regelwer- Gelegenheit dazu bietet ein Workshop am unter: ken abzugrenzen, haben wir bereits konkre- 27. Jänner 2020 – mit der Zielsetzung – Wi- www.dialogforumbau.at te Schritte gesetzt. Die Geschäftsordnung dersprüche in bestehenden regulativen Do- von Austrian Standards wurde überarbei- kumenten aufzuspüren. Sie können sich tet und der „Ausschuss für Bauregeln“ als auch online unter www.dialogforumbau.at ständige Einrichtung beim Präsidialrat an- einbringen. gesiedelt. Dieses Gremium diskutiert Nor- men und Gesetze aus ganzheitlicher Sicht Elisabeth Stampfl-Blaha und gibt konkrete Empfehlungen zu Baure- Managing Director, Austrian Standards International geln ab. Weitere konkrete Aktivitäten wid- Mitinitiatorin Dialogforum Bau Österreich JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 3
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Bewegung bei Bauregeln Die zweite Jahrestagung für Baurecht und Baustandards war mit mehr als 160 Teilnehmenden restlos ausgebucht. Das große Interesse erklärt sich auch aus den Themen: Baukosten, Haftungsfragen und die Anwendung von Bauregeln wurden einem „Reality Check“ unterzogen. Erste strategische Ein einfacherer und rechtssicherer Rah- wesen tätigen Akteure dabei nicht immer Empfehlungen men für das Bauen in Österreich – das war klar zu überblicken. Das Dialogforum Bau zu konkreten auch das Ziel der zweiten Jahrestagung hat sich daher zum Ziel gesetzt, für einfa- Problemen wurden für Baurecht und Baustandards, die am che und rechtssichere Rahmenbedingun- bereits erarbeitet 5. Dezember 2019 auf Einladung der Bun- gen zu sorgen. DDr. Elisabeth Stampfl- desinnung Bau der WKO und von Austrian Blaha, Managing Director von Austrian Standards stattfand. Auf dem Programm Standards, zeigte sich erfreut über die re- standen aktuelle Problemstellungen im ge Beteiligung unterschiedlichster Stake- Spannungsfeld zwischen Regulierung und holder an der 2016 aus der Taufe geho- (Eigen-)Verantwortung. In drei Themenblö- bene Initiative. Sie verwies auf die bereits cken debattierten die anwesenden Exper- umgesetzte Verankerung des Ausschus- tinnen und Experten Baukosten, Haftungs- ses für Bauregeln im Präsidialrat von Aus- fragen und die Anwendung von Bauregeln trian Standards und die Jahrestagung, die im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit. 2019 bereits zum zweiten Mal stattfand. Der Vorsitzende des Ausschusses, Dipl.- Beeindruckender Wert Ing. Dr. Rainer Pawlick, wies in seiner Mit einem Wert von etwa 386 Milliarden Grußbotschaft darauf hin, dass bereits Euro repräsentiert der Immobilienbestand strategische Empfehlungen zu konkre- in Österreich ein eindrucksvolles Vermö- ten Problemen erarbeitet wurden. Um gen. Zahlreiche Gesetze, Regulierungen die Rechtssicherheit zu erhöhen, gebe es und auch Standards sind für die im Bau- aber weiteren Handlungsbedarf. JAHRESTAGUNG 2019 4 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
DDR. ELISABETH STAMPFL-BLAHA ANDREAS KOVAR Dialogforum zeigt erste Wirkung te Kovar. Die identifizierten Probleme sei- en thematisch geclustert und abgestimmt Im heimischen Bauwesen herrsche eine worden, die unterschiedlichen gesetzlichen hohe Regelungsdichte, die von unter- Regelungen (Zivilrecht, Ordnungsrecht) schiedlichen Institutionen ausgehe, – fasste würden die Materie aber verkomplizieren. Andreas Kovar, der Moderator des Dialog- forum Bau, die Ausgangslage zusammen. Unterschiedliche Interessenslagen Wenn eine Verschlankung der Zuständig- keiten nicht möglich sei, müsse man se- Die Frage, wie welche Bauregeln richtig hen, dass die Kommunikation funktioniert, auf unterschiedliche Objekte anzuwenden erklärte er. Die bislang in dieser Richtung sind, stand am Beginn des ersten Themen- vom Dialogforum Bau Österreich gesetzten blocks. Mag. Doris Wirth von Bluesave Maßnahmen zeitigten erste Erfolge, beton- Consulting wies dabei auf unterschiedliche » JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 5
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH MAG. DORIS WIRTH DIPL-ING. CHRISTOPH GEISLER » Interessen in der Kundensphäre hin. Die sation der Aufgaben unterstütze, so Wirth. Haftungssituation habe sich verändert und Der Architekt Dipl.-Ing. Christoph Geisler es bedürfe einer völligen Neuordnung der beschrieb die Anwendung der Standards in technischen Hausverwaltung, so die Sach- der Praxis. Aus der Sicht des Sachverstän- verständige. Die Anwendung der ÖNORM digen erklärte er die Eckpfeiler der Objekt- B 1300 und der ÖNORM B 1301 stifte hier sicherheitsprüfung im Spannungsfeld von eindeutigen Nutzen, da sie bei der Organi- Baurecht und Verkehrssicherheitspflicht Zivilrecht Gesetzgeber Gewährleistungen Behörden Haftungsrecht Gerichte, Sachverständige Strafrecht Verträge Ordnungsrecht Eigentümer, Nutzer Planer, Ausführende Berater, Verwalter Fachkunde in diversen Unterlagen Forschung, Entwicklung Normung Freiwillige Normen Abbildung 2: Stakeholder, interessen, Regeln JAHRESTAGUNG 2019 6 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
DR. GEORG SPIEGELFELD-SCHNEEBURG DIPL-ING. DIETMAR WALBERG und beschrieb die Einstufung festgestellter Dipl.-Ing. Roland Jörger (Bilfinger Infra- Manche Kosten- Mängel entsprechend ihrer Dringlichkeit. structure) und Dr.-Ing. Matthias Witte steigerungen der vom DIN-Normenausschuss Bauwesen letzten Jahre sind Die Verkehrssicherungspflicht beschäftigt (NABau) stellten die für Deutschland er- ursächlich auf Dere- auch den Immobilienunternehmer Dr. Georg stellte Normungsroadmap als Baukos- gulierungsmaßnah- Spiegelfeld-Schneeburg. Als Vorstands- tensenker vor. Dipl.-Ing. Herwig Pern- men zurückführbar mitglied des Vereins Historische Gebäude steiner vom Österreichischen Verband Österreich und Besitzer denkmalgeschütz- gemeinnütziger Bauvereinigungen wies ter Objekte wies er auf die kulturelle Bedeu- auf soziale Aspekte des Wohnbaus hin tung von Denkmalen hin. Es gehe darum, und betonte, dass sich die anteilsmä- die rund 38.000 österreichischen Baudenk- ßigen Ausgaben für das Wohnen – rund male in sauberer Verwendung – und nicht 30% – in den letzten 40 Jahren kaum ver- Verwertung – in die Zukunft zu führen. Dazu ändert hätten. brauche es Lösungen, die moderner Denk- » malpflege angepasst seien. Hier sei auch die Politik gefordert, so Spiegelfeld-Schnee- GRUSSWORTE RAINER PAWLICK burg, denn zahlreiche Regelungen seien für denkmalgeschützte Objekte nur bedingt an- Wir wollen mit dem Ausschuss für Bauregeln den erfolgreichen wendbar. Wie bei der Plenumsdiskussion Weg der mit Dialogforum Bau begonnen wurde, konsequent klar wurde, haben die zahlreichen Stakehol- und effizient fortsetzen. Der Ausschuss erarbeitet strategische der mitunter stark divergierende Interessen. Empfehlungen zu spezifischen Problemen. Kostentreiber Qualitätsansprüche In der jüngsten Sitzung – der bereits dritten – wurde konkret eine Empfehlung zum Thema Handlungsbedarf zur Erhöhung Als wesentliche Kostentreiber bei Baupro- der Rechtssicherheit im Bauwesen verabschiedet. Auch wei- jekten machte der Architekt Dietmar Wal- tere Themen wie die bessere Nutzung der ÖNORM-Vorworte berg die hohen Qualitätsansprüche aller oder die Interpretation und Formulierung von Anmerkungen Beteiligten verantwortlich. Kostensteige- werden berarbeitet. rungen der letzten Jahre führt Walberg ur- sächlich auf Deregulierungsmaßnahmen Dipl.-Ing. Dr. Rainer Pawlick zurück, da sie zusätzliche Kosten für Be- Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien und Vorsitzender des rater, Gutachter und Sachverständige zur Ausschusses für Bauregeln beim Präsidialrat von Austrian Standards Folge hätten. JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 7
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH DIPL.-ING. ROLAND JÖRGER DR.-ING. MATTHIAS WITTE » Haftung unklar, Eigenverantwortung wünschenswert Der Kostenfrage folgt fast zwangsläufig Die Verantwortung sei aber letztlich unklar die Frage nach der Haftung. Dipl.-Ing. Ju- und liege in letzter Konsequenz beim Flug- dith Engel schilderte ambivalente Erfah- hafen als Eigentümer. In der anschließen- Die Politik will helfen, rungen aus Sicht des Wiener Flughafens. den Diskussionsrunde mit den National- Forderungen sollten Mit 130 unterschiedlichen Gebäudearten ratsabgeordneten Josef Muchitsch (SPÖ), aber akkordiert an – von Hangars und Terminals bis zu Büros Mag. Philipp Schrangl (FPÖ) und Mag. Ge- sie herangetra- und Fitnesscenter – hat das Unternehmen rald Loacker (Neos) zeigten sich die Po- gen werden. zahlreiche Immobilien zu managen. Für litiker willens, aktiv zu werden. Allerdings Probleme sorge immer wieder die Klas- sei es dazu notwendig, die Forderungen sifizierung aller Gebäude als „Flughafen“ akkordiert an sie heranzutragen. Darüber sowie die unklare Definition des „Standes hinaus wurde von den Diskutanten mehr der Technik“. Auch wenn Sachverständige Eigenverantwortung von Entscheidungs- beigezogen werden, könne es passieren, trägern und Privatpersonen eingefordert dass sie zwei gegensätzliche Ansichten und die Rolle von Sachverständigen kont- bekäme, so Engel. roversiell diskutiert. ! AKTUELLER BERICHT BILD: © DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Lesen Sie den aktuellen Bericht „Handlungsbedarf Dialogforum Bau Österreich Handlungsbedarf zur Erhöhung der Rechtssicherheit im Bauwesen zur Erhöhung der Rechtssicherheit im Bauwesen“ als Zwischenergebnis des Handlungsfeldes 4 „Review Im Auftrag der Bundesinnung Bau, des Fachverbands der Bauindustrie, der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe und des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie und Änderungen baurelevanter Regelungen“. Download unter www.dialogforumbau.at JAHRESTAGUNG 2019 8 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
DIPL.-ING. HERWIG PERNSTEINER DIPL.-ING. JUDITH ENGEL Resüme: Änderungen müssen gemeinsam herbeigeführt werden „Das Dialogforum entfaltet bereits Wirkung. Wurden früher noch gesetzliche Regulie- rungen und auch Standards pauschal kriti- siert, so haben wir es heute mit wesentlich differenzierteren und durch Faktenwissen unterfütterten Fragestellungen zu tun. Das unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es für alle Stakeholder ist, das ganze Regel- werk zu kennen. Denn nur wenn wir Proble- me detailliert beschreiben können, kommen wir auch zu Lösungen. Diese Lösungsvor- schläge werden wir in weiterer Folge akkor- diert an die Politik herantragen, damit es zu konkreten Änderungen kommt“ resümiert Andreas Kovar, der Moderator des Dialog- forum Bau Österreich. « JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 9
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Dialogforum Bau entfaltet Wirkung Vier Jahre nach dem Start gibt es konkrete Fortschritte bei der Normung und einen Wandel in den Diskussionen, doch es bleibt noch viel zu tun. ANDREAS KOVAR Das Dialogforum Bau Österreich entfaltet be- reits Wirkung! Wurden gesetzliche Regulierun- Es ist wichtig, gen und Standards frü- dass alle Beteiligten her – auch bei unserer Zusammenhänge, ersten Jahrestagung Dokumente und – noch pauschal kriti- Regelwerke kennen siert, so haben wir es ein Jahr später mit we- den politischen Programmen einigermaßen sentlich differenzierteren Diskussionen zu tun, vertraut sein, um weitergehende Maßnahmen, wenn es um Lösungen für Bauregeln geht. Trends und politische Forderungen beurtei- Dazu kommt, dass sich die Auseinanderset- len zu können. Denn nur, wenn wir Problem- zung mit dem Thema deutlich mehr auf Fak- stellungen kennen und detailliert beschreiben tenwissen stützt, als das in der Vergangenheit können, sind wir auch in der Lage, qualifiziert der Fall war. und konstruktiv darüber zu diskutieren. Und Das unterstreicht, wie wichtig es für die Sache erst dann lässt sich – in enger Zusammenar- ist, dass alle Beteiligten einen Überblick über beit zwischen Fachleuten und Entscheidungs- die laufenden Diskussionen haben und die trägern in der Gesetzgebung – an konkreten Zusammenhänge, Dokumente und Regelwer- Verbesserungen arbeiten. ke, um die es geht, auch kennen. Man muss Konkrete Fortschritte bei Normung einfach mit den aktuellen Entwicklungen, mit den konkreten Massnahmen zur Harmonisie- Vier Jahre nach dem Start des Dialogfo- rung der bautechnischen Vorschriften in Ös- rums wurden Verbesserungen bei Baunor- terreich – etwa die Richtlinien des Österreichi- men und bei der Normung realisiert. Von schen Instituts für Bautechnik (OIB) – und mit den im ersten Jahr erarbeiten Verbesse- JAHRESTAGUNG 2019 10 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
ERFOLGREICHE INITIATIVE Das „Dialogforum Bau Österreich” wurde auf Initiative von Austrian Standards International in Zusammenarbeit mit der Bundesinnung Bau gegrün- rungsvorschlägen für Normen wurden zwei Thema und befindet sich in einem Prozess det. Mittlerweile haben sich Drittel bereits fertig umgesetzt. Den Anre- ständiger Entwicklung. Neue und verbes- die wesentlichen für den gungen für Änderungen in der Normung serte Materialien, Technologien und Lösun- Bausektor repräsentati- wurde bei der Reform der Geschäftsord- gen finden praktische Anwendung und wer- ven Institutionen, nung von Austrian Standards International den zum sogenannten „Stand der Technik“, Interessensvertretungen, Rechnung getragen. Ein ständiger „Aus- der die Baubestimmungen beeinflusst und Unternehmen, Mitarbeiter/ schuss für Bauregeln“ wurde beim Präsidi- sich in technischen Standards widerspie- innen aus der Verwaltung alrat von Austrian Standards angesiedelt. Er gelt. Je schneller diese Entwicklung statt- und Wissenschaftler/innen diskutiert Normen und Gesetze aus ganz- findet, umso schwieriger wird es für die Ge- der Initiative angeschlos- heitlicher Sicht und gibt konkrete Empfeh- setzgebung, damit Schritt zu halten. Der sen und beteiligen sich lungen zu Bauregeln ab. Mit der Koordinie- Gesetzgeber greift berechtigterweise erst an der Ausarbeitung rungsgruppe Brandschutz wurde ein neues ein, wenn ein Regulierungsbedarf tatsäch- von Lösungsansätzen. Gremium zur horizontalen Abstimmung von lich zu erkennen ist. Schließlich will man Normen, Gesetzen und Regeln mit dem Schnellschüsse verhindern und für Sach- Ausschuss für Bauregeln ins Leben geru- lichkeit und Berechenbarkeit bei den recht- fen. Damit konnte sowohl das Problem par- lichen Rahmenbedingungen sorgen. alleler Standards angegangen, als auch die systematische und nachhaltige Weiterent- Zwangsläufig resultiert aus dieser Situation wicklung der Normung initiiert werden. eine hohe Regelungsdichte für das Bau- wesen. In die Gestaltung dieser rechtlichen Diskussion der Rahmenbedingungen Rahmenbedingungen sind unterschiedli- Die gesetzlichen Regelungen und der Be- che Institutionen auf mehreren politischen stand an Normen für das Bauen und für Ebene involviert – von den baurechtlichen Gebäude sind umfangreich. Schließlich Bestimmungen der Ländere bis zu den ord- sind Gebäude sowohl technisch, als auch nungsrechtlichen, zivil- und strafrechtlichen rechtlich gesehen komplexe Gebilde, auf Bestimmungen des Bundes für die vom die in unterschiedlichen Rechtsmaterien Justizministerium, über das Wirtschafts- eingegangen wird. Planer, ausführende und Sozialministerium bis zum Bundes- Unternehmen, Eigentümer, Käufer, Mieter, kanzleramt mehrere Ressorts und diverse Nutzer, Berater, Verwalter und die Öffent- parlamentarische Ausschüsse zuständig lichkeit haben spezifische Ansprüche an sind. Eine Bündelung der politischen Kom- Qualität, Ausstattung und Sicherheit. Hinzu petenzen ist nicht machbar. Auch die For- kommt der technische Fortschritt, mit dem derung nach weniger Regulierung lässt die Gebäude und das Bauen laufend tech- sich nicht erfüllen. Gerade deswegen ist nisch aufwändiger werden. Die Fachkunde es wichtig, dass die Auswirkungen laufend betreibt Forschung und Entwicklung zum evaluiert werden und der Bestand an Re- » JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 11
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Privatrecht Strafrecht Öffentliches Recht Werkverträge Bestandsbauten Bestandsbauten Behördliche Bewilligungen Gewährleistung, Verkehrssicherungspflicht Fahrlässigkeitsdelikte im Stand der Technik direkt Schadenersatz Haftung für Bauwerke, Strafrecht in den Bauordnungen, Verkehrsüblich: der Verletzung von Bautechnikverordnungen Übung des redlichen Schutzgesetzen und Regeln für die Verkehrs entsprechend Wohnbauförderung der ausgeführt Vorsorgegedanken: alle Bundesländer zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet Problem: In Verträgen Problem: Heranziehen nicht explizit genannte von neuen Regeln für Normen werden zur alte Gebäude, die über Vertragsauslegung den Baukonsens herangezogen hinausgehen Judikatur Technikklausel „Stand der Technik“, der sich in den Normen widerspiegelt Problem: Gleichsetzung zwischen dem „Stand der Technik“ und Problem: Risiko technischen Normen führt zu einer Einschränkung der Vielfalt an überbordender Auflagen Lösungsmöglichkeiten Technische Normen Handlungsbedarf zur Erhöhung der Rechtssicherheit im Bauwesen: Konzept für mehr Planungs- und Rechtssicherheit. Ursa- chen der Probleme, die durch den Rückgriff der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Verwaltung auf technische Normen entstehen. » gelungen überarbeitet und angepasst wird. lässt, ist, dafür zu sorgen, dass die gültigen Wir haben die realistische Chance, zu bes- Gesetze und Regelungen passen – also ver- seren, klareren und sehr wohl auch einfa- ständlich, anwendbar und widerspruchs- cheren Regelungen zu kommen. frei sind. Um zu vermeiden, dass sie später falsch oder widersprüchlich interpretiert wer- Dazu brauchen wir eine umfassende öster- den – etwa von Sachverständigen –, hilft nur reichische bautenpolitische Strategie, die die Miteinbeziehung möglichst vieler Stake- von allen Entscheidungsträgerinnen und Ent- holder in einem möglichst offenen Prozess. scheidungsträgern mitgetragen und in ihrem Und genau hier setzt das Dialogforum Bau jeweiligen Zuständigkeitsbereich umgesetzt Österreich nämlich an, gemeinsam für klare wird. Von gemeinsamen politischen Zielset- und einfache Bauregeln zu sorgen. zungen abgeleitet, müsste auf allen Ebenen parallel und abgestimmt an Reformen gear- In weiterer Folge findet am 27. Jänner 2020 beitet werden. Gleichzeitig müssten Erfah- ein Workshop statt, bei dem es darum geht, rungen in der Praxis systematisch gesammelt Widersprüche in bestehenden regulativen Do- werden und als Feedback in die Gesetzge- kumenten aufzuspüren. Hier bittet das Dia- bung einfließen. Was sich in Realita machen logforum um Mithilfe und ersucht um die Be- JAHRESTAGUNG 2019 12 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Ansätze sind, Verträge exakter abzufassen und Änderungen im kanntgabe allfälliger Widersprüche zwischen ko einer Haftung, die auch eine strafrecht- Zivil- Straf- und Gesetzen, Regeln oder Normen. Entsprechen- liche Verurteilung nach sich ziehen kann, Ordnungsrecht de Informationen können online auf der Web- weil die gessezten Sicherungsmaßnahmen zu erwirken site des Dialogforums eingebracht werden. von Gerichten im Nachhinein als eben nicht ausreichend erachtet werden können. Der Zivilrechtliche Probleme mit „Stand der Technik“ ist in diesem Zusam- Gewährleistung und Haftung menhang ein besonders problematischer Fall. Denn es ist keineswegs gesichert, was Ein wesentlicher Grund für mangelnde darunter zu verstehen ist. Auf ein Bestands- Rechtssicherheit und mitunter schwer kal- gebäude bezogen bedeutet das, dass die- kulierbare Risiken bei Bauprojekten ist die ses lediglich in dem Zustand, in dem es einst Wirkung des Zivilrechts. Die gesetzlichen bewilligt wurde, erhalten werden muss, sagt Regelungen lassen eine großen Handlungs- das Ordnungsrecht. Geht es um Haftung – spielraum zu, in dem die Gesellschaft Usan- und somit um das Zivilrecht – kann und wird zen entwickelt und die Gerichtsbarkeit zu Entscheidungen kommr. Durch die „Freiheit“ der „Stand der Technik“ oft als diejenige Ent- » des Zivilrechts können bei der Vertragsge- staltung zwischen Bauherren und Ausfüh- renden und für Liegenschaftseigentümer zwei sehr konkrete Probleme entstehen. Zum einen betrifft das die „Verkehrsüblich- keit von Leistungen“, bei der sich im Klags- fall Sachverständige und Richter an einem theoretischen „Stand der Techik“ orientie- ren und in der Praxis geltende Standards zur Beurteilung heranziehen. Auf diese Wei- se kommt es dazu, dass Normen ein recht- liches Gewicht und eine defacto Verbind- lichkeit erhalten, die so rechtliche eigentlich nicht vorgesehen ist. Zum anderen geht es darum, aus Haftungsgründen entsprechen- de Sicherungsmaßnahmen zu setzen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, alles zu tun, was möglich ist. Die Judikatur verlangt hier lediglich, „was wirtschaftlich zumutbar“ ist. Allein, wie ist diese Formulierung richtig zu interpretieren? Somit bleibt stets Unsicher- heit und ein nicht unbeträchtliches Restrisi- JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 13
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Um diesem Problem Herr zu werden, hat das Dialogforum Bau die Problematik in einem Bericht detailliert beschrieben. Und im Folgenden daraus mit vielen Stakehol- dern abgesprochene Forderungen formu- liert. Status: Ansätze sind bekannt, aber » wicklungsstufe interpretiert, die dem gegen- es gibt noch keine konkreten Lösungen. wärtigen Stand des technischen Wissens In der jetzt anlaufenden Gesetzgebungs- entspricht. Ein kleiner Unterschied mit unter periode werden erneut Anstrengungen Umständen beträchtlichen Konsequenzen. unternommen um hier zu Verbesserun- gen bei der Rechtssicherheit zu kommen. Objektivierte Auseinandersetzung Die konkreten Aktivitäten des Dialogfo- rums unter Einbindung einer größtmögli- chen Zahl von Stakeholdern hat auch zu einem erkennbaren Wandel in den Diskus- sionen geführt. Wurden bei der Jahresta- gung 2018 noch Standards als vermeint- liche Kostentreiber und damit primäre Ursache für kostenintensives Bauen in Österreich diskutiert, wurden sie bei der diesjährigen Tagung nur mehr als ein Teil des Problems, das es zu lösen gilt, iden- tifiziert. Für den Mangel an leistbarem Wohnraum machten die Vortragenden vor allem gestiegene Grundstückspreise, die hohen Qualitätsansprüche aller Beteilig- ten und die Folgen von Deregulierungs- maßnahmen als wesentliche Kostentrei- ber bei Bauprojekten verantwortlich. Fakt ist, die Kosten für die Errichtung und den Erhalt von Gebäuden sind sehr hoch. Allein der Bestand an Gebäuden in Öster- reich hat einen enormen schwer anzuset- zenden Wert. Es geht dabei um Billionen JAHRESTAGUNG 2019 14 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Euro, jedenfalls ein Mehrfaches des Brut- technische Entwicklung haben alle die toinlandsproduktes, das aktuell mit 386 Probleme noch an Schärfe gewonnen. Milliarden Euro angesetzt wird. Subopti- Sie sehen, es hat sich einiges getan in male rechtliche Rahmenbedingungen ha- Richtung klarer und vielleicht auh einfa- ben unmittelbare Auswirkungen auf den cherer Bauregeln. Und es bleibt noch viel Wert dieses beeindruckende Vermögens. zu tun. Bitte unterstützen Sie uns dabei! Der Sachverhalt ist bekannt, bessere Rah- Beteiligen Sie sich an der Diskussion und menbedingungen werden beim Zivilrecht, bei den Bauordnungen, dem Wohnrecht, bringen Sie sie damit voran. « in der Gewerbeordnung, bei der Flächen- widmung und in anderen rechtlichen Ma- ANDREAS KOVAR terien schon seit Jahrzehnten gefordert ist Managing Partner bei Kovar & Partners und diskutiert. Durch die beschleunigte und Moderator des Dialogforum Bau Österreich DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH - GEMEINSAM FÜR KLARE UND EINFACHE BAUREGELN BESTES BEISPIEL FÜR GELUNGENE DEREGULIERUNG Als Initiative gestartet, ist aus dem Dialogforum Bau Es wurde von Austrian Standards und der Bundesin- Österreich ein erfolgreiches Projekt geworden. Es wird nung Bau ins Leben gerufen. Die Wirtschaftskammer GESTALTEN von einer Allianz von Organisationen getragen, die Ver- Österreich, die Bundesinnung Stein-Keramik und die SIE MIT! antwortung dafür übernehmen, dass Bauregeln dabei Bundesinnung Baunebengewerbe beteiligen sich an der Wo Sie mitmachen können, helfen, die Arbeit sicherer zu machen, Kosten zu spa- Finanzierung. Aktuell wird in 5 Handlungsfeldern sowohl sehen Sie unter: ren, Entscheidungen zu vereinfachen und ein besseres an der Vereinfachung von Baunormen als auch bau- www.dialogforumbau.at Ergebnis zu erzielen. relevanter gesetzlicher Regelungen gearbeitet: HANDLUNGSFELD 1 HANDLUNGSFELD 2 HANDLUNGSFELD 3 HANDLUNGSFELD 4 HANDLUNGSFELD 5 ÄNDERUNG VON WEITERENTWICKLUNG DAS PROBLEM REVIEW UND HAFTUNGS- NORMEN DER NORMUNG PARALLELER ÄNDERUNG BAU- REGELUNGEN auf Basis der konkreten STANDARDS LÖSEN RELEVANTER Anträge aus dem Dialog- REGELUNGEN forum Bau Österreich Ziel: Umsetzung der Ziel: systematische Ziel: horizontale Ziele: Befassung der Ziel: Anpassung der Vorschläge und kritische und nachhaltige Abstimmung Landesregierungen; Gesetzeslage Refl exion Verbesserungen Review auf parlamen- tarischer Ebene 2/3 erledigt ✓ ✓ Workshop, Austrian Standards 27. Jänner 2020, 14:00 - 17:00 Uhr www.dialogforumbau.at JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 15
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Eindrücke von der Jahrestagung 5 JAHRESTAGUNG 2019 16 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
« JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 17
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Diskussionsrunde zu Haftungsfragen Was kann auf politischer Ebene gemacht werden, um die Situation bei den Haf- tungsfragen zu verbessern? Dieser Fra- ge widmeten sich coram publico die Na- tionalratsabgeordneten Josef Muchitsch (SPÖ), Mag. Philipp Schrangl (FPÖ) und Mag. Gerald Loacker (Neos). Die Politiker zeigten sich dabei willens, die Anliegen des Dialogforum Bau Österreich zu unter- stützen. Allerdings sei es dazu notwendig, dass etwaige Forderungen akkordiert an sie herangetragen werden, so die Politiker. 5 JAHRESTAGUNG 2019 18 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Moderator Andreas Kovar mit den Nationalratsabgeordneten Mag. Gerald Loacker (Neos), Josef Muchitsch (SPÖ) und Mag. Philipp Schrangl (FPÖ) (v.L.N.R.) JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 19
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Die Norm richtig interpretieren Die ÖNORM B 1300 und die ÖNORM B 1301 können bei der Organisation erforderlicher Objektsicherheisprüfungen helfen. Wichtig ist die richtige Anwendung der beiden Standards. DORIS WIRTH Die Eigentümer von Gebäuden sind gesetz- Dabei sei in Österreich mit der Veröffentli- lich dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tra- chung der ÖNORM B 1300 und der ÖNORM gen, dass von ihrem Eigentum keine Gefahr B 1301 bereits 2012 ein Sorgfaltsmaßstab für die Sicherheit von Personen oder deren für Belange der Objektsicherheit eingeführt Eigentum ausgeht. Das Allgemeine Bürger- worden, erklärt Wirth. Wenngleich das da- liche Gesetzbuch, Wohnungseigentums-, mals wohl niemand bemerkt hätte. Die bei- Trotz extrem Wohnungsgemeinnützigkeits- und auch de Dokumente bieten standardisierte Ver- verdichteter Rechts- Mietrechtsgesetz enthalten Bestimmungen fahrensregeln, um die erforderlichen und lage fehlt eine ver- über die Erhaltungspflichten der Gebäude- zumutbaren Vorkehrungen in der Objektsi- bindliche Definition eigentümer sowie zu ihren zivilrechtlichen cherheitsprüfung treffen zu können. des Sorgfalts- Verkehrssicherungspflichten. So verpflich- maßstabs tet etwa die Wiener Bauordnung Eigentü- Schutzzielniveau entscheidend mer, dafür zu sorgen, dass ihre Bauwerke Angesichts der unterschiedlichen Nut- in gutem, der Baubewilligung und den Vor- zungsformen (Eigen- oder Fremdnutzung) schriften dieser Bauordnung entsprechen- und der Verschiedenartigkeit von Gebäu- den Zustand erhalten werden. den hinsichtlich Bestandsalter, Erhaltungs- zustand und Nutzungszweck ergeben sich An Vorschriften herrscht also kein Mangel, eben zahlreiche Prüf-, Kontroll- und Über- Doris Wirth spricht von einer „extrem ver- wachungspflichten, die in Umfang und In- dichteten Rechtslage“. Gleichzeitig fehle tensität variieren. Daraus wiederum resultie- aber eine verbindliche Definition des Sorg- ren konkrete Haftungen für die Eigentümer faltsmaßstabes, um die Haftung des Eigen- und die Verantwortlichen von Gebäuden. tümers zu beschränken, so ihre Kritik. Die Die entscheidende Frage sei stets jene nach Immobilienexpertin entwickelt nachhaltige dem Schutzzielniveau, so Wirth. Also: Wofür Objekte und steht dem österreichischen ist ein Gebäude gedacht und welche Risiken Normungsausschusses für Objektsicher- ergeben sich aus seiner Nutzung? Und in heitsprüfungen vor. JAHRESTAGUNG 2019 20 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
MAG. DORIS WIRTH ÖNORM B 1300 liefert Eigentümern, Eigentümergemeinschaften, Vermietern, Verwaltern und deren Beauftragten diesem Zusammenhang gelte es, die Norm Absicht war, das Bauwerk als Ort der Erin- richtig zu interpretieren. Denn mittlerweile nerung zu erhalten. Diese Beanstandungen • standardisierte herrsche Konsens darüber, dass aus der An- seien auf einen groben Fehler bei der Auf- Verfahrensregeln wendung der Objektsicherheitsnormen ein tragsvergabe zurückzuführen, so Wirth. • Anleitung zur qualitativen eindeutiger Nutzen entsteht. Die entschei- Dokumentation der dende Frage, die sich stelle, sei „Du lieber „Bestellerinformation“ und FAQ sicherheitstechnischen Bauherr, wo setzt du dein Schutzziel an?“ Aspekte Um hier für die Zukunft Klarheit zu schaffen, • eine praxisorientierte Norm hilft bei der Organsiation wurde in einem ersten Schritt das Vorwort der Empfehlung zur ganz- ÖNORM 1300 überarbeitet und um klärende heitlichen Betrachtung „Die ÖNORM B 1300 ist dabei im Grunde Abschnitte ergänzt, so Wirth. Aktuell arbeite der Objektsicherheit nichts anderes als eine Organisationsnorm, der Ausschuss an zwei konkreten Projekten: • Organisationshilfe die beschreibt, wie man an die Sache her- an einer Art „Bestellerinformation“, bei der für die „Technische angehen soll“, erklärt Wirth. „Sie hilft bei der es darum geht, wie eine Ausführung nach Buchhaltung“ Organisation der Verantwortung. Aber orga- ÖNORM B 1300 korrekt zu beauftragen ist. • Checklisten für die nisieren muss sich jeder selbst!“ Gleiches Dazu seien wohl auch Ausschreibungstex- praktische Anwendung gelte für die ÖNORM B 1301. Die Normen te, Leistungsbilder und Qualifikationsnach- dürften nicht als Vorschriften verstanden weise erforderlich und eine objektbezogene werden, so die Expertin. Die in den Stan- Organisation der Objektsicherheit sinnvoll. dards enthaltenen Checklisten seien Hilfe- Zum zweiten würden derzeit häufig gestell- stellungen und vor dem Hintergrund unter- te Fragen (FAQ) gesammelt, im Ausschuss schiedlicher Interessen auch stets für das beantwortet und voraussichtlich 2020 von jeweilige Gebäude anzupassen. Diese Not- Austrian Standards zur Verfügung gestellt. wendigkeit illustrierte Wirth am Beispiel einer Gedenkstätte aus den 1930er Jahren. Ein DORIS WIRTH Prüfer hatte dort sämtliche Abweichungen ist Geschäftsführende Gesellschafterin von der aktuellen Baunorm beanstandet. Die der Bluesave Consulting GmbH JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 21
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Baurecht und Ver- kehrssicherheits- pflicht Objektsicherheitsroutinen mit ÖNORM B 1300 und ÖNORM B 1301 – Praxiserfahrungen aus der Sicht eines Sachverständigen. CHRISTOPH GEISLER Basis jeder Objektsicherheitsprüfung ist der sind. Aufgabe der oder des Prüfenden Konsensplan, erklärte Christoph Geisler. sei es nun, diese beiden Säulen „zusam- Wie der Sachverständige ausführte, sei der menzubringen“, so Geisler. Für die Prü- Bauakt (die Konsenspläne) jedoch nicht im- fung bedeute das klarerweise, dass man mer vorhanden. In der Praxis komme es vor, ein Gebäude beispielsweise nicht allein Konsenszustand, dass diese Pläne gar nicht vorhanden sind, nach der aktuellen OIB-Richtlinie prü- gesetzliche Nach- sei es, weil sie in Verstoß, also verloren ge- fen und alle darin angeführten Punkte, rüstverpflichtung gangen – oder beispielsweise bei Gericht die nicht erfüllt werden als Mängel be- und sicherheits- sind. Eine Prüfung sei aber dennoch mög- anstanden könne. Das wäre auch nicht relevante Adaptie- lich, denn wesentliche Daten, wie etwa das sinnvoll, so der Experte. rungen definieren Alter eines Gebäudes, seien meist bekannt. den Sollzustand Konsenszustand und die gesetzliche Können wichtige Fragen nicht geklärt wer- Nachrüstverpflichtung sind bekannt. Der den, so werden diese im Vorwort des Prüf- dritte Faktor, der den Sollzustand defi- berichts vermerkt, so Geisler. Da es nicht niert, sind die sicherheitsrelevanten Ad- möglich ist, den kompletten analogen Bau- aptierungen. Diese, so der Sachverstän- akt ständig mit sich zu führen, werde dieser dige, könnten vielerlei Ursachen haben, komplett digitalisiert. von Baugebrechen über wahrnehmbare Mängel, die Einschränkung der Funkti- Eckpfeiler der Prüfung onsfähigkeit durch andere Nutzung – im- Die Prüfung wird im Wesentlichen von mer in Zusammenhang mit einer erheb- zwei Pfeiler getragen. Einerseits vom lichen Personengefährdung. Wobei die Baurecht mit seinem Bestandsschutz Norm sehr junge oder sehr alte Personen und dem erwähnten Konsens. Und an- vor Gefahren schützen wolle. Eine weitere dererseits von der Verkehrssicherheits- Randbedingung sei das Risiko, das eine pflicht, bei der Mietrecht, Stand der Gesellschaft bereit sei einzugehen. Risi- Technik, OIB-Richtlinien und die „er- ko sei also auch Teil der Bewertung von forderliche Sorgfaltspflicht“ wesentlich Mängeln, erklärte Geisler. JAHRESTAGUNG 2019 22 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Zeiträume zur Behebung von Mängeln (laut ÖNORM B 1300): - Gefahr in Verzug ARCH DIPL.-ING. CHRISTOPH GEISLER - gemäß Prüfer Weitere Zeiträume laut Prüfpraxis: - sehr dringend - dringend - weniger dringend - leichter Mangel Ergebnis der Prüfung Besprechung mit Verantwortlichen Die Standards für Objektsicherheit be- Die Ergebnisse der Prüfung werden in der schreiben nur noch zwei Behebungs- Folge mit den Gebäudeverantwortlichen zeiträume für Mängel: Gefahr in Verzug besprochen. Als Sachverständiger oblie- und gemäß Prüfer. In seiner Prüfpraxis ge es ihm dabei auch, Lösungen zur Behe- habe es sich als zweckmäßig erwiesen, bung von Mängeln vorzuschlagen und mit- die zusätzlichen Klassen sehr dringend, unter auch aus Gründen der Zumutbarkeit dringend, weniger dringend und leichter Alternativen zu finden. Bei größeren An- Mangel einzuführen, erklärte der Sach- schaffungen seien die Eigentümer von der verständige. Gebäudeverwaltung mit einzubinden. Anhand anschaulicher Beispiele zeig- Abschließend wies der Experte noch auf te der Experte, wie welche Mängel zu besondere Mängel hin, die nur mit großem klassifizieren sind und warum. Ange- Aufwand oder gar nicht behebbar seien, wie führt wurde die Entlüftung von Stiegen- etwa zu geringe Stiegenhausbreiten in Grün- häusern (sehr dringend, innerhalb eines derzeithäusern. Weiters warnte der Sach- Monats zu beheben) beschädigte Stu- verständige vor Mängeln, die erst in nähe- fen (dringend, 3 Monate) oderunebene rer Zukunft schlagend werden. Dazu zählen Böden im Keller (weniger dringend, 12 beispielsweise Balkone aus den 1950er, Monate). Leichte Mängel könnten et- 1960er und 1970er Jahren, bei denen man- wa Indikatoren dafür sein, dass in den gels Abdichtung der Stahl angegriffen wird. nächsten Jahren Sanierungsmaßnah- men erforderlich werden könnten. Wür- den sie nicht derart klassifiziert, be- stünde die Gefahr, allfällige Mängel nicht zeitgerecht kommen zu sehen, so CHRISTOPH GEISLER Geisler. Ist freischaffender Architekt JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 23
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Sanierungsbedarf für Bauregeln Baudenkmale in sauberer Verwendung in die Zukunft zu führen. Problemstellungen und Lösungen moderner Denkmalpflege DR. GEORG SPIEGELFELD-SCHNEEBURG „Wir sind gewohnt, dass Denkmale das Land- 38.000 Objekte unter Denkmalschutz schaftsbild bestimmen“, erklärte Georg Spie- Von den rund zwei Millionen Gebäuden in gelfeld-Schneeburg zu Beginn seines Vortra- Österreich stehen 38.000 unter Denkmal- ges über Regeln für Bestandsbauten. Kaum schutz. Ein Drittel davon befindet sich im ein Werbefilm stelle dabei nicht das Kulturelle Besitz der öffentlichen Hand – vorwiegend in den Vordergrund. Gehe es um Wien, wer- die „großen“ Bauten, wie etwa die Wiener de meist der Stephansdom ins Bild gerückt, Hofburg oder Schloss Schönbrunn, aber der sicher nicht allen Baunormen entspreche. auch zahlreiche gemeindeeigene Gebäude, Dabei gehe es nicht nur um die großen Kultur- die beispielsweise als Musikschulen ge- nutzt werden. Kirchen, Kapellen, Pfarrhöfe und Klöster in kirchlichem Besitz machen ein weiteres Drittel der Denkmale aus. Ein weiteres Drittel – rund 13.000 Bauwerke – befindet sich in Privatbesitz. FOTO: © MICHAEL KRANEWITTER, WIKIMEDIA COMMONS, CC-BY-SA 4.0 „Bei all diesen Objekten geht es darum, wie man sie nutzen und erhalten kann. Und sie nicht so verändert, dass sie nicht mehr les- bar sind“, erklärte Spiegelfeld. Man soll- te annehmen, dass dem Gesetzgeber die Wichtigkeit dieses Themas bewusst sei und dies in allen bezugnehmenden Verord- nungen entsprechend berücksichtigt wer- Denkmalgeschützte Felsenkapelle im Gschlößtal (Matrei in Osttirol) de. Doch das finde nicht statt, berichtete der Immobilienunternehmer, der selbst ei- bauten, wie den Stephansdom oder Schloss nige denkmalgeschützte Objekte besitzt. Schönbrunn. Bedeutend sind aus Sicht des In der vertieften Auseinandersetzung mit Denkmalexperten auch die vielen kleinen dem Thema habe er Abgründe entdeckt. Denkmale wie Kapellen oder Bauernhöfe, Zum Thema Bestandsbauten würden un- denn sie würden Gesellschaft und Identität gefähr 9.000 Gesetze, Normen und Richtli- repräsentieren – es gehe um ideelle Werte. nien existieren, so Spiegelfeld-Schneeburg. JAHRESTAGUNG 2019 24 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
DR. GEORG SPIEGELFELD-SCHNEEBURG Er ortet Sanierungsbedarf bei den Regeln Normen sind für den Experten dabei ein re- für Bestandsbauten. Es geht ihm um ein lativ einfacher, weil klarer Teil. Als proble- Grundprinzip und darum, auf diese Interes- matisch beurteilt er Bestimmungen, die für senslage aufmerksam zu machen. Die si- denkmalgeschützte Objekte nur bedingt an- chere Nutzung von (denkmalgeschützten) wendbar sind. Immobilien stellen einen Wert Bestandsbauten ist ohne Wenn und Aber zu dar, der ein Vielfaches des österreichischen Es geht darum, gewährleisten, erklärte Spiegelfeld. Objekt- BIP beträgt. Bei Denkmalen kommt zum ma- Möglichkeiten zu sicherheitsprüfungen nach ÖNORM B 1300 teriellen auch ein ideeller Wert, geht es doch schaffen, Baudenkmale seien gewiss zumutbar, Eigentümer sollten um Kultur, Gesellschaft und Identität. In der in sauberer Verwendung diese auch machen. Aber, so der Denkmal- öffentlichen Wahrnehmung werde es als völ- – nicht Verwertung – in experte, die Norm sollte so angewendet lig selbstverständlich gesehen, dass diese die Zukunft zu führen werden, dass sie dem Denkmal nicht ent- Identität nicht beschädigt wird, so Spiegel- gegensteht und diesem in seiner Funktion feld. Dazu wäre eine Sanierungsrate von 3% als Denkmal auch gerecht wird. Nachsatz: aller Denkmale jährlich erforderlich. In der Und natürlich auch so, dass die Maßnah- Realität sind es 1% – ein Objekt kommt also men finanzierbar bleiben. alle 100 Jahre an die Reihe. Bedingt anwendbare Bestimmungen Seine Ausführungen illustrierte der Denk- malexperte mit konkreten Beispielen – ei- Denkmalpflege sei nicht rückwärtsgewandt, nem Kloster in Oberösterreich etwa, für betont Spiegelfeld. Es werde vielmehr ja dessen neues Gästehaus die vorhandenen auch laufend interessante aktuelle Bausubs- Fluchtwege zu lang oder Gewölbe in Vor- tanz unter Schutz gestellt. Aber es brauche schriften nicht vorgesehen sind. Als Da- Lösungen, die moderner Denkmalpflege an- moklesschwert beurteilte Spiegelfeld das gepasst sind. „Denn es geht darum, Mög- Thema Haftung: Eigentümer könnten zwar lichkeiten zu schaffen, um Baudenkmale in mit Weisungen handeln, falls aber mangels sauberer Verwendung – nicht Verwertung – eigener Verantwortung von Nutzern etwas in die Zukunft zu führen“, so Georg Spiegel- passiere, würden dem Eigentümer rechtli- feld abschließend. che Konsequenzen drohen. Das könne da- GEORG SPIEGELFELD-SCHNEEBURG zu führen, dass Verantwortliche den Zugang ist Vorstandsmitglied des Vereins zu Denkmalen lieber nicht mehr erlauben. Historische Gebäude Österreich JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 25
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Die Kostentreiber bei Bauprojekten Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen hat den wichtigsten Einflussfaktoren in der Kostenentwicklung nachgespürt. DIETMAR WALBERG Die Lebenshaltungskosten in Deutschland trifft die Bereiche Heizung, Lüftung Sanitär sind in den letzten 20 Jahren um 50% ge- – um beeindruckende 146%. Die Baune- stiegen, erklärte Dietmar Wahlberg. Der Ge- benkosten haben demgegenüber im Unter- schäftführer der Arbeitsgemeinschaft für suchungszeitraum um vergleichsweise mo- zeitgemäßes Bauen , einer öffentlichen Ein- derate 67% zugelegt. richtung mit dem Auftrag den Wohnungsbau Differierende Bauwerkskosten Die Kosten für den in Deutschland zu qualifizieren und zu be- technischen Ausbau gleiten. Zu den Aufgaben gehört auch For- Als problematisch sähe er die Kostenent- – Heizung, Lüftung schung um die geltenden Rahmenbedin- wicklung in den deutschen Großstädten, er- Sanitär – sind um gungen festzustellen. Eine aktuelle Studie klärte Walberg. Läge der Median der Bau- beeindruckende des Hauses untersuchte die Kostenentwick- werkskosten im Deutschland-Schnitt noch 146% gestiegen. lung und die dahintertehenden Kostentrei- bei 2.100 Euro, wäre er in Hamburg bereits ber bei Bauprojekten im Wohnungsbau. auf 4.000 Euro angestiegen. Obwohl sich die gesetzlichen Richtlinien nicht geändert hät- Untersucht wurde die Entwicklung der Bau- ten, seien die Baupreise in der Elbmetropole werkskosten für Wohngebäude – beginnend in zwei Jahren um 12% angestiegen. Dabei mit dem Jahr 2000 bis ins zweite Quartal werde in ganz Deutschland zu annähernd 2019. Das Ergebnis: Der Baupreisindex, aus den selben Kosten gebaut. Die Unterschie- dem sich die Entwicklung von Materialprei- de erklärten sich aus der Umgebung (Stadt/ sen und Lohnkosten ablesen lässt, hat um Land) oder unterschiediche Aufwandsfakto- 48 Prozent zugelegt. Der Bauwerkskostenin- ren wie etwa der Anlieferung von Baustof- dex, der auch Qualitäts- und Anforderungs- fen, wie beispielsweise Kalksandstein. veränderungen berücksichtigt, legte um 69 Prozent zu. Die Ergebnisse legen nahe, dass Wie Walberg zeigte, verursachen kosten- dieser Trend sich fortsetzen wird. Um die treibende Entwicklungen im Wohnungs- Kostentreiber aufzuspüren, haben sich Wal- bau zusätzliche Gestehungskosten. Ne- berg und sein Team auch die Entwicklung ben klassischen, bauspezifischen Faktoren in den einzelnen Leistungsbereichen ange- zeigte er auch jene Kostentreiber, die einen sehen: Die Kosten für den Rohbau sind um direkten Bezug zu Vorgaben bzw. Anforde- 41% gesteigen, der konstruktive Ausbau um rungen von Bund, Ländern und Kommunen 72% und der technische Ausbau – das be- ahben. Dazu zählen (nach Größe abstei- JAHRESTAGUNG 2019 26 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
DIPL.-ING. ARCHITEKT DIETMAR WALBERG gend) energetische Anforderungen, kom- fizienz, Schallschutz, Vollkeller oder Tief- munale Auflagen, Steuerrechtsänderungen, garage“. Aber, so sein Fazit: „Wir werden technische Baubestimmungen/Normen uns diese hohe Qualität so nicht mehr und Qualitätsstandards sowie Baugeneh- leisten können“. Da eine Senkung von migungsgebühren. Standards nicht möglich sei, gelte mittel- fristig, dass es keine(rlei) Anhebung der Walberg wies dabei auch auf Deregulie- Standards mehr geben könne. In Anbe- rungsmaßnahmen hin, die zusätzliche tracht der Entwicklung von Kosten- und Kosten für Berater, Gutachter und Sach- Mieten seien aus seiner Sicht die Grenzen verständige zur Folge hätten. In einem ak- der Finanzierbarkeit bezahlbaren Wohn- tuellen Schaubild zeigte er aktuell übliche raums erreicht, so Walberg. Vertragspartner und rechtliche Beziehun- gen eines Bauherrn. Zu Finanzierungs- institut und möglicher Förderinstitution DIETMAR WALBERG gesellen sich neben Architekt, Bau- und ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Subunternehmer Bauaufsicht und Prüf- für zeitgemäßes Bauen e.V. sachverständige sowie zahlreiche weitere GRAFIK: © DIETMAR WALBERG/ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR ZEITGEMÄSSES BAUEN E.V. Experten – Auditoren, Baugrundgutach- ter, Energieberater, Projektsteuerer, Trag- werksplaner, Vermessungsingenieure und Zertifizierer für Nachhaltigkeit, sowie wei- tere Fachplaner für B wie Bauphysik bis W wie Wärmeschutz. Qualitätsansprüche treiben Kosten Als wesentliche Kostentreiber identifizier- te der Bauexperte auch die hohen Qua- litätsansprüche aller Beteiligten. „An den Kostensteigerungen sind wir alle schuld“, so Walberg. „Alle wollen stets die höchst- Kostentreiber für den Wohnungsbau am Beispiel von Wachstumsregionen und mögliche Qualität – sei es bei Energieef- Ballungsgebieten. Bezugsjahr 2000 - Betrachtungsjahr 2014. JAHRESTAGUNG 2019 BAURECHT UND BAUSTANDARDS 27
DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH Normungsroadmap als Kostensenker NABau-Geschäftsführer Matthias Witte und Roland Jörger von Bilfinger Infrastructure über die deutsche Normungsroadmap - und wie sie die Baukosten senken kann. MATTHIAS WITTE UND ROLAND JÖRGER Im Jänner 2018 wurde die deutsche Nor- vor dem Hintergrund, dass Normungstä- mungsroadmap „Bauwerke – Planen, tigkeiten in diesen Schwerpunktfeldern Bauen und Betreiben“ durch den Sonder- nicht nur von den Faktoren des Standes präsidialausschuss des DIN-Präsidiums der Technik und der Handhabbarkeit der veröffentlicht, berichtete der Geschäfts- normativen Ergebnisse geprägt sind, son- führer des DIN-Normenausschusses Bau- dern auch indirekt einen Einfluss auf die Die Normungs- wesen (NABau) Matthias Witte. Mit der Baukosten entfalten. roadmap soll die Umsetzung der Maßnahmen aus der Nor- Normungsarbeit im Ziele der Normungsstrategie mungsroadmap wurde der Beirat des europäischen Rah- DIN-Normenausschusses Bauwesen be- Für die Normungsstrategie wurden sieben men unterstützen auftragt. Dabei spielen die strategischen Ziele formuliert (siehe auch Kasten rechts). und auch Anstöße zu Schwerpunktthemen der Bemessungsnor- Normung und Standardisierung sollen dem- neuen Verfahrens- mung (Eurocodes), der zu harmonisieren- nach den internationalen und europäischen weisen geben den Produktnormung sowie der Energie- Handel erleichtern, die staatliche Regelset- effizienz und der Digitalisierung (BIM) eine zung entlasten und unterstützen. Durch Ver- herausragende Rolle. Herausragend auch netzung und den Aufbau offener Plattfor- men soll Deutschland weltweit die Normung in Zukunftsthemen vorantreiben Wirtschaft und Gesellschaft sollen dabei die treibenden Kräfte sein, Unternehmen sollen Normung NORMUNGSROADMAP und Standardisierung als attraktives strate- BAUWERKE gisches Instrument nutzen und schließlich Die Normungsroadmap Bauwerke soll die Normungs- soll die öffentliche Wahrnehmung von Nor- BILD: © DIALOGFORUM BAU ÖSTERREICH arbeit im europäischen Rahmen unterstützen und mung einen hohen Stellenwert haben. allen „interessierten Kreisen“ Signale geben, welche Ansätze zu verfolgen sind sind und auch Anstöße zu Dazu wurden Leitlinien erstellt, die auf- neuen oder geänderten Verfahrensweisen geben. greifen, dass Normung noch deutlicher Download: DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau) auf Europa bei CEN fokussiert werden JAHRESTAGUNG 2019 28 BAURECHT UND BAUSTANDARDS
Sie können auch lesen